Plenarsitzung
des Nationalrates
158. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
Donnerstag, 19. Mai 2022
XXVII. Gesetzgebungsperiode
Großer Redoutensaal
Stenographisches Protokoll
158. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
XXVII. Gesetzgebungsperiode Donnerstag, 19. Mai 2022
Dauer der Sitzung
Donnerstag, 19. Mai 2022: 9.06 – 19.28 Uhr
*****
Tagesordnung
1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Impfpflicht: Striktes NEIN“
2. Punkt: Bericht über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII.GP)
3. Punkt: Bericht über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird
4. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird
5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden
6. Punkt: Bericht über den Antrag 2462/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 3-L-Regel in der Landwirtschaft: Landwirte leben lassen
7. Punkt: Bericht über den Antrag 159/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, geändert wird
8. Punkt: Bericht über den Antrag 1169/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP)
9. Punkt: Bericht über den Antrag 1782/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarfördermitteleinsatz zur Erreichung des Endes der Vollspaltenböden-Haltung von Schweinen in Österreich
10. Punkt: Bericht über den Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Fördermaßnahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel
11. Punkt: Bericht über den Antrag 2503/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden
12. Punkt: Bericht über den Antrag 2504/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnisfreiheit
13. Punkt: Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten
14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022)
15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022)
16. Punkt: Bericht über den Antrag 2501/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden
17. Punkt: Bericht über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige
18. Punkt: Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl
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Inhalt
Personalien
Verhinderungen ........................................................................................................ 16
Geschäftsbehandlung
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 9856/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ................................................................... 38
Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG .............................. 123
RednerInnen:
Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... 123
Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ........................................ 126, 135
Mag. Corinna Scharzenberger .............................................................................. 129
Kai Jan Krainer ........................................................................................................ 129
Christian Ries .......................................................................................................... 131
Mag. Nina Tomaselli ............................................................................................... 132
Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... 133
Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2538/A der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 9. Juni 2022 zu setzen ...... 38
Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ................................................................................... 38
Redner/Rednerinnen:
Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. 136
Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... 137
Dietmar Keck ........................................................................................................... 139
Peter Schmiedlechner ............................................................................................ 141
Clemens Stammler ................................................................................................. 142
MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................ 142
Ablehnung des Fristsetzungsantrages ..................................................................... 144
Antrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2227/A der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG) geändert wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 20. Mai 2022 zu setzen – Ablehnung .................................................... 38, 196
Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................. 38
Antrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1451 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft rückzuverweisen – Ablehnung ........................................................................................ 110, 150
Fragestunde (13.)
Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie .......... 16
Christian Hafenecker, MA (157/M) (nicht anwesend)
Lukas Hammer (168/M); Maximilian Lercher, Nikolaus Prinz, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer
Tanja Graf (160/M); Ing. Martin Litschauer
Alois Schroll (164/M); Joachim Schnabel, Mag. Yannick Shetty
Hermann Weratschnig, MBA MSc (169/M); Alois Stöger, diplômé
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (167/M); Cornelia Ecker, Martina Kaufmann, MMSc BA, MMMag. Dr. Axel Kassegger
Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (161/M)
Robert Laimer (165/M); Christian Hafenecker, MA
Johannes Schmuckenschlager (162/M)
Bundesregierung
Vertretungsschreiben ................................................................................................ 16
Ausschüsse
Zuweisung ................................................................................................................. 37
Verhandlungen
1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (1179 d.B.) „Impfpflicht: Striktes NEIN“ (1436 d.B.) ................................................. 39
RednerInnen:
Ralph Schallmeiner ................................................................................................ 39
Philip Kucher ........................................................................................................... 40
Mag. Gerhard Kaniak .............................................................................................. 42
Dr. Josef Smolle ...................................................................................................... 44
Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. 46
Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................ 46
Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... 48
Dr. Werner Saxinger, MSc ...................................................................................... 50
Peter Wurm .............................................................................................................. 51
Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... 53
Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ 55
Gabriela Schwarz .................................................................................................... 57
Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ende der Maskenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag“ – Ablehnung ......................................................................... 54, 59
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1436 d.B. ................................................ 58
2. Punkt: Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII.GP) (1426 d.B.) ............ 59
RednerInnen:
Dr. Reinhold Lopatka .............................................................................................. 59
Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... 62
Petra Steger ............................................................................................................. 64
Michel Reimon, MBA .............................................................................................. 68
Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... 70
Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................ 72
Carina Reiter ............................................................................................................ 75
Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. 76
MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. 77
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ........................................................................................... 79
Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... 80
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ......................................................... 81
Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA .......................................................................... 83
Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................ 84
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas“ – Annahme (250/E) ..................................................................................................... 61, 86
Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“ – Ablehnung ............... 66, 86
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1426 d.B. ................................................ 86
Gemeinsame Beratung über
3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.) ................................................................................................................ 86
4. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.) ......................................................................................................... 87
RednerInnen:
Lukas Hammer ........................................................................................................ 87
Alois Schroll ............................................................................................................ 91
MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. 92
Tanja Graf ................................................................................................................ 93
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. 94
Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ......................................................... 95
Julia Elisabeth Herr ................................................................................................ 98
Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ 100
Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................ 101
Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................. 103
Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 104
Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... 104
Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ 105
Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ – Ablehnung ......... 99, 108
Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1461 und 1462 d.B. ................................. 106
Gemeinsame Beratung über
5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1451 d.B.) 108
6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 2462/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 3-L-Regel in der Landwirtschaft: Landwirte leben lassen (1452 d.B.) 108
7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 159/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, geändert wird (1453 d.B.) ............................................................................................. 108
8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1169/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (1454 d.B.) ....... 108
9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1782/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarfördermitteleinsatz zur Erreichung des Endes der Vollspaltenböden-Haltung von Schweinen in Österreich (1455 d.B.) ................................................... 108
10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Fördermaßnahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel (1456 d.B.) ........................................................................................................... 108
RednerInnen:
Cornelia Ecker ......................................................................................................... 109
Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... 110
Peter Schmiedlechner ............................................................................................ 112
Clemens Stammler ................................................................................................. 113
MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................ 114
Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ................................................... 115
Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. 117
Klaus Köchl ............................................................................................................. 119
Dr. Astrid Rössler ................................................................................................... 120
Alois Kainz ............................................................................................................... 121
Franz Leonhard Eßl (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 122
Irene Neumann-Hartberger ..................................................................... 122, 144
Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ 144
Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ........................................... 146
Petra Vorderwinkler ................................................................................................ 146
Carina Reiter ............................................................................................................ 147
Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. 148
Annahme des Gesetzentwurfes in 1451 d.B. ........................................................... 150
Kenntnisnahme der fünf Ausschussberichte 1452, 1453, 1454, 1455 und 1456 d.B. 150
11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2503/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden (1457 d.B.) .................................................................................... 151
RednerInnen:
Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... 151
Dr. Harald Troch ...................................................................................................... 153
Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................ 154
Mag. Yannick Shetty ............................................................................................... 155
Mag. Romana Deckenbacher ................................................................................. 156
Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab ....................................................... 157
Nurten Yılmaz .......................................................................................................... 158
Mag. Georg Bürstmayr ........................................................................................... 160
Mag. Ernst Gödl (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 160
Dr. Helmut Brandstätter ......................................................................................... 160
Ing. Johann Weber .................................................................................................. 162
Annahme des Gesetzentwurfes in 1457 d.B. ........................................................... 168
12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2504/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnisfreiheit (1458 d.B.) .................................................................................................... 163
RednerInnen:
Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. 163
Petra Wimmer .......................................................................................................... 164
Christian Lausch ..................................................................................................... 165
Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................ 166
Hans Stefan Hintner ............................................................................................... 167
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. 167
Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1458 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnisfreiheit“ (251/E) ......................................................................................................... 168
13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1427 d.B.): Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (1463 d.B.) ..................... 168
RednerInnen:
Mag. Christian Drobits ........................................................................................... 169
Mag. Harald Stefan ................................................................................................. 170
MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. 170
Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... 171
Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Massenüberwachung“ – Ablehnung .. 173, 194
Genehmigung des Staatsvertrages in 1463 d.B. ..................................................... 193
Beschlussfassung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG ....................................... 193
14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1446 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022) (1464 d.B.) ............... 174
RednerInnen:
Mag. Ulrike Fischer ................................................................................................. 174
Nurten Yılmaz .......................................................................................................... 175
Mag. Johanna Jachs ............................................................................................... 175
Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ 176
Mag. Nina Tomaselli ............................................................................................... 177
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. 178
Annahme des Gesetzentwurfes in 1464 d.B. ........................................................... 194
15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1440 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022) (1465 d.B.) .......................... 179
RednerInnen:
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. 179
Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ 180
Mag. Harald Stefan ................................................................................................. 182
Mag. Klaus Fürlinger .............................................................................................. 183
Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................ 184
Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................. 185
Dipl.-Ing. Andrea Holzner ....................................................................................... 186
Annahme des Gesetzentwurfes in 1465 d.B. ........................................................... 194
16. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 2501/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (1466 d.B.) ...................................... 187
RednerInnen:
Mag. Harald Stefan ................................................................................................. 187
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. 187
Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ 188
Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... 189
Annahme des Gesetzentwurfes in 1466 d.B. ........................................................... 195
17. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige (1467 d.B.) .................. 189
RednerInnen:
Mag. Harald Stefan ................................................................................................. 190
Mag. Agnes Sirkka Prammer ................................................................................. 190
Mag. Ruth Becher ................................................................................................... 191
Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. 192
Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1467 d.B. ................................................ 195
18. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien, GZ. MBA/220000001539/2022, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (1486 d.B.) .............. 195
Annahme des Ausschussantrages in 1486 d.B. ...................................................... 195
Eingebracht wurden
Anträge der Abgeordneten
Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stipendien für Künstler*innen mit Betreuungspflichten (2555/A)(E)
Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend es braucht entschiedenes Auftreten gegen Christenverfolgung (2556/A)(E)
Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend fehlende Transparenz bei der Finanzierung internationaler Organisationen (2557/A)(E)
Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Verteuerung der Energiepreise verhindern – CO2-Steuer abschaffen (2558/A)(E)
Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Mehrbelastungen für Zwangsmitglieder der Wirtschaftskammern Österreich durch infolge der Teuerung steigende Kammerbeiträge (2559/A)(E)
MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dividenden der Energieversorgungsunternehmen mit Beteiligungen der öffentlichen Hand zurück an die Energiekonsumenten (2560/A)(E)
Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Exportgarantien für fossile Energie! (2561/A)(E)
Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Exportgarantien für fossile Energie! (2562/A)(E)
Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Fracking im Bodenseeraum (2563/A)(E)
Elisabeth Feichtinger, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden der Feuerwehr mit Photovoltaik-Anlagen (2564/A)(E)
Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimakrise und deren Auswirkungen auf Länder des globalen Südens (2565/A)(E)
Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauenrechte im Kontext von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe (2566/A)(E)
Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der eigenständigen Truppenküche in der burgenländischen Montecuccoli-Kaserne (2567/A)(E)
Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der burgenländischen Montecuccoli-Kaserne zur Sicherheitsinsel (2568/A)(E)
Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend vehementer Einsatz gegen den Bau des AKW Paks II auf einer Erdbebenbruchlinie (2569/A)(E)
Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berechnungsgrundlage des Unterhaltsvorschusses (2570/A)(E)
Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird (2571/A)
Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend passende Schutzkleidung auch für Frauen (2572/A)(E)
Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend passende Schutzkleidung auch für Frauen (2573/A)(E)
Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972,
das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022) (2574/A)
Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird (2575/A)
Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umfassende Landesverteidigung als Bestandteil der Allgemeinbildung (2576/A)(E)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung gemeinnütziger, platzbesitzender Sportvereine (2577/A)(E)
Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine 2G/3G-Regelung im Sportbereich (2578/A)(E)
Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der CO2-Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022), mit dem das Nationales Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird (2579/A)
Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der CO2-Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022), mit dem das Nationales Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird (2580/A)
Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer fairen Schwerarbeiterregelung für die Justizwache (2581/A)(E)
Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie (2582/A)(E)
Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Schutz des Menschen vor Wolfsangriffen muss Vorrang haben (2583/A)(E)
Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Korruptionsprävention – die Bundesregierung muss endlich handeln! (2584/A)(E)
Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiierung eines österreichisch-italienischen Abkommens zur Ermöglichung des grenzüberschreitenden Waffentragens für Traditions- und Schützenverbände (2585/A)(E)
Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert werden (2586/A)
Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Wasserentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050 (2587/A)(E)
Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Wasserentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050 (2588/A)(E)
Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2589/A)
Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (2590/A)
Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2591/A)
Tanja Graf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (2592/A)
Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (2593/A)
Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ (2594/A)(E)
Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines mobilen Visitendienstes (2595/A)(E)
Norbert Sieber, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfahrenserleichterung bei erhöhter Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung (2596/A)(E)
Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (2597/A)
Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie (2598/A)(E)
Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie (2599/A)(E)
Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (2600/A)
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit (2601/A)(E)
Anfragen der Abgeordneten
Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU Förderprogramme (10977/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10978/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10979/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10980/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10981/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10982/J)
Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10983/J)
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Übungsplan der Milizbataillone (10984/J)
Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesländerkontingente für Medizinstudenten (10985/J)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sozialversicherung: Offenlegung der Gebarungsvorschaurechnungen (05/2022) (10986/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMLV (10987/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMKÖS (10988/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMK (10989/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMJ (10990/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMI (10991/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMF (10992/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMEIA (10993/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMBWF (10994/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMA (10995/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BKA (10996/J)
Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Sabotage des Kanzlerbesuchs bei Viktor Orbán vom 26. Juli 2016“ (10997/J)
Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzkontrollen zu Slowenien und Ungarn widersprechen dem Willen des Volkes (10998/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (10999/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11000/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMSGPK (11001/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11002/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11003/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11004/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11005/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11006/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11007/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11008/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11009/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11010/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11011/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11012/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMDW (11013/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11014/J)
Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11015/J)
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Anbaumonopol der AGES (11016/J)
Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Errichtung eines Instituts der Hochschule St. Gallen in Vorarlberg (11017/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11018/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11019/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11020/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11021/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11022/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11023/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11024/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11025/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11026/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11027/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11028/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11029/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11030/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11031/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11032/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Umstände der Rückführung der 4-jährigen Diana (11033/J)
Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend nachhaltige IT-Geräte und Lücken bei Ausfuhrverbot von Elektroschrott in Nicht-OECD-Länder (11034/J)
Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend 612,5 Milliarden Euro Länderinvestitionspaket für die Bundesländer (11035/J)
Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Messerschmitthalle Schwaz (11036/J)
Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Messerschmitthalle Schwaz (11037/J)
Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMLRT (11038/J)
*****
Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend „Parteisteuer“ von Abgeordnetenbezügen (48/JPR)
Anfragebeantwortung
der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (9958/AB zu 10208/J)
Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr
Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf Sie zur 158. Sitzung recht herzlich begrüßen und diese somit eröffnen.
Ich begrüße auch die Damen und Herren der Presse auf der Galerie und die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen.
Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Johann Höfinger, Melanie Erasim, MSc, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Herbert Kickl und Dipl.-Ing. Olga Voglauer.
Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:
Außenminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. wird durch Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler vertreten.
*****
Der ORF überträgt diese Sitzung wie üblich auf ORF 2 bis 13 Uhr, auf ORF III bis 19.30 Uhr und anschließend kommentiert in der TVthek. Auch die privaten Sender übertragen ausschnittweise unsere Sitzung.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Fragestunde.
Ich darf Frau Bundesministerin Gewessler herzlich begrüßen. – Die Fragestellungen erfolgen wie üblich von den beiden Rednerpulten aus. Die Frage darf immer 1 Minute dauern, die erste Antwort, Frau Ministerin, 2 Minuten und die Beantwortung der Zusatzfragen dann jeweils 1 Minute. Ich mache Sie kurz vor Ablauf der Zeit aufmerksam.
Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen sogleich zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Ottenschläger. – Bitte.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um meine Frage zum Thema Verkehrssicherheit an Sie zu richten.
Wir haben zuletzt gemeinsam die Novelle der Straßenverkehrsordnung auf den Weg gebracht, sie ist in Begutachtung, und in dieser widmen wir uns auch dem Thema Verkehrssicherheit, vor allem mit dem Schwerpunkt für Radfahrer, aber auch für Fußgeherinnen und Fußgeher. Ich denke, das ist ein erster wichtiger Schritt.
Es ist leider nach wie vor so, dass wir wieder eine massiv ansteigende Zahl an Verkehrstoten im Straßenverkehr zu verzeichnen haben, deshalb müssen wir, so denke ich, da gemeinsam weitere Schritte gehen. Meine Frage zielt auch darauf ab, wie wir mit Extremrasern und auch mit Drogenlenkern im Straßenverkehr weiter umgehen.
Frau Bundesministerin, ich darf Sie fragen:
„Was unternehmen Sie gegen extreme Raser und Drogenlenker:innen im Straßenverkehr?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich werde die Begrüßung im Rahmen dieser Fragestunde jetzt nur einmal machen, aber ich freue mich, heute hier sein zu können.
Danke für die Frage zur Verkehrssicherheit. Das ist wirklich ein Thema, das uns in der Koalition gemeinsam sehr am Herzen liegt und bei dem wir gut weitergekommen sind.
Zu den zwei Themenbereichen: Wir haben ja zum Einschreiten gegen extreme Raserei bereits ein sehr umfassendes Paket verabschiedet und beschlossen.
Wir arbeiten derzeit am dritten Paket, das insbesondere darauf ausgerichtet ist, auch die Stilllegung von Fahrzeugen in den Blick zu nehmen, denn wir müssen einfach sehen, dass Wettrennen, wie sie jetzt gerade wieder in Wien stattgefunden haben – 170 km/h! ‑, einfach ein Ende haben müssen. Da brauchen wir effektive Möglichkeiten, einzuschreiten, und deswegen ist eine Reihe von Maßnahmen geplant. Konkret arbeiten wir an einem Stufenmodell, das auch gegen Unbelehrbare eine Handhabe in Form einer Stilllegung und Beschlagnahme von Fahrzeugen vorsehen wird.
Zum Einschreiten gegen Drogenlenker: Die Statistik zeigt, dass sich die Anzahl der Anzeigen gegen Lenkerinnen und Lenker im suchtgiftbeeinträchtigten Zustand erhöht – nämlich in den letzten fünf Jahren mehr als verfünffacht – hat, das heißt, es besteht Handlungsbedarf. Wir müssen auch davon ausgehen, dass es noch eine recht hohe Dunkelziffer gibt. Deswegen wollen wir hier gemeinsam ein effektives Einschreiten gegen Lenkerinnen und Lenker ermöglichen, die wegen verbotenen Suchtgiftkonsums, Alkoholkonsums oder Konsums von nicht fachärztlich verschriebenen psychotropen Stoffen in einem für den Straßenverkehr fahruntauglichen Zustand sind.
Da geht es insbesondere um die Verankerung von standardisierten Fahrtauglichkeitsuntersuchungen, die Erweiterung des Einsatzes von hinweisgebenden Vortests, die für das Erkennen von beeinträchtigten Lenkerinnen und Lenkern unter den entsprechenden fachlichen Voraussetzungen vorgesehen sind.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Ganz kurz: Frau Bundesministerin, Sie haben es ja auch erwähnt: Es ist tatsächlich so, dass sich sogar im Wiener Stadtgebiet, zum Beispiel auch im 19. Bezirk am Kahlenberg, nach wie vor illegale – man muss es so nennen – Straßenrennen abspielen, zuletzt auch mit einem schweren Unfall. Zum anderen, auch das haben Sie schon erwähnt, zeigt die Statistik, dass wir immer mehr mit der Problematik der Drogenlenkerinnen oder Drogenlenker im Straßenverkehr zu tun haben.
Deswegen meine konkrete Zusatzfrage: Wie schaut der Zeitplan aus? Wann können wir mit einer diesbezüglichen Novelle rechnen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Aktuell ist ja die Novelle der Straßenverkehrsordnung in Begutachtung, die Sie auch in Ihrer ersten Frage angesprochen haben. Wir haben uns vorgenommen, wir arbeiten unmittelbar am nächsten Paket weiter, deswegen hoffe ich, dass wir hier einerseits gute Lösungen für die Materie finden und dass wir das andererseits auch rasch tun. Wir haben alle von Ihnen angesprochenen Punkte auch in der Bearbeitung der Novelle vorgesehen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Herr. – Bitte sehr.
Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Ministerin! Wir hören ja von dieser Bundesregierung oft viele, viele Ankündigungen beim Thema Klimaschutz, die konkreten Gesetze bleiben aber dann leider lange aus, auch die konkreten Maßnahmen, beispielsweise beim Klimaschutzgesetz – seit über 500 Tagen ausgelaufen, ohne Ersatz.
Deshalb auch meine Frage zu den konkreten Zahlen:
„Wie viele Tonnen CO2-Äquivalent sollen im heurigen und kommenden Jahr eingespart werden?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben aktuell einen Zielpfad nach der Effortsharingregulierung auf EU-Ebene, nach der derzeit gültigen Form, der folgende Zielwerte in Tonnen CO2-Äquivalent vorsieht – für alle Treibhausgase –: für 2021 48,77 Millionen Tonnen, für 2022 47,40 Millionen Tonnen, für 2023 46,04 Millionen Tonnen. Das ist aus dem Durchführungsbeschluss der Kommission zur Festlegung der jährlichen Emissionszuweisungen an die Mitgliedstaaten.
Nach Vorschlag der Kommission – und notwendigerweise so – soll der Zielpfad ab 2023 angepasst werden. Die Werte 2021, 2022 bleiben also unberührt, auch von einer Anhebung des Ziels. Die genaue Zielpfadfestlegung ab 2023 ist noch in Diskussion, wir haben uns aber natürlich auch im Klimaschutzgesetzvorschlag des BMK damit beschäftigt. Da hätten wir für das Jahr 2023 das Ziel von 44,5 Millionen Tonnen vorgesehen, und bei einer Anhebung des Zielpfades der Europäischen Kommission gehen wir von ungefähr den ähnlichen Zielsetzungen aus.
Die Treibhausgasemissionen zum Vergleich – Sie wissen es, dennoch zur Erinnerung ‑: 2019 haben wir 50,1 Millionen Tonnen gehabt, 2020 46,5 Millionen Tonnen, und die Nahzeitprognose, also der Nowcast, des Umweltbundesamtes schätzt die Treibhausgasemissionen aus dem Non-ETS-Bereich für das Jahr 2021 auf 48,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Das heißt, wir sind da – und es ist uns allen bewusst, es war nach wie vor pandemiebedingt ein Ausnahmejahr – bei einer Unterschreitung der Emissionshöchstmenge um rund 0,6 Millionen Tonnen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Das waren ja jetzt teilweise die Zahlen aus der europäischen Zielsetzung, beziehungsweise für Österreich war es jetzt leider auch wieder nur eine Ankündigung, weil diese Ziele ja noch nicht gesetzlich niedergeschrieben sind. Darum würden wir grundsätzlich bitten.
Deshalb stelle ich auch die Zusatzfrage: Wie viele Tonnen CO2-Äquivalent wurden denn seit Beginn Ihrer Regierungstätigkeit durch Maßnahmen des Bundes eingespart? Können Sie die beziffern?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben jetzt den Nowcast 2021 bearbeitet und da einmal eine vorläufige Abschätzung vorgenommen, also die finale Abschätzung kommt erst. Man muss aber auch so ehrlich sein – das haben wir auch immer gesagt –: Maßnahmen, die wir jetzt setzen, wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Anhebung der Fördersätze für die E-Mobilität, die zu einer Vervielfachung der Zulassungszahlen geführt hat, die Anhebung bei den Sanierungsoffensiven, Heizkesseltausch mit Rekordanfragen, beginnen sukzessive zu greifen, werden aber im Jahr 2021 sicher nicht zur vollen Wirkung kommen. Das heißt, wir werden sehen, das kumuliert, und es werden allein für den Bereich Sanierungsoffensive und Heizkesseltausch im Budgetrahmen bis 2025 2,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent sein, die wir reduzieren werden. Eine genaue Zuordnung ist zum jetzigen Zeitpunkt seriöserweise nicht abzugeben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Hafenecker. Ist er da? – Wenn er nicht da ist, darf ich Herrn Abgeordneten Hammer um die nächste Frage bitten.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Österreichs Gasversorgung ist zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig. Das ist, wie wir wissen, ein Ergebnis von jahrzehntelanger falscher Politik, einer Politik, die Energiewende und Klimaschutz blockiert und uns immer weiter in diese Abhängigkeit getrieben hat. Jahrelang wurden uns auch das Märchen von immer verfügbarem, billigem und sicherem russischem Gas (Ruf: Es war immer verfügbar!) und das Märchen von der sauberen Brückentechnologie Gas erzählt. Diese saubere Brücke hat sich aber eigentlich als teure Sackgasse entpuppt, und die meisten Menschen realisieren jetzt, dass wir raus aus der Abhängigkeit von russischen Gasimporten, aber auch generell raus aus der Abhängigkeit müssen, damit unsere Energieversorgung nicht von den Launen von Diktatoren von Russland bis nach Saudi-Arabien abhängig ist.
Deswegen an Sie die Frage:
„Wie sieht der Plan aus, um aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern im Allgemeinen und aus russischem Gas im Speziellen herauszukommen und energieunabhängiger zu werden?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, das ist für viele hier in diesem Raum und definitiv für mich die drängende Frage, die uns derzeit beschäftigt. Sie haben die Zahlen erwähnt: Wir sind mit einer sehr, sehr hohen Abhängigkeit in diese Situation geraten. Russland führt einen Angriffskrieg, wir sind mit dieser hohen Abhängigkeit schlicht und einfach erpressbar, und wir sehen auch, dass Wladimir Putin diese Abhängigkeit auch in den unterschiedlichsten Zusammenhängen als Mittel in dieser Auseinandersetzung einsetzt.
Wie kommen wir da raus? – Erster Schritt – und ich sage gleich vorab: danke, wir werden heute noch zwei Maßnahmen hier im Plenum diskutieren können, die uns dabei helfen ‑: das Füllen der Erdgasspeicher. Wir sorgen mit diesen hohen Füllständen vor, sodass
wir weniger erpressbar sind, sodass wir besser durch den Winter kommen beziehungsweise uns auf diesen Winter schlicht und ergreifend besser vorbereiten. Da sind volle Speicher einfach die zentrale Versicherung. Sie sind aber keine Lösung für das Grundproblem.
Das Grundproblem ist und bleibt die Abhängigkeit. Deswegen haben wir eine Analyse von der Österreichischen Energieagentur beauftragt: Wie schaffen wir es, im Zielrahmen, den die Europäische Kommission vorgibt, nämlich 2027, aus dieser Abhängigkeit von russischem Erdgas rauszukommen? – Die Ergebnisse liegen vor. Es ist allen klar, wenn man diese Ergebnisse anschaut: Das ist kein Spaziergang, das ist ein nationaler Kraftakt. Dieser basiert auf drei Säulen: Wir müssen den Gasverbrauch reduzieren. Das heißt einsparen, das heißt substituieren, das heißt zum Beispiel, in der Stromversorgung durch einen höheren Erneuerbarenanteil den Gasverbrauch reduzieren, denn je weniger Gas wir verbrauchen, desto weniger müssen wir importieren.
Das Zweite: eigene Gasproduktion. Da geht es um fossile Erdgasproduktion – deren Anteil ist in den letzten Jahren gesunken, ist aber jetzt bei rund 10 Prozent stabil; das müssen wir halten – plus um die biogenen Potenziale, die wir haben, also Biomethan, Biogas einfach auch selbst zu produzieren und ins Gasnetz einzuspeisen, also zum Beispiel direkt ins Gasnetz einzuspeisen und nicht zuerst zu verstromen. Wir können auch grünen Wasserstoff erzeugen, auch dieses Potenzial müssen wir heben.
Drittens: Diversifizierung, neue Lieferländer für Erdgas, weil uns allen in diesem Rahmen auch klar sein muss, dass wir auch mit diesem ambitionierten Ausstiegsplan aus russischem Erdgas auch 2030 noch fossiles Erdgas brauchen - -
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Deswegen werden wir auch neue Lieferländer suchen müssen. Allen muss klar sein, das ist kein Spaziergang, das ist ein Kraftakt, der wird dauern und wird uns alle fordern.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sie haben die Gasspeicher erwähnt: Wir haben schon die strategische Gasreserve beschlossen. Heute werden wir weitere Maßnahmen beschließen. Die Regierung hat sich ja dazu bekannt, dass die Gasspeicher bis zum Anfang der Heizsaison zu 80 Prozent gefüllt sein sollen. Welche zusätzlichen Maßnahmen werden Sie zur Füllung der Erdgasspeicher vorschlagen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die strategische Reserve ist beschlossen, die Ausschreibung ist draußen. Wir werden jetzt zusätzlich diese strategische Reserve noch einmal aufstocken, und zwar bewusst auch mit dem Ziel, nicht russisches Gas für die Aufstockung zu besorgen, um Lieferbeziehungen zu stärken, um für die Versorger in Österreich einen Anreiz zu schaffen, auch tatsächlich vertraglich zu diversifizieren.
Wir haben gestern im Ministerrat noch zwei weitere Maßnahmen beschlossen, nämlich die Anbindung aller österreichischen Speicher an das österreichische Marktgebiet Ost – das betrifft insbesondere den Speicher Haidach, den wir in den unterschiedlichen Zusammenhängen schon diskutiert haben – und eine Regelung Use it or lose it, die wir für Gasfernleitungen schon lange haben und die darauf abzielt, bei einer kritischen Infrastruktur, die physische Grenzen hat, einfach Fairness walten zu lassen. Wenn die Kapazitäten, die man reserviert hat, nicht genutzt werden, dann müssen sie für andere zur
Verfügung stehen. Ich denke, das ist völlig gerechtfertigt, dass wir da auch eingreifen. Es muss in allen Speichern in Österreich gespeichert werden, und wenn das – in dem Fall von Gazprom – schlicht nicht gemacht wird, dann müssen wir auch eingreifen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Lercher. – Bitte sehr.
Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bei allem Respekt, aber außer Absichtserklärungen hat Österreich noch keine konkrete Maßnahme gegen die Abhängigkeit von russischem Gas gesetzt. Wir hören von Analysen, wir hören von Plänen, aber ich glaube, es braucht in dieser Zeit auch Taten. Die Deutschen haben das vorgezeigt, sie haben seit Ausbruch des Krieges die russische Gasabhängigkeit von 55 Prozent auf heute 35 Prozent verringert.
Deswegen meine ganz konkrete Frage: Um wie viel Prozent konnte in Österreich die Abhängigkeit von russischem Gas bis heute verringert werden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Es gibt in Deutschland und Österreich komplett unterschiedliche Voraussetzungen, das ist Ihnen wie mir bewusst. Eine der drängendsten dabei ist die unterschiedliche Vielfalt an Importeuren und die unterschiedliche Vertragsausgestaltung zwischen kurz- und langfristigen Verträgen – Punkt eins.
Punkt zwei ist: Wir werden das beim Gas genauso machen, wie wir es beim Erdöl gemacht haben. Wir haben beim Erdöl mit Beginn des Krieges angefangen, daran zu arbeiten, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Wir haben im März und im April kein russisches Erdöl mehr importiert. Deswegen können wir auch sagen, wir sind auch auf der europäischen Ebene bereit für ein Erdölembargo.
Beim Thema Gas ist es für Österreich komplexer, auch aufgrund unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen im Vergleich zu Deutschland. Wir haben gestern den Beschluss gefasst, die strategische Reserve aufzustocken. Der Hauptausschuss wird in Kürze auch eine Verordnung von mir zur Diskussion vorliegen haben, und mit diesem Beschluss werden wir die Importabhängigkeit von Russland um 10 Prozent reduzieren.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte, die Zeit bei der Beantwortung immer einzuhalten, sonst kommen wir nicht zurecht. Ich weiß, wenn das Herz und das Wissen voll ist, geht viel mehr. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)
Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Prinz. – Bitte.
Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Bundesminister, Österreich wird natürlich einen großen Maßnahmenmix brauchen, um weniger Abhängigkeit von Erdgas zu haben, egal aus welchem Land es kommt. Derzeit haben wir natürlich schon das Problem, das viele Verfahren immer wieder in die Länge gezogen werden. Es gibt große Potenziale, vor allem auch im Bereich Biogas.
Meine konkrete Frage: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Verfahren gerade im Bereich Biogas zu beschleunigen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Mir ist nicht bekannt, dass es im Bereich Biogas Probleme gibt, insbesondere nicht in meinem Einflussbereich. Ich bin ja für das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz zuständig, da erarbeiten wir gerade Beschleunigungsmaßnahmen und haben auch bereits viele Lösungsvorschläge erarbeitet.
Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz ist aber gleichzeitig nicht relevant für die Biogasanlagen. In dem Fall sind die dafür zuständigen Behörden jene in den Ländern, und vor allem sind die relevanten Materiengesetze Landesgesetze. Wir haben uns aber da auch das Ziel gesetzt, dort, wo das aus Sicht der Bundesländer auch Sinn macht, bestmöglich zu unterstützen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Meine Zusatzfrage geht in die Richtung weitere Diversifizierung von russischem Gas. Meine Frage wäre: Wie viele Pipelinekapazitäten für norwegisches Gas gibt es konkret für die nächsten paar Monate in Österreich, und wird auch der LNG-Terminal in Rotterdam, der der OMV ja gehört, eingesetzt werden?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage bezieht sich auf Dinge, die im Wirkungsbereich der OMV liegen, das heißt, nicht die Bundesregierung reserviert Pipelinekapazitäten, nicht die Bundesregierung kann das dann konkret umsetzen, sondern das jeweilige Versorgungsunternehmen.
Die OMV ist bereits dabei, alles in ihrer Macht Stehende zu tun – das wird mir auch so berichtet; Sie wissen, die OMV liegt in der Öbag, in der Verwaltung des Finanzministeriums –, um sowohl die Kapazitäten verfügbar zu machen – da gab es schon Vertragsumstellungen, die sind auch schon öffentlich kommuniziert – als auch die relevanten Kapazitäten in den Pipelines zu sichern.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Bernhard. – Bitte sehr.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Ministerin, wie Sie wissen, ist der Flächenverbrauch in Österreich im Vergleich mit den europäischen Mitgliedstaaten überdurchschnittlich hoch, insbesondere was die Verkehrsflächen, die durchschnittlich gebauten Autobahnkilometer je Einwohner, Einwohnerin, den Anteil der Quadratmeter an Einkaufszentren und die Zersiedelung der Gemeinden betrifft. Die Ursache dafür liegt vielfach nicht unmittelbar in der Bundespolitik, sondern in einer Zersplitterung der Kompetenzen, nämlich dass auf kommunaler Ebene Flächen gewidmet und auf Landesebene entsprechend freigegeben werden. Dadurch entstehen viele, viele Probleme, einerseits für die Biodiversität, andererseits für die Lebensqualität der Menschen in den Gemeinden, drittens wird die Natur für die nächste Generation zerstört und viertens werden die kommunalen Finanzen belastet.
Der Bund hat viele Möglichkeiten, einzuschreiten. Meine konkrete Frage an Sie, Frau Ministerin, ist:
„Welche konkreten Verordnungen bzw. Gesetzesmaterien haben Sie in den letzten 2 Jahren vorgelegt, um den europaweit einzigartig hohen Bodenverbrauch in Österreich merklich zu reduzieren?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sowohl Raumordnung als auch Baurecht und Bodenschutz sind in der Gesetzgebung und im Vollzug Landessache – ich weiß, wir
haben diese Frage ja schon öfters diskutiert –, als Klimaschutzministerin kann ich somit nach der aktuellen Bundesverfassung und der festgelegten Kompetenzverteilung keine legistischen Maßnahmen zur Beschränkung der Umwidmungen oder der Versiegelung setzen. Was ich aber schon tun kann und auch tue, ist, in dem Rahmen, in dem das BMK Möglichkeiten hat, Maßnahmen gegen die Flächenversiegelung zu setzen. Ich bin da bereits aktiv geworden, Stichwort Brachflächenrecycling.
Wir haben in Österreich ein großes Potenzial für das Flächenrecycling. Deswegen wurde vom BMK der Brachflächendialog ins Leben gerufen. Das ist eine Plattform und eine mehrjährige Initiative, deren Ziel es ist, möglichst viele Brachflächen wieder in die Nutzung zu bringen. Damit wird ein Beitrag zur Reduktion des Flächenverbrauchs und zur Erhaltung, wie Sie auch sagen, biologisch aktiver Böden geleistet.
Zusätzlich gibt es dazu eine neue Förderschiene Flächenrecycling, die mit 8 Millionen Euro dotiert ist. Das ist ein Kernelement dieses Brachflächendialogs. Zielgruppen sind insbesondere Gemeinden, Privatpersonen und Unternehmen, die in Ortskernen Brachflächen recyceln wollen und dafür Nutzungskonzepte, Entwicklungskonzepte, Untergrunduntersuchungen gefördert bekommen können.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Eine Nachfrage, Frau Ministerin: Es ist zweifellos so, dass in Österreich der Erfolg des Regierens damit verbunden ist, die föderalen Strukturen zu verstehen und auch indirekt Einfluss zu nehmen, um die politischen Ziele zu erreichen. Dafür gibt es von 15a-Vereinbarungen, Finanzausgleich bis hin zu Anreizsystemen viele Möglichkeiten, die die Bundespolitik indirekt hat, um trotzdem ihre Ziele zu erreichen, wenn sie nicht unmittelbar zuständig ist. In den letzten zwei Jahren hat sich jetzt nicht so viel geändert, wie sich hätte ändern müssen.
Meine konkrete Nachfrage ist: Was haben Sie in den nächsten zwei Jahren vor, um die Ziele besser erreichen zu können?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie wissen, die Koordinierungskompetenz für das Thema Bodenschutz und Raumordnung liegt laut Bundesministeriengesetz noch im BMLRT, die Novelle ist ja in Arbeit. Dort gibt es auch Arbeiten – an denen wir selbstverständlich mitwirken und in die wir eingebunden sind – zur Frage einer Bodenschutzstrategie. Diese ergibt sich aus dem Beschluss der Österreichischen Raumordnungskonferenz, die ein Gremium ist, das auf einem informellen, aber formalisierten Weg, also auf einem nicht legistischen Weg, die Anstrengungen der Länder, die Kompetenzen und Koordinierungskompetenzen des Bundes an einen Tisch bringt, um eben gemeinsam in dieser Frage weiterzukommen. Die Arbeiten an der Bodenschutzstrategie verantwortet – hauptverantwortlich – das BMLRT.
Das Thema Brachflächenrecycling wird ein Kernelement unserer Arbeit sein, genauso wie die Frage dann auch in den eigenen Gesellschaften – also in den meinem Ministerium unterstellten Gesellschaften ÖBB und Asfinag – ein zentrales Thema ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Graf. – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Ministerin, Versorgungssicherheit ist unser oberstes Ziel, und der Schlüssel zur Unabhängigkeit sind unsere erneuerbaren Quellen. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – Sie haben es vorhin schon erwähnt – haben wir den ersten Schritt gesetzt und wollen bis 2030 zusätzlich 27 Terawattstunden erzeugen. Die Erweiterung der Netze ist aber die Grundvoraussetzung dafür, dass wir den
erzeugten Strom auch ins Netz bekommen. Wir hören, der Fotovoltaikausbau geht zügig voran, schreitet auch voran, aber wir müssen die erzeugte Fotovoltaikenergie auch in die Netze bringen. Es bestehen große Herausforderungen beim Netzausbau, und den Netzausbau brauchen wir dazu eigentlich. Da stellt sich für mich die Frage:
„Wie können Sie gewährleisten, dass die für den Ausbau der Erneuerbaren Energien nötigen Verteilernetze rechtzeitig genehmigt werden können?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Derzeit hat Österreich ein sehr hohes Niveau an Versorgungssicherheit, auf das wir stolz sein können und das wir erhalten wollen, nämlich eine Ausfallsicherheit von 99,9 Prozent im Elektrizitätssektor. Um dieses Niveau auch zu halten, sind, wie Sie richtigerweise sagen, der Ausbau und die Optimierung der Stromnetze auf allen Ebenen ein wichtiges Instrument. Für eine bessere Netzplanung setzen wir überall dort an, wo wir das auf Bundesebene können.
Das heißt, wir haben im EAG verbindliche Ziele und jährliche Mindestvolumina vereinbart. Das erleichtert die proaktive und vorausschauende Netzplanung. Wir arbeiten am österreichischen Netzinfrastrukturplan, an dem vor allem hinsichtlich der großen Erzeugungs- und Verbrauchszentren – denken wir an große industriell geprägte Regionen – gearbeitet wird, um so auch die übergeordnete Netzinfrastruktur daran zu orientieren. Auf Verteilnetzebene sind wir allerdings meistens im Bereich der Länderzuständigkeit. Das betrifft auf der einen Seite die Raumordnung – wo kommen die Erneuerbaren hin? –, das betrifft auf der anderen Seite die Bauordnung – gibt es Vorschriften zu Fotovoltaikpflichten im Neubau, auf Industriedächern et cetera?
Was das Thema der Verfahren betrifft, haben wir mit den ExpertInnen aus den Ländern, aber auch der Wirtschaftskammer schon Beschleunigungsmöglichkeiten besprochen. Auch da wollen wir jene Maßnahmen, die wir auf Bundesebene umsetzen können, raschestmöglich umsetzen. Wir sind da auch im Dialog mit den Bundesländern, da diese im Zuge der Verfahren für die Genehmigung der Verteilnetze Verantwortlichkeiten haben. Wie so oft haben wir diesbezüglich geteilte Zuständigkeiten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Die EU-Kommission hat gestern den Plan Repower EU präsentiert, der unter anderem Vorschläge und Richtlinien zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren gerade zum Ausbau der erneuerbaren Energien vorsieht. Welche Beschleunigungsmaßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren planen Sie für Österreich?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Kommission hat gestern tatsächlich ein wichtiges, zeitgemäßes und beachtliches Paket geschnürt, ein Paket, das zusätzliches Geld bereitstellt, damit wir uns alle schneller aus der russischen Abhängigkeit lösen können. Da sind 195 Milliarden Euro zusätzlich bis 2027 vorgesehen. Die EU hat bei den Zielen zum Ausbau der Erneuerbaren nachgeschärft: 45 statt 40 Prozent Erneuerbare, 13 statt 9 Prozent Energieeffizienz, Solaranlagen in Europa bis 2028 verdoppeln, 10 Millionen Tonnen mehr Wasserstoff und vieles mehr.
Zur Verfahrensbeschleunigung hat die Kommission – und das ist gut, das brauchen wir auch in Österreich – Energieraumplanung als zentralen Hebel erkannt, sprich die Länder
sollten sogenannte Go-to-Areas für Renewables ausweisen, und an diesen vorgeprüften Standorten soll es dann im Genehmigungsverfahren Erleichterungen geben, weil ja für die Go-to-Areas für Renewables schon eine strategische Umweltprüfung zu erfolgen hat. Danach soll es dann auch im Genehmigungsverfahren schneller gehen, und ich denke, das ist ein richtiger Ansatzpunkt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Litschauer. – Bitte.
Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Es ist schon einiges angesprochen worden. Der Netzausbau beschäftigt uns ganz intensiv. Ich komme aus Niederösterreich, wir haben damit zu kämpfen gehabt, dass wir gewisse Widmungszonen verloren haben, aber in den letzten Jahren haben sich vor allem die Beschwerden darüber gehäuft, dass der Netzausbau zu langsam ist und in den nächsten Jahren noch beschleunigt werden muss – auch das wurde schon thematisiert.
Ich glaube, es gibt noch einen ganz wichtigen Punkt. Wir haben ja teilweise starke Netze, auch in Niederösterreich. Jetzt zeigt sich, dass Windkraft die Netze zwar nutzt, aber gleichzeitig könnten sie auch für Fotovoltaik genutzt werden, denn da wird nicht zeitgleich Strom eingespeist. Da, glaube ich, braucht es auch noch Planungen, wie wir diese Netze, die es schon gibt – um nicht nur auf den Netzausbau zu schauen –, besser nutzen können. Daher lautet meine Frage: Wie sehen Sie da die Möglichkeiten in den Bundesländern, diese Netze besser zu nutzen und den Ausbau in den Bundesländern voranzubringen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr, sehr hilfreich ist natürlich – das war auch die Frage, die jetzt auf EU-Ebene relevant ist – die Energieraumplanung. Wenn die Länder bereits die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen haben – das ist eben zum Beispiel die Energieraumplanung, die die entsprechenden Kapazitäten für die Erneuerbaren vorsieht –, dann geht es schneller, dann können die Netzbetreiber frühzeitig darauf reagieren, frühzeitig ausbauen. Natürlich betrifft es auch die Raum- und die Bauordnungen im engeren Sinn. Ich habe vorhin schon Fotovoltaikverpflichtungen erwähnt, zum Beispiel beim Neubau oder bei Gewerbegebieten, da gibt es sicher Optimierungsmöglichkeiten.
Was die Verfahren betrifft, ist aus der Arbeitsgruppe, die Vorschläge für die Novelle des UVP-Gesetzes entwickelt hat, schon auch eindeutig herausgekommen: Wir haben einen Handlungsbedarf bei der Ressourcenausstattung bei Genehmigungsbehörden, aber auch bei der Bereitstellung von Sachverständigen, weil alleine ein paar Monate warten zu müssen, um einen Sachverständigen zu bekommen, beinhaltet schon ein Verzögerungspotenzial. Bundesländerübergreifende Sachverständigenpools wären da vielleicht nicht simpel, aber eine deutliche Beschleunigung.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schroll. – Bitte.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Frau Bundesministerin, schönen guten Morgen! Vorgestern, am Dienstag, dem 17. Mai, wurde der für den 24. Mai einberufene Energiebeirat auf 4. Juli, also um weitere sechs Wochen, verschoben. Dies bedeutet natürlich aber auch zugleich, dass die Marktprämienförderung nach wie vor auf sich warten lässt. Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr, am 7. Juli, hier im Hohen Haus das EAG beschlossen und, wie gesagt, bis jetzt hat sich da wenig bis gar nichts getan. Daher meine Frage:
„Wie lange sollen die Ökostromunternehmen noch auf die Voraussetzungen für die Marktprämienförderung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes warten?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich gehe jetzt nicht zurück auf die Historie des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes. In den Umsetzungsverordnungen, das ist Ihnen bekannt, ist die Investitionsförderung mit einem Rekordbudget von fast 300 Millionen Euro bereits am Weg – die erste Ausschreibung war bereits. Der Löwenanteil davon, 240 Millionen Euro, ist für die Fotovoltaik, das bedeutet, wir haben das Budget im Vergleich zum Jahr 2019 verdreizehnfacht.
Für die Marktprämienverordnung haben wir nach der Novelle im Nationalrat, die wir ja Ende letzten Jahres dank der großartigen Zusammenarbeit auch hier im Haus finalisieren konnten, das notwendige Gutachten aktualisiert, mit den Stakeholdern diskutiert, zusätzlich mit den Einvernehmensressorts abgestimmt. Das heißt, es ist jetzt ein Entwurf in politischer Abstimmung in der Regierungskoordinierung und es ist allen bewusst, dass das ein dringendes Anliegen ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Ja, das zielt auch auf das EAG ab: Wie viele Euro an Fördermitteln sind bislang aus dem EAG geflossen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Der erste Call ist sozusagen bereits offen. Es gibt die Einreichungen, die schon gekommen sind. Wenn die Einreicher ein Ticket ziehen, haben sie sieben Tage Zeit, um die Unterlagen zu vervollständigen, und dann eine sechsmonatige Umsetzungsfrist, um die Anlagen zu finalisieren, und dann gibt es auch eine Abrechnung. Die Frage, ob es schon eine superschnelle Anlage gegeben hat, kann ich jetzt nicht beantworten, aber der Zuspruch zu dieser Förderung ist enorm, er übertrifft selbst meine optimistischsten Erwartungen, und das sind die besten Neuigkeiten in dem Zusammenhang.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Schnabel. – Bitte.
Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Eine andere energetische Form, um den Klimawandel zu bewältigen, ist Wasserstoff – Wasserstoff als hochenergetischer Energieträger. Wir haben hier in Österreich und in Europa wesentliche Weltmarktanteile und auch noch Weltmarktführerschaft, wir haben tolle Unternehmen, die da an der Spitze der Industrie tätig sind.
Die Bundesrepublik Deutschland hat schon vor mehreren Jahren, also schon vor der Ukrainekrise, eine Wasserstoffstrategie verabschiedet. Dort ist man so weit, dass man sich auch schon auf Länderebene und auf Bezirks- beziehungsweise Kreisebene mit dieser Strategie befasst. Auch Frankreich hat mit 7 Milliarden Euro vor Kurzem eine Wasserstoffstrategie erlassen.
Meine Frage ist deswegen: Wie ist der Stand der Dinge und wann werden Sie für Österreich die Wasserstoffstrategie präsentieren?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich bin jetzt sehr offen: Die Wasserstoffstrategie wird tatsächlich in Kürze präsentiert, es ist uns jetzt ein Ressortwechsel etwas in
die Terminfindungsquere gekommen. Es ist aber gut, dass wir da schon so in der finalen Phase sind, denn sie wird ganz wichtige Eckpunkte enthalten, um, wie Sie auch gesagt haben, den Spagat zwischen dem Ersetzen von Gas, der Leistbarkeit der Energie, der Bereitstellung und der notwendigen Qualität der Energie zu schaffen. Da ist eben Wasserstoff ein zentraler Faktor, insbesondere in der Industrie. Diese Fokussierung werden wir dort sehr klar vorgeben müssen, weil die Industrie für ihre Investitionen Sicherheit braucht. All das wollen wir mit dieser Strategie schaffen – wie gesagt, jetzt geht’s wirklich um die letzten Meter.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Ministerin! Ich bin der Meinung, Politik verliert immer dann an Vertrauen, wenn zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was getan wird, Welten liegen. Leider ist das insbesondere im grünen Teil der Bundesregierung ein besonders stark vertretenes Phänomen. So entspricht das, was vor Wahlen plakatiert wurde und gesagt wurde und im Regierungsprogramm vereinbart wurde, nicht dem, was tatsächlich umgesetzt wird.
Deshalb meine Frage – da möchte ich bei Kollegen Schnabel noch einmal nachfassen ‑: Wann werden konkret die wichtigen ausstehenden Gesetzesmaterien im Energiebereich umgesetzt, nämlich das Wasserstoffpaket – da war die Antwort, die Sie jetzt gegeben haben, nicht wirklich konkret –, die Novelle des Wärmegesetzes, das Energieeffizienzgesetz und die Anpassung von UVP-Verfahren? Wann werden diese Vorhaben konkret vorgelegt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zur Wasserstoffstrategie und zu allen anderen Gesetzespaketen: Sie sind alle sehr, sehr wichtige Teile, um unsere Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren. Deswegen ist das für unser Ressort eine Priorität. Ich bin auch sicher, dass die Wichtigkeit dieser Gesetzesmaterien, insbesondere Energieeffizienzgesetz, Erneuerbare-Wärme-Gesetz, für die Reduktion der Abhängigkeit jetzt auch all jenen bewusst ist, die bis jetzt gezögert oder vielleicht noch gebremst haben. Ich gehe also davon aus, dass wir da rasch vorankommen. Ein finales Datum kann ich immer dann sagen, wenn es eine Einigkeit über einen Entwurf gibt. Wir arbeiten mit Hochdruck daran.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Preissteigerungen beziehungsweise die Rekordinflation werden ja nicht an Ihnen vorbeigegangen sein, vor allem im Bereich der fossilen Treibstoffe, die ja aktuell einer Preissteigerung von bis zu 30, 40 Prozent unterliegen. Gleichzeitig ist aber das gesetzliche Kilometergeld ja aktuell noch bei 42 Cent eingefroren, dieser Kreislauf geht sich also für die Bürger so nicht aus, vor allem für die, die auf die Individualmobilität angewiesen sind.
Jetzt meine konkrete Frage:
„Werden Sie trotz Rekordinflation an der ideologisch motivierten CO2-Bepreisung schon ab 1. Juli festhalten und somit die Teuerung zusätzlich befeuern?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Der CO2-Preis kommt, und er kommt vor allem gemeinsam mit dem Klimabonus. Darüber ist sich auch die gesamte Regierung einig, dahinter steht die gesamte Regierung. Ich halte das auch für den richtigen Weg.
Mit dem Klimabonus gibt es noch einmal bis zu 200 Euro Entlastung pro Person. Namhafte Wirtschaftsforscher, -forscherinnen sagen genau jetzt: Der Klimabonus ist ein wichtiges Instrument, um insbesondere untere Einkommensschichten, also Familien mit niedrigen Einkommen, zusätzlich zu entlasten. Diese werden besonders davon profitieren.
Wer bekommt ihn? – Nur noch einmal zur Erinnerung: alle Personen mit Wohnsitz in Österreich an mindestens 183 Tagen im Kalenderjahr, das heißt jedes Kind, jeder Pensionist, jede Pensionistin, jeder Einkommensbezieher, aber auch jeder Arbeitslose und jeder Studierende in Österreich.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Mir ist schon bewusst, dass Sie aufgrund dieser Maßnahmen und aufgrund dieser Teuerungen dementsprechend einen Lenkungseffekt erzielen wollen, weg vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr. Gleichzeitig aber merkt man, wenn man sich die aktuelle Berichterstattung anschaut: Die ÖBB zum Beispiel lassen mithilfe der Exekutive teilweise die Passagiere aus Zügen entfernen – bei Überfüllungen oder wenn bestimmte Strecken nicht entsprechend attraktiv gestaltet sind.
Jetzt meine konkrete Frage: Haben Sie da etwas vergessen? Zuerst teuern, dann aber den ÖV nicht ausbauen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Natürlich nicht. Wir haben in den letzten Jahren Rekordinvestitionen in den öffentlichen Verkehr getätigt, so hoch wie keine Bundesregierung jemals zuvor. 18,2 Milliarden Euro gehen allein in den Ausbau der ÖBB-Infrastruktur. Wir erhöhen zusätzlich, gemeinsam mit den Bundesländern, das Angebot laufend und massiv. Wir finanzieren erstmals Privatbahnprojekte in substanzieller Höhe aus dem Bundesbudget mit. Wir haben insbesondere auch in der Umsetzung des Klimatickets gemeinsam mit den Bundesländern die Vereinbarung getroffen, dass die Bundesländer mit den zusätzlichen Finanzmitteln Ticketpreis und Angebot auswählen können, um genau auf diese Fragen einzugehen.
Also nein, selbstverständlich nicht. Guter öffentlicher Verkehr braucht alle drei Säulen: Infrastruktur, Angebot und ein günstiges Ticket.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Weratschnig. – Bitte sehr.
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Eine Frage zum Klimaticket Österreich – ich kann mich noch sehr gut an die Verhandlungen vor einem Jahr erinnern –: Das Klimaticket ist eine Erfolgsgeschichte. Jede Busfahrt, jede Bahnfahrt spart CO2 und ist vor allem genau in Zeiten wie diesen eine Riesenersparnis für Menschen, bis zu 1 000 Euro – eine Maßnahme, die gegen die Teuerung wirkt.
Meine konkrete Frage:
„Wie lauten die ersten Analysen zum Verkauf des Klimatickets im Hinblick auf Verkaufszahlen und Kundenstruktur?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank. – Der aktuelle Stand aktiver KundInnen beträgt 160 000; Stand 30.4. Wir haben auf Basis unserer Vorabevaluierung, wenn Sie sich erinnern können, und auch rationaler Wechslerstatistiken eigentlich einen mittelfristigen Zielwert von 110 000 NutzerInnen gehabt und wir sind jetzt bei 160 000, das heißt, wir sind um 45 Prozent drüber. Auch nach der sehr erfolgreichen Einführungsphase mit dem Early-Bird-Rabatt und trotz teilweise beschränkter – coronabedingt beschränkter – Reisemöglichkeiten sehen wir jetzt einen laufenden Zuwachs von monatlich rund 5 000 neuen Kundinnen und Kunden; sehr stabil, zuletzt sogar ansteigend. Ob das etwas mit der derzeitigen Preissituation zu tun hat, lässt sich aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraums nicht sagen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Entschuldigung.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Ein Punkt noch zur Struktur. Was wir sicher sagen können, ist: Wir haben eine Lücke in der Tarifstruktur geschlossen.
Zur Struktur der Tickets, Klimaticket Österreich insgesamt: Classic 52 Prozent, Jugend 29 Prozent, Senior 14 Prozent, Spezial 1 Prozent, Familie 3 Prozent. Wien und Niederösterreich haben im Verhältnis zur Bevölkerungszahl einen überproportional hohen Anteil.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Frau Ministerin, welche Maßnahmen und Incentives gibt es für die Bundesländer, wenn es darum geht, die regionalen Klimatickets bereitzustellen, und vor allem in den Bestrebungen, den öffentlichen Verkehr in den Bundesländern auszubauen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren den Ausbau des öffentlichen Verkehrs deutlich forciert. Davon profitieren Pendlerinnen, Pendler. Wir entlasten damit auch die Bundesländer, mit deutlich höherer Zusatzfinanzierung, mit Rekordbudgets in vielen Bereichen, bei ÖBB wie Privatbahnen, mit erstmaliger Mitfinanzierung durch den Bund bei Stadtregionalbahnen. Beim Ausbau des Verkehrsangebotes, insbesondere über Verkehrsdiensteverträge haben wir mit den Bundesländern wirklich durchgängig sehr, sehr gute Lösungen gefunden, sind da massiv am Ausbauen.
Wir unterstützen zudem die Umrüstung auf E-Busse, auch da gibt es über ein neues Förderprogramm erstmals eine finanzielle Unterstützung. Wir werden natürlich weiterhin jede Möglichkeit nutzen, um sowohl bei der Tarifstruktur – insbesondere jene Bundesländer, bei denen der Ticketpreis noch über 1 Euro pro Tag liegt – als auch bei der Angebotsausweitung zu unterstützen, weil ich das als absolute Zukunftsinvestition sehe.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Stöger. – Bitte sehr.
Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die SPÖ hat klar ein 1-2-3-Klimaticket gefordert: 3 Euro in ganz Österreich, 2 Euro in drei Bundesländern und 1 Euro in einem Bundesland pro Tag. In Oberösterreich gibt es eine Differenzierung, da sind die Zentralräume nämlich nicht erfasst. Daher meine Frage: Ab welchem Zeitpunkt sind einheitliche Preise für die Bundesländertickets geplant?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: In Oberösterreich gibt es tatsächlich ein differenziertes System, weil es dem Bundesland sehr wichtig war, auf die Mobilitätsstrukturen differenziert eingehen zu können. Es gibt aber auch ein gesamtoberösterreichisches Ticket.
Wir haben mit den Bundesländern im Zuge der Verhandlungen zum Klimaticket Österreich vereinbart, dass die Finanzierung, die wir zur Verfügung stellen, um auf den einheitlichen Preis zu kommen, alternativ – und das haben insbesondere große Bundesländer in Anspruch genommen – zum Teil in den Angebotsausbau gehen kann, damit man eben parallel Ticketpreise senkt und Angebotserweiterungen macht. Wir werden da weiter jede Möglichkeit nutzen, um eine Zusatzfinanzierung – auch im Sinn einer Inflationsabfederung – zur Verfügung zu stellen, um mit den Ticketpreisen noch weiter herunterzukommen. (Abg. Stöger: Und der Zeitpunkt?) – Wir sind in den Verhandlungen zum letzten Antiteuerungspaket. Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich sie laut verkünden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte sehr.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wir haben uns ja vorhin auch schon darüber unterhalten: Mich treibt vor allem die Frage um, dass es dann, wenn man in Bezug auf russisches Gas diversifizieren will, natürlich erst einmal Pipelinekapazitäten, um eben Gas von anderen Ressourcen nach Österreich zu bringen, und dann eben auch Speicher braucht.
Meine Frage ist da eben konkret: Welche neuen Abkommen oder Verträge zur Diversifizierung der Erdgasversorgung – Pipelinekapazitäten, bilaterale Abkommen und so weiter – wurden seit Ausbruch des Ukrainekriegs von der Republik Österreich über die Öbag beziehungsweise die OMV abgeschlossen?
*****
Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 167/M, hat folgenden Wortlaut:
„Welche konkreten neuen Abkommen oder Verträge zur Diversifizierung der Erdgasversorgung (Pipelinekapazitäten, bilaterale Abkommen, etc.) wurden seit Ausbruch des Ukrainekriegs von der Republik Österreich bzw. der OMV abgeschlossen?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es vorhin schon erwähnt: Österreich ist in einer besonders schwierigen Ausgangssituation. Noch 2018 haben wir unter großer Freude und im Beisein der damaligen Bundesregierung, des damaligen Bundeskanzlers gefeiert, dass wir unsere Gaslieferverträge mit Gazprom ausgebaut und erweitert haben. Die Bundesregierung davor – das betrifft jetzt unterschiedlich geführte Bundesregierungen – hat noch Druck gemacht, norwegische Gasfelder abzugeben und nach Russland zu wechseln.
Ich halte es für unerlässlich, diese Fehler zu erkennen. Es hilft aber nichts, jetzt heißt es halt auch, Lösungen zu finden. Deshalb sind wir gerade auf sehr, sehr vielen Ebenen aktiv, um genau das zu tun, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.
Erster ganz wichtiger Pflock ist die Gasbeschaffungsplattform der EU. Die EU bündelt die Nachfrage, um sicherzustellen, dass wir uns nicht bei den Preisen für Pipelinekapazitäten am Markt gegenseitig überbieten. Die E-Control hat bereits eine Marktabfrage
dazu durchgeführt. Wir haben einen Bedarf an Gasmengen eingemeldet. Wir werden die Diversifizierung als Kontinent am erfolgreichsten meistern, wenn wir sie gemeinsam und konstruktiv in Angriff nehmen und in der Frage zusammenhalten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung! (Bundesministerin Gewessler – erheitert –: Waren das schon wieder 2 Minuten?) – Nein. (Heiterkeit des Redners.)
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Entschuldigung, Herr Präsident, das war jetzt ein bissl eine ungehörige Nachfrage.
Wir haben in Europa mit der Gasversorgungssicherheitsverordnung die rechtliche Grundlage für die Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in Österreich. Wir haben bereits ein Solidaritätsabkommen mit Deutschland abgeschlossen. Auf technischer Ebene stehen wir in Verhandlungen mit der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien. Auch das sind wichtige Bausteine.
Wir haben die strategische Gasreserve beschlossen, eben die Aufstockung der strategischen Gasreserve mit nicht russischem Gas, wenn es der Markt erlaubt – davon gehen wir aus –, wenn es nicht Mondpreise sind, das wird dann die Ausschreibung zeigen. Gas, das aus nicht russischen Quellen kommt, das ist also ein weiterer Schritt.
Was die OMV anbelangt, wir haben vorhin schon diskutiert, liegt die Zuständigkeit über die Öbag beim BMF. Die OMV fördert aber auch selbst Gas in Norwegen und ist am LNG-Terminal Gate in Rotterdam beteiligt. Die Mengen sind normalerweise für den nordwesteuropäischen Markt vorgesehen, aber ich bin bereits von der OMV informiert worden, dass sie ihrerseits alles tut, die aus Norwegen verfügbaren Mengen für Österreich zu erhöhen. Das ist natürlich für Österreich schwieriger – wir haben es vorhin besprochen –, da wir keine Seehäfen haben. Wir brauchen Partner und müssen uns an Ausschreibungen für die Pipelinekapazitäten et cetera beteiligen.
Gerade bei der Frage der Diversifizierung – unter der Voraussetzung dieser langfristigen Lieferverträge – sieht man einfach, dass die Fehler der Vergangenheit da am schwersten wiegen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Es gab jetzt einige Meldungen – ich glaube, Bloomberg hat es letzte Woche zum ersten Mal gehabt –, dass es jetzt doch möglich wäre, auch auf EU-Ebene Rubelkonten einzurichten, um eben die bestehende Gasversorgung durch Russland aufrechtzuerhalten. Haben wir oder hat die OMV ein Rubelkonto eingerichtet?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage der Zahlungsmodalitäten ist eine, die gerade sehr viele Länder in Europa beschäftigt. Ich weiß, dass die OMV in enger Abstimmung sowohl mit dem Finanzministerium und der für Sanktionen zuständigen Nationalbank als auch mit der Europäischen Kommission steht. Ich bin informiert, dass die OMV nur sanktionskonform zahlen wird.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.
Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Neben der Vielfalt an Quellen ist im Krisenfall auch ein abgestimmtes Vorgehen mit den Nachbarländern dringend erforderlich. Für diesen Fall sieht das EU-Recht Solidaritätsabkommen zur gegenseitigen Unterstützung vor. Mit welchen Nachbarländern gibt es Solidaritätsabkommen für den Fall einer Gaskrise?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Das Gassolidaritätsabkommen mit Deutschland war europaweit überhaupt das zweite Solidaritätsabkommen, das abgeschlossen wurde. Das konnten wir letzten Dezember finalisieren und unterzeichnen. Wir sind auf technischer Ebene jetzt mit den Nachbarländern Italien, Slowakei, Slowenien und Ungarn in Verhandlungen. Am Montag war der italienische Staatssekretär wieder bei mir, und wir haben beide bekräftigt, wir möchten da sehr rasch zu einem Abschluss kommen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Kaufmann. – Bitte.
Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin, guten Morgen auch von meiner Seite! Russland hat mit dem Angriffskrieg in der Ukraine einiges ausgelöst. Ihre Aufgabe ist es, die Versorgungssicherheit sowohl für unsere Haushalte als auch unsere Betriebe sicherzustellen.
Meine Frage ist jetzt: Sie haben schon von einzelnen Verträgen und Absprachen mit den Ländern gesprochen. Wie schaut das insgesamt für die Europäische Union aus? Wir sitzen alle im gleichen Boot und wir müssen uns als EU gut aufstellen: Welche Gespräche führen Sie und wie wird es da weitergehen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Europäische Kommission ist in der Frage tatsächlich sehr aktiv. Schon im März hat sie eine gemeinsame Einkaufsplattform, eine Joint European Platform for Contractualisation of Gas Supply angekündigt, bei der es darum geht, den Gasbedarf für die Europäische Union zu aggregieren, Rahmenbedingungen für die Kooperation sicherzustellen. Es geht zum Beispiel auch darum, wie man zu MOUs, zu Protokollen kommt, um eben sicherzustellen, im Falle des Falles, im Notfall gut zusammenzuarbeiten. Es geht darum: Wie nutzt man die Gasinfrastruktur effizient? Wir haben physische Infrastruktur, die limitiert ist. Wie können wir die möglichst solidarisch und gut gemeinsam nutzen?
An dieser Plattform beteiligen wir uns sehr intensiv. Das ist eine Plattform, die in Österreich auf Ebene der Sektionsleitungen operationalisiert ist. Wir haben – ich habe es vorhin erwähnt – nach einer Marktabfrage der E-Control da bereits hohe Gasmengen eingemeldet – nicht nur für die Abwicklung der ganzen MOUs, sondern auch für die gemeinsame Beschaffung.
Man muss realistisch sein, wir werden im ersten Jahr nicht die gesamte Menge, die wir eingemeldet haben, bekommen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die gemeinsame Plattform der erfolgversprechendere und effizientere Weg ist.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Kassegger. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Unser Standpunkt zur Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Sanktionen ist ja bekannt. Wir sehen ja jetzt, dass Sie draufkommen, dass sich das alles bei den Mengen, was Gas und Öl betrifft, nicht ausgeht.
Ich habe hier das Protokoll des Europäischen Rats – also des Energierates, in dem Sie Österreich ja vertreten haben – vom 3. Mai, in dem Sie betonen, wie man jetzt damit umgeht: „Man müsse den Verbrauch senken (Gasboiler und -brenner ersetzen)“, „eine gemeinsame Vision entwickeln“ und so weiter und so fort.
Zwei Seiten weiter sagt der ungarische Vertreter einen interessanten Satz, nämlich diesen: „Man sollte sich am allgemeinen Prinzip orientieren, der eigenen“ Volkswirtschaft
„nicht mehr zu schaden als“ Russland. – Ich nehme einmal an, das ist nicht Ihr Zugang, sondern Ihr Zugang ist jener, den Verbrauch zu senken.
Dann gibt es auch einen interessanten Vorschlag vom luxemburgischen Energieminister, der da vorschlägt: ein EU-weites Tempolimit, autofreie Wochenenden und zwei Tage pro Woche Homeoffice.
Ich nehme einmal an, Sie teilen die Meinung des luxemburgischen Energieministers? (Heiterkeit des Abg. Wurm.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Also das Erste ist – und das ist vielfach öffentlich dokumentiert, auch von mir –, der Zugang zu Sanktionen eint mich mit meinem ungarischen Kollegen: Wir können nur Sanktionen setzen, von denen wir sicher sind, dass wir sie länger durchhalten als Wladimir Putin, das ist das Kernelement von Sanktionen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Deswegen ist auch ein Gasembargo für Österreich, so schmerzlich diese Aussage ist, schlicht und ergreifend derzeit nicht möglich, weil die Abhängigkeit zu groß ist.
Zur Reduktion dieser Abhängigkeit, Terawattstunde für Terawattstunde, brauchen wir alle Mittel, und wir sind mit unserem Szenario, mit unserem Plan, den die Energieagentur erarbeitet hat, exakt im selben Modus wie die Europäische Kommission mit ihrem Plan Repower EU gestern. Der hat drei Säulen: Gasverbrauch reduzieren – also Effizienz –, Substitution – Erneuerbare ausbauen – und diversifizieren, also exakt dieselben Schwerpunkte. Das ist gut, weil uns das auch den Rückenwind, den wir national brauchen, gibt.
Die Vorschläge aus Luxemburg, die Sie zitiert haben, sind Vorschläge der Internationalen Energieagentur zur Reduktion der Ölimportabhängigkeit der Europäischen Union, das kommt aus der Internationalen Energieagentur. (Abg. Kassegger: Das heißt also: Ja!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte sehr.
Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Frau Minister, ich freue mich – und Sie sich wahrscheinlich auch –, dass wir in den letzten Jahren im Bereich der angewandten Forschung stetig eine Steigerung erhalten haben: Das waren im letzten Jahr 7 Prozent, dieses Jahr sind es 34 Prozent, und ich glaube, das ist gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir vor diversen Herausforderungen – Stichwort Klimawandel, Digitalisierung – stehen, wichtig, um den Forschungs-, Innovations- und auch Wirtschaftsstandort abzusichern.
Wir brauchen Schwerpunktsetzungen, aber ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir da eine gewisse Themenoffenheit, eine Technologieneutralität haben, dass wir den Unternehmen nicht überall vorgeben, wo sie forschen sollen, der Maßstab müssen vielmehr die Exzellenz und das Anwendungspotenzial sein.
Meine Frage lautet daher:
„Inwiefern beabsichtigen Sie die Themen Technologieneutralität und Themenoffenheit in den Forschungsförderungsprogrammen zu berücksichtigen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau
Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Vielleicht zuerst ganz allgemein, bevor wir dann auf die gezielten Förderungen eingehen: Also ja, wir beide teilen die Freude über die gestiegenen Budgets, das auf jeden Fall, weil Forschung, Innovation und Technologieentwicklung eine fundamental wichtige Rolle spielen, aber – Sie kennen meine Meinung dazu auch schon – ich glaube nicht, dass Technologieoffenheit, Technologieneutralität, aber auch Technologieklarheit, die gerade auch aus der deutschen Autoindustrie gerade sehr intensiv eingefordert wird, sich in den unterschiedlichen Stadien unbedingt ausschließen müssen.
Es gibt in unterschiedlichen Stadien einer Technologieentwicklung schlicht irgendwann auch die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, damit sich die Wirtschaft orientieren kann. Ich bringe ein historisches und ein aktuelles Beispiel – historisch: Wir in Österreich haben uns sehr klar, sehr zielgerichtet gegen die Atomenergie entschlossen. Damit hat auch zu tun, dass wir jetzt einen hohen Anteil an Erneuerbaren haben.
Ein weiteres Beispiel ist Wasserstoff in den Autos. Wir haben zu einem bestimmten Zeitpunkt der Technologieentwicklung einfach die Entscheidung: Müssen wir zwei staatliche Infrastrukturen aufbauen? – Das geht mit den öffentlichen Budgets nicht. Die Frage der Lademöglichkeiten ist zentral, das heißt, da stellt sich irgendwann die Frage nach Fokus, nach Entscheidung, um eben eine Entwicklung bestmöglich begleiten zu können, um eine volkswirtschaftlich sinnvolle Entscheidung zu treffen und auch eine klimapolitisch sinnvolle Entscheidung zu treffen.
Das heißt aber nicht, dass es nicht viele andere Bereiche gibt, in denen es völlig klar ist, dass grundsätzlich Technologieoffenheit besteht. Es gibt ja nach wie vor die FFG-Basisprogramme – die sind absolut themenoffen, da können die Unternehmen zu allen Bereichen forschen, zu denen sie möchten –, wir haben die Forschungsprämie als absolut offenes Instrument, aber – darauf aufbauend – zielgerichtete Förderungen haben wir versucht zu bündeln – auch in Clustern: Mobilitätswende, Kreislaufwirtschaft, Energiewende –, und wir versuchen natürlich, kontraproduktive Förderungen, die unserem gemeinsamen Ziel Klimaneutralität 2040 entgegenstehen, möglichst zu verhindern oder dementsprechende Kriterien anzulegen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Niss? – Bitte.
Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Ich meine, Österreich ist ein Exportweltmeister, und wir exportieren nicht nur in den europäischen Markt, sondern auch in den internationalen Markt. Dort hat man sich noch nicht so genau entschieden, in welche Richtung – weil Sie das mit der Mobilität angesprochen haben – es jetzt gerade geht; wir unterscheiden ja auch zwischen dem Pkw- und dem Lkw-Verkehr.
Die Wasserstoffstrategie – bei der die Industrie, glaube ich, sehr gut abgedeckt ist – wurde heute schon angesprochen, meine Frage daher: Inwiefern wird – in der Forschung, ich rede jetzt von der Forschungspolitik – Wasserstoff für Mobilität berücksichtigt?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben im Ipcei – den Important Projects of Common European Interest – 125 Millionen Euro für die Wasserstoffforschung bereitgestellt – wenn alles gut geht, können wir auch bereits Ende des Jahres die Verträge mit den Unternehmen unterzeichnen –, und darüber hinaus gibt es sowohl bei den Basisprogrammen als auch im Programm Mobilität der Zukunft immer wieder Wasserstoffeinreichungen, und da liegt, wie Sie sagen, der Fokus auf Wasserstoff auf der langen Strecke. Das ist auch sozusagen die Nische, die wir im Mobilitätsmasterplan in der Mobilität auf der Straße sehen: lange Strecke, schwere Transporte.
Die Wasserstoffstrategie, die Sie auch wieder angesprochen haben, wird aber auch eine klare Priorisierung auf die Industrie haben, weil man da einfach die größten Mengen und auch die größte Planungssicherheit braucht, denn das sind Entscheidungen, die jetzt gefällt werden müssen, die aber auf Dekaden wirken.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.
Bevor ich die nächste Frage aufrufe, darf ich die Schülerinnen und Schüler der Bundeshandelsakademie Wien 10 recht herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Wir sind aktuell bei der Fragestunde, das ist noch nicht der normale Betrieb der Tagesordnung. Frau Minister Gewessler stellt sich den Fragen der einzelnen Abgeordneten aus allen Parteien.
Als nächster Fragesteller ist Herr Abgeordneter Laimer an der Reihe. – Bitte sehr.
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin!
„Welche Kosten sind bisher für den Planungsprozess, die behördlichen Verfahren, Vorarbeiten und Ablösen für die Errichtung der Traisental-Schnellstraße S34 der ASFINAG entstanden?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank! Die Planungskosten, die Kosten für Ablöse und Vorarbeiten liegen bei dem Projekt in Summe bei 12,12 Millionen Euro.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Auf welcher Rechtsgrundlage wird trotz dieser Kosten die Errichtung der S 34 nicht sofort umgesetzt, vielmehr verzögert?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben diese Frage hier im Hohen Haus ja schon viele, viele Male diskutiert. Wir haben im Infrastrukturministerium eine zentrale Aufgabe, das ist die zukunftsgerichtete Planung und Errichtung von öffentlicher Infrastruktur, über die ÖBB mit dem Rahmenplan, bei der Asfinag mit dem Bauprogramm der Asfinag. Das haben wir evaluiert.
Diese Evaluierung ist in ein Bauprogramm eingeflossen; dieses Bauprogramm hat auch Mittel für Alternativenplanungen – sinnvollere, bessere Alternativenplanungen – vorgesehen, und ich habe alle diese Schritte, die da passiert sind, mehrfach rechtlich absichern lassen. Ich handle da selbstverständlich im Rahmen meiner Kompetenzen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt jetzt Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Leider Gottes hat das grüne Verkehrschaos meine erste Frage vereitelt. Nichtsdestotrotz komme ich jetzt zu meiner Zusatzfrage, und zwar aufbauend auf die Frage des Kollegen Laimer: Wie gehen Sie damit um, dass Sie eigentlich mit Ihrem Baustopp für Verkehrsprojekte zwei Nationalratsbeschlüsse sowie einen Spruch des Verfassungsgerichtshofes übergehen? Wo sind die Gutachten, die Sie uns im Verkehrsausschuss versprochen haben? – Die sind bis heute nicht geliefert.
Also das würde mich grundsätzlich interessieren, und eine zweite Frage noch – was die Hauptfrage betrifft –: Welche Schikanen haben die Autofahrer in Zukunft noch auszuhalten, wenn das Mobilitätsgesetz dann greift?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich gehe jetzt davon aus, dass Sie, Herr Hafenecker, nicht mit der U-Bahn gekommen sind, aber ich werde Ihre Rückmeldung auch gerne der Stadt Wien weitergeben.
Die Frage zu der Rechtsgrundlage habe ich bereits bei der Vorfrage beantwortet: Das ist vielfach rechtlich abgesichert, alle Gutachten sind auf der Website des Klimaschutzministeriums öffentlich einsehbar.
Die Frage zum Mobilitätsgesetz kann ich auch sehr kurz beantworten. Wir haben keine Schikanen vorgesehen, sondern der Verkehrssektor ist ein zentraler Sektor für die Erreichung der Klimaziele in Österreich. Sie wissen, die Emissionen aus dem Verkehrsbereich haben sich komplett kontraproduktiv entwickelt, sie sind stark gestiegen, hätten stark sinken müssen. Also es geht da um gesetzliche Maßnahmen, die helfen, den Verkehrssektor auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen.
Es gibt aus den Ländern viele Wünsche, mehr Freiheiten zu bekommen, auch Umwegverkehre und Abfahrverbote zu regeln. Sie kennen die Situation aus Tirol und aus vielen anderen Ländern.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.
Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesministerin, wir sind in Europa mit einem enormen Energieengpass, speziell auch in Österreich, konfrontiert. Bioökonomie und die bestmögliche Ressourcenoptimierung würden uns da sehr weit voranbringen. Es gibt zahlreiche biologische Produkte, die nicht der Lebensmittel- und der Futtermittelproduktion dienen, auch im Getreidebereich, und wir könnten da vor allem die Stärke- und Eiweißproduktion im eigenen Land stark unterstützen. Dafür braucht es aber die Erzeugung von Biotreibstoffen.
„Welche Schritte setzen Sie für die Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um die heimischen Biotreibstoffe bestmöglich fördern und nutzen zu können?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Der Einsatz von biogenen Kraftstoffen in Österreich wird nach den Bestimmungen der Kraftstoffverordnung 2012 geregelt. Die Kraftstoffverordnung lässt dabei viele Freiräume zu, was die Menge, was die Art der eingesetzten Biokraftstoffe angeht. Die vorgegebenen Ziele sind Mindestziele, sie können von allen Inverkehrbringern von Kraftstoffen jedenfalls überschritten werden.
Hinsichtlich der bestmöglichen Förderung besteht mein Ziel darin – und das habe ich aus Ihrer Frage auch gehört, dass wir uns darin einig sind, was ich sehr schön finde –, dass wir den Anteil von Rohstoffen für Biokraftstoffproduktion, der auch für Nahrungs- oder Futtermittelproduktion verwendet werden könnte, jedenfalls reduzieren, aber den Anteil von abfall- und reststoffbasierten Rohstoffen erhöhen. Wir haben diesbezügliche
Vorschläge im Rahmen einer Novelle der Kraftstoffverordnung vonseiten des BMK gemacht. Das ist jetzt in der regierungsinternen Abstimmung und kann hoffentlich bald zum Abschluss gebracht werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Diese Bemühungen werden nur gehen, wenn man entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen hat. Die Branche will E10 auf den Markt bringen, braucht aber genaue rechtliche Rahmenbedingungen. Die sind auch im Regierungsprogramm festgeschrieben, E10 steht im Regierungsprogramm. Wann ist mit einer solchen Regelung zu rechnen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Grundsätzlich besteht nach der Kraftstoffverordnung schon jetzt die Möglichkeit, E10 auf den Markt zu bringen. Bei einer Erhöhung der Ziele in der Kraftstoffverordnung ist zu erwarten, dass es automatisch zu einer Erhöhung der Ethanolbeimischung kommt, da dies eine relativ einfache und kostengünstige Maßnahme darstellt, deren selbstständige Umsetzung durch die Mineralölwirtschaft ohnehin erwartet wird.
Auch da wieder: Wir müssen darauf achten, dass es aufgrund des Krieges in der Ukraine – ich weiß, das ist Ihnen auch ein großes Anliegen – keinesfalls zu einem höheren Einsatz an biogenen Kraftstoffen aus Rohstoffen kommt, die als Nahrungs- oder Futtermittel verwendet werden können. Ich weiß, da sind wir in Österreich in einer anderen Ausgangsposition über die derzeit schon bestehenden Mengen von Ethanol, die produziert werden.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke.
Es sind alle Anfragen zum Aufruf gekommen, außer eine. Ich darf mich bei der Frau Ministerin herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.
Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:
A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:
1. Schriftliche Anfragen: 10977/J bis 11038/J
Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates:
2. Anfragebeantwortung: 9958/AB
B. Zuweisungen in dieser Sitzung:
zur Vorberatung:
Unterrichtsausschuss:
Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1487 d.B.)
*****
Behandlung der Tagesordnung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 3 und 4 sowie 5 bis 10 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.
Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.
Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte
über die Anfragebeantwortung 9856/AB
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 9856/AB der Anfrage 10118/J der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auftragsvergaben an die Karmasin Research & Identity GmbH“ durch den Bundesminister für Finanzen abzuhalten.
Diese kurze Debatte wird gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, aber spätestens um 15 Uhr stattfinden.
Fristsetzungsanträge
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich weiters mitteilen, dass Herr Abgeordneter Keck beantragt hat, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2538/A der Abgeordneten Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Tierschutzgesetz“ eine Frist bis 9. Juni 2022 zu setzen.
Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.
Diese kurze Debatte wird im Anschluss an die Debatte über die Anfragebeantwortung stattfinden.
Darüber hinaus darf ich mitteilen, dass Herr Abgeordneter Kaniak beantragt hat, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2227/A der Abgeordneten Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „COVID-19-Impfpflichtgesetz“ eine Frist bis 20. Mai 2022 zu setzen.
Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen zur Abstimmung gebracht werden.
Redezeitbeschränkung
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz haben wir folgende Einigung erzielt: Die Tagesblockzeit beträgt 7 „Wiener Stunden“. Die Redezeiten verteilen sich wie folgt: ÖVP 137, SPÖ 95, FPÖ 77, Grüne 70 sowie NEOS 56 Minuten.
Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 28 Minuten, der jeweilige Debattenbeitrag darf 5 Minuten nicht übersteigen.
Ich darf gleich zur Abstimmung kommen.
Wer mit den dargestellten Redezeiten einverstanden ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist schlussendlich einstimmig.
Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.
1. Punkt
Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (1179 d.B.) „Impfpflicht: Striktes NEIN“ (1436 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.
Ich darf Herrn Bundesminister Rauch recht herzlich bei uns begrüßen.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte sehr.
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher hier auf der Galerie! Wir sprechen unter diesem Tagesordnungspunkt über das Impfpflicht-Volksbegehren, wenn man so möchte. Es hat 270 000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden oder umgerechnet 4,23 Prozent der Wahlberechtigten.
Worum geht es? Oder vielleicht ein bisschen anders gesagt: Ich möchte Sie ein bisschen in eine Art Gedankenexperiment mitnehmen. Stellen Sie sich vor, es wütet eine extrem ansteckende Krankheit, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit lebensgefährlich für die Infizierten sein kann! Stellen Sie sich vor, gegen diese Krankheit gibt es eine Impfung, die dafür sorgt, dass die Infektionsketten unterbrochen werden, dass Leid gelindert wird! (Abg. Belakowitsch: ... gibt es halt nicht!) Stellen Sie sich weiters vor, dass diese Impfung aber nur dann Sinn macht, wenn möglichst viele Menschen oder möglichst alle Menschen geimpft werden, weil nur dann die erwähnten Infektionsketten unterbrochen werden können! Und stellen Sie sich weiters vor, dass es eine Verfassungsbestimmung gibt, wonach es keine Verpflichtung zur Impfung gibt! Stellen Sie sich vor, wie dann unser Gesundheitssystem, das darunter zu leiden hat, in die Knie geht – ein resilientes Gesundheitssystem, ein robustes System, eines, das dann kaputt gemacht wird. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Was hier jetzt wie Science-Fiction klingt, ist eine Einschätzung führender Wissenschafterinnen und Wissenschafter weltweit, und es ist ein durchaus realistisches Szenario, sowohl was den Ausbruch von Krankheiten, neuer Krankheiten anbelangt, als auch was die negativen Auswirkungen von Impflücken anbelangt.
Die Impfung, ganz allgemein gesprochen, ist eine der wichtigsten Innovationen der modernen Medizin, insbesondere der letzten 200 Jahre. Durch Impfstoffe konnten Krankheiten ausgerottet werden (Abg. Belakowitsch: Welche?), Stichwort Pocken, oder zumindest so weit in den Griff bekommen werden, dass sie ihren Schrecken verloren haben, Stichwort Masern. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Die Impfungen sind aber auch ein Opfer ihres Erfolges. Immer mehr Menschen glauben, weil es weniger Opfer dieser Krankheiten gibt, gegen die geimpft wird, hätten diese Krankheiten auch ihren Schrecken verloren. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Immer mehr Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr gegen Masern oder andere Krankheiten impfen. Vernunft wird von Emotion abgelöst. Krude unwissenschaftliche Theorien sorgen dafür, dass sich immer mehr Menschen vor jeglicher Impfung, ohne sachliche Begründung, fürchten.
Die Nebenwirkungen und die Auswirkungen durchgemachter Krankheiten werden kleingeredet, angebliche Impfnebenwirkungen großgemacht. (Abg. Belakowitsch: „Angebliche“!) Ja, es gibt in seltenen Fällen Nebenwirkungen bei Impfungen. (Abg. Belakowitsch: „In seltenen Fällen“!) Bei allen in Österreich vollständig oder bedingt zugelassenen Impfstoffen kommen diese Nebenwirkungen, gemessen an der Zahl der verimpften
Impfdosen, äußerst selten vor. (Abg. Belakowitsch: Oje! – Abg. Wurm: Bei der Wahrheit bleiben!) Das ist Fakt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Das ist Fakt, das ist wissenschaftlich belegt, das ist evident, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ mit Zwischenrufen kundtun, dass sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Angebliche Nebenwirkungen wie Autismus gibt es nicht – sorry to say ‑, dennoch gibt es immer noch Menschen, die sich, geleitet von Esoterik oder Anthroposophie, dieser wichtigsten Innovation moderner Medizin verschließen.
Was hat das Ganze mit dem uns vorliegenden Volksbegehren zu tun? – Dieses Volksbegehren zielt darauf ab, mit den Ängsten der Menschen, mit den vorhandenen Ängsten der Menschen zu spielen. Es hilft nicht mit, Menschen davon zu überzeugen, dass es gescheit ist, sich impfen zu lassen, egal gegen welche Krankheit – und ich rede jetzt dezidiert nicht nur von Covid (Abg. Belakowitsch: O ja, es geht nur um Covid!), ich rede allgemein davon, sich impfen zu lassen. – Nein, es geht eben nicht nur um Covid (Abg. Belakowitsch: Na, o ja!), denn, liebe Kollegin Belakowitsch, im Einleitungstext dieses Volksbegehrens heißt es: „Weder Corona [...] noch andere Ereignisse rechtfertigen einen Zwang zu Impfungen.“ – Anmerkung: Es gibt keinen Zwang zur Impfung, es gibt aktuell eine Pflicht zur Impfung (Rufe bei der FPÖ: Aha! Ach so! Ah! – Abg. Belakowitsch: Aha! Das ist ja ein großer Unterschied!), aber auch das können die Kolleginnen und Kollegen offensichtlich nicht unterscheiden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Es ist, und das möchte ich schon auch noch feststellen, natürlich das gute Recht der Betreiber des Volksbegehrens – die männliche Form ist hier angebracht, denn ich glaube, es war keine Frau unter den ProponentInnen (Zwischenruf des Abg. Wurm) –, dieses Volksbegehren zu starten und eben um Unterstützung zu werben. Es ist auch gut so, dass wir darüber diskutieren. Ich finde es auch richtig, dass wir über die Impfung diskutieren, dass wir generell über Impfungen diskutieren – ich finde das absolut in Ordnung (Abg. Belakowitsch: Ja, aber ihr diskutiert ja nicht, ihr verpflichtet nur!) –, aber ich kann dieses Volksbegehren so leider nicht unterstützen.
Abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Es gibt eine Einschätzung der WHO aus dem Jahr 2019 betreffend die Frage, was die größten Herausforderungen für Gesundheitssysteme weltweit sind. Und laut Einschätzung der WHO sind eine der größten Herausforderungen, eines der größten Gefahrenpotenziale für Gesundheitssysteme weltweit Impfgegnerinnen und Impfgegner. (Lebhafte Heiterkeit des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Ja, ja, ...!) Das eingangs erwähnte Szenario wird nämlich dann realistisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Was machst du mit den Impfgegnern? Was machst du mit denen? – Abg. Belakowitsch: Einsperren! – Abg. Schallmeiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz ‑: Man muss die Leute überzeugen ...!)
10.22
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank an die 15 000 Zöllnerinnen und Zöllner in Österreich beginnen, die tagtäglich, sozusagen auch zum Schutz unseres Landes, wertvolle Arbeit leisten. Eine Zahl macht das, glaube ich, deutlich: Im ersten Quartal dieses Jahres konnten an Österreichs Grenzen 279 Kilogramm gefälschte, geschmuggelte Arzneimittel sichergestellt werden. Diese Zahl ist dramatisch, es ist zehnmal so viel wie im letzten Jahr. Und dazu vielleicht eine Frage an die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Zehnmal so viel gefälschte Arzneimittel wie im letzten Jahr – könnt ihr euch vorstellen, welches Arzneimittel darunter war, bei dem es einen dramatischen Anstieg gegeben hat? (Abg. Wurm: Viagra!) Was könnte denn das sein? (Abg.
Wurm: Viagra!) Das war nicht Viagra – aber danke; die FPÖ ist auch da wieder sozusagen mit Fakenews unterwegs –, es war das Medikament Ivermectin, das Herbert Kickl hier im Parlament mehrfach groß angepriesen hat, von dem eine dramatisch angestiegene Menge an der Grenze sichergestellt wurde. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Zanger: ... Blödsinn!)
Jetzt kann man darüber lachen, so wie Sie es machen, aber der Punkt ist, dass uns diese gesamte Debatte ja nicht einen Millimeter weitergebracht hat. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich weiß nicht, ob es formell schon eine Entschuldigung der FPÖ gegeben hat, denn ihr habt ja nicht nur den Zöllnerinnen und Zöllnern Zeit gestohlen, sondern es gab Anrufe in den Vergiftungszentralen, wo man dann eben genau über dramatische Folgen für Menschen, über Vergiftungserscheinungen reden musste. (Zwischenruf des Abg. Zanger. – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) – Frau Kollegin Belakowitsch, da können Sie jetzt darüber lachen, aber ein Mittel, das unwirksam ist, ein Pferdeentwurmungsmittel, und Herbert Kickl hat sich sozusagen hingestellt - - (Abg. Belakowitsch: Geh bitte!) – Nein, reden wir genau darüber! (Abg. Belakowitsch: Was redest denn du für einen Blödsinn?) Der Punkt ist: Ihr habt mit dieser Debatte in Österreich - - (Abg. Belakowitsch: ... hat es sogar einen Nobelpreis gegeben! Also was ...! Bleib bei der Wahrheit!)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Bitte! Ich bitte, das ständige Zwischenrufen etwas zu reduzieren. (Abg. Belakowitsch: Ja, ja, permanentes ... ist verboten!) Es besteht ja die Möglichkeit, dass jeder sich zu Wort meldet. (Ruf: Zur Sache!) – Bitte sehr. (Abg. Belakowitsch: Das ist ja lächerlich!)
Abgeordneter Philip Kucher (fortsetzend): Vielleicht bekommen wir ja zwischenzeitlich eine Erklärung und eine Entschuldigung vonseiten der FPÖ. Was ich damit sagen möchte: Ihr habt ja nicht nur den Zöllnerinnen und Zöllnern, den Menschen, die in der Vergiftungszentrale arbeiten, und der Republik Österreich die Zeit gestohlen, sondern dieses Politikgeschwurbel hat uns nicht einen Millimeter weitergebracht (Abg. Belakowitsch: Aber die Impfung auch nicht!), und das wisst ihr selber, nicht einen einzigen Millimeter! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ja was bringt uns denn die Impfung weiter? Null!)
Ich bin durchaus auch bekannt dafür – das ist ja vielleicht auch das eine oder andere Mal vorgekommen; die Kollegin Schwarz von der ÖVP nickt –, also es kann ja sein, dass ich durchaus auch in dem einen oder anderen Nebensatz einmal das Krisenmanagement der ÖVP kritisiert habe – nur: die Parallele ist eben, und ich glaube, daran sollten wir uns alle orientieren, das bringt uns nicht einen Millimeter weiter (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –, dass Österreich eben so viel schlechter durch diese Coronakrise gekommen ist, dass Politik und Parteipolitik und Hickhack und Märchenerzählen oftmals wichtiger waren als gute, rationale Entscheidungen. Das ist das, was andere Staaten besser gemacht haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Heute wäre, glaube ich, der richtige Zeitpunkt dafür, dass ihr von der FPÖ euch hier herausstellt – ihr habt ja heute ohnedies vier Redner dazu gemeldet – und einfach einmal sagt, dass ihr einen Anteil dazu geleistet habt, dass Österreich mit Geschwurbel auf der falschen Fahrbahn unterwegs war, sodass nichts weitergegangen ist und wir deswegen schlechter durch diese Krise gekommen sind. (Abg. Belakowitsch: Aha!)
Die Debatten erleben wir ja jetzt immer wieder: Ob es um die Impfpflicht geht, ob es um das Krisenmanagement geht, es geht hier um einen gemeinsamen faktenbasierten Kurs. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Zur Frage der Impfpflicht kann man unterschiedlichster Meinung sein (Abg. Lausch: ... ja oder nein!), aber dass es einen Schutzmechanismus gegeben hat, damit diese Impfpflicht nicht einen Tag länger in Österreich in Kraft ist, als unbedingt notwendig ist, das hat die SPÖ erfolgreich hineinverhandelt (Beifall bei der
SPÖ), dass es diesen verfassungsrechtlichen, medizinischen Schutzmechanismus gibt, auch dass man nicht irgendwie von Parteitagen aus ausrichtet, ob Maskenpflicht ja oder nein. Und was die Impfempfehlungen betrifft, die Herr Kickl hier von der ersten Reihe abgibt, bezüglich deren er dann in Wahrheit eh peinlicherweise zurückrudern muss, so war dieser Eiertanz von Herbert Kickl ja für uns alle beschämend (Abg. Belakowitsch: Welcher Eiertanz?): Ivermectin ja, nein; in der Petrischale funktioniert es, daher wird es so auch nicht schaden. – Das war ja unwürdig. (Abg. Belakowitsch: ... eine eigene Meinung auch in der SPÖ?)
Deswegen wäre heute, glaube ich, auch die Chance, dass ihr euch einfach einmal entschuldigt. Macht Schluss damit und sagt all den Menschen: Bitte hört auf, das Mittel über die Grenze zu schmuggeln! Es ist sinnlos und es schadet. Macht nicht den Zöllnerinnen und Zöllnern in Österreich viel Arbeit, das ist nicht notwendig! Sie brauchen ja hier nur herauszugehen und zu sagen: Stopp mit diesem Wurmmittel! – Alles Liebe! (Beifall bei der SPÖ.)
10.26
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe selten so eine Themenverfehlung und Realitätsverweigerung gehört wie von meinem Vorredner Philip Kucher. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich möchte aber auf den tatsächlichen Tagesordnungspunkt, nämlich auf das Volksbegehren Impfpflicht: Striktes Nein eingehen. Wenn man dieses genau betrachtet, dann erkennt man, dass das eigentlich nur die halbe Wahrheit ist, denn diese Initiative, dieses Volksbegehren hat aus zwei Teilen bestanden, nämlich unter anderem aus der direkten Abfrage bei der Bevölkerung, ob in einem Epidemie- oder Notfall die Politik eine allgemeine Impfpflicht verhängen dürfen soll oder nicht. 335 000 Bürger in diesem Land haben diese direktdemokratische Möglichkeit in Anspruch genommen, und über 80 Prozent, knapp 270 000 Bürger, haben sich klar gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, selbst im epidemiologischen Notfall, ausgesprochen.
Jetzt kann man darüber diskutieren: Steht es dem Bürger zu, dass er da seine Meinung kundtut, oder nicht? – Wir sagen: Ja, ganz klar!, und die Politik ist aus meiner Sicht aufgefordert, dieses demokratische Votum auch zu akzeptieren, denn wenn wir hier im Nationalrat ein Gesetz erlassen, dann gibt es doch gewisse Prinzipien der Gesetzgebung, die berücksichtigt werden müssen, wie: Besteht überhaupt die Notwendigkeit, dieses Gesetzt einzuführen? Ist das Gesetz oder die Maßnahme geeignet, die definierten Ziele zu erreichen? Ist das Gesetz überhaupt umsetzbar? Und ist es verhältnismäßig? Zu guter Letzt könnte man auch noch über einen gewissen Vertrauensschutz und über Ehrlichkeit in der Politik sprechen, aber dazu komme ich ganz am Schluss meiner Ausführungen.
Zur Notwendigkeit: Ist eine allgemeine Impfpflicht notwendig? – Mittlerweile gibt es breiten Konsens, der lautet: Nein, eine allgemeine Impfpflicht ist definitiv nicht notwendig. Wir haben durch die gesamte Coronakrise hindurch, durch die verschiedenen Mutationen und Wellen, die wir gehabt haben, zweimal Situationen erlebt, wo unser Gesundheitssystem an der Belastungsgrenze, aber Gott sei Dank nicht über dieser Belastungsgrenze war, und bei diesen beiden Infektionswellen hat es bei der ersten überhaupt keine Impfungen und praktisch überhaupt keine Therapeutika gegeben und bei der zweiten hat die Impfung nur sehr beschränkt geholfen. Die epidemiologische Lage hat sich mit Omikron aber signifikant verändert: Die Wirksamkeit der Impfung ist noch geringer geworden, und gleichzeitig haben wir – oder hätten wir – aber auch viel mehr Zeit gehabt,
um die Behandlungskapazitäten anzupassen, und vor allem haben wir andere Maßnahmen, andere Therapieoptionen, medikamentöse Therapieoptionen, aber wir könnten natürlich auch andere Maßnahmen, wie zum Beispiel Contacttracing und Isolierung, verstärken und ausbauen, um eine allgemeine Impflicht zu verhindern.
Deshalb: War es notwendig und ist es notwendig, eine allgemeine Impfpflicht zu erlassen? – Nein.
Ist diese Maßnahme überhaupt geeignet, um die Ziele zu erreichen? Denn: Was war denn das definierte Ziel der allgemeinen Impfpflicht? – Eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Nun, jetzt haben wir auch ohne Impfung keine Überlastung des Gesundheitssystems gehabt, und da stellt man sich dann schon einmal die Frage, ob es das überhaupt braucht. Aber so, wie die Expertin im letzten Gesundheitsausschuss, Frau Dr. Dorothee von Laer, gesagt hat, dass ja über 90 Prozent aller Spitalspatienten und Verstorbenen über 60 waren, könnte man maximal darüber diskutieren, ob eine Impfpflicht für über 60-Jährige angemessen ist, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Eine Impfung von unter 60-Jährigen ist es auf jeden Fall nicht.
Außerdem, wenn wir jetzt bei der Wirksamkeit sind, muss man auch sagen, dass die von Kollegen Schallmeiner zitierten Schutzimpfungen gegen Pocken, Masern und viele andere Erkrankungen, die tatsächlich sehr große zivilisatorische, medizinische Errungenschaften waren, einen großen Vorteil gegenüber den aktuellen Präparaten zum Schutz vor Covid-19 haben: Sie erzeugen eine sterile Immunität und sie verhindern die Weitergabe des Virus – und das können die aktuellen MRNA-Impfstoffe nicht! Sie können keine sterile Immunität erzeugen, das heißt, sie können nicht vor einer Infektion schützen und sie schützen auch nicht vor einer Übertragung des Virus. Somit ist diese ganze Vorgabe der Eindämmung der Epidemie mit diesen Impfstoffen momentan gar nicht erreichbar, das heißt, die Eignung der Maßnahme ist gar nicht gegeben.
Außerdem: Wenn das Ziel eine Erhöhung der Durchimpfungsrate ist, Herr Bundesminister, dann haben Sie beziehungsweise Ihr Vorgänger – diese ist ja nicht unter Ihnen ergangen, sondern unter Ihrem Vorgänger – mit der Einführung dieser allgemeinen Impfpflicht exakt das Gegenteil erreicht, denn die Impfquote für Covid-19, die Zahl der täglichen Impfungen ist ab dem Zeitpunkt, an dem die allgemeine Impfpflicht eingeführt worden ist, massiv zurückgegangen. Und nicht nur das! Gesundheitspolitisch ja noch viel verwerflicher ist, dass nicht nur die Zahl der Covid-Impfungen zurückgegangen ist, sondern auch andere, bereits etablierte Impfungen signifikant weniger geworden sind, Herr Bundesminister – Masernimpfungen: 50 Prozent Rückgang bei der Durchimpfungsrate bei den aktuellen Impfungen (Zwischenruf des Abg. Loacker); Hepatitis-B-Impfung: über 40 Prozent Rückgang; Diphtherie-Tetanus-Impfung: 30 Prozent Rückgang. Das ist der Effekt dieser Maßnahme, und das läuft Ihrem deklarierten Ziel zu 100 Prozent zuwider.
Kommen wir zur Durchsetzbarkeit der Maßnahme: Da hätten Sie, wenn Sie die Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren ernst genommen hätten, erkennen können, dass diese Maßnahme ja gar nicht wirklich umsetzbar ist. Das ist ja auch einer der Hauptgründe, warum dieses Impfpflichtgesetz nie über seine Phase eins hinausgekommen ist und bis heute nicht scharf geschalten wurde, denn da gibt es nicht nur verfassungsrechtliche Bedenken, sondern da gibt es auch große datenschutzrechtliche Bedenken, die zum Beispiel der Geschäftsführer der Elga GmbH formuliert hat. Da gibt es aber auch verwaltungstechnische Bedenken innerhalb der Behörden, die sagen: Wie sollen wir diesen Moloch administrieren? Wie sollen wir, wenn dann die Einsprüche kommen, den ganzen Verfahrensweg abwickeln? Da sind die Behörden heillos überfordert, wenn das tatsächlich auf scharf geschaltet wird. Das heißt, die Umsetzbarkeit dieses Gesetzes ist ja gar nicht gegeben.
Und zu guter Letzt die Verhältnismäßigkeit: Wir sprechen hier von einem ganz eklatanten Eingriff in die Grundrechte, wir sprechen hier von einem Eingriff in die Unversehrtheit des menschlichen Körpers – und dem muss schon ein gewaltiger Nutzen gegenüberstehen, wenn so starke Grundrechtseingriffe erfolgen. Und was ist der Nutzen dieser Impfung? – Bestenfalls ein Schutz vor schweren Krankheitsverläufen, dem aber ein massiver Grundrechtseingriff für alle Bürger gegenübersteht.
Verhältnismäßig heißt aber auch, dass wir Wirkung und Nebenwirkung besonders abwägen, besonders dann, wenn wir eine Behandlung an Gesunden durchführen. Es macht einen Unterschied, ob ich einen Krebskranken mit einem Präparat behandle, das vielleicht auch tödliche Nebenwirkungen hat, oder ob ich einen Gesunden damit zwangsbehandle. Das ist ein gravierender Unterschied, und das muss in die Überlegungen mit einbezogen werden. Allein aus diesem Grund kann aus meiner Sicht ein Impfstoff, der nur eine bedingte Zulassung hat, der keine vollständig vorliegenden Sicherheitsdaten hat, der eine sehr eingeschränkte Wirksamkeit hat, niemals per Zwang oder Pflicht verabreicht werden.
Zu guter Letzt möchte ich noch betreffend die Ehrlichkeit und den Vertrauensschutz der Bevölkerung appellieren. Alle Fraktionen, der Bundeskanzler, der Vizekanzler, Ihre Vorgänger als Gesundheitsminister, alle haben der österreichischen Bevölkerung versprochen: Es wird keine Impfpflicht geben!, bis zu diesem ominösen politischen Kuhhandel zwischen Bund und Ländern im Herbst vergangenen Jahres, als auf einmal alles anders war und alle Parteien – außer der FPÖ – umgekippt sind und auf einmal eine allgemeine Impfpflicht beschlossen haben. Das ist ein Bruch des Vertrauensgrundsatzes und eine Unehrlichkeit, wie es sie in der österreichischen Politik schon lange nicht mehr gegeben hat. (Beifall bei der FPÖ.)
Beenden Sie das! Heben Sie das Impfpflichtgesetz auf und nehmen Sie das Votum der Bürger im Rahmen dieses Volksbegehrens ernst, dann haben Sie noch eine Chance, dass Sie vielleicht erhobenen Hauptes rauskommen, ansonsten wird vermutlich der Verfassungsgerichtshof ab dem Tag, an dem das Impfpflichtgesetz scharf geschalten wird, dieses unsägliche Gesetz aufheben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
10.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei den Proponenten des Volksbegehrens dafür bedanken, dass sie dieses demokratische Instrument gewählt haben, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Ich möchte auch meinen Respekt gegenüber diesen etwa 270 000 Menschen in Österreich, die ihre Meinung auf diesem Weg kundgetan haben, zum Ausdruck bringen; das sind immerhin etwas mehr als 4 Prozent der Wahlberechtigten.
Wenn wir uns fragen, wie dieses Impfpflichtgesetz zustande gekommen ist, dann müssen wir in dieser schnelllebigen Zeit einmal kurz zurückblicken: Zu Beginn des Jahres 2020 ist ein neues Virus über eine immunologisch und auch ansonsten unvorbereitete Weltbevölkerung hereingebrochen. Es war in manchen Gegenden zum Teil dramatisch, was sich dort abgespielt hat, in manchen Ländern, wie bei uns, hat man rasch reagiert, und daher war gerade die erste Welle relativ gut abzufangen. Es hat sich aber dramatisch weiterentwickelt, und trotz zum Teil eingreifender Präventionsmaßnahmen hatten wir zum Beispiel Ende 2020 eine Phase, an der jeden Tag zwischen 100 und 200 Menschen in unserem Land mit Covid verstorben sind. (Abg. Belakowitsch: Mit Covid!) Das war eine ganz starke Belastung und Herausforderung.
Eine vorbildhafte internationale Zusammenarbeit hat es ermöglicht, dass Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt worden sind, primär mit dem Ziel, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, aber durchaus auch mit der Hoffnung, dass man damit die Ausbreitung der Erkrankung, die Weitergabe bremsen könnte. Für den ursprünglichen Typ des Virus, Wildtyp Wuhantyp, hat das zugetroffen und auch für die erste Variante, die britische, die Alphavariante. Da hat der Impfstoff bestens gewirkt und hat auch Infektion und Weitergabe sehr gut gebremst.
Im Weiteren war es dann so, dass man Mitte vergangenen Jahres – und das war so ziemlich die anerkannte wissenschaftliche Ansicht – zum Schluss gekommen ist: Für die Geimpften ist die Pandemie weitgehend vorbei, und wenn genügend Menschen immunisiert sind, dann kriegen wir sie überhaupt in den Griff.
Es hat sich dann doch anders entwickelt, wie wir wissen. Bei Delta, bei Omikron ist das dann nicht mehr so der Fall gewesen, aber unter dem Eindruck der verschiedenen – zum Teil eingreifenden – Präventionsmaßnahmen einerseits und der Notwendigkeit einer breiten Immunisierung andererseits ist dann die Idee des Impfgesetzes geboren worden. Allerdings war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Krankheitsgeschehen, das epidemiologische Geschehen ein sehr dynamisches ist und man deshalb auf die aktuelle Situation Bezug nehmen muss.
Ganz besonders zu beachten ist, dass so eine Präventionsmaßnahme wie eine Impfung primär eine individuelle Sache der einzelnen Person ist. Es gibt aber zwei Situationen, in denen es die Gesamtbevölkerung betrifft: Das ist dann, wenn ungeschützte Personen gegebenenfalls das Gesundheitswesen so überlasten, dass es auch zum Schaden der Geimpften mit anderen Erkrankungen kommt. Und das Zweite: wenn man die Möglichkeit hätte, insgesamt auch die vulnerablen Gruppen durch breite Impfung zu schützen, und das nicht erreicht wird, weil sich soundso viele nicht impfen lassen. – Das sind die zwei Situationen, in denen man sagt: Da geht es über das Individuelle hinaus, da wird es zum gesellschaftlichen Anliegen.
Da die Sache sehr dynamisch ist, sich aufgrund der Varianten, der Wirksamkeit der Impfstoffe und so weiter ändert, hat man das Gesetz als ein Rahmengesetz konstruiert – das heißt, dass aktuell vierteljährlich zu entscheiden ist: Ist die Verhältnismäßigkeit gegeben? –, so kann es eingesetzt, so kann es ausgesetzt werden, weil allen klar war, dass man mit einem heutigen Wissensstand nicht präjudizieren kann, was in einem halben Jahr, in einem Jahr, in zwei Jahren der Fall sein wird.
Diese Ausgewogenheit, diese Angemessenheit hängt von vielen Faktoren ab: der Ansteckungsfähigkeit, der Schwere der Erkrankung, dem bereits vorhandenen Immunschutz und den weiteren Behandlungsmöglichkeiten – da sind im letzten Jahr einige dazugekommen. Das alles ist zu berücksichtigen, wenn man sich grundsätzlich den Kopf darüber zerbricht, ob dieses Gesetz einzusetzen oder auszusetzen ist.
Es wurde dazu, dem Gesetz entsprechend, eine Impfpflichtkommission eingesetzt. Die Mitglieder der Kommission geben regelmäßig Einschätzungen ab – und sie sind nicht alleine –, die dann jeweils der demokratischen Kontrolle unterliegen, weil das durch den Hauptausschuss des Nationalrates bestätigt werden muss. Damit sind wir auf einem guten Weg und unter Abwägung aller Eventualitäten wirklich in der Lage, zu entscheiden, was für die kommenden Monate zielführend ist und was nicht.
Zu Recht ist die Impfpflicht derzeit nicht eingesetzt. Das ist aufgrund der vorhandenen Datenlage absolut nachvollziehbar.
Abschließend möchte ich den Expertinnen und Experten im Hearing des Gesundheitsausschusses, die durch ihre sehr differenzierten Meldungen eine wirklich hochwertige Diskussion ermöglicht haben, ein herzliches Danke sagen. Mein Dank gilt außerdem den
Persönlichkeiten in der Impfpflichtkommission, die eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe auf sich nehmen, und ich wünsche ihnen dazu eine gute und sichere Hand. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
10.41
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wie kommt dieses Volksbegehren hierher? – Die Initiatoren machen das ja öfter: zwei Volksbegehren zu initiieren, eines mit Ja und eines mit Nein, um eine Art Abstimmungssituation zu erzeugen, und so war das auch in diesem Fall. Das ist ein, ich würde sagen, spannend zu beobachtendes Spiel mit den direktdemokratischen Elementen in unserer Verfassung. Das Hohe Haus würdigt solche Initiativen, indem Volksbegehren am Beginn der Tagesordnung stehen und wir dieser Debatte die beste Zeit und die größte Aufmerksamkeit widmen.
Kollege Smolle hat schon auf die Expertenkommission hingewiesen, die wahrhaft mit Dank zu überschütten ist, weil sie sich von der Politik die heiße Kartoffel hat hinüberschieben lassen. Man muss ja auch jemanden finden, der dann bereit ist, diese Kartoffel anzufassen – also Respekt vor diesen Damen und Herren.
Ich möchte auch noch auf etwas Bezug nehmen, das der Herr Minister in den Medien gesagt hat, nämlich dass sich im Herbst alle wieder impfen lassen sollen. Da bitte ich doch darum, ein bisschen vom Tempo herunterzugehen – denn was sagt die EMA? – Die EMA empfiehlt die Auffrischungsimpfung dann für betagte Personen über 80 Jahre und für Risikopatienten und eben nicht pauschal für alle. Ich möchte eigentlich nicht haben, dass der Minister es besser als die EMA weiß. Das wünsche ich mir nicht, sondern ich wünsche mir, dass wir auf die Experten hören. Die Experten müssen nämlich auch immer eines tun: sich dem anpassen, was sich an neuen Erkenntnissen ergibt.
Wir waren ja am Anfang alle in der Hoffnung, in der Erwartung, dass die Wirkung dieser Impfung besser ist und vielleicht sogar eine sterile Immunität bewirkt. Das ist nicht eingetreten. Jetzt gibt es Impfstoffe, die gegen ein Virus, das nicht mehr zirkuliert, entwickelt worden sind. Wir haben ganz andere Varianten, und die neuen Impfstoffe, die auf die neuen Varianten ausgelegt sind, sind noch nicht verfügbar. Man sollte daher mit dem Aufruf, sich noch einmal impfen zu lassen, sehr vorsichtig und bedächtig umgehen und sich an den Experten orientieren und nicht über die Fachleute hinweg ein politisches Spiel spielen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
10.44
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich nütze die Gelegenheit, auch ein paar Dinge klarzustellen. Ein Volksbegehren ist ein zutiefst demokratisches Instrument. Es ist gut, dass das im Parlament behandelt wird, und es ist auch mit dem entsprechenden Respekt vor dieser Meinungsäußerung damit umzugehen.
Zweite Vorbemerkung: Der Dank, den ich hier abstatten möchte, gilt erstens der Bevölkerung, die in den letzten beiden Jahren der Pandemie über weite Strecken die Maßnahmen auch sehr intensiv mitgetragen und mit dazu beigetragen hat, die Pandemie gut zu bewältigen. Dieser Dank gilt im Übrigen auch diesem Hohen Haus, in dem die Entscheidungen in sehr weitreichenden Bereichen fast von allen Fraktionen auf breiter Front
mitgetragen worden sind. Das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Mir ist klar – das hat jemand anderer formuliert, nicht ich –, dass eine Pandemie auch eine demokratiepolitische Zumutung ist, gerade einem Parlament gegenüber. Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen sind in einem unglaublich hohen Tempo und nicht immer unter Bedachtnahme auf die sonst üblichen parlamentarischen Vorgänge erlassen beziehungsweise beschlossen worden, und das ist eine demokratiepolitische Zumutung. (Abg. Belakowitsch: Sie sollten sich dafür entschuldigen, nicht bedanken!) Ich weiß das, und auch dafür möchte ich mich im Namen der Regierung bedanken, auch das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sie sollten sich dafür entschuldigen!)
Frau Kollegin, ich wüsste nicht, wofür ich mich jetzt entschuldigen sollte. (Abg. Belakowitsch: Das sagt aber eh schon alles!) Frau Kollegin, das wüsste ich nicht. (Abg. Belakowitsch: Für das Aushebeln der Demokratie zum Beispiel! – Ruf bei der ÖVP: Beruhigen Sie sich! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich versuche, seriös mit den Argumenten umzugehen und die Debatte in aller Ruhe zu bestreiten. Die bisherigen Debattenbeiträge haben das getan: in wohltuender Art und Weise, sehr konstruktiv, sehr differenziert die Sache zu betrachten. Darüber bin ich sehr froh und dafür bin ich sehr dankbar. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich möchte die Gelegenheit nützen, darüber zu reden, wie wir weiter tun, was angesagt ist. Ich kann Ihnen nur versichern, entgegen allen Hoffnungen – und ich verstehe das – ist die Pandemie einfach nicht vorbei, das ist so. Das würden sich alle wünschen, aber es ist einfach nicht der Fall. Wir haben aktuell in Portugal eine Ausbreitung der Varianten BA.4, BA.5, die inzwischen 50 Prozent der Varianten dort ausmachen, und auch steigende Zahlen im Infektionsgeschehen.
Man kann sich das alles anders wünschen, aber es findet eben nicht statt. Es ist einfach notwendig, mit einem gewissen Ausmaß an Vorsicht mit der Situation umzugehen. Bei allen Wünschen nach Normalität, bei allen Wünschen nach Beendigung der Pandemie ist es erforderlich, sich seriös auf die Herbst- und Wintersaison vorzubereiten. Wir tun das, indem wir mit 80 Expertinnen und Experten einen Maßnahmenplan erarbeiten, der vier Szenarien abbildet. Natürlich gibt es da auch ein Szenario – das ist das wünschenswerteste –, in dem wir eine Virusvariante haben, die wenig ansteckend ist, sich wenig dynamisch entwickelt und weitgehende Normalität zulässt. Das ist das bestmögliche Szenario, aber es ist nicht das einzig denkbare – und wenn es nicht das einzig denkbare ist, ist es angezeigt und verantwortungsbewusst, sich auch auf andere Szenarien vorzubereiten.
Wir hatten – nach dem ersten Pandemiesommer und nach dem zweiten Pandemiesommer – zweimal die Situation, mehr oder weniger überrascht feststellen zu müssen: Es ist im Herbst deutlich anders, als alle gehofft haben. Wir hatten dann auch mit massiven Verwerfungen im Gesundheitssystem zu kämpfen.
Ich sage Ihnen eines: Mittlerweile betrifft meine größte Sorge, wenn es um die Überlastung des Gesundheitssystems geht, nicht die Anzahl der belegten Intensivbetten, nicht die Anzahl der belegten Normalbetten. Am meisten Sorgen macht mir das Personal. Nach zwei Jahren Pandemie – und zuletzt wieder im März, mit deutlich steigenden Fallzahlen und Ausfällen beim Personal – entstehen Situationen in den Spitälern, in den Alten- und Pflegeheimen, in den Behinderteneinrichtungen, die einfach nicht mehr zu bewältigen sind. Die Überlastung des Gesundheitssystems im Umgang mit der Pandemie muss sich in Zukunft auch daran bemessen, wie es dem Personal in diesen Häusern geht und ob die Arbeit dort noch zu bewältigen ist. Das halte ich für absolut notwendig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Zur Impfung vielleicht Folgendes: Natürlich gibt es da unterschiedliche Empfehlungen. Aktuell lautet die Empfehlung zur Impfung: Die über 80-Jährigen mögen sich jetzt auffrischen lassen und nicht bis zum Herbst warten.
Für die über 65-Jährigen gibt es die Empfehlung, sich mit ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt darüber zu beraten, ob das jetzt oder im Herbst angezeigt ist, aber jedenfalls gibt es auch die Empfehlung der Impfpflichtkommission, der Expertinnen und Experten, eine Auffrischung im Herbst jedenfalls vorzubereiten und den Menschen das auch so zu sagen, weil klar ist: Wir haben jetzt eine gute Immunisierungslage in der Bevölkerung, weil wir im März eine intensive Welle der Ansteckung hatten. Dadurch sind viele Menschen genesen.
Auch die Durchimpfungsrate ist jetzt halbwegs gut, aber sie nimmt bis zum Herbst deutlich ab. Das heißt, die Immunisierungslage nimmt genau zu dem Zeitpunkt Ende August, Anfang September ab, wenn wir damit rechnen müssen, dass eine neue Variante in welcher Form auch immer kommt.
Klar ist: Nein, eine Impfung schützt nicht vor Ansteckung. Nein, eine Impfung schützt nicht davor, vollkommen unbeschadet durch die Pandemie zu kommen, aber sie schützt nachweisbar davor, auf der Intensivstation zu landen, an Long Covid zu erkranken oder schwer zu erkranken. Das ist so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Wer sagt das? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das ist inzwischen der Wissensstand der Wissenschaft weltweit. (Abg. Belakowitsch: Es gibt Studien ...!)
Es gibt keine andere Impfung, die in diesem Ausmaß milliardenfach durchgeführt worden ist und deren Wirkung in der Weise, wie ich es jetzt dargelegt habe, erwiesen ist. Das ist Wissenschaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Diese Wissenschaftserkenntnis muss man bitte einfach einmal zur Kenntnis nehmen. (Abg. Belakowitsch: Sehr unwissenschaftlicher ...!) – Wissen Sie, mit der Wissenschaftlichkeit ist es so, dass inzwischen 98 Prozent der Wissenschafterinnen und Wissenschafter diese von mir hier vertretene Meinung teilen. Die sagen das so, 2 Prozent tun das nicht. (Abg. Belakowitsch: Glauben Sie das wirklich? Das ist, wenn man nur ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Das erinnert mich in gewisser Weise an die Debatte um den Klimawandel, die Klimaveränderung, da war es genau gleich. (Abg. Fürst: Geh bitte! – Abg. Belakowitsch: Das mit dem Klimawandel ...!) Inzwischen ist es Common Sense: Das ist so, die Auswirkungen sind spürbar. Jetzt treten in der Wissenschaft diejenigen den Rückzug an, die gesagt haben, der Klimawandel findet nicht statt, weil inzwischen milliardenfach in den Kosten dargelegt ist, was das ausmacht. Es ist bei der Pandemie genau dasselbe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich würde einfach ersuchen – das ist die Bitte: Ich weiß, es gibt Teile der Bevölkerung, die das komplett ablehnen, aber der überwiegende Teil trägt das mit. Auch der überwiegende Teil des Nationalrates, des Parlaments trägt diese Haltung mit (Abg. Belakowitsch: Aber nicht der Bevölkerung!) – auch der größte Teil der Bevölkerung. Dafür bin ich dankbar. Das ist der Weg, wie wir die Pandemie weiter bewältigen werden. Ich bin sehr dankbar für die weitgehend sachliche und korrekte Diskussion in dieser Frage. – Ich bedanke mich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
10.52
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Gesundheitsminister hat uns gerade erzählt,
die Pandemie sei nicht vorbei. – Ja, nein. Die meisten Stimmen sagen ja auch, man muss das eben jetzt behandeln wie Infektionskrankheiten, die wir schon kennen, mit denen man leben muss und die gerade in der Winterhalbjahreszeit immer wieder kommen. Sie brauchen das nicht immer so wie eine dunkle Wolke in den Raum zu stellen: Die Pandemie ist nicht vorbei! – Nein, wir leben damit. Die Frage ist, wie man damit lebt.
Haben Sie sich den Parteitag der ÖVP angehört? Ich habe mir aufmerksam die Aussagen von Bundeskanzler Nehammer, Mister 100 Prozent, angehört, und es war unglaublich, was er da gemeint hat. Es hat sich mit unserer Meinung gedeckt. Er meinte, Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung seien ganz wichtig. Die Freiheit gehöre zur DNA der ÖVP. – Super, dann gibt es ja nur einen Weg, mit diesen Infektionskrankheiten umzugehen, nämlich in klassischer Form: in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung und mit einem funktionierenden Gesundheitssystem, für das Sie zuständig wären. (Beifall bei der FPÖ.)
Dann führen Sie hier als Beweis dafür, dass die Pandemie nicht vorbei ist, Portugal an – interessant. Da gibt es wieder Ausbrüche und Infektionswellen. – Ja, das mag sein, damit muss Portugal fertigwerden. Ich darf Sie nur darauf hinweisen, dass Portugal eine sehr, sehr hohe Impfquote hat. Da wurde auch sehr viel Druck gemacht, auch mit so einem Menschen im Tarnanzug. Die haben eine viel, viel höhere Impfquote als wir – an die 90 Prozent –, und Sie sprechen jetzt davon, dass dort so hohe Infektionswellen sind. Macht Sie das eigentlich nachdenklich? (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)
Gleichzeitig vertreten Sie hier immer noch die beschlossene Impfpflicht! – Das kann also nur ein Pfeiler sein, den man einfach anbietet und es den Menschen überlässt, ob sie davon Gebrauch machen oder nicht.
Dann sagen Sie unglaublicherweise: Am meisten Sorgen macht mir das Personal. – Seit Jahren ist das Gesundheitspersonal ein Problem, um das man sich nicht gekümmert hat; von uns unzählige Male thematisiert. Man hat das Gesundheitspersonal, um das Sie sich so sorgen, in den letzten zwei Jahren zu einem guten Teil vertrieben und die, die noch in diesem Bereich arbeiten, schikaniert. Viele überlegen, auszusteigen, wenn Sie nicht mit dieser Politik und vor allen Dingen mit dem Impfdruck aufhören, denn viele lehnen das ab.
So haben Sie es unglaublicherweise geschafft, dass wir 2022, zwei Jahre nach Ausbruch des Coronavirus, weniger Kapazitäten haben – weniger Betten, weniger Gesundheitspersonal – als 2019. Das muss man zusammenbringen. (Beifall bei der FPÖ.)
Weil Herr Kollege Schallmeiner gemeint hat, die größte Gefahr für die Gesellschaft, für das Gesundheitssystem sind die Impfgegner (Abg. Schallmeiner: Die größte Gefahr sind die Coronaviren! Zuhören!), nur dazu ein paar Bemerkungen.
Erstens einmal: Die kategorischen Impfgegner würde ich jetzt am ehesten in Ihrer Partei verorten, sie fühlen sich da aber nicht mehr vertreten. Ich habe das nie ganz verstanden. Für mich fällt es unter die Meinungsfreiheit. Also das würde ich einmal als Wählerverrat bezeichnen.
Die größte Gefahr für das österreichische Gesundheitssystem ist aber diese Bundesregierung (in Richtung Regierungsbank), die hier nicht sitzt – der dritte grüne Gesundheitsminister –, die es eben nicht geschafft hat, in zwei Jahren auch nur ein zusätzliches Bett aufzustellen, und das bei all den Milliarden, die versenkt wurden. (Beifall bei der FPÖ.)
Sie sagen auch, 98 Prozent der Wissenschafter teilen jetzt schon Ihre Meinung. Ja, wenn man den Weg geht, dass man alle kritischen Stimmen unterdrückt, Ärzte, die eine andere Meinung haben und sich auch nur sachlich äußern, mit Disziplinaranzeigen überzieht, sie wirklich bedroht und ihnen auch gar keine Bühne gibt, in die sachliche Diskussion einzusteigen.
Sie haben das Expertenhearing erwähnt. Ja, wenn ich mir lauter genehme Experten nehme, dann komme ich so wie die ÖVP zu einer hundertprozentigen Zustimmung. Das heißt aber nicht, dass es so ist. Sie sind den Weg der kompromisslosen Grundrechtseinschränkung und -verletzung gegangen. Anstatt hier eine Kehrtwendung zu machen, kommen Sie noch mit Sätzen daher wie: Gott sei Dank, ich kann da ja jetzt frank und frei agieren, denn in meinem Alter brauche ich mir nichts mehr anzutun.
Das sind sehr vertrauenserweckende Aussagen. Statt zuzugeben: Wir haben uns verrannt, die obersten Ziele, die wir genannt haben, konnten wir so nicht erreichen, wir bieten die Impfung an, wir schauen uns das an, wir wissen alle paar Monate mehr über die Treffsicherheit, aber wir lassen das freiwillig zu als einen Pfeiler in der Gesundheitspolitik!, mit Aussagen daherzukommen wie: Ich lasse mir die Impfung nicht schlechtmachen! – was soll das? Darum geht es nicht.
Sie sollen aufhören, Angst und Panik zu verbreiten und kritische Stimmen zu unterdrücken. Lassen Sie Diskussionen über die Nebenwirkungen zu, ob Sie sie jetzt für gerechtfertigt, für übertrieben oder für was weiß ich halten! Lassen Sie die Diskussionen zu und nehmen Sie die dunkle Wolke von Österreich, die jetzt immer über uns schwebt: Die Pandemie ist nicht vorbei! Was bringt der Herbst? – Hören Sie auf damit! So geht man mit der Bevölkerung nicht um. (Beifall bei der FPÖ.)
10.58
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Saxinger. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Im Rahmen des Gesundheitsausschusses wurde im Expertenhearing viel diskutiert: Wie geht es mit der Pandemie weiter, mit den Viren, mit den Mutationen? – Wir wissen es derzeit leider einfach nicht, kein Mensch weiß es. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Die berühmte Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen, das wäre es, denken sich manche. Das ist nicht seriös, aber ich habe das Gefühl, auf diesem Niveau bewegen wir uns manchmal. Vielleicht eröffnen sich neue Gedanken und Ideen, wenn man eine Glaskugel auch noch mit Ivermectin einbalsamiert, das wäre ein frommer Wunsch. Alle, die einen guten Draht nach oben haben, könnten sich dem frommen Wunsch von Kardinal Schönborn anschließen, der gesagt hat – ich zitiere –: „Lieber Gott, lass Hirn regnen“! (Beifall bei der ÖVP.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesundheitsminister hat es auch schon erwähnt: Die Pandemie ist nicht vorbei, auch wenn wir alle uns das wünschen. Wir haben derzeit eine Art Verschnaufpause. Ein paar Tausend Neuinfektionen pro Tag sind auch nicht wenig, glücklicherweise ist die Omikronvariante aber derzeit moderat, sodass Krankenhauseinweisungen und -aufenthalte selten sind.
Ich möchte ein paar Expertenmeinungen zitieren, mit welchen beim Hearing eigentlich eine klare Sprache gesprochen wurde. Ein Statement lautete: Die Pandemie ist keine Privatsache, Solidarität ist gefragt. Oder: Die Impfung bewirkt eine breite Immunität und stellt nach wie vor das wirksamste Mittel zur langfristigen Bekämpfung dar. Weiters: Die Covid-Impfstoffe sind die weltweit am besten untersuchten Arzneimittel. Die Impfungen wirken, sie schützen und es wurden Milliarden Personen geimpft. Je höher die Impfrate, desto niedriger die Todesrate – auch ein Faktum. Noch ein Statement: Das Impfgesetz macht Sinn, man kann flexibel handeln.
Ich habe schon erwähnt, dass leider kein Mensch derzeit sagen kann, wie es mit der Pandemie weitergeht. Die Regierung und das Gesundheitsministerium haben aber mit
80 Experten einen Variantenmanagementplan erarbeitet. Wir agieren vorausschauend, wir haben einen Plan. Es gibt, wie schon erwähnt, vier Szenarien: Einen Idealfall, einen günstigen Fall, einen ungünstigen Fall und ein Worst-Case-Szenario, und wir können im Herbst je nach Variante reagieren.
Auch die Frage, ob es eine Impfpflicht geben wird oder nicht, ist geregelt. Das Impfpflichtgesetz ist sehr flexibel aufgestellt. Es gibt die Impfpflicht-Kommission, die demnächst und dann wieder Ende August, also alle drei Monate, einen Bericht vorlegen wird. – Unabhängig von der Impfpflicht ist es aber sehr wohl unsere Aufgabe, die Menschen von der Impfung zu überzeugen.
Liebe Frau Kollegin Fürst, noch ein Wort zur Maske: Das Aufheben der Maskenpflicht bedeutet nur, dass man nicht mehr muss, aber sehr wohl kann. Es steht jedem frei, weiterhin die Maske zu tragen, wenn man ein höheres Schutzbedürfnis hat. (Abg. Stefan: Das ist ja okay!) So schützt man sich am besten selbst. Ich verstehe nicht, warum das so schwierig sein soll! Die Masken sind leicht erhältlich, einfach zu verwenden, und sie schützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stefan: Bravo!)
Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen für den Herbst wesentlich besser vorbereitet sein als in den Jahren zuvor, und mit einem guten Impfstoff, einem flexiblen Impfpflichtgesetz und einem Vier-Szenarien-Plan sind wir dafür gut gerüstet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
11.02
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerin! Herr Minister! Wie erwartet, haben wir heute die emotionale Debatte zum Thema Impfpflicht. Ich habe mich persönlich jetzt wirklich zweieinhalb Jahre bemüht, in diesem Zusammenhang mit Zahlen, Daten und Fakten zu operieren, und ich muss sagen: Das war nicht immer ganz einfach. Es wurde heute bei einigen Ausführungen von Kollegen auch wieder deutlich: Man musste sich jetzt zweieinhalb Jahre beschimpfen lassen. Auf ein so tiefes Niveau wie Frau Kollegin Meinl-Reisinger mit dem Ausdruck „fetzendeppert“ hat sich nicht jeder begeben, aber auch der Kardinal hat gesagt: „Lieber Gott, lass Hirn regnen“!
Wenn Sie heute die Ausführungen vonseiten der ÖVP und der Grünen und auch des Ministers gehört haben, dann können Sie feststellen: Keiner weiß konkret etwas, man hat sozusagen keine Glaskugel, und die Wissenschaft verändert sich. Sie haben jedoch zweieinhalb Jahre lang immer gewusst, dass wir die Dummen sind. Jeder, der versucht hat, dieses Thema eventuell von zwei Seiten zu sehen, war entweder – laut NEOS, Meinl-Reisinger – „fetzendeppert“ oder ohne Hirn – laut Kardinal –, und es sind weitere Beleidigungen in diesem Zusammenhang gefallen.
Trotz dieser schweren Angriffe haben wir immer versucht, uns wirklich auf Zahlen, Daten, Fakten zu beziehen, und ich glaube, dass weite Teile der Bevölkerung gesehen haben, dass sie belogen wurden. Das ist, glaube ich, mittlerweile ganz, ganz vielen klar geworden, weil auch viele von jenen, die das geglaubt haben, auch nach drei oder vier Impfungen plötzlich schwer an Corona erkrankt zu Hause gelegen sind. Mittlerweile waren das Millionen in Österreich, und da hat halt eine gewisse Selbsterkenntnis eingesetzt. (Abg. Kucher: Wo bleibt die Entschuldigung?) – Eben, diese Entschuldigung von der Regierung oder von allen anderen Experten kommt gar nicht oder nur zaghaft. Da ich im Gesundheitsausschuss bin, weiß ich, dass sich auch die Meinung der Regierungsexperten geändert hat. Diese argumentieren jetzt vorsichtig und interessanterweise eigentlich im Sinne der FPÖ.
Herr Minister, ich habe Unterlagen mit, weil Sie gesagt haben, dass Sie nichts wissen, dass Sie aber ganz genau wissen, dass man mit einer vollständigen Impfung, also nach
drei Mal oder vier Mal, vor einem schweren Verlauf geschützt ist. Herr Minister, ich darf Ihnen die Zahlen von voriger Woche von der Uni-Klinik in Innsbruck bekannt geben. Sie werden das nicht finden, denn das gibt es nur intern, denn das will nach wie vor keiner veröffentlichen. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Sie können die Zahlen von Innsbruck aber gerne nachprüfen, Sie haben ja Kontakt (eine Tafel mit der Aufschrift „Landeskrankenhaus Innsbruck“ und der „Überschrift „Covid-Dashbord“ sowie mit Abbildungen von Grafiken und Zahlen auf das Rednerpult stellend), und Sie sehen hier: Am 12. Mai waren 16 Patienten auf der Coronastation. Von diesen 16 Patienten sind 16 Patienten vollständig geimpft. Sie sehen hier die Zahl 4: Das sind jene vier Patienten, die auf der Coronaintensivstation liegen, obwohl alle vier vollständig geimpft sind. – Dennoch hat der Minister jetzt vor 10 Minuten gesagt, dass er etwas ganz sicher weiß: Weltweit sagen alle Wissenschaftler, dass man mit einer Coronaimpfung vor einem schweren Verlauf geschützt ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist aber nur eine von Dutzenden, Hunderten Falschmeldungen. So viel wie da an Vertuschung, Lüge und Propaganda passiert - - (Abg. Steinacker: Das ist eine Unterstellung! Alles zurücknehmen bitte!)
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Sie wissen genau, welche - -
Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Vertuschung darf man sagen. Sie wissen, dass das passiert ist. Das poppt halt langsam auf. Es schafft nicht einmal China, auf Dauer alle so zu lenken, wie sie es gerne hätten.
Frau Kollegin Schwarz, Dorothee von Laer, also mit Sicherheit keine Freiheitliche, hat im letzten Hearing etwas ganz klar gesagt: Für sie ist vollkommen klar, dass das Risiko der Impfung und der Nutzen der Impfung bei unter 60-Jährigen ganz eindeutig gegen eine Impfung sprechen. Damit impliziert sie, dass es ganz klar Nebenwirkungen gibt. Mein Kollege Hauser und Frau Kollegin Belakowitsch werden aber auf die Nebenwirkungen noch einmal eingehen. Dorothee von Laer hat gesagt: Man kann maximal darüber diskutieren, ob bei über 60-Jährigen der Nutzen größer ist als das Risiko.
Man könnte das Thema noch unendlich lange ausführen. Ich möchte dem Minister nur etwas noch einmal sagen, weil ich, als ich gesagt habe, dass die Impfung auch töten kann, hier im Plenum fast verbrannt beziehungsweise gesteinigt worden bin. – Es gibt jetzt auch in Italien die erste offizielle Entschädigung: 70 000 Euro vom italienischen Staat im Hinblick auf ein anerkanntes Todesopfer nach der Impfung. In diesem Zusammenhang muss man auch wissen: Die Italiener haben heuer 150 Millionen Euro im Budget für Impfnebenschäden und Todesfälle freigeschaufelt. Das muss man, wenn man über die Impfpflicht spricht, einfach sagen: Alle Abgeordneten hier im Saal, die persönlich und namentlich für diese Impfpflicht gestimmt haben – diese Liste gibt es, ich werde sie wieder veröffentlichen –, haben damit sich selber auch für Todesfälle in die Verantwortung gebracht, wenn das verpflichtend eingeführt wird, was geschehen ist, und auch persönlich dafür geradezustehen.
Wenn sich jemand als Erwachsener freiwillig impfen lässt, dann ist das seine Angelegenheit. Sie haben jedoch hier im Parlament – mit ganz wenigen Ausnahmen nämlich von uns und drei oder vier Personen von den NEOS – dafür gestimmt, und dafür haften Sie meiner Meinung nach auch, auf alle Fälle moralisch.
Zum Abschluss sage ich noch etwas, auch für alle Bürger draußen: Wenn Sie der Meinung sind, dass hier sehr viel falsch gelaufen ist, und feststellen, dass wir von der FPÖ die einzige Partei sind, die hier auf Bürgerrechte, Freiheit und Schutz Wert gelegt hat und sich daran zweieinhalb Jahre lang trotz massiven Widerstands konsequent gehalten hat, dann bitte ich Sie: Unterstützen Sie uns mit Ihrer Stimme bei Wahlen! Nur durch demokratische Wahlen werden Sie das System nachhaltig verändern, und außer der FPÖ, den Freiheitlichen, gibt es keine Partei, die das sicherstellen wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
11.09
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte. (Abg. Kucher: Bitte entschuldigen Sie sich beim Minister!)
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Bildschirmen! Sie haben den Herrn Bundesminister vor wenigen Minuten hier herinnen gehört. Er hat gesagt, dass er natürlich nicht weiß, was im Herbst kommt. Er hat jetzt vier Szenarien ausarbeiten lassen. Der arme Herr Minister hat ja auch keine Glaskugel, aber eines weiß er ganz sicher: Die Impfung wirkt. Man weiß nicht, welches Virus zirkulieren wird, aber die Impfung wirkt. – Allein das, Herr Bundesminister, wäre es schon wert, einmal eine Entschuldigung abzugeben, weil das einfach nicht stimmen kann, weil das nicht zusammenpasst. Das ist ein Widerspruch in sich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Das Einzige, was diesem Bundesminister zu dem Chaos, zum Aushebeln der Demokratie in den letzten beiden Jahren eingefallen ist – abgesehen davon, dass er die Fiaker verbieten will; ich meine, es gäbe drängendere Probleme in unserem Land, das muss man auch sagen –: Er hat sich bedankt. Er hat sich beim Parlament dafür bedankt, dass eine große Mehrheit hier herinnen das alles akzeptiert hat, dass es einer großen Mehrheit vollkommen egal war, dass das Parlament durch Ermächtigungsgesetze ausgeschaltet war. Nicht der Gesundheitsminister persönlich, sondern seine beiden Vorgänger, deren Namen Sie nicht mehr wissen müssen – und es ist auch gut, dass sie nicht mehr da sind – haben einfach geschaltet und gewaltet. Geschaltet und gewaltet ist da geworden, da ist aufgehoben worden oder nicht aufgehoben worden. Nicht einer hat sich dafür entschuldigt, dass das Verfassungsrecht mit Füßen getreten worden ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Dafür, Herr Bundesminister, hätten Sie sich heute entschuldigen können, und nicht auch noch Danke dafür sagen. Das ist der Wahnsinn, der hier passiert ist.
Jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema, es geht nämlich um eine Impfpflicht. Jetzt wird so getan, als gäbe es das eh gar nicht mehr, und Kollege Saxinger erzählt irgendetwas: Ja, das Gesetz ist ja so konstruiert, dass ...! – Nach wie vor ist das Impfpflichtgesetz ein in Österreich gültiges Gesetz. Es hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Bürger in diesem Lande und bereitet sehr, sehr vielen Bürgern große Sorgen, und täglich werden es mehr. Das sage ich Ihnen auch. (Abg. Michael Hammer: Ach so? Wo denn?) – Was? (Abg. Michael Hammer: Wo werden es denn mehr?) – Ja, das ist die Frage. Das ist genau Ihr Problem, Herr Kollege Hammer. Sie sollten sich mit den Fakten auseinandersetzen. Sie haben die Leute zunächst einmal in eine Impfung hineingedrängt, hineinmanipuliert. Was für großartige Sachen sind da aufgebaut worden: Das ist der Gamechanger! Wir werden die ganze Pandemie damit besiegen! – Die Leute sind dann unter Druck gekommen. Viele haben sich halt impfen lassen, weil sie Angst um den Arbeitsplatz hatten. Andere haben sich impfen lassen, um ihr Leben leben zu können. Vor allem junge Menschen haben Sie da hineingedrängt.
Dann kam es dazu: Der erste Stich hat nicht gereicht, sondern es hat einen zweiten gebraucht. Wissen Sie, was dann passiert ist? – Zum dritten Stich ist nur noch die Hälfte der Bürger hingegangen. Da hat Ihnen schon ein Viertel derer, die sich den ersten und zweiten Stich noch geholt haben, gesagt: Danke schön.
Wenn Sie sich jetzt anschauen, wie die Stimmung ist: Wissen Sie eigentlich, was draußen los ist (Abg. Michael Hammer: Ja, wir wissen es besser als ihr! Ihr seid in eurer Blase!), wie viele Personen langfristig an den Folgen dieser Impfung leiden? (Abg. Michael Hammer: Ja, ja! Ihr seid beeinträchtigt, ja!) – „Ja, ja!“, sagt er. Es ist Ihnen egal, dass junge Menschen wochenlang mit Herzmuskelentzündung im Krankenhaus liegen. Das kostet Sie ein „Ja, ja!“. Deren Leben ist verpfuscht, deren Karrieren, deren Sportlerkarrieren können sie an den Nagel hängen, und Ihnen ist es egal. Diese Leute lassen
Sie auch noch im Stich, weil es im Gegensatz zu anderen Ländern ja noch nicht einmal gescheite Entschädigungen gibt. Das sind Tatsachen. (Beifall bei der FPÖ.) Für die müssen Sie halt auch die Verantwortung übernehmen, nicht nur die Österreichische Volkspartei und die Grünen, sondern jeder einzelne Abgeordnete der SPÖ und der NEOS, die dafür gestimmt haben, dass es eine verpflichtende Impfung gibt.
Es hat noch nie in der Geschichte einen schlimmeren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte als diese Impfpflicht gegeben, meine Damen und Herren (Beifall bei der FPÖ), und daher werden wir bis zum Letzten kämpfen, bis dieses Unrechtsgesetz wieder gefallen ist, meine Damen und Herren – darum geht es! (Abg. Kucher: Was können die ... dafür? – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)
Weil ich noch nicht fertig bin, weil das ja nicht das Einzige ist, mit dem Sie die Bürger draußen quälen: Nach wie vor gibt es nur in Österreich das Impfpflichtgesetz. Weltweit, sagt der Herr Minister, sind sich alle einig, wie großartig das ist. Nur: Weltweit gibt es keine Impfpflicht, und weltweit gibt es auch keine Maskenpflicht mehr, Herr Bundesminister. Auch das ist ein österreichisches Unikum: dass man die Maske aufsetzen muss, wenn man im Supermarkt arbeiten muss, dass man in den Banken die Maske aufsetzen muss. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit ist aus!) Bald braucht man sie in keinem Flieger mehr, aber in den Österreichischen Bundesbahnen sitzt man stundenlang mit einer Maske. Das ist doch nicht normal! (Beifall bei der FPÖ.)
Ihre tolle Frau Reich hat es ja gesagt: Es geht um die psychologische und soziale Gewöhnung. – Meine Damen und Herren, wir brauchen keine psychologische und soziale Gewöhnung. Eine Maske soll tragen, wer möchte. Wenn jemand glaubt, es hilft ihm, soll er sich fünf Masken umbinden. Lassen Sie aber bitte den Großteil der österreichischen Bevölkerung jetzt endlich in Ruhe!
Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ende der Maskenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang in allen Lebensbereichen und insbesondere im Handel und in den öffentlichen Verkehrsmitteln unmittelbar zu beenden, um so die derzeit bestehenden Ungleichbehandlungen von Angestellten im Handel und in anderen betroffenen Berufsgruppen zu beseitigen und die Lebensqualität der Konsumentinnen und Konsumenten zu steigern.“
*****
Ich bitte um Ihre Zustimmung im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.)
11.15
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Erwin Angerer, Peter Wurm, Hermann Brückl, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Gerhard Kaniak
und weiterer Abgeordneter
betreffend Ende der Maskenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag
eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1) Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (1179 d.B.) "Impfpflicht: Striktes NEIN" (1436 d.B.) in der 158.Sitzung des Nationalrates am Mittwoch, dem 19. Mai 2022
Obwohl die Bedrohungslage durch Corona aktuell nicht mehr gegeben ist, werden einschlägige Gesetze wie das Covid-19-Maßnahmengesetz bzw. die entsprechenden Regelungen im Epidemiegesetz 1950 neuerlich verlängert.
Und auch am Covid-19-Impflichtgesetz hält man trotz fehlender Bedrohungslage durch Corona weiterhin fest und hat derzeit lediglich die Aussetzung der Anwendung zugelassen. Ebenso verhält es sich mit der Maskenpflicht im Handel, in den Banken oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer hat am Bundesparteitag am 14.Mai 2022 in Graz folgendes zu den Delegierten gesagt:
„So viele in so einem kleinen Raum heißt auch: So viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr! Schön, dass ihr da seid!“
Damit hat Nehammer alle Corona-Maßnahmen, die noch aufrecht sind, für überflüssig erklärt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang in allen Lebensbereichen und insbesondere im Handel und in den öffentlichen Verkehrsmitteln unmittelbar zu beenden, um so die derzeit bestehenden Ungleichbehandlungen von Angestellten im Handel und in anderen betroffenen Berufsgruppen zu beseitigen und die Lebensqualität der Konsumentinnen und Konsumenten zu steigern.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, auch ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja wirklich fast unerträglich, Kollegen Kucher da zu hören, der permanent die Unwahrheit über das Ivermectin spricht. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.) Es ist überhaupt so, dass die Grünen als die Vertreter der Pharmaindustrie auftreten. Also es ist unfassbar, was hier abläuft. Ihr habt nur eine Platte, die ihr seit zweieinhalb Jahren abspielt, und die geht so: Impfen, impfen, impfen! Ihr seid beratungsresistent, euch ist die Bevölkerung vollkommen egal.
Kollege Wurm hat es hier schon festgestellt, und man hört es, wenn man sich meine Kolleginnen und Kollegen von der freiheitlichen Fraktion als Vorredner anhört: Wir sind die einzige Partei (Abg. Michael Hammer: Fakenewspartei, ja! FPÖ: Fakenewspartei Österreichs!), die die Bürgerrechte und die Freiheitsrechte der Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich verteidigen. (Beifall bei der FPÖ.) Schaut euch das an! Lasst uns nicht im Stich! Gemeinsam müssen wir gegen dieses System auftreten und stärker werden. (Abg. Michael Hammer: Ihr werdet nicht mehr stärker!)
Ihr denkt ja nie über unseren Plan B nach. – Bitte ein bisschen Ruhe! – Impfen, impfen, impfen, das ist das, was ihr wollt. Plan B ist rechtzeitige medizinische Behandlung. Die Zuseher vor den Bildschirmen hören das, was wir sagen, sie hören auch, wie unqualifiziert die Zwischenrufe sind. Wir sagen: Behandelt die Personen rechtzeitig medizinisch, es gibt gute Medikamente! Lasst die Leute nicht von der Polizei besuchen, sondern schaut, dass Ärzte vorbeischauen und dass medizinisch sofort eingegriffen wird – auch Vitamine nützen!
Zu Ivermectin, Kollege Kucher: Das, was du heute und hier über dieses Medikament gesagt hast, entspricht keiner Wahrheit. Erstens gibt es das Ivermectin bereits in Österreich in Form des Scabioral. Das kann man erwerben, das kann medizinisch verschrieben werden. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Zweitens, in deine Richtung: Die Weltgesundheitsorganisation hat für das Jahr 2021 eine Liste der wesentlichen Medikamente herausgegeben. (Abg. Kucher: Alles gut!) Da ist das Ivermectin zwei Mal gelistet, die Impfung übrigens überhaupt nicht.
Viel Weiteres ist noch zu sagen: Jüngst hat mich das „Profil“ verrissen. An die, die mehr Informationen seriöser Natur zu Ivermectin haben wollen: Lest den aktuellen Bericht im „Wochenblick“! (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.) Da könnt ihr das nachlesen, mir fehlt die Zeit. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: So ein Schwachsinn!)
Herr Minister, Sie schulden mir die Antwort. Sie können jetzt verzweifelt ins Handy hineinschauen, Sie schulden mir die Antwort. Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich Sie das frage: Wie können Sie eine Impfung verantworten, deren Wirksamkeit und Sicherheit – und ich wiederhole: deren Wirksamkeit und Sicherheit (Zwischenruf des Abg. Stögmüller) – gegenüber der Arzneimittelbehörde bei Moderna erst im März 2024 und bei Biontech/Pfizer erst im Juli 2024 festgestellt wird? (Der Redner stellt eine Tafel mit den Aufschriften „Die Wirksamkeit des Moderna Impfstoffs wird erst am 31.03.2024 durch die EMA bestätigt werden!“ und „Die Wirksamkeit des Pfizer/BioNTech Impfstoffs wird erst im Juli 2024 durch die EMA bestätigt werden!“ auf das Rednerpult. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)
Dann gehen die Kollegen von der grünen Fraktion her und vergleichen diese Impfung mit klinisch getesteten, erprobten Impfungen. Ihr vermischt da Äpfel und Birnen. Herr Minister, Sie schulden mir die Antwort. (Abg. Michael Hammer: Auf so einen Blödsinn antwortet niemand! – Abg. Steinacker: Nur weil man ..., weiß man nichts besser!) Sie schulden mir auch eine Antwort darauf, dass die Firma Pfizer gegenüber der Börsenaufsichtsbehörde SEC erst vor Kurzem selber zur eigenen Impfung festgestellt hat: Wir werden mit größter Wahrscheinlichkeit nie die Wirksamkeit und Sicherheit des eigenen Impfstoffes beweisen können!
Ja, Herr Minister, Sie diskutieren schon wieder mit Ihrer Kollegin. (Abg. Stögmüller: Ja, weil man so viel Blödsinn nicht verträgt!) Sie sollten einmal aufpassen. Wenn Sie schon uns nicht zuhören, geben Sie doch der Bevölkerung die Antwort, wieso Sie eine Impfung forcieren, deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht festgestellt ist (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) und für die in Europa nur eine bedingte Zulassung vorliegt! Erklären Sie der Bevölkerung, wieso Sie diese massiven Impfschäden in Kauf nehmen, Herr Minister! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „EMA-Datenbank ‚vermutete‘ Nebenwirkungen und Todesfälle in zeitlicher Nähe zur COVID-19 Impfung“ und einer Tabelle auf das Rednerpult.) Die Todesfälle (Abg. Michael Hammer: Da kann jeder etwas wissen! Wunderbar!), aktuell ausgehoben am 14. Mai: bei einer Meldequote von 6 Prozent 24 712 an die EMA gemeldete Todesfälle, in Summe 1 776 194 Fälle mit Nebenwirkungen, bei 6 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)
Das, Herr Minister, sind 27 Millionen Nebenwirkungen – und Sie sagen uns, Sie lassen sich die Impfung nicht schlechtreden? (Abg. Leichtfried: Und das allein in Österreich!)
Ja, Herr Minister, erklären Sie uns das, wieso Sie so über diese Impfung drüberfahren! Kollege Wurm hat das für Innsbruck mit internen Daten gemacht (Ruf bei der SPÖ: Die Redezeit ist aus!), ich sage Ihnen die offiziellen Daten (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der unter dem Titel „UK: COVID-19 Todesfälle Geimpft / Ungeimpft KW 9 2022 – KW 12 2022“ Prozent- und Mengenangaben zu sehen sind): Innerhalb der letzten drei Wochen im März, Herr Minister, waren in England von den 100 Prozent an Corona verstorbenen Patienten 92 Prozent voll immunisiert – 92 Prozent voll immunisierte Personen (Abg. Leichtfried: ... Kollege Hauser! ... für die nächste Rede ...!) –, und Sie sagen in unsere Richtung: Es gibt kaum Todesfälle und kaum schwere Nebenwirkungen! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)
Sie klauben schon wieder in Ihrer Mappe herum, anstatt dass Sie sich endlich einmal diese Argumente anhören. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ottenschläger und Pfurtscheller. – Ruf: Das kann man nicht anhören!) Wissen Sie, Herr Minister, mir fehlt die Zeit, und ich höre mit Prof. Radbruch auf. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der unter dem Titel „Stellungnahme Prof. Dr. Andreas Radbruch“ Zitate von Prof. Dr. Radbruch zu sehen sind.) Herr Prof. Radbruch ist im Deutschen Bundestag als Experte aufgetreten (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), und er hat mit seiner Expertise im Deutschen Bundestag – ob euch das jetzt passt oder nicht passt – wesentlich dazu beigetragen, dass der Deutsche Bundestag eine Impfpflicht abgelehnt hat. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wissen Sie, Herr Prof. Andreas Radbruch ist weltweit einer der bekanntesten Immunologen überhaupt, die es gibt. Er hat folgende Kernsätze festgestellt, und das solltet ihr euch endlich einmal in euer Stammbuch hineinschreiben – und Sie, Herr Minister, sollten zuhören und nicht so arrogant wegschauen und weghören! Passen Sie auf, was ich Ihnen jetzt von Herrn Professor Radbruch zitiere!
Er sagt Folgendes: „Wiederholtes ‚Boostern‘ sättigt das Immunsystem“ – bringt nichts. „Man hat also durch dreimaliges Boostern quasi sein ‚immunologisches Pulver verschossen‘“. Das vierte Mal, das fünfte Mal, das nützt nicht, das Immunsystem wird immer nur mehr geschädigt – das sagt ein weltweit anerkannter Immunologe –, und zum Schluss: „Eine Impfpflicht wird es erschweren, bei künftigen Infektionswellen angepasst impfend zu reagieren“.
Das betrifft die Grippe, was auch immer. Das sind die Leitsätze. Wenn Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, außer Gelächter auch ein bisschen diese Argumente ernst nehmen würden, würden Sie heute und hier dieses Impfpflichtgesetz aufheben, absetzen und endlich die Bürgerrechte freisetzen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Also das war die ... Rede dieser beiden Tage, außer der Kollege Hauser kommt noch einmal, dann kann man das nicht mit Sicherheit sagen!)
11.22
Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.
Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Frau Kollegin Belakowitsch hat mich gerade als Expertin für eh alles bezeichnet – das sei dahingestellt. Ich sage Ihnen, ich stehe hier als Risikopatientin, und deshalb bin ich, wie Milliarden andere Menschen auf dieser Welt, froh, dass es diese Impfung gibt, denn diese Impfung schützt mich und Hunderttausende andere vor einer schweren Erkrankung und vor einem Aufenthalt in der Intensivstation – Faktum. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Weil die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ immer auf dem Krätzmilben- und Pferdewurmmittel herumreiten, sei eines gesagt (Zwischenrufe bei der FPÖ): Die indische Studie, auf die Sie sich berufen, hatte 13 Probanden, und der Produzent von Ivermectin hat
sich bereits mehrmals in der Öffentlichkeit distanziert (Abg. Belakowitsch: Das glaub ich nicht ...!) und gesagt, dass Ivermectin bei Covid ein völlig untaugliches Arzneimittel ist – Punkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Es tut mir leid, mein Kollege Philip Kucher hat eine Entschuldigung eingefordert, die ist nicht gekommen. Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir sagen, dass die Impfung nützt und schützt. Das wird auch so bleiben. Ja, die Hoffnungen waren groß, dass die Infektionsketten mehr unterbrochen werden können, als es de facto war, aber Fakt ist auch, dass wie gesagt die Impfung vor einer schweren Erkrankung und Hospitalisierung schützen kann. Das betrifft vor allem ältere Menschen, und ich persönlich überlege mir auch gerade, ob ich eine vierte Impfung nehmen soll oder nicht, weil ich mich eben besser schützen möchte. (Abg. Belakowitsch: Aber freiwillig bitte!)
Was mir in der Diskussion im Laufe der Zeit so ein bisserl abhandengekommen ist, ist das, was der Minister auch erwähnt hat und was selbstverständlich auch die ExpertInnen im Expertenhearing im Gesundheitsausschuss erwähnt haben: Die Impfung wirkt deshalb so gut oder noch besser, je mehr Menschen sich impfen lassen. Es muss uns klar sein: Die Impfung ist auch ein Akt der Solidarität (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und es ist auch ganz klar, dass dieses Impfpflichtgesetz, das wir mit 80 Prozent Zustimmung hier in diesem Hohen Haus – außer dem Sektor der Freiheitlichen waren nämlich alle dafür – eingeführt haben, ein Werkzeugkoffer ist, wobei immer die Verhältnismäßigkeit und die verfassungsrechtliche Grundlage geprüft werden, und das ist auch jetzt der Fall. Das heißt, es ist kein Zwang (Abg. Belakowitsch: Sicher ist es Zwang!), es ist ein Impfpflichtgesetz, das ausgesetzt und eingesetzt werden kann, und dabei bleibt es auch. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Mein Appell an Sie – egal, welche Zettel da vorne von Herrn Kollegen Hauser hingestellt werden –: Informieren Sie sich, reden Sie mit Ihrer Hausärztin, reden Sie mit Ihrem Hausarzt, reden Sie mit Menschen, die tatsächlich Expertise haben und nicht irgendwelche ominösen Dinge aus irgendwelchen Beipackzetteln oder sonst irgendetwas herausziehen! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Wir werden im Laufe des Sommers unser Möglichstes tun, um die Bevölkerung wirklich zielgerichtet über die Sinnhaftigkeit der Impfung zu informieren. Wir hoffen, dass die Wissenschaft weiterhin derartig zügig voranschreitet, um auch den zukünftigen Varianten, die leider Gottes nach wie vor erhalten bleiben werden, dementsprechend begegnen zu können.
Ich appelliere an Sie alle – die Kollegen, die vis-à-vis sitzen, werde ich wohl ausnehmen müssen –, aber vor allem an Sie daheim: Nützen Sie die Möglichkeit, informieren Sie sich! Impfen nützt und schützt! Ich wünsche Ihnen: Bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
11.26
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich mit dem Abstimmungsvorgang fortfahren können. – Mir wird Zustimmung signalisiert. Dann gehe ich auch so vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1436 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ende der Maskenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag“.
Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII. GP) (1426 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Herr Abgeordneter Lopatka, bevor ich Ihnen das Wort erteile – Sie können am Rednerpult stehen bleiben –, begrüße ich zuerst Frau Bundesministerin Edtstadler im Hohen Haus. Ich begrüße aber auch jene Bürgerinnen und Bürger, die sich am Bürgerforum der EU-Zukunftskonferenz beteiligt haben und heute auch hier im Hohen Haus sind. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)
Herr Abgeordneter Lopatka, jetzt gelangen Sie zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Bundesministerinnen und liebe Zuseherinnen und Zuseher, die nach wie vor, auch nach drei solchen Wortmeldungen, wie wir sie vorhin von der FPÖ gehört haben, auf Sendung sind! Ja, manchmal muss man sich Eigenartiges anhören. Wir kommen aber jetzt wieder, so hoffe ich, zu einer sachlichen Debatte zurück, denn die Zukunft der Europäischen Union ist unsere gemeinsame Zukunft.
So hat es auch die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede gesehen. Sie wollte diese Konferenz zur Zukunft Europas sofort am Beginn ihrer Amtszeit mit der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt rücken, aber wie bei so vielem ist auch da Corona dazwischengekommen. In Wirklichkeit ist die Zukunftskonferenz auch ein Opfer der Coronapandemie und natürlich jetzt – vor allem, was die Aufmerksamkeit für die Zukunftskonferenz betrifft – der Invasion von Putin in der Ukraine.
800 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger – einige sind hier und werden auch am 24. Juni hier im Haus sein, um gemeinsam mit Europaabgeordneten, mit Regierungsvertretern und mit uns, den Parlamentariern, nochmals den Blick zurück zu machen, was die Zukunftskonferenz betrifft, aber auch nach vorne zu sehen, wie wir diese Ergebnisse auch nationalstaatlich weiterbehandeln können.
Die Konferenz hat dann letztendlich ein Jahr später begonnen, vieles war online. Unser Parlament hat sich intensiv eingebracht. Dafür möchte ich zu Beginn ein Danke an alle Fraktionen sagen. Alle Fraktionen waren mit Unterstützung durch die Demokratiewerkstatt bereit, mit denen, die von der Zukunft Europas am meisten betroffen sind – das sind die jungen Österreicherinnen und Österreicher –, zu arbeiten und mitzudenken.
Es sind aber nicht nur junge Österreicherinnen und Österreicher, wir wollen in Zukunft auch unsere Nachbarn des Westbalkans in der EU sehen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Frankreich – konkret unsere Kolleginnen und Kollegen vom Assemblée nationale – bereit waren, einerseits hier in Wien, andererseits aber auch in Paris mit Jugendlichen aus allen Westbalkanstaaten entsprechende Konferenzen zu machen.
Was ist bei dieser Zukunftskonferenz herausgekommen? – Eigentlich viel! Es gibt 49 Vorschläge, es gibt 200 Maßnahmen – das würde sich eine ernsthafte Weiterarbeit verdienen. Die Zukunftskonferenz schlägt nämlich unter anderem vor, das Prinzip der Einstimmigkeit in vielen Politikfeldern abzuschaffen. Das ist ein wesentlicher Schritt, wenn man eine stärkere Europäische Union will, denn wir erleben gerade in der Außenpolitik oft mit, dass ein Staat alles verhindern kann. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Zuletzt war es immer wieder Ungarn, es könnte aber auch Malta sein, wer auch immer. Es ist schade, wenn nur ein Staat eine Weiterentwicklung, ein rasches Handeln bremsen oder blockieren kann.
Man will von diesem Einstimmigkeitsprinzip abgehen, man will dieses Prinzip nur in wenigen Bereichen – wie bei der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten oder bei Änderungen der Grundprinzipien der Europäischen Union – beibehalten. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Es gibt auch Punkte, bei denen ich skeptisch bin, wie bei der Schuldenaufnahme. In der Ausnahmesituation bei Corona habe ich das eingesehen, aber ich bin sehr skeptisch, dass es in Zukunft leichter möglich sein soll, Schulden zu machen.
Der entscheidende Punkt ist: Was machen wir mit den Ergebnissen der Zukunftskonferenz? Wir wissen, dass wir bei den großen Fragen eine stärkere Europäische Union brauchen: Klimawandel, Friedenssicherung, Sicherung der Welternährung – erst gestern hat UN-Generalsekretär Guterres sagen müssen, die Zahl der Menschen, die hungern, die furchtbar hungern, ist von 130 Millionen auf 270 Millionen angestiegen –, die Migrationskrise und – um zum Schluss auch ein positives Thema zu erwähnen – die Digitalisierung. All das kann nationalstaatlich nicht erledigt werden. Ja, wir brauchen da zweifelsohne eine Weiterentwicklung der Europäischen Union. Um unseren Wohlstand zu sichern, brauchen wir gemeinsame Investitionen in Forschung, in Entwicklung. Zweifelsohne brauchen wir ein gemeinsames Vorgehen, wollen wir unsere Außengrenzen sichern, wollen wir den Frieden in Europa halten, wollen wir eine an Werten orientierte gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. Ja, da gibt es vieles, bei dem es einen Mehrwert der EU gibt.
Auf der anderen Seite sage ich auch, die Europäische Union muss sich auf die großen Aufgaben konzentrieren. Ich halte wenig davon, wenn sich die Europäische Union in anderen Bereichen in innerstaatliche Angelegenheiten einmengt. Wovon rede ich? – In der Sozialpolitik (Zwischenruf der Abg. Steger), der Familienpolitik, der Arbeitsmarktpolitik sehe ich erhebliche Spaltungspotenziale und die Probleme als größer als den gemeinsamen Mehrwert an.
Ich glaube, die Europäische Union funktioniert dann, wenn sie sich auf ihre Grundprinzipien besinnt. Ein Grundprinzip ist die Subsidiarität und die Eigenverantwortung der Nationalstaaten. Das ist kein Widerspruch! In den großen Sachen brauchen wir mehr Europa, in anderen Angelegenheiten spielen nach wie vor wir als nationalstaatliche Parlamente (Zwischenruf der Abg. Steger), unsere Regierungen eine ganz wesentliche Rolle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, sich im Rahmen des Folgeprozesses zur Zukunftskonferenz dafür einzusetzen, dass die EU-Institutionen den Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger rasch durch konkrete Reform- und Gesetzinitiativen nachkommen.
Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, für den Fall, dass der Folgeprozess zu den Ergebnissen der Zukunftskonferenz in die Einberufung eines europäischen Konvents zur Reform der EU münden sollte, eine aktive Rolle in ebendiesem einzunehmen sowie sich im Rahmen etwaiger Verhandlungen zur Ausgestaltung eines Konvents dafür einzusetzen, dass eine Teilnahme aller Fraktionen des österreichischen Parlaments ermöglicht wird“.
*****
So sind wir, echte Demokraten: Alle Fraktionen, auch Freiheitliche, bei all ihrer Kritik, sollen dabei sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
11.35
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA
Kolleginnen und Kollegen
betreffend Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas
eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 2 Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best pratices on communication (85342/EU XXVII.GP) (1426 d.B.)
Die von der EU im Mai 2021 initiierte „Konferenz zur Zukunft Europas“, der größte Bürgerdialog zur Weiterentwicklung der Europäischen Union, fand am 9. Mai 2022 in Straßburg ihren Abschluss. Die Konferenz bot den Bürgerinnen und Bürgern in der EU in dialogorientierten Foren die Möglichkeit, ihre Empfehlungen hinsichtlich brennender Zukunftsfragen und der Bewältigung interner und externer Herausforderungen der Union zu formulieren und gemeinsam mit den EU-Institutionen, den nationalen Parlamenten sowie Sozialpartnern Ideen zur Weiterentwicklung der EU zu erarbeiten. Im Verlauf der Konferenz fanden zahlreiche Diskussionsveranstaltungen und Austauschformate in allen 27 EU Mitgliedstaaten, darunter auch in Österreich, statt. Auf der mehrsprachigen digitalen Plattform der Zukunftskonferenz wurden mehr als 16.000 Ideen eingebracht.
Auch den nationalen Parlamenten bot die Konferenz die Möglichkeit, an diesem europapolitischen Reflexionsprozess mitzuwirken. Das österreichische Parlament war mit vier Vertreterinnen und Vertretern in vier von insgesamt neun Arbeitsgruppen der Plenarversammlung der Konferenz zu den Themen Klimawandel und Umwelt, Gesundheit, stärkere Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze, EU in der Welt, Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Digitaler Wandel, Europäische Demokratie, Migration sowie Bildung, Kultur, Jugend und Sport vertreten. Die 49 konkreten Vorschläge der neun Arbeitsgruppen, erarbeitet auf Grundlage der Anregungen aus den Bürgerforen und der digitalen Plattform, wurden am 30. April 2022 in der Plenarversammlung der Konferenz angenommen und der Endbericht1 am 9. Mai 2022 feierlich den Präsidentinnen und dem Präsidenten der drei EU-Institutionen übergeben.
Im österreichischen Parlament fand ein permanenter Austausch unter allen fünf Parlamentsfraktionen zum Fortgang der Zukunftskonferenz statt. Alle Fraktionen haben sich u.a. unter Einbindung von und im Austausch mit Schülerinnen und Schülern sowie Lehrlingen in die Debatte der Zukunftskonferenz eingebracht. So wurden zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 fünf Veranstaltungen mit Jugendlichen in Kooperation mit der Demokratiewerkstatt des Parlaments zu je einem der neun Themenkreise der Arbeitsgruppen der Plenarversammlung abgehalten. Jugendliche aus Westbalkanstaaten erhielten in zwei Diskussionsveranstaltungen im österreichischen Nationalrat und in der französischen Assemblée Nationale die Möglichkeit, sich mit österreichischen und französischen Jugendlichen sowie mit Mitgliedern der jeweiligen EU-Ausschüsse über die Zukunft Europas auszutauschen und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen.
Es ist nun wichtig, dass den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die EU und den von ihnen erarbeiteten Vorschlägen in der Zukunftskonferenz im Rahmen deren Umsetzbarkeit Rechnung getragen wird. Dies bedarf ambitionierter Reformen und konkreter Gesetzesinitiativen in wichtigen Politikbereichen der EU. Die Umsetzung der Vorschläge im Rahmen ihrer Machbarkeit ist nicht nur für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union als Ganzes, sondern auch für ihre zukünftige Handlungsfähigkeit vor dem Hintergrund der bestehenden und künftigen länderübergreifenden Herausforderungen ausschlaggebend.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird ersucht, sich im Rahmen des Folgeprozesses zur Zukunftskonferenz dafür einzusetzen, dass die EU-Institutionen den Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger rasch durch konkrete Reform- und Gesetzinitiativen nachkommen.
Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, für den Fall, dass der Folgeprozess zu den Ergebnissen der Zukunftskonferenz in die Einberufung eines europäischen Konvents zur Reform der EU münden sollte, eine aktive Rolle in ebendiesem einzunehmen sowie sich im Rahmen etwaiger Verhandlungen zur Ausgestaltung eines Konvents dafür einzusetzen, dass eine Teilnahme aller Fraktionen des österreichischen Parlaments ermöglicht wird“.
1 https://futureu.europa.eu/pages/reporting
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner. – Bitte.
Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! In der zweiten Rede zur Lage der Nation von Kommissionspräsidentin von der Leyen hat sie ganz klar eines in den Raum gestellt: Es braucht mehr Zusammenhalt in Europa, es braucht mehr Europa und vor allem ein gemeinsames Europa.
Die Coronakrise hat uns besonders vor Augen geführt, wie schnell dieser Zusammenhalt und diese Gemeinsamkeit zurückgebaut werden können – mit Grenzkontrollen, mit Maskenlieferungen, die nicht weitergeführt worden sind. In einer globalen Krise, egal welche
es ist, gibt es keine andere Lösung als einen gemeinsamen Weg, eine europäische Lösung, dass alle an einem Strang ziehen. Dieser gemeinsame Weg ist aber nur so gut ausgebaut, so gut wir auch wirklich zusammenarbeiten – auch im Rahmen dieser Zukunftskonferenz.
Wie schaffen wir ein faires und gerechtes Europa? – Da unterscheide ich mich ein bisschen von Herrn Kollegen Lopatka, denn wir sagen schon ganz klar: Der Weg muss zu einer Sozialunion führen (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Abg. Steger), der Weg muss in die Richtung führen, dass Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte in der gesamten Europäischen Union nicht beschnitten werden dürfen, auch wenn es um gleichen Lohn für gleiche Arbeit geht, wenn es darum geht, wie wir mit Erntehelferinnen und Erntehelfern umgehen, wenn wir darüber reden, ob die Familienbeihilfe für alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger gleich ausbezahlt oder indexiert wird – das lehnen wir ab. Es ist gut, dass auch die Indexierung der Familienbeihilfe jetzt vor europäischen Gerichten liegt und hohe Strafen im Raum stehen, denn dieses Projekt der damaligen türkis-blauen Bundesregierung war von Anfang an europarechtswidrig und ein rückwärtsgewandtes Projekt. Es ist gut, dass die Gerichte das klären. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)
Für uns ist auch klar: Die Einstimmigkeit in manchen Bereichen ist hinderlich, wenn wir über ein gemeinsames Europa reden, wenn wir von einer gemeinsamen Zukunft sprechen. Die Einstimmigkeit muss deshalb auch infrage gestellt werden. Wir wollen eine solidarische Steuer- und Sozialunion, die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte schützt und stärkt. (Zwischenruf der Abg. Steger.)
Wir wollen aber auch eine Europäische Union, die wächst und gemeinsam steht. Der Westbalkan ist schon angesprochen worden: Österreich war immer Bündnispartnerin für die Staaten am Westbalkan. Österreich war immer Bündnispartnerin, und viele Länder haben dort schon Reformen umgesetzt. Wir müssen das nicht nur anerkennen, sondern wir müssen aktiv die Hand reichen, denn wenn wir als Europäische Union es nicht tun, sind andere vor Ort, die diese Länder auf ihre Seite ziehen. Ich glaube, es ist wichtig, den Westbalkan in einer europäischen Zukunft, in einer europäischen Vision mitzudenken und mitzubehandeln. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Vieles davon ist im Prozess der Zukunftskonferenz auch diskutiert und besprochen worden. Es waren vor allem die BürgerInnenforen, junge Menschen, die sich aktiv eingebracht haben, es waren europäische Initiativen und Organisationen. All diese haben den Dialog in den Vordergrund gestellt und auch Themen eingebracht, Vorschläge bei der Onlineplattform gemacht – auch wir als Parlament. Wir haben mit vielen jungen Menschen die unterschiedlichen Themenbereiche diskutiert: soziale Dimension, digitale Transformation, Klimaschutz, aber natürlich auch Demokratie und Rechtsstaat. Diese Thesen der jungen Menschen haben wir herangezogen und wiederum auch als Position des österreichischen Parlaments eingemeldet. Ich glaube, das war eine gute und richtige Stoßrichtung.
An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, die uns in diesem Prozess der Zukunftskonferenz so maßgeblich unterstützt haben; auch an unsere Klubmitarbeiterinnen und Klubmitarbeiter und die Demokratiewerkstatt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Dieser Prozess wäre nämlich ohne sie nicht so gut über die Bühne gegangen, das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen.
Ich glaube, am Ende des Prozesses zur Zukunftskonferenz ist es wichtig, dass diese Vorschläge nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wir dürfen die Menschen, die sich daran beteiligt haben – ob das Sozialpartnerinnen, Sozialpartner, Nationalstaaten, EU-Institutionen oder eben die Bürgerinnen und Bürger waren –, nicht enttäuschen. Wir
müssen weiterhin dranbleiben und offen für alles sein, für alles, was kommt, alles, was diesen Prozess weiterhin noch anstoßen soll und möchte.
Es geht aber nicht nur darum, Menschen nicht zu enttäuschen, sondern es geht auch darum, den Feindinnen und Feinden von Europa keinen Fußbreit zu bieten, jenen keinen Fußbreit zu lassen, die die Europäische Union massiv kritisieren, sie nicht nur skeptisch sehen, sondern auch abschaffen wollen und sie kontinuierlich diskreditieren. Wie gesagt, die Zukunft von Europa kann nur gemeinsam gelingen, das ist wichtig. Deshalb – Quo vadis, Europa? –: Lassen wir diese Vorschläge zur Zukunftskonferenz nicht ungelesen und arbeiten wir weiterhin gemeinsam daran! Schauen wir, wo sie verortet sind – auf nationalstaatlicher Ebene, auf europapolitischer Ebene – und arbeiten wir gemeinsam daran: weniger Klein-Klein und mehr gemeinsame Visionen für die Europäische Union! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jeitler-Cincelli, Brandstätter und Scherak.)
11.41
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.
Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vor allem sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Sie werden es wahrscheinlich nicht mitbekommen haben: In den vergangenen Monaten fand die sogenannte EU-Zukunftskonferenz statt, der angeblich größte Bürgerbeteiligungsprozess in der Geschichte der EU, dessen Ergebnis nun ein umfassender Forderungskatalog ist, den jetzt alle anderen Parteien in diesem Haus umsetzen wollen.
Ein großer Bürgerbeteiligungsprozess, von dem nur leider in Österreich kaum ein Bürger überhaupt irgendetwas mitbekommen hat. Werte Kollegen, weil Sie immer die Bedeutung dieser EU-Zukunftskonferenz hervorheben und daraus auch einen Auftrag ableiten wollen: Gehen Sie einmal hinaus! Sprechen Sie mit der österreichischen Bevölkerung! Gehen Sie auf die Straße und fragen Sie einmal nach, wer überhaupt weiß, was die EU-Zukunftskonferenz ist! Gehen Sie dem einmal nach und fragen Sie, ob die Bevölkerung diese Forderungen überhaupt haben will! Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie das tun würden, dann müssten Sie mit all diesen Forderungen genau eines machen: sie wegschmeißen (Ruf bei der ÖVP: Unerhört!); denn genau so ist die Zustimmung der Bevölkerung dazu. Dieses Ergebnis ist für den Willen der österreichischen Bevölkerung nämlich gar nicht repräsentativ, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Zukunftskonferenz war von Beginn an auch organisatorisch die reinste Farce. Sie war unkoordiniert, unprofessionell, das Ganze war für die Europäische Union richtiggehend peinlich, dagegen war das Kaufhaus Österreich noch ein voller Erfolg. Die Bürgerbeteiligung war so gewaltig, dass nur rund 800 Bürger mitmachen durften, insgesamt über verschiedene Plattformen nur rund 53 000, das sind 0,01 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung, und das ist die Legitimation für diese Forderung!
Natürlich wurde das alles unter fachkundiger Anleitung der Eurokraten und sogar einiger EU-Faktenchecker begleitet, um ja sicherzugehen, dass die Forderungen der Bürger nur ja EU-konform sind. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist kein Bürgerbeteiligungsprozess, das ist ein reiner Show-Bürgerbeteiligungsprozess. (Beifall bei der FPÖ.) Da hat man Mitbestimmung simuliert, eine große Show aufgezogen und am Ende ist genau das rausgekommen, was eh schon von Anfang an feststand, nämlich: mehr EU, noch mehr EU und noch mehr EU, mehr an Zentralismus, noch mehr an Bürokratie, noch weniger an Souveränität für die Mitgliedstaaten und damit noch weniger Mitspracherecht der Bürger.
Das war nichts anderes als eine pseudodemokratische Veranstaltung, die einer weiteren Zentralisierung Legitimation verschaffen sollte – ein weiterer großer Schritt in Richtung
Ziel einer Staatswerdung der Europäischen Union, und dazu gibt es von uns, sehr geehrte Damen und Herren, ein klares Nein. (Beifall bei der FPÖ.)
Wenn ich mir diesen Forderungskatalog anschaue, macht es mich teilweise wirklich fassungslos, dass alle anderen Parteien nicht nur im EU-Parlament einer raschen Umsetzung dieser Forderungen zugestimmt haben, sondern auch noch hier im Parlament einen Antrag einbringen, um genau diese rasche Umsetzung zu fordern. Also ich bin ja von Ihnen schon einiges an Österreichvergessenheit gewohnt, aber da frage ich mich schon, ob Sie alle diese Forderungen wirklich im Detail durchgelesen haben, ob Sie überhaupt wissen, was da drinnen steht.
Da steht drinnen: Vergemeinschaftung des Gesundheitssystems, noch mehr Kompetenzen für die EU, mehr Kompetenzen für das EU-Parlament, europäische Wahllisten, damit die Abgeordneten nur ja keinem Nationalstaat mehr verpflichtet sind, bis hin zu mehr legaler Migration und einem Asylsystem mit verpflichtenden Flüchtlingsumverteilungsquoten. Es wird auch gefordert, den Konditionalitätsmechanismus auszuweiten, um aufmüpfige Staaten wie Ungarn noch leichter und besser bestrafen zu können, und – jetzt aufpassen! – es werden auch dauerhaft gemeinsame EU-Schulden gefordert, damit wir noch mehr für marode Staaten zahlen und haften dürfen, weg von Österreich umverteilen, nur immer zulasten der österreichischen Steuerzahler. Natürlich wird auch ein eigener EU-Haushalt mit eigenen europäischen Steuern gefordert, um direkt in die Tasche der Bürger in Österreich greifen zu können.
Vor allem, das ist der wesentliche Punkt, soll endlich dieses lästige Einstimmigkeitsprinzip fallen. Dann könnte Österreich genau gar nichts mehr mitreden, dann sind wir Brüssel vollkommen ausgeliefert, dann entscheiden die Staaten mit Mehrheit über den Kopf von Österreich hinweg. So schnell können Sie dann gar nicht schauen, schon haben wir eine Zwangsverteilung von Flüchtlingen, schon haben wir ein Öl- und Gasembargo, was ein wirtschaftlicher Selbstmord für Österreich wäre. Nicht dass das die anderen Parteien hier stören würde, denn die haben im EU-Parlament sowieso auch für ein Öl- und Gasembargo gestimmt.
Also kurz gesagt: Dieser lange Forderungskatalog liest sich, als wäre er eine Wunschliste der EU-Zentralisten. Er würde nichts anderes als eine Entmündigung der Mitgliedstaaten bedeuten. Damit soll die Europäische Union endlich zu einem EU-Staat entwickelt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Für uns ist das eine gefährliche Bedrohung für Österreich und ein Großangriff auf unsere Unabhängigkeit. Und dann fragen Sie mich auch noch allen Ernstes, ob ich, ob wir bei diesem Antrag mit dabei sein wollen? – Also nein, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und den anderen Parteien, wir haben nicht vergessen, auf welche Verfassung wir angelobt und wem wir verpflichtet sind.
Das Gute ist, für die Umsetzung dieser Forderung braucht es einen EU-Konvent. Notwendig dafür wäre eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, und bereits 13 Staaten haben sich gegen solch einen Konvent ausgesprochen, jetzt bräuchte es nur noch einen Staat. Das heißt, Österreich hätte es in der Hand, diesen Konvent zu verhindern und damit auch die Umsetzung dieser Reihe an wirklich unerträglichen Forderungen. Wir könnten dem eine klare Absage erteilen.
Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Konvent zur Umsetzung der Forderungen der ‚Konferenz zur Zukunft Europas‘ ist deswegen abzulehnen."
*****
Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben heute die Möglichkeit, mit Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag doch noch zu zeigen, dass Ihnen die österreichische Bevölkerung nicht völlig egal ist. Erteilen Sie diesem Zukunftskonvent eine klare Absage und schützen Sie damit Österreich vor den Zentralisierungsfantasien Brüssels! (Beifall bei der FPÖ.)
11.47
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Petra Steger
und weiterer Abgeordneter
betreffend Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips
eingebracht in der 158. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. Mai 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 2, Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII. GP) (1426 d.B.)
Die Europäische Union unternimmt regelmäßig Versuche, das ihr immanente Demokratiedefizit mittels Instrumenten der Schein-Partizipation zu kaschieren. Das neueste diesbezügliche Experiment, die „Konferenz zur Zukunft Europas“, hat allerdings mit ihrem Abschlussbericht des Pudels Kern offenbart: Herausgekommen ist ein Forderungskatalog der Zentralisten, welche die Mitgliedstaaten weiter entmachten und einen europäischen Bundesstaat errichten wollen.
Selbst die sicherlich nicht als EU-kritisch einzustufende Süddeutsche Zeitung fasst die Ergebnisse der Konferenz folgendermaßen zusammen: „In weiten Teilen liest sich das Dokument so, als hätten es die großen Fraktionen des EU-Parlaments allein verfasst - ohne die Kommission und vor allem ohne die Mitgliedstaaten“ (Süddeutsche Zeitung 30.04.2022: Eine Konferenz, die Europa verändern will).
Neben einer umfassenden Kompetenzverschiebung nach Brüssel, fordert der Abschlussbericht auch das Ende des Einstimmigkeitsprinzips ein. Wortwörtlich führt der Abschlussbericht an: „Alle Angelegenheiten, die bislang einstimmig beschlossen werden müssen, sollten künftig mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Die einzigen Ausnahmen sollten die Aufnahme neuer Mitglieder in die EU und Änderungen an den Grundprinzipien der EU sein“ (Konferenz zur Zukunft Europas. Bericht über das endgültige Ergebnis 2022: S. 90). Eine derartige Reform hätte zur Folge, dass kein einzelner Mitgliedstaat in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, sowie in Angelegenheiten der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik, nationalstaatliche Interessen vor Schnellschüssen der Europäischen Union bewahren könnte. Ein Öl- und Gas-Embargo gegen die Russische Föderation wäre unter diesen Voraussetzungen wohl schon längst beschlossene Sache, auch wenn aufgrund dieser Sanktionierung der österreichischen Industrie die Lichter ausgehen würden und hierzulande Massenarbeitslosigkeit eine weitere Folge wäre. Für Sanktionen gegen einen einzelnen EU-Mitgliedstaat wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit wäre künftig ebenfalls keine Einstimmigkeit mehr erforderlich.
Der Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips würde die tatsächlich demokratisch legitimierten Entscheidungsträger in Europa – nämlich die Regierungen der Nationalstaaten – in unverantwortlichem Ausmaß schwächen. Demokratische Wahlen in den Mitgliedstaaten würden dadurch ebenfalls entwertet werden. Denn zum einen müsste der Bürger eines Mitgliedstaates hinkünftig bei nationalen Wahlen mit dem Wissen seine Stimme abgeben, dass die von ihm gewählten Vertreter im Zweifel machtlos und nicht in der Lage wären, die Interessen der Bevölkerung auf europäischer Ebene zu schützen. Zum anderen wären auch die gewählten Repräsentanten außerstande, gegenüber ihrer Bevölkerung Wahlversprechen einzuhalten, sofern diese den Brüsseler Zentralisten nicht genehm sind.
Das Ende des Einstimmigkeitsprinzips würde folgerichtig der Demokratie in Europa einen herben Schlag versetzen. Jede demokratisch legitimierte Regierung eines EU-Mitgliedstaats muss primär den Anliegen und Sorgen seiner Bürger entsprechen, gegebenenfalls dieser Verpflichtung mittels der Nutzung seines nationalen Vetos auf europäischer Ebene gerecht werden können. Vor allem kleine Mitgliedstaaten, wie Österreich, wären ohne dem Einstimmigkeitsprinzip jedweder Möglichkeit beraubt, in entscheidenden Politikbereichen im Interesse der eigenen Bevölkerung einen Einspruch zu erheben. Die Missachtung der verfassungsrechtlich verankerten Neutralität Österreichs durch die schwarz-grüne Bundesregierung im Zuge des Krieges in der Ukraine hat vor Augen geführt, wie schnell EU-Hörigkeit dazu führen kann, Grundprinzipien des eigenen Staates zu untergraben. Derartigen Tendenzen muss entgegengewirkt werden, indem eine weitere Aushöhlung der nationalstaatlichen Souveränität unterbunden wird.
Wer ein Ende der Einstimmigkeit fordert, kann nicht die Interessen der Österreicher und Österreicherinnen vertreten, sondern nur jene der EU-Zentralisten. Es ist bezeichnend, dass im Europäischen Parlament die Vertreter der ÖVP, der SPÖ, der Grünen und der Neos die Ergebnisse der Konferenz und eine Änderung der EU-Verträge zur Erleichterung der Umsetzung der Vorschläge befürworteten. Das Europäische Parlament forderte außerdem den Ausschuss für konstitutionelle Fragen auf, Vorschläge für eine Reform der EU-Verträge auszuarbeiten. Dies würde im Rahmen eines Konvents gemäß Artikel 48 des Vertrages über die Europäische Union geschehen. Zur Einsetzung eines Konvents bedarf es allerdings einer einfachen Mehrheit im Rat, folgerichtig der Zustimmung von 14 Regierungen.
Es ist in diesem Kontext erwähnenswert, dass sich bereits 13 EU-Mitgliedstaaten gegen einen Verfassungskonvent ausgesprochen haben, nämlich Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien und Schweden. Würde Österreich den gleichen Mut wie diese Länder aufbringen, wäre ein möglicher Verfassungskonvent zur Umsetzung der Forderungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ frühzeitig Geschichte. Die schwarz-grüne Bundesregierung ist bedauerlicherweise in solch hohem Ausmaß in ihrer Brüssel-Hörigkeit gefangen, dass sie es bisher unterließ, diesen Schritt zu setzen. Obwohl die Vorschläge, welche dem Konvent zugrunde liegen sollen, den Interessen Österreichs zutiefst widersprechen, ist die Bundesregierung unter Karl Nehammer nicht gewillt oder in der Lage, es den anderen 13 Mitgliedstaaten gleichzutun und die Idee eines Konvents zu missbilligen. Ein derart mutloses Agieren auf europäischer Ebene kann einer gewissenhaften Repräsentation österreichischer Interessen nicht gerecht werden. Im Gegenteil: Nur wer die Interessen seines Landes und seiner Bürger glaubhaft und beherzt vertritt, kann sich gegen die Agenda der EU-Zentralisten behaupten. In diesem Sinne sollte die österreichische Bundesregierung dem geplanten Konvent eine glasklare Absage erteilen!
Europa benötigt keine immer mehr Kompetenzen an sich ziehende Europäische Union, sondern soll ein Verbund freier Völker und selbstbestimmter Vaterländer sein. Die Wahrung der Demokratie in Europa obliegt den Nationalstaaten, deren gewählte Repräsentanten
sich vor ihrem Wahlvolk für ihre Entscheidungen – auch im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union – zu rechtfertigen haben. Weitere Kompetenzverschiebungen weg von den Mitgliedstaaten und hin zur Europäischen Kommission sind abzulehnen. Die von der schwarz-grünen Bundesregierung torpedierte, verfassungsrechtlich verankerte Neutralität Österreichs muss im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wiederhergestellt werden.
Eine Reform der EU-Verträge würde das Leben aller Österreicher und Österreicherinnen in hohem Ausmaß beeinträchtigen. Deshalb sollen auch die österreichischen Staatsbürger darüber entscheiden, ob und in welcher Ausgestaltung sie eine Reform der EU-Verträge wünschen. Die österreichische Bundesregierung hat folgerichtig eine Zustimmung zu einer allfälligen Reform der EU-Verträge davon abhängig zu machen, inwiefern sich die österreichischen Bürger vorab in einer verbindlichen Volksabstimmung für ebendiese aussprechen. Eine derartige Vorgehensweise würde einer wahrhaftig demokratischen Legitimation entsprechen und keiner Schein-Partizipation von vermeintlich zufällig ausgewählten 800 Personen, welche gerade einmal 0,00017897 Prozent der Bevölkerungen der EU-Mitgliedstaaten ausmachen.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Konvent zur Umsetzung der Forderungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ ist deswegen abzulehnen.“
*****
Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.
Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)
Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete Steger, ich verstehe schon, dass Sie bei dem Thema hochgradig nervös werden und sich da so reinreden. Da haben 53 000 BürgerInnen aus ganz Europa darüber diskutiert, wie sie Europa gerne hätten, und genau nichts davon ist so, wie es die FPÖ gerne hätte. Sie haben für Ihre Europapolitik null, null Rückhalt in der europäischen Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)
Ich verstehe schon, dass Sie da die Nerven ein bisschen wegschmeißen und das Ganze schlechtreden und kaputtreden (Abg. Steger: Dann lassen Sie die österreichische Bevölkerung darüber abstimmen, dann werden ...!), aber Tatsache ist, dass dies einer der größten und breitest aufgesetzten Diskussionsprozesse – 53 000 BürgerInnen, reden Sie das klein – gewesen ist. Sich dann noch als Vertreterin der Bevölkerung hinzustellen, das geht nicht.
Sie fragen, was die Bevölkerung draußen mitgekriegt hat und ob wir rausgegangen sind. Ich sage Ihnen etwas: Ich bin allein in diesem Monat bei zwölf Abendveranstaltungen, um Europapolitik mit BürgerInnen zu diskutieren. Wie viel diskutieren Sie? Sie regen sich
auf, dass die BürgerInnen nichts über Europa wissen. – Arbeiten Sie etwas, machen Sie etwas! Gehen Sie raus und erzählen Sie einmal etwas über Europa! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.) Typisch FPÖ: nichts hackeln, herstellen und schimpfen. – Aber gut, reden wir über den Inhalt.
Diese Konferenz habe auch ich von Anfang an ein bisschen kritisch gesehen, denn wenn lange diskutiert wird, große Inhalte diskutiert werden und etwas Großes rauskommen soll, dann muss, wenn man bei Bürgerinnen und Bürgern Erwartungen weckt, am Schluss auch etwas umgesetzt werden. Da war ich mir nicht sicher und bin ich mir bis jetzt nicht sicher, wie gut das ausgehen wird.
Das Ergebnis als solches, muss ich sagen, hat meine Erwartungen übertroffen. Das Programm, die Vorschläge, die gemacht wurden, sind gut und teilweise sogar extrem gut. In manchen Bereichen habe ich das Gefühl, da ist von Rat, Kommission und Europaparlament gemeinsam fast ein grünes Parteiprogramm beschlossen worden.
Das erstaunt mich dann doch, und da frage ich mich, wie wir da jetzt weiter vorgehen.
Da sitzt immerhin eine Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen und beschließt zum Beispiel, dass wir ein ökologisches Europa haben wollen. Europa soll Vorreiterin in der Klimapolitik sein, im Artenschutz, bei der Biodiversität, beim Umweltschutz, Fischereischutz und so weiter.
Machen wir es doch! Wenn wir uns hinstellen und auf dem Papier festhalten, dass wir als Europa in all diesen Bereichen führend sein wollen: Warum stellen sich dann dieselben Mehrheiten hin und schaffen die Biodiversitätszonen in der Landwirtschaft bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ab? – Es wäre doch schön, wenn man genau das tut, was man beschlossen hat, und die Gelegenheit dazu ergibt sich in den nächsten Monaten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es ist in vielen Bereichen ein soziales Europa beschlossen worden. Es wurde gesagt, man wolle, dass Europa sozialer, gleicher und gerechter wird, das sagen dieselben Mehrheiten. Niemand sagt, dass Europa auseinanderklaffen soll, ungerechter werden soll, die Steuerflucht zunehmen soll, die Korruption zunehmen soll, niemand sagt das – dann arbeiten wir doch in die Gegenrichtung!
Ich glaube auch, dass man da doch sehr gut wirtschaftsliberale und sozialdemokratische, soziale, grüne Positionen verbinden kann. Wenn wir alle nicht wollen, dass es einen Wettbewerb um niedrigere Löhne gibt, um Standorte, die sich gegenseitig bei solchen Standards unterbieten, dann heben wir doch diese in Europa gemeinsam an!
Errichten wir eine Sozialunion, führen wir einen Wettbewerb um die besten Köpfe, um die besten Produktionstechnologien, um die besten, modernsten Zukunftsvisionen! Machen wir das doch alle gemeinsam, ich glaube, das geht sich aus, von wirtschaftspolitisch liberal bis links. So etwas sollten wir gemeinsam ankurbeln, wir, die wir für Europa sind. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)
Es ist nicht nur darüber gesprochen worden, welche Politik man machen soll, sondern auch, wie man sie machen soll – demokratiepolitische Maßnahmen, Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips und so weiter –, und da werden wir liefern müssen.
Gerade Österreich, das sich sehr für die Länder am Westbalkan eingesetzt hat und diese näher an Europa heranführen sollte, wird auch deutlich sagen müssen: Diese Union mit 27 Mitgliedern ist doch schon jetzt schwer zu regieren, es ist schwer, etwas voranzubringen, und wenn wir sie erweitern wollen, wenn wir Osteuropa, den Westbalkan an die EU heranführen wollen, dann müssen auch wir uns demokratiepolitisch bewegen. Wir müssen moderner werden, schlagkräftiger werden, einsatzfähiger werden. Österreich sollte sich dafür einsetzen, und es ist eher beschämend, dass 13 Länder sich schon von vornherein dagegen aussprechen.
Ein letzter Punkt: Die Bürgerinnen und Bürger haben in ihrem Beschluss acht Punkte zusammengefasst, die sie den Regierungen, dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission mit auf den Weg gegeben haben. Wenn ich mir diese acht Punkte ansehe, muss ich sagen, wir sollten das als Arbeitsprogramm für uns nehmen.
Sie fordern als ersten Punkt Solidarität und soziale Gerechtigkeit. So wie ich es vorhin gesagt habe: Wir sollten wirklich an einer Sozialunion arbeiten. Sie fordern tatkräftige und rasch handelnde Umwelt- und Klimapolitik und dass Europa in diesem Bereich die Führung übernimmt – darauf haben wir uns geeinigt. Sie fordern mehr Demokratie, wir haben es vorhin erwähnt. Sie fordern mehr Europa: mehr Zusammenwachsen und mehr Binnenmarkt, nicht weniger – kein Auseinanderdriften und kein Zurück zu den Nationalstaaten.
Sie fordern ein Europa, das auf Werten basiert. Der Kampf gegen Korruption, mehr Demokratie, gleicher Zugang zu Gesundheit und ein menschlicher Umgang mit MigrantInnen gehören zu diesen Werten, die da aufgezählt werden. Sie fordern mehr Bildung in der Europäischen Union. Als letzten Punkt fordern sie, dass Europa bekannter gemacht wird und man mehr um Europa kämpft.
Vielleicht denken die Freiheitlichen noch einmal darüber nach, ob sie nicht doch zu den Leuten hinausgehen und dort etwas arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)
11.53
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin Gewessler! Frau Bundesministerin Edtstadler! Sowohl die EU-Zukunftskonferenz als auch die Debatte, die wir hier jetzt führen, zeigen, dass es sehr viele unterschiedliche Zugänge zu Europa gibt. Viele unterschiedliche Vorschläge wurden während der Zukunftskonferenz gemacht – und auch jetzt hier –, die ich persönlich wahrscheinlich nicht alle teile.
Es zeigt auch – und ich halte es auch für essenziell, dass man das anspricht –, dass die große Vision, die die Zukunftskonferenz eigentlich bringen sollte, wahrscheinlich nicht so funktioniert hat. Das hat viel mit Corona zu tun, glaube ich, es hat wahrscheinlich auch viel damit zu tun, wie der Prozess aufgesetzt war. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, dass man über die Ergebnisse ernsthaft diskutiert.
Frau Kollegin Steger, bei all der Unterschiedlichkeit, die ja in der Herangehensweise auch zwischen den anderen Fraktionen besteht, muss man sich doch Ihre populistische Argumentation einmal vor Augen führen und sie auch gewissermaßen entlarven. Was Sie hier gesagt haben, widerspricht sich in Wirklichkeit nämlich die ganze Zeit selbst. Sie stellen sich ans Rednerpult und sagen, die Zukunftskonferenz sei quasi ein Fail, weil nur 53 000 Leute mitgemacht hätten, und das, was herausgekommen ist, entspreche nicht dem, was Sie sich wünschen. (Zwischenruf der Abg. Steger.)
Frau Kollegin Steger, es wäre Ihnen doch ein Leichtes gewesen, dass Sie, wenn nur 53 000 Leute mitmachen, ein paar Tausend Ihrer Anhänger dazu motivieren, dort mitzumachen – dann wäre das herausgekommen, was Sie gewollt hätten, und nicht das, was die wollen, die mitgemacht haben! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Das Argument, das Sie gebracht haben, Frau Kollegin Steger, ist in etwa so wie in folgendem theoretischen Beispiel: Wir stimmen hier dann über einen Antrag ab, die FPÖ
verlässt geschlossen den Raum – und beschwert sich danach darüber, dass er einstimmig angenommen wurde! (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)
Demokratie lebt auch davon, dass man teilnimmt, dass man Partizipation lebt, dass man, wie Kollege Reimon gesagt hat, mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Wenn Sie nicht in der Lage sind, Ihre Ideen zu vermitteln und die Bürgerinnen und Bürger, die Ihre Ideen unterstützen, zum Mitmachen zu motivieren, dann müssen Sie sich selbst an der Nase nehmen und das nicht denen vorwerfen, die mitgemacht haben! (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen. – Abg. Steger: ... wurden ja nicht einmal zugelassen!)
Genauso widersprechen Sie sich selbst, Frau Kollegin Steger, wenn Sie – wie das bei der FPÖ immer der Fall ist – sich hier ans Rednerpult stellen und sagen, Sie repräsentierten das Volk und die Meinung des Volkes, und dann bedanken Sie sich gleichzeitig dafür, dass die Regierungen von 13 Mitgliedstaaten gesagt haben, dass sie diesen Prozess nicht weitertragen wollen und diese Forderungen ablehnen! (Abg. Steger: Fragen Sie einmal die Bevölkerung!)
Wenn Sie es ernst meinen: Holen Sie die Menschen ins Boot, diskutieren Sie mit ihnen! Versuchen Sie, dass mehr Menschen teilnehmen, und wenn die sich dann mehrheitlich für Ihre Vision von Europa aussprechen, dann ist das ja auch legitim – aber Sie schaffen es ja noch nicht einmal, dass Ihre Anhänger irgendwo mitdiskutieren, weil Sie kein Interesse an einer konstruktiven Diskussion haben! (Zwischenrufe der Abgeordneten Kassegger und Steger.) Das ist der Fehler an Ihrer Argumentation. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Ich möchte mich demgegenüber gerne bei den Menschen bedanken, die an der Zukunftskonferenz teilgenommen haben. (Abg. Steger: ... Volksabstimmung!) Ich hätte mir gewünscht, dass es mehr sind, ich hätte mir das selbstverständlich gewünscht – es gibt aber vielerlei Gründe, wieso das so war. Ich glaube, trotzdem ist das, was herausgekommen ist, etwas, das positiv ist.
Das heißt nicht, dass ich alle Vorschläge teile, aber wobei sich die Bürgerinnen und Bürger und die teilnehmenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Wesentlichen einig waren, ist, dass wir vor unfassbaren Herausforderungen stehen und wir diese nicht nationalstaatlich lösen werden können.
Deswegen ist ein wesentlicher Punkt, den wir mitnehmen - - (Abg. Steger: Aber man kann auch nicht alles auf EU-Ebene lösen!) – Ich weiß, Frau Kollegin Steger, Sie stellen sich das immer so einfach vor. Sie waren die Partei, die in der Flüchtlingskrise gesagt hat, wir bauen am besten einen Zaun um Österreich herum, dann gibt es keine Flüchtlinge mehr. (Zwischenruf der Abgeordneten Deimek und Steger.) Das ist in Ihrer Schrebergartenmentalität vielleicht etwas, das möglich ist – es ist nur vollkommen illusorisch, weil sich Flüchtlinge beispielsweise nicht von einem Zaun abhalten lassen, sondern andere Wege finden! (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Sie können das immer weiter spielen, Sie glauben ja auch, dass im Rahmen eines Konflikts wie jetzt in der Ukraine Österreich ganz allein irgendeine Chance hat, irgendetwas beizutragen – das ist ja absurd, was Sie sich da vorstellen! Man muss in Europa gemeinsam versuchen, die großen Herausforderungen zu meistern, allein werden wir es jedenfalls nicht schaffen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: ... Haselsteiner ... ukrainischen Oligarchen!)
Einer der wesentlichen Punkte, die wir daher mitnehmen können, ist, dass es ein Ende des Einstimmigkeitsprinzips braucht. Wir sehen jetzt bei den großen Herausforderungen – bei der Diskussion um die Sanktionen, aber auch bei Fragen der Klimakrise, bei Fragen der Energieunabhängigkeit (Abg. Deimek: Themen, wo Sie sich überhaupt nicht auskennen!) –, dass wir, wenn wir weiterhin mit dieser Einstimmigkeit arbeiten, wie es momentan in der Europäischen Union der Fall ist, leider nicht weiterkommen werden.
Das, was ich daher mitnehme, neben vielen Inputs, die gekommen sind: Wir müssen Europa weiterentwickeln. Wir müssen Europa weiterentwickeln, um handlungsfähiger zu sein, um verteidigungsfähiger zu sein, damit wir nicht am Schluss – und das ist sicher auch nicht in Ihrem Interesse – von den aufstrebenden Ländern der Welt überholt werden und wir als Europa gar nichts mehr mitzureden haben. (Zwischenruf der Abg. Steger.)
Wir müssen mit dem Einstimmigkeitsprinzip aufhören, damit Europa weiterhin ganz vorne und nicht irgendwo das Schlusslicht ist. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)
11.59
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem aber: Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Sie sich an der Zukunftskonferenz aktiv beteiligt haben! Die Idee zur Zukunftskonferenz wurde bereits vor drei Jahren von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt. Damals war noch keine Rede von den vielen Umbrüchen, die wir jetzt in der Zwischenzeit erleben mussten, von einer Pandemie, einem Krieg auf europäischem Boden. Dennoch war schon damals die Idee, die Bürgerinnen und Bürger einzubinden, wenn es darum geht, die Europäische Union weiterzuentwickeln, in welche Richtung auch immer.
Bereits damals ist man davon ausgegangen, dass man einen breit angelegten Prozess ins Leben rufen möchte, dass man Lösungen für europäische Probleme und Herausforderungen aufzeigen sollte, dass wir uns gemeinsam den brennenden Fragen der Zukunft der Europäischen Union stellen – und Österreich war von Anfang an ein Unterstützer dieser Zukunftskonferenz.
Es ist schon gesagt worden, die Zukunftskonferenz wurde pandemiebedingt auf europäischer Ebene nicht wie geplant am 9. Mai 2020 gestartet, sondern erst im Jahr 2021. Allerdings habe ich diesen Prozess in Österreich bereits im Juni 2020 gestartet, denn es ist mir wichtig, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, und es braucht natürlich auch eine gewisse Zeit, bis dieser Prozess, diese Konferenz, die dahinter stehenden Ideen bei den Menschen ankommen.
Wie habe ich das gemacht? – Ich habe Stakeholder in das Bundeskanzleramt eingeladen, ich habe Zukunftslabore abgehalten, ich habe mit Schülerinnen und Schülern diskutiert, ich bin durch das ganze Land gefahren, vom Burgenland bis nach Vorarlberg, ich war in allen Bundesländern mehrfach unterwegs. Seit Mai 2021, als die Konferenz dann tatsächlich auf europäischer Ebene gestartet wurde, darf ich Ihnen sagen, hat es in Österreich jeden zweiten Tag eine Diskussionsveranstaltung zur Zukunft der Europäischen Union gegeben, und, Frau Kollegin Steger, es gab 1 421 Beiträge aus Österreich; damit liegen wir an sechster Stelle. Wo sind diese Beiträge eingemeldet worden? – Auf der multilingualen Plattform der Europäischen Kommission. Es ist ja die Frage gestellt worden, wo man sich beteiligen konnte; das ist die Antwort.
Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist den Österreicherinnen und Österreichern ein Anliegen. Es kommt darauf an, in welche Richtung wir gehen, und wir haben es ja gesehen: Ob in der Gemeinde, im Verein, am Stammtisch, im digitalen Chatroom – ich habe auch digitale Sprechstunden abgehalten –, in der Schulklasse oder im Zukunftscafé: Es wurde diskutiert, und, meine Damen und Herren, das ist der Sinn dahinter, das ist gelebte Demokratie! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)
Ich möchte dennoch sagen, dass wir natürlich Zeit verloren haben. Wir haben durch die Pandemie Zeit verloren, und es ist auf europäischer Ebene nicht alles so gelaufen, wie ich mir und viele andere sich das tatsächlich vorgestellt hätten, denn es gab prozedurale Fragen zu klären, es gab interinstitutionelle Streitigkeiten, wer denn welche Rolle spielt. Ja, auch das gehört dazu, aber es ist schade, dass wir diese Zeit sozusagen verloren haben.
Nach über zwei Jahren Tätigkeit als Europaministerin muss ich auch sagen, dass der Befund, den ich jetzt stelle, ein durchaus beunruhigender ist, denn insbesondere an den Umbrüchen, die wir erleben, sehen wir, dass Europa, dass unser European Way of Life unter Druck ist, um nicht zu sagen in Gefahr. Wir erleben einen Angriffskrieg, wir erleben die Spannungen mit Russland, wir erleben die Energieabhängigkeit, wir sehen das Streben Chinas und wir haben während der Pandemie auch erlebt, dass es eine Schattenseite der Globalisierung gibt, und die heißt Unterbrechung der Lieferketten.
Die gute Nachricht ist allerdings: Die Stärke der Europäischen Union liegt in ihrer Einigkeit, und diese Einigkeit gilt es zu zeigen, und die zeigen wir auch im Moment. Wir müssen jetzt gemeinsam den European Way of Life absichern, und da gehören natürlich auch Punkte dazu, wie sie schon von Abgeordnetem Lopatka angesprochen wurden: die Subsidiarität da mitzudenken, die Probleme dort zu lösen, wo sie entstehen, und natürlich nicht alles auf europäische Ebene zu heben, wie das manche hier glauben machen wollen und durchaus für populistische Ansagen hier nützen.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle heute einige Ideen aus diesem breiten Prozess präsentieren, zusammengefasst in drei Forderungen, die man daraus ableiten kann.
Das Erste, was wir tun müssen, ist das Voranstellen der geopolitischen Interessen der Europäischen Union, das Zweite ist die Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht der Europäischen Union, und das Dritte betrifft die nachhaltige Stärke der Europäischen Union im Inneren. – Was meine ich damit?
Die eigenen Interessen Europas in den Vordergrund zu stellen heißt, stark zu sein, heißt, in der Welt auch eine Rolle zu spielen. Da geht es um einen Außengrenzschutz, bei dem ganz klar gesagt wird: Wer nach Europa kommt, kann nur hierbleiben, wenn er einen Asylgrund vorzuweisen hat. Da geht es selbstverständlich um die Westbalkanerweiterung, denn der Westbalkan ist eine Frage der Sicherheit für die Europäische Union und auch eine Frage der Glaubwürdigkeit für die Europäische Union. Wir haben viel zu viele Versprechungen gemacht und diese nicht eingelöst. Die Depression dort ist sehr, sehr groß, und es reicht ein Streichholz, um dort einen Flächenbrand auszulösen. Wir müssen jetzt diese Versprechen auch einlösen.
Klarerweise ist es gerade in der jetzigen Situation nicht angenehm, abhängig von russischem Gas zu sein, aber auch in anderen Bereichen abhängig zu sein, wie etwa von seltenen Erden, wenn wir davon reden, dass wir die Energiewende in Österreich und in Europa schaffen wollen.
Beim zweiten angesprochenen Punkt, der Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht, geht es darum, dass wir in Europa wieder führend sein müssen und wollen, was Innovation betrifft, was auch Wirtschaftskraft betrifft. Wir wollen nicht nur Unternehmen hier gegründet sehen, sondern wir wollen auch, dass sie hier bleiben, dass die Investoren auch hier investieren, damit auch die Wertschöpfung hierbleibt.
Ich glaube, gerade in der Pandemie haben wir gesehen, dass es wichtig war, dass Österreich die AUA unterstützt hat, Deutschland hat das Gleiche mit der Lufthansa gemacht, um nicht in Abhängigkeiten von tatsächlich staatlich geförderten Linien aus dem asiatischen Bereich zu geraten, aber jetzt geht es darum, das Wettbewerbsrecht auch auf europäischer Ebene in das 21. Jahrhundert zu führen.
Wir sollten uns alle gemeinsam darauf einigen, dass wir kein Gold Plating, keine Übererfüllung von europäischen Richtlinien in den Nationalstaaten vorantreiben, denn das führt dazu, dass Unternehmerinnen und Unternehmer erst wieder 27 einzelne Bestimmungen anschauen müssen und eben nicht einen einheitlichen Binnenmarkt vorfinden, den es jetzt zur Vollendung zu bringen gilt.
Und wir brauchen neben der Einschränkung der illegalen Migration natürlich eine aktive Einwanderungspolitik. Im Moment verlassen Tausende Russinnen und Russen, gut ausgebildet, ihr Land. Die sollen nicht nach Amerika abwandern, die brauchen wir hier in Europa. Wir brauchen die Immigration von Hochqualifizierten, diese dürfen wir nicht schwer machen, so wie das im Moment der Fall ist.
Ein flexibler Arbeitsmarkt würde auch bedeuten, dass jemand im Salzburger Lungau lebt und bei einer belgischen Firma arbeitet. Oft ist dies aber noch mit sehr hohen bürokratischen Hürden verbunden.
Mit der Berücksichtigung all dieser Punkte, die damit nur beispielhaft aufgezeigt sind, können wir die Wirtschaftsmacht Europas wieder in den Vordergrund stellen, denn der Binnenmarkt ist und bleibt unsere größte Chance, unsere größte Kraft.
Und der dritte Punkt ist nach innen gerichtet: die nachhaltige Stärkung der europäischen Institutionen. Was meine ich damit? – Ich glaube, es ist gut und richtig, dass wir 27 EU-Kommissare haben. Verzeihen Sie mir die Anmerkung, aber die Herausforderungen werden uns auch in der nächsten Zeit nicht ausgehen, um diese zu beschäftigen.
Ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren, wie wir es in Artikel 7 haben, wird wohl auch irgendwann einmal einen Ausgang finden müssen, und ich glaube, auch da gibt es mittlerweile sehr viele andere Mechanismen, etwa die Konditionalität, nämlich das Verbinden von budgetären Fragen mit der Rechtsstaatlichkeit, die in den Verträgen verankert gehören.
Mit großem Stolz möchte ich an dieser Stelle auch sagen, dass es gelungen ist, in Österreich mittlerweile über 1 500 Europagemeinderäte zu haben, die eine Brücke bilden von der Europäischen Union, die nicht immer ganz leicht zu verstehen ist, zur Gemeinde, zum Bürger, dahin, wo die Menschen Probleme, Sorgen und Anliegen haben. Sie übernehmen die Aufgabe, Informationen weiterzugeben, auch Hilfestellungen anzubieten, wenn es darum geht, Förderungen abzuholen und in der eigenen Gemeinde Dinge voranzutreiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Union war in den letzten Jahrzehnten ganz sicher Garant für Freiheit, Frieden, Sicherheit, Wohlstand und auch Menschenrechte. Die Europäische Union wird aber nicht an ihrer Geschichte gemessen. Sie wird daran gemessen, Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart anzubieten und Antworten auf die Fragen der Zukunft zu finden.
Die EU – und da bin ich ganz offen zu Ihnen – ist oft die Antworten auf brennende Fragen schuldig geblieben, aber es liegt jetzt an uns, diese Europäische Union weiterzuentwickeln. Es liegt an uns, die Dinge, die vorgebracht worden sind – und ich möchte jeden einzelnen Beitrag wirklich groß wertschätzen –, auch umzusetzen. Daher ist das jetzt nicht das Ende der Zukunftskonferenz, sondern es ist erst der Beginn.
Am Ende meiner Rede möchte ich Ihnen auch noch den Aktivitätenbericht zur Zukunft Europas (ein Exemplar in die Höhe haltend) ans Herz legen; er ist unterwegs zu Ihnen. Er umfasst einen kleinen Überblick über das, was Österreicherinnen und Österreicher an Ideen, an Aktivitäten entwickelt haben, und ich glaube, das ist es, was wir hochhalten sollten, und daraus sollten wir als Politikerinnen und Politiker jetzt auch den Mut schöpfen, die großen Reformen anzugehen, um die Europäische Union in eine bessere Zukunft zu führen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
12.10
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carina Reiter. – Bitte.
Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Ministerinnen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben aktuell, 2022, das Europäische Jahr der Jugend. Diese zwölf Monate sollen eigentlich ganz im Zeichen junger Europäerinnen und Europäer stehen. Eines der vier Ziele dieses Jahres ist es, die Partizipation und das Engagement zu fördern. Das heißt, man will junge Menschen ermutigen, dass sie sich betätigen und engagieren, vor allem auch junge Menschen mit geringen Chancen, aus benachteiligten Verhältnissen, ländlichen oder abgelegenen Gebieten oder auch schutzbedürftige Gruppen.
Die Konferenz zur Zukunft Europas war ein sehr groß angelegter Beteiligungsprozess, und wie wir schon gehört haben, hat sich Österreich dieses Prozesses sehr aktiv angenommen und hat das auch wirklich gelebt, mit Veranstaltungen an fast jedem zweiten Tag. Das sollte man schon auch würdigen und auch die Personen, die sich da beteiligen, dafür wertschätzen, dass sie sich einbringen, auch wenn es für manche in der Quantität vielleicht zu wenige sind.
Besonders die Jugend in Österreich hat sich da stark eingebracht. Die Bundesjugendvertretung hat eine Konferenz abgehalten und auch Aktionen in diesem Bereich gesetzt. Ich glaube, es gilt, das durchaus zu schätzen und auch jenen Danke zu sagen, die wirklich Interesse haben und sich da einbringen möchten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Ernst-Dziedzic.)
Wir haben heute schon gehört: Es sind 49 Vorschläge mit insgesamt um die 200 Maßnahmen, und da sind auch viele sehr wichtige Vorschläge dabei, Vorschläge, zu denen wir hier auch schon Beschlüsse gefasst haben oder hinsichtlich derer wir gesagt haben, das sind Themen, über die man reden sollte. Wenn man den Bereich Landwirtschaft und Klima hernimmt, gibt es zum Beispiel die Forderung, dass mehr geforscht wird und mehr auf Innovation gesetzt wird, damit man auch in Bezug auf technische Lösungen für nachhaltige landwirtschaftliche Produktion, Pflanzenresistenz oder Präzisionslandwirtschaft Maßstäbe setzen kann. Im Bereich des Verkehrs gibt es zum Beispiel die Forderung, den öffentlichen Verkehr auszubauen und ein europäisches öffentliches Verkehrsnetz in den ländlichen Gebieten, besonders auch in den Inselgebieten, zu schaffen, was wirklich etwas ist, wozu wir als Österreich sagen können, jawohl, das wollen wir auch noch stärken.
Wenn es um Beteiligung geht, ist zum Beispiel aus einem belgischen Bürgerforum der Vorschlag gekommen, dass die Teilnahme an der Wahl zum Europäischen Parlament ab dem 16. Lebensjahr möglich sein soll. Österreich hat da mit dem Wahlalter 16 durchaus eine gewisse Vorreiterrolle, und ich glaube, es ist gut, dass auf EU-Ebene Bewegung und Bereitschaft zur Diskussion vorhanden sind.
Wir haben also schon gehört: Die Konferenz hat unter der Prämisse einer wirklichen Beteiligung stattgefunden und es haben sich doch viele Bürger eingebracht. Es ist natürlich auch die Erwartungshaltung entsprechend hoch. Um dieser gerecht zu werden, braucht es eben einen glaubwürdigen Folgeprozess. Wir brauchen Lösungen für die entscheidenden und akuten Probleme unserer Zeit. Gerade die letzten Wochen und Monate haben schon gezeigt, wie wichtig Zusammenarbeit ist, ohne an Effizienz zu verlieren oder auch Dinge wie die Subsidiarität, die durchaus ihre Vorteile hat und sich bewährt hat, gänzlich infrage zu stellen.
Wir sollten aber auch – wie Ministerin Edtstadler schon gesagt hat – Reformen angehen und dort, wo sie notwendig sind, auch wirklich Aktionen setzen. Die Ziele der Konferenz zur Zukunft Europas und des Europäischen Jahres der Jugend stimmen ja darin überein, dass man Engagement und Partizipation fördern will – da muss man das aber auch
durchziehen. Das heißt, wer Beteiligung fordert, muss diese auch ernst nehmen, damit sie auch wirklich nachhaltig gefördert werden kann. Nur so können wir die Europäische Union stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
12.14
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde vom BRG Kapfenberg, die heute auf Besuch sind – die sitzen da oben –, auch herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.) Wenn man über die Europäische Union diskutieren möchte und diskutiert, ist ein Befund natürlich wesentlich: Die Zeiten, in denen wir jetzt Politik betreiben und diskutieren, sind unsicher, herausfordernd und äußerst turbulent. Wir befinden uns – nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union – in der größten Teuerungswelle seit über 40 Jahren. Wir befinden uns mittlerweile im dritten Jahr einer Pandemie. Die Klimakrise spitzt sich zu. Und es findet ein verheerender Angriffskrieg, der langsam in einen Stellungskrieg überzugehen scheint, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft statt.
Bei all diesen dramatischen Entwicklungen gibt es schon auch positive Aspekte zu erwähnen, nämlich: Diese behäbige, manchmal schwer zu verstehende und kompliziert funktionierende Europäische Union scheint in der Krise zu funktionieren. Das ist nicht das erste Mal, dass wir das sehen, das haben wir schon öfters gesehen, und es zeigt schon, dass diese Europäische Union auch für uns einen massiven Mehrwert hat.
Dieses Funktionieren in der Krise ist auch etwas, das meines Erachtens diese Europäische Union näher zu den Bürgerinnen und Bürgern bringt, aber man muss natürlich auch umgekehrt dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger immer mehr in dieser Europäischen Union mitmachen können, mitbestimmen, mitentscheiden, Vorschläge liefern. Meines Erachtens war diese Zukunftskonferenz schon ein gutes Instrument. Man kann abwertend sagen, es waren nur 700 000 Menschen, die sich online betätigt haben. Es waren nur 53 000 Menschen, die aktiv teilgenommen haben. Ich sage es umgekehrt: Ich bin froh, dass sich Menschen für Europa engagieren, dass Menschen Ideen liefern, dass sich Menschen einsetzen und dafür sorgen, dass diese Union eine bessere Union wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jeitler-Cincelli und Gabriela Schwarz.)
Es ist aber natürlich auch wichtig, dass sich für diese Menschen, die teilnehmen, der Traum erfüllt – ich sage bewusst: Traum; für mich ist diese Union kein Projekt, es ist ein Traum, den wir uns erfüllen –, dass aus den Ideen, die sie eingebracht haben, natürlich auch etwas wird.
Dieser wichtige nächste Schritt, dafür zu sorgen – Kollege Reimon hat einige Dinge angesprochen, die unglaublich positiv eingebracht wurden –, dass diese Dinge dann auch umgesetzt werden, liegt an zwei Gestaltern im europäischen Prozess: Das liegt an der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament auf der einen Seite und es liegt auf der anderen Seite auch an den Mitgliedstaaten. Österreich ist einer jener Mitgliedstaaten, die in den letzten Jahren – das muss ich jetzt bewusst kritisch sagen – mehr die Rolle des europäischen Querulanten als die eines konstruktiven Mitspielers eingenommen haben.
Ich hoffe wirklich, dass mit dem Ausklingen der kurzen türkisen Ära in der österreichischen Bundespolitik diese Querulantenrolle auf europäischer Ebene vorbei ist, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)
Selbstverständlich kann man über Inhalte trefflich streiten. Ich habe sehr interessiert Kollegen Lopatka zugehört, wie er versucht hat, zu erklären, dass nur das Große erledigt
werden soll und das Kleine nicht, und zum Kleinen gehört anscheinend Sozialpolitik – das passt zur ÖVP, ja, aber für uns ist Sozialpolitik eines der wichtigsten Themen, die auch auf europäischer Ebene zu regeln sind. Es braucht ein soziales Europa, es braucht ein Europa der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur der Konzerne. Diesen Ausgleich kann man nur auf europäischer Ebene schaffen. Dafür sind die Mitgliedstaaten inzwischen zu klein, Kollege Lopatka, und das ist auch eine große Angelegenheit, die erledigt werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)
Mindestrechte, Mindeststandards auf europäischer Ebene sind das, was anzustreben und anzugehen ist. Dasselbe gilt für die Steuerpolitik. Die Riesengewinne der großen Konzerne, die Umgehungsmöglichkeiten, die Fakten, dass Riesenkonzerne eigentlich keine Steuern mehr zahlen – all das ist nur europäisch zu lösen und europäisch zu besteuern, und das muss der nächste Schritt sein, um ein faireres Europa zu bekommen, ein Europa, das von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird, geschätzte Damen und Herren. Das muss das Nächste sein. (Beifall bei der SPÖ.)
Es liegt in unserer Verantwortung, was mit diesem Europa, mit dieser Europäischen Union in Zukunft geschehen wird.
Ich habe, um zum Schluss zu kommen, einmal – das ist schon lange her – eine Diskussion zwischen dem damaligen sowjetischen Botschafter und dem damaligen amerikanischen Botschafter in Österreich moderiert.
Die Frage war: Wie entwickelt sich die Europäische Union weiter? Wird es ein Staatenbund bleiben oder wird es ein Bundesstaat? – Einer von den beiden hat etwas sehr Gescheites gesagt, und zwar hat er gesagt: Die Frage stellt sich nicht. So etwas wie diese Europäische Union hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie gegeben, das ist etwas ganz Besonderes und wird etwas ganz Besonderes werden. Es liegt in unserer Verantwortung, dass das etwas Vernünftiges und Gutes wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jeitler-Cincelli und Brandstätter.)
12.20
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Ich versuche jetzt, ein bisschen von der Wolke des Pathetischen runterzukommen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), und ich versuche auch, Kollege Scherak, nicht populistisch zu sein.
Es geht um das Voranstellen der geopolitischen Interessen Europas, wie die Frau Bundesministerin das gesagt hat. Wer dazu in der Lage ist, dazu sind wir allerdings unterschiedlicher Meinung. Ich bin eben nicht der Meinung, dass das Konstrukt der Europäischen Union in dieser Form in der Lage ist, die geopolitischen Interessen Europas voranzustellen. Ich bin auch nicht überzeugt davon (Zwischenruf des Abg. Brandstätter), dass das Konstrukt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brandstätter) – lassen Sie mich ausreden! – Europäische Union in der Lage ist, die Probleme und Aufgabenstellungen für die kleinen Leute, für den kleinen Unternehmer, für den Mittelstand zu lösen – sehr wohl ganz offensichtlich für die Eliten. Es ist aber nicht Aufgabe der Freiheitlichen Partei, prioritär die Interessen der Eliten zu vertreten, sondern wir sehen es als unsere Aufgabe, genau diese Interessen zu vertreten.
Kollege Lopatka hat gesagt, die Europäische Union hat große Aufgaben zu bewältigen. (Abg. Lopatka nickt.) Schauen wir uns die großen Aufgaben, die unseres Erachtens andere sind, einmal an und schauen wir uns an, ob die EU in der Lage ist, Probleme zu lösen, oder ob sie Probleme schafft. Wir sind der Meinung, sie schafft mehr Probleme, als sie löst.
Gehen wir das erste große Problem an, die Aufgabenstellung Migrationspolitik: Glauben Sie im Ernst, dass die Europäische Union das Thema Migration mit Sätzen wie: Wir schaffen das!, Wir nehmen die ganze Welt in Europa auf und lösen damit die Probleme der Welt!, lösen kann? (Zwischenruf des Abg. Brandstätter.) – Das glauben wir nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ernst-Dziedzic: Das hat niemand gesagt!) Wir glauben, das schafft Probleme. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Kollege Amesbauer wird dann zum geplanten Migrationspakt noch zwei, drei Worte sagen. (Zwischenruf bei den Grünen.)
Glauben Sie ernsthaft, dass die Europäische Zentralbank als verlängerte Institution der Europäischen Union durch ihre Politik, die sie die letzten 14 Jahre seit der Krise 2008 gemacht hat, Probleme löst? – Nein, sie schafft Probleme. Jeder, der sich über die Inflation wundert, sollte einmal ein bisschen volkswirtschaftlich nachdenken und vielleicht überlegen: Gibt es eine Korrelation zwischen einer hemmungslosen Schuldenpolitik, einer hemmungslosen Geldvermehrung, einer Nullzinspolitik, die die Staaten geradezu auffordert, sich hemmungslos zu überschulden, und der Inflation? – Selbstverständlich gibt es da eine Korrelation. Genauso wie es selbstverständlich eine Korrelation mit den dirigistischen Eingriffen im Rahmen des Coronaregimes, über Lockdowns, über Zusperren et cetera, gibt. Selbstverständlich gibt es auch da eine Korrelation, das ist auch inflationstreibend. Wenn Sie mir nicht glauben: Prof. Hans-Werner Sinn werden Sie wohl glauben, der sagt das nämlich auch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Dritte große Aufgabe: Energie- und Klimapolitik der Europäischen Union. Das ist ja auch von sehr, sehr viel Ideologie getragen – jetzt ist die Frau Minister weg –, aber nicht von sehr viel Hausverstand und schon gar nicht von der Vertretung der geopolitischen Interessen des Wirtschaftsstandortes Europa. Wir schießen uns da permanent ins Knie. Mit unserem Anspruch, die Welt zu retten, indem wir so und so viel Prozent CO2-Emissionen verringern, zerstören wir unsere globale Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich. Das führt dazu, dass die Schwerindustrie in Länder abwandert, die das Dreifache an CO2 in die Atmosphäre plustern – da geht es aber offensichtlich um Arbeitsplätze, um Industrie und produktive Arbeitsplätze. Das ist nicht auf Ihrer Prioritätenliste, denn auf Ihrer Prioritätenliste ist: Ich rette die Welt und den Europaen Way of Life! – Da würde ich auch gerne einmal wissen, was Sie genau darunter verstehen, Frau Bundesministerin. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.)
Als ob das nicht genug wäre, geben wir jetzt noch einen drauf, und zwar in der Vertretung der geopolitischen Interessen Europas durch eine vollkommen absurde, Europa schädigende Sanktionspolitik aus Anlass des Kriegskonfliktes, der in der Ukraine stattfindet. Glauben Sie ernsthaft, dass das für unsere Industrie gut ist, indem wir uns jetzt sozusagen selbst freiwillig das Gas und das Öl abdrehen? – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich möchte mit dem Programm Future of Europe schließen. Ich glaube, wir haben ein bisschen ein unterschiedliches Demokratieverständnis, Frau Bundesminister, wenn Sie sagen, das ist gelebte Demokratie, wenn Sie mit 1 200 und irgendetwas Stakeholdern diskutieren und Vorschläge machen. Für mich ist gelebte Demokratie direkte Demokratie, unmittelbare Demokratie. Da, glaube ich, brauche ich nicht näher zu erklären, dass die Freiheitliche Partei seit Jahrzehnten (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz) ein Anwalt der direkten Demokratie ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir haben halt leider nicht immer die Mehrheiten, um das durchzusetzen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Es liegt aber am Wähler, da vielleicht einen Schritt in die richtige Richtung zu provozieren.
Mit Demokratie hat das also relativ wenig zu tun. Da bin ich jetzt bei der Future of Europe: noch mehr Kompetenzen nach Brüssel, noch weiter von den Menschen weg, noch weiter weg vom Volk – von demos und kratein, der Macht des Volkes.
Das Einstimmigkeitsprinzip wollen Sie weghaben mit dem Titel: Ja, dann wird das alles flexibler!, und Sie nehmen auch noch das Wort Schutz in den Mund. Das Vetorecht, das ist nämlich die Kehrseite des Einstimmigkeitsprinzips, schützt gerade kleine Länder wie Österreich. Ungarn zum Beispiel: Stellen Sie sich vor, was mit den Ungarn passieren würde, wenn in vielen Fällen dieses Einstimmigkeitsprinzip nicht herrschen würde! (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Dann würde Ungarn sozusagen wegen irgendwelcher Gesetze, die offensichtlich nicht dem Europaen Way of Life entsprechen, vollkommen willkürlich von Vertretern der Kommission unter Druck gesetzt werden. Das wollen wir alles nicht. Das ist ja ein Schutz für die kleinen Länder. (Beifall bei der FPÖ.)
Abschließend: Alle, die sagen: Wir wollen mehr Europa!, die müssen bitte diesen Satz zu Ende sprechen, und der Satz zu Ende formuliert lautet: und damit weniger Österreich. (Der Redner deutet auf den hinter ihm auf der Wand hängenden Bundesadler.) – Das ist conditio sine qua non. Wir Freiheitliche wollen mehr Österreich und weniger die Problemproduktionsmaschine Europäische Union. Das ist eigentlich relativ klar. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich glaube, dass du 100 Jahre zurückliegst!)
12.27
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Frauen Ministerinnen! Werte Kollegen und Kolleginnen und BesucherInnen! Der Weg Richtung Zukunft ist steinig und der Weg Richtung Frieden ist gerade besonders holprig. Aus meiner Sicht ist es aber besser, zu stolpern und sich wieder aufzuraffen, als in Putins Zwangsjacke wieder aufzuwachen. Das EU-Parlament stimmt heute ab, ob der deutsche Ex-Kanzler Schröder und die österreichische Ex-Außenministerin Kneissl auf Russlands Sanktionsliste sollen.
Stellen Sie sich vor, es ist Krieg an Europas Grenzen und unsere österreichische Außenministerin kniet vor dem Kriegstreiber nieder! Da muss man fast sagen: Ibiza sei Dank!, aber eigentlich ist uns ja das Lachen vergangen. Unsere Debatten hier im Hohen Haus streifen den bereits 85 Tage andauernden Krieg lediglich. Man hat das Gefühl (Zwischenruf des Abg. Deimek), dass er in den Hintergrund gerät und viele nicht sehen wollen, dass die Inflation in Österreich, die Teuerung, die Frage der Energieversorgung eben unmittelbar mit diesem Krieg zusammenhängen.
Deshalb müssen wir, wenn wir heute über die Zukunft Europas sprechen, daran erinnern, dass Putin nicht bloß ein paar ukrainische Gebiete einnehmen möchte, sondern dass Russland einem ganzen Volk das Existenzrecht abspricht. (Abg. Deimek: Und die Teuerung hängt auch mit der ... zusammen, aber das ist Ihnen ...!) Russland führt diesen brutalen Krieg nicht nur mit Panzern, Raketen und Bomben, wie Deutschlands Außenministerin eben sagte, sondern es ist ein Krieg, der über Ressourcen geführt wird.
Die Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine wird aktuell als Waffe eingesetzt. Putin will Flucht, das Leid der Menschen genauso wie den Hunger als Waffe einsetzen. Konkret: Russland blockiert in der Ukraine die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide vor allem nach Nordafrika und Asien. Die Ukraine ist, wenn Sie vielleicht so etwas nicht wissen, einer der größten Produzenten der Welt. Das hat eine globale Komponente, der Krieg hat eine globale Komponente.
Und ich weiß nicht, ob Sie wussten, dass Russland und die Ukraine gemeinsam mehr als die Hälfte des Sonnenblumenöls weltweit produzieren. Man fragt sich: Wie will man in Österreich in Zukunft die Schnitzel braten, wenn man sich nicht dessen annimmt, diesen Krieg zu beenden? (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Martin Graf.)
Wenn jetzt 47 Millionen Menschen zusätzlich der große Hunger droht, dann werden wir uns auch in Europa fragen müssen, wer noch genug zu essen hat. Deshalb gilt: Wenn
wir heute über die Zukunftskonferenz reden, dann reden wir auch über die Zukunft von Wohlstand, Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa. Raus aus fossilen Energien ist nicht bloß eine Floskel, es ist die Zukunft! Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa ist nicht bloß eine Notwendigkeit, es ist die Zukunft! Deshalb gilt es, mit aller Kraft und gemeinsam in diesem Europa diesen Krieg, diesen Dominoeffekt aufzuhalten. Es ist eine Zeitenwende, und es ist keine Zeit mehr, sich gemütlich zurückzulehnen. Es ist unsere gemeinsame Zukunft in Europa, unser Friedenskontinent, und ja, es wird keinen Frieden auf diesem Kontinent geben, wenn es keinen Frieden in der Ukraine gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
12.31
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Frauen Bundesministerinnen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Europäerinnen, liebe Europäer! Natürlich haben wir uns diese Zukunftskonferenz anders vorgestellt, aber dann sind Krisen gekommen. Jean Monnet, der Gründervater, sozusagen der erste Kommissionspräsident, war auch Prophet. Er hat nämlich gesagt: Europa wird durch Krisen geschmiedet, und es wird die Summe der Lösungen sein, mit denen die Krisen überwunden werden. – Ein wunderbares Zitat.
Ein anderer, Robert Schuman in seiner berühmten Rede 1950, was hat er gesagt? – Europa wird durch konkrete Tatsachen wachsen, durch die Solidarität der Tat. – Das haben sie beim KGB nicht gelernt. Das hat Putin, der Kriegsherr, nicht gelernt, dass Völker zusammenarbeiten können, dass Europa dadurch wächst – durch die Solidarität der Tat. Das hat ihn überrascht, wie die europäischen Länder, die Länder der Europäischen Union zusammengestanden sind und wie die Menschen gesagt haben: Ja, wir werden der Ukraine gemeinsam helfen! – Das hat den Geheimdienstler überrascht, und es hat mich auch ein bisschen überrascht, wie gut es funktioniert hat, und ich bin so dankbar und wir können so vieles daraus lernen. Diese Solidarität der Tat, die wir begonnen haben, müssen wir jetzt gerade gegenüber der Ukraine fortsetzen.
Wir haben – und ich werde am Nachmittag noch einmal über die Ukraine sprechen – ja auch eine Delegation von Abgeordneten hier gehabt. Das hat mich beeindruckt, wie vor allem diese zwei jungen Frauen erzählt haben, dass sie jetzt in ihrem Land diese Demokratie aufbauen, jetzt noch, mitten im Krieg darüber reden, wie die Demokratie auch in der Ukraine besser funktionieren wird, als sie ohnehin schon funktioniert.
Eine hat erzählt, dass sie beim Europäischen Parlament ein Stage absolviert, also mitgearbeitet hat. Ich habe als junger Mensch in der Europäischen Kommission mitarbeiten dürfen, und da haben wir jungen Leute manchmal darüber geredet, dass unsere Väter möglicherweise aufeinander geschossen haben. Diese Menschen erleben aber gerade, dass auf sie geschossen wird. Deswegen ist die Solidarität der Tat so wichtig in der Ukraine, aber gerade auch bei uns in Österreich. Auch hier der Appell, bitte schön: Unterstützen wir die Menschen, die hier sind! Sie brauchen es und wir brauchen es, denn sie verteidigen auch gerade Europa. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)
Wichtig ist mir aber, dass wir natürlich auch Europa reformieren müssen. Ich habe heute ein Buch mitgebracht, das Sie eigentlich auswendig können sollten, jedenfalls die Regierungsparteien, das ist das Regierungsprogramm. (Der Redner hält ein Exemplar des Regierungsprogramms mit dem Titel „Aus Verantwortung für Österreich“ in die Höhe.) Da stehen sehr wichtige Sachen drinnen, nämlich „Abschaffung des Amtsgeheimnisses“ – ich glaube, da ist noch ein bissl was zu tun. Da stehen auch drollige Sachen wie
„Mehr Transparenz bei Stellenbesetzungen“ – ich glaube, da sind wir noch nicht so weit. Aber – und jetzt wird es ganz ernst – es steht auch ein Satz drinnen, nämlich: Österreich wird sich bei der Konferenz für die „Annahme von Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit in zusätzlichen Bereichen (z.B. Außenpolitik)“ einsetzen.
Was passiert dann? – Die NEOS bringen einen Antrag ein, in dem sie genau diesen einen Satz sagen, nämlich: Beschließen wir doch, dass wir uns für Mehrheitsbeschlüsse einsetzen! Was passiert? – Grüne und ÖVP lehnen das ab. Wie ist das möglich? Wie kann man überhaupt etwas ablehnen, das im Regierungsprogramm steht? – Das ist übelste Missachtung des Parlamentarismus.
Ich möchte an dieser Stelle schon auffordern: Wenn wir in Europa Reformen wollen, dann sollten wir auch in Österreich darüber nachdenken, dass wir hier auch einiges zu tun haben. Dass vieles in diesem Land schiefgelaufen ist, das wissen wir, aber jetzt müssen wir wirklich darauf achten, den Parlamentarismus so zu achten, dass man wenigstens dem eigenen Regierungsprogramm zustimmt. (Beifall bei den NEOS.)
Noch etwas, weil das auch interessant ist und zum Thema Sicherheit beiträgt: Frau Bundesministerin Tanner hat in Amerika gesagt: Wenn das Völkerrecht verletzt wird, kann es keine Neutralität geben. – Jetzt möchte ich auch wissen: Was heißt das eigentlich? Diese Diskussion müssen wir bitte auch führen, verhindern wir sie nicht, Herr Bundeskanzler!
Eines noch, weil darüber geredet wurde: Europa ist wahnsinnig attraktiv. Natürlich kommen jetzt Russinnen und Russen zu uns. Die wollen dort nicht leben, die wollen nicht in einer Diktatur leben, die wollen den European Way of Life. Ja, das ist so, wie wir hier leben, nämlich in Freiheit, in Frieden, indem wir miteinander streiten, aber einander nicht bekämpfen – das ist so wesentlich –, indem wir diskutieren. Meine Kollegin Julia Seidl hat eben noch gesagt: Ja, auch diese Europagemeinderäte sind sinnvoll.
Es passiert so vieles. Machen wir es nur noch ein bissl besser, denn Europa kann noch besser werden! Darauf müssen wir aber setzen und den Menschen klar sagen: Nationale Lösungen von Klima über Industrie bis zu Fragen wie Gesundheit gibt es nicht mehr. Wir können es gemeinsam machen oder nicht. Bitte machen wir es gemeinsam! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)
12.36
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Karoline Edtstadler! Liebe Menschen, die uns zusehen, zu Hause oder auch hier, und vor allem: Liebe alle, die sich an diesem einjährigen Prozess der Zukunftskonferenz beteiligt haben, in welcher Form auch immer! Am 9. Mai, am Europatag, fand der Prozess nach einem Jahr Arbeit einen Abschluss mit dem Endbericht, einen vorläufigen Abschluss – darauf werde ich am Schluss noch einmal zurückkommen. Im Abschlussbericht lesen wir knapp 300 Empfehlungen. Ein Fünftel davon betrifft saubere Energie, Schutz der Umwelt, nachhaltige Landwirtschaft, leistbaren öffentlichen Verkehr, den Ausbau des Bahnnetzes, gerade grenzüberschreitend. Anhand all dieser Empfehlungen aus diesem Bereich und aus vielen anderen Bereichen zeigt sich einfach sehr deutlich, wohin sich Europa im Sinne der Bürgerinnen und Bürger auch bewegen soll: in Richtung einer starken Union, in Richtung einer handlungsfähigen Union, in Richtung einer nachhaltigen Union.
Im Laufe des gesamten Prozesses gab es in allen EU-Mitgliedstaaten Veranstaltungen, Initiativen, Diskussionen, Foren. Auch Österreich hat sich sehr aktiv beteiligt. Danke,
liebe Karo Edtstadler, dass du diesen Prozess auch in Österreich so ambitioniert mitbegleitet und geführt hast. Ich selbst war auch involviert, nämlich bei den Sitzungen der Arbeitsgruppe zu Klima und Umwelt des Zukunftsprozesses. Was mich aber am meisten freut, ist, wie viele junge Menschen teilgenommen haben. Diese Konferenz war insbesondere auch eine der Jugend. Ich möchte wirklich ein ganz, ganz herzliches Danke allen Menschen, jung oder alt, aussprechen, die sich beteiligt haben, die mit ihrem Engagement, mit ihrem Herzblut, mit ihren guten Ideen daran gearbeitet haben, Europa weiterzubringen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)
Genau das, genau diese Partizipation, diese Teilhabe, diese Mitsprache, war das Kernstück dieser Konferenz. Das war der Grundgedanke dieser Konferenz. Nach diesem Jahr können wir sagen, dieses Ziel haben wir erreicht. Die Mitsprache, die Einbeziehung, das hat funktioniert. Es gibt viele innovative Vorschläge, interessante Vorschläge, wie man die EU effizient, fair, ressourcenschonend, umwelterhaltend, vor allem auch bürgerinnen- und bürgernahe machen kann.
Wenn ich mich den konkreten Beiträgen gerade auch aus meinem Bereich zuwende, dann sehe ich, da geht es ganz vielen Menschen um verbesserte, um geeignetere Maßnahmen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung, der Wasserverschmutzung, um Luft, um Licht oder um die Abkehr von schädlichen Emissionen. Es gibt Vorschläge zur Erhöhung der biologischen Vielfalt, zur Eindämmung der Entwaldung, zur Förderung, Entwicklung und Nutzung alternativer umweltfreundlicher Verkehrsmittel, zur Zurücknahme des Pestizideinsatzes, zu lokaler Landwirtschaft, zu fairen Preisen für Landwirtinnen und Landwirte. Über die Abfallproblematik ist ganz intensiv diskutiert worden, die natürlich in einem ganz massiven Zusammenhang mit unser aller Konsumverhalten steht.
Es ist nicht zufällig, dass Klima und Umwelt lange das Thema Nummer eins für die BürgerInnen auf der multilingualen Plattform der Konferenz war. Am Ende sind Klima und Umwelt und europäische Demokratie abwechselnd die wichtigsten Themen gewesen. Das ist ein ermutigendes Zeichen, denn es zeigt uns auf europäischer Ebene, es zeigt uns auf nationaler Ebene, es zeigt uns in der Bundesregierung, aber genauso hier im Parlament: Es gibt da einen klaren Wunsch, auch einen klaren Auftrag, im Sinne einer sauberen Umwelt und einer sauberen Politik zu arbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Die Konferenz endete mit einem Abschlussplenum, es gibt einen Abschlussbericht. Aber ja, es sollte uns völlig klar sein: Das ist nicht das Ende unserer Arbeit, sondern es ist der Anfang unserer Arbeit, denn diese fängt für uns hier jetzt erst richtig an.
Wenn diese vielen Runden, diese vielen Arbeitsgruppen, diese vielen Plenarsitzungen, diese vielen digitalen und sonstigen BürgerInnenforen wirksam werden sollen, dann müssen wir jetzt handeln, dann müssen wir rasch und entschlossen an der Umsetzung arbeiten. Ja, die Bürgerinnen und Bürger haben uns zu vielen Änderungen auf vielen Ebenen aufgefordert, ja, auch an den europäischen Verträgen, und wir müssen uns jetzt – das ist der Auftrag aus dieser Konferenz – auch intensiv damit auseinandersetzen, uns genau ansehen, was und wie viel davon wir umsetzen können. Diesen Auftrag haben uns die Bürgerinnen und Bürger in dieser Zukunftskonferenz mitgegeben, und ich werbe bei allen dafür, denn diesen Auftrag anzunehmen stärkt auch das Vertrauen in die Demokratie (Zwischenruf des Abg. Wurm), in die demokratischen Prozesse und in die Europäische Union. – Deswegen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
12.41
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): „Nie habe ich unsere [...] Erde mehr geliebt als in diesen letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, nie mehr auf Europas Einigung gehofft, nie mehr an seine Zukunft geglaubt als in dieser Zeit, da wir meinten eine neue Morgenröte zu erblicken. Aber es war in Wahrheit schon der Feuerschein des nahenden Weltbrands.“ – Diese Zeilen stammen von Stefan Zweig, „Erinnerungen eines Europäers“ im Kapitel „Glanz und Schatten über Europa“ aus seinem großen Werk „Die Welt von gestern“.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Stefan Zweig war ein glühender Verfechter eines geeinten, vereinten Europas, in einer Zeit, als jeder das noch als Illusion, als bloße Utopie empfand. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Heute, in einem geeinten – und im Moment wieder weniger geeinten – Europa sehen wir unsere Union in ihren Grundfesten erschüttert. Die Polarisierung zwischen Verfechtern des Unionsgedankens und den Kritikern, die leider immer lauter werden, wie man das vorhin bei Kollegin Steger gehört hat, und populistischer denn je, findet immer weiter statt.
Wir sind in einer totalen Drucksituation zwischen Ost und West, zwischen Weltmächten gefangen, erleben gerade einen Krieg, eine Seuche, und unser Wirtschaftsstandort ist bedroht. – Herr Kollege Kassegger, ich kann das verstehen, viele Dinge sehe ich genauso, wenn wir eine Zahl hernehmen: weltweit angemeldete Patente. Was glauben Sie, wie viel Prozent letztes Jahr von China angemeldet wurden? – Das sind 46 Prozent. Und von der EU? – 6 Prozent. Mit allen Maßnahmen, die wir da setzen, auch im umweltpolitischen Bereich, müssen wir wahnsinnig sorgsam umgehen, denn es geht um einen Standort, der wirklich in Gefahr ist, und auch um das Lebensmodell Europa, das gefährdet scheint.
Doch in Schönheit oder in Selbstgerechtigkeit zu sterben war noch nie unser Ansatz, und deswegen, denke ich mir, müssen wir gerade jetzt ein europäisches Bewusstsein fördern. Meine Hoffnung letztens: Macron, Frankreich, die ja immer schon als Gestalter Europas gegolten haben, die jetzt sagen, es seien für sie völlig neue Wege vorstellbar. Das gibt, glaube ich, dem Ganzen schon einen Auftrieb – diese Zukunftskonferenz; man kann sagen, wie viele teilgenommen haben, wie viele nicht. Ich danke allen, die teilgenommen haben! – Es wäre schön gewesen, hätten auch Sie (in Richtung FPÖ) Leute mobilisiert, die daran teilnehmen (Zwischenruf der Abg. Steger), und es nicht nur schlechtgeredet, Frau Steger!
Diese Zukunftskonferenz hat Vorschläge erarbeitet, und ein ganz wesentlicher Vorschlag, zu dem Sie (in Richtung FPÖ) heute einen Antrag einbringen, ist, das Einstimmigkeitsprinzip zu hinterfragen. Es geht einmal nur darum, in einem Konvent zu diskutieren, wie wir zukünftig damit umgehen, wie wir zu unserer Meinungsfindung kommen und wie wir Entscheidungen treffen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, darüber zu reden, denn überall, in jeder kleinen Region, finden irgendwann Wahlen statt, und wenn wir alles so populistisch machen würden wie hier, und jeder das so macht, dann werden wir nie zu Entscheidungen kommen, die über eine Generation hinausgehen, die wirklich zukunftsweisend sind.
Die nächste Frage: Wie gehen wir mit der Erweiterung der EU um? – Da geht es um das Thema Westbalkan, und meine Meinung dazu kennt man in diesem Saal sehr gut. Es waren damals auch viele Menschen nicht überzeugt. Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der damals dabei war und gesagt hat, dass es sehr viele Gegner gab, die sagten: Österreich ist nicht so weit, Österreich kann noch nicht teilnehmen, es spricht viel mehr dagegen als dafür! – Ich glaube also, gerade jetzt haben wir auch da die Verantwortung, ernsthaft nächste Schritte zu setzen.
Ein Europa ist nie statisch. Ein Europa ist Transformation, hat eine transformative Kraft. Wir sind Kooperation, wir sind als Europa Transformation, es ist kein gottgegebenes Faktum, dass es uns als diese Form gibt, sondern das ist harte Arbeit, und da geht mein Appell wirklich an Sie: Europa ist durch viele Krisen gegangen, ist immer wieder aufgestanden, hat immer wieder gelernt, sich weiterzuentwickeln. Lassen wir auch jetzt diese Chance zu, denn Europa kann das! Das ist in unserer DNA, das ist unser Erbgut, dass wir als Europa es schaffen, uns zu entwickeln, die Zukunft anzunehmen.
Stefan Zweig hat das wunderschön benannt. Es gibt ein Wort in diesem Buch: das „Weltvertrauen“. Ich glaube, das ist ein Urvertrauen, das wir als Europa wieder haben dürfen. Haben wir Weltvertrauen! – Er beschrieb es so: „Nie war Europa stärker, reicher, schöner, nie glaubte es inniger an eine noch bessere Zukunft.“
Ich möchte gemeinsam an diese Zukunft glauben, und da geht jetzt ganz konkret etwas an Sie (in Richtung FPÖ) als Fraktion – und Herr Amesbauer, Sie sind ja dann an der Reihe –: Ich bin jetzt während dieses ganzen Redeblocks hier gesessen, und es ist wahnsinnig unangenehm, wie zynisch, wie untergriffig, wie herabwürdigend hier von jedem Einzelnen, egal von welcher Fraktion – ob es Jörg Leichtfried ist, ob Niki Scherak herauskommt –, kommentiert wird. Das ist ein unangenehmes Gefühl, und ich glaube, genau da fängt es an: Würden wir beginnen, uns zuzuhören, wirklich ernsthaft zu diskutieren, auf den anderen einzugehen und nicht nur uns in dieser massiven Emotionalität gegenseitig herabzuwürdigen, dann wäre das ein guter, guter Anfang für ein neues Europa! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Greiner.)
Ich darf mit einem Stilmittel, das ich mir von Kollegin Blimlinger klaue, enden (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Greiner), denn ich finde es ganz toll, was sie mit ihrer Kaserne macht. Die kenne ich gar nicht, ich kenne die Geschichte dahinter wenig, aber ich glaube, man muss, um Menschen von den Dingen, die einem selber wichtig sind, zu überzeugen, Dinge immer, immer und immer wieder wiederholen und sie darauf aufmerksam machen. Das mache ich jetzt auch, und deswegen endet meine Rede heute so: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir die Westbalkanländer möglichst rasch in die europäische Integration führen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
12.46
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuseher! Wir diskutieren hier schon seit über einer Stunde über die sogenannte EU-Zukunftskonferenz, und diese wird ja immer wieder als Bürgerforum bezeichnet. – Ja, natürlich waren da auch Bürger dabei, das Problem ist aber: Die meisten Bürger – und das gilt für ganz Europa – wissen gar nichts davon, und es waren ja nicht nur Bürger dabei, es waren selbstverständlich auch Parlamentarier dabei, sogenannte Experten und, was ja ganz bizarr ist, sogenannte Faktenchecker.
Ich möchte mich im Hinblick auf dieses meines Erachtens utopische Projekt, das ja von Zentralisten gesteuert wurde und zur Zerstörung der europäischen Nationalstaaten dienen soll, inklusive Abschaffung des für ein kleines Land wie Österreich so wichtigen Einstimmigkeitsprinzips, in meinem Redebeitrag vorwiegend mit dem Bereich der Migration beschäftigen.
Es sind da mehrere Punkte angeführt, zum Beispiel auch die Reform des europäischen Asylsystems inklusive Solidaritätsmechanismus – wieder einmal wird das da hineingepackt – und Verteilungsquote. Das bedeutet übersetzt nichts anderes als eine von
Brüssel gesteuerte Zwangsverteilung von illegalen Einwanderern über alle EU-Mitgliedstaaten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Zum Drüberstreuen soll es dann für Asylwerber noch den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt geben.
Wenn man sich jetzt anhand des EU-27-Vergleichs laut Eurostat betreffend Asylanträge in den EU-Mitgliedstaaten die Situation in Österreich ansieht, stellt man fest: Es gab im Zeitraum 2021, im Vorjahr in Österreich fast 40 000 Asylanträge, exakt 39 930. Ungarn ist mit 40 Asylanträgen im gleichen Zeitraum an letzter Stelle dieser Statistik. Wenn wir uns jetzt noch die Pro-Kopf-Belastung der EU-Mitgliedstaaten pro 100 000 Einwohner im Vorjahr ansehen, dann sehen wir Österreich auf Platz zwei von 27 direkt hinter Zypern, mit 447 pro 100 000 Einwohnern. Deutschland zum Beispiel: 229. Also wenn man sich das anschaut: In Österreich ist die Pro-Kopf-Belastung doppelt so hoch wie in Deutschland, obwohl Deutschland zehnmal so groß ist und zehnmal so viele Einwohner wie Österreich hat. Da kann ja irgendetwas nicht - - (Abg. Holzleitner: ..., Herr Kollege!) – Frau Kollegin, ich verstehe eh nicht, was Sie da hereinplärren! – Da kann ja irgendetwas nicht stimmen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Schweden, ein traditionell liberales Zuwanderungsland, hat auch die Zeichen der Zeit und die Probleme, die es sich ins Land geholt hat, erkannt: 135; Polen 21, Österreich – ich wiederhole es noch einmal – 447 und Ungarn null, was die Pro-Kopf-Belastung betrifft.
Das ist besonders bemerkenswert, da ja Ungarn im Unterschied zu Österreich eine EU-Außengrenze hat, nämlich zu Serbien. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Da sieht man ganz klar: Wir können dem ungarischen Volk dankbar sein, dass es Orbán und die Fidesz – trotz aller Unkenrufe der Linken in ganz Europa – wieder so gestärkt hat. Da sieht man ganz klar: In Europa brauchen wir mehr Orbáns und weniger von der Leyens, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)
Wir haben in Österreich im Vorjahr fast 40 000 Asylanträge gehabt, obwohl Schengen und Dublin nach wie vor gültiges Recht sind. Wenn Schengen und Dublin ernst genommen werden würden, dann müssten die Asylanträge in diesem Land Richtung null gehen. 85 Prozent davon sind Männer, 63 Prozent Syrer und Afghanen (Zwischenrufe bei der SPÖ), obwohl uns der damalige Innenminister Nehammer eine De-facto-Nullzuwanderung versprochen hat. Die Nullzuwanderung des Herrn Nehammer bedeutet 40 000 Asylanträge.
Wie schaut es heuer, im Jahr 2022, aus? – In den ersten drei Monaten – Jänner, Februar und März – zählen wir schon über 11 000 Asylanträge, ein Plus von 115 Prozent zum Vergleichszeitraum 2021. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Topnationen: Syrien und Afghanistan machen mehr als die Hälfte aus, dann kommen Tunesien, Indien und die Türkei. Es sind also vorwiegend islamische Länder. Aus Erfahrung wissen wir, dass gerade in diesem Bereich in den Flüchtlingsunterkünften Radikalisierungsversuche unternommen werden. Übrigens sind die ukrainischen Kriegsvertriebenen nicht in diese Statistik eingerechnet, weil sie nicht unter das Asylrecht fallen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Bei diesen Zahlen kann man sich nur fragen, was der derzeit amtierende Innenminister beruflich eigentlich macht. (Abg. Scherak: Wieso hast du die falsche Rede mit, Hannes?) Das ist ja ein Wahnsinn und ein Totalversagen in der Asylpolitik. (Zwischenruf bei der SPÖ.)
Jetzt zur Europäischen Union und dazu, was die Europäische Union wirklich machen soll und was die Aufgabe der Europäischen Union wäre (Zwischenruf der Abg. Holzleitner – Zwischenrufe bei den Grünen): der Schutz der Außengrenzen – so wie Polen. Erinnern Sie sich an die Bilder der zweiten Hälfte des Vorjahres zurück, als Polen Europa mit physischen Grenzbarrieren, mit Manpower gegen diesen Ansturm verteidigt hat, der
von Erdoğan und Lukaschenko aus Weißrussland inszeniert wurde! Da haben wir auch gesehen, dass die europäische Solidarität, die ja so oft beschworen wird, gefehlt hat, denn Europa hat Polen im Stich gelassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Der Schutz der Außengrenzen und nicht irgendwelche Verteilungsquoten sind die Hauptaufgabe der EU. Ein Umdenken, ein Paradigmenwechsel ist notwendig. Wir müssen von diesem Irrglauben wegkommen, dass jeder, der es irgendwie an und über die Grenze schafft, hierbleiben kann und einen Asylantrag stellen darf. Wir brauchen eine bessere Unterstützung für jene Länder, die einen anderen Weg gehen wollen. Das sind nicht nur die Osteuropäer, das ist zum Beispiel auch das sozialdemokratisch regierte Dänemark mit einem strikten Asylkurs; das ist Schweden, das immer restriktiver wird, weil sie gesehen haben, dass ihre Asylpolitik gescheitert ist und in Städten wie Stockholm, Göteborg und Malmö eine multikriminelle Serie von Gewaltorgien herrscht.
Sehr geehrte Frau Ministerin Edtstadler, Sie haben in Ihrer Rede angesprochen, dass wir qualifizierte Zuwanderung für unseren Arbeitsmarkt brauchen. Da gebe ich Ihnen recht. Neben dem Fokus, den wir auf die Ausbildung der eigenen jungen Menschen in Österreich legen sollten, brauchen wir natürlich auch qualifizierte Zuwanderung, da bin ich voll bei Ihnen, aber – und das ist der springende Punkt – wir müssen sie selbst aussuchen können. Wir müssen selbst bestimmen können – das ist, glaube ich, eigentlich auch die Position der ÖVP –, wer zu uns kommt, aber wir müssen die Grenzen für illegale Einwanderer aus aller Herren Länder in unser Sozialsystem dichtmachen. (Beifall bei der FPÖ.)
12.53
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Können wir gleich mit den Abstimmungen fortfahren? – Danke vielmals, dann gehe ich auch so vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, seinen Bericht 1426 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, Michel Reimon, Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas“.
Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (250/E)
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“.
Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.)
4. Punkt
Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.)
Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Als erster Redner ist mir Herr Abgeordneter Lukas Hammer gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch ein Kommentar zur letzten Debatte, weil ich diese Kleinstaaterei der FPÖ schwer aushalte – gerade in der jetzigen Krise mit einem 500 Kilometer von unserer Grenze entfernten Krieg und mit all den riesigen Problemen und Herausforderungen, vor denen wir gerade stehen –: Wenn es die Europäische Union nicht schon gäbe, müssten wir sie jetzt erfinden und jetzt gründen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Nun zum Thema: Wir wollen heute zwei Maßnahmen beschließen, die beide einen Beitrag dazu leisten sollen, dass wir am Beginn der nächsten Heizperiode unsere Gasspeicher zu mindestens 80 Prozent befüllt haben werden, und zwar sind das eine Novelle des Energielenkungsgesetzes und eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes.
Im Energielenkungsgesetz geht es vor allem darum, dass Industriebetriebe, die selbst Gas einspeichern, wie zum Beispiel die Voest, auch im Krisenfall weiter über ihre Gasreserven verfügen können. Wir führen eine sozusagen geschützte Gasmenge ein.
Im Zuge der Verhandlungen hat sich ein Abänderungsantrag ergeben, den ich aufgrund der Kürze vorlesen muss, und zwar ist das folgender Abänderungsantrag:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 1461 d.B. wird wie folgt geändert:
1. Z 10 lautet:
„10. Nach § 42 Abs. 2 werden folgende Absätze 3 und 4 angefügt:
(3) § 6a ist von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bis zum 31. Dezember 2024 zu evaluieren. Dem Nationalrat ist ein Bericht über die Ergebnisse der Evaluierung vorzulegen.
(4) § 26a und § 27 Abs. 4 Z 1a treten mit Ablauf des 31. Mai 2025 außer Kraft.“
*****
Das war der Abänderungsantrag zum Energielenkungsgesetz.
Im Gaswirtschaftsgesetz schaffen wir eine weitere Möglichkeit, die Gasspeicherstände zu erhöhen, nämlich durch eine physische Beschaffung von zusätzlicher Ausgleichsenergie. Der Staat kann vereinfacht gesprochen die Energieversorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Erdgas als Ausgleichsenergie beauftragen. Der Staat zahlt dabei die Dienstleistung der Vorhaltung, kauft aber in diesem Fall nicht selbst ein.
Auch da möchte ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einbringen. Aufgrund der Länge muss ich ihn nur in Grundzügen erläutern, und zwar geht es vor allem darum, dass die Verordnung zur Festlegung zum Einsatz der Gasmengen und weiterer Bestimmungen nun der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats bedarf und der Hauptausschuss diesbezüglich mit Zweidrittelmehrheit entscheiden muss.
*****
Das waren die beiden Abänderungsanträge.
Wir sind in dieser Situation gezwungen, sehr schnell zu handeln, deshalb kommen da auch sehr schnell wieder Gesetzesanträge. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich bei der SPÖ, bei Kollegen Schroll für die konstruktive Verhandlung und den konstruktiven Zugang. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)
Ja, wir treffen alle notwendigen Maßnahmen, damit unsere Wirtschaft auch im Krisenfall weiterarbeiten kann, damit wir unsere Wohnungen im nächsten Winter weiter heizen können, damit es weiter warmes Wasser gibt und damit wir auf Ausfälle bestmöglich vorbereitet sind.
Eines muss aber klar sein, vor allem angesichts der Kosten, die wir alle jetzt spüren, und auch der enormen Summen, die wir jetzt ausgeben, um dieses Gassystem zu schützen: Das Märchen vom billigen, vom immer verfügbaren russischen Gas ist für immer vorbei. (Beifall bei den Grünen.) Es hat noch nie gestimmt, aber spätestens jetzt sollte klar sein, wie naiv und wie falsch das war.
Wir haben die Versorgungssicherheit unseres Landes sehenden Auges den Launen eines Diktators ausgesetzt, und das fällt uns jetzt ordentlich auf den Kopf. Wir setzen jetzt alle Sofortmaßnahmen, die wir brauchen, um unsere Erdgasversorgung weiterhin sicherzustellen (Zwischenruf des Abg. Matznetter), aber noch viel wichtiger ist – und ich weise immer wieder darauf hin, dass das noch viel wichtiger ist –, dass wir jetzt alles unternehmen, dass wir nie wieder in diese Situation kommen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)
Herr Kollege Stöger, Sie schütteln den Kopf, aber ich will nie wieder dieses Märchen vom billigen Gas hören – ich will es nicht mehr hören! Es hat immer geheißen, Gas ist die saubere, billige Brückentechnologie – diese Brücke hat sich als sehr, sehr teure Sackgasse entpuppt.
Und ja, es gibt auch kein Zurück mehr zu diesem billigen Gas. Ich höre immer: Ja, es gibt grünen Wasserstoff und es gibt auch Biogas. – Das ist vollkommen richtig, wir werden das brauchen, aber wir werden das alte Gassystem nicht mehr eins zu eins so weiterführen können. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Biogas und grünen Wasserstoff werden wir für die Industrie brauchen, wo wir nicht auf Gas werden verzichten können, aber es ist zu teuer und wir haben schlicht nicht die Mengen, um zum Beispiel in der Raumwärme und beim Warmwasser das Erdgas durch grünes Gas zu ersetzen.
Wir brauchen möglichst rasch überall dort, wo wir das umsetzen können, eine sozial verträgliche Transformation raus aus Gas. Bei der Industrie werden wir vor allem auf
Energieeffizienz setzen, wir werden aber auch auf neue Technologien, auf grünen Wasserstoff, auf Biogas setzen, aber bei Warmwasser und bei Heizungen müssen wir endlich raus.
Alle können einen Beitrag dazu leisten: Bürgerinnen und Bürger können Energie sparen, das kann jeder mit freiwilligen Maßnahmen machen, aber auch, indem man die Häuser thermisch saniert oder indem man, wenn man zu Hause eine Gasheizung oder eine Ölheizung hat, diese durch eine saubere Heizung, zum Beispiel eine Wärmepumpe, einen Anschluss an die Fernwärme, wo das möglich ist, oder eine Pelletsheizung, ersetzt. Wir haben dieses Jahr so viel Budget, dass jeder, der umsteigen will, auch eine Förderung bekommt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Baumgartner und Smolle.)
Zusätzlich zu der Förderung, und das wissen wir, werden wir aber auch noch weitere Maßnahmen brauchen, und wir arbeiten auch an weiteren Maßnahmen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das im Regierungsprogramm vereinbarte Erneuerbare-Wärme-Gesetz brauchen werden, damit wir den Einbau neuer Gasheizungen und neuer Ölheizungen in Zukunft untersagen, dass wir aber auch dafür sorgen, dass jedes Mal, wenn eine Heizung getauscht wird, nicht wieder, nicht noch einmal eine Heizung auf Basis von Öl oder Gas eingebaut wird, sondern dass es die Verpflichtung gibt, dass dann auf ein sauberes Heizsystem umgestellt wird. (Abg. Kassegger: 300 000 Gasheizungen!)
Ich ersuche Sie um Zustimmung für die Maßnahmen, die wir heute beschließen, aber umso mehr und umso dringender ersuche ich Sie, dass wir wirklich gemeinsam alles dafür unternehmen, dass wir endlich aus dieser russischen Gasfalle herauskommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.03
Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.) (TOP 3)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 1461 d. B. wird wie folgt geändert:
1. Z 10 lautet:
„10. Nach § 42 Abs. 2 werden folgende Absätze 3 und 4 angefügt:
„(3) § 6a ist von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bis zum 31. Dezember 2024 zu evaluieren. Dem Nationalrat ist ein Bericht über die Ergebnisse der Evaluierung vorzulegen.
(4) § 26a und § 27 Abs. 4 Z 1a treten mit Ablauf des 31. Mai 2025 außer Kraft.““
Begründung
Für die Ausdehnung der Regelung über den Ersatz von Vermögensnachteilen wird eine Evaluierung durch die BMK durchgeführt, in der insbesondere die Tauglichkeit des Instruments für die unterschiedlichen Verbrauchergruppen geprüft wird. Über die Ergebnisse der Evaluierung ist dem Nationalrat zu berichten.
*****
Abänderungsantrag
der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll,
Kolleginnen und Kollegen
zum Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.) (TOP 4)
Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:
Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1462 d.B. wird wie folgt geändert:
1. Z 3 lautet:
„3. (Verfassungsbestimmung) In § 87 werden nach Abs. 5 folgende Abs. 6 und 7 angefügt:
„(6) Der Bilanzgruppenkoordinator hat auf Aufforderung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ein transparentes, diskriminierungsfreies, marktbasiertes und öffentliches Ausschreibungsverfahren zur Vorhaltung von Gasmengen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit durchzuführen. Die Vorhaltung erfolgt in Speicheranlagen, die für eine unmittelbare Ausspeisung in die Marktgebiete genutzt werden können. Die Vorhaltung für die Marktgebiete Tirol und Vorarlberg kann auch in Speicheranlagen erfolgen, die an benachbarte Marktgebiete angeschlossen sind. Die insgesamt vorzuhaltende Gasmenge ist in der Aufforderung durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie festzulegen, wobei die aktuellen sowie die prognostizierten Speicherstände und drohende oder bereits eingetretene Beeinträchtigungen oder Störungen der Versorgungssicherheit zu berücksichtigen sind.
(7) (Verfassungsbestimmung) Die gemäß Abs. 6 beschafften Gasmengen sind zur Bereitstellung von physikalischer Ausgleichsenergie nach Ausschöpfung der Aufbringungsmöglichkeiten gemäß Abs. 3 vorzuhalten. Die Kosten der Vorhaltung werden aus Bundesmitteln gedeckt. Festlegungen zum Einsatz der Gasmengen, zum Energiepreis sowie zur verursachungsgerechten Kostentragung sind von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen mit Verordnung zu treffen. Die Verordnung kann auch Festlegungen über weitere Verwendungszwecke und über die Herkunft der gemäß Abs. 6 beschafften Gasmengen enthalten. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates; dabei gilt Art. 55 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz sinngemäß.““
2. Z 5 lautet:
„5. (Verfassungsbestimmung) In § 169 wird nach Abs. 9 folgender Abs. 10 angefügt:
„(10) (Verfassungsbestimmung) § 87 Abs. 1 Z 4, § 87 Abs. 6 und 7 sowie § 88 Abs. 2 Z 8 treten mit Ablauf des 31. Mai 2025 außer Kraft.““
Begründung
Mit dem Abänderungsantrag wird eine sprachliche Anpassung und eine inhaltliche Änderung vorgenommen.
Zu Z 1 (§ 87 Abs. 6 und 7):
Die Wortfolge „durch die Bieter“ in Abs. 6 entfällt ersatzlos, da nicht sämtliche Bieter, die sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen, dazu verpflichtet sind, Gasmengen vorzuhalten. Diese Verpflichtung trifft lediglich jene Bieter, mit denen nach Abschluss des
Ausschreibungsverfahrens ein Vertrag über die Vorhaltung von Gasmengen abgeschlossen wird.
In Abs. 7 wird ergänzt, dass die Verordnung der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf, wobei Art. 55 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetz sinngemäß zur Anwendung gelangt.
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit auch in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Alois Schroll. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Nein, das Thema Energie-, Gasversorgung ist nicht einfach vom heiteren Himmel gefallen, und nein, es hat wahrscheinlich hier herinnen auch niemanden wirklich überrascht – zumindest nicht meine Fraktion und auch nicht mich als Energiesprecher.
Bereits voriges Jahr, 2021, im Herbst hat sich schon wirklich abgezeichnet, dass sich auf den Großmärkten für Strom und Gas massiv etwas zusammenbraut, und es war einfach ein Super-GAU mit Ansage. Was hat die Bundesregierung damals aber gemacht? – Sie hat Ihren Kopf in den Sand gesteckt und hat zugeschaut. Wir haben Sie wirklich oft und oft und immer wieder davor gewarnt.
Jedoch, geschätzte Kolleginnen und Kollegen – zugegeben –, konstruktive Arbeit ist auch schwierig, wenn sich das Personalkarussell schneller dreht als die Wilde Maus oder das Tagada im Wurstelprater. (Zwischenruf des Abg. Lindner.) Mittlerweile kennt sich ja der eingefleischteste Politikinsider nicht mehr aus, wer in welchem Ministerbüro sitzt und wer für wen und für was zuständig ist. Wenn man schon nicht mit seiner Arbeit in die Geschichtsbücher eingeht, dann zumindest als Weltmeister der Rochaden. (Beifall bei der SPÖ.) Das müsst ihr euch leider gefallen lassen, es ist so.
Hätte die Regierung unsere Warnrufe ernst genommen und im September 2021 nicht noch immer von prall gefüllten Gasspeichern gesprochen – das war Bundeskanzler Schallenberg damals im EU-Hauptausschuss am 20. Oktober –, dann würden wir heute nicht in dieser prekären Situation sein. Und, lieber Kollege Lukas Hammer, da gebe ich dir recht: Hätte die Regierung damals schon unsere Warnrufe gehört, wären wir nicht in dieser Situation. Die heutigen Änderungen im Energielenkungs- und im Gaswirtschaftsgesetz sind auch deshalb notwendig, weil – du (in Richtung Abg. Lukas Hammer) hast es angesprochen – wir da wirklich eine prekäre Situation haben und aufgefordert sind, schnell zu reagieren.
So stelle ich heute erneut meine Frage an die zuständige Ministerin – die zuständige Rohstoffministerin ist uns ja leider abhandengekommen, die gibt es nicht mehr –: Was ist seit dem 24. Februar und davor in diesem Bereich mit Strom und Gas passiert? – Viel zu langsam, viel zu zögerlich und zu zaghaft ist der Umgang mit der Absicherung unserer Energieversorgung und der Versorgungssicherheit gelaufen. Außer der strategischen Gasreserve, zu der wir unsere Stimmen für die Zweidrittelmehrheit gegeben haben, ist meiner Meinung nach noch nichts wirklich passiert; heute kommt eine kleine Gesetzesbegutachtung dazu.
Jetzt dauert der Krieg in der Ukraine bereits 84 Tage, und andere Länder haben schnell erkannt, welche Schritte sie einleiten müssen, und sie haben auch Schritte eingeleitet. Zum Beispiel hat sich Italien eine Gaslieferung aus Nordafrika gesichert, Deutschland
hat seine Gasabhängigkeit von Russland mittlerweile von 55 Prozent auf 35 Prozent reduziert; bis Jahresende sollen es 30 Prozent sein. Wo bitte ist aber der Plan für Österreich und was soll in Österreich passieren? – Während internationale und europäische Länder wie gesagt schon reagiert haben, ist bei uns leider noch nichts passiert.
Wir von der SPÖ werden ständig von euch – von der ÖVP und von der grünen Seite – verurteilt, wir würden euch nur bekritteln, wir würden eure Erfolge nicht mittragen. – Nein, geschätzte ÖVP, und nein, geschätzte Grüne, wir wollen nur das, was ihr euch ins Regierungsprogramm geschrieben habt, und wir wollen nur, dass das, was ihr angekündigt habt, umgesetzt wird – nur das, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der SPÖ.)
Beispiele gefällig, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Seit 503 Tagen haben wir kein Klimaschutzgesetz, seit 503 Tagen haben wir kein Energieeffizienzgesetz – beide sind am 1.1.2021 ersatzlos ausgelaufen. Wir haben kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz und, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir haben kein fertiges EAG, das wir hier am 7. Juli 2021 beschlossen haben. Die EU-Notifizierung ist über die Bühne gegangen; von 20 Verordnungen ist eine Verordnung umgesetzt worden – es fehlt auch da das EAG. Wir haben keine Strategie für grünes Gas, wir haben keine Strategie für grünen Wasserstoff, und so weiter und so weiter.
Ich bin froh, dass es mir mit meinem Team gelungen ist, auch diesen Gesetzen die Giftzähne ein bisschen zu ziehen – wir werden diesen beiden Gesetzen auch zustimmen –, und ich bin auch froh, dass die weiteren Themen einem Energieausschuss am 7. Juli zugeteilt wurden.
Ich stelle heute erneut die Frage: Wie wollt ihr den Ausbau der Erneuerbaren und somit die Abkehr von fossiler Energie voranbringen, wenn ihr euch gegenseitig behindert? Frau Ministerin, ich ersuche dich wirklich auf das Höflichste: Jetzt, da die Rohstoffministerin weg ist – vielleicht war sie diejenige, die das behindert hat –, können wir Vollgas geben, jetzt machen wir etwas! (Beifall bei der SPÖ.)
Damit möchte ich abschließend zum Wurstelprater zurückkommen: Wenn ich mir die Performance der Regierung bis dato wirklich anschaue, dann kann ich nur sagen: Da schlafe ich ein! Da bin ich nicht mit der Wilden Maus unterwegs, sondern mit der Liliputbahn. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
13.09
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ja, ich möchte in aller Kürze Stellung nehmen. Es geht da um zwei Maßnahmen: das Energielenkungsgesetz und das Gaswirtschaftsgesetz.
Da kommen wir drauf beziehungsweise sind wir aufgrund der Situation, in die wir uns hineinmanövriert haben, genötigt, entsprechende Maßnahmen zu setzen, einerseits was die Verpflichtung betrifft, Ausgleichsenergie vorzuhalten, und andererseits was den Schutz jener angeht, die sozusagen von Lenkungsmaßnahmen betroffen sind. Das wird immer so schön beschrieben: die Lenkungsmaßnahmen – das sind vollkommene Eingriffe aus einer Notsituation heraus. Energielenkung heißt: Ich nehme dir etwas weg, ich schalte ganze Gebiete ab, ich schalte Industrien ab, ich schalte was auch immer ab. Also da sind wir schon ganz nahe an der Schnittfläche zur Enteignung.
Diesen beiden Gesetzentwürfen können wir zwar zustimmen, aber noch einmal: Das ist der Ausfluss einer vollkommen verfehlten Energie- und Klimapolitik und natürlich auch einer Sanktionspolitik, die offenbar unter dem Dach einer unbegrenzt auf Pump zur Verfügung stehenden Geldmenge zu Nullzinsen entsteht, denn die Kosten spielen offensichtlich überhaupt keine Rolle. Das sind natürlich enorme Kosten, die da entstehen.
Im Übrigen vielleicht noch eine Frage: Wie wollen Sie jetzt konkret diese ungefähr 100 Terawattstunden Gas aus Russland ersetzen, ganz konkret? Mit den Windrädern und Fotovoltaikanlagen wird es nicht gehen. Was sind jetzt ganz konkret die Alternativen? Wenn es dann LNG oder sonst etwas aus Amerika oder anderen Ländern ist, dann können wir uns gerne noch über die Umwelteffekte und die Sinnhaftigkeit einer solchen Alternativmöglichkeit unterhalten, die sehen wir nämlich überhaupt nicht.
Wir werden beiden Gesetzentwürfen, die jetzt etwas korrigieren, was zu korrigieren ist, zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)
13.11
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer! Geschätzte Frau Ministerin! Das Thema Versorgungssicherheit ist viel zu wichtig, um jetzt auf die Redebeiträge der Kollegen von Pratergeschichten oder Märchen einzugehen. Ich glaube, unsere Aufgabe hier ist es, die Bevölkerung zu informieren.
Ein Wort aber noch zum Thema Ministerin: Frau Ministerin Gewessler war hier, ist hier und bleibt auch hier. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)
Unser Bundeskanzler hat es gestern sehr wohl auf den Punkt gebracht: Neben den bereits beschlossenen Entlastungspaketen ist es wichtig, Versorgungssicherheit zu schaffen. Besonders im Energiebereich setzen wir deshalb auf schnelle und effektive Maßnahmen, um unsere Gasbevorratung zu sichern. Damit stärken wir die österreichische Widerstandsfähigkeit und werden Schritt für Schritt unabhängiger. Erdgas wird derzeit sowohl von der Industrie, aber auch für unsere 900 000 Haushalte unbedingt noch benötigt. Unser Ziel ist es aber trotzdem, einen Füllstand der Erdgasspeicher von circa 80 Prozent vor Beginn der Wintersaison sicherzustellen. Daher wird die Bundesregierung auch ihre Verantwortung wahrnehmen und hat schon im ersten Schritt die strategische Bevorratung auf 20 Terawattstunden erhöht; der erste Schritt ist somit gemacht.
Wir brauchen natürlich mehrere Schritte, daher ist auch da die Wichtigkeit gegeben, dass wir die Anträge jetzt auf drei Säulen aufgebaut haben, um eben langfristig etwas abzusichern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Welche Säulen sind das? – Die erste Säule ist das Energielenkungsgesetz. Unternehmerische Verantwortung ist für uns Unternehmer in Österreich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Daher sorgen die Unternehmer auch für ihre eigene Gasbevorratung vor und decken damit eventuelle Notfälle ab. Das Energielenkungsgesetz sieht aber vor, dass im Notfall auf diese Reserven zurückgegriffen werden kann.
Mit der Novellierung sorgen wir einerseits zusätzlich für die Versorgungssicherheit für unsere Haushalte, aber auch für die Rechtssicherheit für unsere Unternehmen, die ganz wichtig ist. In Zukunft wird es bei Notfällen so sein, dass wir auf 50 Prozent zurückgreifen können, aber es muss auch klar sein, dass das nicht unentgeltlich passieren kann. Daher wird diese Novellierung stattfinden. Die restlichen 50 Prozent bleiben den Unternehmen natürlich, um den Betrieb ihrer Unternehmen aufrechtzuerhalten und damit auch die Arbeitsplätze abzusichern.
Die zweite Säule ist die Einführung eines Marketmakers für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Sicherheit bedeutet nämlich auch Netzstabilität bei uns. Derzeit ist der Markt- und Verteilergebietsmanager für die Ausgleichsenergie zuständig und sorgt eben für das Gleichgewicht zwischen Gasein- und Gasausgang. Dieses Modell, in dem die benötigten Mengen gekauft oder verkauft werden, möchten wir nun ausbauen. Die Aufgabe des Marketmakers wird in Zukunft sein, neben der Ausgleichsenergie auch
Speicherplätze zu beschaffen. Damit stellen wir sicher, dass wir, sollte es zu einem Lieferstopp aus Russland kommen, genügend Ausgleichsenergie vor Ort haben.
Die dritte Säule, von der wir im Ministerrat gestern auch schon gehört haben, wird sich damit beschäftigen, dass die Speicherkapazitäten effizient genützt werden. Da gibt es das Prinzip Use it or lose it. Ergänzend dazu wird es heute noch einen Antrag von unserer Seite geben, um die Speicherung langfristig sicherzustellen. Nach dem Prinzip Use it or lose it werden Speichernutzer sozusagen verpflichtet, ihre genutzten Speicher entweder selbst zu befüllen oder zur Verfügung zu stellen. Damit verhindern wir a) leere Gasspeicher und stellen b) sicher, dass wir für die Wintermonate auch genug Speicherplätze haben.
Auch der Speicher Haidach, der ein wichtiger Teil in unserem Sicherheitskonzept sein wird, wird da eine Rolle spielen, indem wir die Ministerin auffordern möchten, ein Nutzungsabkommen mit Deutschland einzugehen, um klarzustellen, dass wir auch die Nutzungsrechte bekommen. Und wir brauchen natürlich auch den Netzanschluss des Gasspeichers Haidach an das österreichische Netz; das werden wir auch machen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rasche und effektive Versorgungssicherheit für Österreich zu gewährleisten ist unser Gebot der Stunde. Mit unseren strategischen Reserven werden wir mit den drei Säulen, die ich Ihnen schon erklärt habe, die nötigen Impulse setzen, damit wir genug Gas zur Bevorratung, genug Gas zum Speichern haben und auch die Netzstabilität garantieren können. Damit sind wir für einen plötzlichen Lieferstopp gerüstet und können unsere Privathaushalte sowie die Wirtschaft weiterhin mit genügend Energie versorgen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
13.16
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Auch aus unserer Sicht diskutieren wir heute sinnvolle Anpassungen, denen wir auch zustimmen werden. Es wurde schon gesagt: Einerseits schaffen wir im Gaswirtschaftsgesetz eine Möglichkeit, Ausgleichsenergie im Notfall sicherzustellen. Das ist nicht nur wichtig zur Versorgungssicherheit, sondern vor allem eben auch wegen der Netzstabilität.
Der zweite Punkt: Energielenkungsgesetz. Was wir dabei gut finden, ist, dass Industriebetriebe, die zusätzlich Gas einspeichern, Rechtssicherheit und damit zumindest auch eine gewisse Planungssicherheit bekommen. Somit wird auch das Risiko zwischen der Republik und den großen Verbrauchern aufgeteilt, was wir ebenfalls sinnvoll und gut finden, denn damit wird ja das gesamte System auch krisensicherer.
Ja, wir NEOS sind bei sinnvollen Regierungsvorlagen konstruktiv, und deswegen, wie schon gesagt, stimmen wir da gerne zu. Es hat natürlich im Vorfeld Kritik gegeben, Abänderungsanträge, die recht kurzfristig gekommen sind, jetzt kommt ein Initiativantrag betreffend Haidach dazu, aber auch dazu wird es noch Diskussionen in der nächsten Ausschusssitzung geben. Und auch betreffend Haidach – übrigens: ich habe schon im April gefordert, dass man genau das macht, was jetzt kommt – finden wir die Diskussion positiv.
Was aber trotzdem anzumerken ist: Wir sind jetzt in Woche zwölf nach Kriegsbeginn. Bei diesem gesamthaften Plan, wie wir mit der Gasspeicherung umgehen und wie wir die Sicherheit für den nächsten Winter schaffen, sind wir nach wie vor einfach noch hinten. Alle anderen Länder – nicht alle, aber fast alle anderen Länder in der Europäischen Union – haben da schon wirklich fast alles umgeschmissen und umgeworfen, um in die Planung zu kommen. Da sind wir eben noch ganz am Anfang.
Ich schaue auch immer wieder nach Deutschland: Osterpaket für die Erneuerbaren, Sommerpaket für Gas. Das ganze Baltikum ist komplett raus aus russischem Gas und baut gemeinsam mit Finnland und Polen eine Infrastruktur aus Speichern und LNG-Terminals. Da sind schon ganz massiv Schritte gesetzt worden, und das wünschen wir uns auch, denn in Österreich sind wir aus meiner Sicht – wir haben das heute in der Früh schon besprochen – noch einen Schritt hinten, weil wir ganz, ganz wichtige Dinge immer noch nicht wissen, die zwar hoffentlich – hoffentlich!, hinter verschlossenen Türen zumindest – diskutiert werden, aber die jetzt auch tatsächlich nach außen getragen werden müssen.
Ich fange wieder mit meiner Diskussion zur OMV an: Hat die OMV Pipelinekapazitäten geschaffen, damit das Gas auch nach Österreich transportiert werden kann? Dazu haben wir keine Klarheit. Wie viel Gas aus Norwegen ist denn wirklich für Österreich verfügbar? Die anderen haben ja auch langfristige Verträge mit Norwegen abgeschlossen. Wenn wir norwegisches Gas über die OMV, die ja dort ein Gasfeld besitzt, nach Österreich bringen wollen: Wie viel ist denn eigentlich für Österreich da? Dazu gibt es nach wie vor keine Klarheit.
LNG: Ja, wir haben in Rotterdam über die OMV einen Terminal. Wie viel Gas kann da wirklich nach Österreich transportiert werden? Was passiert da genau?
Letztendlich – und ich komme immer wieder zu diesem Punkt –: Was ist überhaupt mit der OMV? Ich meine, ganz im Ernst: Warum wird so beharrlich geschwiegen? Wozu hat die Republik denn Anteile an diesem Unternehmen, an der OMV ganz konkret? – Ein Grund ist nämlich, Versorgungssicherheit in der Krise zu garantieren.
Ich glaube, jetzt sind wir uns alle einig: Wir hätten gerade eine Krise, oder? Und, ganz im Ernst, die OMV rührt sich nicht dazu! Frau Bundesminister, Sie sagen dann: Ja, das macht der Finanzminister!, der Finanzminister sagt: Das geht mich nichts an, das muss die Frau Energieministerin machen! – Das kann es schlicht und einfach nicht mehr sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Und ja, wir brauchen einen stringenten Plan zum Ausstieg aus russischem Gas oder zumindest zu einer deutlichen Reduktion – alles andere wäre eine energiepolitische Bankrotterklärung, da bin ich bei Kollegen Hammer. Jetzt haben wir in drei Monaten ehrlich gesagt noch nicht viel auf den Boden gebracht, und da wundere ich mich schon, ob es dafür nicht doch noch einen anderen Grund auch gibt, der nämlich damit zu tun hat, dass die OMV ganz, ganz langfristige Verträge mit der Gazprom hat, um genau zu sein bis 2040 – und das sind nicht irgendwelche Verträge, meine Damen und Herren, sondern das sind sogenannte Take-or-pay-Verträge, was nichts anderes heißt als: Selbst wenn wir das Gas nicht nehmen, müssen wir die Gazprom dafür bezahlen. Wir sprechen da, wenn wir vorsichtig kalkulieren, von einem Risiko für die OMV – und damit auch für die Republik – von über 50 Milliarden Euro, meine Damen und Herren. 50 Milliarden Euro, das ist nicht nichts, und, meine Damen und Herren, dieses Thema kann man nicht länger schweigend sozusagen ignorieren. (Beifall bei den NEOS.)
Das wird der Bundesregierung nicht gelingen. Wir reden da von einem politischen Skandal – von einem politischen Skandal, der aus meiner Sicht aufgearbeitet gehört. Ich rede da potenziell vom nächsten Untersuchungsausschuss, um wirklich die politische Verantwortung dafür aufzuarbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
13.21
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.
Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben in der vergangenen Fragestunde
ja schon einige der Themen besprochen, deswegen werde ich mich jetzt auch im Sinne der Zeiteffizienz nicht wiederholen, aber eine grundsätzliche Bemerkung und zwei Kommentare zu einigen Ausführungen machen.
Wir drehen gegenwärtig wirklich an vielen Schrauben, an allen Schrauben, die uns zur Verfügung stehen, um die Versorgungssicherheit in Österreich zu gewährleisten, die Risikoabsicherung zu verbessern und vor allem auch die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Wir müssen uns auf jedes Szenario vorbereiten, also auch auf die Auswirkungen eines Lieferstopps, denn in einer kriegerischen Situation, wie wir sie jetzt sehen, wenn Russland in der Ukraine einen brutalen Angriffskrieg führt, gibt es eine Sicherheit, nämlich dass man kein Szenario a priori ausschließen kann. Genau für diese Vorsorge liegen Ihnen heute zwei Änderungen vor, nämlich zum Energielenkungsgesetz und zum Gaswirtschaftsgesetz, für die ich wirklich um Zustimmung werbe, und wenn ich die Redebeiträge aus der ersten Runde richtig interpretiere, dann freue ich mich schon vorab ein bisschen. Ich möchte Ihnen aber trotzdem erklären, was wir da vorhaben.
Im Energielenkungsgesetz geht es vor allem darum, Großabnehmer – also es wird primär, denke ich, für die wirklichen Großabnehmer im Gasbereich interessant sein – in die Lage zu versetzen, dass sie selbst für den Fall einer Lieferunterbrechung und einer Störung vorsorgen und entsprechend Gas einspeichern können. Deswegen sollen mit dieser Novelle die selbst eingespeicherten Mengen von Großverbrauchern vor mengenbezogenen Lenkungsmaßnahmen geschützt werden, solange es technisch im System möglich ist.
Das heißt zwei Dinge. Das heißt, wenn ein Industrieunternehmen jetzt Verantwortung übernimmt und selbst Gas beschafft und einspeichert, soll es sich dann auch auf diese geschützten Gasmengen verlassen können. Uns hilft es, als Volkswirtschaft Lenkungsmaßnahmen mit hohen Speicherständen möglichst lange vermeiden zu können. Der Industrie verhilft es zu mehr Sicherheit, zu mehr Resilienz. Wir sorgen mit einem guten Kompromiss – nämlich 50 Prozent der Menge, die für die Produktion notwendig ist – dafür vor, dass man eine Absicherung hat, es aber gleichzeitig nicht zum Horten von Speicherkapazitäten kommt. Ich denke also, wir haben da wirklich einen guten Kompromiss und einen sehr, sehr guten Vorschlag gefunden, um der Industrie mehr Sicherheiten bei der Einspeicherung von Gas zu geben.
Die zweite wesentliche Änderung im Energielenkungsgesetz betrifft den Ersatz von Vermögensnachteilen im Falle einer Energielenkung. Bislang gab es im Energielenkungsgesetz – Sie wissen, wir hatten in den Jahrzehnten der Zweiten Republik noch nie einen Energielenkungsfall – eine Entschädigungsregelung nur für Kohle und Erdöl. Wir werden jetzt eine Entschädigungsregelung vorschlagen, die in die gleiche Richtung geht, aber eben auch für Elektrizität und Erdgas gilt, um da gleichzuziehen und auch eine finanzielle Absicherung zu gewährleisten.
Ich möchte mich jetzt auch aus der Position des Ministeriums ganz, ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit in den Verhandlungen bedanken. Es gab auch zu einem Wunsch der SPÖ eine Einigung, die noch eingefügt wurde und die ich sehr begrüße, nämlich dass diese Bestimmung zum Ersatz von Vermögensnachteilen noch evaluiert wird und dem Nationalrat auch berichtet wird.
Der zweite Teil ist das Gaswirtschaftsgesetz. Bei der vorgeschlagenen Änderung im GWG schaffen wir – Abgeordnete Graf hat es vorhin schon erklärt – eine weitere Möglichkeit, im Auftrag des Staates Gas zu beschaffen. Wir haben diese Möglichkeit bis dato nicht gehabt. Im Zusammenhang mit der strategischen Gasreserve ist es das erste Mal, dass wir das in Österreich tun können. Wir schaffen hier im GWG mit dem sogenannten Marketmaker eine weitere Möglichkeit. Wir können über den Bilanzgruppenkoordinator die Energieversorger mit der Vorhaltung und der Speicherung von Erdgas als Ausgleichsenergie im Gassystem beauftragen. Das heißt, die Gasunternehmen bekommen
eine Abgeltung für die Vorhaltung, sie können das Gas aber, sofern wir es dann nicht als Ausgleichsenergie abrufen, auch selbst verwenden.
Wir orientieren uns da an der Vorgehensweise in Deutschland. Ich bin sehr eng in Abstimmung auch mit meinem deutschen Kollegen Robert Habeck, weil diese Versorgungsversicherung eine gute Variante ist, eine effiziente Variante ist, um im Notfall fehlende Gasmengen rasch bereitstellen zu können, und auch das leistet damit einen Beitrag zum Ziel der Bundesregierung, die Speicherkapazität bis zum Beginn der Heizsaison auf 80 Prozent zu füllen. Kommt es zum Engpass in der Gasversorgung, hat der Staat eben auch über die über die Versorgungsversicherung beschafften Mengen Zugriff auf Gasreserven; wird das Gas aber nicht benötigt, fallen umgekehrt für den Staat relativ geringe Kosten an.
Auch da ein großes Danke für die konstruktiven Vorschläge der Opposition. So wird durch einen Abänderungsantrag ergänzt, dass es für die Verordnung zur Festlegung des Einsatzes der Gasmengen und aller weiteren Bestimmungen einer Zustimmung des Hauptausschusses bedarf. Ich denke, das ist gut. Wir stellen auch mit dieser Maßnahme sicher, dass wir eine breite parlamentarische Grundlage für substanzielle Ausgaben und für eine umfangreiche Vorsorge, die der Staat setzt, haben.
Ich weiß – und ich danke auch da für das Verständnis –, dass wir in dieser außergewöhnlichen Situation unser Bestes tun, um schnell und gründlich zu handeln. Ich weiß auch, ich kann für die Verhandlungen mit dem Parlament nicht immer persönlich zur Verfügung stehen, aber mein Angebot besteht jederzeit und weiterhin, dass ich auch gerne persönlich für Nachfragen oder für Infos zur Verfügung stehe, wenn Sie das für sachdienlich halten.
Zu den Fragen noch aus der Debatte vorhin: Wir haben, gerade was die Gasspeicherung betrifft, jetzt wirklich – das war das Anliegen von Frau Doppelbauer – ein sehr umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedet, heute zur Beschlussfassung vorliegen beziehungsweise mit einem Antrag heute auch noch eingebracht, um wirklich die Gasspeicherstände auf das Niveau zu bringen, das wir für den nächsten Winter brauchen. Damit erfüllen wir auch die Voraussetzungen, die wir auf europäischer Ebene heute noch einmal beschlossen haben. Es gibt auch eine europäische Verpflichtung – sie muss noch formal durch die Beschlussfassung, aber es gibt eine vorläufige Einigung –, aber mit der Reserve, mit der Ausweitung der Reserve, mit dem Anschluss aller Speicher an das österreichische Marktgebiet, mit der Versorgungsversicherung, mit den Maßnahmen, die die E-Control setzen kann, mit der Use-it-or-lose-it-Regelung auch für die Gasspeicher haben wir jetzt wirklich ein Paket, das sicherstellt, dass wir mit besser gefüllten Speichern in den Winter kommen.
Das Ausstiegsszenario haben wir schon in der Fragestunde vorhin besprochen. Ich möchte nur noch einen Satz dazu sagen: Ja, auch die Alternativen zu russischem Erdgas sind fossiles Gas, sind aus Ländern, die nicht immer voll ausgebaute Demokratien sind, oder sind unter umweltschädigenden Bedingungen – Herr Kassegger hat darauf hingewiesen – gewonnen worden.
Was wäre aber die Alternative? – Die Alternative zum Ausstieg aus russischem Erdgas gibt es meiner Meinung nach nicht, denn die Alternative wäre, einem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine nichts entgegenzusetzen und dem unglaublichen Völkerrechtsverbrechen in Butscha einfach zuzuschauen. Deswegen ist die Konsequenz der Ausstieg aus den russischen Erdgaslieferungen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Eine gute Nachricht habe ich noch für Alois Schroll: 2022 wird sowohl für die Windenergie als auch für die Fotovoltaik ein Rekordjahr. Ich glaube, das sind gute Neuigkeiten für uns alle.
Ich bedanke mich herzlich für die Zustimmung zu diesen zwei Gesetzesvorlagen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.30
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Julia Elisabeth Herr. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Wertes Hohes Haus! Werte Frau Ministerin! Wir haben jetzt viel gehört, haben auch schon in der Früh viel gehört, aber wenn mit jedem Male, wenn die Bundesregierung oder auch die Vertreter von ÖVP und Grünen sagen: Wir werden die Abhängigkeit von Gas beenden!, auch tatsächlich eine Gasheizung ausgetauscht werden würde, dann hätten wir den Ausstieg schon fast geschafft. Das passiert nur leider nicht, es bleibt hier sehr häufig bei den Ansagen.
Es kommt mir fast so vor, Frau Ministerin, als ob Sie glauben, wenn Sie oft wiederholen, dass wir den Ausstieg aus dem Gas schaffen werden, dass es durch die Wiederholung in möglichst viele Kameras Realität werden würde – aber so funktioniert das nicht! Wir brauchen keine Willensbekundungen, wir brauchen auch keine schönen Schlagzeilen mehr. Sebastian Kurz ist jetzt zwar weg, aber diese Medienstrategie der Bundesregierung, dass die schöne Ankündigung und die Inszenierung anscheinend über den tatsächlichen Reformen, den tatsächlichen Gesetzen, die ja fehlen, steht, bleibt – aber auch diese Medienlogik brauchen wir nicht mehr.
Die Gaspreise gehen durch die Decke. Das Gas ist im Vergleich zum Vorjahr bis zu fünf Mal teurer – die Gaspreise sind bis zu fünf Mal so hoch! –, und ein Ende der Preisexplosion ist nicht in Sicht.
Sehr geehrtes Hohes Haus! Niemand zahlt so hohe Gaspreise, beispielsweise für das Heizen, gerne, und viele können das auch gar nicht mehr tun. Auch für das Klima sind Gasheizungen ja wirklich nicht das Beste. Das heißt, es ist alternativlos, dass wir handeln müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist alternativlos und trotzdem – und jetzt heißt es aufpassen! –, obwohl das Gas so unsicher ist, obwohl es so teuer ist, obwohl es schlecht für das Klima ist, werden in diesem Land im Neubau, also in neu gebauten Wohnungen und Häusern, laufend neue Gasheizungen eingebaut. Da rede ich nicht über den Bestand, sondern wirklich über den Neubau, wo jetzt aktuell Gasheizungen eingebaut werden. (Abg. Lukas Hammer: Burgenland, Kärnten!) Das ist absurd, weil es erstens wirklich gerade im Neubau Alternativen – beispielsweise Wärmepumpe, Fernwärme – gibt, das ist absurd, weil zweitens diese Alternativen umweltfreundlicher wären, und drittens ist es absurd, weil wir auf der anderen Seite gleichzeitig Geld in die Hand nehmen, um Gasheizungen auszutauschen. Es gibt öffentliche Förderschienen, damit die Haushalte um Unterstützung ansuchen können, wenn sie die Gasheizung tauschen – und das ist auch gut so und da fordern wir auch noch mehr Unterstützung ein –, aber das heißt, während wir Geld investieren, während wir Geld verwenden, um Gasheizungen zu tauschen, werden laufend neue eingebaut. Das kann sich jetzt jeder selbst ausrechnen, dass das nicht sinnvoll ist, wenn man Geld investiert, um etwas abzuschaffen, was laufend nachkommt.
Dahin gehend bringe ich heute einen Antrag ein, nämlich damit aufzuhören und im Neubau keine Gasheizungen mehr einzubauen.
Geben Sie sich einen Ruck, werte Regierungsparteien, stellen wir klar, dass ab dem kommenden Jahr 2023 im Neubau keine Gasheizungen mehr eingebaut werden! Ich verlange da auch gar nicht viel von Ihnen, ich verlange nur das, was Sie selbst ständig ankündigen, was auch heute wieder angekündigt wurde: Das soll passieren, das steht im Regierungsprogramm! – Na dann, beschließen wir das heute auch einmal! Bleiben
wir nicht nur bei der Ankündigung, schaffen wir Tatsachen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)
Es ist nämlich auch die Aufgabe der Politik, klare Regelungen vorzugeben, was zu tun ist und was nicht. Wenn wir darauf warten, dass sich der freie Markt durch Anreizsysteme irgendwie selbst regeln wird, dann wird die Energiewende nicht zu schaffen sein. Nur durch Preissignale wird das ganz einfach nicht passieren. Es braucht die öffentliche Hand, die mutig vorangeht, die klare Regelungen schafft.
Im Übrigen gilt das natürlich auch für Bauwirtschaft: So ein Neubau, in den eine Gasheizung eingebaut wird, hat ja eine monatelange Vorlaufzeit. Schaffen Sie endlich Klarheit! Sie haben es heute schon wieder mehrmals verbal angekündigt – dann stimmen Sie diesem Antrag bitte zu, den ich hiermit einbringe:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Aufstellung und der Einbau von Gasheizungen in neu errichteten Gebäuden mit 1. Jänner 2023 verboten wird und die Förderung kostengünstiger Alternativen dauerhaft gesichert wird.“
*****
Bleiben wir nicht nur bei den Ankündigungen, machen wir heute auch Nägel mit Köpfen! Das ist gut für die KonsumentInnen, die bei dieser unsicheren Gasversorgung dann endlich Sicherheit bekommen, das ist bei diesen ins Unendliche steigenden Gaspreisen gut für das Börserl der Menschen, und das ist gut fürs Klima. Die einzige Person, für die das schlecht ist, ist Putin, und ich glaube, das ist nur ein weiteres Argument dafür, dass wir diesem Antrag heute zustimmen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
13.36
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Julia Herr,
Genossinnen und Genossen
betreffend Schluss mit Gasheizungen in Neubauten
eingebracht im Rahmen der Debatte über den Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.) (TOP 4)
Wir müssen raus aus Gas und das fossile Zeitalter endlich hinter uns lassen! Was bereits aus Klimaschutz-Gründen höchste Priorität hat, wird durch die Ukraine-Krise nochmals dringlicher. 80% der Gasimporte Österreichs kommen aus Russland. Milliardenbeträge fließen so an Putin und finanzieren so indirekt den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es wird also höchste Zeit uns endlich aus dieser Abhängigkeit zu befreien!
Explodierende Preise
Viele ÖsterreicherInnen spüren aber noch einen weiteren Grund: Die explodierenden Gaspreise. 900.000 Haushalte heizen österreichweit mit Gas. Die stark steigenden Gaspreise auf dem Weltmarkt schlagen in höheren Energiepreisen für Haushalte durch. Viele Menschen sehen die Auswirkungen bereits heute auf ihrer Gasrechnung oder werden eine böse Überraschung erleben, wenn die Gasnachzahlung ins Haus flattert. Für Menschen, die bereits zuvor in Energiearmut lebten, sprich ihre Wohnung nicht ausreichend heizen konnten, ist die Situation nochmals um ein Vielfaches problematischer. Energiearmut ist dabei leider keine Seltenheit in Österreich: 3% der Haushalte sind davon betroffen. Es ist ein Skandal, wenn in Österreich Menschen sich entscheiden müssen, ob sie sich das Heizen oder das Essen leisten sollen.
Raus aus Gas!
Klimaschutz, die erdrückende Abhängigkeit und die explodierenden Energiepreise sprechen eine klare Sprache: Raus aus Gas! Trotzdem gibt es keinen bundesweiten Beschluss, der Gasheizungen in Neubauten verbietet oder dafür eine klare Frist definiert. Doch um einen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter zu schaffen, muss die Politik klar vorgeben, in welche Richtung es gehen soll. Denn auch die Baubranche ist darauf angewiesen, dass es klare Rahmenbedingungen gibt. Denn Neubauprojekte haben lange Vorlaufzeiten und hohe Investitionskosten, weshalb klare Ansagen und fixe Fristen umso wichtiger sind.
Ein Beschluss für das Ende von Gasheizungen in Neubauten ist daher dringend nötig. Bereits 2023 soll Schluss damit sein! Wir müssen jetzt rasch die Weichen für eine Zukunft frei von fossilen Energieträgern und frei von Abhängigkeit stellen. Wir müssen jetzt die wichtigen Schritte für eine Selbstversorgung mit erneuerbarer Energie machen!
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Aufstellung und der Einbau von Gasheizungen in neu errichteten Gebäuden mit 1. Jänner 2023 verboten wird und die Förderung kostengünstiger Alternativen dauerhaft gesichert wird.“
*****
Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist nun Franz Leonhard Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren eine Änderung des Energielenkungsgesetzes. Damit diskutieren wir indirekt auch das Thema Sicherheit. Diese Regierung tut alles, um die Sicherheit zu erhöhen. Sicherheit ist ein Gebot der Stunde, aber Sicherheit ist nicht selbstverständlich. Wenn wir bisher über Sicherheit gesprochen haben, dann haben wir vornehmlich über die äußere Sicherheit, die militärische Verteidigung, über die innere Sicherheit, also Polizei und Rechtsstaat, gesprochen, und nun wird vermehrt über andere Sicherheitsaspekte diskutiert.
Was die Versorgung mit Lebensmitteln betrifft, so sorgen die Bäuerinnen und Bauern dafür; wir haben einen hohen Selbstversorgungsgrad. Ich spreche dieses Thema auch explizit bei diesem Tagesordnungspunkt an, weil wir beim folgenden Tagesordnungspunkt auch einen Antrag der SPÖ diskutieren werden, der vorsieht, dass der Landwirtschaft Geldmittel weggenommen und in landwirtschaftsfremden Bereichen deponiert werden sollen.
Auch die Sicherheit die Energieversorgung betreffend ist ein wesentlicher Punkt. Da ist das Problem, dass wir derzeit einen erheblichen Teil an fossilen Energieträgern, die importiert werden müssen, verwenden: Stichwort Abhängigkeit von anderen, unter anderem von Krisengebieten; Stichwort Wertschöpfung – all das ist zu diskutieren.
Das Ziel, fossile Energieträger durch erneuerbare Energieträger, die wir in Österreich selbst erzeugen, zu ersetzen, glaube ich, eint uns. Dieses Ziel ist aber nicht von heute auf morgen erreichbar, und wir müssen alles daran setzen, um bis dahin Verwerfungen zu vermeiden. Deshalb ändern wir das Energielenkungsgesetz. Erdgas ist dabei ein heißes Thema: ein heißes Thema für die Industrie, für die privaten Haushalte und die gesamte Wirtschaft bis hin zur Landwirtschaft. Kaum einem Bauern ist es bewusst, dass viele Molkereien und Käsereien ohne Versorgung mit Erdgas stillstehen würden und die Milch in der Folge am nächsten Tag beim Bauern nicht abgeholt werden könnte.
Diese Abhängigkeit von Erdgaslieferungen aus Russland erhöht die Brisanz der Lage und erfordert Maßnahmen. Damit eine mögliche Störung der Gasversorgung nicht unmittelbar gravierende Auswirkungen auf die privaten Haushalte und die Wirtschaft hat, gibt es Regeln im Energielenkungsgesetz. Es gibt in Österreich Speicheranlagen, und damit diese gefüllt werden und im Bedarfsfall auch verfügbar sind, wird das Gesetz geändert. Dazu brauchen wir auch taugliche Entschädigungsregelungen.
Eine Entschädigungsregelung gab es bisher nur für feste und flüssige Energieträger. Diese wird ausgeweitet und damit für die Bereiche Elektrizität und Erdgas anwendbar. Darüber hinaus sollen auch Anreize für die private Einspeicherung für den eigenen Bedarf geschaffen werden.
Diese Regelungen sollen uns für den Krisenfall rüsten und sollen vorerst einmal für drei Jahre gelten. Aber generell gilt: Speicherkapazitäten nutzen, Verfügbarkeit sichern, Erzeugung von erneuerbarer Energie steigern und Energieverbrauch dort, wo es möglich ist, senken. Jeder Einzelne kann zu mehr Sicherheit beitragen. Wir leisten im Parlament mit diesem Beschluss, mit diesen Gesetzesänderungen einen weiteren Beitrag. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.40
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und vor allem Zuseherinnen und Zuseher! Viele Menschen haben Angst und fragen sich, ob das mit dem Heizen nächsten Winter funktionieren wird. Das ist mit ein Grund dafür, dass wir – aus Verantwortung diesen Menschen gegenüber – heute diesen Gesetzen zustimmen.
Ich sage aber gleich an dieser Stelle: Was nicht funktioniert hat, ist das Funktionieren dieser Bundesregierung. Es gab einen Ausschuss, es war noch dazu der Finanzausschuss, in dem die notwendigen Änderungen, die man gebraucht hätte, um eine Zweidrittelmehrheit herzustellen, nicht vorhanden waren. (Abg. Jakob Schwarz: Deswegen verhandelt man ja!) – Es ist mir egal, ob ihr verhandelt habt! Es zeigt, ihr könnt es nicht. (Ah-Rufe bei den Grünen.) Das ist ja unglaublich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)
Wir haben eine Krise, Herr Kollege Hammer! Wir haben eine Krise, und da ist es nötig, dass die handelnden Personen ihr Handwerk verstehen. (Abg. Scherak: Christoph, was hat die SPÖ ... jahrzehntelang gemacht?) Das ist keine Schönwetterveranstaltung, wie Kollege Stögmüller glaubt. (Ruf: Erklär es uns, Christoph! – Zwischenrufe der Abgeordneten Lukas Hammer und Stögmüller.) Das ist ein ernsthaftes Thema und erfordert, dass die handelnden Personen ihre Hausaufgaben machen – und das ist nicht gelungen. (Neuerlicher Zwischenrufe bei den Grünen.)
Es ist ja für mich eine besondere Enttäuschung. Ich war zu Beginn durchaus kritisch mit den grünen Freundinnen und Freunden, weil sie zu nachgiebig sind. Ich habe sie aber nach Bildung dieser Bundesregierung auch verteidigt, indem ich gesagt habe, zum Unterschied von Schwarz-Blau, als es noch Hartinger-Klein, Kickl und andere gab, ist das bessere Personal der Bundesregierung im Team der Grünen zu finden. Ich habe mir erlaubt, auch Freudinnen und Freunden gegenüber als Beispiel Bundesministerin Gewessler zu nennen.
Jetzt merke ich mit Bitterkeit: Wir haben eine Krise, und plötzlich ist diese Sachkunde, diese Intelligenz kaum noch zu spüren. Ich frage mich: Wieso ist das so? Wie kann eine Bundesministerin, die vorher einen intelligenten, kompetenten Eindruck gemacht hat, in so einer Frage wie blockiert sein? – Die Vorstände der Gasversorgung sagen: Sie redet nicht mit uns! Die E-Control sagt: Wir haben zu wenig Kontakt! – Wie gibt es das?, denke ich mir.
Dann kam mir die Erkenntnis: Das Problem sind zum Teil ideologische Scheuklappen. (Abg. Lukas Hammer: Wenn du das sagst, ist das ein Kompliment! – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) Wenn ich Geschäftsführer einer Lobbyistengruppe bin, bin ich vielleicht nicht so gut geeignet, ein Ministerium zu führen, das in diesem Bereich Entscheidungen treffen soll, denn dort brauche ich eine Äquidistanz (Ruf bei den Grünen: Zu Russland, ja!) und muss in der Lage sein, für die Bevölkerung zu entscheiden. (Abg. Lukas Hammer: Das würde ich mir von dir wünschen!) Nimm dir ein Beispiel an Ulli Sima: Die hat genau dasselbe gemacht, aber die war in der Lage, die ideologischen Scheuklappen abzulegen. (Abg. Lukas Hammer: Ah ja! Das ist ein super Beispiel! – Heiterkeit bei den Grünen.)
Das sei euch ins Stammbuch geschrieben: Wir brauchen eine Regierung, die funktioniert, so wie wir eine Gasversorgung brauchen, die funktioniert – und diesen Beitrag sehen wir nicht.
Letzter Nachsatz: Zum Teil von Kollegen Hammer, aber auch von Kollegin Sommerbauer (Abg. Scherak: Doppelbauer!) – Doppelbauer –, NEOS und Grüne, kam der Vorwurf, die Politik hätte versagt und in die Abhängigkeit von russischem Gas geführt. (Abg. Jakob Schwarz: Da hast du einen großen Anteil daran!) Welche Politik? (Ruf bei den Grünen: Deine!) Haben Sie eine Antwort? (Abg. Litschauer: 2014 ...!) – Ich höre Sie nicht. Sie haben keine Antwort, weil Sie nicht einmal die Geschichte - - (Abg. Litschauer: 2014, sage ich nur!) – Sie brauchen nicht zu schreien, Herr Kollege! (Ruf bei den Grünen: Sie haben ihn nicht gehört!) Ich sage es ganz offen: Es war neoliberale Politik. Die Märkte machen alles, mehr privat, weniger Staat. (Ruf bei den Grünen: Das sagst du?! – Zwischenruf des Abg. Scherak.)
Kollege Scherak, ich erinnere daran: Es war Wolfgang Ruttenstorfer, der Nabucco wollte. Da ging es um 30 Milliarden Kubikmeter Gas, das nicht aus Russland gekommen wäre. Wer hat es verhindert? (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) – Die Vorschrift der EU: Wenn du in Bulgarien anlandest, dann kann der, der eine Pipeline baut, doch nicht sein Gas in seiner Pipeline transportieren. So wurde die Lieferung von 30 Milliarden Kubikmetern Gas jährlich verhindert, die uns heute gewährleisten würde, dass wir nicht abhängig wären. So viel zum Thema, meine Damen und Herren!
Gerade von den Freunden bei den NEOS möchte ich nicht mehr hören, das sei eine falsche Politik. Die falsche Politik ist eine Anbetung des Götzen Marktes, der aber bei Energieversorgung – wie auch bei Wasser, Müll und anderen Bereichen – nicht ausreichend funktioniert. Wir brauchen Regulierung. Das ist ein Beitrag zur Regulierung und daher werden wir zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
13.45
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Matznetter, es ist schon interessant, wie man von einem Gestalter der Republik, der Sie ja als Staatssekretär einmal waren, zu einer dieser Figuren werden kann, die normalerweise oben auf dem Balkon sitzen und ihre Weisheiten von früheren Zeiten und irgendwelchen Formalismen, die anscheinend nicht eingehalten wurden, herunterschimpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen). Dass man zu solch einer Figur werden kann, ist eigentlich fast schon traurig, Herr Kollege Matznetter. (Abg. Matznetter: Nabucco ist ...! – Zwischenruf des Abg. Schroll.)
Jetzt aber wieder zu den wirklich wichtigen und ernsthaften Themen und vor allem zum Blick in die Zukunft und der Frage, wie wir diese gestalten wollen, Herr Kollege Matznetter. (Abg. Matznetter: Frau Pfurtscheller, geben Sie es auf, Sie können ...!)
Es gibt vieles, was uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten selbstverständlich geworden ist: unsere Gesundheit, unser Wohlstand, unser Frieden. All das ist momentan infrage gestellt. Wir erleben wirklich eine Zeitenwende. Corona zeigt, dass wir als Menschheit nicht unzerstörbar sind. Der Klimawandel zeigt, dass die Welt nicht unzerstörbar ist. Der Ukrainekrieg zeigt, dass der Frieden in Europa und auf der ganzen Welt ein wirklich hohes, wenn nicht unser höchstes Gut ist und dass nur eine einzige Person – ein einziger mächtiger Mann – bereits in der Lage ist, diesen Frieden zu zerstören.
Wir können all diese Herausforderungen, die wir momentan zu bewältigen haben, nur gemeinsam stemmen. Wir als Österreich können sie nur gemeinsam, zusammen mit der EU und zusammen mit der Weltgemeinschaft stemmen. Die Aufgabe der Regierung ist es, diese Zeitenwende, diese Veränderungen zu managen, zu begleiten und zu gestalten.
Wir müssen aber auch ehrlich zu den Menschen sein und ihnen sagen, dass wir nicht jede Veränderung, jede Unbequemlichkeit von ihnen abwenden können. Das muss klar ausgesprochen werden: Es wird in nächster Zeit einige Einschränkungen geben. Wir werden teilweise von dem für uns so ganz selbstverständlichen Standard abweichen, in neue Zeiten schreiten müssen, und das müssen wir auch ehrlich sagen.
Wir haben heute schon viel darüber gehört, wie wir die Gasbevorratung managen wollen, sodass wir im Herbst abgesichert sind, sodass niemand in Österreich Angst haben muss, ohne Heizung dazusitzen, ohne Strom auskommen zu müssen. Zu diesem Zweck nehmen wir viel Geld in die Hand. Es geht aber nicht nur darum, diese Bevorratung zu sichern, sondern natürlich auch darum, neue Energiequellen zu erschließen. Dazu haben auch meine VorrednerInnen schon sehr viel ausgeführt.
Ich möchte deswegen gerne zum dritten wichtigen Punkt kommen: Es geht auch um die Reduktion des Gasverbrauchs. Es geht gesamtheitlich um die Reduktion des Energieverbrauchs. Natürlich braucht es dazu die Wirtschaft und die Industrie – es gibt auch sehr viele Konzepte dazu, und Industrie und Wirtschaft sind da immer sehr innovativ unterwegs –, es braucht aber auch die Privathaushalte, und darauf wollte ich eigentlich mit meinem Einstieg in die Rede hinaus.
Die Privathaushalte verbrauchen ungefähr 20 Prozent des Gesamtverbrauchs an Gas. Wir haben es alle auch selber in der Hand, ein Stück einzusparen.
Ich komme aus einer Generation, die als Kind noch erlebt hat, wie die Ölkrise sozusagen über Europa hereingebrochen ist. Ich kann mich noch erinnern, wie es für uns ganz selbstverständlich war, einen Tag in der Woche auf das Auto zu verzichten, wie es ganz selbstverständlich war, darauf zu schauen, dass man möglichst geringe Heizkosten und Stromkosten hat.
Ich möchte wirklich an alle appellieren, auch darüber nachzudenken und sich darauf vorzubereiten, wie es denn wäre, auch selber einen Beitrag zu leisten. Wenn viele einen kleinen Beitrag leisten, macht es trotzdem ganz, ganz viel aus.
Ich bin ganz sicher, dass die Frau Ministerin in nächster Zeit auch noch sehr viele Vorschläge dazu vorstellen wird, wie denn der Einzelne seinen Beitrag leisten kann. Dazu möchte ich Sie heute schon ganz herzlich einladen. Halten wir alle zusammen! Mutig in die neuen Zeiten! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Stögmüller und Disoski.)
13.50
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte schön.
Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Abgeordnete Pfurtscheller hat behauptet, dass in der Zeit, in der ich als Staatssekretär in der Bundesregierung war, die SPÖ für Energiefragen zuständig war. – (Abg. Pfurtscheller: Habe ich nicht! – Ruf bei der ÖVP: Hat sie nicht gesagt! – Zwischenruf des Abg. Hanger.)
Ich berichtige tatsächlich: Seit den Neunzigerjahren, als Wolfgang Schüssel Wirtschaftsminister war, waren durchgängig ausschließlich ÖVP-geführte Ressorts für Energiepolitik zuständig. (Beifall bei der SPÖ.)
13.51
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Ing. Klaus Lindinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir hier den Themenbereich der Energie diskutieren, dann ist das vor allem eine Frage der Sicherheit.
Wir schaffen mit der Änderung im Energielenkungsgesetz und im Gaswirtschaftsgesetz effektive Maßnahmen, um die Gasbevorratung zu sichern, um die Widerstandsfähigkeit Österreichs zu stärken und damit Schritt für Schritt auch etwas unabhängiger zu werden.
Was machen wir? – Es sind Maßnahmen gesetzt, damit die Gasspeicher besser befüllt werden. Ziel ist es, bis zum Start in die Heizperiode die Befüllung auf 80 Prozent zu steigern, jeden Tag um ungefähr ein halbes Prozent.
Warum ist das so wichtig? – Weil wir fast eine Million Privathaushalte haben, die auf Gas angewiesen sind. Zum einen versuchen wir, Energie zu sparen und die Zahl der Haushalte, die mit Gas geheizt werden, zu reduzieren. Zum anderen brauchen wir aber auch Sicherheit, damit diese die nächsten Jahre über die Winter kommen.
Dazu haben wir gestern ein Gesamtvolumen von 5 Milliarden Euro im Budget fixiert, um die Bevorratung als strategische Reserve sicherzustellen, langfristig abzusichern und damit auch die Versorgungssicherheit zu garantieren. Das ist unsere zentrale Aufgabe mit diesen Gesetzesänderungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt drei Bereiche, auf die ich etwas näher eingehen möchte. Das ist zum einen die Änderung im Energielenkungsgesetz. Damit schaffen wir Rechtssicherheit für Unternehmen, die Gas bevorraten, damit 50 Prozent auch in der Produktion bleiben – aber im Notfall kann von der Volkswirtschaft, von der öffentlichen Hand auf die anderen 50 Prozent zugegriffen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Zorba und Jakob Schwarz.)
Zum Zweiten wird ein Marketmaker installiert. Der bringt vor allem Sicherheit, vor allem auch für die Netzstabilität, indem er Energie aus dem Netz herausnehmen oder hineingeben kann, sozusagen ausgleichen. Er kann auch Speicheroptionen ausschreiben. Das ist ganz, ganz wichtig, damit wir auch genügend Vorrat haben.
Die dritte Maßnahme ist, die Speicherkapazität effizient zu nutzen. In dem Initiativantrag geht es darum, die Speicherung nach dem Prinzip Use it or lose it langfristig sicherzustellen. Das heißt, alle, die über einen Speicher verfügen, haben die Möglichkeit, diesen selbst zu befüllen. Wenn sie das nicht tun, dann müssen sie diese Speicher auf dem Markt anbieten. Das verhindert leere Gasspeicher und sichert so auch die Versorgung in Österreich.
Ein Wort noch zum Gasspeicher Haidach. Da ist es vor allem wichtig, dass wir mit Deutschland ein Nutzungsabkommen bekommen und dass dieser Gasspeicher an das österreichische Netz angeschlossen wird, damit wir dort entsprechend Zugriff haben.
Eines ist sicher: Mit dieser Bundesregierung und mit dieser Koalition schaffen wir Sicherheit; wir nehmen der Bevölkerung die Ängste. Durch diese Maßnahmen ist gewährleistet, dass wir, sollte ein plötzlicher Lieferstopp eintreten, ausreichend Gas für die Wirtschaft, aber vor allem auch für all die privaten Haushalte zur Verfügung haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)
13.55
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte schön, Herr Magister.
Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich denke, die Ausführungen der Vertreter der SPÖ zu diesem Tagesordnungspunkt sind in die Kategorie: Der Standort bestimmt den Standpunkt!, einzuordnen, denn der Gaspreis und auch die Lieferverträge waren schon bei der Beschlussfassung der Urfassung des Energielenkungsgesetzes ein Thema.
Damals hat Wolfgang Katzian – ich glaube, das ist kein Unbekannter bei der SPÖ – darauf hingewiesen, dass wir seit 1945 gut mit Gas versorgt worden sind und man einen guten Handelspartner nicht durch unbedachte Schritte verärgern sollte. Er hat auch auf die langfristigen Verträge mit Gazprom hingewiesen. Der Unterschied ist also nur: Damals war die SPÖ in der Regierung, und heute ist sie es nicht mehr.
So ändert sich vieles. Es ist auch so, dass der Ukrainekrieg und die Coronakrise viele Abhängigkeiten sichtbar gemacht haben, was die Versorgung mit Rohstoffen, die Versorgung mit Energie, mit Strom und vor allem auch mit Gas, betrifft. Die Problematik war vielen bisher nicht wirklich bewusst.
Das Ziel dieser Novellen des Energielenkungsgesetzes und des Gaswirtschaftsgesetzes ist die Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas, denn die Krise hat diese Abhängigkeiten, die es gibt, nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar gemacht.
Es geht darum, eben dadurch, dass Gas eingelagert werden kann und die Gasspeicher gefüllt werden, widerstandsfähiger im Falle eines Gaslieferstopps zu werden. Damit wird Vorsorge getroffen, um unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden.
Krisen zeigen immer Versäumnisse auf und wirken manchmal wie ein Brennglas auf bestimmte Situationen. So hat auch diese Krise die Mentalität, die einer Praxis der Just-in-time-Lieferungen, der Idee einer jederzeitigen Verfügbarkeit von Gütern zugrundeliegt, ganz krass infrage gestellt. Vorsorge und Lagerhaltung sind auf einmal wieder topaktuell.
Ich möchte diese Debatte aber auch dazu nützen, um den Fokus auch auf einen anderen Bereich zu richten und diesen unter einem anderen Gesichtspunkt zu beleuchten, nämlich den der umfassenden Landesverteidigung. Tatsächlich ist es so, dass es um die Unabhängigkeit Österreichs, um die Verteidigung der Unabhängigkeit geht, und es geht darum, dass diese Verteidigung der Souveränität und Unabhängigkeit auf eine breite Basis gestellt wird, eine breite Basis, zu der jeder seinen Beitrag leisten kann.
Bereits Mitte der Siebzigerjahre war man sich beim Konzept der umfassenden Landesverteidigung bewusst, dass man angesichts komplexer Bedrohungsformen auch eine breite Basis und einen ganzheitlichen Ansatz in der Verteidigung braucht.
Die militärische Landesverteidigung, im Rahmen derer die Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundesheeres bei ihren Einsätzen im Inland und im Ausland hervorragende Arbeit leisten, ist uns bekannt.
Für die zivile Landesverteidigung, bei der es darum geht, dass die Bevölkerung geschützt wird, aber auch um Eigenvorsorge, leisten vor allem auch die Zivilschutzverbände Hervorragendes. (Beifall bei der ÖVP und Bravoruf des Abg. Hanger.)
Die wirtschaftliche Landesverteidigung wird gerade auch mit diesen Gesetzesnovellen gestärkt, bei denen es eben um die Bevorratung geht.
Nicht zuletzt geht es auch um die geistige Landesverteidigung, also darum, dass solche Bedrohungslagen, wie wir sie jetzt gerade haben, erkannt werden, wahrgenommen werden, analysiert werden, damit Vorbereitungen getroffen und auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden können.
Dieses Gefühl der gemeinsamen Verantwortung, dieses Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit Österreichs müssen wir wieder stärken und – ja – insofern der geistigen Landesverteidigung wieder neues Leben einhauchen.
Meine Damen und Herren, mit den Beschlussfassungen zu diesen Gesetzen leisten wir einen ganz wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Landesverteidigung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
13.59
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Ich frage die Klubs, ob eine Unterbrechung gewünscht ist. – Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz geändert wird, in 1461 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.
Da der vorliegende Gesetzentwurf auch eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Zahl der Abgeordneten fest.
Die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 10 eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.
Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Ausdrücklich stelle ich auch hier wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird, in 1462 der Beilagen.
Hiezu haben die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.
Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.
Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte Abänderungsantrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Zahl der Abgeordneten fest.
Die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 3 und 5 eingebracht.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.
Wir kommen nun zur dritten Lesung.
Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig
angenommen. Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“.
Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1451 d.B.)
6. Punkt
Bericht des Ausschusses für Land- und
Forstwirtschaft über den Antrag 2462/A(E) der Abgeordneten Peter
Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend
3-L-Regel in der Landwirtschaft: Landwirte leben lassen (1452 d.B.)
7. Punkt
Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 159/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, geändert wird (1453 d.B.)
8. Punkt
Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1169/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (1454 d.B.)
9. Punkt
Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1782/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarfördermitteleinsatz zur Erreichung des Endes der Vollspaltenböden-Haltung von Schweinen in Österreich (1455 d.B.)
10. Punkt
Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Fördermaßnahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel (1456 d.B.)
Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.
Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Während wir uns heute hier im Parlament mit der Zukunft der österreichischen Landwirtschaft in den kommenden sieben Jahren beschäftigen, arbeiten zahlreiche Bäuerinnen und Bauern draußen auf ihren Höfen, auf ihren Feldern und produzieren gute, hochwertige Lebensmittel, aber, meine geschätzten Damen und Herren, das Klima in der Landwirtschaft hat sich zusehends verschlechtert. Ich bekomme zahlreiche E-Mails von Bäuerinnen und Bauern, in denen sie mir immer wieder mitteilen, dass sie von ihrem Hof nicht mehr leben können.
Meine geschätzten Damen und Herren! Es brodelt unter den Bäuerinnen und Bauern, und es braucht aus meiner Sicht nur noch einen Funken, bis es zu brennen anfängt. Unsere Landwirtinnen und Landwirte haben viele Fragen, die Ministerin Köstinger mit der gegenständlichen Regierungsvorlage zu beantworten gehabt hätte – nur dies ist leider nicht passiert –, und auch wir als SPÖ haben Fragen über Fragen.
Die Gemeinsame Agrarpolitik bestimmt die Entwicklung der Landwirtschaft auf europäischem Boden. Dieser Pakt wurde jetzt verhandelt. Alle sieben Jahre besteht somit eine echte Chance, die Landwirtschaft auf neue Beine zu stellen, der Landwirtschaft echte Chancen zu geben, aber leider wurde das nicht wahrgenommen. Leider haben sich die Mitgliedstaaten auch diesmal wieder nicht dazu durchgerungen und haben sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt. Wir als Sozialdemokraten haben diese Einigung scharf kritisiert. Wieder wurde eine Chance für eine europaweite Strategie in der Landwirtschaft, für eine zukunftsfitte nachhaltige Landwirtschaft vertan.
Daher habe ich all meine Hoffnungen auf jene Gesetzentwürfe gelegt, die wir jetzt hier national umsetzen, und dabei habe ich mir gedacht: Ja, die Grünen – die Grünen werden all ihr Gewicht für Verbesserungen im Klimaschutz, im Umweltschutz in die Verhandlungen einbringen und sich an die Seite ihrer europäischen Abgeordnetenkollegen wie Sarah Wiener oder Thomas Waitz stellen und Maßnahmen beispielsweise zur Pestizid- oder Düngemittelreduktion erzwingen. Schlussendlich bin ich fest davon ausgegangen, dass ihr es hinbringt, dass wir ein Ende der Vollspaltenböden in diesem Land zustande bringen. (Beifall bei der SPÖ.)
Leider wurde ich aber vom Gegenteil überzeugt und musste wieder einmal feststellen, dass die Grünen für den Machterhalt all ihre Überzeugungen über Bord werfen.
Auch die Europäische Kommission, Herr Minister, hat in einer Stellungnahme in einem Observation Letter 251 Anmerkungen übermittelt, wovon viele sehr große Kritik beinhalten.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich es bei einer grünen Regierungsbeteiligung schon bemerkenswert finde, dass es in den vorliegenden Gesetzestexten keine Definition für Tierwohl gibt. Das ist eigentlich eine Schande. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir als SPÖ, aber auch viele Bäuerinnen und Bauern sind sehr enttäuscht. Wo bleibt der große Topf, Herr Minister, für eine gerechte Umverteilung der Gelder hin zu den kleineren und mittleren Betrieben? Wo bleiben die Ziele, die Visionen für die Landwirtschaft, für eine nachhaltige, artgerechte und vor allem ökologische Wirtschaftsweise? Wieso unterstützt man die Bäuerinnen und Bauern nicht bei ihren Betriebsabläufen, beispielsweise bei der Digitalisierung? Umfragen in Deutschland haben gezeigt, dass die
Digitalisierung in der Landwirtschaft eine große Chance auf Dünger-, Pestizid-, Ressourcen- und auch Kosteneinsparung darstellt. Wieso passiert da in Österreich nichts?
An dieser Stelle darf ich erwähnen, dass ich die Pläne der Kommission scharf verurteile, das wahrscheinlich krebserregende Totalherbizid Glyphosat – viele von euch wissen, das ist mein Herzensprojekt – aufgrund einer fehlenden Risikobewertung durch die Efsa erneut für ein Jahr zuzulassen. Herr Minister! Bitte setzen Sie sich in Brüssel dafür ein, Ihre Vorgängerin hat es leider nicht getan, dass wir Glyphosat endlich EU-weit verbieten. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Gemeinsame Agrarpolitik soll also viele Fragen beantworten – mit der Regierungsvorlage beantworten Sie meiner Meinung nach nichts. Wie schaut es beispielsweise mit dem mehrfach angekündigten Unterstützungspaket aus? Das Paket beinhaltet 110 Millionen Euro. Wir kennen die Auswirkungen nicht, Herr Minister. Warum wurde der Nationalrat nicht damit befasst?
Daher fordere ich noch einmal ein Zurück an den Start und stelle hiermit folgenden Antrag:
Rückverweisungsantrag
§ 53 Abs. 6 GOG
Die Abgeordnete Cornelia Ecker stellt den Antrag, den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden, an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft rückzuverweisen.
*****
Herr Minister! Wir wollen das noch einmal mit Ihnen diskutieren. Gerade in der heutigen Zeit, in der die ganze Welt zusehends abhängig wird, voneinander abhängig wird, wäre es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass mein Teller auch in Zukunft vom Bauern aus der Region gefüllt werden kann, und gerade das sollte uns die Gemeinsame Agrarpolitik auf nationaler Ebene bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
14.09
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute die neue Gemeinsame Agrarpolitik, im Prinzip ein öffentliches Programm, mit dem zum einen die öffentliche Hand in nachweisbare Leistungen von Bäuerinnen und Bauern Gelder investiert, die auf den Märkten nicht zu verdienen sind, zum Zweiten wird Geld in Projekte investiert, bei denen sich Betriebe modernisieren, bei denen zum Beispiel in die Digitalisierung, Frau Kollegin Ecker, investiert wird, und es wird in Projekte im ländlichen Raum, die die Wirtschaftskraft und die Lebensqualität in Österreich und in Europa stärken, investiert.
Ein herzliches Dankeschön richte ich an alle Institutionen, an den Koalitionspartner und vor allem an den neuen Herrn Bundesminister, stellvertretend für alle Damen und Herren, für das Engagement im Zusammenhang mit diesem wirklich langjährigen Projekt. Wir sichern damit Menge und Qualität österreichischer Lebensmittel, einen Beitrag zum
bäuerlichen Einkommen, Klima- und Biodiversitätsziele und die Pflege der Kulturlandschaft. Herr Bundesminister, dieses Projekt trägt deine Handschrift, danke für dein Engagement! Vielen Dank im Namen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Was sagt jetzt die Opposition? – Ich darf mich zum Ersten ein wenig mit Frau Kollegin Ecker beschäftigen. Was richtet uns die SPÖ aus und was richtet uns interessanterweise auch die Arbeiterkammer aus? (Abg. Leichtfried: Dass ihr endlich mit den Vollspaltenböden abfahrt! Das richten wir euch aus! Da brauchst du nicht die Augen zu verdrehen! Da werden wir nicht aufhören!) – Es ist toll, es ist wirklich schön zu hören, dass Frau Kollegin Ecker faire Preise für bäuerliche Betriebe fordert. Da sind wir einer Meinung, das ist gut so. Im gleichen Atemzug aber, zum Beispiel am 3. Mai im Ausschuss, monieren Sie, dass Lebensmittelpreise zu hoch sind, und Sie fordern sozusagen staatliche Regulative, damit Lebensmittelpreise nicht durch die Decke gehen. (Abg. Cornelia Ecker: Genau! Das fordern wir! Stimmt! ...! – Abg. Leichtfried: Ja, Mehrwertsteuer weg! Geht ganz einfach! Mehrwertsteuer weg! Ganz einfach! Aber euch ist das wurscht, das ist das Problem!) Sie fordern gleichzeitig mehr Bio, mehr Tierwohl, höhere Standards.
Das ist ein Widerspruch, den Sie mir erst erklären müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Greiner.) Sie wissen schon, dass durch die Umsetzung Ihrer Forderungen die Kosten gesteigert würden, dass es Qualität nicht zum Nulltarif gibt (Abg. Leichtfried: Euch ist die Teuerung egal! So ist es! Und die Vollspaltenböden sind euch auch egal!) und dass genau Ihre Agitation Bäuerinnen und Bauern durch diesen Widerspruch zur Verzweiflung bringt. Das ist ungefähr so, als würde ich in Ihre Biometzgerei gehen und mir eine Bioleberkäsesemmel um 90 Cent bestellen. Qualität hat ihren Preis, und eine Bioleberkäsesemmel um 90 Cent wird es in Österreich nicht geben. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)
Jetzt zu Kollegin Doppelbauer: Sie hat gestern einen relativ breiten Rundumschlag gemacht, was die Ausrichtung, wahrscheinlich auch die Herkunft der österreichischen Agrarpolitik betrifft. Ich darf einleitend sagen: Ich würde gerne die Gene des Matthias Strolz bei den NEOS wieder ein bisschen in Erinnerung rufen (Zwischenruf des Abg. Scherak): am Anfang einer Rede immer ein bisschen Lob, ehrlich gemeint, eine gute Analyse und dann der Ausblick: Wie geht es weiter?
Jetzt die Analyse: Wo steht die österreichische Agrarpolitik im internationalen Vergleich? (Rufe bei der FPÖ: Im Abseits!) – Klima- und Ökobilanz: top; Tierwohlbilanz: top (Abg. Leichtfried: Was ist mit den Vollspaltenböden und der Rinderanbindung?); die Teilnahme im Bereich Öpul und die Teilnahme im Bereich des Bioprogramms: ein hoher Prozentsatz. Das heißt, die Basis für Weiterentwicklung ist eine sehr, sehr gute, und auch Bäuerinnen und Bauern, geschätzte Frau Ecker, haben sich aus dem Mund der Sozialdemokratie einmal ein wenig Lob verdient. Die Basis für Weiterentwicklung ist eine sehr, sehr gute. (Zwischenruf des Abg. Bernhard.)
Jetzt weiter im Bereich der Kollegin Doppelbauer: Sie moniert das Problem mit dem Einkommen. – Ja, da bin ich dabei. Darüber wird wahrscheinlich Kollege Schmiedlechner auch noch reden. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Seit zehn Jahren gibt es Einkommensstagnation in Europa. Was macht aber Frau Kollegin Doppelbauer? – Sie spricht darüber, dass das österreichische Einkommen sich dramatisch von dem in großen westeuropäischen Ländern, in Deutschland oder Frankreich, unterscheidet. Dieser Vergleich ist absolut falsch. Ich stelle den NEOS die Frage: Wollen Sie auch so einen Strukturwandel wie in Deutschland? Wollen Sie auch so einen Strukturwandel wie in Frankreich? – Das macht nämlich den Unterschied in den betrieblichen Einkommen aus. Wir haben kleine Strukturen und die großen Agrarländer haben große Strukturen.
Und, und das schlägt dem Fass den Boden aus, Frau Kollegin Doppelbauer vergleicht uns mit Holland. – Ich darf da einladen, sich mit dem Thema GVE pro Hektar zu befassen.
Es gibt in Holland viele Betriebe, die bodenlos produzieren. Es gibt in Holland eine Bioquote, die am untersten Ende zu finden ist.
Sie spricht auch von diesem Ausblick, von der Vision, und damit komme ich zum Schluss, weil ich da jetzt wieder bei unserem neuen Herrn Landwirtschaftsminister bin: Was ist unsere Vision seit Jahren, um nicht zu sagen, seit Jahrzehnten? – Der Kompass unserer Agrarpolitik ist die ökosoziale Marktwirtschaft. Das sagt Totschnig, das sagten aber auch schon Riegler, Fischler, Molterer, und das ist der rote Faden in der Agrarpolitik in den letzten Jahrzehnten. Wir sichern damit Lebensmittel höchster Qualität in Österreich, ökologische Situationen, die im internationalen Vergleich wirklich hervorragend sind, und wir sichern damit den Platz der österreichischen Land- und Forstwirtschaft in der österreichischen Volkswirtschaft. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit ist auch um!)
Die ökosoziale Marktwirtschaft ist unser Kompass, und die Gemeinsame Agrarpolitik ist der rote Faden, an dem entlang wir in den nächsten Jahren arbeiten werden. Bitte unterstützen Sie uns auf diesem Weg! – Danke. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.16
Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf bei dieser Gelegenheit Herrn Bundesminister Mag. Norbert Totschnig in unserer Runde begrüßen und bitte nun Peter Schmiedlechner ans Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Zuseher! Marktordnungsgesetz, Landwirtschaftsgesetz und AMA-Gesetz: Das heißt, wir behandeln heute die Beschlussfassung über die neue GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik, für die nächsten Jahre.
Die ÖVP-Agrarpolitik wird zum Bauernsterbenhilfeprogramm und treibt die Industrialisierung der Landwirtschaft voran. Herr Strasser, das Einzige, was ihr sicherstellt, ist die Bauernsterbenhilfe. Kurz zusammengefasst: Was wird die neue alte Agrarpolitik der heimischen Landwirtschaft bringen? – Mehr Bürokratie, mehr Auflagen, weniger Produktion und weniger Geld auf den Bauernhöfen.
Ich darf noch eines kurz erwähnen: Gestern in der „Kronen Zeitung“ (einen Zeitungsartikel in die Höhe haltend): „Dramatisches Bauernsterben“. (Abg. Leichtfried: Das ist zu klein! Das sieht man nicht! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) – Ich lese es euch eh vor, aber ihr könnt es ja gerne nachlesen: In Österreich hören bis 2040 30 Prozent der Landwirte auf. – Zitatende. 30 Prozent werden aufhören.
Gleichzeitig hat die ÖVP-Agrarpolitik dazu geführt, dass wir in vielen Bereichen keine Eigenversorgung mehr haben und uns auf Importe verlassen müssen. Es ist schon seltsam: In Österreich wird die Produktion eingeschränkt, und gleichzeitig wird fleißig importiert. Dann etwas sehr Seltsames: Herr Bundeskanzler Nehammer stellt sich hin und verkündet: Ach, wie super, ach, wie klass! Wir haben jetzt Getreide aus der Ukraine gekriegt! – Plötzlich spielen Produktionsbedingungen und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keine Rolle mehr, vermutlich weil die RWA, Raiffeisen, der Hauptimporteur war. (Abg. Leichtfried: Da schau her!)
Anstatt die österreichische Landwirtschaft zu fördern, die Produktion zu stärken, werden wir Bauern immer mehr eingeschränkt. So wird ab nächstem Jahr laut neuer GAP den Bauern vorgeschrieben, 7 Prozent der Fläche aus der Produktion zu nehmen, sonst kriegen sie keine Fördergelder mehr – ein Wahnsinn! Ihre Politik erzeugt eine Versorgungskrise.
Da komme ich wieder zur „Kronen Zeitung“ (einen Zeitungsartikel in die Höhe haltend), das stand auch gestern drin (Abg. Michael Hammer: Die einzige Zeitung, die du liest, oder was?): „Eindringliche Warnung: ‚Brutaler Hunger droht‘“.
Nicht nur das: Die Produktionskosten für unsere heimische Landwirtschaft steigen ins Unermessliche. Gleichzeitig werden den Bauern immer mehr Wirkstoffe, Pflanzenschutzmittel weggenommen, das heißt, sie werden verboten.
Die Ukrainekrise hat uns gezeigt, wie abhängig wir in Europa, auch in Österreich, von den Getreideimporten sind. Seit vielen Jahren schließen in Österreich die Bauernhöfe, die Produktion wandert in andere Länder ab, und Sie – Sie: der Bauernbund und die ÖVP – haben zugeschaut und nichts gemacht. (Beifall bei der FPÖ.) Vieles, was wir selber produzieren könnten, wird deswegen importiert. Sie zerstören mit Ihrer Politik den Selbstversorgungsgrad, und die Lebensmittelversorgung wird immer krisenunsicherer.
Herr Minister, der freiheitliche Ansatz ist klar: heimische Qualität halten, die Produktion stärken und ausbauen, den Green Deal und die neue GAP überarbeiten. Herr Minister, wir fordern ein klares Bekenntnis zur heimischen Produktion, zur Selbstversorgung und zum heimischen Arbeitsplatz Bauernhof. Ich fordere nicht nur Lippenbekenntnisse, handeln Sie endlich! (Beifall bei der FPÖ.)
Eines darf ich auch noch erwähnen: Heute wird auch noch über einen Antrag von uns Freiheitlichen betreffend Entlastung der Bauern abgestimmt. Ich habe es vorhin schon gesagt: Die Bauern können sich die Produktion zum Großteil nicht mehr leisten, weil die Betriebsmittelkosten enorm sind – deswegen unser Antrag betreffend 3-L-Regel in der Landwirtschaft. 3 L soll heißen, Landwirtschaft leben lassen und „Landwirte leben lassen“, und zwar durch: „Überarbeitung der GAP“, „Sozialversicherungsbeiträge in der Krise erlassen“, „AMA-Marketing Beiträge abschaffen“, „Kostenexplosion bremsen“ – heißt: Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer müssen für alle landwirtschaftlichen Betriebe während der Krise ausgesetzt werden (Abg. Hörl: Wow!) –, und in die Zukunft gerichtet: „Agrargipfel für Ernährungssouveränität“, auf dem man einmal einen richtigen Plan macht, um die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft zu sichern.
Herr Minister, ich hoffe, Sie als Wiener, Sie als sozusagen Asphalt- und Blumenkistlbauer (Ruf bei der ÖVP: Das ist so primitiv, Herr Kollege!), setzen unsere freiheitlichen Forderungen um (Ruf bei der ÖVP: Sicher net!) und leisten endlich etwas für die Bauern, denn die letzten 30 Jahre hat das die ÖVP nicht gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)
14.22
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Clemens Stammler. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union beziehungsweise der EWG gibt es seit 1957. Die Prämisse damals war klar: relativ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ausreichend Lebensmittel für die europäische Bevölkerung herzustellen – und das zum leistbaren Preis. Geprägt war diese Agrarpolitik von der ersten Säule, die zweite Säule gab es damals noch nicht: Die zweite Säule – quasi ländliche Entwicklung, Umwelt- und Klimapolitik – gab es ab 1999.
Diese erste Säule, diese Marktordnung, führte im Wesentlichen zu zwei Dingen: Erstens wurden die Lebensmittelpreise und Agrargüterpreise künstlich so niedrig gehalten, dass wir im globalen Süden Eigenversorgungsprobleme entstehen ließen, indem wir billigste Hühnerkeulen, indem wir Trockenmilch lieferten – alles das, was Europa zu dieser Zeit selber nicht brauchte und verwerten konnte –; gleichzeitig wurde die Stützung zum Teil der Erzeugereinkommen. Das heißt, auch die Bäuerinnen und Bauern hatten gar nicht wirklich großartig etwas davon. Das ist ganz einfach der Fakt, der sich darstellt. Die BäuerInnen haben sich in dieser Zeit der Förderempfänger nahezu so gefühlt wie vor der Bauernbefreiung: Sie produzierten wertvolle Dinge und waren auf der anderen Seite
Almosenempfänger. Gefreut hat sich der Dritte, und das war eigentlich die Lebensmittelindustrie, die zu jeder Zeit zu günstigen Rohstoffen, egal welcher Herkunft, gekommen ist.
Österreich hat das, glaube ich, sehr bald erkannt, war eigentlich ab 1999 Vorreiter in der zweiten Säule und hat die Gewichtung sehr stark auf diese zweite Säule gelegt. Ich glaube, dass gerade diese zweite Säule wichtiger denn je ist.
Zu diesem Klimawandel, den wir täglich spüren, und der nicht nur von Hagel, Sturm und Starkregen geprägt ist, sondern der täglich spürbar ist, eine kleine Geschichte: Letzten Montag bin ich in der Früh meine Kühe von der Weide holen gegangen, und zwar deshalb in der Früh, weil das die erste Klimawandelanpassung meines Betriebes ist. Die Kühe gehen in der Nacht auf die Weide, weil es selbst in dieser Jahreszeit bereits Hitzetage über 30 Grad gibt. Als ich die Kühe holen gehe, gehe ich an Streuobstwiesen und an Obstbäumen vorbei, die wunderschön und interessanterweise alle gleichzeitig blühen: Apfel, Birne, Kirsche – alle gleichzeitig. Bis hierher sehr idyllisch und romantisch, Fakt ist aber: Es ist keine Idylle, es ist eine Stressblüte. Die Bäume versuchen krampfhaft, mit ihrer letzten Kraft, sich zu vermehren.
Diesen Stress, den die Bäume verspüren, und diesen Hitzestress, den die Tiere verspüren, haben meine Kollegin Olga Voglauer und ich bei dieser GAP-Verhandlung genauso verspürt – und zwar hinsichtlich einer Ökologisierung der GAP. (Beifall bei den Grünen.)
Es ist ein grüner Erfolg, wenn es wieder eine eigenständige Bioförderung gibt und diese gegenüber dem vorigen Programm um 40 Millionen Euro mehr, besser dotiert ist. (Beifall bei den Grünen.) Es ist ein grüner Erfolg, wenn es eine 10-prozentige Umverteilung von Groß zu Klein gibt, wenn es ein Capping gibt, und es ist ein grüner Erfolg, wenn es eine Erhöhung der Ausgleichszulage gibt. Es ist auch ein grüner Erfolg, wenn es eine Förderung für Freilandschweinehaltung und mehr Tierwohl in der Schweinehaltung gibt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Cornelia Ecker.)
Ja, dieses Programm könnte mit Sicherheit noch etwas ökologischer sein (Abg. Cornelia Ecker: Etwas?), aber es ist auch mit Sicherheit das ökologischste Programm innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.27
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordnete MMag. Katharina Werner. – Bitte schön.
Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal! Liebe Menschen zu Hause! Die Kommentare zur GAP überlasse ich natürlich unserer Landwirtschaftssprecherin – die wird sich dann dazu zu Wort melden –, als Tierschutzsprecherin habe ich ein bisschen andere Anliegen.
Sir Peter Ustinov meinte einmal: „Humor ist einfach eine komische Art, ernst zu sein.“ In diesem Sinn möchte ich mit einer Karikatur beginnen, die ich letzte Woche in einer Tageszeitung gefunden habe, und sie mit Ihnen teilen (ein Blatt mit einer Karikatur in die Höhe haltend). Für alle, die die Zeichnung nicht gut sehen können, eine kurze Beschreibung (Abg. Kugler: Kann man das durchgeben?): Eine Familie – Mutter, Vater und Kind – besuchen eine Halle eines Schweinebauern. Von den Schweinen sind nur die Popos zu sehen. Das Kind zieht ein Schweinchen am Ringelschwänzchen, und der Bauer meint stolz – bitte schön! (das Blatt mit der Karikatur in Richtung SPÖ zeigend) ‑: „Für die Schnitzel zu 2,99 das Kilo halten wir die Schweine“ in Zukunft „senkrecht“. – Ja, da bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
Ein kleines Detail am Rande: In Österreich wäre es aktuell nicht einmal möglich, dass ein Kind ein Schwein in so einer Haltung am Ringelschwänzchen zieht. Diese werden nämlich in der Regel, wenn die Schweine Ferkel sind, ohne Betäubung und Schmerzmittel einfach – aus Tierschutzgründen wohlgemerkt! – abgeschnitten – und das, obwohl das Kupieren bereits seit 14 Jahren aufgrund von EU-Recht unzulässig ist. (Heiterkeit des Abg. Hofinger.)
Was tut nun die Regierung? – Im Regierungstraktor hält die ÖVP in Sachen Tierschutz die Handbremse sehr gut angezogen. Tierwohl kam in der ersten Rede des neuen Landwirtschaftsministers gestern nicht vor. Es bleibt die Predigt: Masse statt Klasse!, obwohl wir wissen, dass sich das für die österreichischen Landwirte nicht ausgeht. Der grüne Tierschutzminister bricht auf der anderen Seite, vermutlich aus Verlegenheit, lieber eine populistische Verbotsdebatte über Fiakerpferde vom Zaun – ein Thema, das wohlgemerkt nur einige wenige Hundert Tiere betrifft. (Abg. Stögmüller: Das aber trotzdem sehr wichtig ist ...!)
Im Vergleich dazu: In Österreich leben 2,8 Millionen Schweine, etwa zwei von dreien auf Vollspaltenböden. An einer echten Lösung, an einem nachhaltigen Ausstiegsszenario, einem Systemwandel scheint weder die eine noch die andere Partei interessiert. (Abg. Strasser: Aber ... steht doch im Entschließungsantrag!)
Zusammenfassend: Die Performance dieser Regierung in Sachen Tierschutz ist enttäuschend. Die VerbraucherInnen und die Landwirte haben etwas Besseres verdient – und die Tiere sowieso. (Abg. Strasser: Warum haben Sie dann beim Entschließungsantrag mitgestimmt?!)
Herr Minister, sollten Sie sich aus Ihrer Bauernbundsozialisation emanzipieren können und gemeinsam mit Herrn Minister Rauch den Mut finden, einen echten Systemwandel hervorzubringen (Abg. Reiter: Warum habt ihr dann beim Entschließungsantrag mitgestimmt?!), dann versichere ich Ihnen, dass wir Sie unterstützen werden. (Abg. Strasser: So schnell kann man die Meinung ändern!) – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
14.30
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Herr Bundesminister Mag. Norbert Totschnig zu Wort. – Bitte schön, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Es ist für mich wie gestern auch heute wieder ein sehr freudiger Tag, denn in dieser zweiten Plenarsitzung steht das wichtigste agrarpolitische Gesetzespaket für die Landwirtschaft für die nächsten Jahre zur Debatte. Hinter uns liegen viele Jahre, konkret vier Jahre, intensiver Verhandlungen, die auf europäischer Ebene begonnen haben.
Wie Sie sich vielleicht erinnern können: Begonnen hat das Ganze mit dem Vorschlag des damaligen EU-Haushaltskommissars Günther Oettinger für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und dem Gesetzesvorschlag für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik des damaligen EU-Kommissars Phil Hogan.
Wie hat die Lage damals für uns im ersten Moment ausgeschaut? – Wir wussten, es ist mehr Klimaschutz nötig, mehr Umweltschutz, und gleichzeitig haben wir mit Blick auf das Budget zusammengefasst gesehen: deutlich mehr Auflagen für deutlich weniger Geld für die Landwirtschaft.
Für uns war das natürlich ein Alarmsignal, und es war völlig klar, dass es in einem ersten Schritt notwendig ist, dass alle Kräfte gebündelt werden, dass die Regierung sich dafür einsetzt, dass der Mehrjährige Finanzrahmen am Ende ein Plus und kein Minus stehen
hat. Am Ende ist das auch geglückt – das muss ich hier erwähnen, es ist keine Selbstverständlichkeit –: 770 Millionen Euro wurden wegverhandelt, am Ende hatten wir ein Plus von 35 Millionen Euro. An dieser Stelle danke ich dem damaligen Regierungschef Sebastian Kurz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
In einem zweiten Schritt war es natürlich notwendig, dass man auf europäischer Ebene inhaltliche Verhandlungen aufzunehmen beginnt, um unseren österreichischen, unseren ökosozialen Weg in der Agrarpolitik zu sichern. Dabei waren zwei Gremien entscheidend: Die Diskussionen im Rat hat meine Amtsvorgängerin Elisabeth Köstinger geführt. Sie hat sich in den Verhandlungen mit voller Energie engagiert und beispielsweise erreicht, dass unsere Vorleistungen im Umweltprogramm beim Ökoschema angerechnet wurden. Auf der anderen Seite hat Simone Schmiedtbauer, die Abgeordnete im Agrarausschuss, erreicht, dass es praxisnahe Regelungen für die neue GAP geben wird. Unter anderem möchte ich ihr Engagement dafür hervorheben, dass unsere Form der Bewirtschaftung der Almen auch in Zukunft möglich sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Was bringt diese GAP? – Mit dieser GAP leistet die österreichische Landwirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz, zu mehr Tierwohl und zu mehr Biodiversität. Das ist ein ganz zentraler Schritt, den man zur Kenntnis nehmen muss.
Konkret heißt es in den Maßnahmen im Agrarumweltprogramm beispielsweise, dieses wird ausgeweitet und das Budget wird um 25 Prozent erhöht. Das ist auch notwendig, denn mehr Auflagen und mehr Kosten erfordern ein höheres Budget.
Des Weiteren muss man zur Kenntnis nehmen und wissen, dass in der GAP insgesamt 40 Prozent der finanziellen Mittel künftig für klimarelevante Maßnahmen verwendet werden. Der Kollege von den Grünen hat es schon gesagt: Wir erhöhen die Investitionen in die biologische Landwirtschaft und in besonders tierwohlfreundliche Stallungen. Dieses Budget wird aufgestockt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Wir stocken weiters die Ausgleichszulage für die Bergbauern auf. Das hilft auch den Betrieben in den benachteiligten Gebieten. Das ist ein Erfolg im Sinne unserer Bergbäuerinnen und Bergbauern.
Die Hofübernahme wird erleichtert. Carina Reiter, Obfrau der Jungbauern, meinte, wir wollen ein gutes, attraktives Hofübernehmerpaket haben, um Hofübernahmen zu attraktivieren und zu erleichtern. – So viel zu den Maßnahmen.
Wo stehen wir jetzt? Um einen kurzen Zeitabgleich zu machen: Der erste wichtige Meilenstein ist gelungen, indem der GAP-Strategieplan fristgerecht Ende 2021 bei der Kommission eingereicht wurde. Er steht derzeit zur Debatte. Wir werden uns dafür einsetzen, dass praxistaugliche Regelungen umgesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Der zweite Meilenstein ist eben der heutige Beschluss dieses Rahmengesetzes. Es ist höchste Zeit, dass wir es beschließen. Wir sind damit in Europa unter den Mitgliedstaaten führend, denn in der jetzigen Zeit brauchen wir Planungssicherheit, damit wir die Versorgungssicherheit, von der wir auch gestern gesprochen haben, auch in dieser unsicheren Phase gewährleisten können.
Mit dieser GAP gelingt es, den österreichischen Weg der Agrarpolitik fortzusetzen. Was meine ich damit? – Wir sichern damit auch unsere vielfältige Betriebsstruktur, das heißt, wir sichern kleine Betriebe, mittlere Betriebe, aber auch Leitbetriebe. Wir sichern und unterstützen Vollerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe, biologische und konventionelle Betriebe sowie alle anderen unterschiedlichen Produktionssparten. (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.) Wir bieten eine Perspektive für die Ackerbaubetriebe, für die Grünlandbetriebe, für die Betriebe mit Tierhaltung, für Pflanzenproduktion in allen Regionen Österreichs. (Abg. Schmiedlechner: Alles wird gut!)
Insgesamt stehen im Topf 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung. An dieser Stelle möchte ich auch dem Bundeskanzler, Klubobmann Wöginger und dem Finanzminister Danke sagen. Sie haben durch die Bereitstellung von Bundesmitteln dazu beigetragen, dass diese Verhandlungen schlussendlich auch positiv abgeschlossen werden konnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Ich möchte mich bei unserem Verhandlungsführer Präsident Georg Strasser bedanken, bei Präsident Josef Moosbrugger und beim Koalitionspartner, bei der Landwirtschaftssprecherin der Grünen Olga Voglauer: Ihr habt ganz wesentlich und federführend dazu beigetragen, dass dieses zukunftsfähige Projekt und Paket heute beschlossen werden kann.
Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums, allen voran beim ehemaligen Generalsekretär Gernot Maier und beim zuständigen Sektionschef Johannes Fankhauser. Sie haben alles dazu beigetragen, um gut zu informieren, um zu unterstützen und um die Verhandlungen bestmöglich zu begleiten.
Die GAP ist ein Zukunftsprogramm für die Bäuerinnen und Bauern und für Österreich. Sie honoriert die großartigen Leistungen unserer Betriebe, und das bedeutet für Sie, meine Damen und Herren Konsumentinnen und Konsumenten, dass die österreichische Landwirtschaft uns weiterhin tagtäglich mit hochqualitativen regionalen Lebensmitteln versorgen kann.
Ich bitte um breite Unterstützung dieser Regierungsvorlage. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
14.38
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Kein Wort zum Tierschutz! – Abg. Strasser: Dann hat er nicht zugehört!)
Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorneweg meine herzliche Gratulation dem neuen Landwirtschaftsminister, meinem Nachnachfolger Norbert Totschnig zur Bestellung. Lieber Herr Kollege Schmiedlechner, es ist eine traurige Vorstellung, die Sie hier liefern, Norbert Totschnig derart abzuqualifizieren, der aus der Landwirtschaft kommt, der jahrelang im Agrarbereich tätig und ein anerkannter Experte ist. Alles Gute, und ich wünsche dir sehr viel gemeinsamen Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Die Europäische Kommission kennt zwei Politikbereiche, die gemeinsam gemacht werden: Das eine ist die Regionalpolitik und das andere ist eben die Gemeinsame Agrarpolitik, gemeinsam in Europa.
Es wurde im Laufe der Jahre immer wieder kritisiert, warum das gemeinsam ist – sehr viel Geld fließt in die Landwirtschaft. Heute, im Angesicht einer Krise, des Krieges in der Ukraine und der Frage, wie wir Europa und die Welt mit Lebensmitteln versorgen, zeigt sich, wie richtig es war, dass eine Gemeinsame Agrarpolitik gemacht wurde, dass Europa das Thema Lebensmittel mit den Nationalstaaten gemeinsam bewirtschaftet.
Und in jeder Finanzperiode, so auch von jetzt bis 2027, gibt es eben eine Reform dieser Gemeinsamen Agrarpolitik, und die wurde jetzt auch erfolgreich abgeschlossen.
Für Österreich war das jedes Mal eine große Herausforderung, denn, lieber Kollege Stammler – das muss ich Ihnen schon sagen –, nicht Sie haben die Ökologisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik gemacht, sondern wir seitens der ÖVP haben das von Anbeginn, seit dem EU-Beitritt gemacht. Das Ziel bei der Gemeinsamen Agrarpolitik war
nämlich immer, eine Ökologisierung voranzutreiben. Mit dem EU-Beitritt war der Durchbruch, weil das Programm für die umweltgerechte Landwirtschaft Öpul gemacht wurde, wodurch die Bauern eben nicht zu Almosenempfängern degradiert, sondern nach Leistung bezahlt werden, das heißt, jene Bauern, die mehr für die Umwelt tun, bekommen mehr Geld. Ein Biobauer bekommt mehr Ökoprämien aus diesem Programm als ein Bauer, der vielleicht gar nicht teilnimmt, der bekommt eben nichts. Dieses Programm haben wir von Reform zu Reform verteidigt.
Die Herausforderung bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für Österreich war immer, unser hohes Umweltniveau zu halten. Ich durfte die letzte Agrarreform als Landwirtschaftsminister verhandeln. Der Anspruch ist groß. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das ist jetzt kein Selbstlob, Sie können das in Europa nachfragen, wir sind mit unserem Umweltprogramm an der Spitze aller europäischen Länder. – Herr Kollege Leichtfried, Sie wissen das, lassen wir die Parteipolitik aus dem Spiel. – Kein Staat in Europa, kein Land in Europa hat ein derart ambitioniertes Umweltprogramm für die Landwirtschaft wie wir. Je höher die EU dann selber die Umweltansprüche schraubt, umso herausfordernder ist es für Österreich, die Latte eben nicht so hoch zu legen, dass die Bauern nicht mehr mittun.
Ich glaube, dass es gelungen ist, auch diesmal wieder den österreichischen Weg zu verteidigen und auch auszubauen. Die EU hat sogenannte Ökoregelungen vorgeschrieben – ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen –, und das bedeutet, dass das Umweltprogramm umgebaut werden musste, und das ist natürlich schwierig. Tatsache ist, dass die Reform dieser Agrarpolitik für die Bauern – Ackerbau und Grünland – Herausforderungen bringt, mehr zu tun, und dadurch haben sie einen höheren Aufwand.
Auch zum beschworenen Bauernsterben, das immer wieder erwähnt wird: Ja, es gibt den Strukturwandel, aber unsere Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte hat verhindert, dass die Bauern in Österreich derart zugrunde gehen wie in Europa. In Deutschland sind die Betriebe doppelt so groß, in Tschechien viermal so groß, in Dänemark, Holland, Belgien noch viel größer als in Österreich. Also uns ist es gelungen, gegen den Druck des Marktes Betriebsstrukturen zu erhalten, die doch noch kleiner sind als in vielen anderen Ländern Europas und der Welt – ein Erfolg der Agrarpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)
Zum Tierwohl: Jeder Bauer weiß, wenn er seine Nutztiere schlecht behandelt, bekommt er keine Leistung. Österreich war immer voran, zum Beispiel bei der Umstellung weg von der Käfighaltung der Hühner. Mit Kollegen Stöger haben wir damals unter Begleitung der Forschung den Ferkelschutzkorb verhandelt. Unser Ziel ist es, das Tierwohl vernünftig voranzutreiben. Wenn man bei uns die Viehbauern sozusagen behindert oder sterben lässt, kommen die Lkws mit den Schlachtschweinen aus Dänemark, aus Belgien, aus Holland in ein paar Stunden nach Österreich, und dort werden die Tiere eben nicht so gehalten wie bei uns. (Zwischenruf des Abg. Einwallner.)
Abschließend möchte ich noch einen Satz sagen, der mir wichtig ist. Die GAP muss die Lebensmittelversorgung in Europa sichern, aber ich finde, dass wir als Europa auch eine Lebensmittelversorgungsverantwortung in der Welt haben (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Einwallner), denn die Ukraine versorgt in etwa 400 Millionen Menschen in der Welt: den gesamten nordafrikanischen Raum, den Nahen Osten, Pakistan, Indonesien. Die Liste jener Länder, die aus der Ukraine Getreide bekommen, ist eine lange Liste von Entwicklungsländern. In Afrika und im Nahen Osten (Abg. Einwallner: ... ein großes Problem!) wird jedes zweite oder dritte Brot aus Getreide aus der Ukraine gemacht. Wenn das Getreide, das herausgebracht wird und dann in diese Regionen kommt – nicht das, das nach Österreich gebracht wird –, dort nicht herausgebracht wird, dann haben wir auch in Europa ein Problem, denn bevor die Menschen in Afrika zugrunde gehen, flüchten sie. – Das versteht jeder Mensch.
Also bin ich dafür, wir haben das auch in Brüssel deponiert, dass die Europäische Kommission den Green Deal neu bewertet und sagt: Erzeugung in Europa sichern, Biodiversität schützen und Umwelt schützen – es ist ja keine Frage, dass wir das über Bord werfen wollen, im Gegenteil –, aber es ist sehr wohl zu überlegen, wie wir als Europa einspringen können, wenn in derartigen Regionen Hungersnöte drohen. In Indien droht jetzt eine Dürre. Dass dort Flüchtlingsbewegungen entstehen, will niemand haben, daher müssen wir hier etwas tun.
Letzter Satz: Die Zahl der Kinder, die unter Hunger leiden – kleine Kinder, die nicht genug zu essen haben –, liegt mittlerweile bei 3,1 Millionen. Die Anzahl der Länder, in denen Menschen Hunger leiden, ist seit dem Ukrainekrieg weltweit von 47 auf 60 Länder gestiegen. Da besteht Handlungsbedarf. Ich erwarte von der Europäischen Kommission, dass sie den Green Deal neu bewertet und Lebensmittelerzeugung zulässt. – Alles Gute, lieber Norbert Totschnig! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)
14.44
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden in Zukunft jede einzelne Bauernhand in Österreich brauchen, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. In Europa ist Krieg, es wird sehr eng werden, diese Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Bauern werden dafür zu sorgen haben; sie werden es zwar nicht mithilfe der ÖVP-Politik schaffen (Zwischenruf bei der ÖVP), aber sie werden es schaffen, unsere Regale zu füllen.
Die ÖVP hat 35 Jahre lang die Minister und Ministerinnen in der Landwirtschaft gestellt – und täglich kommt es zum Bauernsterben, wie Kollege Schmiedleitner (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Schmiedlechner!) schon richtig aufgezeigt hat. Es gibt ein (einen Zeitungsartikel in die Höhe haltend): „Dramatisches Bauernsterben“.
700 Agrarbetriebe, und das ist der konservativen Politik in Europa zu verdanken, machen in Europa täglich zu. In Österreich werden es bis zum Jahr 2040 30 Prozent, eine ähnliche Anzahl, sein. Wenn dann ein ehemaliger Minister und Georg Strasser hier heraußen stehen, ist das für mich so, als ob ihr mit den Bauern Schmäh führen würdet. Nein wirklich, dass ihr das überhaupt nicht versteht! (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Herr Direktor des Bauernbundes, der jetzt Minister geworden ist: Bitte legen Sie diese Politik des Bauernbundes ab und machen Sie als Minister eine Politik, die für alle Österreicherinnen und Österreicher und für alle Bauern geeignet ist, nicht nur für den Bauernbund! (Beifall bei der SPÖ.)
Es kann ja nicht sein, dass da täglich Betriebe zusperren und der ehemalige Minister vergleicht und feststellt, dass in Deutschland größere Betriebe als bei uns in Österreich zusperren. Das ist euer Trost? Das kann es ja wirklich nicht sein, dass man in diese Richtung geht. Diese Regierungsvorlage würde ich zurücknehmen, Herr Minister. Ob Sie das als Direktor verhandelt haben oder nicht, das passt deshalb nicht, weil die EU die Rahmenbedingungen ja wohl vorgegeben und gesagt hat, es muss eine Umverteilung von Großagrarbetrieben zu kleinen und mittleren Betrieben geben. Wir in Österreich machen das jetzt genau mit 10 Prozent. Genau die großen Betriebe haben sich wieder durchgesetzt, eure Freunde vom Bauernbund haben sich durchgesetzt, und die kleinen Betriebe, für die habt ihr wieder nichts übrig. So wird das nicht gehen! (Ruf bei der ÖVP: Das passiert auch nicht!)
Die werden in den nächsten Jahren alle zusperren, nämlich 30 Prozent bis zum Jahr 2040. Das wird den Almen schaden, das wird den kleinen Bauernmärkten schaden.
Ihr schafft es ganz einfach nicht, dass ihr das in eine Richtung macht, dass der Kleine anständig gefördert wird. Ihr werft aber den Sozialdemokraten vor, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Lebensmittel billig sind, damit die Leute, die wenig verdienen, sich das auch leisten können. Ihr habt 2 Milliarden Euro dafür zur Verfügung und könnt keine Förderung aufstellen, dass die Lebensmittel günstig genug sind. (Abg. Reiter: Du verstehst die Zusammenhänge nicht!) Ja, was ist denn da passiert? (Beifall bei der SPÖ.)
Was ist denn da in Wirklichkeit passiert? Das kann es ja nicht geben! Deshalb ist diese GAP ein Zukunftsprogramm, wenn ihr das anständig angeht. Gehen wir in den Ausschuss zurück, unterstützt unseren Antrag und verhandeln wir das neu! Herr Minister, Sie haben jetzt eine andere Aufgabe. Sie sind nicht mehr Direktor von irgendwelchen Bauern, die Sie über die Jahre unterstützt haben, sondern Sie sind jetzt Minister – zeigen Sie, dass Sie es besser können, so wie es ein Bruno Kreisky oder ein SPÖ - - (Abg. Strasser: Da haben die meisten aufgehört, beim Kreisky!) – Ja, das regt euch auf, er war aber der Einzige, der euch eine Pension gegeben hat, sonst gäbe es ja heute noch keine. (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)
14.48
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr. Astrid Rössler. – Frau Abgeordnete, bitte schön.
Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Totschnig, ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre neue Aufgabe. Ich wünsche Ihnen auch gute Nerven und gutes Geschick in den vielen Gesprächen, die Sie in diesem Amt führen werden. – Alles Gute. (Beifall bei den Grünen.)
Ich möchte gerne bei der Biolandbauförderung starten, weil es einerseits erfreulich ist, dass die Förderungen für den Biolandbau erhöht worden sind, dass es Projektförderungen für die Verarbeitung und Vermarktung von Bioprodukten und auch andere Förderungen in diesem Bereich gibt, erfreulich ist andererseits aber auch – weil wir dafür auch eine gesicherte Nachfrage brauchen –, dass mit dem Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung in zwei Bereichen bei der Nachfrage von Bioprodukten speziell die öffentliche Verwaltung – dazu zählen aber auch Bildungseinrichtungen, dazu zählt der Gesundheitsbereich, Pflegeeinrichtungen –, die öffentliche Hand mit Vorbildwirkung vorangehen soll, um Bioprodukte stärker nachzufragen. In den beiden Bereichen – Lebensmittelbeschaffung, aber auch Veranstaltungen – gibt es steigende Quoten bei Biolebensmitteln, auch bei Getränken, und auch bei Mehrwegverpackungen, also im ganzen Nachhaltigkeitsbereich. Es ist ganz wichtig, dass die Nachfrage gesichert ist.
Der zweite Bereich zeigt, dass die Landwirtschaft viel mehr als nur Lebensmittelproduktion ist, denn in Wahrheit sprechen wir über ein und dieselben Bodenflächen, die unterschiedlichste Funktionen erfüllen.
Genau diese Bodenfunktionen werden sehr gut sichtbar im Nachhaltigkeitsziel 2, im SDG Nummer 2: Hunger beenden. Da geht es nämlich darum, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, die Erhaltung von Ökosystemen zu verbessern, die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu stärken. Die Resilienz der Böden und der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung hinsichtlich Extremwetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen soll gefördert und ausdrücklich die Bodenqualität verbessert werden.
Das zeigt sofort, dass Landwirtschaft viel mehr ist als nur Lebensmittelproduktion und/oder Tierhaltung, sondern in Wahrheit geht es um ein und denselben Boden, an den vielfältige Ansprüche gestellt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wer die letzten Tage orf.at verfolgt hat, konnte dort zwei wichtige Meldungen zum Thema Wasserknappheit lesen. Uns geht das Wasser aus. Das ist einer der kritischen Faktoren weltweit: Vor allem der Rückgang der Grundwasserkörper ist besorgniserregend, weil das auch unmittelbar in die Landwirtschaft eingreift.
Die zweite Meldung lautete: „Böden im Klimastress“. Die Böden werden trockener, und auch das ist ein Klimafaktor. Es sind also zwei große maßgebliche Stressfaktoren, die da auf die Landwirtschaft zukommen – beziehungsweise sind sie in Wahrheit schon voll angekommen.
Ich lese online die Nachrichten der Landwirtschaftskammer; auch da gab es jetzt im Mai zwei ganz, ganz dramatische Berichte. Einer führte unter dem Titel „Ohne Bodenbedeckung kein Schutz“ aus, wie sehr in Wahrheit Trockenheit und Klimawandel bereits in unseren Böden angekommen sind.
Der zweite Bericht betrifft Kärnten: „Hagel, Sturm, Überschwemmung“, 1 000 Hektar Ackerflächen und Grünland wurden von einem Hagel- und Starkregenereignis geschädigt. Wir befinden uns also bereits in einer ganz dramatischen Entwicklung, die ganz stark durch den Klimawandel ausgelöst wird.
Aus meiner Sicht heißt das: Der Boden erfüllt vielfältige, unverzichtbare Funktionen, von der Produktionsfläche über Rückhaltefunktionen bei Hochwasser sowie Wasserreinigung – auch der Gewässerschutz ist in Ihrem Ressort angesiedelt – bis zur Wildbach- und Lawinenverbauung. Es ist also ein sehr kompaktes, aber auch sehr wichtiges Paket.
Meine Bitte und mein Appell: Wir müssen aufhören, uns bei Klimaschutz, Naturschutz und Landwirtschaft in Details zu verheddern. Wir müssen die Dinge gemeinsam sehen und gemeinsam verhandeln, auch beim Thema Bodenverbrauch: Wir dürfen nicht so viele Agrarflächen verlieren, das ist ein ganz dringender Handlungsauftrag!
Meine Bitte ist daher, die Gesprächsbereitschaft mit allen Betroffenen zu verbessern und die Themen Naturschutz und Landwirtschaft als gemeinsames Ziel zu behandeln. Wir dürfen uns da nicht in Detailfragen verheddern, sondern müssen das gemeinsame Ganze – da geht es um ganz viel, auch um die Landwirtschaft mit ihren vielen Funktionen – als gemeinsames Anliegen sehen. Dazu wünsche ich Ihnen und uns allen gemeinsam alles Gute. (Beifall bei den Grünen.)
14.53
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Die letzten Tage haben es wieder gezeigt, eine Umgliederung der Bundesregierung war notwendig. Mit den Rücktritten von Frau Köstinger und Frau Schramböck haben wir bereits die 14. Umgliederung in der schwarz-grünen Bundesregierung erleben müssen.
Der Rücktritt von Frau Bundesminister Köstinger zum jetzigen Zeitpunkt, in dieser schwierigen Zeit, spricht Bände. Die große Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich sind Familienbetriebe und klein strukturiert. Allein in der Zeit, in der Frau Bundesminister Köstinger für die Landwirtschaft zuständig war, haben Tausende Betriebe aufgeben müssen, da sie ihre Produktion nicht mehr aufrechterhalten konnten. Meine Damen und Herren, eine florierende Landwirtschaft mit vielen Betrieben ist jedoch für uns alle von größter Wichtigkeit, sei es für die Versorgungssicherheit oder für die Kulturlandschaft auch für den Bereich Tourismus.
Der Ukrainekrieg hat uns wieder gezeigt, wie wichtig die Ernährungssouveränität in Österreich ist. Um diese zu erreichen, muss man endlich Maßnahmen setzen, um die
Landwirtschaft zu stärken. Die Umsetzung der Forderungen meines Kollegen Peter Schmiedlechner wäre von großer Wichtigkeit, die „3-L-Regel“: „Landwirte leben lassen“.
Dringend brauchen wir auch eine Minimierung der EU-Bürokratie und die Abschaffung der AMA-Marketingbeiträge, denn allein im Jahr 2020 haben unsere österreichischen Bauern dafür 19 Millionen Euro an Beiträgen eingezahlt.
Ganz wichtig wäre auch, dass die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer für die landwirtschaftlichen Betriebe während der Krise ausgesetzt werden, um die Produktionskosten einzudämmen. Davon würden schlussendlich auch die Konsumenten profitieren, derzeit ist die Kostenexplosion bei den Bauernhöfen nämlich wirklich enorm. So haben sich die Kosten für Dünger, Futtermittel und Diesel mittlerweile verdoppelt bis verdreifacht – würde man da endlich auf die Bremse steigen und tatsächlich wirksame Maßnahmen setzen, könnte in Summe die ganze Wertschöpfungskette davon profitieren. (Beifall bei der FPÖ.)
Geschätzte Damen und Herren, dieses Entlastungspaket für die heimische Landwirtschaft muss so schnell wie möglich beschlossen und umgesetzt werden, es darf nicht weiter zugewartet und beobachtet werden. Den Bauern muss jetzt geholfen werden, und zwar jetzt sofort. Ein gemeinsames Handeln ist unbedingt notwendig.
Herr Georg Strasser hat eingangs gesagt, die Forderungen von Cornelia Ecker von der SPÖ wären maßlos überzogen und brächten die Bauern „zur Verzweiflung“. Diese Meinung vertrete ich nicht – zur Verzweiflung bringt sie vielmehr die seit 35 Jahren alleinige Verantwortung der ÖVP im Landwirtschaftsministerium! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
14.56
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Franz Leonhard Eßl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollege Köchl hat behauptet, zu Zeiten, als Kreisky die Regierung angeführt hat, hätten weniger Bauernhöfe geschlossen als jetzt unter ÖVP-Ministern.
Ich berichtige tatsächlich: Im Zeitraum 2010 bis 2020 haben 17 417 Betriebe geschlossen. Das sind zu viele, aber im Zeitraum, als Kreisky regiert hat, haben von 1970 bis 1980 59 492 Betriebe geschlossen! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Wahnsinn! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)
14.57
Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Neumann-Hartberger, Sie wären nun zu Wort gemeldet. Es ist jetzt 14.57 Uhr, ich müsste die Sitzung um 15 Uhr unterbrechen. Wollen Sie beginnen oder wollen Sie warten? (Abg. Neumann-Hartberger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich brauche 4 Minuten!) – 3 Minuten hätten wir, wie Sie wollen! (Ruf bei der FPÖ: Mehr hat sie eh nicht zu sagen! – Abg. Leichtfried: Das geht sich schon aus, muss sie schneller reden!)
Dann bitte ich Sie ans Rednerpult. – Bitte schön.
Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Ein herzliches Willkommen an unseren neuen Landwirtschaftsminister! Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit; die massive Teuerung trifft uns in vielen Bereichen der Landwirtschaft schon heute. Das Thema Versorgungssicherheit ist auf der Tagesordnung und globale Zusammenhänge werden uns knallhart vor Augen geführt.
Wir stehen, wie wir schon vielfach gehört haben, vor einer neuen Förderperiode für die Landwirtschaft, es ist bereits die fünfte seit EU-Beitritt. Ich habe jede einzelne als Betriebsführerin und Vollerwerbsbäuerin erlebt und auch überlebt.
Die GAP ist, so realistisch muss man sein, im Gegensatz zu den volatilen Märkten, auf denen wir uns befinden, ein gewisser Stabilitätsfaktor für die Landwirtschaft geworden, nämlich in Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Kalkulation.
Jetzt stehen wir aber vor der Situation, dass die GAP auch gesamtgesellschaftliche politische Forderungen und Wünsche an unsere Produktion heranträgt. Ich denke da an Forderungen nach mehr Biodiversität und mehr Tierwohl, und auch die ambitionierten Ziele des Green Deal erkennt man darin schon. Das verursacht für unsere Betriebe aber unter dem Strich höhere Kosten und gleichzeitig bedeutet es auch weniger Produktion.
Was bedeutet weniger Produktion in Zeiten wie diesen? Jeder lernt es in der Schule – Angebot und Nachfrage regulieren den Preis –: Gibt es weniger Angebot, weil weniger produziert wird, steigt die Nachfrage – jeder will die Ware haben –, ergibt das für die KonsumentInnen höhere Preise, die sich nicht jeder leisten kann oder im Lebensmittelbereich auch leisten will. Ist das unser Ziel?
Wenn ich mir den Antrag der SPÖ hernehme, der die „Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel“ fordert, dann frage ich mich echt: Wo leben Sie? Das Umweltprogramm fördert seit 27 Jahren jene Flächen, auf denen kein oder reduzierter Pflanzenschutzmitteleinsatz stattfindet, und zwar jede Fläche einzeln beurteilend.
15.00
Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ist jetzt leider so weit: Ich muss Sie bitten, Ihre Ausführungen zu unterbrechen (Abg. Neumann-Hartberger: Ich komme dann wieder!) – Sie kommen dann wieder dran –, damit die verlangte kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung gemäß der Geschäftsordnung nun um 15 Uhr stattfinden kann.
(Beifall bei der ÖVP für die das Rednerpult verlassende Abg. Neumann-Hartberger.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich unterbreche die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 7 der Tagesordnung.
Kurze Debatte: „Auftragsvergaben an die Karmasin Research & Identify GmbH“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 9856/AB.
Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.
Wir gehen in die Debatte ein.
Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern. Das ist ein Wunsch.
Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Hafenecker als Antragsteller des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.
Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Ich bin froh, dass wir heute einen analogen Minister hier haben und
nicht nur den digitalen Sekretär. Das ist schon ein Fortschritt im Vergleich zu gestern. Nichtsdestotrotz müssen wir uns hier über eine ernste Sache unterhalten, und zwar ist das die Anfragebeantwortung, die aus Ihrem Ressort gekommen ist und die einmal mehr klargemacht hat, dass ganz offensichtlich vor allem ÖVP-Ministerien als zentrale Geldausleitungsstellen der ÖVP missbraucht werden, um Steuergelder schlussendlich dann zum Nutzen der ÖVP zu missbrauchen. (Abg. Hörl: Unerhört! – Abg. Steinacker: Das geht so nicht!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, bevor es da drüben (in Richtung ÖVP blickend) jetzt laut wird: Ich kann Ihnen gerne auf die Sprünge helfen. Wir haben vor Kurzem sehr breit über die Problematik mit dem Beinschab-Tool diskutiert und gesprochen und haben herausgefunden, was die dort gemacht haben: Sie haben aus dem Finanzministerium, in dem jetzt Herr Minister Brunner sitzt, Geld ausgeleitet. Sie haben irgendwelche Fantasiestudien entworfen, um auf der einen Seite Sebastian Kurz hinaufzuschreiben, auf der anderen Seite Reinhold Mitterlehner hinunterzuschreiben und am Ende des Tages die österreichische Bevölkerung zu hintergehen. Das war das, was Sie gemacht haben. Und das war auch der Grund, warum wir eine Anfrage gestellt haben, in der wir wissen wollten, ob dieses Beinschab-Tool vielleicht auch noch anderwärtig eingesetzt wurde oder wird.
Jetzt sind diese Anfragebeantwortungen zurückgekommen, und wir müssen feststellen, dass Sie auch weiterhin an diesem System festgehalten haben, dass Sie das weiterhin parteiintern gesteuert haben und dass Sie noch dazu die große Auftragsumverteilung innerhalb der türkisen Familie vorgenommen haben. Das ist das, was wir jetzt sehen, und das ist auch ein Sittenbild der Politik der ÖVP.
Wenn man sich anschaut, wie dieses Tool der Frau Beinschab funktioniert hat, dann kommt man auch noch drauf, dass es eine ehemalige Ministerin gibt, Ihre Familienministerin Karmasin, die sich nicht zu schade dafür war, für vermittelte Aufträge an Frau Beinschab auch noch 20 Prozent – sozusagen hintenherum – mitzukassieren. Auch da hat sie noch mitgeschnitten. Genau deswegen wollten wir wissen: Was ist eigentlich in den Ministerien an Aufträgen genau in diese Richtung abgeflossen?
Das Ergebnis, meine sehr geehrten Damen und Herren, war ein katastrophales. Wir haben festgestellt, dass diese beiden Damen in nur zwei Jahren 672 000 Euro aus den Ministerien abgesaugt haben: 672 000 Euro für Studien, von denen man bis heute nicht weiß, wofür die eigentlich gewesen sind, wozu die eigentlich gemacht worden sind und was für einen Nutzen sie dem jeweiligen Ministerium gebracht haben. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Es waren dabei das Finanzministerium, Ihr Ministerium, das Vizekanzleramt, das Wirtschaftsministerium und das Landwirtschaftsministerium. Interessanterweise sind die Ministerinnen der beiden letztgenannten Ressorts vorige Woche zurückgetreten. Vielleicht wollten sie auch gar nicht mehr darüber reden, was da vielleicht noch ins türkise Universum gepumpt worden ist.
Wenn man sich jetzt anschaut, um welche Studien es da geht, und wenn man sich anschaut, was da untersucht worden ist, dann findet man sehr eigenartige und, ich möchte fast sagen, mysteriöse Titel. Sehr oft sind diese Studien gar nicht veröffentlicht worden. Und, ja, man kann da schon das geflügelte Wort aussprechen und kann schon fragen: Was war die Leistung?
Man hat ja direkt den Eindruck – Kollege Ries wird dann vielleicht noch ein bisschen näher darauf eingehen –, dass man sich Fantasienamen für irgendetwas hat einfallen lassen, oder man hat irgendwelche No-na-Studien gemacht, von denen ich bis heute nicht weiß, was die in diesen Ministerien verloren haben. Herr Kollege Krainer hat zuletzt im Untersuchungsausschuss herausgearbeitet, dass das Innenministerium Umfragen zur Mindestsicherung gemacht hat. Da stelle ich mir auch die Frage: Was hat das Innenministerium mit der Mindestsicherung zu tun? – Man sieht, wie der Modus Operandi
in der ÖVP ist und wie man für parteiinterne Zwecke Steuergelder missbraucht und eben aus den Ministerien herausleitet.
Wenn man sich jetzt einmal diese ganzen Fantasiestudien schenkt und darüber hinwegblickt, dann sieht man aber noch den Gipfel der Schamlosigkeit, und zwar jenen, dass man alleine 300 000 Euro – und da waren Sie mit dem Finanzministerium sehr weit vorne dabei – dazu verwendet hat, um die Coronapolitik der Bundesregierung schönzureden. Das heißt, jetzt wird schön langsam auch klar, warum die Medien berichtet haben, wie sie berichtet haben: weil nicht nur Umfrageinstitute gekauft worden sind, sondern in weiterer Folge mit knapp 500 Millionen Euro auch die österreichische Medienlandschaft. Ich glaube, das ist auch der Punkt, warum man nie die Wahrheit über die Coronakrise und die Auswirkungen erfahren wird, weil Sie das System von vornherein so in Gang gesetzt haben, dass da nie die ganze Wahrheit herauskommen kann.
Das ist ein Beispiel, wie Ihre Kreislaufwirtschaft funktioniert. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Inseratenkorruption funktioniert, und, Herr Bundesminister – deswegen bin ich froh, dass Sie heute da sind –, das ist auch ein Beispiel dafür, wie Ihr Vorarlberg funktioniert. Was auf der einen Seite der ÖAAB in Niederösterreich besorgt, macht auf der anderen Seite der Wirtschaftsbund in Vorarlberg. Und wenn man den Aussagen glauben darf, die man in den letzten Tagen lesen musste, hat sogar niemand Geringerer als der Landeshauptmann selbst die Arbeit des Inseratenkeilers übernommen und hat – frei nach dem Motto des hinter mir sitzenden Nationalratspräsidenten – gesagt: Für ein Inserat gibt es eine Gegenleistung, das ist ja ganz klar!
Das ist Ihre Art und Weise, Politik zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das ist der Grund, warum wir diese Art und Weise einmal hinterfragen sollten und in diesem Haus auch zu diskutieren haben. Das ist der Grund, warum Sie heute hier sind. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Krainer und Scherak.)
Herr Finanzminister! Ich kann Kollegen Hanger schon nicht mehr hören, der dann immer im Untersuchungsausschuss sagt: Ja, dazu sind wir ja hier, um volle Transparenz zu zeigen und alles aufzuklären. Wissen Sie, was Ihr Landeshauptmann aus Vorarlberg macht? – Der versteckt sich bereits jetzt vor dem Untersuchungsausschuss. Dem Vernehmen nach hat er leider Gottes zu unserem Termin keine Zeit. Und wenn das tatsächlich so eintreten sollte, wie es momentan aussieht, dann verstehe ich nicht, warum die ÖVP das Wort Transparenz überhaupt noch in den Mund nimmt. Da möchte ich Sie, Herr Bundesminister, der Sie ja selbst aus dem Wirtschaftsbunduniversum kommen, darum bitten, dass Sie Herrn Landeshauptmann Wallner hinterbringen, dass es sehr, sehr wichtig wäre, sich nicht hinter dem Arlberg zu verstecken, sondern in Wien Rede und Antwort zu stehen und gegebenenfalls auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, sollte dort wirklich alles so gelaufen sein, wie es momentan den Anschein hat.
Wir werden nicht zulassen, dass man diese Dinge aussitzen kann. Herr Bundesminister, Sie kommen uns ja selbst auch im Untersuchungsausschuss besuchen, ich bin gespannt, wie Sie die Vorgänge in Vorarlberg kommentieren. Wir werden nicht zulassen, dass man da sozusagen einfach wieder zur Tagesordnung übergeht, sondern wir werden uns das im Untersuchungsausschuss deswegen anschauen, weil Sie offenbar selbst nicht in der Lage sind, endlich einmal Transparenz zu gewährleisten.
Eines werden wir uns übrigens auch anschauen, und das ist der nächste Ausfluss des Untersuchungsausschusses, der zeigt, warum es so wichtig ist, dass wir hier Aufklärung betreiben: Auch die neue Inseratencausa, die aufgepoppt ist, diesmal in der Stadt Wien und im Innenministerium, werden wir uns genauer ansehen. Wir haben als Quelle dafür die sogenannten Kloibmüller-Chats, und da gibt es schon eine sehr interessante Geschichte, die daraus entsprungen ist, und zwar: Im Jahr 2016 chattet ein Ihnen sicher nicht unbekannter Politiker aus Wien, der Landesparteiobmann, um genau zu sein,
damals noch Polizeigeneral, mit dem Kabinettschef des hinter mir sitzenden damaligen Innenministers Sobotka. Wissen Sie, worum es dabei gegangen ist? – Da ist es um das Projekt „Österreich Sicher“ gegangen. Das ist eine Zeitschrift, von der bis heute keiner weiß, welchen Sinn die eigentlich gehabt hat. In dieser Zeitschrift wurden massig Inserate geschalten.
Herr Mahrer aus Wien, damals noch Polizeigeneral – und das hat mich schon das erste Mal stutzig gemacht, denn es kann doch nicht Aufgabe des Vizepräsidenten der Polizei von Wien sein, dass er Inserate keilt –, Herr Mahrer hat nichts anderes zu tun, als Herrn Kloibmüller zu kontaktieren und für drei Dinge zu werben: erstens dafür, dass das Innenministerium Geld lockermacht, was der Minister, jetzt der hinter mir sitzende Präsident, dann auch getan hat, zweitens, dass der Gemeindebund Geld lockermacht, und drittens, dass das Raiffeisenuniversum Geld lockermacht.
Wissen Sie, was noch interessant ist? – Herr Mahrer hat damit geworben, dass es ein absolut sicheres Investment ist, wenn man dort investiert und dort Inserate schaltet, und auf der anderen Seite auch sichergestellt ist, dass man vollen redaktionellen Zugriff hat – voller redaktioneller Zugriff; das Motto von Herrn Sobotka: Für Inserate gibt es eine Gegenleistung.
Wissen Sie, Herr Präsident Sobotka, weil Sie hinter mir sitzen: Sie haben genau das Gegenteil in Ihrer Anfragebeantwortung geschrieben. Sie haben gesagt, Sie haben nie Einfluss auf die Redaktion dieser Zeitschrift genommen. Herr Mahrer hat das Gott sei Dank alles notiert und Herr Kloibmüller auch, wir wissen daher, dass genau das Gegenteil der Fall war.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen, dass die ÖVP ein strukturelles Inseratenkorruptionsproblem hat, und ich glaube, es sind wirklich alle Parteien hier im Haus dazu aufgerufen, dass wir das einmal unterbinden, dass Steuergelder ausgeleitet werden, um am Ende des Tages irgendwo im türkisen, schwarzen – oder welche Farbe auch immer man einsetzen möchte – Universum zu landen, dass dann vielleicht noch Provisionen fließen, eventuell auch Kick-back-Zahlungen. Das sollten wir unterbinden und das muss auch unsere Aufgabe sein.
Übrig bleibt für mich in der Causa Mahrer trotzdem eine Frage: Warum ist ein ÖVP-Polizeigeneral als Inseratenkeiler tätig? Warum gründet er ein Jahr danach auch noch eine PR-Agentur, Mahrer Communications? Was hat es damit auf sich? Warum kommt er ein Jahr danach als Abgeordneter zum Nationalrat zurück? Warum hat er übrigens für seine Firma, die eine PR-Agentur ist, nicht einmal eine Homepage?
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, ich kann Ihnen eines sagen: Das Ganze schaut einfach nicht gut aus. – Ich glaube, wir müssen das aufklären. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Bitte wirken Sie auch auf Ihren Parteikameraden Mahrer ein! Eines ist Faktum: Morgen hat Herr Mahrer ja seinen Parteitag in Wien. Wenn man sich das Verhaltensmuster von Herrn Mahrer anschaut und wenn man sich den korruptiven Zugang anschaut, der da vielleicht auch mitspielt, dann ist auch er dafür geeignet, morgen am Parteitag 100 Prozent zu bekommen. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)
15.11
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Finanzen Magnus Brunner. – Bitte.
Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Danke, Kollege Hafenecker, für die Ausführungen. Ich werde natürlich gern darauf
replizieren, auch wenn die Vorgänge weit vor meinem Start als Finanzminister gelegen sind. Es ist aber natürlich trotzdem meine Verantwortung, hier Rede und Antwort zu stehen.
Zur Frage, ob der Landeshauptmann kommt oder nicht, kann ich leider nichts sagen, weil ich seinen Terminkalender nicht kenne. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, er kommt, aber wenn Sie Genaueres oder Zeitnäheres wissen – ich weiß es nicht und das ist, glaube ich, kein Thema, das wir hier diskutieren müssen.
Eine Vorfrage möchte ich klären, obwohl Sie es nicht angesprochen haben, muss ich dazusagen. Ich möchte es trotzdem noch kurz erwähnen – fairerweise –, weil diese Frage immer diskutiert wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzministeriums – Sie haben es jetzt nicht erwähnt – sind auch immer stark in der Kritik gestanden, und da muss ich wirklich eine Lanze brechen: Ich habe in den ersten fünf Monaten nun wirklich kennen und schätzen gelernt, wie hoch die Qualität ist. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe, in allen Bereichen, das ist klar, aber die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist wirklich effizient (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), sie ist wirklich hervorragend. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) Die Leute machen wirklich einen exzellenten Job und sind auch hoch angesehen (Zwischenruf bei der FPÖ), sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene. Ich möchte mich wirklich auch für die Unterstützung bedanken, die wir erfahren. (Beifall bei der ÖVP.)
Natürlich ist es aber wichtig – da haben Sie recht –, Aufklärung zu leisten. Das ist uns wichtig, das ist klar. Sie können jetzt sagen: Ja, das sagt man immer!, aber das ist wirklich so. Ich kann dann auch begründen, warum ich es schon ernst meine, und ich kann auch zeigen, dass ich es ernst meine. Es ist wichtig, Aufklärung zu leisten, wenn in der Vergangenheit Verfehlungen passiert sind. Ja, das ist auch mein Verständnis, eigentlich seit dem Amtsantritt. Wir kooperieren selbstverständlich vollständig, mit allen Stellen, ob es die Justiz ist, ob es der Rechnungshof ist oder natürlich auch das Parlament, wenn es um den Untersuchungsausschuss geht.
Wir haben auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe alle Studien und Aufträge mit diesen betroffenen, von Ihnen genannten Instituten sofort gestoppt, wenn es noch welche gab. Das war, glaube ich, wichtig. Es wurde auch bereits unter meinem Vorgänger damit begonnen, diese Dinge gemeinsam mit der Internen Revision aufzuarbeiten, also auch nach innen Aufarbeitung zu leisten, und da muss ich auch ganz klar sagen: Ja, es wurden durch die Untersuchungen, die die Interne Revision gemacht hat, Defizite aufgezeigt.
Es wurden Defizite aufgezeigt – überhaupt keine Frage –, die auch nicht zum Selbstbild eines modernen Verwaltungsapparats gehören. Es sind das auch nicht mein Verständnis vom und mein Anspruch an den Umgang mit Steuermitteln, was da zum Teil passiert ist. Das muss selbstverständlich aufgeklärt werden. Ich sage das hier auch ganz klar: ja, Defizite, und: Das ist nicht unser Verständnis. – Wir haben deswegen auch gleich zu Beginn, als ich angefangen habe, diesen Revisionsbericht veröffentlicht, so schnell es gegangen ist. Wir können nicht ungeschehen machen, was zum Teil in der Vergangenheit passiert ist, aber wir müssen die Lehren daraus ziehen, und da hilft uns dieser Revisionsbericht sehr.
Wir nehmen diesen Revisionsbericht sehr ernst und haben die ersten Maßnahmen, die darin vorgeschlagen worden sind, bereits auf den Weg gebracht. Das ist wichtig. Es braucht auf der einen Seite die gelebte Compliance – das ist insgesamt eine Kulturfrage – und auf der anderen Seite – das ist auch wichtig – moderne und transparente Vergabeprozesse. Wir sind daran, das wirklich intensiv aufzuarbeiten und entsprechende moderne Vergabeprozesse auf den Weg zu bringen.
Es braucht auch effiziente und professionelle Strukturen. Deswegen arbeiten wir auch – das ist neben dem Vergabeprozess das Zweite – im Ministerium an einer Organisationsreform,
um auch da zu zeigen, dass es klare Trennungen gibt, dass es klare und professionelle Strukturen gibt. Mein Haus arbeitet gerade, auch mit Unterstützung, auf Hochtouren an dieser Reform, um die Lehren aus diesem Interne-Revisions-Bericht zu ziehen und auch die Verwaltung insgesamt besser gestalten zu können.
Da es in diesem Zusammenhang auch immer wieder diskutiert wird: Wir haben insgesamt die Ausgaben für Inserate, für Einschaltungen bereits jetzt massiv zurückgefahren. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Information über die Covid-Situation und die Hilfsmaßnahmen nicht mehr notwendig sind – das stimmt –, aber das Ziel ist schon, das entsprechend zurückzufahren und weniger zu machen – unabhängig davon, dass der Informationsbedarf da jetzt auch zurückgegangen ist. Wir arbeiten in dem Zusammenhang ganz eng mit der Bundesbeschaffung zusammen – das ist, glaube ich, auch wichtig, um Transparenz zu zeigen.
Wir bekennen uns aber auf der anderen Seite schon dazu – das muss man auch klar sagen –, dass wir als Bundesregierung eine Informationsverpflichtung haben. Das ist, glaube ich, auch notwendig. Die richtige Balance zu finden ist eine Aufgabe, der wir uns gerne stellen. (Abg. Hafenecker: Dann schaut euch einmal die Studien an!) – Ja, Sie haben recht, wir werden es auch zurückfahren – das habe ich, glaube ich, auch entsprechend gesagt.
Wir werden selbstverständlich auch, das haben wir auch schon gezeigt, alle Studien – das ist aber eine Selbstverständlichkeit – auch veröffentlichen. Das ist, glaube ich, auch aus Gründen der Seriosität ganz wichtig. Es ist nämlich prinzipiell nichts Böses und Verwerfliches dabei, Studien zu machen. Sie, Herr Kollege Hafenecker, fordern das ja auch immer zu Recht, dass man Politik faktenbasiert machen sollte, und solche Studien sind oft hilfreich, wenn es um Fakten geht, wenn es um sachliche Politik geht. Ich will das also nicht verteufeln. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) – Sie auch nicht, ja, das gebe ich zu, alles gut. Man verteufelt es auch nicht, das soll man auch nicht.
Wir brauchen ab und zu Studien, wenn es Sinn macht, wenn es notwendig ist und wenn es uns in der Politik für die Faktenbasiertheit hilft; Studien also nicht prinzipiell verteufeln, sondern das muss man seriös diskutieren – das ist richtig. Das ist auch keine österreichische Erfindung, sondern das ist weltweit so, und das wird auch zu Recht gefordert.
Wir agieren aber auf der anderen Seite mit Steuergeld – das ist auch klar –, deswegen muss man transparent damit umgehen. Die Steuerzahler haben ein Recht darauf, zu erfahren, was in diesen Studien drinnen ist, und deswegen ist diese Veröffentlichung der Studien und der Ergebnisse ganz selbstverständlich. Darauf werden wir in Zukunft auch schauen.
Wir stehen für volle Transparenz, wir stehen für Aufklärung. Wir haben das auch mit dem Interne-Revisions-Bericht bewiesen und werden die Lehren aus diesem selbstverständlich auch umsetzen. Wir sind nach dem Bekanntwerden der Versäumnisse sofort darauf eingegangen und haben die entsprechenden Lehren daraus gezogen.
Pauschalverurteilungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – das haben Sie nicht gemacht –: Dagegen muss ich mich natürlich verwahren. Ich sage es nur, weil es in der Diskussion oft ein bissel vermischt wird (Abg. Hafenecker: Na, ich verurteile nicht die Mitarbeiter, ich verurteile nur die ÖVP pauschal!) – Alles klar, dann ist es ja gut. In der öffentlichen Darstellung wird es oft so dargestellt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.19
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scharzenberger. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ja, Kollege Hafenecker, in Ihrer Aufgeregtheit haben Sie offensichtlich (Ruf bei der FPÖ: Aufgeregt war er nicht!) die Anfragebeantwortung nicht bis zur letzten Seite gelesen, denn sonst wüssten Sie, dass unser Finanzminister unverzüglich nach Fertigstellung des Untersuchungsberichtes der Internen Revision das Projekt Beschaffung in den zentralen Stellen in Auftrag gegeben hat. Dieses Projekt verfolgt das Ziel (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), die Beschaffungen der letzten Jahre umfassend zu analysieren und in weiterer Folge auch die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Behördenintern gibt es also die Revision. Wie Sie auch wissen, Herr Kollege, liegt dieser Revisionsbericht samt Anhang dem Untersuchungsausschuss vor und ist dort auch schon umfassend diskutiert worden.
Drittens wissen Sie auch ganz genau, dass weitere entsprechende Auskunftspersonen zu diesem Beweisthema erst für Juni geladen sind.
Ja, es ist ganz klar unsere Aufgabe im Untersuchungsausschuss, die politische Verantwortung aufzuklären. Die strafrechtliche Verantwortung haben Gerichte zu klären, und diese werden sicher auch ein besonderes Augenmerk auf die Vergabe öffentlicher Aufträge legen. Eines ist aber klar: Wenn es Fehlverhalten gegeben hat, dann haben die handelnden Personen dafür die Verantwortung zu übernehmen und gegebenenfalls auch die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Parteipolitisch verstehe ich schon, warum Sie diese Debatte hier im Hohen Haus mit öffentlicher Aufmerksamkeit führen wollen. Es ist ja auch Ihre Rolle als Opposition, das hat auch der ehemalige OGH-Präsident Prof. Ratz schon gesagt: Wenn Sie diese Rolle nicht spielen, spielen Sie gar keine Rolle. (Beifall bei der ÖVP.)
Bleiben wir aber bei den Fakten und klären wir auf, sorgen wir für Transparenz! Genau deshalb gibt es ja auch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Lassen Sie mich zum Schluss schon noch eines sagen: Die Leute haben uns gewählt, damit wir unsere Arbeit machen. (Abg. Hafenecker: Richtig!) Trotz aller Umstände bringen wir große Projekte und Reformen auf den Weg. Das zeugt von guter Arbeit und auch von Zusammenhalt in der Koalition. (Abg. Hafenecker: Da klatschen nicht einmal die Grünen! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ihr könnt noch so viele systematische Anpatzversuche starten, wir werden weiterhin unsere Arbeit für Österreich machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Martin Graf: Da braucht man einen eigenen Minister dazu! Zusammenhalt der Koalition! Da braucht man einen eigenen Minister! Das größte Projekt der Regierung! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)
15.22
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (in Richtung Präsident Sobotka): Die Uhr (auf die bereits laufende Uhr am Rednerpult deutend, die die Redezeit anzeigt) erst einschalten, wenn ich anfange, bitte.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte?
Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Die Uhr bitte erst einschalten, wenn ich anfange – ist ausgemacht.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ja.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Ich habe noch nicht angefangen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister! Es ist eh interessant, wie Sie sich herstellen und ehrlich gesagt so tun, als ob Sie für Aufklärung und für Transparenz stehen und alles ordentlich beantworten und eh daran arbeiten, dass Österreich besser wird, und wenn es zu irgendwelchen Verfehlungen gekommen ist, dann ist das zu verurteilen. – Das ist ja mehr oder weniger, was Sie machen. Ich glaube, ich muss Sie nur auf ein paar Dinge aufmerksam machen.
Erstens: Sie haben die Fragen hier nicht richtig beantwortet. Das hat ja jeder vor sich liegen. Die erste Frage, die Kollege Hafenecker stellt, ist: „Wurden von Ihrem Bundesministerium [...] Aufträge an die Karmasin Research & Identity GmbH zwischen 2013 und 2021 vergeben“? – Also: „zwischen 2013 und 2021“. Dann brauchen Sie ja nur Ihre eigene Antwort durchzulesen. Da steht: „Folgende Aufträge wurden im abgefragten Zeitraum (ab 2019) [...] vergeben“. – Das ist aber nicht der abgefragte Zeitraum. (Ruf bei der ÖVP: Sinnerfassend lesen!) Sie haben hier einfach die Frage für sechs Jahre nicht beantwortet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brandweiner und Totter. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Das ist einmal eine Sache. (Abg. Totter: Sinnerfassend lesen!) Vielleicht ist es ein Tippfehler, ich weiß es ja nicht (Abg. Totter: Sinnerfassend lesen!) – aber Sie werden mir jetzt nicht absprechen, dass ich lesen kann (Zwischenrufe bei der ÖVP) und dass mir auffällt, dass da etwas anderes beantwortet wird, oder? (Ruf: Künstliche Aufregung! – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) So. Also da würde ich Sie erstens einmal ersuchen, Herr Finanzminister, das aufzuklären: Entweder ist es ein Tippfehler und es geht um den Zeitraum ab 2013, dann sagen Sie es; oder Sie haben nicht beantwortet, was gefragt wurde.
Zweitens: Sie haben gesagt, Studien sind wichtig, denn es geht ja um faktenbasierte Politik. – Ich meine, da muss ich lachen! Das, was hier unter Studie läuft, sind Meinungsumfragen, und Meinungsumfragen erheben nicht Fakten. Sie verwechseln da Sachen. All diese sogenannten Studien sind Meinungsumfragen. Noch einmal: Eine Meinungsumfrage erhebt nicht Fakten, sondern Stimmungen und Meinungen. Das ist nicht faktenbasiert und das hat auch nichts mit Fakten zu tun. Dass Sie das damit verteidigen, zeigt, dass Sie offenbar nicht das notwendige Problembewusstsein haben.
Sie sagen, Sie „stehen für volle Transparenz“. Das haben Sie gerade vorhin gesagt: „volle Transparenz“. Dann stellt sich für mich die Frage: Wenn Sie für volle Transparenz stehen, erklären Sie doch bitte, wieso Sie den Bericht der Internen Revision nicht veröffentlicht haben (Abg. Egger: Das hat der Peschorn erklärt!), sondern den Bericht zu einem Anhang gemacht haben, aus dem Sie erstens alle Zahlen und zweitens alle Verbindungen zum Generalsekretariat und zum Kabinett rausgenommen haben und den sie dann veröffentlicht haben!
Sie haben zuerst alle Spuren zum Generalsekretariat und alle Spuren zum Kabinett getilgt, das Sie fast zur Gänze von Herrn Blümel übernommen haben – zur Gänze! Wie viele Änderungen gab es? Eine Person wurde geändert? (Bundesminister Brunner: Drei, vier!) – Ja, vom gesamten Kabinett! Das haben Sie übernommen! Aber aus dem Bericht, in dem klar drinsteht, wie der politisch bestellte Generalsekretär und das Kabinett auf diese ganzen Vergaben und auf diese ganzen Umfragen und auf die Inserate in „Österreich“ und so weiter Einfluss nehmen, wurde alles rauszensiert. Veröffentlicht haben Sie dann einen Bericht, bei dem das alles draußen ist.
Das ist nicht „volle Transparenz“, das ist ehrlich gesagt das Gegenteil davon, das ist, den Beitrag der politischen Ebene zu dieser politischen Korruption aus einem Bericht rauszunehmen und so zu tun, als ob es da um optimierte Verwaltungsabläufe gehe. –
Nein, es geht nicht darum, Verwaltungsabläufe zu optimieren. Es geht darum, dass die ÖVP Verwaltungsabläufe für parteipolitische Zwecke missbraucht. Um nichts anderes geht es hier, um nichts anderes! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Das ist falsch! –Abg. Steinacker: ... Unterstellung ... klären noch immer die Gerichte!) – Oh Gott, Leute! Ja, ja, bitte (Abg. Steinacker: ... keinen Vorwurf ... Strafgesetz!) heben Sie sich Ihre Worte für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auf, die hören es sich sicher gerne an. (Abg. Baumgartner: So eine Präpotenz!)
Sie sagen, wir sollen nicht pauschal verurteilen. Wir verurteilen hier gar nichts pauschal! (Rufe bei der ÖVP: Na! – Zwischenrufe der Abgeordneten Totter und Weidinger.) Sie sprechen pauschal frei! Sie sprechen pauschal alle Mitarbeiter, die Sie von Blümel übernommen haben, frei, obwohl Sie, wenn Sie sich das ernsthaft anschauen würden, sehen würden, dass Ihr halbes Kabinett an der politischen Korruption mitgewirkt hat (Abg. Weidinger: Zur Sache, Herr Kollege! Zur Sache!), persönlich mitgewirkt, Ihr eigener Kabinettschef daran mitgewirkt hat! (Ruf bei der ÖVP: Unterstellung!)
Das ist ehrlich gesagt nicht das, was ich unter Transparenz und unter Beitrag zur Aufklärung verstehe, sondern was ich darunter verstehe, ist, dass Sie offenbar nicht gelernt haben, dass die ÖVP endlich mit dieser Korruption aufhören muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
15.28
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.
Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren im Hohen Haus! Herr Bundesminister, Sie haben zuvor in Ihrem Statement gesagt, dass Sie die Beschaffung neu ordnen werden. Das zeigt uns, dass wir wirklich richtigliegen, dass da etwas im Argen gelegen ist, und insofern fühlen wir uns dadurch wieder bestätigt.
Worauf ich aber eigentlich zu sprechen kommen will, ist eine gewichtige Aussage im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Da war der Chef der Finanzprokuratur, Dr. Peschorn, als Auskunftsperson geladen. Herr Dr. Peschorn ist für uns der Prototyp eines integren Beamten, der in seiner Amtsführung hinsichtlich des Verdachts, Parteilichkeit an den Tag zu legen, über jeden Zweifel erhaben ist.
Die Finanzprokuratur ist als Anwalt der Republik eingesetzt. Wenn man so will, ist Dr. Peschorn der oberste Advokat des Landes. Jedes Wort, das er öffentlich sagt, ist wohlüberlegt. Das Verbreiten von Gerüchten oder Halbwahrheiten durch seine Person ist für uns auszuschließen. Dementsprechend gewichtig war für uns das, was er dort gesagt hat.
In seinem Eingangsstatement bei der Befragung im Untersuchungsausschuss hat er gemeint, er orte zunehmend Tendenzen, dass sich „willfährige Entscheidungsträger“ in der Verwaltung – das sind seine Worte – Beratern und Interessennetzwerken bedienen, um einerseits ein Bild in der Öffentlichkeit zu erzeugen oder zu verstärken und sich andererseits vielleicht selbst nach der politischen Betätigung berufliche Wege zu ebnen oder politischen ehemaligen Weggefährten ein bisschen unter die Arme zu greifen.
Er sagt, das ist „das schleichende Gift“ für die Republik, denn wo die Korruption Einzug gehalten hat, da läuft alles wie geschmiert – und dass bei uns im Staate Österreich vieles wie geschmiert läuft, das wissen wir spätestens seit diesem Untersuchungsausschuss.
Wenn jetzt ÖVP-Vertretern im Fernsehen in Politiksendungen öfter die Frage gestellt wird: Hat die ÖVP ein Korruptionsproblem?, dann verstehe ich das persönlich nicht, denn diese Frage ist geklärt. Die einzige Frage, die es noch zu klären gilt: Welcher Spielarten
der Korruption bedient man sich?, und da ist eine besonders fantasievolle Spielart das System, das man heute mit den Namen Karmasin und Beinschab verbindet. (Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Das sind dubiose Studien und Beratungen, deren Ausflüsse entweder gar nicht mehr aufzufinden sind oder die offensichtlich so sinnlos sind, dass man nicht weiß, ob man darüber lachen oder weinen soll. Oder kann mir irgendjemand ernsthaft zu erklären versuchen, was es mit dieser „Viecherlstudie“ – Dr. Peschorn hat sie so genannt – auf sich hat?
Was hat der Steuerzahler davon, wenn man Ex-Kanzler Kern mit einem Pfau vergleicht, wie bringt es die Republik weiter, wenn man sagt, Ex-Kanzler Kurz sei ein Eichhörnchen und Landeshauptmann Doskozil ein Wildschwein? (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Das sagt die Studie. Ich weiß nicht, was die SPÖ davon hält, aber ich weiß auch nicht, welche Erkenntnis sich für den Steuerzahler daraus ergibt. (Beifall bei der FPÖ.)
Sage und schreibe 36 000 Euro hat das Finanzministerium für das Abfragen der Akzeptanz der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung bezahlt. Ich kenne diese Studie inhaltlich nicht, aber die muss man auch nicht kennen. Wenn man ohne eigene Leistung, ohne Aufwand Geld vom Finanzamt zurückbekommt: Wer bitte schön soll da etwas dagegen haben? Warum muss man das abfragen?
Und das ist nicht die einzige No-na-Studie mit einem No-na-Ergebnis, denn nicht nur im Bund war man da anscheinend ziemlich aktiv im Zuschanzen solcher Studienaufträge an die Ex-ÖVP-Ministerin Karmasin, auch in Niederösterreich hat man sich nicht lumpen lassen. Da gab es eine Jugendstudie zu Umwelt und Klima, die sensationelle Ergebnisse brachte: Zwar wissen 77 Prozent nicht, dass ein Huhn am Tag nur ein Ei legt, aber immerhin 97 Prozent sagen, dass sie wissen, dass Ketchup aus Paradeisern gemacht wird. (Ruf bei der FPÖ: Bravo!) Darauf kann Niederösterreich jetzt aufbauen.
Die Karmasin Research & Identity GmbH hat da wirklich ganze Arbeit geleistet, muss man sagen. Ich bezweifle zwar, dass diese Forschungen Niederösterreich in den Olymp der Wissenschaft katapultieren, aber ich bin mir sicher, dass sich Gerichte in Zukunft damit beschäftigen werden. Und möglicherweise werden diese oder ähnliche Studien Auftraggeber und Auftragnehmer dorthin katapultieren, wo die Türen stets von außen verschlossen werden und wo die Luft durch Gitterstäbe gesiebt wird. Wenn Sie nicht wissen, was ich damit meine - - (Abg. Zarits: Waß i net!) – Na, dann gib eine Studie in Auftrag, dann wirst du es wissen! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)
15.34
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in dieser Woche, in der sich Ibiza zum dritten Mal jährt, sollten wir, da Korruption in diesem Haus besprochen und diskutiert wird (Abg. Gerstl: ... dank Tomaselli und Zadić!), schon noch einmal kurz auf die Fincaereignisse zurückblicken, denn das sollte nicht unerwähnt bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, weil es schon bemerkenswert ist, mit welchem Selbstbewusstsein Sie versuchen, immer wieder Kindesweglegung zu betreiben, als ob Ibiza nicht stattgefunden hätte, als wäre Spesen-Strache nie gewesen (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Martin Graf), als ob es nicht die FPÖ-Spitze war, die im Red-Bull-Nebel versucht hat, die halbe Republik zu verkaufen. (Abg. Hafenecker: Das macht Ihr Koalitionspartner!) Man sollte es immer und immer wieder erwähnen: Sie machen den Österreicherinnen und Österreichern etwas vor, aber Sie machen vor allem sich selbst etwas vor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Weil sich die Tage von Ibiza das dritte Mal jähren, sollten wir jetzt auch in aller Ernsthaftigkeit darüber nachdenken, was das Video alles ausgelöst hat und was seither passiert ist. (Abg. Hafenecker: Der Herr Kogler hat auch die Frau Karmasin ...!) Immerhin: Eine Regierung wurde aus dem Amt gefegt, die Expertinnen und Experten haben übernehmen müssen. Wir müssen aber natürlich auch auf die Ermittlungen schauen, die ausgelöst worden sind. (Ruf bei der FPÖ: 80 000 Euro ... Karmasin!) Es tagt schon der zweite U-Ausschuss, der notwendig wurde, und vor allem ist mir ganz wichtig zu betonen, was der Bevölkerung durch diese regelmäßigen Korruptionsmeldungen eigentlich alles zugemutet wird – das Wort zugemutet auch deshalb, weil es eigentlich demokratiepolitisch wirklich unerträglich ist (Ruf bei der FPÖ: Aber Sie decken ja alles hier und in Vorarlberg! Sie sind doch Steigbügelhalter!), und das ist das, was mir Sorgen macht, denn das Vertrauen in unsere Arbeit als Politikerinnen und Politiker geht Schlagzeile für Schlagzeile schon wirklich verloren.
Seit Ibiza wird aufgeräumt, und die unerschrockenen Korruptionsermittler machen einen super Job, die parlamentarischen U-Ausschüsse dieses Hauses leisten einen großen Beitrag zur Aufklärung. (Abg. Hafenecker: Darum habt ihr ja aufgedreht!) – Es ist jetzt auch nicht angebracht, reinzubrüllen. Noch einmal in der Abfolge: Ibiza, wir haben Prikraf, wir haben Mandatskauf, wir haben Beinschab, wir haben Sigi Wolf, wir haben einen Machtzirkel rund um Sebastian Kurz, der wirklich versucht hat, das ganze Land zu täuschen, bis hin zu den aktuellen dubiosen Inseratengeschäften beim Wirtschaftsbund in Vorarlberg, die leider nicht unerwähnt bleiben können.
Wenn man sich all diese Ereignisse so noch einmal vor Augen hält, dann ist das schon so, als ob über das ganze Land ein Sturm gezogen wäre, und wenn so viel zerstört worden ist, dann braucht es wirklich alle, und zwar alle mit einem ernsthaften Bemühen, denn wir werden es sonst nicht schaffen, dass wir die Republik sauber halten – und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir der Bevölkerung schuldig. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Leichtfried.)
Wieso sage ich das? – Ich glaube, wenn man sich den Vertrauensindex auch wirklich anschaut, sieht man, dass es jetzt keine Zeit ist, aufzudrehen. Es ist Zeit für Demut und es wäre eigentlich auch Zeit für eine (Abg. Hafenecker: Neue Regierung!) ehrliche Entschuldigung der Betroffenen für das, was sie getan haben. Das wäre wirklich angebracht, und das heißt eben nicht, dass man scheibchenweise das zugibt, was die Journalistinnen und Journalisten ohnehin schon recherchiert haben.
Bitte, da geht es auch nicht darum, dass man darauf wartet, dass man rechtskräftig verurteilt wird, denn so leicht kann man es sich nicht machen. Die Grenzen des gerade noch Akzeptablen in der Politik können nicht immer mehr Richtung Strafrecht verschoben werden. (Beifall bei Grünen und NEOS.)
Ich sage das deshalb, weil mich die Situation wirklich betroffen macht, ich erwarte mir auch, dass man aus diesen Fehlern lernt und es zukünftig besser macht, und ich erwarte mir vor allem, dass wir die Schlupflöcher im System entlarven und abdichten. Das heißt zum Beispiel, wichtige Dinge wie die Regelungen zur Informationsfreiheit auf den Weg zu bringen, und das heißt auch, dass es ein gemeinsames Bemühen gibt, dass wir das Vertrauen in die Politik wieder zurückgewinnen – Schritt für Schritt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
15.38
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Na ja, es ist schon ein wenig skurril, wenn Frau Kollegin
Scharzenberger sich hierherstellt und sagt, dass hier wieder mit Anpatzversuchen irgendetwas der ÖVP umzuhängen versucht wird.
Wir reden hier immer noch – wiewohl die entsprechenden (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) „Studien“ in der Anfragebeantwortung nicht erwähnt sind, aber der Herr Finanzminister wird uns das nachher erzählen, wieso das nicht so ist und ob es ein Versehen ist – über Meinungsumfragen, bei denen Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums dazu verwendet wurde, um der ÖVP und Sebastian Kurz einen Vorteil zu verschaffen. Das ist kein Anpatzversuch, das ist all das, was wir mitbekommen haben.
Schauen wir uns diese „Studien“, diese Meinungsumfragen an, erinnern wir uns: Da ging es um irgendwelche tierischen Zuschreibungen, um so skurrile Familienaufstellungen, und bekommen haben das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das unrechtmäßig dafür verwendet wurde, Leute aus dem Dunstkreis der ÖVP, von Sebastian Kurz, nämlich Sophie Karmasin und Frau Beinschab.
Herr Bundesminister, ich gebe zu, dass Sie mit Ihrer Internen Revision und dem Revisionsbericht etwas getan haben, was man einerseits als logisch ansehen kann, was man aber andererseits auch positiv sehen kann, wovon man sagen kann: Sie haben diesen vorgelegt, da steht etwas drin! Sich aber hierherzustellen und verniedlichend davon zu reden, dass Sie auf Defizite in Ihrem Ministerium draufgekommen sind, und gleichzeitig zu sagen, Studien brauche man, um faktenbasierte Politik zu machen, ist schon ein bisschen skurril.
Ich erinnere Sie, Herr Bundesminister: In einer dieser Studien wurde abgefragt, ob Sebastian Kurz eher ein Eichkätzchen oder ein hinterfotziger Pfau ist. – Das braucht man nicht, um faktenbasierte Politik zu machen, und das sind auch keine Defizite, das ist strukturelle Korruption, was da dabei ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Das Ganze ist ja ein System, das dauerhaft ist – das ist ja das Problem an der ÖVP. Wenn jetzt in Niederösterreich darüber diskutiert wird – Kollege Hafenecker hat vorhin schon angesprochen, wie viel Geld nur aus dem Finanzministerium an die Damen gegangen ist –, dass auch in Niederösterreich knapp 340 000 Euro von der Landesregierung an Frau Karmasin gegangen sind, und man dort nachfragt und die Opposition versucht, herauszufinden, wieso denn da das Geld geflossen ist, dann ist die gesamte ÖVP der niederösterreichischen Landesregierung nicht bereit, irgendetwas dazu zu sagen. Sie verheimlicht weiter, und das ist genau das System, das die ÖVP seit Jahren und Jahrzehnten lebt. Man tut dann ganz kurz etwas, macht einen Revisionsbericht, sagt: Man muss etwas ändern!, aber in Wirklichkeit passiert nichts.
Wir sehen das Gleiche in Vorarlberg in der Causa Wirtschaftsbund. Es kommt etwas raus, alle rücken aus und sagen: Na ja, ist ja nicht so schlimm, es ist ja eigentlich nichts passiert! Auch Sie, Herr Finanzminister, haben das als nicht übertrieben relevant gesehen. Der Herr Landeshauptmann hat offensichtlich keine Zeit, in den Untersuchungsausschuss zu kommen – er wird dann hoffentlich kommen.
Das Problem dahinter ist, dass es ein durchgängiges System struktureller Korruption ist, das die ÖVP über Jahrzehnte mit aufgebaut hat, und das geht immer zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, weil sie es sind, auf deren Nase Sie herumtanzen und deren Geld Sie verwenden, um Ihren Machtmissbrauch und Ihre Freunderlwirtschaft weiterzubetreiben. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)
Es wäre so schön, wenn Sie endlich dazu beitragen würden, damit endgültig aufzuräumen. Es wäre so schön, wenn mit diesen Deals endlich Schluss sein würde, damit, dass es für jedes Inserat auch eine Gegenleistung gibt, Schluss sein würde mit den
Angriffen auf die Korruptionsermittler, Schluss mit verdeckter Parteienfinanzierung. Das Problem ist nur: Es passiert nicht ausreichend.
Ich nehme, wie gesagt, den Revisionsbericht zur Kenntnis, ich nehme auch zur Kenntnis, dass es einen Begutachtungsentwurf zum Parteiengesetz gibt, mit dem viele Dinge abgestellt werden würden, was ich aber schon noch sagen muss – und das halte ich immer noch für problematisch –: Zum Informationsfreiheitsgesetz, auf das wir seit mehr als zehn Jahren warten, hat der Herr Bundeskanzler vor Kurzem gesagt: Na ja, man darf den Querulanten da jetzt keine Möglichkeit bieten. – Ich erachte es als unverfroren, Menschen, die ein Informationsbedürfnis haben, als Querulanten darzustellen. (Beifall bei den NEOS.)
Gleichzeitig an die Grünen: Auf die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, die die Frau Justizministerin angekündigt hat, warten wir! Ich frage mich, was die Justizministerin in diesem Zusammenhang macht. Wenn wir Korruption nachhaltig verhindern wollen, müssen wir das Korruptionsstrafrecht verschärfen. (Abg. Tomaselli nickt.) – Ich sehe die nickenden Köpfe der Grünen. (Heiterkeit des Redners.) Sagen Sie es der Frau Justizministerin, sie ist schon längst säumig! (Beifall bei den NEOS.)
15.44
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.
Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Vielleicht noch etwas zu den zwei, drei offenen Fragen, die ich gerne beantworte.
Das Missverständnis, Herr Kollege Krainer, kann ich gerne aufklären. Wir haben gesagt, „ab 2019“, weil es von 2013 bis 2019 keine Aufträge gegeben hat – das war der Grund. Darum haben wir gesagt, von 2019 weg, weil es eben erst dann welche gegeben hat. Das war der Grund. Ich bitte, das Missverständnis zu entschuldigen. Da hätten wir gleich 2013 schreiben können, aber es hat eben erst seit 2019 welche gegeben, das war der Grund.
Was die faktenbasierte Politik und Studien dafür betrifft: Ja, das habe ich ja gesagt! Auch aus meiner Sicht machen nur Studien Sinn, die uns eben für eine faktenbasierte Politik helfen, das ist überhaupt keine Frage. Das habe ich auch versucht, klarzustellen.
Und zum Verständnis, weil Sie (in Richtung Abg. Scherak) gesagt haben, ich würde es verniedlichen, dass es Defizite gibt: Nein, ich habe schon auch klar gesagt, dass das nicht mein Verständnis ist, wie man Transparenz lebt und wie man mit Steuergeldern umgeht. Das ist nicht mein Verständnis, und das habe ich, glaube ich, auch klar genug gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Abgeordneter Krainer, was die Weitergabe von sowohl Anhang als auch Bericht betrifft, war es so – und da gebe ich dem Kollegen recht, dass Dr. Peschorn da wirklich, glaube ich, über alle Zweifel erhaben ist –, dass er uns dazu geraten hat, damit wir die Ermittlungen bei der WKStA nicht gefährden, und wir haben deswegen dem Untersuchungsausschuss dann selbstverständlich die Unterlagen geschickt. Das war eine Empfehlung von Dr. Peschorn, das zuerst mit der WKStA abzusprechen, damit wir keine Ermittlungen gefährden, und sobald Dr. Peschorn das dann mit der WKStA abgesprochen hatte, haben wir es sofort übermittelt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
15.46
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Durchführung einer weiteren kurzen Debatte. Sie betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Keck, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2538/A der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tierschutzgesetz eine Frist bis zum 9. Juni 2022 zu setzen.
Nach Abschluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag stattfinden.
Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.
Ich darf darauf aufmerksam machen, dass wie schon vorhin gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, der Erstredner nicht länger als 10 Minuten. Die Stellungnahme seitens der Bundesregierung soll auch nicht länger als 10 Minuten dauern.
Das Wort erhält zunächst der Unterzeichner, Abgeordneter Leichtfried. – Herr Klubobmann, ich darf dich um dein Wort bitten.
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In Österreich leben im Schnitt über zwei Millionen Schweine, die meisten davon auf Vollspaltenböden. Ich möchte Ihnen das einmal darlegen – und vielleicht hören Sie zu! –, worüber wir hier reden.
Vollspaltenböden „bestehen aus Betonböden mit eingelassenen Spalten, durch die Kot und Urin abfließen und sich in einer unter den Spalten liegenden Güllegrube sammeln können. Somit leben Schweine auf Vollspaltenböden direkt über ihren eigenen Fäkalien.
Die unvermeidbare Folge der aufsteigenden Ammoniakdämpfe sind gereizte Augen und Atemwege. Schweine haben einen extrem sensiblen Geruchssinn [...]. Auch sind Schweine intelligente und soziale Tiere, die als Lieblingsbeschäftigung mit ihren Nasen in der Erde oder im Stroh umherwühlen. Die Vollspaltenbodenhaltung missachtet alle diese Bedürfnisse. Die Tiere in der Vollspaltenbodenhaltung können also in keiner Weise ihren natürlichen Bedürfnissen nachkommen. [...] Einem 85 kg Schwein in diese Haltungsform werden gerade einmal 0,55 m2 Bodenfläche zur Verfügung gestellt.“
Die Tiere sind derartig gestresst, „dass bei ihnen häufiger Magengeschwüre auftreten, als bei Schweinen, die auf Strohhaltung leben. Außerdem können unter extremen Stress leidende und kognitiv unterforderten Schweine schnell schädliche Verhaltensweisen entwickeln. Dazu gehört, dass sie Ohren und Schwänze der anderen Schweine abbeißen. Auch entwickeln Schweine in Vollspaltenbodenhaltung extrem häufig Gelenksentzündung.“
Sehr geehrte Damen und Herren, dazu fällt mir ein Wort ein: Das ist einfach grauslich, was da geschieht. Das ist einfach grauslich! (Beifall bei der SPÖ.)
Es macht mich fassungslos, und nicht nur mich, sondern immer mehr Menschen, dass diese wirklich unsäglichen Umstände und Zustände nicht beendet werden. Es macht mich fassungslos, dass ein Landwirtschaftsminister der ÖVP – ein Landwirtschaftsminister, von dem die ÖVP behauptet, er kenne sich in diesen Dingen aus – in seiner ersten Rede in diesem Hohen Haus kein Wort zum Thema Tierschutz findet. Das ist wirklich ein Skandal, geschätzte Damen und Herren! Wenn es so ist, dass der ÖVP dieses Thema vollkommen wurscht ist, dann sagen Sie es auch! Sagen Sie, Ihnen ist Tierschutz in der Landwirtschaft egal, sagen Sie, Ihnen sind all die Lebewesen egal, Ihnen geht es nur um die Profite! Seien Sie wenigstens ehrlich und sagen Sie das, hier und jetzt, und verschweigen Sie es nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Was mich auch fassungslos macht, ist, dass die Showpolitik der Regierung im Bereich Tierschutz nahtlos weitergeht. Laut Ihrem Entwurf zum Tierschutzgesetz soll es erst ab 2023 in neuen oder umgebauten Stallanlagen nur einen kleinen Bereich geben, in dem diese Spalten nicht mehr vorkommen – das ist nach wie vor ein Vollspaltenboden. Was ist mit den Tausenden Ställen, die diese Böden jetzt immer noch haben? Da passiert überhaupt nichts. Das ist kein Tierschutzgesetz! Ich habe geglaubt, dass das nach dem Abgang von Frau Köstinger vielleicht etwas besser wird.
Herr Minister Rauch, der für den Tierschutz zuständig ist, hat in einer Ausschusssitzung behauptet, dass das Vollspaltenbödenverbot immer nur an der ÖVP und Frau Köstinger scheitert. Was ist jetzt? Was ist jetzt mit euch? Jetzt ist Frau Köstinger weg und es scheitert trotzdem. Wenn der Herr Tierschutzminister jetzt hier wäre, würde ich ihn schon fragen: Setzen Sie sich endlich einmal irgendwo gegen die ÖVP durch oder wird das beim Tierschutzgesetz wieder nichts? Müssen die Schweine weiter leiden; wird es so bleiben, wie es ist? – Dann brauchen wir eigentlich kein neues Tierschutzgesetz, dann bleibt eh alles so, wie es ist, geschätzte Damen und Herren, und das kann ja in dieser ganzen Angelegenheit nicht das Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.) Es braucht konkrete, effiziente Schritte, damit diesen Vollspaltenböden endgültig ein Riegel vorgeschoben wird.
Anstatt dass Sie diese veraltete, grausame, tierquälerische Haltungsform abschaffen, prolongieren Sie diese, weil damit mehr Geld verdient werden kann. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.) Es ist Ihnen vollkommen egal, welches Leid dadurch erzeugt wird – vollkommen egal ist es Ihnen! –, und das ist wirklich bemerkenswert. (Abg. Schmuckenschlager: ... ahnungslos!)
Es ist ja nicht nur die Frage der Vollspaltenbodenhaltung. Was ist mit den Tiertransporten? Welche Verbesserungen haben Sie dazu im sogenannten Tierschutzgesetz drinnen? Es ist auch nichts besser geworden. Dasselbe ist bei der andauernden Anbindehaltung von Kühen der Fall, auch da tun Sie nichts, ändern Sie nichts, obwohl es hoch an der Zeit wäre. Im Landwirtschaftsausschuss hätten Sie unserem Antrag zustimmen können, und dann wäre – das ist unser Zugang und ein besserer Zugang – die Umstellung von Vollspaltenböden auf Stallungen innerhalb der nächsten fünf Jahre möglich gewesen. Sie hätten Millionen Tieren helfen können, aber es ist Ihnen egal (Zwischenrufe bei der ÖVP) – und das ist wirklich abscheulich, ich sage Ihnen das ganz offen. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich habe hier heraußen ein paar Mal den Anstand zitiert, der einige von Ihnen in Zukunft nicht mehr wählen wird. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Jetzt möchte ich noch jemand anderen nennen: den Tierschutz. Der Tierschutz wird diese Bundesregierung sicher nie mehr wählen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
15.53
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte sehr.
Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollege Leichtfried, wissen Sie, was mich fassungslos macht? – Das ist die Doppelbödigkeit – passt übrigens vom Vokabel her gut (Abg. Leichtfried: Nein, es passt überhaupt nicht!) – der SPÖ. Strohschweine bestellen und die billigen Würschtl kaufen, so schaut es in der SPÖ aus. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Schmiedlechner. – Abg. Leichtfried: Was ist das für eine Meldung? Was soll denn das? Der Einzige, der Würschtl kauft, bist du! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich habe mir aber vorgenommen, eine sachliche Rede zu halten. Ich gebe einen kurzen Überblick: In Österreich werden 5,2 Millionen Schweine geschlachtet. 4,8 Millionen kommen aus österreichischer Produktion, das sind knapp 100 Prozent Eigenversorgung. Das AMA-Gütesiegel umfasst 2,2 Millionen Schweine. (Abg. Leichtfried: Das ist ein gutes Stichwort: AMA-Gütesiegel! Der Kollege Keck wird was dazu sagen!) – Ich darf den Zuseherinnen und Zusehern berichten: Kollege Leichtfrieds Sache ist das Zuhören nicht. Er redet zwar gerne groß, aber er kann nicht zuhören, er schreit dauernd rein. (Abg. Leichtfried: Das hängt am Inhalt!)
250 000 Schweine sind im Premiumbereich zu finden, das sind circa 5 Prozent. Die Hälfte davon ist bio – die Hälfte davon ist bio! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich darf berichten, die Schweinebranche hat viel vor: erstens das Ende des routinemäßigen Schwanzkupierens, sobald die Verordnungen gemeinsam mit all den Gesetzen durch das Parlament gegangen sind; zweitens wird es im Um- und Neubau – angelehnt an ein dänisches Tierwohlprogramm – mehr Liegeflächen, separate Liegeflächen, Beschäftigungsmaterial und eine Klimatisierung geben – das wird bis 2032 im gesamten Bereich des AMA-Gütesiegels umgesetzt sein (Abg. Leichtfried: Was jetzt? – Abg. Kollross: Eh schon 2032! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) –; drittens hat die Branche gemeinsam mit dem Lebensmitteleinzelhandel, gemeinsam mit den öffentlichen Institutionen ein großes Ziel (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek): Man will bis 2030 eine Million Premiumschweine am Markt absetzen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind Programme mit 60 Prozent mehr Platz, 100 Prozent mehr Platz und mit Biostrohschweinen. Auch bei der Fütterung sind spezielle Anforderungen zu finden.
Kollege Leichtfried, informieren Sie sich bitte (Abg. Leichtfried: Aber nicht bei Ihnen!), bevor Sie so pauschal über einen Teil der Landwirtschaft, über den Bauernbund und über die ÖVP urteilen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)
Wo gehen wir hin? – Herr Kollege Leichtfried, wir schauen, dass wir eine Branche transformieren. Es sind viele Hürden auf dem Weg zu finden. Was werden die Faktoren sein beziehungsweise wie kann es funktionieren? (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Der Bauernbund löst sich auf!)
Erstens: Im Öpul sind im Bereich Tierwohl besondere Programme zu finden, in denen für Strohschweine, für das Ende des Schwanzkupierens et cetera spezielle Unterstützungsmaßnahmen geplant sind.
Zweitens mit nachhaltiger Beschaffung – und da darf ich auch die Stadt Wien einladen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) –: Bund, Länder, Gemeinden sind eingeladen, sich am Nabe-Plan zu beteiligen, denn der Nabe-Plan sagt, bis 2030 gibt es 100 Prozent Premiumschweine aus Österreich. Also: Hausaufgaben machen, Stadt Wien, einkaufen, denn der Tisch ist gedeckt! (Widerspruch bei der SPÖ.)
Abschließend die Programme des LEH und der Gastro: Da braucht es einen Schulterschluss der öffentlichen Institutionen, des Handels, der Konsumentinnen und Konsumenten mit den Bäuerinnen und Bauern. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Was brauchen wir nicht, Herr Kollege Leichtfried? (Abg. Kollross: Euch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das sind überhastete, überschießende gesetzliche Normen. Warum? – Sonst geht es uns nämlich so wie in Schweden und wie in Großbritannien (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: ... inseriert in der Bauernbundzeitung!): Die Premiumschweine kommen dann aus Österreich. Wissen Sie aber, wo dann die preiswerten Schweine herkommen? – Aus Spanien oder aus Brasilien. (Abg. Heinisch-Hosek: Mit dem AMA-Gütesiegel!)
Sie wollen mit Sicherheit nicht, dass Sie die steirische Landschaft dort, wo höchst qualitativ hochwertige Schweine produziert werden, sozusagen leerräumen. Das wollen Sie
nicht, denn was wäre die Folge? – Wir haben dann weniger für den Klimaschutz getan, wir haben weniger Tierwohl auf dem Teller (Abg. Greiner: ... Tierwohl bitte!), es gibt weniger Kreislaufwirtschaft und weniger Selbstversorgung mit hochqualitativen Schweinen aus Österreich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das können Sie dann ausbaden, wenn Sie das durchsetzen, was Sie immer fordern. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich bitte um Unterstützung für die in Begutachtung befindlichen Gesetzestexte und darf noch einmal meine Fassungslosigkeit über die Doppelbödigkeit der SPÖ zum Ausdruck bringen: Bio- und Strohschweine bestellen und die billigen Würschtl kaufen – so kann es doch nicht gehen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)
15.58
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schüler des Sportgymnasiums Maria Enzersdorf herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)
Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Keck. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Leichtfried: Der Einzige, der da Würschtl kauft, bist du!)
Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist spannend, was Kollege Strasser da gesagt hat, dass wir Billigwürschtl kaufen. (Heftiger Widerspruch bei der ÖVP.) Kollege Strasser, weißt du, eines muss ich dir schon sagen: Deine Bauerntruppe hat Macht und Einfluss in der ÖVP – das hast du erst vor Kurzem in einem doppelseitigen Interview der „Kronen Zeitung“ gesagt –, aber ich glaube, so viel Macht und Einfluss hast du nicht, dass du jeden Einkaufszettel von denen, die nicht beim Bauernbund dabei sind und die du als Sozialaffront bezeichnest, kontrollieren kannst, ob sie Billigwürschtl kaufen oder ob sie nicht Billigwürschtl kaufen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Unterstellungen machst du, Kollege Strasser, und sonst kein anderer in diesem Haus – das einmal fürs Erste. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hofinger und Sieber.)
Meine Damen und Herren, jetzt sage ich euch aber etwas: Ich bin, glaube ich, der einzige Abgeordnete in diesem Haus, der schon beim Bundes-Tierschutzgesetz mitgearbeitet hat (Zwischenruf bei der ÖVP) – ich habe das schon mehrfach an diesem Platz gesagt ‑, ich habe mitgearbeitet und habe sehr wohl die Interessen der Bauern immer berücksichtigt und habe sehr wohl die Interessen der Bauern immer mit ins Blickfeld hineingenommen und bei den Verhandlungen auch miteinbezogen.
Ich habe mit dem damaligen Chef des Bauernbundes, mit Bauernbundpräsident Jakob Auer, der der Vorgänger von Georg Strasser war, viel verhandelt. Der jetzige Landwirtschaftsminister – schade, dass er nicht hier ist! – Norbert Totschnig war 2016/17 – ich komme dann darauf zu sprechen – bei der letzten Novelle dabei. Da war er als Klubsekretär für Land- und Forstwirtschaft und für Tierschutz zuständig. Wir haben nächtelang verhandelt.
Dort drüben sitzt Kollege Eßl: Er kann dann erklären, was alles von dieser Seite (in Richtung ÖVP weisend) verhindert wurde und was alles wir bei der Novelle des Tierschutzgesetzes 2016 wollten. Da ist es in erster Linie um die Schweinehaltung gegangen, weil wir, wenn man sich diese Bilder anschaut (ein Foto, das Schweine mit Verletzungen auf einem Vollspaltenboden zeigt, in die Höhe haltend), gesagt haben: Das kann nicht sein, meine Damen und Herren! Ist das die Schweinehaltung, die wir in Österreich haben? (Ruf: Nein!) Ist es das? Das ist aber ein Betrieb, der das AMA-Gütesiegel hat, meine Damen und Herren! Das Bild ist nicht von irgendwo dahergekommen, und das weißt du genau, Georg Strasser.
Bringen wir es doch auf den Punkt: So schaut zum Teil Schweinehaltung in Österreich aus, nicht wie die liebe Werbung, die es bei der AMA gibt, bei der anscheinend wirklich
frisch geduschte Ferkel in einen wirklich vollkommen neuen Vollspaltenboden hineingebracht werden, bei der das „Ja! Natürlich“-Schweinderl herumgeht, das mit allen anderen lieb redet. Das ist es nicht! Da wird der Bevölkerung etwas vorgegaukelt. So (das Foto weiter in die Höhe haltend) schaut es wirklich aus. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Und von solchen Schweinen, meine Damen und Herren, kriegen wir dann am Sonntag die Schnitzel?!
Und dann stellt sich der Bauernbundpräsident hier heraus und sagt: Wir haben eh irgendetwas vor! Wir werden eh in 20 Jahren – denn so lange wird das Ganze dauern – irgendetwas in der Schweinehaltung ändern!
2015 ist schon zugesagt worden, dass es Änderungen in der Vollspaltenbodenhaltung geben soll. 2016 zum Beispiel haben wir in der letzten Verhandlung etwas festgelegt und gesagt: Beschäftigungsmaterial, Stroheinstreu und es wird ein Projekt geben, das fünf Jahre dauern wird. Dieses Projekt wird man sich nachher anschauen, und dann wird man festlegen, wie man vorgehen kann, dass die Vollspaltenböden abgeschafft werden. Und was passiert jetzt bei dem neuen Tierschutzgesetz? – Auf einmal wollen Sie wieder ein Projekt machen, das jetzt bis 2026 gehen soll, und 2026 diskutieren wir dann darüber, wie man vielleicht gegen die Vollspaltenbodenhaltung vorgehen kann. Ja, meine Damen und Herren, ich fühle mich wirklich – ich sage es auf gut Oberösterreichisch – verarscht! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich fühle mich wirklich verarscht, meine Damen und Herren, weil alles, was du, Georg Strasser, gesagt hast, nicht dem entspricht, wie es wirklich ausschaut. Ich habe ein paar Bilder mitgenommen. Kollege Leichtfried hat ja gesagt, die Schweine leben über ihrem eigenen Urin, sie leben über ihrem eigenen Kot. Kollege Strasser, so (ein weiteres Foto, das Schweine mit Verletzungen zeigt, in die Höhe haltend) schauen sie dann aus – Tatsache! Das sind Ställe in Österreich, Ställe, die das AMA-Gütesiegel haben. Meine Damen und Herren, geben wir uns das einmal! Das sind Tatsachen, das ist die Realität in Österreich! So schaut es aus, und das kann man nicht abstreiten!
Wir wollen ja eine Änderung haben! Wir wollen gemeinsam mit der Landwirtschaft schauen, dass wir ein gutes Tierwohl hinkriegen, aber mit dem ständigen Verzögern, wie es die ÖVP macht, werden wir das nicht schaffen, mit dem ständigen Verzögern, wie es die ÖVP macht, kriegen wir kein Tierwohl zusammen. Ich fordere euch auf, jetzt endlich wirklich etwas für die Tiere zu machen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)
Meine Damen und Herren! Ich kann nur sagen, wir haben wirklich viel für den Tierschutz in Österreich gemacht. Ich war dabei, als wir das Bundes-Tierschutzgesetz erstellt haben, und da war der wichtigste Paragraf der § 5. In § 5 heißt es wirklich: „Es ist verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen.“
Wenn Sie sich diese Bilder (ein weiteres Foto, das Schweine mit Verletzungen zeigt, in die Höhe haltend) anschauen, meine Damen und Herren: Glauben Sie wirklich, dass diese Tiere keine Schmerzen haben, dass diese Tiere kein Leid empfinden, dass sich diese Tiere wohlfühlen?
Georg Strasser, das sind Bilder aus österreichischen Schweinebetrieben, und ich frage dich jetzt als Bauernbundpräsidenten: Was sagt du denn dazu, wenn deutsche Supermärkte die österreichischen Produkte nicht mehr nehmen dürfen, weil sie aus Vollspaltenbodenhaltung kommen und es solche Bilder gibt? – Sag einmal dazu etwas, und komm nicht mit dem Schmäh mit den Billigbratwürschteln!
Ich fordere euch auf: Stimmt dieser Fristsetzung zu! Gehen wir jetzt endlich einmal wirklich ans Eingemachte und sagen wir: Wir machen etwas für die Bauern und wir machen
auf alle Fälle etwas für das Tierwohl und wir schauen, dass diese Vollspaltenböden in Österreich endlich wirklich sehr, sehr schnell wegkommen! (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)
16.04
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.
Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Zuseher! (In Richtung der noch immer Beifall spendenden SPÖ:) Danke, danke, danke! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zur Vollspaltenbodenhaltung: Natürlich kann man jedes Verbot diskutieren und Verbesserungen sind immer begrüßenswert. Wir haben gerade über die Gemeinsame Agrarpolitik diskutiert. Da frage ich mich, liebe SPÖ, liebe ÖVP: Warum setzen wir uns nicht miteinander für eine gemeinsame Tierschutzpolitik in Europa ein? (Ruf: Von den Freiheitlichen! Von den Freiheitlichen! Unglaublich!) Gleiche Spielregeln auf ganzer europäischer Ebene! (Abg. Weratschnig: Das ist ein Spagat! – Abg. Meinl-Reisinger schlägt die Hände vors Gesicht und schüttelt den Kopf.)
Jeder Bauer ist bereit, Tierschutz umzusetzen, aber die Kosten, den Mehraufwand, die Mehrarbeit muss auch jemand bezahlen, und die Produkte und auch die Bauern müssen vor Billigimporten geschützt werden. Den Bauern steht das Wasser momentan bis zum Hals. Diese werden das sicher nicht stemmen können. Es ist sehr verwunderlich, wenn gerade jetzt, in der Situation, da die Teuerungswelle übers Land rollt, die SPÖ Forderungen aufstellt und vorantreibt, die die Inflation weiter anheizen und die Teuerung weiter anziehen lassen. Natürlich widerspricht das auch dem, was Cornelia Ecker und Kollege Köchl bei der vorherigen Debatte zur Landwirtschaft gesagt haben – und übrigens in Richtung Kollege Köchl: Mein Name ist Schmiedlechner. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Peter! Peter Schmiedlechner! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Heiterkeit des Redners.) – Danke.
In Österreich haben wir eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt, und trotzdem müssen unsere Bauern zu Weltmarktpreisen produzieren. Alle sogenannten Tierschutzexperten müssen darüber nachdenken, was sie mit ihren Forderungen auslösen, wenn diese tatsächlich umgesetzt werden. Jeder nationale Alleingang würde einen ungeahnten Wettbewerbsnachteil für die österreichischen Bauern bedeuten, jede weitere Verschärfung wäre der garantierte Sargnagel für die österreichische Landwirtschaft. Wollen wir das wirklich?
Ist der Bauer ruiniert, wird fleißig importiert, und dann ist es euch egal, wie die Schweine gehalten werden. Dann ist es egal, dann schauen wir weg, aber zu Hause wollen wir die Landwirtschaft ruinieren und überreglementieren. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wenn unsere Bauern uns Konsumenten nicht mehr mit hochwertigen, streng kontrollierten Lebensmitteln versorgen, kommen unsere Nahrungsmittel aus dem Ausland. Wie und zu welchen Bedingungen produziert wurde, ist dann egal, Hauptsache, das Regal im Lebensmittelhandel ist gefüllt.
Wollen wir wirklich, dass unser Rindfleisch, unser Schweinefleisch, unser geliebtes Schnitzel, das Hendl Zehntausende Kilometer aus irgendeinem Land hergebracht werden? Ich glaube nicht! Wenn wir unsere heimische Landwirtschaft und Produktion erhalten wollen, sollten wir uns alle dafür einsetzen, dass europaweit einheitliche Tierschutzgesetze gelten und wir bei Lebensmittelimporten genau darauf schauen, zu welchen Bedingungen diese produziert wurden. Dann können wir über Verschärfungen reden, dann können wir auch schauen, dass wir ein ordentliches Tierschutzgesetz bekommen. (Zwischenruf des Abg. Kollross.)
Abschließend: Wie gesagt, mich verwundert das sehr, die ganze Debatte verwundert mich: Gerade jetzt, da sich die Menschen wirklich das Leben nicht mehr leisten können, da die Menschen schauen müssen, was sie einkaufen, da die Menschen stets sparen müssen, so eine Debatte anzuziehen, das ist einfach nur letztklassig. (Beifall bei der FPÖ.)
16.09
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stammler. – Bitte.
Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Kollege Keck, Sie werden es nicht schaffen, dass ich in der Thematik Kollegen Strasser verteidige. Allerdings war es Pamela Rendi-Wagner, die im August 2019 gemeint hat, „das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden“. Jetzt sage ich Ihnen etwas: Das Schnitzel muss ein Luxus werden, denn: Wie hat es sich ein Schwein überhaupt verdient, in Kategorien wie Basis- oder Prämienschwein eingeteilt zu werden? (Beifall bei den Grünen.)
Ich bleibe bei Ihnen, Herr Kollege Keck: Egal ob im Ausschuss oder hier, Sie rühmen sich ständig, bei diesem Tierschutzgesetz mitgearbeitet zu haben und schon so lange beim Tierschutz dabei zu sein und mitzuarbeiten. Da stellt sich für mich schon die Frage: Warum soll Bundesminister Rauch innerhalb eines Jahres das ausbügeln, was die SPÖ mit ihren Tierschutzministerinnen und Tierschutzministern 20 Jahre versemmelt hat?! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Und dann aus der Opposition heraus einen Antrag zu stellen: Ab 2023 bauen wir neue Ställe, so wie sie uns gefallen, und ab 2026 – bis dahin können normalerweise nicht einmal die Planungsphase und Einreichphase abgeschlossen werden – schließen wir die vorhandenen Ställe!, das kommt mir so vor, wie wenn ich mit meinem kleinen Kind Verstecken spiele und so mache (die Hände vor das Gesicht haltend) und sage: Ihr seht mich nicht. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Fakt ist: Der Markt funktioniert ein bisschen anders.
Was wir sehr wohl gemacht haben, ist, dass wir einen Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung ins Leben gerufen haben, um Markt zu schaffen, dass wir im Öpul – darüber haben wir heute, vor einigen Stunden, schon diskutiert – erstmals eine Förderung für Freilandhaltung und für Tierwohlställe und Tierwohlhaltung eingeführt haben, dass wir in der Tierhaltungsverordnung sehr wohl Verbesserungen auch für die armen Schweine erreicht haben, dass wir eine Herkunftskennzeichnung erreicht haben, die auch Markt schaffen soll, und dass Herr Bundesminister Rauch sich am 8. Juni mit dem Lebensmitteleinzelhandel zusammensetzt und versucht, eine Haltungskennzeichnung auf Basis einer Branchenvereinbarung einzuleiten – das hat auch in Deutschland eindeutig dazu geführt.
Wir werden keine Gelegenheit auslassen, dem berechtigten Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten zu entsprechen und dranzubleiben, um diese tatsächlich nicht mehr zeitgemäße – und meines Erachtens nie wirklich zeitgemäße – Produktion abzuschaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
16.12
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Katharina Werner. – Bitte.
Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Puh, ich glaube, heute braucht es einen Schiedsrichter! – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren im Saal und zu Hause! Fristsetzungsantrag zum Antrag 2538/A betreffend Anpassungen im Tierschutzgesetz – ein paar kurze Bemerkungen dazu:
Erstens: Lieber Kollege Keck, ich bin fast ein bisschen enttäuscht, dass du genau für einen Antrag, den du gestern eingebracht hast, eine Fristsetzung beantragst. Es wäre nämlich heute echt ein perfekter Zeitpunkt dafür gewesen, dass du einen von deinen Anträgen zum Thema Tiertransporte nimmst und dafür eine Fristsetzung beantragst. Warum? – Die Temperaturen steigen. Heute ist es schon ziemlich heiß; wir hier herinnen merken es gar nicht, aber draußen hat es schon 25 Grad plus.
Das Zweite ist: Letzte Woche hat es ein Volksbegehren zu diesem Thema gegeben; die Eintragungswoche ist zu Ende gegangen. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, dass man der Mitte der Gesellschaft – es waren über 400 000 Personen, die das unterschrieben haben – eine Stimme gibt. So aber habt ihr euch jetzt nur selbst eine Stimme gegeben.
Das Nächste ist: Vollspaltenböden hätten wir eigentlich schon vorhin in der Debatte zum Bereich Landwirtschaft diskutieren können, weil bei den Tagesordnungspunkten ja auch ein Antrag von euch dabei ist, den wir auch unterstützen. – Das einmal dazu.
Zur Vorgehensweise: Lieber Kollege Keck, du hast die Regierung schon mehrmals aufgefordert, auch gerade vorhin wieder in Zusammenhang mit Herrn Eßl, dass man im Bereich Tierschutz einen breiten Konsens im Parlament schaffen sollte und auch die Oppositionsparteien alle eingebunden werden sollten, aber du selbst lieferst permanent diese Alleingänge, ohne mit irgendjemandem zu reden. Bitte mach es das nächste Mal anders!
Zum Antrag: Du hast vorhin die Bilder zu einem Fall in Kärnten gezeigt, du hast auch erwähnt, dass es sich um einen AMA-Betrieb handelt, und ich denke, da besteht auf jeden Fall absoluter Handlungsbedarf. Die Konsumenten vertrauen ja darauf: Wenn sie in den Supermarkt gehen und ein Produkt kaufen, auf dem dieses AMA-Gütesiegel drauf ist, dann glauben sie, dass sie ein gutes Produkt, auch mit Tierschutzqualität, kaufen. Da müssen wir daher unbedingt ansetzen und auch dieses Siegel – das in der Bevölkerung sehr gut etabliert ist, große Achtung genießt, eine Bekanntheit hat – unbedingt reformieren und auch in Richtung Tierschutz weiterentwickeln. (Beifall bei den NEOS.)
Wieso hat das Thema trotzdem eine sehr hohe Relevanz? – Erst letzte Woche gab es mehrere Untersuchungen, die veröffentlicht wurden, die gezeigt haben, dass in der Fleischproduktion, in den Supermärkten viele Produkte mit antibiotikaresistenten Keimen erhältlich sind. Die kommen aus dieser Massentierhaltung. Das heißt, wir haben da ein Problem, das auch unsere Gesundheit betrifft. Wir müssen da handeln. Und das Zweite – es wurde zuvor vom Kollegen von den Grünen angesprochen, auch von Greenpeace thematisiert –: 90 Prozent des österreichischen Schweinefleisches ist nicht mehr gut genug für den deutschen Handel.
Das zeigt uns, dass dieses Thema relevant ist, und ich freue mich wirklich darüber, wenn es jetzt nicht nur dazu kommt, dass es eine Herkunftskennzeichnung gibt, sondern dass wir uns auch Richtung Haltungskennzeichnung entwickeln. Das begrüße ich absolut, weil ich davon überzeugt bin. Momentan kann sich der Kunde, wenn er in den Supermarkt geht, entscheiden: Kaufe ich bio oder kaufe ich im Grunde genommen ein schwarzes Loch, weil ich nicht weiß, wie diese Tiere gehalten werden? – Wenn der Konsument aber weiß, er hat Bioqualität mit den höchsten Standards und auch andere Abstufungen zur Auswahl, und weiß, wie diese Tiere gehalten werden, dann kann er sich auch qualifiziert entscheiden.
Aus diesem Grund werden wir dem Fristsetzungsantrag zustimmen. Über die genaue Ausgestaltung, wie ein Ausstiegsszenario aus dieser Intensivhaltung aussehen kann, müssen wir dann im Ausschuss sprechen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
16.17
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf fragen, ob wir abstimmen können: Grüne: Können wir abstimmen? FPÖ? ÖVP? – Ja.
Dann kommen wir zur Abstimmung.
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 10 der Tagesordnung wieder auf.
Am Wort ist Frau Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Ein zweites Mal: Geschätzter Herr Minister! Doppelt hält ja bekanntlich besser, also wiederhole ich das, womit ich vorhin aufgehört habe:
Das Umweltprogramm Öpul, das zu 50 Prozent aus nationalen Mitteln finanziert wird, fördert seit 27 Jahren jene Flächen, auf denen kein oder reduzierter Pflanzenschutzmitteleinsatz stattfindet, und zwar jede Fläche einzeln beurteilend. Öpul finanziert die Mehrleistungen Umweltschutz, weniger Pflanzenschutz, Biodiversität oder gleicht den Minderertrag aufgrund reduzierter Düngung aus.
Noch ein Fakt: Liebe SPÖ, Sie tun ja immer gerade so, als ob Pflanzenschutz- und Düngemittel gratis wären und unsere Bäuerinnen und Bauern diese aus Jux und Tollerei verwenden würden. Nein, es sind teure und teilweise notwendige Betriebsmittel, um produzieren zu können!
Wir kämpfen mit massiv gestiegenen Betriebsmittelkosten und damit, die produzierten Mengen aufrechtzuerhalten, und dazu braucht es nun einmal Pflanzenschutz und Düngung. So wenig wie möglich, so viel wie notwendig!, ist dabei unser oberstes Credo. Wir brauchen Pflanzenschutz nach fachlichen Kriterien und nicht ein populistisches generelles Verbot. (Beifall bei der ÖVP.)
Jetzt noch einmal abschließend: Die GAP verfolgt mehrere Zielsetzungen: neben der Absicherung der bäuerlichen Einkommen auch die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und die Erhaltung der Kulturlandschaft wie auch die Entwicklung des ländlichen Raumes.
Planungssicherheit, Einkommen und Entlastung der heimischen Bäuerinnen und Bauern haben für uns oberste Priorität. Unterstützungsmaßnahmen gilt es zielgerecht und nachhaltig umzusetzen. Vor allem müssen wir kontraproduktive Effekte vermeiden, wie das etwa die Abschaffung der AMA-Marketingbeiträge oder etwa der Erlass von Sozialversicherungsbeiträgen zur Folge hätte.
Deshalb werden wir diesen Anträgen nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
16.20
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Frau Abgeordnete Doppelbauer ist nicht hier.
Dann darf ich Abgeordneten Eßl aufrufen. – Bitte.
Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren unter diesen Tagesordnungspunkten nicht nur die Gemeinsame Agrarpolitik, sondern auch weitere Entschließungsanträge, die vonseiten der SPÖ eingebracht worden sind. Das fügt sich in den Reigen der Diskussion, die vorhin stattgefunden hat, ein.
Die SPÖ versucht nämlich, die Auflagen für die Produktion hinaufzuschrauben, Geld von den Bauern wegzunehmen und dann über hohe Lebensmittelpreise zu klagen.
Entschließungsantrag 1782/A(E) der Kollegin Cornelia Ecker und GenossInnen: Es wird vorgeschlagen, dass eine Schwerpunktsetzung erfolgt, damit mit 50 Millionen Euro Einsatz jährlich die bestehenden Vollspaltenböden abgelöst und ersetzt werden sollen. Wir von den Regierungsparteien, von der Regierungskoalition haben im Budget eine Summe von 600 Millionen Euro Investitionsförderung vorgesehen, worauf diese Betriebe zurückgreifen können. Darüber hinaus gibt es ein Tierwohlpaket mit einer Dotation von 120 Millionen Euro, genau auf diese Betriebe abgestimmt.
Zu kurz gegriffen, liebe SPÖ! Im Ausschuss wurde dieser Antrag bereits abgelehnt, dem negativen Ausschussbericht werden wir daher zustimmen.
Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Genossinnen und Genossen betreffend „Ausbau der Fördermaßnahme ,Soziale Angelegenheiten‘ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel“: Ziel und Inhalt dieser Förderung sind Kinderbetreuungseinrichtungen, psychologische und psychiatrische Einrichtungen, Einrichtungen der Pflege und Betreuung sowie Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und in besonderen Notlagen.
Das sind wichtige Anliegen, meine geschätzten Damen und Herren, aber typisch SPÖ: Die SPÖ will das mit Bauerngeldern finanzieren, und dazu sagen wir ein klares Nein. Es gibt nämlich vonseiten der Europäischen Union sechs Fonds – drei gut dotierte Fonds: den Europäischen Sozialfonds, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Die SPÖ will das Geld für diese wichtigen Maßnahmen ausgerechnet vom europäischen Landwirtschaftsfonds nehmen. Ich sage, dann soll sie sich beim Europäischen Sozialfonds anstellen und dort das Geld lukrieren. Dafür stehen für Österreich für die nächste Periode 410 Millionen Euro zur Verfügung.
Was will die SPÖ? – Sie will die Bauerngelder kürzen. Das bestätigt auch ein Antrag, den Frau Kollegin Heinisch-Hosek gemeinsam mit Kollegin Ecker 2018 eingebracht hat. Da heißt es: „[...] die Fördermittel des Fonds für die ländliche Entwicklung (ELER) gerechter verteilt werden und daher mindestens 50% der Mittel für sektorübergreifende Maßnahmen eingesetzt werden“. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, genau!)
Das sind Bauerngelder. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein!) Gehen Sie zum Europäischen Sozialfonds und nehmen Sie das Geld von dort! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)
Das müssen wir den Bäuerinnen und Bauern klar sagen (Abg. Heinisch-Hosek: ... auch Bäuerinnen!): Die SPÖ will 50 Prozent der Gelder für die Gemeinsame Agrarpolitik von Öpul, von der AZ und von der Investitionsförderung wegnehmen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) und in landwirtschaftsferne Themenbereiche stecken. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Sieber: Ein Wahnsinn!)
Ich habe vorhin in einer tatsächlichen Berichtigung schon angemerkt, wie es die SPÖ mit den Zahlen und mit der landwirtschaftlichen Betrachtungsweise hat. Da stellt sich heraus, dass die Regierung und die früheren Landwirtschaftsminister der ÖVP entsprechend gut gearbeitet haben.
Also: Anerkennen wir die Leistungen der Bäuerinnen und der Bauern für die hochwertigen Lebensmittel in ausreichender Menge, die sie zur Verfügung stellen, für den Lebensraum mit Lebensqualität! Schauen wir, dass sie vernünftige Agrarpreise und Entgelt für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen bekommen! Das Programm ländliche Entwicklung steht da zur Verfügung und braucht die entsprechenden Budgets, ohne dass sie von der SPÖ für landwirtschaftsferne Zwecke abgezweigt werden. (Beifall bei der ÖVP.)
16.26
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Eßl hat soeben behauptet, dass Mittel, die für den ländlichen Raum vorgesehen sind, also Eler-Mittel, Bauerngelder wären. – Das ist unrichtig.
Eler-Mittel sind zum einen Mittel, die für den ländlichen Raum und soziale Dienstleistungen im ländlichen Raum vorgesehen sind. (Abg. Michael Hammer: Hat er eh gesagt!)
Und zum Zweiten war es immer im Ermessen der damaligen Ministerin, auch 50 Prozent dieser Mittel genau für diese Bereiche, die ich aufgezählt habe, zu verwenden. Es sind keine Bauerngelder! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Schwachsinn! Schwachsinn! – Abg. Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Er braucht nicht „Schwachsinn“ sagen! – Abg. Eßl: Es stimmt ja, wenn es wahr ist!)
16.27
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Petra Vorderwinkler. (Abg. Stögmüller: Ordnungsruf, Herr Präsident! „Schwachsinn“! – Abg. Leichtfried: Herr Präsident! Das ist ein Ordnungsruf!)
Ich bitte wieder um etwas Ruhe. Ich habe zuerst auch nicht für: Ich kann mich selbst verarschen!, einen Ordnungsruf erteilt, das hätte ich auch tun können. Ich würde darum bitten, dass Sie dementsprechend wieder etwas zur Ruhe kommen. (Abg. Tomaselli: Man kann ja auch für beide einen Ordnungsruf erteilen!)
Frau Abgeordnete Vorderwinkler ist an der Reihe. – Bitte.
Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich darf jetzt an meine Vorrednerin anschließen. Es geht hier um 2 Milliarden Euro jährlich. Das sind keine Bauerngelder, es sind Steuergelder und es geht um deren gerechte Verteilung und um die Stärkung des ländlichen Raumes im Allgemeinen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Reiter.)
Sehr geehrter Herr Minister, ich habe gestern bei Ihrer Rede freudig vernommen, dass es ein zentrales Ziel in Ihrer Arbeit sein wird, dass die Chancengleichheit zwischen Stadt und Land verbessert wird, also genau diese Stärkung des ländlichen Raumes, aber genau das Gegenteil passiert jetzt gerade bei der Verteilung der GAP-Fördermittel. Frau Ex-Ministerin Köstinger hat eine Kürzung von 77 Prozent im Bereich der Investitionen in soziale Dienstleistungen, von 235 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro, für die nächsten sieben Jahre vorgesehen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie gestern in Ihrer Rede erwähnt haben.
Wir wissen, dass der ländliche Raum gegenüber der Stadt nicht jene sozialen, digitalen und Mobilitätsinfrastrukturen hat, die notwendig wären. Als zweite Säule dieser GAP-Fördermittel wären genau hier Investitionen in Kinderbetreuung, in psychosoziale Einrichtungen, in Pflegebetreuung und in ambulante Gesundheitsleistungen vorgesehen. Nun gibt es für die nächsten sieben Jahre weniger Geld. Und da geht es genau um den Lebensraum und die Lebensqualität, das, was Sie vorhin gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)
Es gibt weder einen sachlichen Grund noch budgetäre Zwänge, sogar die Bundesländer haben sich in einem gemeinsamen Entschluss dazu bekannt, das auch zu unterstützen und zu fördern.
Ich betone noch einmal: Vor allem Familien und Frauen in den ländlichen Regionen brauchen diesen Ausbau und keine Kürzung. Wir wollen von Ihnen wissen, Herr Minister, was Sie mit diesem Geld vorhaben.
Wenn Sie Ihre Aussage zur Stärkung wirklich ernst nehmen und ernst meinen, dann müssten Sie jetzt – hier und heute – veranlassen, dass unserem Rückverweisungsantrag zugestimmt und das gesamte Paket neu aufgestellt wird, sonst haben Sie nämlich Ihre Amtsperiode, Ihre Amtstätigkeit mit einem leeren Versprechen begonnen und für die nächsten sieben Jahre eine große Chance vertan. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
16.30
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Reiter. – Bitte.
Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Heute geht es um etwas! Mit dem GAP-Paket geht es heute um einen wirklich epochalen Beschluss für die heimische Landwirtschaft. Wir stellen heute für die österreichische Landwirtschaft die Weichen für die nächsten Jahre. Die GAP wurde ja bereits 1982 eingeführt, ist also älter als so mancher Abgeordneter hier in diesem Saal und war immer schon eine Partnerschaft zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft. Die GAP soll vor allem sicherstellen, dass die Bäuerinnen und Bauern ein angemessenes Einkommen haben, und dass zum anderen die Nahrungsmittelversorgung in Europa gewährleistet ist.
Die Landwirtschaft ist ein Bereich, der schon immer sehr gefordert war und immer noch ist. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Gemeinsame Agrarpolitik ist da ein sehr großes Instrument, aber kein starres Konstrukt. Sie ist immer wieder angepasst worden und hat sich weiterentwickelt, und auch heute stehen wir vor dem Beschluss einer Reform, die in den letzten vier Jahren auf europäischer und österreichischer Ebene ausverhandelt worden ist.
Viel und hitzig ist über die GAP diskutiert worden, und das wird es auch in der heutigen Debatte. Das ist auch gut so, immerhin geht es ja um viel, darum ist es auch wichtig, dass darüber geredet wird. Wo ich aber immer wieder einmal zum innerlichen Haareraufen komme (Zwischenruf des Abg. Loacker), ist, wenn immer nur kritisiert wird, ohne dass man konkrete Vorschläge macht, die wirklich in die Tiefe gehen oder auch Auswirkungen haben. (Abg. Schmiedlechner: ... macht Vorschläge!)
Und wenn wir schon beim ständigen Kritisieren sind, möchte ich jetzt gern Herrn Kollegen Schmiedlechner von der FPÖ ansprechen: Sie stellen sich immer ein bissel so hin, stilisieren sich als Rächer der Entrechteten der Agrarpolitik, und dann sind genau Sie derjenige, der im Landwirtschaftsausschuss hergeht und zu Kollegen Stammler von den Grünen sagt, dass er ja nur ein Hobbybauer ist, obwohl dieser einen Betrieb mit 20 Hektar bewirtschaftet. Sie sagen da ernsthaft: 20 Hektar ist ein Hobbybetrieb. – Da muss ich schon sagen: Wenn das Ihre Vorstellung von österreichischer Agrarpolitik ist, fehlt mir wirklich das Verständnis. Da kann ich nur den Kopf schütteln, und das, was Sie da sagen, geht auf keine Kuhhaut. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ganz klar nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gestaltet und auf die Gegenwart und Zukunft ausgerichtet, um diese zu gestalten. Da geht es auch um eine Nachhaltigkeit im Sinne der Generationengerechtigkeit. Da braucht es Zukunftsperspektiven und auch eine Planungssicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern.
Wir wissen, dass wir in Österreich die jüngste Landwirtschaft Europas haben. Das kommt nicht von irgendwo, das ist auch nicht selbstverständlich. Da muss man auch wirklich schauen, dass der Generationenwechsel gut funktioniert und da auch ansetzen. Die junge Landwirtschaft in Österreich muss gestärkt werden, und auch dazu finden sich
ganz konkrete Maßnahmen, wenn man sich den GAP-Strategieplan zu Gemüte führt. Zum Beispiel in der ersten Säule: eine Einkommensunterstützung für Junglandwirte; in der zweiten Säule: Unterstützungen für jene, die das erste Mal einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, aber auch die landwirtschaftliche Ausbildung wird da unterstützt. Auch im Bereich der Investitionen, was gerade, wenn man einen Betrieb übernimmt, oft sehr, sehr wichtig ist, gibt es entsprechende zusätzliche Unterstützungen für Jungbauern.
Das Fortbestehen unserer bäuerlichen Familienbetriebe ist uns als Bauernbund und als ÖVP sehr wichtig.
Wir haben selber daheim einen Betrieb, den wir in der Familie bewirtschaften – dieser hat auch um die 20 Hektar, Herr Schmiedlechner, also kein Hobbybetrieb meiner Meinung nach (Abg. Schmiedlechner: Habe ich ja ganz anders gesagt! Bleib bei der Wahrheit, ist g’scheiter!) –, und uns ist einfach wichtig, dass wir da als Familie gut zusammenarbeiten, dass das weitergeht, dass die Arbeit schaffbar ist, dass trotzdem auch ein bissel was herausschaut und dass das dann auch in Zukunft gut weitergehen kann. (Abg. Schmiedlechner: Hast eh zugehört ...!) In der Landwirtschaft denkt man nämlich in Generationen, und darum ist es auch wichtig, dass das einfach wirklich langjährige Maßnahmen sind, die da geplant sind.
Wir in der Landwirtschaft stehen vor großen Herausforderungen – wir haben das heute schon oft gehört –: Klimawandel, Kostensteigerungen, Einkommenssituation, die Erwartungshaltung der Gesellschaft.
Die GAP kann nicht alle diese Probleme lösen, aber sie ist ein wichtiges Instrument, damit man in vielen Bereichen Veränderungen auslösen kann und sich da einfach wieder weiterentwickeln kann.
Die GAP hat einen ökosozialen Ansatz, und das ist aber auch ein guter Ansatz. Da halte ich es ganz gern mit dem, was unser Bundesminister gestern hinsichtlich der Politik für unsere Bäuerinnen und Bauern schon gesagt hat: Sie muss „ökonomisch tragbar, ökologisch machbar und sozial ausgewogen“ sein. Denn: Geht es unseren Bauern gut, geht es im Endeffekt uns allen gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
16.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Studenten der Universität Wien, im Fach Geschichte, recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen. – Herzlich willkommen meine Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)
Als letzte Rednerin ist Frau Abgeordnete Doppelbauer gemeldet; sie hat es doch noch geschafft. – Bitte.
Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich freue mich (in Richtung Bundesminister Totschnig), dass wir uns heute schon wieder sehen und dass wir heute in der Landwirtschaftspolitik die GAP diskutieren können. Sie kommen ja vom Fach – als Bauerbunddirektor haben Sie durchaus viel Ahnung von der Materie –, deswegen können wir auch schon in die Materie reinspringen. Ich fand das jetzt wahnsinnig erfrischend von meiner Vorrednerin: dass das eine epochale Geschichte war. (Abg. Michael Hammer: Ist es ja!) Ich sehe es ehrlich gesagt ein wenig anders. Ich glaube, es war durchaus eine verpasste Chance für die österreichische Landwirtschaftspolitik.
Warum sage ich das? – Weil wiederum die Vision fehlt, es fehlt die Innovation; das fehlt. Es ist eh alles super in Österreich!, das ist natürlich wirklich gut drinnen, und auch: Wir haben es ja schon immer so gemacht, also bleiben wir halt auch dabei. (Abg. Strasser: Na, na, na, na!)
Ich habe es schon öfter ausgeführt, ich habe es wirklich schon des Öfteren ausgeführt (Abg. Michael Hammer: ... ausgeführt? Zum Gassi gehen?): Was in diesem Land fehlt, ist, dass sich einfach einmal jemand hinsetzt – und ich hoffe wirklich, dass Sie das sind, Herr Landwirtschaftsminister – und sich überlegt, wovon die Bauern in diesem Land in fünf, in zehn, in 15 oder auch in 20 Jahren leben werden.
Ich habe ja vernommen, Kollege Strasser (Abg. Strasser: So wie in Holland!), dass Sie vorhin gesagt haben, ich hätte gestern gesagt, dass das holländische Modell für Österreich anwendbar wäre. Sie haben sich vorhin bei Kollegen Leichtfried darüber beschwert, dass er nicht zuhört. Ich würde es gern auch wiederholen und sinnerfassendes Zuhören, glaube ich, in dieser Debatte noch einmal in den Vordergrund stellen (Abg. Schmiedlechner: Ist schwierig bei der ÖVP!), denn was ich gestern gesagt habe, ist, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.
Was die Holländer aber gemacht haben – und ich habe das auch gestern schon, auf Ihren Zwischenruf hin, noch einmal erklärt, ich mache es gern ein drittes Mal, damit es dann auch hängen bleibt –, ist das Folgende: Sie haben sich etwas überlegt. Sie haben einfach überlegt: Was ist unsere Vision für unser Land und wie kommen wir dorthin? – Und das ziehen die durch. Vision 2050 hieß das in Holland, und das ziehen die durch. Bei uns hat man ein bissel so das Gefühl, wenn man auf die österreichische Landwirtschaftspolitik schaut, es ist die Vision 1950. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)
Da werden wir nicht mehr hinkommen. Und warum sage ich das? – Weil die neuen Einkommensarten für die Landwirtschaft in diesem Land fehlen. Es gäbe Möglichkeiten im Energiebereich, es gäbe Möglichkeiten bei der CO2-Speicherung. Man macht überall ein bissel etwas, aber nichts wirklich – um eben den Bauern wieder zu ermöglichen, als Unternehmer ihr Einkommen zu erwirtschaften – richtig umfassend.
Wenn wir über Visionen reden, dann könnte man hier manchmal, wenn ich es mir so ein bissel anschaue und ein bissel anhöre – auch im Landwirtschaftsausschuss –, eher das Gefühl kriegen, dass die Vision der ÖVP ist, dass man das Ganze halt vielleicht doch ein bissel verstaatlicht und die Bauern einfach beim Staat anstellt, denn so ist die Förderpolitik im Augenblick ausgerichtet. (Abg. Strasser: Also weg mit den Förderungen!) – Das ist ein guter Punkt: Weg mit den Förderungen! Ich glaube, der Punkt ist, dass wir uns anschauen müssen, wofür die Förderungen bezahlt werden. Das ist ja heute auch in der Tierwohldiskussion wirklich wunderbar bildlich zum Vorschein gekommen, nämlich diese große Diskrepanz, die zwischen den Konsumentinnen und den Konsumenten und der Landwirtschaft vorherrscht.
Ich glaube, da ist in den letzten 20, 25 Jahren wirklich etwas misslungen, nämlich diese Brücke zu schlagen. Wenn wir hier von Förderungen sprechen – und ja, wir als NEOS befürworten, dass Förderungen ausbezahlt werden –, dann sollte das aus unserer Sicht nicht so sein, dass man eine Förderung kriegt, weil man Fläche besitzt, sondern weil man Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Das ist es doch. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)
Und was ist Leistung für die Gesellschaft? Sauberes Wasser, ein fruchtbarer Boden, Tierwohl. Dafür können wir gerne Förderungen ausgeben, und das ist die Transformation des Systems, die eigentlich passieren sollte, und nicht das, was die ÖVP hier ständig fordert. (Abg. Strasser: Aber da haben Sie unsere Unterlagen nicht gelesen! Das ist die Gemeinsame Agrarpolitik, Frau Kollegin!)
Ich glaube, dass wir das durchaus anders sehen und dass wir da noch viel Diskussionsbedarf haben. Ich glaube, mit dieser GAP ist eine Chance verstrichen, um die Landwirtschaft in Österreich wirklich auf den Weg zu bringen, wieder eine innovative und
eine Vorreiterrolle einzunehmen. Das ist sehr schade, aber wir NEOS werden dranbleiben und hier mit vielen Vorschlägen weiter unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)
16.39
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet und damit ist die Debatte geschlossen.
Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich fragen, ob wir abstimmen können: SPÖ? Grüne? NEOS? FPÖ? ÖVP?
Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.
Es liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tagesordnungspunkt 5 vor.
Ich lasse daher sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 1442 der Beilagen noch einmal an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zu verweisen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist daher abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die einzelnen Tagesordnungspunkte, die wir wie üblich getrennt vornehmen.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1442 der Beilagen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Wir kommen zur dritten Lesung.
Wer das auch in dritter Lesung tut, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.
Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1452 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dies tut, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1453 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen der Bejahung tun. – Das ist mehrheitlich angenommen.
Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1454 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.
Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1455 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.
Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1456 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.
Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen der Zustimmung bekunden. – Das ist die Mehrheit, angenommen.
Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2503/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden (1457 d.B.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 11. Tagesordnungspunkt.
Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.
Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gödl, bei ihm steht das Wort. – Herr Abgeordneter, bitte sehr.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir beschließen heute die Novellierung von drei Gesetzen im Zusammenhang mit der Situation von aus der Ukraine geflüchteten Menschen: das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz und das Bildungsdokumentationsgesetz.
Warum machen wir das? – Weil wir seit 24. Februar eine veränderte Lage in Europa haben. Durch den Krieg in der Ukraine sind ja leider sehr, sehr viele Menschen in die Flucht getrieben worden, und da die Ukraine in unserer unmittelbaren Nachbarschaft liegt, fast ein Nachbarland von uns ist, ist es auch unsere ganz große Pflicht, da rasch und unbürokratisch zu helfen.
Wie Sie wissen, hat auch die Europäische Union sehr schnell reagiert. Sie hat die sogenannte Massenzustromrichtlinie – das ist kein sehr schönes Wort, aber es sagt eben aus, dass, sollte es zu einer großen Fluchtbewegung in Europa kommen, besondere Regeln, die in allen EU-Staaten zur Anwendung kommen sollen, gelten – aktiviert. Auf Grundlage dieser Richtlinie und auch auf Grundlage des § 62 unseres Asylgesetzes hat die Bundesregierung bereits am 11. März die sogenannte Vertriebenen-Verordnung erlassen.
In der Vertriebenen-Verordnung wird festgelegt, dass Menschen, die aus der Ukraine flüchten müssen, einen besonderen Status erhalten und besonders einfach bei uns aufenthaltig werden können. Darin wird festgelegt, dass ein vorübergehender Schutz gewährt wird, ohne dass es – wie sonst im Asylrecht üblich – eine Einzelfallprüfung gibt. Es gibt also ohne Einzelfallprüfung einen Aufenthaltstitel, Zugang zum Arbeitsmarkt, Zugang zu Wohnraum, Zugang zu medizinischer Versorgung und natürlich auch Zugang zu Bildungseinrichtungen. Das ist gerade im Hinblick auf die Situation der aus der Ukraine Geflüchteten besonders wichtig, weil, wie wir wissen, sehr viele Frauen mit ihren Kindern zu uns gekommen sind und nach wie vor kommen.
Derzeit sind etwa 72 000 Ukrainerinnen und Ukrainer bei uns registriert. Viel mehr sind zu uns gekommen, viele sind in andere Länder, wo sie vielleicht persönliche Anknüpfungspunkte haben, weitergereist, manche auch schon wieder zurück in ihre Wohngebiete in der Ukraine, etwa in der Westukraine, wo es derzeit zu weniger oder gar keinen kriegerischen Auseinandersetzungen kommt und es daher möglich ist, weiterhin dort zu wohnen. Wie gesagt sind aber 72 000 Menschen bei uns registriert, und wir sind somit verpflichtet, die bestmögliche Aufnahme für sie zu gewährleisten.
Mit diesen Gesetzesänderungen, die wir jetzt beschließen werden, wollen wir sicherstellen, dass im Bereich des Integrationsgesetzes jene, die wir als Vertriebene bezeichnen, ebenso Zugang zu den Integrationsmaßnahmen, die über das Integrationsgesetz im Wege des ÖIF, des Österreichischen Integrationsfonds, angeboten werden, haben. Da geht es einerseits um einen ganz schnellen Zugang zu Deutschkursen und andererseits auch um Zugang zu Orientierungsgesprächen und Orientierungskursen, um Integration bestmöglich voranzutreiben.
Natürlich ist das Ziel, dass der Krieg schnell endet und viele Ukrainerinnen und Ukrainer schnellstmöglich zurück in ihr Heimatland können – das ist ja völlig selbstverständlich ‑, wir wissen aber aus der Vergangenheit, dass, wenn kriegerische Auseinandersetzungen länger dauern, ein gewisser Teil sich dann hier bei uns heimisch fühlt und auch bleiben wird. Es ist daher wichtig und richtig, dass wir bereits jetzt auch breite Integrationsmaßnahmen anbieten.
Das zweite Gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, soll helfen, auch Berufsqualifikationen schnellstmöglich anzuerkennen. Das muss man sich so vorstellen: Prinzipiell muss man bei einer Anerkennung von Berufsqualifikationen ja Ausbildungsnachweise vorlegen. Wenn man aber aus einem Kriegsgebiet kommt, schnell flüchten muss, wenn vielleicht die Wohnung oder das Haus zerbombt, abgebrannt ist, dann kann es oft sein, dass diese Nachweise nicht zu erbringen sind. Dafür gibt es eine Regelung, und diese Regelung wird jetzt auch betreffend die Vertriebenen angepasst.
Zum Dritten das Bildungsdokumentationsgesetz: Da wollen wir sicherstellen, dass auch der Schulbesuch für Kinder aus der Ukraine so gut und schnell wie möglich gewährleistet werden soll.
Insgesamt, glaube ich, muss unser Ziel sein, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit für die, die jetzt bei uns angekommen sind, schnellstmöglich gesichert wird.
Meine Damen und Herren, für uns ist das eine Frage von Hilfe vor Ort. Es wird viel diskutiert, in welchem Ausmaß Asyl, das Asylwesen und der Status der Vertriebenen gleichgestellt werden oder inwiefern er unterschiedlich sein soll. Wir als Volkspartei bekennen uns zu dem, was wir immer eingefordert und gesagt haben: Die wichtigste Hilfe in jeder Auseinandersetzung, in jeder Fluchtbewegung ist die Hilfe vor Ort. Wir sind quasi die Nachbarn. Es liegt nur ein Land zwischen uns und der Ukraine – Ungarn –, die Entfernung von Grenze zu Grenze beträgt ein bisschen mehr als 400 Kilometer. Wir sind Nachbarn, wir als Österreich leisten Hilfe vor Ort. Es ist daher gut und richtig, wenn wir unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen, um diese Hilfe vor Ort auch zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP.)
Zum Abschluss: Ganz großer Dank gilt vielen Institutionen, aber ganz besonders der Zivilgesellschaft, die in dieser Phase mit Wohnraum, mit Unterstützung der bei uns angekommenen Vertriebenen sehr, sehr viel geholfen hat, ganz großer Dank gilt aber auch dem Österreichischen Integrationsfonds. Ich war in den letzten drei, vier Wochen selbst zweimal in Wien und habe mir die Lage vor Ort angeschaut: Es wurden eigene Ankunftsstellen eingerichtet, damit die Aufnahme, die Registrierung für die Vertriebenen möglichst unbürokratisch vonstattengehen kann. – Ich möchte mich auch bei dir, Frau Bundesministerin, sehr, sehr herzlich bedanken: für die vielen Initiativen – zum Beispiel die Ehrenamtsförderung in diesem Bereich und ein Buddyprogramm, ein Unterstützungsprogramm auf schulischer Ebene –, damit diese vielen Menschen, die in einer schwierigen Situation sind, hier in Österreich auch bestmöglich unterstützt werden.
Ich denke, es ist gut, wenn wir diese Gesetze jetzt beschließen, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer, die bei uns sein müssen, weil sie flüchten müssen, wirklich bestmöglich aufgenommen werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
16.50
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit 24. Februar beginnt in Europa der Krieg, der Krieg in der Ukraine, ein Angriffskrieg, den wir klar verurteilen.
Europa spricht mit einer Stimme – das ist auch gut so – und Österreich beginnt sofort zu helfen. Die Stadt Wien schickt schon an diesem Tag die ersten zwei Konvois mit Hilfsgütern in die Ukraine. Österreich wird dabei menschlich helfen, sozial, humanitär helfen, das ist klar, aber ich sage dazu auch: Österreich ist natürlich neutral. Österreich ist militärisch neutral und wird sicher nicht in den Krieg eingreifen, aber natürlich und selbstverständlich sagt die SPÖ Ja zu der humanitären Hilfe, die wir diesbezüglich leisten.
Die Aufnahme von Flüchtlingen, von Vertriebenen aus der Ukraine gestaltet sich vor allem so, dass Frauen, Kinder und ältere Menschen zu uns kommen. Die Versorgung, die Unterbringung und das Überleben dieser Menschen werden vielfach gesichert, vielfach natürlich auch mit privater Hilfe – aber war das eine Integration vom ersten Tag an?
Wenn Kollege Abgeordneter Gödl sagt, „bereits jetzt“ – Zitat – wird geholfen, dann sage ich: Wir haben den 19. Mai. Es ist fast drei Monate her, dass die Invasion Putins in der Ukraine begann. Ich glaube, bezüglich der Maßnahmen, die wir heute hier gesetzlich beschließen, von „bereits jetzt“ zu sprechen, ist eine starke Untertreibung.
Die Maßnahmen der Regierung, die Maßnahmen, um die Ukrainer und Ukrainerinnen effizient und schnell zu integrieren, sind noch immer in der Startphase. Viele Ukrainer und Ukrainerinnen haben bis jetzt keine Hilfe seitens des Staates gesehen, aber Vertriebenen zu helfen heißt Armut bekämpfen, heißt Chancen geben, und das betrifft natürlich auch die Anerkennung, das Anrechnen von Qualifikationen und Berufsausbildungen.
Es kommen viele Ukrainer und Ukrainerinnen – im Moment sehr viele Ukrainerinnen –mit einer guten Ausbildung zu uns, die natürlich auch für den österreichischen Arbeitsmarkt interessant wären, und viele dieser Menschen wollen auch selbst arbeiten, wollen mitmachen. Das sind Fachkräfte aus dem Pflege- und Sozialbereich, das sind Fachkräfte – vor allem auch aus Kiew und der Westukraine – aus dem IT-Bereich.
Österreich ist aber, was die Standardisierung von Anerkennung und die Anrechnung von Ausbildungen betrifft, ein Fleckerlteppich. Die Regierung verfehlt hier in den letzten Jahren – und auch bei dieser Maßnahme jetzt –, dass wir zu einer Standardisierung von Anrechnung und der Anerkennung von Ausbildungen von Fachkräften kommen.
Den Maßnahmen zur Integration ukrainischer Vertriebener insgesamt wird die SPÖ selbstverständlich zustimmen, was ich aber kritisch noch anmerken will, das ist die Vertagungspraxis von ÖVP und Grünen in den Ausschüssen. Wir liefern ja dieses Gesetz seitens des Menschenrechtsausschusses, wo wir es behandelt haben, aber im Menschenrechtsausschuss werden Gesetzesvorschläge von der Opposition zuhauf vertagt.
Der neue Landwirtschaftsminister sagt: Wir reichen dem Parlament die Hand, wir reichen der Opposition die Hand! – Ja, dann müssen sich aber Grün und Türkis ändern und in den Ausschüssen auch Anträge der Opposition zulassen. Das ist nicht der Fall. (Beifall bei der SPÖ.) Daher sehe ich seitens der Regierung keinen Kooperationswillen. Das ist schade, und ich glaube, Neuwahlen würden Österreich guttun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Lasst’s den Doskozil!)
16.54
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete El-Nagashi. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir haben jetzt wieder einmal Gelegenheit – es passiert selten –, eine integrationspolitische Debatte zu führen, und zwar anhand einer Änderung des Integrationsgesetzes, des Anerkennungs- und Bewertungsgesetzes, des Bildungsdokumentationsgesetzes – sehr sinnvolle Maßnahmen für eine bestimmte Gruppe, nämlich für ukrainische Geflüchtete. Es ist sehr sinnvoll, diesbezüglich Zuständigkeiten zu klären, auch Verfahren zu vereinfachen und hier auch einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen.
Gleichzeitig wird hier ein neuer Zugang gesetzlich verankert, ein neues Modell, nämlich etwas, von dem ich, von dem wir integrationspolitisch überzeugt sind, nämlich das Modell Integration ab Tag eins. Das ist ein richtiger Zugang. Integration ab Tag eins: keine Wartezeit beim Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Selbsterhaltungsfähigkeit, zu Deutschkursen, zu Integrationsangeboten, zu Orientierungskursen – eine sehr sinnvolle Maßnahme im Integrationsbereich, eigentlich ein Erfolgsmodell im Integrationsbereich.
Während wir jetzt diesen Zugang für eine Gruppe von Geflüchteten gesetzlich verankern, sehen wir zwei Sachen: Wir sehen, dass wir einerseits unter den Geflüchteten unterscheiden und dass wir verschiedene Gruppen von Geflüchteten haben – rechtlich begründet –, und gleichzeitig sehen wir aber auch, was fehlt und was bei dem, wie wir gesetzliche Rahmenbedingungen für andere Geflüchtete schaffen, nicht ausreichend gegeben ist.
Das ist etwas, das für manche Menschen mehr Chancen ermöglicht – was richtig ist –, aber anderen Menschen weniger Chancen bietet. Integrationspolitik sollte sich zentral, im Kern, dem verschreiben, Chancen zu schaffen und Perspektiven zu schaffen.
Dann ist auch die Frage: Wie sehen wir Integration allgemein? Was ist etwas, das Chancen bringt? Was ist etwas, das Zugang ermöglicht? – Da gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Auch: Was kann ein Motor für Integration sein?
Wir haben eine ähnliche Debatte schon vor einem Jahr geführt – leider sprechen wir nicht so oft über Integrationspolitik –, und ein Motor für Integration, und das sagen viele und davon bin auch ich überzeugt, sind die Staatsbürgerschaft und der Zugang zur Staatsbürgerschaft. In Österreich sind die Hürden für die Einbürgerung sehr hoch, viel zu hoch, und hängen auch mit Einkommensmöglichkeiten zusammen. Dadurch sind sehr viele Menschen, die in Österreich leben, hier geboren und aufgewachsen sind, davon ausgeschlossen. Das hat massive Auswirkungen auf ihre Perspektiven und Lebensmöglichkeiten.
Es gibt viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die das thematisieren. SOS Mitmensch hat eine große Kampagne gestartet – hiergeboren –, die ich inhaltlich auch unterstütze. Es ist gut und wichtig, dass wir dieses Thema immer wieder ansprechen, um hier eine Auseinandersetzung darüber zu führen.
Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei der Zivilgesellschaft bedanken, die – Kollege Troch hat das vorhin angesprochen, und ich glaube, wir wissen das – seit dem ersten Tag wirklich Unterstützung geleistet hat: bei den ukrainischen Geflüchteten ebenso wie bereits 2015 bei den Geflüchteten aus Afghanistan und aus Syrien. Ohne die Arbeit und den Beitrag und das Engagement der Zivilgesellschaft wäre Integrationspolitik in Österreich und auch anderswo nicht möglich. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)
16.58
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Shetty. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ja, Kollegin El-Nagashi, vielleicht darf ich da gleich direkt anschließen: Also wenn man vonseiten der Grünen über eine Aufwertung der Staatsbürgerschaft spricht – da sind wir vielleicht im Zugang ein bisschen anders, aber grundsätzlich der gleichen Meinung –, dann ist vielleicht nicht das ganze Parlament hier richtig adressiert, sondern primär auch einmal der Koalitionspartner, der ja davon spricht, dass es zu einer Entwertung der Staatsbürgerschaft führen würde, wenn man anderen Menschen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, den Zugang erleichtert – also eigentlich eine Art Entmenschlichung von Menschen, die die Staatsbürgerschaft erlangen möchten.
Also bitte da auch einmal in der Koalition mit dem Koalitionspartner sprechen, denn diese Art, wie hier darüber gesprochen wird, finde ich wirklich unerträglich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Wir diskutieren heute aber über Nachbesserungen im Integrationsbereich und ganz konkret über Verbesserungen für Vertriebene, über einen besseren Zugang zu Deutschkursen, über schnellere Nostrifizierungsverfahren und damit auch eine bessere Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt. Das ist begrüßenswert. Insbesondere der rasche Zugang zum österreichischen Bildungssystem für die Jüngsten, für geflüchtete ukrainische Schülerinnen und Schüler, ist besonders relevant.
Wir unterstützen dieses Paket hier heute natürlich. Viele dieser Forderungen haben wir im Detail ja auch schon länger aufgestellt.
Jetzt kann man natürlich sagen: Die Ukrainekrise ist sehr plötzlich gekommen!, aber wir haben immer schon gesagt: Wir müssen auch die Lehren aus 2015 ziehen, wir müssen uns auch auf große Flüchtlingsbewegungen besser vorbereiten. Dann wäre es nicht so, wie es jetzt ist – wie es gekommen ist, also dass man ein Paket schnell durch das Parlament peitschen muss, weil man eben die Regeln schaffen muss –, sondern dann wären wir darauf besser vorbereitet gewesen.
Das ist schon auch etwas, was wir durchaus kritisieren. Es gibt ja keinen eigenen Integrationsausschuss, deswegen wurde das extrem schnell in den Menschenrechtsausschuss verfrachtet, wo es eigentlich nicht hingehört. Dort war auch außer Kollegin El-Nagashi kein einziger anderer Integrationssprecher, weil das terminlich so kurzfristig war. Das ist auch kein wirklich guter Umgang mit dem Parlament.
Ja, Integration ab Tag eins, das sagen wir auch schon sehr lange und das halten wir für extrem wichtig. Ich finde es schade, dass von der FPÖ niemand dazu spricht, weil die FPÖ die einzige Partei ist, die dieses umfassende Integrationspaket ablehnt. Ich möchte dazu schon noch etwas sagen: Natürlich hoffen wir, dass möglichst viele Ukrainerinnen und Ukrainer, wenn der Krieg vorbei ist, zurück in die Ukraine gehen können – denn das wollen ja auch sie zu großen Teilen –, aber wir wissen nicht, wie lange dieser Krieg dauern wird, und wir müssen damit rechnen, dass ein Teil der Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich bleiben wird. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)
Wir hören heute Ihre Gründe dafür nicht, weil Sie sich nicht zu Wort melden, aber dass Sie von der FPÖ als einzige Partei sagen: Wir lehnen das ab!, das finde ich so bezeichnend für den Zugang der FPÖ zur Integrationspolitik, denn auf der einen Seite sind Sie gegen Integrationsmaßnahmen, um sich dann andererseits darüber zu beschweren, dass die Menschen nicht gut integriert sind. Und so geht das nicht! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi.)
Dieses Integrationspaket darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir noch weitere große Herausforderungen haben. Ich möchte Ihnen ein paar aufzählen.
Erstens: Ein Großteil der Vertriebenen ist in Wien und die Jungen vor allem in Wiener Schulen, aber Wien erhält nicht die finanzielle und personelle Unterstützung, die es
bräuchte. Das halte ich für fahrlässig. Frau Ministerin, man kann nicht bei Pressekonferenzen behaupten, dass man alles tut, um die Ukrainer und Ukrainerinnen zu unterstützen, dann aber nicht das nötige Geld fließen lassen und auch nicht die erforderliche Unterstützung zukommen lassen.
Zweitens: Die familiengerechte Unterbringung ist noch immer ein Riesenthema. Auch dabei verlässt sich die türkis-grüne Bundesregierung viel zu sehr auf Privatinitiativen. Das wird aber nicht weiter so zu stemmen sein, von der medizinischen und psychologischen Betreuung ganz zu schweigen.
Es ist also noch viel zu tun. Ich möchte abschließend noch einen Vorschlag aus dem Menschenrechtsausschuss aufgreifen, nämlich darüber zu diskutieren, ob es nicht gut wäre, im Parlament einen Integrationsausschuss einzuführen. Wir haben eine Ministerin, die zuständig ist, wir haben ein Ministerium, aber kein Pendant im Parlament. Wenn man Integrationspolitik ernst nehmen möchte, dann wäre ein solcher Integrationsausschuss dringend notwendig. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi.)
17.02
Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Romana Deckenbacher. – Bitte.
Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor etwa einem Monat hatte ich eine Begegnung mit einer Lehrerin aus der Ukraine, die mit ihrem achtjährigen Sohn flüchten musste. Ich sage Ihnen, ich stand einer unglaublich starken, intelligenten, aber von den Ereignissen traumatisierten jungen Frau gegenüber. Im Laufe dieses Gespräches hat sie mir unter anderem auch erzählt, wie wichtig es für sie ist, dass ihr Sohn bald die Schule besuchen kann, und wie wichtig es für sie auch ist, bald arbeiten gehen zu können. Welche Antworten haben wir für diese Frau, die stellvertretend für viele andere Vertriebene steht?
Auf der einen Seite soll mit der Anerkennung und Bewertung von ausländischen Bildungsabschlüssen und Berufsqualifikationen dieser Frau ein rascher Einstieg in den Beruf ermöglicht werden, andererseits soll mit der Änderung des Bildungsdokumentationsgesetzes ihrem Sohn der Schulbesuch leichter möglich werden. Rund 5 000 Kinder und Jugendliche, die aus der Ukraine geflüchtet sind, sind in Österreichs Schulen gemeldet, davon circa 1 300 in Wien. Vertriebene Kinder und Jugendliche aus der Ukraine sollen nach ihrer Einreise in Österreich so rasch wie möglich einen Schulplatz erhalten. Das ist das Ziel, denn Schule kann in dieser besonderen Situation eine wichtige mentale, aber auch soziale Basis sein.
Sogenannte Vertriebene, zu denen Geflüchtete aus der Ukraine zählen, hat die Bundesregierung nun mit den Änderungen in das Integrationsgesetz aufgenommen. Das bedeutet Deutschkurse, Orientierungskurse, aber auch viele Orientierungsgespräche. Sich in einem Land zu orientieren heißt, sich mit der Sprache, mit der Kultur, mit den Werten, mit der Geschichte, aber auch mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen eines Landes auseinanderzusetzen.
Das Erlernen der deutschen Sprache ist Grundvoraussetzung für eine gelungene Integration. Sie ist Basis für einen erfolgreichen Schulabschluss, aber auch für den Einstieg ins Berufsleben, besonders für die Erwachsenen und vor allem für die Frauen, die mit ihren Kindern hier sind. Wir schaffen damit für die ukrainischen Vertriebenen eine rasche und zielsichere Integration in Österreich.
An dieser Stelle möchte ich besonders auf das Buddyprogramm hinweisen, das gemeinsam mit dem Österreichischen Integrationsfonds, unserer Integrationsministerin, dem
Bildungsminister, der Staatssekretärin, den Bildungsdirektoren, aber auch zahlreichen ehrenamtlichen Vereinen und Organisationen ins Leben gerufen wurde. Die Landjugend, die Österreichische Blasmusikjugend, die Sportunion, die Feuerwehrjugend, die Katholische Jungschar, die Pfadfinder und viele, viele andere Vereine und Organisationen beteiligen sich an diesem Buddyprogramm. (Beifall bei ÖVP.)
Dieses Programm läuft seit 12. Mai und verfolgt das Ziel, die vertriebenen Jugendlichen dabei zu unterstützen, in Österreich anzukommen. Anzukommen ist besonders für junge Menschen wichtig, denn sie wurden brutal aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und mussten ihre Heimat verlassen. Ich möchte es noch einmal mit den Worten unserer Integrationsministerin sagen: „Jeder junge Mensch hat eine sorgenfreie und schöne Jugend verdient.“
Meine Damen und Herren! Österreich liegt im Herzen Europas, und in diesem Herzen sollen die vertriebenen Menschen auch ankommen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
17.06
Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der Krieg in der Ukraine hat die Lebenswelt von Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern dramatisch verändert. Laut UNHCR sind bereits rund 6,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht, mussten das Land verlassen. Ein Großteil davon sind, wie wir wissen, Frauen und Kinder.
Davon haben über 70 000 Menschen bei uns in Österreich Zuflucht gefunden, wurden sozusagen – wie es heißt – bei uns registriert, was irgendwie Ausdruck davon ist, dass man in unserem Land bleiben möchte, hier Zuflucht findet und natürlich auch in den Alltag finden möchte. Die Bleibeperspektive ist natürlich nicht geklärt, und viele Ukrainerinnen und Ukrainer, die bei uns sind, haben den Wunsch, wieder zurückzugehen. Wir wissen jedoch nicht, wie sich der Krieg entwickeln wird.
Europa steht geschlossen in Solidarität mit der Ukraine. Das betrifft auch den rechtlichen Rahmen, den wir für jene Ukrainerinnen und Ukrainer geschaffen haben, die bei uns Zuflucht finden. Wir haben eine gemeinsame Richtlinie verabschiedet, die kurz nach Ausbruch des Krieges in Kraft getreten ist, die sozusagen den Rahmen für alle Integrationsmaßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union bildet.
Auf der Basis dieser Maßnahmen setzen wir natürlich Integrationsstrukturen auf: Da setzen wir an, was den Arbeitsmarkt betrifft, was die Deutschkurse betrifft und natürlich auch, was die Bildungseinrichtungen und Kindergärten betrifft.
Wir haben in den letzten Wochen bereits viel zustande gebracht. Wir haben aufbauend auf dem Bestehenden neue Strukturen, wie beispielsweise die sogenannten Servicepoints geschaffen, um es den Frauen und Kindern unbürokratisch zu ermöglichen, sich Informationen zu organisieren, wie sie die Kinder in der Schule unterbringen, wie sie die Kinder im Kindergarten anmelden, wie sie Zugang zum Arbeitsmarkt finden, wo sie sich für einen Deutschkurs anmelden, wie sie den Anschluss an unser Gesundheitssystem finden können.
Wir haben ein umfassendes Deutschkursangebot in allen Regionen zur Verfügung gestellt, das wir natürlich auch an die ukrainischen Bedürfnisse angepasst haben, denn viele Menschen, die jetzt kommen, starten mit einem bereits hohen Bildungsniveau,
bringen oft auch schon Deutschkenntnisse oder zumindest Englischkenntnisse mit. Wir haben die Ehrenamtsförderung ausgebaut, weil es wichtig ist, dass Ehrenamtliche in all ihrem Engagement in Österreich Unterstützung bekommen, ihnen unter die Arme gegriffen wird und sie auch staatlich gefördert werden.
Wir haben ein Buddysystem auf die Beine gestellt, das in ganz Österreich sicherstellt, dass junge Menschen, die in unserem Land aufgewachsen sind, ukrainischen Jugendlichen helfen, die Freizeit gemeinsam wertvoll zu gestalten, weil eben auch in der Begegnung Integration stattfindet.
All das haben wir geschafft, und jetzt möchten wir diese Strukturen sozusagen auch in einen gesetzlichen Rahmen fassen. Ich möchte betonen, dass das jetzt wirklich nicht der Startschuss für die Dinge ist, die wir bereits in den letzten Wochen und Monaten umgesetzt haben, sondern einfach auch durch entsprechende Gesetze Rechtssicherheit für ukrainische Vertriebene, die einen eigenen rechtlichen Status haben, schaffen soll.
Ich bedanke mich dafür, dass wir im Ausschuss die beiden gesetzlichen Änderungen gemeinsam besprechen konnten. Es handelt sich auf der einen Seite um das Integrationsgesetz, in das wir nun die neue Zielgruppe der ukrainischen Vertriebenen aufnehmen, damit alle einen Anspruch, eine Möglichkeit haben, einen Deutschkurs zu besuchen, damit die Orientierungsmaßnahmen des Österreichischen Integrationsfonds allen zugutekommen.
Zum Zweiten handelt es sich auch um die Änderung des Anerkennungs- und Bewertungsgesetzes, etwas, das mir persönlich wahnsinnig wichtig ist. Es gibt große Potenziale, die mit den Menschen kommen, eine große Bereitschaft, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Die Ukrainerinnen und Ukrainer möchten schnellstmöglich auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Es gibt auch einen großen Arbeitskräftebedarf. Daher ist die Anerkennung von mitgebrachten Qualifikationen ein Schlüssel dafür, dass die Menschen einerseits in unserem Land Fuß fassen können und andererseits auf dem Arbeitsmarkt ihren Beitrag leisten können.
Wir werden daher mit dem Gesetz sicherstellen, dass beispielsweise auch Qualifikationen, die aufgrund fehlender Dokumente, die durch die Kriegsflucht nicht beigebracht und damit belegt werden können, informell bewertet werden können. Wir werden sicherstellen, dass die Bürokratie für die ukrainischen Vertriebenen auf ein Minimum zurückgeschraubt wird, dass man sozusagen rasch mit kürzeren Fristen zu seiner Anerkennung kommt. All das ist die Basis des Anerkennungs- und Bewertungsgesetzes.
Selbstverständlich glaube ich, dass man sich immer und überall verbessern kann. Gerade die Anerkennung von Qualifikationen ist etwas, an dem wir innerhalb der Bundesregierung noch weiterarbeiten. Ich bin froh, dass wir mit der bestehenden Novellierung einmal eine gute Basis schaffen. Ich möchte mich auch sehr herzlich für die breite Zustimmung im Vorfeld bedanken. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
17.11
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz zu Wort. – Bitte.
Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Integration von Anfang an, das muss die oberste Devise sein. Das steht auch in dem Antrag drinnen. Jetzt kommt aber der Moment, wo der Aff’ ins Wasser springt. Was verstehen die Regierungsparteien unter „von Anfang an“?
Seit 24.2. kommen ukrainische Familien, Frauen und Kinder nach Österreich. Erst jetzt, nach drei Monaten, beschließen wir eine gesetzliche Grundlage dafür, dass Maßnahmen
passieren können. (Abg. Gödl: Es gibt die Vertriebenen-Verordnung! Bitte nicht so falsch reden!) Bis dahin sollen die Menschen registriert werden. Frau Horaczek - - (Abg. Gödl: Es gibt die Vertriebenen-Verordnung! Nein, bitte! Nein, bitte! Nein, nicht! Nein, bitte!) – Kommen Sie her, dann sehen Sie es! (Die Rednerin deutet auf ihre Unterlagen.)
Frau Horaczek schreibt im „Falter“ am 27.4., dass bis dahin 500 Erstgespräche stattgefunden haben. Erstgespräche sind notwendig, damit die Leute vom Österreichischen Integrationsfonds einen Kurs bekommen können. (Ruf bei der ÖVP: Was?) Vor einem Monat waren von den bis jetzt 70 000 Menschen 500 Leute registriert. Das ist Bürokratie pur.
Wer schnell hilft, hilft doppelt. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Realität. Sie erzählen uns hier von den Programmen, davon, was Sie alles gemacht haben. Wer wirklich viel gemacht hat, sind die NGOs und freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ankunftszentren und in den Bahnhöfen. Die haben wirklich etwas gemacht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)
Was haben Sie bis jetzt angekündigt? – Zum Beispiel hat Herr Wöginger, der Klubobmann, gesagt, die Zuverdienstgrenze in der Grundversorgung soll erhöht werden. Ist das geschehen? Gibt es da einen konkreten Vorschlag? – Nicht dass ich wüsste.
Es wurde angekündigt, dass Schutzsuchende aus der Ukraine, die eine Arbeit gefunden haben, die Kinderbeihilfe bekommen sollen. Gibt es da eine Antwort? – Die Frau Ministerin verweist auf Verhandlungen und Expertengespräche. Es gibt keine Entscheidung.
Den besten Vorschlag hatte aber der Innenminister, der hat heute den Vogel abgeschossen. Er hat gesagt, sie dürfen in der Grundversorgung 110 Euro dazuverdienen und von allem, was darüber liegt, sollen ihnen in der Grundversorgung pro Euro 70 Cent weggenommen werden. 70 Cent pro Euro bedeutet 70 Prozent Steuern. Das ist der Vorschlag des Herrn Innenministers. Ich habe keine Ahnung, ob er jetzt damit durchkommt oder nicht. Ich schaue (in Richtung Grüne) zu euch. – Ja, er kommt damit durch, okay. (Heiterkeit und Widerspruch bei den Grünen.) – Liebe Leute, er macht diesen Vorschlag. Das sind Ankündigungen, mit denen man nicht arbeiten kann. (Beifall bei der SPÖ.) Bitte setzt euch zusammen und macht seriöse Vorschläge, damit wir wirklich schnell helfen können, denn sonst wird es einfach nicht gehen!
Auf der anderen Seite gibt es die Blackbox ÖIF. Was macht der wirklich? Sie sagen uns da Sachen, also ich weiß nicht - - (Abg. Gödl: Gehen Sie einmal hin zum ...! Gehen Sie einmal hin!) Wie viele Deutschkurse wurden jetzt bereitgestellt? Wie viele werden noch bereitgestellt werden müssen? Wie viele Dolmetscherinnen und Dolmetscher hat der Österreichische Integrationsfonds, die der ukrainischen Sprache mächtig sind? (Zwischenruf des Abg. Gödl.) – Bitte hören Sie mir auf! Das sind nur Hin- und Herschiebereien. In der Praxis passiert leider viel zu wenig.
Herr Flüchtlingskoordinator Takacs rechnet sogar mit bis zu 200 000 Flüchtlingen, die zu uns kommen könnten. Was machen Sie denn dann, wenn wir seit drei Monaten nicht einmal die 60 000 auf die Reihe bekommen? Wir haben jetzt erst die gesetzliche Grundlage. Ich finde es einfach schade, weil hier eine Einigkeit darüber herrscht, diesen Vertriebenen – Sie haben einen neuen Ausdruck dafür gefunden – wirklich zu helfen. Wir können so aber nicht helfen. Wieso nicht? – Weil die Untätigkeit einfach unglaublich ist. Stellen Sie sich vor, wir wollten nicht helfen. Was wäre denn dann? – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
17.16
Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bürstmayr.
Nein (in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gödl), da müssen Sie sich melden. (Abg. Michael Hammer: Er hat sich eh gemeldet! – Abg. Gödl: Ich habe mich
eh gemeldet!) – Wenn es eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung gibt, dann wird das über die Parlamentsdirektion eingemeldet.
Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr, wie gesagt. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren aus der Ukraine, wenn Sie uns zusehen sollten: Laskawo prosymo! Dass wir in Österreich gerade einmal 1 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen haben, ist nicht weiter großartig – wir machen 2 Prozent der Wohnbevölkerung der Europäischen Union aus –, und dass jetzt drei Gesetze so angepasst werden, dass diese Menschen möglichst gute Perspektiven haben, ist auch nicht weiter großartig – aber es ist gut.
Wir Grüne wissen, wie schwer das in der Praxis ist, denn ein ganzes Team unserer Abgeordneten und MitarbeiterInnen arbeitet jeden Tag in der Woche daran, dass die vielen Mängel, die es dabei noch gibt, beseitigt werden und dass Schritt für Schritt gute Regeln für eine gute Aufnahme von Geflüchteten geschaffen werden. Das ist manches Mal nicht einfach, weil es dem einen oder anderen in der Verwaltung oder auch in politischen Parteien schwerfällt, dabei alte, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Eigentlich geht es dabei aber um etwas Größeres als um Politik: Es geht um Hoffnung. Es geht um die Hoffnung, die Wladimir Putin zerstören will und die sich die Ukraine nicht nehmen lässt, um die Hoffnung darauf, die Freiheit wiederzuerlangen, den Frühlingsweizen zu ernten und das eigene Land wieder fröhlich zu machen: Hej, hej, rosweselymo! Von dieser Hoffnung handelt das alte Lied von der roten Kalyna, entstanden im Krieg 1914 und in diesem Krieg 2022 wieder populär geworden.
Österreich kann diesen Krieg nicht beenden. Wir können aber dazu beitragen, dass ukrainische Kinder bei uns in Österreich das Lachen wieder lernen und dieses Lachen eines Tages wieder in ihr großes Land zurücktragen können. Dazu beizutragen, das ist unsere Aufgabe. Hej, hej, rosweselymo! Wir werden sie wieder zum Lachen bringen. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)
17.19
Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Ernst Gödl hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.
Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Frau Kollegin Yılmaz hat behauptet, mit diesem Gesetzesbeschluss würde die Grundlage für die Aufnahme von Vertriebenen aus der Ukraine geschaffen. – Das ist unrichtig.
Die gesetzliche Grundlage wurde mit der Vertriebenen-Verordnung vom 11. März 2022 geschaffen. Das ist richtig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Weitergegangen ist trotzdem nichts!)
17.20
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wie Georg Bürstmayr sagt: Die Kinder wieder zum Lachen bringen – eine große Aufgabe! Es sind ja, wie Sie, Frau Bundesministerin, gesagt haben, ungefähr sechs Millionen Vertriebene im Ausland, aber es sind auch acht
Millionen Menschen im Land, in der Ukraine, vertrieben. Ungefähr die Hälfte der Kinder in der Ukraine wohnt nicht mehr dort, wo sie aufgewachsen sind. Wenn wir uns das vorstellen, muss man sagen, das ist unfassbar, und es zeigt uns wieder einmal, dass wir natürlich aufgerufen sind, zu helfen – und die Hilfe findet statt.
Ich möchte aber auch das Bild dieser Flüchtlinge ein bisschen zurechtrücken, weil ich inzwischen mit einigen gesprochen habe. Jede Geschichte ist natürlich anders. Die Geschichten lauten natürlich so, dass sie Angst vor den Bomben hatten, Angst vor der Verfolgung hatten, vor Vergewaltigung, vor diesen unglaublichen Grausamkeiten der russischen Soldaten hatten und dann in engen Zügen irgendwie zu einer Grenze gekommen sind. Dann hat es aber schon Hilfe gegeben.
Eine Familie hat mir erzählt, dass die Caritas schon in Ungarn geholfen hat, dass sie zu uns kommen, dass Wohnungen beschafft wurden. Sie haben mir aber auch erzählt, dass sie von Anfang an hier gearbeitet haben – und zwar für ihr Unternehmen zu Hause. Diese Möglichkeiten, die wir ja im Homeoffice kennengelernt haben, gehen natürlich auch über die Grenzen, also bitte schön: Viele Menschen, die hier sind, arbeiten noch für ihr Unternehmen zu Hause, oder sie arbeiten hier. Das sind sehr, sehr gut ausgebildete Menschen, das müssen wir auch einmal sehen.
Wir hatten heute den ukrainischen Minister für regionale Verwaltung, Oleksij Tschernyschow, zu Besuch. Er war auch bei Frau Bundesministerin Edtstadler. Er hat uns seinen Führerschein und alle anderen persönlichen Dokumente, die er hat, gezeigt. Er hat sie natürlich am Handy. Was also Digitalisierung betrifft, sind sie möglicherweise ein Stück weiter als wir. Es sind sehr gut ausgebildete Leute, sie lernen ab der ersten Klasse Volksschule Englisch, auch das merke ich bei den Kontakten, die wir mit diesen Menschen haben.
Das ändert aber nichts daran, dass diese Schicksale so tragisch sind. Ich möchte Ihnen sehr empfehlen, dass Sie dieses Buch kaufen, weil Sie damit dieser jungen Frau nützen, aber dass Sie das Buch auch lesen. (Der Redner hält das Buch „24. Februar und der Himmel war nicht mehr blau“ von Valeria Shashenok in die Höhe.) Es ist auch wieder nur eine Geschichte von einem Menschen, von dieser Valeria Shashenok. Vielleicht folgen manche von Ihnen – es sind ja ein paar junge Leute da – ihr auf Tiktok und haben erfahren, was sie von Anfang an, als sie eben in den Bombenkeller gehen musste, erlebt hat: dass sie ihren Cousin verloren hat, dass sie dann über Warschau nach Italien geflüchtet ist. Jetzt hat sie dieses Buch geschrieben, hat gerade auch in Deutschland ein bisschen eine Pressereise gemacht. Sie geht aber wieder nach Hause – wie übrigens viele Ukrainerinnen und Ukrainer wieder nach Hause gehen, weil sehr viele genau das wollen.
Das ist, glaube ich, der nächste Punkt, damit müssen wir uns auch beschäftigen: Wie können wir, wenn dieser Krieg hoffentlich einmal vorbei ist, dann der Ukraine helfen und gleichzeitig uns helfen? Ich habe immer gesagt, wir brauchen so etwas wie den Marshallplan, aber Minister Tschernyschow hat mir heute gesagt: Bitte verwenden Sie nicht den Marshallplan als Wort – als Inhalt ja, das ist großartig, wenn wir den Wirtschaftsaustausch betreiben, das hat ja Österreich bekanntlich sehr geholfen –, nennen wir es United24. Die Zahl 24 hat natürlich eine Bedeutung für die Ukraine: 24. Februar, sie haben 24 Regionen. Dieses United24 soll der Beginn eines Wiederaufbaus der Ukraine sein, und das ist der nächste Punkt, bei dem wir, glaube ich, sehr aktiv sein wollen, bei dem wir sehr aktiv sein werden.
Natürlich ist der nächste Schritt der Weg in die Europäische Union. Da würde ich auch sagen, dass wir sehr deutlich sagen müssen: Ja, Kandidatenstatus so schnell wie möglich, jetzt im Juni! – Alle Abgeordneten, mit denen wir, auch in der Freundschaftsgruppe – alles sehr gut ausgebildete Frauen und Männer –, inzwischen gesprochen haben,
haben gesagt: Wir wollen übrigens gar keine besonderen Vorteile! Wir wollen nur, dass wir – entsprechend dem Gesetz und entsprechend den Vorschriften der Europäischen Union – entsprechend dem, was wir erfüllen, dann auch aufgenommen werden. – Ich glaube, das ist auch wichtig, dass von dort auch die Botschaft kommt: Wir sind ein Rechtsstaat und wir wollen in eine Organisation von Rechtsstaaten hinein!
Sie alle verstehen auch, dass es das Thema mit dem Westbalkan gibt, und auch da sagen sie: Ja, das verstehen wir auch! – Wir müssen aber wiederum verstehen: Wenn wir die Aufnahme der Westbalkanländer weiter verzögern, wird Herr Putin, wenn er die Ukraine nicht kaputtmachen kann, dort weiterzündeln.
In diesem Sinn also brauchen wir diese europäische Einigung und wir brauchen die Zusammenarbeit mit diesen tapferen Menschen in der Ukraine, mit diesen gut ausgebildeten Menschen, aber auch mit all denen, die natürlich unter diesem schrecklichen Krieg leiden. Denen müssen wir speziell helfen, und deswegen schließe ich mich jetzt auch diesem Dank an alle Menschen, die in Österreich geholfen haben, an die NGOs, die großartige Arbeit leisten, an.
Es findet übrigens fast jede Woche irgendeine Veranstaltung für die Ukraine statt, am kommenden Samstag auf der Kaiserwiese im Prater: Bitte hinkommen und mit den Leuten reden! Man kann sehr viel lernen, und das sage ich euch auch noch: Lernen ist das Einzige, das jung hält; das ist meine Erfahrung. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen.)
17.25