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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

158. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. Mai 2022

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

158. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                   Donnerstag, 19. Mai 2022

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Mai 2022: 9.06 – 19.28 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Impfpflicht: Striktes NEIN“

2. Punkt: Bericht über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII.GP)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungs­gesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird

4. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschafts­gesetz und das AMA-Gesetz geändert werden

6. Punkt: Bericht über den Antrag 2462/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend 3-L-Regel in der Landwirtschaft: Landwirte leben lassen

7. Punkt: Bericht über den Antrag 159/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, geändert wird

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1169/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltpro­gramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP)

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1782/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Agrarfördermitteleinsatz zur Erreichung des Endes der Vollspaltenböden-Haltung von Schweinen in Österreich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Fördermaßnahme „Soziale Angelegenhei­ten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel

11. Punkt: Bericht über den Antrag 2503/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungs­dokumentationsgesetz 2020 geändert werden

12. Punkt: Bericht über den Antrag 2504/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnisfreiheit

13. Punkt: Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022)

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert wer­den (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022)

16. Punkt: Bericht über den Antrag 2501/A der Abgeordneten Mag. Michaela Stein­acker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitge­setz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden

17. Punkt: Bericht über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige

18. Punkt: Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      16

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 9856/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ...................................................................      38

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ..............................    123

RednerInnen:

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................    123

Bundesminister Dr. Magnus Brunner, LL.M. ........................................  126, 135

Mag. Corinna Scharzenberger ..............................................................................    129

Kai Jan Krainer ........................................................................................................    129

Christian Ries ..........................................................................................................    131

Mag. Nina Tomaselli ...............................................................................................    132


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 3

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................    133

Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen, dem Ge­sundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2538/A der Abgeord­neten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 9. Juni 2022 zu setzen ......      38

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ...................................................................................      38

Redner/Rednerinnen:

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................    136

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................    137

Dietmar Keck ...........................................................................................................    139

Peter Schmiedlechner ............................................................................................    141

Clemens Stammler .................................................................................................    142

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................    142

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .....................................................................    144

Antrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2227/A der Abge­ordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG) geändert wird“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 20. Mai 2022 zu setzen – Ablehnung ....................................................  38, 196

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ..............................................................................................................      38

Antrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen, den Be­richt des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Land­wirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1451 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft rückzuverwei­sen – Ablehnung ........................................................................................  110, 150

Fragestunde (13.)

Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ..........      16

Andreas Ottenschläger (159/M)

Julia Elisabeth Herr (163/M)

Christian Hafenecker, MA (157/M) (nicht anwesend)

Lukas Hammer (168/M); Maximilian Lercher, Nikolaus Prinz, Dipl.-Ing. Karin Dop­pelbauer

Michael Bernhard (166/M)

Tanja Graf (160/M); Ing. Martin Litschauer

Alois Schroll (164/M); Joachim Schnabel, Mag. Yannick Shetty

Walter Rauch (158/M)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 4

Hermann Weratschnig, MBA MSc (169/M); Alois Stöger, diplômé

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (167/M); Cornelia Ecker, Martina Kaufmann, MMSc BA, MMMag. Dr. Axel Kassegger

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (161/M)

Robert Laimer (165/M); Christian Hafenecker, MA

Johannes Schmuckenschlager (162/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      16

Ausschüsse

Zuweisung .................................................................................................................      37

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (1179 d.B.) „Impfpflicht: Striktes NEIN“ (1436 d.B.) .................................................      39

RednerInnen:

Ralph Schallmeiner ................................................................................................      39

Philip Kucher ...........................................................................................................      40

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................      42

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................      44

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      46

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................      46

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................      48

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................      50

Peter Wurm ..............................................................................................................      51

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................      53

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................      55

Gabriela Schwarz ....................................................................................................      57

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Ende der Maskenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag“ – Ablehnung .........................................................................  54, 59

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1436 d.B. ................................................      58

2. Punkt: Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Euro­päischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – Na­tional best practices on communication (85342/EU XXVII.GP) (1426 d.B.) ............      59

RednerInnen:

Dr. Reinhold Lopatka ..............................................................................................      59

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................      62

Petra Steger .............................................................................................................      64

Michel Reimon, MBA ..............................................................................................      68

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................      70

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................      72

Carina Reiter ............................................................................................................      75


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 5

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................      76

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................      77

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ...........................................................................................      79

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................      80

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      81

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ..........................................................................      83

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................      84

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas“ – Annah­me (250/E) .....................................................................................................  61, 86

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“ – Ablehnung ...............  66, 86

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1426 d.B. ................................................      86

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeord­neten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.) ................................................................................................................      86

4. Punkt: Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.) .........................................................................................................      87

RednerInnen:

Lukas Hammer ........................................................................................................      87

Alois Schroll ............................................................................................................      91

MMMag. Dr. Axel Kassegger .................................................................................      92

Tanja Graf ................................................................................................................      93

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................      94

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA .........................................................      95

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................      98

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................    100

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................    101

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................    103

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) ............................................    104

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................    104

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................    105

Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“ – Ablehnung .........  99, 108

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1461 und 1462 d.B. .................................    106

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1451 d.B.)          108


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 6

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 2462/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend 3-L-Regel in der Landwirtschaft: Landwirte leben lassen (1452 d.B.)       108

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 159/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Markt­ordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, ge­ändert wird (1453 d.B.) .............................................................................................    108

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 1169/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breit­bandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (1454 d.B.) .......    108

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 1782/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Agrarfördermitteleinsatz zur Erreichung des Endes der Vollspaltenböden-Haltung von Schweinen in Österreich (1455 d.B.) ...................................................    108

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Ausbau der Fördermaßnahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienst­leistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mit­tel (1456 d.B.) ...........................................................................................................    108

RednerInnen:

Cornelia Ecker .........................................................................................................    109

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................    110

Peter Schmiedlechner ............................................................................................    112

Clemens Stammler .................................................................................................    113

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................    114

Bundesminister Mag. Norbert Totschnig, MSc ...................................................    115

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .............................................................................    117

Klaus Köchl .............................................................................................................    119

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................    120

Alois Kainz ...............................................................................................................    121

Franz Leonhard Eßl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................    122

Irene Neumann-Hartberger .....................................................................  122, 144

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................    144

Gabriele Heinisch-Hosek (tatsächliche Berichtigung) ...........................................    146

Petra Vorderwinkler ................................................................................................    146

Carina Reiter ............................................................................................................    147

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................    148

Annahme des Gesetzentwurfes in 1451 d.B. ...........................................................    150

Kenntnisnahme der fünf Ausschussberichte 1452, 1453, 1454, 1455 und 1456 d.B.       150

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2503/A der Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerken­nungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden (1457 d.B.) ....................................................................................    151

RednerInnen:

Mag. Ernst Gödl ......................................................................................................    151


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 7

Dr. Harald Troch ......................................................................................................    153

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................    154

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    155

Mag. Romana Deckenbacher .................................................................................    156

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................    157

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    158

Mag. Georg Bürstmayr ...........................................................................................    160

Mag. Ernst Gödl (tatsächliche Berichtigung) ..........................................................    160

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................    160

Ing. Johann Weber ..................................................................................................    162

Annahme des Gesetzentwurfes in 1457 d.B. ...........................................................    168

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2504/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnis­freiheit (1458 d.B.) ....................................................................................................    163

RednerInnen:

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................    163

Petra Wimmer ..........................................................................................................    164

Christian Lausch .....................................................................................................    165

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................    166

Hans Stefan Hintner ...............................................................................................    167

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    167

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1458 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnis­freiheit“ (251/E) .........................................................................................................    168

13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1427 d.B.): Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (1463 d.B.) .....................    168

RednerInnen:

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    169

Mag. Harald Stefan .................................................................................................    170

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................    170

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................    171

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Nein zur Massenüberwachung“ – Ablehnung ..  173, 194

Genehmigung des Staatsvertrages in 1463 d.B. .....................................................    193

Beschlussfassung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG .......................................    193

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1446 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versi­cherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022) (1464 d.B.) ...............    174

RednerInnen:

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    174

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    175

Mag. Johanna Jachs ...............................................................................................    175

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    176

Mag. Nina Tomaselli ...............................................................................................    177

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................    178


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 8

Annahme des Gesetzentwurfes in 1464 d.B. ...........................................................    194

15. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1440 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022) (1465 d.B.) ..........................    179

RednerInnen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    179

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................    180

Mag. Harald Stefan .................................................................................................    182

Mag. Klaus Fürlinger ..............................................................................................    183

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    184

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................    185

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................    186

Annahme des Gesetzentwurfes in 1465 d.B. ...........................................................    194

16. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 2501/A der Abgeord­neten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitge­setz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (1466 d.B.) ......................................    187

RednerInnen:

Mag. Harald Stefan .................................................................................................    187

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    187

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................    188

Mag. Michaela Steinacker ......................................................................................    189

Annahme des Gesetzentwurfes in 1466 d.B. ...........................................................    195

17. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1190/A(E) der Abge­ordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen­paket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige (1467 d.B.) ..................    189

RednerInnen:

Mag. Harald Stefan .................................................................................................    190

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    190

Mag. Ruth Becher ...................................................................................................    191

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................    192

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1467 d.B. ................................................    195

18. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien, GZ. MBA/220000001539/2022, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (1486 d.B.) ..............    195

Annahme des Ausschussantrages in 1486 d.B. ......................................................    195

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stipendien für Künst­ler*innen mit Betreuungspflichten (2555/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 9

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend es braucht entschiedenes Auf­treten gegen Christenverfolgung (2556/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend fehlende Transparenz bei der Finanzierung internationaler Organisationen (2557/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend weitere Verteuerung der Energie­preise verhindern – CO2-Steuer abschaffen (2558/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Mehrbelastungen für Zwangsmitglieder der Wirtschaftskammern Österreich durch infolge der Teuerung stei­gende Kammerbeiträge (2559/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dividenden der Energieversorgungsunternehmen mit Beteiligungen der öffentlichen Hand zurück an die Energiekonsumenten (2560/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Exportgarantien für fossile Energie! (2561/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit Exportgarantien für fossile Energie! (2562/A)(E)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Fracking im Bodenseeraum (2563/A)(E)

Elisabeth Feichtinger, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden der Feuerwehr mit Photovoltaik-Anlagen (2564/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimakrise und deren Auswirkungen auf Länder des globalen Südens (2565/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauenrechte im Kontext von Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe (2566/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiedereinführung der ei­genständigen Truppenküche in der burgenländischen Montecuccoli-Kaserne (2567/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der burgenländi­schen Montecuccoli-Kaserne zur Sicherheitsinsel (2568/A)(E)

Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Elisabeth Herr, Mi­chael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend vehementer Einsatz gegen den Bau des AKW Paks II auf einer Erdbebenbruchlinie (2569/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berechnungsgrundlage des Unterhaltsvorschusses (2570/A)(E)

Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert wird (2571/A)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend passende Schutzklei­dung auch für Frauen (2572/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend passende Schutzklei­dung auch für Frauen (2573/A)(E)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlord­nung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 10

das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenz­gesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022) (2574/A)

Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbe­hörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird (2575/A)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umfassende Landesvertei­digung als Bestandteil der Allgemeinbildung (2576/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung gemeinnütziger, platz­besitzender Sportvereine (2577/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine 2G/3G-Regelung im Sportbe­reich (2578/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der CO2-Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022), mit dem das Nationa­les Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird (2579/A)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der CO2-Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022), mit dem das Nationales Emissions­zertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird (2580/A)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer fairen Schwer­arbeiterregelung für die Justizwache (2581/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie (2582/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Schutz des Menschen vor Wolfsangriffen muss Vorrang haben (2583/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Korruptionsprävention – die Bundesregierung muss endlich handeln! (2584/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiierung eines österreichisch-ita­lienischen Abkommens zur Ermöglichung des grenzüberschreitenden Waffentragens für Traditions- und Schützenverbände (2585/A)(E)

Dipl.-Ing. Georg Strasser, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tier­schutzgesetz-TSchG) und das Bundesgesetz über den Transport von Tieren und damit zusammenhängenden Vorgängen (Tiertransportgesetz 2007 – TTG 2007) geändert wer­den (2586/A)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Erarbeitung einer Mach­barkeitsstudie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Was­serentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050 (2587/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringliche Erarbeitung einer Mach­barkeitsstudie zur Wasserversorgung der Landwirtschaft und rasche Forschung zu Was­serentnahmen wegen der drohenden Grundwasserkrise bis zum Jahr 2050 (2588/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 11

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (2589/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert wird (2590/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (2591/A)

Tanja Graf, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz und das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungs­gesetz geändert wird (2592/A)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (2593/A)

Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchfüh­rung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Re­gelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ (2594/A)(E)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines mobilen Visitendienstes (2595/A)(E)

Norbert Sieber, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verfahrenser­leichterung bei erhöhter Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung (2596/A)(E)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (2597/A)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie (2598/A)(E)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der heimischen Braukultur vor Patenten der Großindustrie (2599/A)(E)

Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (2600/A)

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein­haltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und in­dividuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit (2601/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU Förderprogramme (10977/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtun­gen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10978/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10979/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 12

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10980/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukrai­ne? (10981/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10982/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit be­treffend Inwiefern erfüllt der Staat seine Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine? (10983/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Übungsplan der Milizbataillone (10984/J)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bundesländerkontingente für Medi­zinstudenten (10985/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Sozialversicherung: Offenle­gung der Gebarungsvorschaurechnungen (05/2022) (10986/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhr­park des BMLV (10987/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Versicherungsschäden bei Fahr­zeugen aus dem Fuhrpark des BMKÖS (10988/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Versi­cherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMK (10989/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMJ (10990/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMI (10991/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMF (10992/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMEIA (10993/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 13

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeu­gen aus dem Fuhrpark des BMBWF (10994/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMA (10995/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Versicherungsschäden bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BKA (10996/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Sabotage des Kanzlerbesuchs bei Viktor Orbán vom 26. Juli 2016“ (10997/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzkontrollen zu Slowenien und Ungarn widersprechen dem Willen des Volkes (10998/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betref­fend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (10999/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Ange­bote, Anträge und Förderungen (11000/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Versicherungsschä­den bei Fahrzeugen aus dem Fuhrpark des BMSGPK (11001/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend aus­schließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11002/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11003/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11004/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11005/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11006/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11007/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11008/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 14

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Fa­milie, Integration und Medien betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11009/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderun­gen (11010/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Angebote, Anträge und Förderungen (11011/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend ausschließlich digital bzw. online verfüg­bare Angebote, Anträge und Förderungen (11012/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Versicherungsschäden bei Fahrzeu­gen aus dem Fuhrpark des BMDW (11013/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Ange­bote, Anträge und Förderungen (11014/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend ausschließlich digital bzw. online verfügbare Ange­bote, Anträge und Förderungen (11015/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Anbaumonopol der AGES (11016/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Errichtung eines Instituts der Hoch­schule St. Gallen in Vorarlberg (11017/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11018/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11019/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekt­einreichungen (11020/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Lan­desverteidigung betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11021/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11022/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11023/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 15

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11024/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekt­einreichungen (11025/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11026/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11027/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Transparenz in der Bewertung von Projektein­reichungen (11028/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Transparenz in der Bewertung von Pro­jekteinreichungen (11029/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Transparenz in der Bewertung von Pro­jekteinreichungen (11030/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Transparenz in der Bewertung von Projektein­reichungen (11031/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit be­treffend Transparenz in der Bewertung von Projekteinreichungen (11032/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Umstände der Rückführung der 4-jährigen Diana (11033/J)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend nachhaltige IT-Geräte und Lücken bei Aus­fuhrverbot von Elektroschrott in Nicht-OECD-Länder (11034/J)

Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend 612,5 Milliarden Euro Länderinvestitionspaket für die Bundesländer (11035/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Messerschmitthalle Schwaz (11036/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Messerschmitthalle Schwaz (11037/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Versicherungsschäden bei Fahr­zeugen aus dem Fuhrpark des BMLRT (11038/J)

*****

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend „Parteisteuer“ von Abgeordnetenbezügen (48/JPR)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen (9958/AB zu 10208/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 16

09.06.38Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.06.39*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich darf Sie zur 158. Sitzung recht herzlich begrüßen und diese somit eröffnen.

Ich begrüße auch die Damen und Herren der Presse auf der Galerie und die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Johann Höfinger, Melanie Erasim, MSc, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Herbert Kickl und Dipl.-Ing. Olga Voglauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung ge­macht:

Außenminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. wird durch Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler vertreten.

*****

Der ORF überträgt diese Sitzung wie üblich auf ORF 2 bis 13 Uhr, auf ORF III bis 19.30 Uhr und anschließend kommentiert in der TVthek. Auch die privaten Sender über­tragen ausschnittweise unsere Sitzung.

09.07.44Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Fragestunde.

Ich darf Frau Bundesministerin Gewessler herzlich begrüßen. – Die Fragestellungen er­folgen wie üblich von den beiden Rednerpulten aus. Die Frage darf immer 1 Minute dau­ern, die erste Antwort, Frau Ministerin, 2 Minuten und die Beantwortung der Zusatzfra­gen dann jeweils 1 Minute. Ich mache Sie kurz vor Ablauf der Zeit aufmerksam.

Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen sogleich zur 1. Anfrage, jener des Herrn Abgeordneten Ottenschläger. – Bitte.


09.08.11

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Schönen guten Morgen, Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um meine Frage zum Thema Verkehrssicherheit an Sie zu richten.

Wir haben zuletzt gemeinsam die Novelle der Straßenverkehrsordnung auf den Weg gebracht, sie ist in Begutachtung, und in dieser widmen wir uns auch dem Thema Ver­kehrssicherheit, vor allem mit dem Schwerpunkt für Radfahrer, aber auch für Fußgehe­rinnen und Fußgeher. Ich denke, das ist ein erster wichtiger Schritt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 17

Es ist leider nach wie vor so, dass wir wieder eine massiv ansteigende Zahl an Verkehrs­toten im Straßenverkehr zu verzeichnen haben, deshalb müssen wir, so denke ich, da gemeinsam weitere Schritte gehen. Meine Frage zielt auch darauf ab, wie wir mit Ex­tremrasern und auch mit Drogenlenkern im Straßenverkehr weiter umgehen.

Frau Bundesministerin, ich darf Sie fragen:

159/M

„Was unternehmen Sie gegen extreme Raser und Drogenlenker:innen im Straßen­verkehr?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abge­ordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich werde die Begrüßung im Rahmen dieser Fragestunde jetzt nur einmal machen, aber ich freue mich, heute hier sein zu können.

Danke für die Frage zur Verkehrssicherheit. Das ist wirklich ein Thema, das uns in der Koalition gemeinsam sehr am Herzen liegt und bei dem wir gut weitergekommen sind.

Zu den zwei Themenbereichen: Wir haben ja zum Einschreiten gegen extreme Raserei bereits ein sehr umfassendes Paket verabschiedet und beschlossen.

Wir arbeiten derzeit am dritten Paket, das insbesondere darauf ausgerichtet ist, auch die Stilllegung von Fahrzeugen in den Blick zu nehmen, denn wir müssen einfach sehen, dass Wettrennen, wie sie jetzt gerade wieder in Wien stattgefunden haben – 170 km/h! ‑, einfach ein Ende haben müssen. Da brauchen wir effektive Möglichkeiten, einzuschrei­ten, und deswegen ist eine Reihe von Maßnahmen geplant. Konkret arbeiten wir an ei­nem Stufenmodell, das auch gegen Unbelehrbare eine Handhabe in Form einer Stillle­gung und Beschlagnahme von Fahrzeugen vorsehen wird.

Zum Einschreiten gegen Drogenlenker: Die Statistik zeigt, dass sich die Anzahl der An­zeigen gegen Lenkerinnen und Lenker im suchtgiftbeeinträchtigten Zustand erhöht – nämlich in den letzten fünf Jahren mehr als verfünffacht – hat, das heißt, es besteht Handlungsbedarf. Wir müssen auch davon ausgehen, dass es noch eine recht hohe Dunkelziffer gibt. Deswegen wollen wir hier gemeinsam ein effektives Einschreiten ge­gen Lenkerinnen und Lenker ermöglichen, die wegen verbotenen Suchtgiftkonsums, Al­koholkonsums oder Konsums von nicht fachärztlich verschriebenen psychotropen Stof­fen in einem für den Straßenverkehr fahruntauglichen Zustand sind.

Da geht es insbesondere um die Verankerung von standardisierten Fahrtauglichkeitsun­tersuchungen, die Erweiterung des Einsatzes von hinweisgebenden Vortests, die für das Erkennen von beeinträchtigten Lenkerinnen und Lenkern unter den entsprechenden fachlichen Voraussetzungen vorgesehen sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Ganz kurz: Frau Bundesministerin, Sie haben es ja auch erwähnt: Es ist tatsächlich so, dass sich sogar im Wiener Stadtgebiet, zum Beispiel auch im 19. Bezirk am Kahlenberg, nach wie vor illegale – man muss es so nennen – Straßenrennen abspielen, zuletzt auch mit einem schweren Unfall. Zum anderen, auch das haben Sie schon erwähnt, zeigt die Statistik, dass wir immer mehr mit der Problematik der Drogenlenkerinnen oder Drogenlenker im Straßenverkehr zu tun haben.

Deswegen meine konkrete Zusatzfrage: Wie schaut der Zeitplan aus? Wann können wir mit einer diesbezüglichen Novelle rechnen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 18

Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Aktuell ist ja die Novelle der Straßenverkehrs­ordnung in Begutachtung, die Sie auch in Ihrer ersten Frage angesprochen haben. Wir haben uns vorgenommen, wir arbeiten unmittelbar am nächsten Paket weiter, deswegen hoffe ich, dass wir hier einerseits gute Lösungen für die Materie finden und dass wir das andererseits auch rasch tun. Wir haben alle von Ihnen angesprochenen Punkte auch in der Bearbeitung der Novelle vorgesehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Herr. – Bitte sehr.


09.12.36

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minis­terin! Wir hören ja von dieser Bundesregierung oft viele, viele Ankündigungen beim Thema Klimaschutz, die konkreten Gesetze bleiben aber dann leider lange aus, auch die konkreten Maßnahmen, beispielsweise beim Klimaschutzgesetz – seit über 500 Ta­gen ausgelaufen, ohne Ersatz.

Deshalb auch meine Frage zu den konkreten Zahlen:

163/M

„Wie viele Tonnen CO2-Äquivalent sollen im heurigen und kommenden Jahr eingespart werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben aktuell einen Zielpfad nach der Effortsharingregulierung auf EU-Ebene, nach der derzeit gültigen Form, der folgende Zielwerte in Tonnen CO2-Äquivalent vorsieht – für alle Treibhausgase –: für 2021 48,77 Mil­lionen Tonnen, für 2022 47,40 Millionen Tonnen, für 2023 46,04 Millionen Tonnen. Das ist aus dem Durchführungsbeschluss der Kommission zur Festlegung der jährlichen Emis­sionszuweisungen an die Mitgliedstaaten.

Nach Vorschlag der Kommission – und notwendigerweise so – soll der Zielpfad ab 2023 angepasst werden. Die Werte 2021, 2022 bleiben also unberührt, auch von einer Anhe­bung des Ziels. Die genaue Zielpfadfestlegung ab 2023 ist noch in Diskussion, wir haben uns aber natürlich auch im Klimaschutzgesetzvorschlag des BMK damit beschäftigt. Da hätten wir für das Jahr 2023 das Ziel von 44,5 Millionen Tonnen vorgesehen, und bei einer Anhebung des Zielpfades der Europäischen Kommission gehen wir von ungefähr den ähnlichen Zielsetzungen aus.

Die Treibhausgasemissionen zum Vergleich – Sie wissen es, dennoch zur Erinnerung ‑: 2019 haben wir 50,1 Millionen Tonnen gehabt, 2020 46,5 Millionen Tonnen, und die Nahzeitprognose, also der Nowcast, des Umweltbundesamtes schätzt die Treibhaus­gasemissionen aus dem Non-ETS-Bereich für das Jahr 2021 auf 48,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Das heißt, wir sind da – und es ist uns allen bewusst, es war nach wie vor pandemiebedingt ein Ausnahmejahr – bei einer Unterschreitung der Emissions­höchstmenge um rund 0,6 Millionen Tonnen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Das waren ja jetzt teilweise die Zahlen aus der europäischen Zielsetzung, beziehungsweise für Österreich war es jetzt leider auch wieder nur eine Ankündigung, weil diese Ziele ja noch nicht gesetzlich niedergeschrie­ben sind. Darum würden wir grundsätzlich bitten.


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Deshalb stelle ich auch die Zusatzfrage: Wie viele Tonnen CO2-Äquivalent wurden denn seit Beginn Ihrer Regierungstätigkeit durch Maßnahmen des Bundes eingespart? Kön­nen Sie die beziffern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben jetzt den Nowcast 2021 bearbeitet und da einmal eine vorläufige Abschätzung vorgenommen, also die finale Abschätzung kommt erst. Man muss aber auch so ehrlich sein – das haben wir auch immer gesagt –: Maßnahmen, die wir jetzt setzen, wie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Anhebung der Fördersätze für die E-Mobilität, die zu einer Vervielfachung der Zulassungszahlen geführt hat, die Anhebung bei den Sanierungsoffensiven, Heizkesseltausch mit Rekord­anfragen, beginnen sukzessive zu greifen, werden aber im Jahr 2021 sicher nicht zur vollen Wirkung kommen. Das heißt, wir werden sehen, das kumuliert, und es werden allein für den Bereich Sanierungsoffensive und Heizkesseltausch im Budgetrahmen bis 2025 2,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent sein, die wir reduzieren werden. Eine genaue Zuordnung ist zum jetzigen Zeitpunkt seriöserweise nicht abzugeben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Hafen­ecker. Ist er da? – Wenn er nicht da ist, darf ich Herrn Abgeordneten Hammer um die nächste Frage bitten.


09.16.58

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Österreichs Gasversorgung ist zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig. Das ist, wie wir wissen, ein Ergebnis von jahrzehntelanger falscher Politik, einer Politik, die Energiewende und Klimaschutz blockiert und uns immer weiter in diese Abhängigkeit getrieben hat. Jahre­lang wurden uns auch das Märchen von immer verfügbarem, billigem und sicherem rus­sischem Gas (Ruf: Es war immer verfügbar!) und das Märchen von der sauberen Brü­ckentechnologie Gas erzählt. Diese saubere Brücke hat sich aber eigentlich als teure Sackgasse entpuppt, und die meisten Menschen realisieren jetzt, dass wir raus aus der Abhängigkeit von russischen Gasimporten, aber auch generell raus aus der Abhängig­keit müssen, damit unsere Energieversorgung nicht von den Launen von Diktatoren von Russland bis nach Saudi-Arabien abhängig ist.

Deswegen an Sie die Frage:

168/M

„Wie sieht der Plan aus, um aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern im Allge­meinen und aus russischem Gas im Speziellen herauszukommen und energieunabhän­giger zu werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, das ist für viele hier in die­sem Raum und definitiv für mich die drängende Frage, die uns derzeit beschäftigt. Sie haben die Zahlen erwähnt: Wir sind mit einer sehr, sehr hohen Abhängigkeit in diese Situation geraten. Russland führt einen Angriffskrieg, wir sind mit dieser hohen Abhän­gigkeit schlicht und einfach erpressbar, und wir sehen auch, dass Wladimir Putin diese Abhängigkeit auch in den unterschiedlichsten Zusammenhängen als Mittel in dieser Aus­einandersetzung einsetzt.

Wie kommen wir da raus? – Erster Schritt – und ich sage gleich vorab: danke, wir werden heute noch zwei Maßnahmen hier im Plenum diskutieren können, die uns dabei helfen ‑: das Füllen der Erdgasspeicher. Wir sorgen mit diesen hohen Füllständen vor, sodass


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wir weniger erpressbar sind, sodass wir besser durch den Winter kommen beziehungs­weise uns auf diesen Winter schlicht und ergreifend besser vorbereiten. Da sind volle Speicher einfach die zentrale Versicherung. Sie sind aber keine Lösung für das Grund­problem.

Das Grundproblem ist und bleibt die Abhängigkeit. Deswegen haben wir eine Analyse von der Österreichischen Energieagentur beauftragt: Wie schaffen wir es, im Zielrah­men, den die Europäische Kommission vorgibt, nämlich 2027, aus dieser Abhängigkeit von russischem Erdgas rauszukommen? – Die Ergebnisse liegen vor. Es ist allen klar, wenn man diese Ergebnisse anschaut: Das ist kein Spaziergang, das ist ein nationaler Kraftakt. Dieser basiert auf drei Säulen: Wir müssen den Gasverbrauch reduzieren. Das heißt einsparen, das heißt substituieren, das heißt zum Beispiel, in der Stromversorgung durch einen höheren Erneuerbarenanteil den Gasverbrauch reduzieren, denn je weniger Gas wir verbrauchen, desto weniger müssen wir importieren.

Das Zweite: eigene Gasproduktion. Da geht es um fossile Erdgasproduktion – deren Anteil ist in den letzten Jahren gesunken, ist aber jetzt bei rund 10 Prozent stabil; das müssen wir halten – plus um die biogenen Potenziale, die wir haben, also Biomethan, Biogas einfach auch selbst zu produzieren und ins Gasnetz einzuspeisen, also zum Beispiel direkt ins Gasnetz einzuspeisen und nicht zuerst zu verstromen. Wir können auch grünen Wasserstoff erzeugen, auch dieses Potenzial müssen wir heben.

Drittens: Diversifizierung, neue Lieferländer für Erdgas, weil uns allen in diesem Rahmen auch klar sein muss, dass wir auch mit diesem ambitionierten Ausstiegsplan aus russi­schem Erdgas auch 2030 noch fossiles Erdgas brauchen - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Deswegen werden wir auch neue Lieferländer suchen müssen. Allen muss klar sein, das ist kein Spaziergang, das ist ein Kraftakt, der wird dauern und wird uns alle fordern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sie haben die Gasspeicher erwähnt: Wir haben schon die strategische Gasreserve beschlossen. Heute werden wir weitere Maßnahmen beschließen. Die Regierung hat sich ja dazu bekannt, dass die Gasspeicher bis zum Anfang der Heizsaison zu 80 Prozent gefüllt sein sollen. Welche zusätzlichen Maßnah­men werden Sie zur Füllung der Erdgasspeicher vorschlagen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die strategische Reserve ist beschlossen, die Ausschreibung ist draußen. Wir werden jetzt zusätzlich diese strategische Reserve noch einmal aufstocken, und zwar bewusst auch mit dem Ziel, nicht russisches Gas für die Aufstockung zu besorgen, um Lieferbeziehungen zu stärken, um für die Versorger in Österreich einen Anreiz zu schaffen, auch tatsächlich vertraglich zu diversifizieren.

Wir haben gestern im Ministerrat noch zwei weitere Maßnahmen beschlossen, nämlich die Anbindung aller österreichischen Speicher an das österreichische Marktgebiet Ost – das betrifft insbesondere den Speicher Haidach, den wir in den unterschiedlichen Zu­sammenhängen schon diskutiert haben – und eine Regelung Use it or lose it, die wir für Gasfernleitungen schon lange haben und die darauf abzielt, bei einer kritischen Infra­struktur, die physische Grenzen hat, einfach Fairness walten zu lassen. Wenn die Kapa­zitäten, die man reserviert hat, nicht genutzt werden, dann müssen sie für andere zur


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Verfügung stehen. Ich denke, das ist völlig gerechtfertigt, dass wir da auch eingreifen. Es muss in allen Speichern in Österreich gespeichert werden, und wenn das – in dem Fall von Gazprom – schlicht nicht gemacht wird, dann müssen wir auch eingreifen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Lercher. – Bitte sehr.


Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bei allem Respekt, aber außer Absichtserklärungen hat Österreich noch keine konkrete Maßnahme gegen die Abhängigkeit von russischem Gas gesetzt. Wir hören von Analy­sen, wir hören von Plänen, aber ich glaube, es braucht in dieser Zeit auch Taten. Die Deutschen haben das vorgezeigt, sie haben seit Ausbruch des Krieges die russische Gasabhängigkeit von 55 Prozent auf heute 35 Prozent verringert.

Deswegen meine ganz konkrete Frage: Um wie viel Prozent konnte in Österreich die Abhängigkeit von russischem Gas bis heute verringert werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Es gibt in Deutschland und Österreich kom­plett unterschiedliche Voraussetzungen, das ist Ihnen wie mir bewusst. Eine der drängendsten dabei ist die unterschiedliche Vielfalt an Importeuren und die unterschied­liche Vertragsausgestaltung zwischen kurz- und langfristigen Verträgen – Punkt eins.

Punkt zwei ist: Wir werden das beim Gas genauso machen, wie wir es beim Erdöl ge­macht haben. Wir haben beim Erdöl mit Beginn des Krieges angefangen, daran zu arbei­ten, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Wir haben im März und im April kein russisches Erdöl mehr importiert. Deswegen können wir auch sagen, wir sind auch auf der europäi­schen Ebene bereit für ein Erdölembargo.

Beim Thema Gas ist es für Österreich komplexer, auch aufgrund unterschiedlicher Aus­gangsvoraussetzungen im Vergleich zu Deutschland. Wir haben gestern den Beschluss gefasst, die strategische Reserve aufzustocken. Der Hauptausschuss wird in Kürze auch eine Verordnung von mir zur Diskussion vorliegen haben, und mit diesem Beschluss werden wir die Importabhängigkeit von Russland um 10 Prozent reduzieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte, die Zeit bei der Beantwortung immer ein­zuhalten, sonst kommen wir nicht zurecht. Ich weiß, wenn das Herz und das Wissen voll ist, geht viel mehr. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Prinz. – Bitte.


Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Bundesminister, Österreich wird natürlich einen großen Maßnahmenmix brauchen, um weniger Abhängigkeit von Erdgas zu ha­ben, egal aus welchem Land es kommt. Derzeit haben wir natürlich schon das Problem, das viele Verfahren immer wieder in die Länge gezogen werden. Es gibt große Poten­ziale, vor allem auch im Bereich Biogas.

Meine konkrete Frage: Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Verfahren gera­de im Bereich Biogas zu beschleunigen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Mir ist nicht bekannt, dass es im Bereich Bio­gas Probleme gibt, insbesondere nicht in meinem Einflussbereich. Ich bin ja für das Um­weltverträglichkeitsprüfungsgesetz zuständig, da erarbeiten wir gerade Beschleuni­gungsmaßnahmen und haben auch bereits viele Lösungsvorschläge erarbeitet.


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Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz ist aber gleichzeitig nicht relevant für die Bio­gasanlagen. In dem Fall sind die dafür zuständigen Behörden jene in den Ländern, und vor allem sind die relevanten Materiengesetze Landesgesetze. Wir haben uns aber da auch das Ziel gesetzt, dort, wo das aus Sicht der Bundesländer auch Sinn macht, best­möglich zu unterstützen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Dop­pelbauer. – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesmi­nister! Meine Zusatzfrage geht in die Richtung weitere Diversifizierung von russischem Gas. Meine Frage wäre: Wie viele Pipelinekapazitäten für norwegisches Gas gibt es konkret für die nächsten paar Monate in Österreich, und wird auch der LNG-Terminal in Rotterdam, der der OMV ja gehört, eingesetzt werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage bezieht sich auf Dinge, die im Wir­kungsbereich der OMV liegen, das heißt, nicht die Bundesregierung reserviert Pipeline­kapazitäten, nicht die Bundesregierung kann das dann konkret umsetzen, sondern das jeweilige Versorgungsunternehmen.

Die OMV ist bereits dabei, alles in ihrer Macht Stehende zu tun – das wird mir auch so berichtet; Sie wissen, die OMV liegt in der Öbag, in der Verwaltung des Finanzministe­riums –, um sowohl die Kapazitäten verfügbar zu machen – da gab es schon Vertrags­umstellungen, die sind auch schon öffentlich kommuniziert – als auch die relevanten Ka­pazitäten in den Pipelines zu sichern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Bern­hard. – Bitte sehr.


09.26.37

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Ministerin, wie Sie wissen, ist der Flä­chenverbrauch in Österreich im Vergleich mit den europäischen Mitgliedstaaten über­durchschnittlich hoch, insbesondere was die Verkehrsflächen, die durchschnittlich ge­bauten Autobahnkilometer je Einwohner, Einwohnerin, den Anteil der Quadratmeter an Einkaufszentren und die Zersiedelung der Gemeinden betrifft. Die Ursache dafür liegt vielfach nicht unmittelbar in der Bundespolitik, sondern in einer Zersplitterung der Kom­petenzen, nämlich dass auf kommunaler Ebene Flächen gewidmet und auf Landesebe­ne entsprechend freigegeben werden. Dadurch entstehen viele, viele Probleme, einer­seits für die Biodiversität, andererseits für die Lebensqualität der Menschen in den Ge­meinden, drittens wird die Natur für die nächste Generation zerstört und viertens werden die kommunalen Finanzen belastet.

Der Bund hat viele Möglichkeiten, einzuschreiten. Meine konkrete Frage an Sie, Frau Ministerin, ist:

166/M

„Welche konkreten Verordnungen bzw. Gesetzesmaterien haben Sie in den letzten 2 Jahren vorgelegt, um den europaweit einzigartig hohen Bodenverbrauch in Österreich merklich zu reduzieren?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sowohl Raumordnung als auch Baurecht und Bodenschutz sind in der Gesetzgebung und im Vollzug Landessache – ich weiß, wir


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haben diese Frage ja schon öfters diskutiert –, als Klimaschutzministerin kann ich somit nach der aktuellen Bundesverfassung und der festgelegten Kompetenzverteilung keine legistischen Maßnahmen zur Beschränkung der Umwidmungen oder der Versiegelung setzen. Was ich aber schon tun kann und auch tue, ist, in dem Rahmen, in dem das BMK Möglichkeiten hat, Maßnahmen gegen die Flächenversiegelung zu setzen. Ich bin da bereits aktiv geworden, Stichwort Brachflächenrecycling.

Wir haben in Österreich ein großes Potenzial für das Flächenrecycling. Deswegen wurde vom BMK der Brachflächendialog ins Leben gerufen. Das ist eine Plattform und eine mehrjährige Initiative, deren Ziel es ist, möglichst viele Brachflächen wieder in die Nut­zung zu bringen. Damit wird ein Beitrag zur Reduktion des Flächenverbrauchs und zur Erhaltung, wie Sie auch sagen, biologisch aktiver Böden geleistet.

Zusätzlich gibt es dazu eine neue Förderschiene Flächenrecycling, die mit 8 Millionen Euro dotiert ist. Das ist ein Kernelement dieses Brachflächendialogs. Zielgruppen sind insbesondere Gemeinden, Privatpersonen und Unternehmen, die in Ortskernen Brach­flächen recyceln wollen und dafür Nutzungskonzepte, Entwicklungskonzepte, Unter­grunduntersuchungen gefördert bekommen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Eine Nachfrage, Frau Ministerin: Es ist zwei­fellos so, dass in Österreich der Erfolg des Regierens damit verbunden ist, die föderalen Strukturen zu verstehen und auch indirekt Einfluss zu nehmen, um die politischen Ziele zu erreichen. Dafür gibt es von 15a-Vereinbarungen, Finanzausgleich bis hin zu Anreiz­systemen viele Möglichkeiten, die die Bundespolitik indirekt hat, um trotzdem ihre Ziele zu erreichen, wenn sie nicht unmittelbar zuständig ist. In den letzten zwei Jahren hat sich jetzt nicht so viel geändert, wie sich hätte ändern müssen.

Meine konkrete Nachfrage ist: Was haben Sie in den nächsten zwei Jahren vor, um die Ziele besser erreichen zu können?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie wissen, die Koordinierungskompetenz für das Thema Bodenschutz und Raumordnung liegt laut Bundesministeriengesetz noch im BMLRT, die Novelle ist ja in Arbeit. Dort gibt es auch Arbeiten – an denen wir selbst­verständlich mitwirken und in die wir eingebunden sind – zur Frage einer Bodenschutz­strategie. Diese ergibt sich aus dem Beschluss der Österreichischen Raumordnungs­konferenz, die ein Gremium ist, das auf einem informellen, aber formalisierten Weg, also auf einem nicht legistischen Weg, die Anstrengungen der Länder, die Kompetenzen und Koordinierungskompetenzen des Bundes an einen Tisch bringt, um eben gemeinsam in dieser Frage weiterzukommen. Die Arbeiten an der Bodenschutzstrategie verantwortet – hauptverantwortlich – das BMLRT.

Das Thema Brachflächenrecycling wird ein Kernelement unserer Arbeit sein, genauso wie die Frage dann auch in den eigenen Gesellschaften – also in den meinem Ministe­rium unterstellten Gesellschaften ÖBB und Asfinag – ein zentrales Thema ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Graf. – Bitte.


09.31.09

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Ministerin, Versorgungssicherheit ist unser oberstes Ziel, und der Schlüssel zur Unabhängigkeit sind unsere erneuerbaren Quellen. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – Sie haben es vorhin schon erwähnt – haben wir den ersten Schritt gesetzt und wollen bis 2030 zusätzlich 27 Terawattstunden erzeu­gen. Die Erweiterung der Netze ist aber die Grundvoraussetzung dafür, dass wir den


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erzeugten Strom auch ins Netz bekommen. Wir hören, der Fotovoltaikausbau geht zügig voran, schreitet auch voran, aber wir müssen die erzeugte Fotovoltaikenergie auch in die Netze bringen. Es bestehen große Herausforderungen beim Netzausbau, und den Netzausbau brauchen wir dazu eigentlich. Da stellt sich für mich die Frage:

160/M

„Wie können Sie gewährleisten, dass die für den Ausbau der Erneuerbaren Energien nötigen Verteilernetze rechtzeitig genehmigt werden können?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Derzeit hat Österreich ein sehr hohes Niveau an Versorgungssicherheit, auf das wir stolz sein können und das wir erhalten wollen, nämlich eine Ausfallsicherheit von 99,9 Prozent im Elektrizitätssektor. Um dieses Niveau auch zu halten, sind, wie Sie richtigerweise sagen, der Ausbau und die Optimierung der Stromnetze auf allen Ebenen ein wichtiges Instrument. Für eine bessere Netzplanung setzen wir überall dort an, wo wir das auf Bundesebene können.

Das heißt, wir haben im EAG verbindliche Ziele und jährliche Mindestvolumina verein­bart. Das erleichtert die proaktive und vorausschauende Netzplanung. Wir arbeiten am österreichischen Netzinfrastrukturplan, an dem vor allem hinsichtlich der großen Erzeu­gungs- und Verbrauchszentren – denken wir an große industriell geprägte Regionen – gearbeitet wird, um so auch die übergeordnete Netzinfrastruktur daran zu orientieren. Auf Verteilnetzebene sind wir allerdings meistens im Bereich der Länderzuständigkeit. Das betrifft auf der einen Seite die Raumordnung – wo kommen die Erneuerbaren hin? –, das betrifft auf der anderen Seite die Bauordnung – gibt es Vorschriften zu Fotovoltaik­pflichten im Neubau, auf Industriedächern et cetera?

Was das Thema der Verfahren betrifft, haben wir mit den ExpertInnen aus den Ländern, aber auch der Wirtschaftskammer schon Beschleunigungsmöglichkeiten besprochen. Auch da wollen wir jene Maßnahmen, die wir auf Bundesebene umsetzen können, ra­schestmöglich umsetzen. Wir sind da auch im Dialog mit den Bundesländern, da diese im Zuge der Verfahren für die Genehmigung der Verteilnetze Verantwortlichkeiten ha­ben. Wie so oft haben wir diesbezüglich geteilte Zuständigkeiten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Die EU-Kommission hat gestern den Plan Repower EU präsentiert, der unter anderem Vorschläge und Richtlinien zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren gerade zum Ausbau der erneuerbaren Energien vorsieht. Welche Beschleunigungsmaßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren planen Sie für Ös­terreich?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Kommission hat gestern tatsächlich ein wichtiges, zeitgemäßes und beachtliches Paket geschnürt, ein Paket, das zusätzliches Geld bereitstellt, damit wir uns alle schneller aus der russischen Abhängigkeit lösen können. Da sind 195 Milliarden Euro zusätzlich bis 2027 vorgesehen. Die EU hat bei den Zielen zum Ausbau der Erneuerbaren nachgeschärft: 45 statt 40 Prozent Erneuerbare, 13 statt 9 Prozent Energieeffizienz, Solaranlagen in Europa bis 2028 verdoppeln, 10 Mil­lionen Tonnen mehr Wasserstoff und vieles mehr.

Zur Verfahrensbeschleunigung hat die Kommission – und das ist gut, das brauchen wir auch in Österreich – Energieraumplanung als zentralen Hebel erkannt, sprich die Länder


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sollten sogenannte Go-to-Areas für Renewables ausweisen, und an diesen vorgeprüften Standorten soll es dann im Genehmigungsverfahren Erleichterungen geben, weil ja für die Go-to-Areas für Renewables schon eine strategische Umweltprüfung zu erfolgen hat. Danach soll es dann auch im Genehmigungsverfahren schneller gehen, und ich denke, das ist ein richtiger Ansatzpunkt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Lit­schauer. – Bitte.


Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Es ist schon einiges angesprochen worden. Der Netzausbau beschäftigt uns ganz intensiv. Ich komme aus Niederösterreich, wir haben damit zu kämpfen gehabt, dass wir gewisse Widmungszonen verloren haben, aber in den letzten Jahren haben sich vor allem die Beschwerden darüber gehäuft, dass der Netzausbau zu langsam ist und in den nächsten Jahren noch beschleunigt werden muss – auch das wurde schon thematisiert.

Ich glaube, es gibt noch einen ganz wichtigen Punkt. Wir haben ja teilweise starke Netze, auch in Niederösterreich. Jetzt zeigt sich, dass Windkraft die Netze zwar nutzt, aber gleichzeitig könnten sie auch für Fotovoltaik genutzt werden, denn da wird nicht zeit­gleich Strom eingespeist. Da, glaube ich, braucht es auch noch Planungen, wie wir diese Netze, die es schon gibt – um nicht nur auf den Netzausbau zu schauen –, besser nutzen können. Daher lautet meine Frage: Wie sehen Sie da die Möglichkeiten in den Bundes­ländern, diese Netze besser zu nutzen und den Ausbau in den Bundesländern voranzu­bringen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr, sehr hilfreich ist natürlich – das war auch die Frage, die jetzt auf EU-Ebene relevant ist – die Energieraumplanung. Wenn die Länder bereits die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen haben – das ist eben zum Beispiel die Energieraumplanung, die die entsprechenden Kapazitäten für die Erneuerbaren vorsieht –, dann geht es schneller, dann können die Netzbetreiber frühzeitig darauf reagieren, frühzeitig ausbauen. Natürlich betrifft es auch die Raum- und die Bauordnungen im engeren Sinn. Ich habe vorhin schon Fotovoltaikverpflichtungen erwähnt, zum Beispiel beim Neubau oder bei Gewerbegebieten, da gibt es sicher Opti­mierungsmöglichkeiten.

Was die Verfahren betrifft, ist aus der Arbeitsgruppe, die Vorschläge für die Novelle des UVP-Gesetzes entwickelt hat, schon auch eindeutig herausgekommen: Wir haben einen Handlungsbedarf bei der Ressourcenausstattung bei Genehmigungsbehörden, aber auch bei der Bereitstellung von Sachverständigen, weil alleine ein paar Monate warten zu müssen, um einen Sachverständigen zu bekommen, beinhaltet schon ein Verzöge­rungspotenzial. Bundesländerübergreifende Sachverständigenpools wären da vielleicht nicht simpel, aber eine deutliche Beschleunigung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schroll. – Bitte.


09.37.48

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Frau Bundesministerin, schönen guten Morgen! Vorgestern, am Dienstag, dem 17. Mai, wurde der für den 24. Mai einberufene Energie­beirat auf 4. Juli, also um weitere sechs Wochen, verschoben. Dies bedeutet natürlich aber auch zugleich, dass die Marktprämienförderung nach wie vor auf sich warten lässt. Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr, am 7. Juli, hier im Hohen Haus das EAG beschlossen und, wie gesagt, bis jetzt hat sich da wenig bis gar nichts getan. Daher meine Frage:


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164/M

„Wie lange sollen die Ökostromunternehmen noch auf die Voraussetzungen für die Marktprämienförderung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes warten?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich gehe jetzt nicht zurück auf die Historie des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes. In den Umsetzungsverordnungen, das ist Ihnen bekannt, ist die Investitionsförderung mit einem Rekordbudget von fast 300 Millionen Euro bereits am Weg – die erste Ausschreibung war bereits. Der Löwenanteil davon, 240 Millionen Euro, ist für die Fotovoltaik, das bedeutet, wir haben das Budget im Ver­gleich zum Jahr 2019 verdreizehnfacht.

Für die Marktprämienverordnung haben wir nach der Novelle im Nationalrat, die wir ja Ende letzten Jahres dank der großartigen Zusammenarbeit auch hier im Haus finalisie­ren konnten, das notwendige Gutachten aktualisiert, mit den Stakeholdern diskutiert, zusätzlich mit den Einvernehmensressorts abgestimmt. Das heißt, es ist jetzt ein Entwurf in politischer Abstimmung in der Regierungskoordinierung und es ist allen bewusst, dass das ein dringendes Anliegen ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Ja, das zielt auch auf das EAG ab: Wie viele Euro an Fördermitteln sind bislang aus dem EAG geflossen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Ministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Der erste Call ist sozusagen bereits offen. Es gibt die Einreichungen, die schon gekommen sind. Wenn die Einreicher ein Ticket zie­hen, haben sie sieben Tage Zeit, um die Unterlagen zu vervollständigen, und dann eine sechsmonatige Umsetzungsfrist, um die Anlagen zu finalisieren, und dann gibt es auch eine Abrechnung. Die Frage, ob es schon eine superschnelle Anlage gegeben hat, kann ich jetzt nicht beantworten, aber der Zuspruch zu dieser Förderung ist enorm, er übertrifft selbst meine optimistischsten Erwartungen, und das sind die besten Neuigkeiten in dem Zusammenhang.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Schnabel. – Bitte.


Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Eine andere energetische Form, um den Klimawandel zu bewältigen, ist Wasserstoff – Wasserstoff als hochenergetischer Energieträger. Wir haben hier in Österreich und in Europa wesent­liche Weltmarktanteile und auch noch Weltmarktführerschaft, wir haben tolle Unterneh­men, die da an der Spitze der Industrie tätig sind.

Die Bundesrepublik Deutschland hat schon vor mehreren Jahren, also schon vor der Ukrainekrise, eine Wasserstoffstrategie verabschiedet. Dort ist man so weit, dass man sich auch schon auf Länderebene und auf Bezirks- beziehungsweise Kreisebene mit dieser Strategie befasst. Auch Frankreich hat mit 7 Milliarden Euro vor Kurzem eine Wasserstoffstrategie erlassen.

Meine Frage ist deswegen: Wie ist der Stand der Dinge und wann werden Sie für Öster­reich die Wasserstoffstrategie präsentieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich bin jetzt sehr offen: Die Wasserstoffstra­tegie wird tatsächlich in Kürze präsentiert, es ist uns jetzt ein Ressortwechsel etwas in


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die Terminfindungsquere gekommen. Es ist aber gut, dass wir da schon so in der finalen Phase sind, denn sie wird ganz wichtige Eckpunkte enthalten, um, wie Sie auch gesagt haben, den Spagat zwischen dem Ersetzen von Gas, der Leistbarkeit der Energie, der Bereitstellung und der notwendigen Qualität der Energie zu schaffen. Da ist eben Was­serstoff ein zentraler Faktor, insbesondere in der Industrie. Diese Fokussierung werden wir dort sehr klar vorgeben müssen, weil die Industrie für ihre Investitionen Sicherheit braucht. All das wollen wir mit dieser Strategie schaffen – wie gesagt, jetzt geht’s wirklich um die letzten Meter.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Mi­nisterin! Ich bin der Meinung, Politik verliert immer dann an Vertrauen, wenn zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was getan wird, Welten liegen. Leider ist das insbe­sondere im grünen Teil der Bundesregierung ein besonders stark vertretenes Phäno­men. So entspricht das, was vor Wahlen plakatiert wurde und gesagt wurde und im Re­gierungsprogramm vereinbart wurde, nicht dem, was tatsächlich umgesetzt wird.

Deshalb meine Frage – da möchte ich bei Kollegen Schnabel noch einmal nachfassen ‑: Wann werden konkret die wichtigen ausstehenden Gesetzesmaterien im Energiebereich umgesetzt, nämlich das Wasserstoffpaket – da war die Antwort, die Sie jetzt gegeben haben, nicht wirklich konkret –, die Novelle des Wärmegesetzes, das Energieeffizienz­gesetz und die Anpassung von UVP-Verfahren? Wann werden diese Vorhaben konkret vorgelegt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Zur Wasserstoffstrategie und zu allen ande­ren Gesetzespaketen: Sie sind alle sehr, sehr wichtige Teile, um unsere Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren. Deswegen ist das für unser Ressort eine Priorität. Ich bin auch sicher, dass die Wichtigkeit dieser Gesetzesmaterien, insbesonde­re Energieeffizienzgesetz, Erneuerbare-Wärme-Gesetz, für die Reduktion der Abhängig­keit jetzt auch all jenen bewusst ist, die bis jetzt gezögert oder vielleicht noch gebremst haben. Ich gehe also davon aus, dass wir da rasch vorankommen. Ein finales Datum kann ich immer dann sagen, wenn es eine Einigkeit über einen Entwurf gibt. Wir arbeiten mit Hochdruck daran.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


09.43.45

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Preisstei­gerungen beziehungsweise die Rekordinflation werden ja nicht an Ihnen vorbeigegan­gen sein, vor allem im Bereich der fossilen Treibstoffe, die ja aktuell einer Preissteige­rung von bis zu 30, 40 Prozent unterliegen. Gleichzeitig ist aber das gesetzliche Kilome­tergeld ja aktuell noch bei 42 Cent eingefroren, dieser Kreislauf geht sich also für die Bürger so nicht aus, vor allem für die, die auf die Individualmobilität angewiesen sind.

Jetzt meine konkrete Frage:

158/M

„Werden Sie trotz Rekordinflation an der ideologisch motivierten CO2-Bepreisung schon ab 1. Juli festhalten und somit die Teuerung zusätzlich befeuern?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 28

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Der CO2-Preis kommt, und er kommt vor al­lem gemeinsam mit dem Klimabonus. Darüber ist sich auch die gesamte Regierung einig, dahinter steht die gesamte Regierung. Ich halte das auch für den richtigen Weg.

Mit dem Klimabonus gibt es noch einmal bis zu 200 Euro Entlastung pro Person. Nam­hafte Wirtschaftsforscher, -forscherinnen sagen genau jetzt: Der Klimabonus ist ein wich­tiges Instrument, um insbesondere untere Einkommensschichten, also Familien mit nied­rigen Einkommen, zusätzlich zu entlasten. Diese werden besonders davon profitieren.

Wer bekommt ihn? – Nur noch einmal zur Erinnerung: alle Personen mit Wohnsitz in Österreich an mindestens 183 Tagen im Kalenderjahr, das heißt jedes Kind, jeder Pen­sionist, jede Pensionistin, jeder Einkommensbezieher, aber auch jeder Arbeitslose und jeder Studierende in Österreich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Mir ist schon bewusst, dass Sie aufgrund dieser Maß­nahmen und aufgrund dieser Teuerungen dementsprechend einen Lenkungseffekt er­zielen wollen, weg vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr. Gleichzeitig aber merkt man, wenn man sich die aktuelle Berichterstattung anschaut: Die ÖBB zum Bei­spiel lassen mithilfe der Exekutive teilweise die Passagiere aus Zügen entfernen – bei Überfüllungen oder wenn bestimmte Strecken nicht entsprechend attraktiv gestaltet sind.

Jetzt meine konkrete Frage: Haben Sie da etwas vergessen? Zuerst teuern, dann aber den ÖV nicht ausbauen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Natürlich nicht. Wir haben in den letzten Jah­ren Rekordinvestitionen in den öffentlichen Verkehr getätigt, so hoch wie keine Bundes­regierung jemals zuvor. 18,2 Milliarden Euro gehen allein in den Ausbau der ÖBB-Infra­struktur. Wir erhöhen zusätzlich, gemeinsam mit den Bundesländern, das Angebot lau­fend und massiv. Wir finanzieren erstmals Privatbahnprojekte in substanzieller Höhe aus dem Bundesbudget mit. Wir haben insbesondere auch in der Umsetzung des Klimati­ckets gemeinsam mit den Bundesländern die Vereinbarung getroffen, dass die Bundes­länder mit den zusätzlichen Finanzmitteln Ticketpreis und Angebot auswählen können, um genau auf diese Fragen einzugehen.

Also nein, selbstverständlich nicht. Guter öffentlicher Verkehr braucht alle drei Säulen: Infrastruktur, Angebot und ein günstiges Ticket.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter We­ratschnig. – Bitte sehr.


09.47.00

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Eine Frage zum Klimaticket Österreich – ich kann mich noch sehr gut an die Verhandlungen vor einem Jahr erinnern –: Das Klimaticket ist eine Erfolgsgeschichte. Jede Busfahrt, jede Bahnfahrt spart CO2 und ist vor allem genau in Zeiten wie diesen eine Riesenersparnis für Menschen, bis zu 1 000 Euro – eine Maßnahme, die gegen die Teuerung wirkt.

Meine konkrete Frage:

169/M

„Wie lauten die ersten Analysen zum Verkauf des Klimatickets im Hinblick auf Verkaufs­zahlen und Kundenstruktur?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 29

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank. – Der aktuelle Stand aktiver KundInnen beträgt 160 000; Stand 30.4. Wir haben auf Basis unserer Vorabevaluierung, wenn Sie sich erinnern können, und auch rationaler Wechslerstatistiken eigentlich einen mittelfristigen Zielwert von 110 000 NutzerInnen gehabt und wir sind jetzt bei 160 000, das heißt, wir sind um 45 Prozent drüber. Auch nach der sehr erfolgreichen Einfüh­rungsphase mit dem Early-Bird-Rabatt und trotz teilweise beschränkter – coronabedingt beschränkter – Reisemöglichkeiten sehen wir jetzt einen laufenden Zuwachs von monat­lich rund 5 000 neuen Kundinnen und Kunden; sehr stabil, zuletzt sogar ansteigend. Ob das etwas mit der derzeitigen Preissituation zu tun hat, lässt sich aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraums nicht sagen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Entschuldigung.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Ein Punkt noch zur Struktur. Was wir sicher sagen können, ist: Wir haben eine Lücke in der Tarifstruktur geschlossen.

Zur Struktur der Tickets, Klimaticket Österreich insgesamt: Classic 52 Prozent, Jugend 29 Prozent, Senior 14 Prozent, Spezial 1 Prozent, Familie 3 Prozent. Wien und Nieder­österreich haben im Verhältnis zur Bevölkerungszahl einen überproportional hohen Anteil.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Frau Ministerin, welche Maßnahmen und Incentives gibt es für die Bundesländer, wenn es darum geht, die re­gionalen Klimatickets bereitzustellen, und vor allem in den Bestrebungen, den öffentli­chen Verkehr in den Bundesländern auszubauen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren den Ausbau des öffentlichen Verkehrs deutlich forciert. Davon profitieren Pendlerinnen, Pendler. Wir entlasten damit auch die Bundesländer, mit deutlich höherer Zusatzfinan­zierung, mit Rekordbudgets in vielen Bereichen, bei ÖBB wie Privatbahnen, mit erst­maliger Mitfinanzierung durch den Bund bei Stadtregionalbahnen. Beim Ausbau des Verkehrsangebotes, insbesondere über Verkehrsdiensteverträge haben wir mit den Bundesländern wirklich durchgängig sehr, sehr gute Lösungen gefunden, sind da massiv am Ausbauen.

Wir unterstützen zudem die Umrüstung auf E-Busse, auch da gibt es über ein neues Förderprogramm erstmals eine finanzielle Unterstützung. Wir werden natürlich weiterhin jede Möglichkeit nutzen, um sowohl bei der Tarifstruktur – insbesondere jene Bundes­länder, bei denen der Ticketpreis noch über 1 Euro pro Tag liegt – als auch bei der An­gebotsausweitung zu unterstützen, weil ich das als absolute Zukunftsinvestition sehe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Stöger. – Bitte sehr.


Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die SPÖ hat klar ein 1-2-3-Klimaticket gefordert: 3 Euro in ganz Österreich, 2 Euro in drei Bundesländern und 1 Euro in einem Bundesland pro Tag. In Oberösterreich gibt es eine Differenzierung, da sind die Zentralräume nämlich nicht erfasst. Daher meine Frage: Ab welchem Zeitpunkt sind einheitliche Preise für die Bundesländertickets geplant?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 30

Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: In Oberösterreich gibt es tatsächlich ein diffe­renziertes System, weil es dem Bundesland sehr wichtig war, auf die Mobilitätsstrukturen differenziert eingehen zu können. Es gibt aber auch ein gesamtoberösterreichisches Ticket.

Wir haben mit den Bundesländern im Zuge der Verhandlungen zum Klimaticket Öster­reich vereinbart, dass die Finanzierung, die wir zur Verfügung stellen, um auf den einheit­lichen Preis zu kommen, alternativ – und das haben insbesondere große Bundesländer in Anspruch genommen – zum Teil in den Angebotsausbau gehen kann, damit man eben parallel Ticketpreise senkt und Angebotserweiterungen macht. Wir werden da weiter jede Möglichkeit nutzen, um eine Zusatzfinanzierung – auch im Sinn einer Inflationsab­federung – zur Verfügung zu stellen, um mit den Ticketpreisen noch weiter herunterzu­kommen. (Abg. Stöger: Und der Zeitpunkt?) – Wir sind in den Verhandlungen zum letz­ten Antiteuerungspaket. Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich sie laut verkünden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Dop­pelbauer. – Bitte sehr.


09.52.05

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Wir haben uns ja vorhin auch schon darüber unterhalten: Mich treibt vor allem die Frage um, dass es dann, wenn man in Bezug auf russisches Gas diversifizieren will, natürlich erst einmal Pipelinekapazitäten, um eben Gas von anderen Ressourcen nach Österreich zu bringen, und dann eben auch Speicher braucht.

Meine Frage ist da eben konkret: Welche neuen Abkommen oder Verträge zur Diversifi­zierung der Erdgasversorgung – Pipelinekapazitäten, bilaterale Abkommen und so wei­ter – wurden seit Ausbruch des Ukrainekriegs von der Republik Österreich über die Öbag beziehungsweise die OMV abgeschlossen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 167/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten neuen Abkommen oder Verträge zur Diversifizierung der Erdgasver­sorgung (Pipelinekapazitäten, bilaterale Abkommen, etc.) wurden seit Ausbruch des Ukrainekriegs von der Republik Österreich bzw. der OMV abgeschlossen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe es vorhin schon erwähnt: Österreich ist in einer besonders schwierigen Ausgangssituation. Noch 2018 haben wir unter großer Freude und im Beisein der damaligen Bundesregierung, des damaligen Bundeskanzlers gefeiert, dass wir unsere Gaslieferverträge mit Gazprom ausgebaut und erweitert haben. Die Bundesregierung davor – das betrifft jetzt unterschiedlich geführte Bundesregie­rungen – hat noch Druck gemacht, norwegische Gasfelder abzugeben und nach Russ­land zu wechseln.

Ich halte es für unerlässlich, diese Fehler zu erkennen. Es hilft aber nichts, jetzt heißt es halt auch, Lösungen zu finden. Deshalb sind wir gerade auf sehr, sehr vielen Ebenen aktiv, um genau das zu tun, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.

Erster ganz wichtiger Pflock ist die Gasbeschaffungsplattform der EU. Die EU bündelt die Nachfrage, um sicherzustellen, dass wir uns nicht bei den Preisen für Pipelinekapa­zitäten am Markt gegenseitig überbieten. Die E-Control hat bereits eine Marktabfrage


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dazu durchgeführt. Wir haben einen Bedarf an Gasmengen eingemeldet. Wir werden die Diversifizierung als Kontinent am erfolgreichsten meistern, wenn wir sie gemeinsam und konstruktiv in Angriff nehmen und in der Frage zusammenhalten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung! (Bundesministerin Gewessler – erheitert –: Waren das schon wieder 2 Minuten?) – Nein. (Heiterkeit des Redners.)


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Entschuldigung, Herr Präsi­dent, das war jetzt ein bissl eine ungehörige Nachfrage.

Wir haben in Europa mit der Gasversorgungssicherheitsverordnung die rechtliche Grund­lage für die Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in Österreich. Wir haben bereits ein Solidaritätsabkommen mit Deutschland abgeschlossen. Auf technischer Ebene ste­hen wir in Verhandlungen mit der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Italien. Auch das sind wichtige Bausteine.

Wir haben die strategische Gasreserve beschlossen, eben die Aufstockung der strategi­schen Gasreserve mit nicht russischem Gas, wenn es der Markt erlaubt – davon gehen wir aus –, wenn es nicht Mondpreise sind, das wird dann die Ausschreibung zeigen. Gas, das aus nicht russischen Quellen kommt, das ist also ein weiterer Schritt.

Was die OMV anbelangt, wir haben vorhin schon diskutiert, liegt die Zuständigkeit über die Öbag beim BMF. Die OMV fördert aber auch selbst Gas in Norwegen und ist am LNG-Terminal Gate in Rotterdam beteiligt. Die Mengen sind normalerweise für den nordwesteuropäischen Markt vorgesehen, aber ich bin bereits von der OMV informiert worden, dass sie ihrerseits alles tut, die aus Norwegen verfügbaren Mengen für Öster­reich zu erhöhen. Das ist natürlich für Österreich schwieriger – wir haben es vorhin be­sprochen –, da wir keine Seehäfen haben. Wir brauchen Partner und müssen uns an Ausschreibungen für die Pipelinekapazitäten et cetera beteiligen.

Gerade bei der Frage der Diversifizierung – unter der Voraussetzung dieser langfristigen Lieferverträge – sieht man einfach, dass die Fehler der Vergangenheit da am schwersten wiegen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Es gab jetzt einige Meldungen – ich glaube, Bloomberg hat es letzte Woche zum ersten Mal gehabt –, dass es jetzt doch möglich wäre, auch auf EU-Ebene Rubelkonten einzurichten, um eben die bestehende Gasversorgung durch Russland aufrechtzuerhalten. Haben wir oder hat die OMV ein Rubelkonto eingerichtet?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Frage der Zahlungsmodalitäten ist eine, die gerade sehr viele Länder in Europa beschäftigt. Ich weiß, dass die OMV in enger Abstimmung sowohl mit dem Finanzministerium und der für Sanktionen zuständigen Na­tionalbank als auch mit der Europäischen Kommission steht. Ich bin informiert, dass die OMV nur sanktionskonform zahlen wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Neben der Vielfalt an Quellen ist im Krisenfall auch ein abgestimmtes Vorgehen mit den Nachbarländern dringend erforderlich. Für diesen Fall sieht das EU-Recht Solidaritätsabkommen zur ge­genseitigen Unterstützung vor. Mit welchen Nachbarländern gibt es Solidaritätsabkom­men für den Fall einer Gaskrise?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Das Gassolidaritätsabkommen mit Deutsch­land war europaweit überhaupt das zweite Solidaritätsabkommen, das abgeschlossen wurde. Das konnten wir letzten Dezember finalisieren und unterzeichnen. Wir sind auf technischer Ebene jetzt mit den Nachbarländern Italien, Slowakei, Slowenien und Un­garn in Verhandlungen. Am Montag war der italienische Staatssekretär wieder bei mir, und wir haben beide bekräftigt, wir möchten da sehr rasch zu einem Abschluss kommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Kauf­mann. – Bitte.


Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin, guten Morgen auch von meiner Seite! Russland hat mit dem Angriffskrieg in der Ukraine einiges ausgelöst. Ihre Aufgabe ist es, die Versorgungssicherheit sowohl für unsere Haushalte als auch unsere Betriebe sicherzustellen.

Meine Frage ist jetzt: Sie haben schon von einzelnen Verträgen und Absprachen mit den Ländern gesprochen. Wie schaut das insgesamt für die Europäische Union aus? Wir sitzen alle im gleichen Boot und wir müssen uns als EU gut aufstellen: Welche Gesprä­che führen Sie und wie wird es da weitergehen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Europäische Kommission ist in der Frage tatsächlich sehr aktiv. Schon im März hat sie eine gemeinsame Einkaufsplattform, eine Joint European Platform for Contractualisation of Gas Supply angekündigt, bei der es darum geht, den Gasbedarf für die Europäische Union zu aggregieren, Rahmenbedin­gungen für die Kooperation sicherzustellen. Es geht zum Beispiel auch darum, wie man zu MOUs, zu Protokollen kommt, um eben sicherzustellen, im Falle des Falles, im Notfall gut zusammenzuarbeiten. Es geht darum: Wie nutzt man die Gasinfrastruktur effizient? Wir haben physische Infrastruktur, die limitiert ist. Wie können wir die möglichst solida­risch und gut gemeinsam nutzen?

An dieser Plattform beteiligen wir uns sehr intensiv. Das ist eine Plattform, die in Öster­reich auf Ebene der Sektionsleitungen operationalisiert ist. Wir haben – ich habe es vor­hin erwähnt – nach einer Marktabfrage der E-Control da bereits hohe Gasmengen ein­gemeldet – nicht nur für die Abwicklung der ganzen MOUs, sondern auch für die gemein­same Beschaffung.

Man muss realistisch sein, wir werden im ersten Jahr nicht die gesamte Menge, die wir eingemeldet haben, bekommen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die gemein­same Plattform der erfolgversprechendere und effizientere Weg ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Kassegger. – Bitte.


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Un­ser Standpunkt zur Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Sanktionen ist ja bekannt. Wir sehen ja jetzt, dass Sie draufkommen, dass sich das alles bei den Mengen, was Gas und Öl betrifft, nicht ausgeht.

Ich habe hier das Protokoll des Europäischen Rats – also des Energierates, in dem Sie Österreich ja vertreten haben – vom 3. Mai, in dem Sie betonen, wie man jetzt damit umgeht: „Man müsse den Verbrauch senken (Gasboiler und -brenner ersetzen)“, „eine gemeinsame Vision entwickeln“ und so weiter und so fort.

Zwei Seiten weiter sagt der ungarische Vertreter einen interessanten Satz, nämlich die­sen: „Man sollte sich am allgemeinen Prinzip orientieren, der eigenen“ Volkswirtschaft


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„nicht mehr zu schaden als“ Russland. – Ich nehme einmal an, das ist nicht Ihr Zugang, sondern Ihr Zugang ist jener, den Verbrauch zu senken.

Dann gibt es auch einen interessanten Vorschlag vom luxemburgischen Energiemi­nister, der da vorschlägt: ein EU-weites Tempolimit, autofreie Wochenenden und zwei Tage pro Woche Homeoffice.

Ich nehme einmal an, Sie teilen die Meinung des luxemburgischen Energieministers? (Heiterkeit des Abg. Wurm.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Also das Erste ist – und das ist vielfach öffent­lich dokumentiert, auch von mir –, der Zugang zu Sanktionen eint mich mit meinem unga­rischen Kollegen: Wir können nur Sanktionen setzen, von denen wir sicher sind, dass wir sie länger durchhalten als Wladimir Putin, das ist das Kernelement von Sanktionen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Deswegen ist auch ein Gasembargo für Österreich, so schmerzlich diese Aussage ist, schlicht und ergreifend derzeit nicht möglich, weil die Abhängigkeit zu groß ist.

Zur Reduktion dieser Abhängigkeit, Terawattstunde für Terawattstunde, brauchen wir alle Mittel, und wir sind mit unserem Szenario, mit unserem Plan, den die Energieagentur erarbeitet hat, exakt im selben Modus wie die Europäische Kommission mit ihrem Plan Repower EU gestern. Der hat drei Säulen: Gasverbrauch reduzieren – also Effizienz –, Substitution – Erneuerbare ausbauen – und diversifizieren, also exakt dieselben Schwer­punkte. Das ist gut, weil uns das auch den Rückenwind, den wir national brauchen, gibt.

Die Vorschläge aus Luxemburg, die Sie zitiert haben, sind Vorschläge der Internatio­nalen Energieagentur zur Reduktion der Ölimportabhängigkeit der Europäischen Union, das kommt aus der Internationalen Energieagentur. (Abg. Kassegger: Das heißt also: Ja!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte sehr.


10.02.11

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minis­ter! Frau Minister, ich freue mich – und Sie sich wahrscheinlich auch –, dass wir in den letzten Jahren im Bereich der angewandten Forschung stetig eine Steigerung erhalten haben: Das waren im letzten Jahr 7 Prozent, dieses Jahr sind es 34 Prozent, und ich glaube, das ist gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir vor diversen Herausforderun­gen – Stichwort Klimawandel, Digitalisierung – stehen, wichtig, um den Forschungs-, In­novations- und auch Wirtschaftsstandort abzusichern.

Wir brauchen Schwerpunktsetzungen, aber ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir da eine gewisse Themenoffenheit, eine Technologieneutralität haben, dass wir den Unter­nehmen nicht überall vorgeben, wo sie forschen sollen, der Maßstab müssen vielmehr die Exzellenz und das Anwendungspotenzial sein.

Meine Frage lautet daher:

161/M

„Inwiefern beabsichtigen Sie die Themen Technologieneutralität und Themenoffenheit in den Forschungsförderungsprogrammen zu berücksichtigen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Vielleicht zuerst ganz allgemein, bevor wir dann auf die gezielten Förderungen eingehen: Also ja, wir beide teilen die Freude über die gestiegenen Budgets, das auf jeden Fall, weil Forschung, Innovation und Technolo­gieentwicklung eine fundamental wichtige Rolle spielen, aber – Sie kennen meine Mei­nung dazu auch schon – ich glaube nicht, dass Technologieoffenheit, Technologieneu­tralität, aber auch Technologieklarheit, die gerade auch aus der deutschen Autoindustrie gerade sehr intensiv eingefordert wird, sich in den unterschiedlichen Stadien unbedingt ausschließen müssen.

Es gibt in unterschiedlichen Stadien einer Technologieentwicklung schlicht irgendwann auch die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, damit sich die Wirtschaft orientieren kann. Ich bringe ein historisches und ein aktuelles Beispiel – historisch: Wir in Österreich haben uns sehr klar, sehr zielgerichtet gegen die Atomenergie entschlossen. Damit hat auch zu tun, dass wir jetzt einen hohen Anteil an Erneuerbaren haben.

Ein weiteres Beispiel ist Wasserstoff in den Autos. Wir haben zu einem bestimmten Zeitpunkt der Technologieentwicklung einfach die Entscheidung: Müssen wir zwei staat­liche Infrastrukturen aufbauen? – Das geht mit den öffentlichen Budgets nicht. Die Frage der Lademöglichkeiten ist zentral, das heißt, da stellt sich irgendwann die Frage nach Fokus, nach Entscheidung, um eben eine Entwicklung bestmöglich begleiten zu können, um eine volkswirtschaftlich sinnvolle Entscheidung zu treffen und auch eine klimapoli­tisch sinnvolle Entscheidung zu treffen.

Das heißt aber nicht, dass es nicht viele andere Bereiche gibt, in denen es völlig klar ist, dass grundsätzlich Technologieoffenheit besteht. Es gibt ja nach wie vor die FFG-Ba­sisprogramme – die sind absolut themenoffen, da können die Unternehmen zu allen Be­reichen forschen, zu denen sie möchten –, wir haben die Forschungsprämie als absolut offenes Instrument, aber – darauf aufbauend – zielgerichtete Förderungen haben wir versucht zu bündeln – auch in Clustern: Mobilitätswende, Kreislaufwirtschaft, Energie­wende –, und wir versuchen natürlich, kontraproduktive Förderungen, die unserem ge­meinsamen Ziel Klimaneutralität 2040 entgegenstehen, möglichst zu verhindern oder dementsprechende Kriterien anzulegen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Niss? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Ich meine, Österreich ist ein Exportweltmeister, und wir exportieren nicht nur in den europäischen Markt, sondern auch in den internationalen Markt. Dort hat man sich noch nicht so genau entschieden, in welche Richtung – weil Sie das mit der Mobilität angesprochen haben – es jetzt gerade geht; wir unterscheiden ja auch zwischen dem Pkw- und dem Lkw-Verkehr.

Die Wasserstoffstrategie – bei der die Industrie, glaube ich, sehr gut abgedeckt ist – wurde heute schon angesprochen, meine Frage daher: Inwiefern wird – in der For­schung, ich rede jetzt von der Forschungspolitik – Wasserstoff für Mobilität berücksich­tigt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben im Ipcei – den Important Projects of Common European Interest – 125 Millionen Euro für die Wasserstoffforschung bereit­gestellt – wenn alles gut geht, können wir auch bereits Ende des Jahres die Verträge mit den Unternehmen unterzeichnen –, und darüber hinaus gibt es sowohl bei den Basispro­grammen als auch im Programm Mobilität der Zukunft immer wieder Wasserstoffeinrei­chungen, und da liegt, wie Sie sagen, der Fokus auf Wasserstoff auf der langen Strecke. Das ist auch sozusagen die Nische, die wir im Mobilitätsmasterplan in der Mobilität auf der Straße sehen: lange Strecke, schwere Transporte.


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Die Wasserstoffstrategie, die Sie auch wieder angesprochen haben, wird aber auch eine klare Priorisierung auf die Industrie haben, weil man da einfach die größten Mengen und auch die größte Planungssicherheit braucht, denn das sind Entscheidungen, die jetzt gefällt werden müssen, die aber auf Dekaden wirken.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Bevor ich die nächste Frage aufrufe, darf ich die Schülerinnen und Schüler der Bundes­handelsakademie Wien 10 recht herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir sind aktuell bei der Fragestunde, das ist noch nicht der normale Betrieb der Tages­ordnung. Frau Minister Gewessler stellt sich den Fragen der einzelnen Abgeordneten aus allen Parteien.

Als nächster Fragesteller ist Herr Abgeordneter Laimer an der Reihe. – Bitte sehr.


10.07.24

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin!

165/M

„Welche Kosten sind bisher für den Planungsprozess, die behördlichen Verfahren, Vor­arbeiten und Ablösen für die Errichtung der Traisental-Schnellstraße S34 der ASFINAG entstanden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank! Die Planungskosten, die Kosten für Ablöse und Vorarbeiten liegen bei dem Projekt in Summe bei 12,12 Millionen Euro.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Bundesministerin! Auf welcher Rechts­grundlage wird trotz dieser Kosten die Errichtung der S 34 nicht sofort umgesetzt, viel­mehr verzögert?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben diese Frage hier im Hohen Haus ja schon viele, viele Male diskutiert. Wir haben im Infrastrukturministerium eine zentrale Aufgabe, das ist die zukunftsgerichtete Planung und Errichtung von öffentlicher Infra­struktur, über die ÖBB mit dem Rahmenplan, bei der Asfinag mit dem Bauprogramm der Asfinag. Das haben wir evaluiert.

Diese Evaluierung ist in ein Bauprogramm eingeflossen; dieses Bauprogramm hat auch Mittel für Alternativenplanungen – sinnvollere, bessere Alternativenplanungen – vorge­sehen, und ich habe alle diese Schritte, die da passiert sind, mehrfach rechtlich absi­chern lassen. Ich handle da selbstverständlich im Rahmen meiner Kompetenzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt jetzt Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Leider Gottes hat das grüne Verkehrschaos meine erste Frage vereitelt. Nichtsdestotrotz komme ich jetzt zu meiner Zusatzfrage, und zwar aufbauend auf die Frage des Kollegen Laimer: Wie gehen Sie damit um, dass Sie eigentlich mit Ihrem Baustopp für Verkehrs­projekte zwei Nationalratsbeschlüsse sowie einen Spruch des Verfassungsgerichtshofes übergehen? Wo sind die Gutachten, die Sie uns im Verkehrsausschuss versprochen haben? – Die sind bis heute nicht geliefert.


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Also das würde mich grundsätzlich interessieren, und eine zweite Frage noch – was die Hauptfrage betrifft –: Welche Schikanen haben die Autofahrer in Zukunft noch auszuhal­ten, wenn das Mobilitätsgesetz dann greift?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich gehe jetzt davon aus, dass Sie, Herr Ha­fenecker, nicht mit der U-Bahn gekommen sind, aber ich werde Ihre Rückmeldung auch gerne der Stadt Wien weitergeben.

Die Frage zu der Rechtsgrundlage habe ich bereits bei der Vorfrage beantwortet: Das ist vielfach rechtlich abgesichert, alle Gutachten sind auf der Website des Klimaschutz­ministeriums öffentlich einsehbar.

Die Frage zum Mobilitätsgesetz kann ich auch sehr kurz beantworten. Wir haben keine Schikanen vorgesehen, sondern der Verkehrssektor ist ein zentraler Sektor für die Errei­chung der Klimaziele in Österreich. Sie wissen, die Emissionen aus dem Verkehrsbe­reich haben sich komplett kontraproduktiv entwickelt, sie sind stark gestiegen, hätten stark sinken müssen. Also es geht da um gesetzliche Maßnahmen, die helfen, den Ver­kehrssektor auf den Weg zur Klimaneutralität zu bringen.

Es gibt aus den Ländern viele Wünsche, mehr Freiheiten zu bekommen, auch Umweg­verkehre und Abfahrverbote zu regeln. Sie kennen die Situation aus Tirol und aus vielen anderen Ländern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schmu­ckenschlager. – Bitte.


10.10.56

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesminis­terin, wir sind in Europa mit einem enormen Energieengpass, speziell auch in Österreich, konfrontiert. Bioökonomie und die bestmögliche Ressourcenoptimierung würden uns da sehr weit voranbringen. Es gibt zahlreiche biologische Produkte, die nicht der Lebensmit­tel- und der Futtermittelproduktion dienen, auch im Getreidebereich, und wir könnten da vor allem die Stärke- und Eiweißproduktion im eigenen Land stark unterstützen. Dafür braucht es aber die Erzeugung von Biotreibstoffen.

162/M

„Welche Schritte setzen Sie für die Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um die heimischen Biotreibstoffe bestmöglich fördern und nutzen zu können?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Der Einsatz von biogenen Kraftstoffen in Ös­terreich wird nach den Bestimmungen der Kraftstoffverordnung 2012 geregelt. Die Kraft­stoffverordnung lässt dabei viele Freiräume zu, was die Menge, was die Art der einge­setzten Biokraftstoffe angeht. Die vorgegebenen Ziele sind Mindestziele, sie können von allen Inverkehrbringern von Kraftstoffen jedenfalls überschritten werden.

Hinsichtlich der bestmöglichen Förderung besteht mein Ziel darin – und das habe ich aus Ihrer Frage auch gehört, dass wir uns darin einig sind, was ich sehr schön finde –, dass wir den Anteil von Rohstoffen für Biokraftstoffproduktion, der auch für Nahrungs- oder Futtermittelproduktion verwendet werden könnte, jedenfalls reduzieren, aber den Anteil von abfall- und reststoffbasierten Rohstoffen erhöhen. Wir haben diesbezügliche


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Vorschläge im Rahmen einer Novelle der Kraftstoffverordnung vonseiten des BMK ge­macht. Das ist jetzt in der regierungsinternen Abstimmung und kann hoffentlich bald zum Abschluss gebracht werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Diese Bemühungen werden nur gehen, wenn man entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen hat. Die Bran­che will E10 auf den Markt bringen, braucht aber genaue rechtliche Rahmenbedin­gungen. Die sind auch im Regierungsprogramm festgeschrieben, E10 steht im Regie­rungsprogramm. Wann ist mit einer solchen Regelung zu rechnen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Grundsätzlich besteht nach der Kraftstoffver­ordnung schon jetzt die Möglichkeit, E10 auf den Markt zu bringen. Bei einer Erhöhung der Ziele in der Kraftstoffverordnung ist zu erwarten, dass es automatisch zu einer Erhö­hung der Ethanolbeimischung kommt, da dies eine relativ einfache und kostengünstige Maßnahme darstellt, deren selbstständige Umsetzung durch die Mineralölwirtschaft oh­nehin erwartet wird.

Auch da wieder: Wir müssen darauf achten, dass es aufgrund des Krieges in der Ukraine – ich weiß, das ist Ihnen auch ein großes Anliegen – keinesfalls zu einem höhe­ren Einsatz an biogenen Kraftstoffen aus Rohstoffen kommt, die als Nahrungs- oder Futtermittel verwendet werden können. Ich weiß, da sind wir in Österreich in einer ande­ren Ausgangsposition über die derzeit schon bestehenden Mengen von Ethanol, die pro­duziert werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke.

Es sind alle Anfragen zum Aufruf gekommen, außer eine. Ich darf mich bei der Frau Ministerin herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.14.05Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 10977/J bis 11038/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates:

48/JPR

2. Anfragebeantwortung: 9958/AB

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schul­pflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1487 d.B.)

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 38

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punk­te 3 und 4 sowie 5 bis 10 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte
über die Anfragebeantwortung 9856/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 9856/AB der Anfrage 10118/J der Abgeordneten Hafen­ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auftragsvergaben an die Karmasin Re­search & Identity GmbH“ durch den Bundesminister für Finanzen abzuhalten.

Diese kurze Debatte wird gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledigung der Tagesordnung, aber spätestens um 15 Uhr stattfinden.

Fristsetzungsanträge


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich weiters mitteilen, dass Herr Abgeordneter Keck beantragt hat, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2538/A der Abgeordneten Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Tierschutzgesetz“ eine Frist bis 9. Juni 2022 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Diese kurze Debatte wird im Anschluss an die Debatte über die Anfragebeantwortung stattfinden.

Darüber hinaus darf ich mitteilen, dass Herr Abgeordneter Kaniak beantragt hat, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2227/A der Abgeordneten Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „COVID-19-Impfpflichtgesetz“ eine Frist bis 20. Mai 2022 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen zur Abstimmung gebracht werden.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz haben wir folgende Einigung erzielt: Die Tagesblockzeit beträgt 7 „Wiener Stunden“. Die Redezeiten verteilen sich wie folgt: ÖVP 137, SPÖ 95, FPÖ 77, Grüne 70 sowie NEOS 56 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 28 Minuten, der jewei­lige Debattenbeitrag darf 5 Minuten nicht übersteigen.

Ich darf gleich zur Abstimmung kommen.

Wer mit den dargestellten Redezeiten einverstanden ist, den bitte ich um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist schlussendlich einstimmig.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 39

10.16.481. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (1179 d.B.) „Impf­pflicht: Striktes NEIN“ (1436 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich darf Herrn Bundesminister Rauch recht herzlich bei uns begrüßen.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte sehr.


10.17.12

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher hier auf der Galerie! Wir sprechen unter diesem Tagesordnungspunkt über das Impfpflicht-Volksbegehren, wenn man so möchte. Es hat 270 000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden oder umgerechnet 4,23 Prozent der Wahlberechtigten.

Worum geht es? Oder vielleicht ein bisschen anders gesagt: Ich möchte Sie ein bisschen in eine Art Gedankenexperiment mitnehmen. Stellen Sie sich vor, es wütet eine extrem ansteckende Krankheit, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit lebensgefährlich für die Infizierten sein kann! Stellen Sie sich vor, gegen diese Krankheit gibt es eine Impfung, die dafür sorgt, dass die Infektionsketten unterbrochen werden, dass Leid gelindert wird! (Abg. Belakowitsch: ... gibt es halt nicht!) Stellen Sie sich weiters vor, dass diese Imp­fung aber nur dann Sinn macht, wenn möglichst viele Menschen oder möglichst alle Menschen geimpft werden, weil nur dann die erwähnten Infektionsketten unterbrochen werden können! Und stellen Sie sich weiters vor, dass es eine Verfassungsbestimmung gibt, wonach es keine Verpflichtung zur Impfung gibt! Stellen Sie sich vor, wie dann unser Gesundheitssystem, das darunter zu leiden hat, in die Knie geht – ein resilientes Ge­sundheitssystem, ein robustes System, eines, das dann kaputt gemacht wird. (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch.)

Was hier jetzt wie Science-Fiction klingt, ist eine Einschätzung führender Wissenschafte­rinnen und Wissenschafter weltweit, und es ist ein durchaus realistisches Szenario, so­wohl was den Ausbruch von Krankheiten, neuer Krankheiten anbelangt, als auch was die negativen Auswirkungen von Impflücken anbelangt.

Die Impfung, ganz allgemein gesprochen, ist eine der wichtigsten Innovationen der mo­dernen Medizin, insbesondere der letzten 200 Jahre. Durch Impfstoffe konnten Krank­heiten ausgerottet werden (Abg. Belakowitsch: Welche?), Stichwort Pocken, oder zu­mindest so weit in den Griff bekommen werden, dass sie ihren Schrecken verloren ha­ben, Stichwort Masern. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Impfungen sind aber auch ein Opfer ihres Erfolges. Immer mehr Menschen glauben, weil es weniger Opfer dieser Krankheiten gibt, gegen die geimpft wird, hätten diese Krankheiten auch ihren Schrecken verloren. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Immer mehr Eltern lassen ihre Kinder nicht mehr gegen Masern oder andere Krankheiten impfen. Vernunft wird von Emotion abgelöst. Krude unwissenschaftliche Theorien sorgen dafür, dass sich immer mehr Menschen vor jeglicher Impfung, ohne sachliche Begründung, fürchten.

Die Nebenwirkungen und die Auswirkungen durchgemachter Krankheiten werden klein­geredet, angebliche Impfnebenwirkungen großgemacht. (Abg. Belakowitsch: „Angebli­che“!) Ja, es gibt in seltenen Fällen Nebenwirkungen bei Impfungen. (Abg. Belako­witsch: „In seltenen Fällen“!) Bei allen in Österreich vollständig oder bedingt zugelasse­nen Impfstoffen kommen diese Nebenwirkungen, gemessen an der Zahl der verimpften


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Impfdosen, äußerst selten vor. (Abg. Belakowitsch: Oje!  Abg. Wurm: Bei der Wahr­heit bleiben!) Das ist Fakt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das ist Fakt, das ist wissenschaftlich belegt, das ist evident, auch wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ mit Zwischenrufen kundtun, dass sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Angebliche Nebenwirkungen wie Autismus gibt es nicht – sorry to say ‑, dennoch gibt es immer noch Menschen, die sich, geleitet von Esoterik oder Anthroposo­phie, dieser wichtigsten Innovation moderner Medizin verschließen.

Was hat das Ganze mit dem uns vorliegenden Volksbegehren zu tun? – Dieses Volksbe­gehren zielt darauf ab, mit den Ängsten der Menschen, mit den vorhandenen Ängsten der Menschen zu spielen. Es hilft nicht mit, Menschen davon zu überzeugen, dass es gescheit ist, sich impfen zu lassen, egal gegen welche Krankheit – und ich rede jetzt dezidiert nicht nur von Covid (Abg. Belakowitsch: O ja, es geht nur um Covid!), ich rede allgemein davon, sich impfen zu lassen. – Nein, es geht eben nicht nur um Covid (Abg. Belakowitsch: Na, o ja!), denn, liebe Kollegin Belakowitsch, im Einleitungstext dieses Volksbegehrens heißt es: „Weder Corona [...] noch andere Ereignisse rechtfertigen ei­nen Zwang zu Impfungen.“ – Anmerkung: Es gibt keinen Zwang zur Impfung, es gibt aktuell eine Pflicht zur Impfung (Rufe bei der FPÖ: Aha! Ach so! Ah! – Abg. Belako­witsch: Aha! Das ist ja ein großer Unterschied!), aber auch das können die Kolleginnen und Kollegen offensichtlich nicht unterscheiden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es ist, und das möchte ich schon auch noch feststellen, natürlich das gute Recht der Betreiber des Volksbegehrens – die männliche Form ist hier angebracht, denn ich glau­be, es war keine Frau unter den ProponentInnen (Zwischenruf des Abg. Wurm) –, dieses Volksbegehren zu starten und eben um Unterstützung zu werben. Es ist auch gut so, dass wir darüber diskutieren. Ich finde es auch richtig, dass wir über die Impfung disku­tieren, dass wir generell über Impfungen diskutieren – ich finde das absolut in Ordnung (Abg. Belakowitsch: Ja, aber ihr diskutiert ja nicht, ihr verpflichtet nur!) –, aber ich kann dieses Volksbegehren so leider nicht unterstützen.

Abschließend sei noch auf Folgendes hingewiesen: Es gibt eine Einschätzung der WHO aus dem Jahr 2019 betreffend die Frage, was die größten Herausforderungen für Ge­sundheitssysteme weltweit sind. Und laut Einschätzung der WHO sind eine der größten Herausforderungen, eines der größten Gefahrenpotenziale für Gesundheitssysteme weltweit Impfgegnerinnen und Impfgegner. (Lebhafte Heiterkeit des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Ja, ja, ...!) Das eingangs erwähnte Szenario wird nämlich dann realis­tisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Was machst du mit den Impfgegnern? Was machst du mit denen? – Abg. Belakowitsch: Einsper­ren! – Abg. Schallmeiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz ‑: Man muss die Leute über­zeugen ...!)

10.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kucher. – Bitte.


10.22.10

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Gesundheitsminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank an die 15 000 Zöllnerin­nen und Zöllner in Österreich beginnen, die tagtäglich, sozusagen auch zum Schutz un­seres Landes, wertvolle Arbeit leisten. Eine Zahl macht das, glaube ich, deutlich: Im ers­ten Quartal dieses Jahres konnten an Österreichs Grenzen 279 Kilogramm gefälschte, geschmuggelte Arzneimittel sichergestellt werden. Diese Zahl ist dramatisch, es ist zehnmal so viel wie im letzten Jahr. Und dazu vielleicht eine Frage an die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Zehnmal so viel gefälschte Arzneimittel wie im letzten Jahr – könnt ihr euch vorstellen, welches Arzneimittel darunter war, bei dem es einen dramati­schen Anstieg gegeben hat? (Abg. Wurm: Viagra!) Was könnte denn das sein? (Abg.


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Wurm: Viagra!) Das war nicht Viagra – aber danke; die FPÖ ist auch da wieder sozusa­gen mit Fakenews unterwegs –, es war das Medikament Ivermectin, das Herbert Kickl hier im Parlament mehrfach groß angepriesen hat, von dem eine dramatisch angestie­gene Menge an der Grenze sichergestellt wurde. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Zanger: ... Blödsinn!)

Jetzt kann man darüber lachen, so wie Sie es machen, aber der Punkt ist, dass uns diese gesamte Debatte ja nicht einen Millimeter weitergebracht hat. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich weiß nicht, ob es formell schon eine Entschuldigung der FPÖ gegeben hat, denn ihr habt ja nicht nur den Zöllnerinnen und Zöllnern Zeit gestohlen, sondern es gab Anrufe in den Vergiftungszentralen, wo man dann eben genau über dra­matische Folgen für Menschen, über Vergiftungserscheinungen reden musste. (Zwi­schenruf des Abg. Zanger. – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) – Frau Kollegin Belako­witsch, da können Sie jetzt darüber lachen, aber ein Mittel, das unwirksam ist, ein Pferde­entwurmungsmittel, und Herbert Kickl hat sich sozusagen hingestellt - - (Abg. Belako­witsch: Geh bitte!) – Nein, reden wir genau darüber! (Abg. Belakowitsch: Was redest denn du für einen Blödsinn?) Der Punkt ist: Ihr habt mit dieser Debatte in Österreich - - (Abg. Belakowitsch: ... hat es sogar einen Nobelpreis gegeben! Also was ...! Bleib bei der Wahrheit!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Bitte! Ich bitte, das ständige Zwischenrufen etwas zu reduzieren. (Abg. Belakowitsch: Ja, ja, permanen­tes ... ist verboten!) Es besteht ja die Möglichkeit, dass jeder sich zu Wort meldet. (Ruf: Zur Sache!) – Bitte sehr. (Abg. Belakowitsch: Das ist ja lächerlich!)


Abgeordneter Philip Kucher (fortsetzend): Vielleicht bekommen wir ja zwischenzeitlich eine Erklärung und eine Entschuldigung vonseiten der FPÖ. Was ich damit sagen möch­te: Ihr habt ja nicht nur den Zöllnerinnen und Zöllnern, den Menschen, die in der Vergif­tungszentrale arbeiten, und der Republik Österreich die Zeit gestohlen, sondern dieses Politikgeschwurbel hat uns nicht einen Millimeter weitergebracht (Abg. Belakowitsch: Aber die Impfung auch nicht!), und das wisst ihr selber, nicht einen einzigen Millimeter! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Ja was bringt uns denn die Impfung weiter? Null!)

Ich bin durchaus auch bekannt dafür – das ist ja vielleicht auch das eine oder andere Mal vorgekommen; die Kollegin Schwarz von der ÖVP nickt –, also es kann ja sein, dass ich durchaus auch in dem einen oder anderen Nebensatz einmal das Krisenmanage­ment der ÖVP kritisiert habe – nur: die Parallele ist eben, und ich glaube, daran sollten wir uns alle orientieren, das bringt uns nicht einen Millimeter weiter (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –, dass Österreich eben so viel schlechter durch diese Coronakrise gekommen ist, dass Politik und Parteipolitik und Hickhack und Märchenerzählen oftmals wichtiger waren als gute, rationale Entscheidungen. Das ist das, was andere Staaten besser gemacht haben. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Heute wäre, glaube ich, der richtige Zeitpunkt dafür, dass ihr von der FPÖ euch hier herausstellt – ihr habt ja heute ohnedies vier Redner dazu gemeldet – und einfach ein­mal sagt, dass ihr einen Anteil dazu geleistet habt, dass Österreich mit Geschwurbel auf der falschen Fahrbahn unterwegs war, sodass nichts weitergegangen ist und wir deswe­gen schlechter durch diese Krise gekommen sind. (Abg. Belakowitsch: Aha!)

Die Debatten erleben wir ja jetzt immer wieder: Ob es um die Impfpflicht geht, ob es um das Krisenmanagement geht, es geht hier um einen gemeinsamen faktenbasierten Kurs. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Zur Frage der Impfpflicht kann man unterschiedlichster Meinung sein (Abg. Lausch: ... ja oder nein!), aber dass es einen Schutzmechanismus gegeben hat, damit diese Impfpflicht nicht einen Tag länger in Österreich in Kraft ist, als unbedingt notwendig ist, das hat die SPÖ erfolgreich hineinverhandelt (Beifall bei der


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SPÖ), dass es diesen verfassungsrechtlichen, medizinischen Schutzmechanismus gibt, auch dass man nicht irgendwie von Parteitagen aus ausrichtet, ob Maskenpflicht ja oder nein. Und was die Impfempfehlungen betrifft, die Herr Kickl hier von der ersten Reihe abgibt, bezüglich deren er dann in Wahrheit eh peinlicherweise zurückrudern muss, so war dieser Eiertanz von Herbert Kickl ja für uns alle beschämend (Abg. Belakowitsch: Welcher Eiertanz?): Ivermectin ja, nein; in der Petrischale funktioniert es, daher wird es so auch nicht schaden. – Das war ja unwürdig. (Abg. Belakowitsch: ... eine eigene Mei­nung auch in der SPÖ?)

Deswegen wäre heute, glaube ich, auch die Chance, dass ihr euch einfach einmal ent­schuldigt. Macht Schluss damit und sagt all den Menschen: Bitte hört auf, das Mittel über die Grenze zu schmuggeln! Es ist sinnlos und es schadet. Macht nicht den Zöllnerinnen und Zöllnern in Österreich viel Arbeit, das ist nicht notwendig! Sie brauchen ja hier nur herauszugehen und zu sagen: Stopp mit diesem Wurmmittel! – Alles Liebe! (Beifall bei der SPÖ.)

10.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte.


10.26.47

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich habe selten so eine Themenver­fehlung und Realitätsverweigerung gehört wie von meinem Vorredner Philip Kucher. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte aber auf den tatsächlichen Tagesordnungspunkt, nämlich auf das Volksbe­gehren Impfpflicht: Striktes Nein eingehen. Wenn man dieses genau betrachtet, dann erkennt man, dass das eigentlich nur die halbe Wahrheit ist, denn diese Initiative, dieses Volksbegehren hat aus zwei Teilen bestanden, nämlich unter anderem aus der direkten Abfrage bei der Bevölkerung, ob in einem Epidemie- oder Notfall die Politik eine allge­meine Impfpflicht verhängen dürfen soll oder nicht. 335 000 Bürger in diesem Land ha­ben diese direktdemokratische Möglichkeit in Anspruch genommen, und über 80 Pro­zent, knapp 270 000 Bürger, haben sich klar gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, selbst im epidemiologischen Notfall, ausgesprochen.

Jetzt kann man darüber diskutieren: Steht es dem Bürger zu, dass er da seine Meinung kundtut, oder nicht? – Wir sagen: Ja, ganz klar!, und die Politik ist aus meiner Sicht auf­gefordert, dieses demokratische Votum auch zu akzeptieren, denn wenn wir hier im Na­tionalrat ein Gesetz erlassen, dann gibt es doch gewisse Prinzipien der Gesetzgebung, die berücksichtigt werden müssen, wie: Besteht überhaupt die Notwendigkeit, dieses Gesetzt einzuführen? Ist das Gesetz oder die Maßnahme geeignet, die definierten Ziele zu erreichen? Ist das Gesetz überhaupt umsetzbar? Und ist es verhältnismäßig? Zu guter Letzt könnte man auch noch über einen gewissen Vertrauensschutz und über Ehr­lichkeit in der Politik sprechen, aber dazu komme ich ganz am Schluss meiner Ausfüh­rungen.

Zur Notwendigkeit: Ist eine allgemeine Impfpflicht notwendig? – Mittlerweile gibt es brei­ten Konsens, der lautet: Nein, eine allgemeine Impfpflicht ist definitiv nicht notwendig. Wir haben durch die gesamte Coronakrise hindurch, durch die verschiedenen Muta­tionen und Wellen, die wir gehabt haben, zweimal Situationen erlebt, wo unser Gesund­heitssystem an der Belastungsgrenze, aber Gott sei Dank nicht über dieser Belastungs­grenze war, und bei diesen beiden Infektionswellen hat es bei der ersten überhaupt keine Impfungen und praktisch überhaupt keine Therapeutika gegeben und bei der zweiten hat die Impfung nur sehr beschränkt geholfen. Die epidemiologische Lage hat sich mit Omikron aber signifikant verändert: Die Wirksamkeit der Impfung ist noch geringer ge­worden, und gleichzeitig haben wir – oder hätten wir – aber auch viel mehr Zeit gehabt,


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um die Behandlungskapazitäten anzupassen, und vor allem haben wir andere Maßnah­men, andere Therapieoptionen, medikamentöse Therapieoptionen, aber wir könnten na­türlich auch andere Maßnahmen, wie zum Beispiel Contacttracing und Isolierung, ver­stärken und ausbauen, um eine allgemeine Impflicht zu verhindern.

Deshalb: War es notwendig und ist es notwendig, eine allgemeine Impfpflicht zu erlas­sen? – Nein.

Ist diese Maßnahme überhaupt geeignet, um die Ziele zu erreichen? Denn: Was war denn das definierte Ziel der allgemeinen Impfpflicht? – Eine Überlastung des Gesund­heitssystems zu verhindern.

Nun, jetzt haben wir auch ohne Impfung keine Überlastung des Gesundheitssystems gehabt, und da stellt man sich dann schon einmal die Frage, ob es das überhaupt braucht. Aber so, wie die Expertin im letzten Gesundheitsausschuss, Frau Dr. Dorothee von Laer, gesagt hat, dass ja über 90 Prozent aller Spitalspatienten und Verstorbenen über 60 waren, könnte man maximal darüber diskutieren, ob eine Impfpflicht für über 60-Jährige angemessen ist, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Eine Impfung von unter 60-Jährigen ist es auf jeden Fall nicht.

Außerdem, wenn wir jetzt bei der Wirksamkeit sind, muss man auch sagen, dass die von Kollegen Schallmeiner zitierten Schutzimpfungen gegen Pocken, Masern und viele an­dere Erkrankungen, die tatsächlich sehr große zivilisatorische, medizinische Errungen­schaften waren, einen großen Vorteil gegenüber den aktuellen Präparaten zum Schutz vor Covid-19 haben: Sie erzeugen eine sterile Immunität und sie verhindern die Weiter­gabe des Virus – und das können die aktuellen MRNA-Impfstoffe nicht! Sie können keine sterile Immunität erzeugen, das heißt, sie können nicht vor einer Infektion schützen und sie schützen auch nicht vor einer Übertragung des Virus. Somit ist diese ganze Vorgabe der Eindämmung der Epidemie mit diesen Impfstoffen momentan gar nicht erreichbar, das heißt, die Eignung der Maßnahme ist gar nicht gegeben.

Außerdem: Wenn das Ziel eine Erhöhung der Durchimpfungsrate ist, Herr Bundesminis­ter, dann haben Sie beziehungsweise Ihr Vorgänger – diese ist ja nicht unter Ihnen er­gangen, sondern unter Ihrem Vorgänger – mit der Einführung dieser allgemeinen Impf­pflicht exakt das Gegenteil erreicht, denn die Impfquote für Covid-19, die Zahl der tägli­chen Impfungen ist ab dem Zeitpunkt, an dem die allgemeine Impfpflicht eingeführt wor­den ist, massiv zurückgegangen. Und nicht nur das! Gesundheitspolitisch ja noch viel verwerflicher ist, dass nicht nur die Zahl der Covid-Impfungen zurückgegangen ist, son­dern auch andere, bereits etablierte Impfungen signifikant weniger geworden sind, Herr Bundesminister – Masernimpfungen: 50 Prozent Rückgang bei der Durchimpfungsrate bei den aktuellen Impfungen (Zwischenruf des Abg. Loacker); Hepatitis-B-Impfung: über 40 Prozent Rückgang; Diphtherie-Tetanus-Impfung: 30 Prozent Rückgang. Das ist der Effekt dieser Maßnahme, und das läuft Ihrem deklarierten Ziel zu 100 Prozent zuwider.

Kommen wir zur Durchsetzbarkeit der Maßnahme: Da hätten Sie, wenn Sie die Stellung­nahmen im Begutachtungsverfahren ernst genommen hätten, erkennen können, dass diese Maßnahme ja gar nicht wirklich umsetzbar ist. Das ist ja auch einer der Haupt­gründe, warum dieses Impfpflichtgesetz nie über seine Phase eins hinausgekommen ist und bis heute nicht scharf geschalten wurde, denn da gibt es nicht nur verfassungsrecht­liche Bedenken, sondern da gibt es auch große datenschutzrechtliche Bedenken, die zum Beispiel der Geschäftsführer der Elga GmbH formuliert hat. Da gibt es aber auch verwaltungstechnische Bedenken innerhalb der Behörden, die sagen: Wie sollen wir diesen Moloch administrieren? Wie sollen wir, wenn dann die Einsprüche kommen, den ganzen Verfahrensweg abwickeln? Da sind die Behörden heillos überfordert, wenn das tatsächlich auf scharf geschaltet wird. Das heißt, die Umsetzbarkeit dieses Gesetzes ist ja gar nicht gegeben.


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Und zu guter Letzt die Verhältnismäßigkeit: Wir sprechen hier von einem ganz eklatanten Eingriff in die Grundrechte, wir sprechen hier von einem Eingriff in die Unversehrtheit des menschlichen Körpers  und dem muss schon ein gewaltiger Nutzen gegenüberste­hen, wenn so starke Grundrechtseingriffe erfolgen. Und was ist der Nutzen dieser Imp­fung? Bestenfalls ein Schutz vor schweren Krankheitsverläufen, dem aber ein massi­ver Grundrechtseingriff für alle Bürger gegenübersteht.

Verhältnismäßig heißt aber auch, dass wir Wirkung und Nebenwirkung besonders abwä­gen, besonders dann, wenn wir eine Behandlung an Gesunden durchführen. Es macht einen Unterschied, ob ich einen Krebskranken mit einem Präparat behandle, das viel­leicht auch tödliche Nebenwirkungen hat, oder ob ich einen Gesunden damit zwangsbe­handle. Das ist ein gravierender Unterschied, und das muss in die Überlegungen mit einbezogen werden. Allein aus diesem Grund kann aus meiner Sicht ein Impfstoff, der nur eine bedingte Zulassung hat, der keine vollständig vorliegenden Sicherheitsdaten hat, der eine sehr eingeschränkte Wirksamkeit hat, niemals per Zwang oder Pflicht ver­abreicht werden.

Zu guter Letzt möchte ich noch betreffend die Ehrlichkeit und den Vertrauensschutz der Bevölkerung appellieren. Alle Fraktionen, der Bundeskanzler, der Vizekanzler, Ihre Vor­gänger als Gesundheitsminister, alle haben der österreichischen Bevölkerung verspro­chen: Es wird keine Impfpflicht geben!, bis zu diesem ominösen politischen Kuhhandel zwischen Bund und Ländern im Herbst vergangenen Jahres, als auf einmal alles anders war und alle Parteien – außer der FPÖ – umgekippt sind und auf einmal eine allgemeine Impfpflicht beschlossen haben. Das ist ein Bruch des Vertrauensgrundsatzes und eine Unehrlichkeit, wie es sie in der österreichischen Politik schon lange nicht mehr gegeben hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Beenden Sie das! Heben Sie das Impfpflichtgesetz auf und nehmen Sie das Votum der Bürger im Rahmen dieses Volksbegehrens ernst, dann haben Sie noch eine Chance, dass Sie vielleicht erhobenen Hauptes rauskommen, ansonsten wird vermutlich der Ver­fassungsgerichtshof ab dem Tag, an dem das Impfpflichtgesetz scharf geschalten wird, dieses unsägliche Gesetz aufheben. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.


10.35.27

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei den Proponenten des Volksbegehrens dafür bedanken, dass sie dieses demokratische Instrument gewählt haben, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Ich möchte auch meinen Respekt gegenüber diesen etwa 270 000 Menschen in Österreich, die ihre Meinung auf diesem Weg kundgetan haben, zum Ausdruck bringen; das sind immerhin etwas mehr als 4 Prozent der Wahlberech­tigten.

Wenn wir uns fragen, wie dieses Impfpflichtgesetz zustande gekommen ist, dann müs­sen wir in dieser schnelllebigen Zeit einmal kurz zurückblicken: Zu Beginn des Jah­res 2020 ist ein neues Virus über eine immunologisch und auch ansonsten unvorbe­reitete Weltbevölkerung hereingebrochen. Es war in manchen Gegenden zum Teil dra­matisch, was sich dort abgespielt hat, in manchen Ländern, wie bei uns, hat man rasch reagiert, und daher war gerade die erste Welle relativ gut abzufangen. Es hat sich aber dramatisch weiterentwickelt, und trotz zum Teil eingreifender Präventionsmaßnahmen hatten wir zum Beispiel Ende 2020 eine Phase, an der jeden Tag zwischen 100 und 200 Menschen in unserem Land mit Covid verstorben sind. (Abg. Belakowitsch: Mit Covid!) Das war eine ganz starke Belastung und Herausforderung.


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Eine vorbildhafte internationale Zusammenarbeit hat es ermöglicht, dass Impfstoffe ge­gen Covid-19 entwickelt worden sind, primär mit dem Ziel, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern, aber durchaus auch mit der Hoffnung, dass man damit die Ausbreitung der Erkrankung, die Weitergabe bremsen könnte. Für den ursprünglichen Typ des Virus, Wildtyp Wuhantyp, hat das zugetroffen und auch für die erste Variante, die britische, die Alphavariante. Da hat der Impfstoff bestens gewirkt und hat auch Infek­tion und Weitergabe sehr gut gebremst.

Im Weiteren war es dann so, dass man Mitte vergangenen Jahres – und das war so ziemlich die anerkannte wissenschaftliche Ansicht – zum Schluss gekommen ist: Für die Geimpften ist die Pandemie weitgehend vorbei, und wenn genügend Menschen immuni­siert sind, dann kriegen wir sie überhaupt in den Griff.

Es hat sich dann doch anders entwickelt, wie wir wissen. Bei Delta, bei Omikron ist das dann nicht mehr so der Fall gewesen, aber unter dem Eindruck der verschiedenen – zum Teil eingreifenden – Präventionsmaßnahmen einerseits und der Notwendigkeit einer breiten Immunisierung andererseits ist dann die Idee des Impfgesetzes geboren worden. Allerdings war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Krankheitsgeschehen, das epide­miologische Geschehen ein sehr dynamisches ist und man deshalb auf die aktuelle Si­tuation Bezug nehmen muss.

Ganz besonders zu beachten ist, dass so eine Präventionsmaßnahme wie eine Impfung primär eine individuelle Sache der einzelnen Person ist. Es gibt aber zwei Situationen, in denen es die Gesamtbevölkerung betrifft: Das ist dann, wenn ungeschützte Personen gegebenenfalls das Gesundheitswesen so überlasten, dass es auch zum Schaden der Geimpften mit anderen Erkrankungen kommt. Und das Zweite: wenn man die Möglich­keit hätte, insgesamt auch die vulnerablen Gruppen durch breite Impfung zu schützen, und das nicht erreicht wird, weil sich soundso viele nicht impfen lassen. – Das sind die zwei Situationen, in denen man sagt: Da geht es über das Individuelle hinaus, da wird es zum gesellschaftlichen Anliegen.

Da die Sache sehr dynamisch ist, sich aufgrund der Varianten, der Wirksamkeit der Impf­stoffe und so weiter ändert, hat man das Gesetz als ein Rahmengesetz konstruiert – das heißt, dass aktuell vierteljährlich zu entscheiden ist: Ist die Verhältnismäßigkeit gege­ben? –, so kann es eingesetzt, so kann es ausgesetzt werden, weil allen klar war, dass man mit einem heutigen Wissensstand nicht präjudizieren kann, was in einem halben Jahr, in einem Jahr, in zwei Jahren der Fall sein wird.

Diese Ausgewogenheit, diese Angemessenheit hängt von vielen Faktoren ab: der Anste­ckungsfähigkeit, der Schwere der Erkrankung, dem bereits vorhandenen Immunschutz und den weiteren Behandlungsmöglichkeiten – da sind im letzten Jahr einige dazuge­kommen. Das alles ist zu berücksichtigen, wenn man sich grundsätzlich den Kopf darü­ber zerbricht, ob dieses Gesetz einzusetzen oder auszusetzen ist.

Es wurde dazu, dem Gesetz entsprechend, eine Impfpflichtkommission eingesetzt. Die Mitglieder der Kommission geben regelmäßig Einschätzungen ab – und sie sind nicht alleine –, die dann jeweils der demokratischen Kontrolle unterliegen, weil das durch den Hauptausschuss des Nationalrates bestätigt werden muss. Damit sind wir auf einem guten Weg und unter Abwägung aller Eventualitäten wirklich in der Lage, zu entschei­den, was für die kommenden Monate zielführend ist und was nicht.

Zu Recht ist die Impfpflicht derzeit nicht eingesetzt. Das ist aufgrund der vorhandenen Datenlage absolut nachvollziehbar.

Abschließend möchte ich den Expertinnen und Experten im Hearing des Gesundheits­ausschusses, die durch ihre sehr differenzierten Meldungen eine wirklich hochwertige Diskussion ermöglicht haben, ein herzliches Danke sagen. Mein Dank gilt außerdem den


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Persönlichkeiten in der Impfpflichtkommission, die eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe auf sich nehmen, und ich wünsche ihnen dazu eine gute und sichere Hand. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


10.41.51

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Wie kommt dieses Volksbegehren hierher? – Die Initiatoren machen das ja öfter: zwei Volksbegehren zu initiieren, eines mit Ja und eines mit Nein, um eine Art Abstimmungssituation zu erzeugen, und so war das auch in diesem Fall. Das ist ein, ich würde sagen, spannend zu beobachtendes Spiel mit den direktdemokra­tischen Elementen in unserer Verfassung. Das Hohe Haus würdigt solche Initiativen, indem Volksbegehren am Beginn der Tagesordnung stehen und wir dieser Debatte die beste Zeit und die größte Aufmerksamkeit widmen.

Kollege Smolle hat schon auf die Expertenkommission hingewiesen, die wahrhaft mit Dank zu überschütten ist, weil sie sich von der Politik die heiße Kartoffel hat hinüber­schieben lassen. Man muss ja auch jemanden finden, der dann bereit ist, diese Kartoffel anzufassen – also Respekt vor diesen Damen und Herren.

Ich möchte auch noch auf etwas Bezug nehmen, das der Herr Minister in den Medien gesagt hat, nämlich dass sich im Herbst alle wieder impfen lassen sollen. Da bitte ich doch darum, ein bisschen vom Tempo herunterzugehen – denn was sagt die EMA? – Die EMA empfiehlt die Auffrischungsimpfung dann für betagte Personen über 80 Jahre und für Risikopatienten und eben nicht pauschal für alle. Ich möchte eigentlich nicht ha­ben, dass der Minister es besser als die EMA weiß. Das wünsche ich mir nicht, sondern ich wünsche mir, dass wir auf die Experten hören. Die Experten müssen nämlich auch immer eines tun: sich dem anpassen, was sich an neuen Erkenntnissen ergibt.

Wir waren ja am Anfang alle in der Hoffnung, in der Erwartung, dass die Wirkung dieser Impfung besser ist und vielleicht sogar eine sterile Immunität bewirkt. Das ist nicht ein­getreten. Jetzt gibt es Impfstoffe, die gegen ein Virus, das nicht mehr zirkuliert, entwickelt worden sind. Wir haben ganz andere Varianten, und die neuen Impfstoffe, die auf die neuen Varianten ausgelegt sind, sind noch nicht verfügbar. Man sollte daher mit dem Aufruf, sich noch einmal impfen zu lassen, sehr vorsichtig und bedächtig umgehen und sich an den Experten orientieren und nicht über die Fachleute hinweg ein politisches Spiel spielen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.


10.44.29

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich nütze die Gelegenheit, auch ein paar Dinge klarzustellen. Ein Volksbegehren ist ein zutiefst demokratisches Instrument. Es ist gut, dass das im Parlament behandelt wird, und es ist auch mit dem entsprechenden Respekt vor dieser Meinungsäußerung damit umzugehen.

Zweite Vorbemerkung: Der Dank, den ich hier abstatten möchte, gilt erstens der Bevöl­kerung, die in den letzten beiden Jahren der Pandemie über weite Strecken die Maßnah­men auch sehr intensiv mitgetragen und mit dazu beigetragen hat, die Pandemie gut zu bewältigen. Dieser Dank gilt im Übrigen auch diesem Hohen Haus, in dem die Entschei­dungen in sehr weitreichenden Bereichen fast von allen Fraktionen auf breiter Front


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mitgetragen worden sind. Das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir ist klar – das hat jemand anderer formuliert, nicht ich –, dass eine Pandemie auch eine demokratiepolitische Zumutung ist, gerade einem Parlament gegenüber. Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen sind in einem unglaublich hohen Tempo und nicht im­mer unter Bedachtnahme auf die sonst üblichen parlamentarischen Vorgänge erlassen beziehungsweise beschlossen worden, und das ist eine demokratiepolitische Zumutung. (Abg. Belakowitsch: Sie sollten sich dafür entschuldigen, nicht bedanken!) Ich weiß das, und auch dafür möchte ich mich im Namen der Regierung bedanken, auch das ist nicht selbstverständlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sie sollten sich dafür entschuldigen!)

Frau Kollegin, ich wüsste nicht, wofür ich mich jetzt entschuldigen sollte. (Abg. Belako­witsch: Das sagt aber eh schon alles!) Frau Kollegin, das wüsste ich nicht. (Abg. Bela­kowitsch: Für das Aushebeln der Demokratie zum Beispiel! – Ruf bei der ÖVP: Beruhi­gen Sie sich! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich versuche, seriös mit den Argumenten umzugehen und die Debatte in aller Ruhe zu bestreiten. Die bisherigen Debattenbeiträge haben das getan: in wohltuender Art und Weise, sehr konstruktiv, sehr differenziert die Sache zu betrachten. Darüber bin ich sehr froh und dafür bin ich sehr dankbar. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte die Gelegenheit nützen, darüber zu reden, wie wir weiter tun, was angesagt ist. Ich kann Ihnen nur versichern, entgegen allen Hoffnungen – und ich verstehe das – ist die Pandemie einfach nicht vorbei, das ist so. Das würden sich alle wünschen, aber es ist einfach nicht der Fall. Wir haben aktuell in Portugal eine Ausbreitung der Varianten BA.4, BA.5, die inzwischen 50 Prozent der Varianten dort ausmachen, und auch stei­gende Zahlen im Infektionsgeschehen.

Man kann sich das alles anders wünschen, aber es findet eben nicht statt. Es ist einfach notwendig, mit einem gewissen Ausmaß an Vorsicht mit der Situation umzugehen. Bei allen Wünschen nach Normalität, bei allen Wünschen nach Beendigung der Pandemie ist es erforderlich, sich seriös auf die Herbst- und Wintersaison vorzubereiten. Wir tun das, indem wir mit 80 Expertinnen und Experten einen Maßnahmenplan erarbeiten, der vier Szenarien abbildet. Natürlich gibt es da auch ein Szenario – das ist das wünschens­werteste –, in dem wir eine Virusvariante haben, die wenig ansteckend ist, sich wenig dynamisch entwickelt und weitgehende Normalität zulässt. Das ist das bestmögliche Szenario, aber es ist nicht das einzig denkbare – und wenn es nicht das einzig denkbare ist, ist es angezeigt und verantwortungsbewusst, sich auch auf andere Szenarien vorzu­bereiten.

Wir hatten – nach dem ersten Pandemiesommer und nach dem zweiten Pandemiesom­mer – zweimal die Situation, mehr oder weniger überrascht feststellen zu müssen: Es ist im Herbst deutlich anders, als alle gehofft haben. Wir hatten dann auch mit massiven Verwerfungen im Gesundheitssystem zu kämpfen.

Ich sage Ihnen eines: Mittlerweile betrifft meine größte Sorge, wenn es um die Überlas­tung des Gesundheitssystems geht, nicht die Anzahl der belegten Intensivbetten, nicht die Anzahl der belegten Normalbetten. Am meisten Sorgen macht mir das Personal. Nach zwei Jahren Pandemie – und zuletzt wieder im März, mit deutlich steigenden Fall­zahlen und Ausfällen beim Personal – entstehen Situationen in den Spitälern, in den Alten- und Pflegeheimen, in den Behinderteneinrichtungen, die einfach nicht mehr zu bewältigen sind. Die Überlastung des Gesundheitssystems im Umgang mit der Pande­mie muss sich in Zukunft auch daran bemessen, wie es dem Personal in diesen Häusern geht und ob die Arbeit dort noch zu bewältigen ist. Das halte ich für absolut notwendig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Zur Impfung vielleicht Folgendes: Natürlich gibt es da unterschiedliche Empfehlungen. Aktuell lautet die Empfehlung zur Impfung: Die über 80-Jährigen mögen sich jetzt auffri­schen lassen und nicht bis zum Herbst warten.

Für die über 65-Jährigen gibt es die Empfehlung, sich mit ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt darüber zu beraten, ob das jetzt oder im Herbst angezeigt ist, aber jedenfalls gibt es auch die Empfehlung der Impfpflichtkommission, der Expertinnen und Experten, eine Auffrischung im Herbst jedenfalls vorzubereiten und den Menschen das auch so zu sagen, weil klar ist: Wir haben jetzt eine gute Immunisierungslage in der Bevölkerung, weil wir im März eine intensive Welle der Ansteckung hatten. Dadurch sind viele Men­schen genesen.

Auch die Durchimpfungsrate ist jetzt halbwegs gut, aber sie nimmt bis zum Herbst deut­lich ab. Das heißt, die Immunisierungslage nimmt genau zu dem Zeitpunkt Ende August, Anfang September ab, wenn wir damit rechnen müssen, dass eine neue Variante in welcher Form auch immer kommt.

Klar ist: Nein, eine Impfung schützt nicht vor Ansteckung. Nein, eine Impfung schützt nicht davor, vollkommen unbeschadet durch die Pandemie zu kommen, aber sie schützt nachweisbar davor, auf der Intensivstation zu landen, an Long Covid zu erkranken oder schwer zu erkranken. Das ist so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Wer sagt das? – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das ist in­zwischen der Wissensstand der Wissenschaft weltweit. (Abg. Belakowitsch: Es gibt Studien ...!)

Es gibt keine andere Impfung, die in diesem Ausmaß milliardenfach durchgeführt worden ist und deren Wirkung in der Weise, wie ich es jetzt dargelegt habe, erwiesen ist. Das ist Wissenschaft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Diese Wissen­schaftserkenntnis muss man bitte einfach einmal zur Kenntnis nehmen. (Abg. Belako­witsch: Sehr unwissenschaftlicher ...!) – Wissen Sie, mit der Wissenschaftlichkeit ist es so, dass inzwischen 98 Prozent der Wissenschafterinnen und Wissenschafter diese von mir hier vertretene Meinung teilen. Die sagen das so, 2 Prozent tun das nicht. (Abg. Belakowitsch: Glauben Sie das wirklich? Das ist, wenn man nur ...! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Das erinnert mich in gewisser Weise an die Debatte um den Klimawandel, die Klimaver­änderung, da war es genau gleich. (Abg. Fürst: Geh bitte! – Abg. Belakowitsch: Das mit dem Klimawandel ...!) Inzwischen ist es Common Sense: Das ist so, die Auswirkun­gen sind spürbar. Jetzt treten in der Wissenschaft diejenigen den Rückzug an, die gesagt haben, der Klimawandel findet nicht statt, weil inzwischen milliardenfach in den Kosten dargelegt ist, was das ausmacht. Es ist bei der Pandemie genau dasselbe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich würde einfach ersuchen – das ist die Bitte: Ich weiß, es gibt Teile der Bevölkerung, die das komplett ablehnen, aber der überwiegende Teil trägt das mit. Auch der überwie­gende Teil des Nationalrates, des Parlaments trägt diese Haltung mit (Abg. Belako­witsch: Aber nicht der Bevölkerung!) – auch der größte Teil der Bevölkerung. Dafür bin ich dankbar. Das ist der Weg, wie wir die Pandemie weiter bewältigen werden. Ich bin sehr dankbar für die weitgehend sachliche und korrekte Diskussion in dieser Frage. – Ich bedanke mich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.


10.53.00

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Gesundheitsminister hat uns gerade erzählt,


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die Pandemie sei nicht vorbei. – Ja, nein. Die meisten Stimmen sagen ja auch, man muss das eben jetzt behandeln wie Infektionskrankheiten, die wir schon kennen, mit denen man leben muss und die gerade in der Winterhalbjahreszeit immer wieder kom­men. Sie brauchen das nicht immer so wie eine dunkle Wolke in den Raum zu stellen: Die Pandemie ist nicht vorbei! – Nein, wir leben damit. Die Frage ist, wie man damit lebt.

Haben Sie sich den Parteitag der ÖVP angehört? Ich habe mir aufmerksam die Aus­sagen von Bundeskanzler Nehammer, Mister 100 Prozent, angehört, und es war un­glaublich, was er da gemeint hat. Es hat sich mit unserer Meinung gedeckt. Er meinte, Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung seien ganz wichtig. Die Freiheit gehöre zur DNA der ÖVP. – Super, dann gibt es ja nur einen Weg, mit diesen Infektions­krankheiten umzugehen, nämlich in klassischer Form: in Selbstbestimmung und Eigen­verantwortung und mit einem funktionierenden Gesundheitssystem, für das Sie zustän­dig wären. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann führen Sie hier als Beweis dafür, dass die Pandemie nicht vorbei ist, Portugal an – interessant. Da gibt es wieder Ausbrüche und Infektionswellen. – Ja, das mag sein, da­mit muss Portugal fertigwerden. Ich darf Sie nur darauf hinweisen, dass Portugal eine sehr, sehr hohe Impfquote hat. Da wurde auch sehr viel Druck gemacht, auch mit so einem Menschen im Tarnanzug. Die haben eine viel, viel höhere Impfquote als wir – an die 90 Prozent –, und Sie sprechen jetzt davon, dass dort so hohe Infektionswellen sind. Macht Sie das eigentlich nachdenklich? (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Gleichzeitig vertreten Sie hier immer noch die beschlossene Impfpflicht! – Das kann also nur ein Pfeiler sein, den man einfach anbietet und es den Menschen überlässt, ob sie davon Gebrauch machen oder nicht.

Dann sagen Sie unglaublicherweise: Am meisten Sorgen macht mir das Personal. – Seit Jahren ist das Gesundheitspersonal ein Problem, um das man sich nicht gekümmert hat; von uns unzählige Male thematisiert. Man hat das Gesundheitspersonal, um das Sie sich so sorgen, in den letzten zwei Jahren zu einem guten Teil vertrieben und die, die noch in diesem Bereich arbeiten, schikaniert. Viele überlegen, auszusteigen, wenn Sie nicht mit dieser Politik und vor allen Dingen mit dem Impfdruck aufhören, denn viele lehnen das ab.

So haben Sie es unglaublicherweise geschafft, dass wir 2022, zwei Jahre nach Ausbruch des Coronavirus, weniger Kapazitäten haben – weniger Betten, weniger Gesundheits­personal – als 2019. Das muss man zusammenbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil Herr Kollege Schallmeiner gemeint hat, die größte Gefahr für die Gesellschaft, für das Gesundheitssystem sind die Impfgegner (Abg. Schallmeiner: Die größte Gefahr sind die Coronaviren! Zuhören!), nur dazu ein paar Bemerkungen.

Erstens einmal: Die kategorischen Impfgegner würde ich jetzt am ehesten in Ihrer Partei verorten, sie fühlen sich da aber nicht mehr vertreten. Ich habe das nie ganz verstanden. Für mich fällt es unter die Meinungsfreiheit. Also das würde ich einmal als Wählerverrat bezeichnen.

Die größte Gefahr für das österreichische Gesundheitssystem ist aber diese Bundesre­gierung (in Richtung Regierungsbank), die hier nicht sitzt – der dritte grüne Gesundheits­minister –, die es eben nicht geschafft hat, in zwei Jahren auch nur ein zusätzliches Bett aufzustellen, und das bei all den Milliarden, die versenkt wurden. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sagen auch, 98 Prozent der Wissenschafter teilen jetzt schon Ihre Meinung. Ja, wenn man den Weg geht, dass man alle kritischen Stimmen unterdrückt, Ärzte, die eine andere Meinung haben und sich auch nur sachlich äußern, mit Disziplinaranzeigen über­zieht, sie wirklich bedroht und ihnen auch gar keine Bühne gibt, in die sachliche Diskus­sion einzusteigen.


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Sie haben das Expertenhearing erwähnt. Ja, wenn ich mir lauter genehme Experten nehme, dann komme ich so wie die ÖVP zu einer hundertprozentigen Zustimmung. Das heißt aber nicht, dass es so ist. Sie sind den Weg der kompromisslosen Grundrechtsein­schränkung und -verletzung gegangen. Anstatt hier eine Kehrtwendung zu machen, kommen Sie noch mit Sätzen daher wie: Gott sei Dank, ich kann da ja jetzt frank und frei agieren, denn in meinem Alter brauche ich mir nichts mehr anzutun.

Das sind sehr vertrauenserweckende Aussagen. Statt zuzugeben: Wir haben uns ver­rannt, die obersten Ziele, die wir genannt haben, konnten wir so nicht erreichen, wir bie­ten die Impfung an, wir schauen uns das an, wir wissen alle paar Monate mehr über die Treffsicherheit, aber wir lassen das freiwillig zu als einen Pfeiler in der Gesundheits­politik!, mit Aussagen daherzukommen wie: Ich lasse mir die Impfung nicht schlechtma­chen! – was soll das? Darum geht es nicht.

Sie sollen aufhören, Angst und Panik zu verbreiten und kritische Stimmen zu unterdrü­cken. Lassen Sie Diskussionen über die Nebenwirkungen zu, ob Sie sie jetzt für gerecht­fertigt, für übertrieben oder für was weiß ich halten! Lassen Sie die Diskussionen zu und nehmen Sie die dunkle Wolke von Österreich, die jetzt immer über uns schwebt: Die Pandemie ist nicht vorbei! Was bringt der Herbst? – Hören Sie auf damit! So geht man mit der Bevölkerung nicht um. (Beifall bei der FPÖ.)

10.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Saxin­ger. – Bitte.


10.59.01

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Im Rahmen des Gesundheitsausschusses wurde im Expertenhearing viel diskutiert: Wie geht es mit der Pandemie weiter, mit den Viren, mit den Mutationen? – Wir wissen es derzeit leider einfach nicht, kein Mensch weiß es. (Prä­sidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die berühmte Glaskugel, um in die Zukunft zu schauen, das wäre es, denken sich manche. Das ist nicht seriös, aber ich habe das Gefühl, auf diesem Niveau bewegen wir uns manchmal. Vielleicht eröffnen sich neue Gedanken und Ideen, wenn man eine Glas­kugel auch noch mit Ivermectin einbalsamiert, das wäre ein frommer Wunsch. Alle, die einen guten Draht nach oben haben, könnten sich dem frommen Wunsch von Kardinal Schönborn anschließen, der gesagt hat – ich zitiere –: „Lieber Gott, lass Hirn regnen“! (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesundheitsminister hat es auch schon erwähnt: Die Pandemie ist nicht vorbei, auch wenn wir alle uns das wünschen. Wir haben derzeit eine Art Verschnaufpause. Ein paar Tausend Neuinfektionen pro Tag sind auch nicht wenig, glücklicherweise ist die Omikronvariante aber derzeit moderat, sodass Kranken­hauseinweisungen und -aufenthalte selten sind.

Ich möchte ein paar Expertenmeinungen zitieren, mit welchen beim Hearing eigentlich eine klare Sprache gesprochen wurde. Ein Statement lautete: Die Pandemie ist keine Privatsache, Solidarität ist gefragt. Oder: Die Impfung bewirkt eine breite Immunität und stellt nach wie vor das wirksamste Mittel zur langfristigen Bekämpfung dar. Weiters: Die Covid-Impfstoffe sind die weltweit am besten untersuchten Arzneimittel. Die Impfungen wirken, sie schützen und es wurden Milliarden Personen geimpft. Je höher die Impfrate, desto niedriger die Todesrate – auch ein Faktum. Noch ein Statement: Das Impfgesetz macht Sinn, man kann flexibel handeln.

Ich habe schon erwähnt, dass leider kein Mensch derzeit sagen kann, wie es mit der Pandemie weitergeht. Die Regierung und das Gesundheitsministerium haben aber mit


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80 Experten einen Variantenmanagementplan erarbeitet. Wir agieren vorausschauend, wir haben einen Plan. Es gibt, wie schon erwähnt, vier Szenarien: Einen Idealfall, einen günstigen Fall, einen ungünstigen Fall und ein Worst-Case-Szenario, und wir können im Herbst je nach Variante reagieren.

Auch die Frage, ob es eine Impfpflicht geben wird oder nicht, ist geregelt. Das Impfpflicht­gesetz ist sehr flexibel aufgestellt. Es gibt die Impfpflicht-Kommission, die demnächst und dann wieder Ende August, also alle drei Monate, einen Bericht vorlegen wird. – Un­abhängig von der Impfpflicht ist es aber sehr wohl unsere Aufgabe, die Menschen von der Impfung zu überzeugen.

Liebe Frau Kollegin Fürst, noch ein Wort zur Maske: Das Aufheben der Maskenpflicht bedeutet nur, dass man nicht mehr muss, aber sehr wohl kann. Es steht jedem frei, weiterhin die Maske zu tragen, wenn man ein höheres Schutzbedürfnis hat. (Abg. Ste­fan: Das ist ja okay!) So schützt man sich am besten selbst. Ich verstehe nicht, warum das so schwierig sein soll! Die Masken sind leicht erhältlich, einfach zu verwenden, und sie schützen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stefan: Bravo!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen für den Herbst wesentlich besser vorbereitet sein als in den Jahren zuvor, und mit einem guten Impfstoff, einem flexiblen Impfpflicht­gesetz und einem Vier-Szenarien-Plan sind wir dafür gut gerüstet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


11.02.52

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerin! Herr Minister! Wie erwartet, haben wir heute die emotionale Debatte zum Thema Impfpflicht. Ich habe mich persönlich jetzt wirklich zweieinhalb Jahre bemüht, in diesem Zusammenhang mit Zahlen, Daten und Fakten zu operieren, und ich muss sagen: Das war nicht immer ganz einfach. Es wurde heute bei einigen Ausführungen von Kollegen auch wieder deutlich: Man musste sich jetzt zweieinhalb Jahre beschimpfen lassen. Auf ein so tiefes Niveau wie Frau Kollegin Meinl-Reisinger mit dem Ausdruck „fetzendeppert“ hat sich nicht jeder begeben, aber auch der Kardinal hat gesagt: „Lieber Gott, lass Hirn regnen“!

Wenn Sie heute die Ausführungen vonseiten der ÖVP und der Grünen und auch des Ministers gehört haben, dann können Sie feststellen: Keiner weiß konkret etwas, man hat sozusagen keine Glaskugel, und die Wissenschaft verändert sich. Sie haben jedoch zweieinhalb Jahre lang immer gewusst, dass wir die Dummen sind. Jeder, der versucht hat, dieses Thema eventuell von zwei Seiten zu sehen, war entweder  laut NEOS, Meinl-Reisinger  „fetzendeppert“ oder ohne Hirn – laut Kardinal , und es sind weitere Beleidigungen in diesem Zusammenhang gefallen.

Trotz dieser schweren Angriffe haben wir immer versucht, uns wirklich auf Zahlen, Da­ten, Fakten zu beziehen, und ich glaube, dass weite Teile der Bevölkerung gesehen haben, dass sie belogen wurden. Das ist, glaube ich, mittlerweile ganz, ganz vielen klar geworden, weil auch viele von jenen, die das geglaubt haben, auch nach drei oder vier Impfungen plötzlich schwer an Corona erkrankt zu Hause gelegen sind. Mittlerweile waren das Millionen in Österreich, und da hat halt eine gewisse Selbsterkenntnis ein­gesetzt. (Abg. Kucher: Wo bleibt die Entschuldigung?) – Eben, diese Entschuldigung von der Regierung oder von allen anderen Experten kommt gar nicht oder nur zaghaft. Da ich im Gesundheitsausschuss bin, weiß ich, dass sich auch die Meinung der Regie­rungsexperten geändert hat. Diese argumentieren jetzt vorsichtig und interessanterwei­se eigentlich im Sinne der FPÖ.

Herr Minister, ich habe Unterlagen mit, weil Sie gesagt haben, dass Sie nichts wissen, dass Sie aber ganz genau wissen, dass man mit einer vollständigen Impfung, also nach


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drei Mal oder vier Mal, vor einem schweren Verlauf geschützt ist. Herr Minister, ich darf Ihnen die Zahlen von voriger Woche von der Uni-Klinik in Innsbruck bekannt geben. Sie werden das nicht finden, denn das gibt es nur intern, denn das will nach wie vor keiner veröffentlichen. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Sie können die Zahlen von Inns­bruck aber gerne nachprüfen, Sie haben ja Kontakt (eine Tafel mit der Aufschrift „Lan­deskrankenhaus Innsbruck“ und der „Überschrift „Covid-Dashbord“ sowie mit Abbildun­gen von Grafiken und Zahlen auf das Rednerpult stellend), und Sie sehen hier: Am 12. Mai waren 16 Patienten auf der Coronastation. Von diesen 16 Patienten sind 16 Pa­tienten vollständig geimpft. Sie sehen hier die Zahl 4: Das sind jene vier Patienten, die auf der Coronaintensivstation liegen, obwohl alle vier vollständig geimpft sind. Den­noch hat der Minister jetzt vor 10 Minuten gesagt, dass er etwas ganz sicher weiß: Welt­weit sagen alle Wissenschaftler, dass man mit einer Coronaimpfung vor einem schweren Verlauf geschützt ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist aber nur eine von Dutzenden, Hunderten Falschmeldungen. So viel wie da an Vertuschung, Lüge und Propaganda passiert - - (Abg. Steinacker: Das ist eine Unterstellung! Alles zurücknehmen bitte!)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Sie wissen genau, welche - -


Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Vertuschung darf man sagen. Sie wissen, dass das passiert ist. Das poppt halt langsam auf. Es schafft nicht einmal China, auf Dauer alle so zu lenken, wie sie es gerne hätten.

Frau Kollegin Schwarz, Dorothee von Laer, also mit Sicherheit keine Freiheitliche, hat im letzten Hearing etwas ganz klar gesagt: Für sie ist vollkommen klar, dass das Risiko der Impfung und der Nutzen der Impfung bei unter 60-Jährigen ganz eindeutig gegen eine Impfung sprechen. Damit impliziert sie, dass es ganz klar Nebenwirkungen gibt. Mein Kollege Hauser und Frau Kollegin Belakowitsch werden aber auf die Nebenwirkun­gen noch einmal eingehen. Dorothee von Laer hat gesagt: Man kann maximal darüber diskutieren, ob bei über 60-Jährigen der Nutzen größer ist als das Risiko.

Man könnte das Thema noch unendlich lange ausführen. Ich möchte dem Minister nur etwas noch einmal sagen, weil ich, als ich gesagt habe, dass die Impfung auch töten kann, hier im Plenum fast verbrannt beziehungsweise gesteinigt worden bin. Es gibt jetzt auch in Italien die erste offizielle Entschädigung: 70 000 Euro vom italienischen Staat im Hinblick auf ein anerkanntes Todesopfer nach der Impfung. In diesem Zusam­menhang muss man auch wissen: Die Italiener haben heuer 150 Millionen Euro im Bud­get für Impfnebenschäden und Todesfälle freigeschaufelt. Das muss man, wenn man über die Impfpflicht spricht, einfach sagen: Alle Abgeordneten hier im Saal, die persön­lich und namentlich für diese Impfpflicht gestimmt haben  diese Liste gibt es, ich werde sie wieder veröffentlichen , haben damit sich selber auch für Todesfälle in die Verant­wortung gebracht, wenn das verpflichtend eingeführt wird, was geschehen ist, und auch persönlich dafür geradezustehen.

Wenn sich jemand als Erwachsener freiwillig impfen lässt, dann ist das seine Angelegen­heit. Sie haben jedoch hier im Parlament  mit ganz wenigen Ausnahmen nämlich von uns und drei oder vier Personen von den NEOS – dafür gestimmt, und dafür haften Sie meiner Meinung nach auch, auf alle Fälle moralisch.

Zum Abschluss sage ich noch etwas, auch für alle Bürger draußen: Wenn Sie der Mei­nung sind, dass hier sehr viel falsch gelaufen ist, und feststellen, dass wir von der FPÖ die einzige Partei sind, die hier auf Bürgerrechte, Freiheit und Schutz Wert gelegt hat und sich daran zweieinhalb Jahre lang trotz massiven Widerstands konsequent gehalten hat, dann bitte ich Sie: Unterstützen Sie uns mit Ihrer Stimme bei Wahlen! Nur durch demokratische Wahlen werden Sie das System nachhaltig verändern, und außer der FPÖ, den Freiheitlichen, gibt es keine Partei, die das sicherstellen wird. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.09



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 53

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belako­witsch. Bitte. (Abg. Kucher: Bitte entschuldigen Sie sich beim Minister!)


11.09.27

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren vor den Bildschirmen! Sie haben den Herrn Bundesminister vor wenigen Minuten hier herinnen gehört. Er hat gesagt, dass er natürlich nicht weiß, was im Herbst kommt. Er hat jetzt vier Szenarien ausarbeiten lassen. Der arme Herr Minister hat ja auch keine Glaskugel, aber eines weiß er ganz sicher: Die Impfung wirkt. Man weiß nicht, welches Virus zirkulieren wird, aber die Impfung wirkt. – Allein das, Herr Bundesminister, wäre es schon wert, einmal eine Entschuldigung abzugeben, weil das einfach nicht stimmen kann, weil das nicht zusammenpasst. Das ist ein Widerspruch in sich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Einzige, was diesem Bundesminister zu dem Chaos, zum Aushebeln der Demokra­tie in den letzten beiden Jahren eingefallen ist – abgesehen davon, dass er die Fiaker verbieten will; ich meine, es gäbe drängendere Probleme in unserem Land, das muss man auch sagen –: Er hat sich bedankt. Er hat sich beim Parlament dafür bedankt, dass eine große Mehrheit hier herinnen das alles akzeptiert hat, dass es einer großen Mehr­heit vollkommen egal war, dass das Parlament durch Ermächtigungsgesetze ausge­schaltet war. Nicht der Gesundheitsminister persönlich, sondern seine beiden Vorgän­ger, deren Namen Sie nicht mehr wissen müssen – und es ist auch gut, dass sie nicht mehr da sind – haben einfach geschaltet und gewaltet. Geschaltet und gewaltet ist da geworden, da ist aufgehoben worden oder nicht aufgehoben worden. Nicht einer hat sich dafür entschuldigt, dass das Verfassungsrecht mit Füßen getreten worden ist, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Dafür, Herr Bundesminister, hätten Sie sich heute entschuldigen können, und nicht auch noch Danke dafür sagen. Das ist der Wahn­sinn, der hier passiert ist.

Jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema, es geht nämlich um eine Impfpflicht. Jetzt wird so getan, als gäbe es das eh gar nicht mehr, und Kollege Saxinger erzählt irgendet­was: Ja, das Gesetz ist ja so konstruiert, dass ...! – Nach wie vor ist das Impfpflichtgesetz ein in Österreich gültiges Gesetz. Es hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Bürger in diesem Lande und bereitet sehr, sehr vielen Bürgern große Sorgen, und täglich werden es mehr. Das sage ich Ihnen auch. (Abg. Michael Hammer: Ach so? Wo denn?) – Was? (Abg. Michael Hammer: Wo werden es denn mehr?) – Ja, das ist die Frage. Das ist genau Ihr Problem, Herr Kollege Hammer. Sie sollten sich mit den Fakten auseinandersetzen. Sie haben die Leute zunächst einmal in eine Impfung hineinge­drängt, hineinmanipuliert. Was für großartige Sachen sind da aufgebaut worden: Das ist der Gamechanger! Wir werden die ganze Pandemie damit besiegen! – Die Leute sind dann unter Druck gekommen. Viele haben sich halt impfen lassen, weil sie Angst um den Arbeitsplatz hatten. Andere haben sich impfen lassen, um ihr Leben leben zu kön­nen. Vor allem junge Menschen haben Sie da hineingedrängt.

Dann kam es dazu: Der erste Stich hat nicht gereicht, sondern es hat einen zweiten gebraucht. Wissen Sie, was dann passiert ist? – Zum dritten Stich ist nur noch die Hälfte der Bürger hingegangen. Da hat Ihnen schon ein Viertel derer, die sich den ersten und zweiten Stich noch geholt haben, gesagt: Danke schön.

Wenn Sie sich jetzt anschauen, wie die Stimmung ist: Wissen Sie eigentlich, was drau­ßen los ist (Abg. Michael Hammer: Ja, wir wissen es besser als ihr! Ihr seid in eurer Blase!), wie viele Personen langfristig an den Folgen dieser Impfung leiden? (Abg. Mi­chael Hammer: Ja, ja! Ihr seid beeinträchtigt, ja!) – „Ja, ja!“, sagt er. Es ist Ihnen egal, dass junge Menschen wochenlang mit Herzmuskelentzündung im Krankenhaus liegen. Das kostet Sie ein „Ja, ja!“. Deren Leben ist verpfuscht, deren Karrieren, deren Sport­lerkarrieren können sie an den Nagel hängen, und Ihnen ist es egal. Diese Leute lassen


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Sie auch noch im Stich, weil es im Gegensatz zu anderen Ländern ja noch nicht einmal gescheite Entschädigungen gibt. Das sind Tatsachen. (Beifall bei der FPÖ.) Für die müssen Sie halt auch die Verantwortung übernehmen, nicht nur die Österreichische Volkspartei und die Grünen, sondern jeder einzelne Abgeordnete der SPÖ und der NEOS, die dafür gestimmt haben, dass es eine verpflichtende Impfung gibt.

Es hat noch nie in der Geschichte einen schlimmeren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte als diese Impfpflicht gegeben, meine Damen und Herren (Beifall bei der FPÖ), und daher werden wir bis zum Letzten kämpfen, bis dieses Unrechtsgesetz wieder gefallen ist, meine Damen und Herren – darum geht es! (Abg. Kucher: Was können die ... dafür? – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Weil ich noch nicht fertig bin, weil das ja nicht das Einzige ist, mit dem Sie die Bürger draußen quälen: Nach wie vor gibt es nur in Österreich das Impfpflichtgesetz. Weltweit, sagt der Herr Minister, sind sich alle einig, wie großartig das ist. Nur: Weltweit gibt es keine Impfpflicht, und weltweit gibt es auch keine Maskenpflicht mehr, Herr Bundesmi­nister. Auch das ist ein österreichisches Unikum: dass man die Maske aufsetzen muss, wenn man im Supermarkt arbeiten muss, dass man in den Banken die Maske aufsetzen muss. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit ist aus!) Bald braucht man sie in keinem Flieger mehr, aber in den Österreichischen Bundesbahnen sitzt man stundenlang mit einer Mas­ke. Das ist doch nicht normal! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre tolle Frau Reich hat es ja gesagt: Es geht um die psychologische und soziale Ge­wöhnung. – Meine Damen und Herren, wir brauchen keine psychologische und soziale Gewöhnung. Eine Maske soll tragen, wer möchte. Wenn jemand glaubt, es hilft ihm, soll er sich fünf Masken umbinden. Lassen Sie aber bitte den Großteil der österreichischen Bevölkerung jetzt endlich in Ruhe!

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ende der Mas­kenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang in allen Lebensbereichen und insbesondere im Handel und in den öffentlichen Verkehrsmitteln unmittelbar zu beenden, um so die derzeit bestehenden Ungleichbehandlungen von Angestellten im Handel und in anderen betroffenen Berufsgruppen zu beseitigen und die Lebensqualität der Konsumentinnen und Konsumenten zu steigern.“

*****

Ich bitte um Ihre Zustimmung im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der FPÖ.)

11.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Peter Wurm, Hermann Brückl, Dr. Dagmar Belako­witsch, Mag. Gerhard Kaniak

und weiterer Abgeordneter

betreffend Ende der Maskenpflicht nach Nehammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 55

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 1) Bericht des Gesundheitsausschusses über das Volksbegehren (1179 d.B.) "Impfpflicht: Striktes NEIN" (1436 d.B.) in der 158.Sit­zung des Nationalrates am Mittwoch, dem 19. Mai 2022

Obwohl die Bedrohungslage durch Corona aktuell nicht mehr gegeben ist, werden ein­schlägige Gesetze wie das Covid-19-Maßnahmengesetz bzw. die entsprechenden Re­gelungen im Epidemiegesetz 1950 neuerlich verlängert.

Und auch am Covid-19-Impflichtgesetz hält man trotz fehlender Bedrohungslage durch Corona weiterhin fest und hat derzeit lediglich die Aussetzung der Anwendung zuge­lassen. Ebenso verhält es sich mit der Maskenpflicht im Handel, in den Banken oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer hat am Bundesparteitag am 14.Mai 2022 in Graz folgendes zu den Delegierten gesagt:

„So viele in so einem kleinen Raum heißt auch: So viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr! Schön, dass ihr da seid!“

Damit hat Nehammer alle Corona-Maßnahmen, die noch aufrecht sind, für überflüssig erklärt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang in allen Lebensbereichen und insbesondere im Handel und in den öffentlichen Verkehrsmitteln unmittelbar zu be­enden, um so die derzeit bestehenden Ungleichbehandlungen von Angestellten im Han­del und in anderen betroffenen Berufsgruppen zu beseitigen und die Lebensqualität der Konsumentinnen und Konsumenten zu steigern.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, auch ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


11.15.21

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja wirklich fast unerträglich, Kollegen Kucher da zu hören, der permanent die Unwahrheit über das Ivermectin spricht. (Heiterkeit bei Abge­ordneten von SPÖ und Grünen.) Es ist überhaupt so, dass die Grünen als die Vertreter der Pharmaindustrie auftreten. Also es ist unfassbar, was hier abläuft. Ihr habt nur eine Platte, die ihr seit zweieinhalb Jahren abspielt, und die geht so: Impfen, impfen, impfen! Ihr seid beratungsresistent, euch ist die Bevölkerung vollkommen egal.

Kollege Wurm hat es hier schon festgestellt, und man hört es, wenn man sich meine Kolleginnen und Kollegen von der freiheitlichen Fraktion als Vorredner anhört: Wir sind die einzige Partei (Abg. Michael Hammer: Fakenewspartei, ja! FPÖ: Fakenewspartei Österreichs!), die die Bürgerrechte und die Freiheitsrechte der Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich verteidigen. (Beifall bei der FPÖ.) Schaut euch das an! Lasst uns nicht im Stich! Gemeinsam müssen wir gegen dieses System auftreten und stärker werden. (Abg. Michael Hammer: Ihr werdet nicht mehr stärker!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 56

Ihr denkt ja nie über unseren Plan B nach. – Bitte ein bisschen Ruhe! – Impfen, impfen, impfen, das ist das, was ihr wollt. Plan B ist rechtzeitige medizinische Behandlung. Die Zuseher vor den Bildschirmen hören das, was wir sagen, sie hören auch, wie unquali­fiziert die Zwischenrufe sind. Wir sagen: Behandelt die Personen rechtzeitig medizinisch, es gibt gute Medikamente! Lasst die Leute nicht von der Polizei besuchen, sondern schaut, dass Ärzte vorbeischauen und dass medizinisch sofort eingegriffen wird – auch Vitamine nützen!

Zu Ivermectin, Kollege Kucher: Das, was du heute und hier über dieses Medikament gesagt hast, entspricht keiner Wahrheit. Erstens gibt es das Ivermectin bereits in Öster­reich in Form des Scabioral. Das kann man erwerben, das kann medizinisch verschrie­ben werden. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Zweitens, in deine Richtung: Die Weltge­sundheitsorganisation hat für das Jahr 2021 eine Liste der wesentlichen Medikamente herausgegeben. (Abg. Kucher: Alles gut!) Da ist das Ivermectin zwei Mal gelistet, die Impfung übrigens überhaupt nicht.

Viel Weiteres ist noch zu sagen: Jüngst hat mich das „Profil“ verrissen. An die, die mehr Informationen seriöser Natur zu Ivermectin haben wollen: Lest den aktuellen Bericht im „Wochenblick“! (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.) Da könnt ihr das nachlesen, mir fehlt die Zeit. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: So ein Schwachsinn!)

Herr Minister, Sie schulden mir die Antwort. Sie können jetzt verzweifelt ins Handy hi­neinschauen, Sie schulden mir die Antwort. Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich Sie das frage: Wie können Sie eine Impfung verantworten, deren Wirksamkeit und Sicherheit – und ich wiederhole: deren Wirksamkeit und Sicherheit (Zwischenruf des Abg. Stög­müller) – gegenüber der Arzneimittelbehörde bei Moderna erst im März 2024 und bei Biontech/Pfizer erst im Juli 2024 festgestellt wird? (Der Redner stellt eine Tafel mit den Aufschriften „Die Wirksamkeit des Moderna Impfstoffs wird erst am 31.03.2024 durch die EMA bestätigt werden!“ und „Die Wirksamkeit des Pfizer/BioNTech Impfstoffs wird erst im Juli 2024 durch die EMA bestätigt werden!“ auf das Rednerpult. – Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Dann gehen die Kollegen von der grünen Fraktion her und vergleichen diese Impfung mit klinisch getesteten, erprobten Impfungen. Ihr vermischt da Äpfel und Birnen. Herr Minister, Sie schulden mir die Antwort. (Abg. Michael Hammer: Auf so einen Blödsinn antwortet niemand! – Abg. Steinacker: Nur weil man ..., weiß man nichts besser!) Sie schulden mir auch eine Antwort darauf, dass die Firma Pfizer gegenüber der Börsenauf­sichtsbehörde SEC erst vor Kurzem selber zur eigenen Impfung festgestellt hat: Wir werden mit größter Wahrscheinlichkeit nie die Wirksamkeit und Sicherheit des eigenen Impfstoffes beweisen können!

Ja, Herr Minister, Sie diskutieren schon wieder mit Ihrer Kollegin. (Abg. Stögmüller: Ja, weil man so viel Blödsinn nicht verträgt!) Sie sollten einmal aufpassen. Wenn Sie schon uns nicht zuhören, geben Sie doch der Bevölkerung die Antwort, wieso Sie eine Impfung forcieren, deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht festgestellt ist (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) und für die in Europa nur eine bedingte Zulassung vorliegt! Erklären Sie der Bevölkerung, wieso Sie diese massiven Impfschäden in Kauf nehmen, Herr Minister! (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „EMA-Datenbank ‚vermutete‘ Nebenwir­kungen und Todesfälle in zeitlicher Nähe zur COVID-19 Impfung“ und einer Tabelle auf das Rednerpult.) Die Todesfälle (Abg. Michael Hammer: Da kann jeder etwas wissen! Wunderbar!), aktuell ausgehoben am 14. Mai: bei einer Meldequote von 6 Prozent 24 712 an die EMA gemeldete Todesfälle, in Summe 1 776 194 Fälle mit Nebenwirkun­gen, bei 6 Prozent. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Das, Herr Minister, sind 27 Millionen Nebenwirkungen – und Sie sagen uns, Sie lassen sich die Impfung nicht schlechtreden? (Abg. Leichtfried: Und das allein in Österreich!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 57

Ja, Herr Minister, erklären Sie uns das, wieso Sie so über diese Impfung drüberfahren! Kollege Wurm hat das für Innsbruck mit internen Daten gemacht (Ruf bei der SPÖ: Die Redezeit ist aus!), ich sage Ihnen die offiziellen Daten (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, auf der unter dem Titel „UK: COVID-19 Todesfälle Geimpft / Ungeimpft KW 9 2022 – KW 12 2022“ Prozent- und Mengenangaben zu sehen sind): Innerhalb der letzten drei Wochen im März, Herr Minister, waren in England von den 100 Prozent an Corona verstorbenen Patienten 92 Prozent voll immunisiert – 92 Prozent voll immunisierte Per­sonen (Abg. Leichtfried: ... Kollege Hauser! ... für die nächste Rede ...!) –, und Sie sa­gen in unsere Richtung: Es gibt kaum Todesfälle und kaum schwere Nebenwirkungen! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

Sie klauben schon wieder in Ihrer Mappe herum, anstatt dass Sie sich endlich einmal diese Argumente anhören. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ottenschläger und Pfurt­scheller. – Ruf: Das kann man nicht anhören!) Wissen Sie, Herr Minister, mir fehlt die Zeit, und ich höre mit Prof. Radbruch auf. (Der Redner stellt eine Tafel auf das Redner­pult, auf der unter dem Titel „Stellungnahme Prof. Dr. Andreas Radbruch“ Zitate von Prof. Dr. Radbruch zu sehen sind.) Herr Prof. Radbruch ist im Deutschen Bundestag als Experte aufgetreten (Zwischenruf des Abg. Stögmüller), und er hat mit seiner Expertise im Deutschen Bundestag – ob euch das jetzt passt oder nicht passt – wesentlich dazu beigetragen, dass der Deutsche Bundestag eine Impfpflicht abgelehnt hat. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wissen Sie, Herr Prof. Andreas Radbruch ist weltweit einer der bekanntesten Immunologen überhaupt, die es gibt. Er hat folgende Kernsätze festge­stellt, und das solltet ihr euch endlich einmal in euer Stammbuch hineinschreiben – und Sie, Herr Minister, sollten zuhören und nicht so arrogant wegschauen und weghören! Passen Sie auf, was ich Ihnen jetzt von Herrn Professor Radbruch zitiere!

Er sagt Folgendes: „Wiederholtes ‚Boostern‘ sättigt das Immunsystem“ – bringt nichts. „Man hat also durch dreimaliges Boostern quasi sein ‚immunologisches Pulver verschos­sen‘“. Das vierte Mal, das fünfte Mal, das nützt nicht, das Immunsystem wird immer nur mehr geschädigt – das sagt ein weltweit anerkannter Immunologe –, und zum Schluss: „Eine Impfpflicht wird es erschweren, bei künftigen Infektionswellen angepasst impfend zu reagieren“.

Das betrifft die Grippe, was auch immer. Das sind die Leitsätze. Wenn Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, außer Gelächter auch ein bisschen diese Argumente ernst nehmen würden, würden Sie heute und hier dieses Impfpflichtgesetz aufheben, abset­zen und endlich die Bürgerrechte freisetzen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Also das war die ... Rede dieser beiden Tage, außer der Kollege Hauser kommt noch einmal, dann kann man das nicht mit Sicherheit sagen!)

11.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


11.23.00

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bundesregie­rung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Frau Kollegin Belakowitsch hat mich gerade als Expertin für eh alles bezeichnet – das sei dahinge­stellt. Ich sage Ihnen, ich stehe hier als Risikopatientin, und deshalb bin ich, wie Milliar­den andere Menschen auf dieser Welt, froh, dass es diese Impfung gibt, denn diese Impfung schützt mich und Hunderttausende andere vor einer schweren Erkrankung und vor einem Aufenthalt in der Intensivstation – Faktum. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Weil die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ immer auf dem Krätzmilben- und Pferde­wurmmittel herumreiten, sei eines gesagt (Zwischenrufe bei der FPÖ): Die indische Stu­die, auf die Sie sich berufen, hatte 13 Probanden, und der Produzent von Ivermectin hat


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 58

sich bereits mehrmals in der Öffentlichkeit distanziert (Abg. Belakowitsch: Das glaub ich nicht ...!) und gesagt, dass Ivermectin bei Covid ein völlig untaugliches Arzneimittel ist – Punkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es tut mir leid, mein Kollege Philip Kucher hat eine Entschuldigung eingefordert, die ist nicht gekommen. Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir sagen, dass die Impfung nützt und schützt. Das wird auch so bleiben. Ja, die Hoffnungen waren groß, dass die Infektionsketten mehr unterbrochen werden können, als es de facto war, aber Fakt ist auch, dass wie gesagt die Impfung vor einer schweren Erkrankung und Hospita­lisierung schützen kann. Das betrifft vor allem ältere Menschen, und ich persönlich überlege mir auch gerade, ob ich eine vierte Impfung nehmen soll oder nicht, weil ich mich eben besser schützen möchte. (Abg. Belakowitsch: Aber freiwillig bitte!)

Was mir in der Diskussion im Laufe der Zeit so ein bisserl abhandengekommen ist, ist das, was der Minister auch erwähnt hat und was selbstverständlich auch die ExpertInnen im Expertenhearing im Gesundheitsausschuss erwähnt haben: Die Impfung wirkt des­halb so gut oder noch besser, je mehr Menschen sich impfen lassen. Es muss uns klar sein: Die Impfung ist auch ein Akt der Solidarität (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und es ist auch ganz klar, dass dieses Impfpflichtgesetz, das wir mit 80 Prozent Zustim­mung hier in diesem Hohen Haus – außer dem Sektor der Freiheitlichen waren nämlich alle dafür – eingeführt haben, ein Werkzeugkoffer ist, wobei immer die Verhältnismäßig­keit und die verfassungsrechtliche Grundlage geprüft werden, und das ist auch jetzt der Fall. Das heißt, es ist kein Zwang (Abg. Belakowitsch: Sicher ist es Zwang!), es ist ein Impfpflichtgesetz, das ausgesetzt und eingesetzt werden kann, und dabei bleibt es auch. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Mein Appell an Sie – egal, welche Zettel da vorne von Herrn Kollegen Hauser hingestellt werden –: Informieren Sie sich, reden Sie mit Ihrer Hausärztin, reden Sie mit Ihrem Haus­arzt, reden Sie mit Menschen, die tatsächlich Expertise haben und nicht irgendwelche ominösen Dinge aus irgendwelchen Beipackzetteln oder sonst irgendetwas herauszie­hen! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir werden im Laufe des Sommers unser Möglichstes tun, um die Bevölkerung wirklich zielgerichtet über die Sinnhaftigkeit der Impfung zu informieren. Wir hoffen, dass die Wissenschaft weiterhin derartig zügig voranschreitet, um auch den zukünftigen Varian­ten, die leider Gottes nach wie vor erhalten bleiben werden, dementsprechend begegnen zu können.

Ich appelliere an Sie alle – die Kollegen, die vis-à-vis sitzen, werde ich wohl ausnehmen müssen –, aber vor allem an Sie daheim: Nützen Sie die Möglichkeit, informieren Sie sich! Impfen nützt und schützt! Ich wünsche Ihnen: Bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.26


11.26.31

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich mit dem Abstimmungsvorgang fortfahren kön­nen. – Mir wird Zustimmung signalisiert. Dann gehe ich auch so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Gesundheitsausschusses, seinen Bericht 1436 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zei­chen. – Der Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 59

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Er­win Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ende der Maskenpflicht nach Ne­hammers Ankündigung am ÖVP-Parteitag“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

11.27.332. Punkt

Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII. GP) (1426 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Lopatka, bevor ich Ihnen das Wort erteile – Sie können am Redner­pult stehen bleiben –, begrüße ich zuerst Frau Bundesministerin Edtstadler im Hohen Haus. Ich begrüße aber auch jene Bürgerinnen und Bürger, die sich am Bürgerforum der EU-Zukunftskonferenz beteiligt haben und heute auch hier im Hohen Haus sind. – Herz­lich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Herr Abgeordneter Lopatka, jetzt gelangen Sie zu Wort. – Bitte.


11.28.30

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Bundesministerinnen und liebe Zuseherinnen und Zuseher, die nach wie vor, auch nach drei solchen Wortmeldungen, wie wir sie vorhin von der FPÖ gehört haben, auf Sendung sind! Ja, manchmal muss man sich Eigenartiges anhören. Wir kommen aber jetzt wieder, so hoffe ich, zu einer sachlichen Debatte zurück, denn die Zukunft der Europäischen Union ist unsere gemeinsame Zukunft.

So hat es auch die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede gesehen. Sie wollte diese Konferenz zur Zukunft Europas sofort am Beginn ihrer Amts­zeit mit der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt rücken, aber wie bei so vielem ist auch da Corona dazwischengekommen. In Wirklichkeit ist die Zu­kunftskonferenz auch ein Opfer der Coronapandemie und natürlich jetzt – vor allem, was die Aufmerksamkeit für die Zukunftskonferenz betrifft – der Invasion von Putin in der Ukraine.

800 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger – einige sind hier und werden auch am 24. Juni hier im Haus sein, um gemeinsam mit Europaabgeordneten, mit Regie­rungsvertretern und mit uns, den Parlamentariern, nochmals den Blick zurück zu ma­chen, was die Zukunftskonferenz betrifft, aber auch nach vorne zu sehen, wie wir diese Ergebnisse auch nationalstaatlich weiterbehandeln können.

Die Konferenz hat dann letztendlich ein Jahr später begonnen, vieles war online. Unser Parlament hat sich intensiv eingebracht. Dafür möchte ich zu Beginn ein Danke an alle Fraktionen sagen. Alle Fraktionen waren mit Unterstützung durch die Demokratiewerk­statt bereit, mit denen, die von der Zukunft Europas am meisten betroffen sind – das sind die jungen Österreicherinnen und Österreicher –, zu arbeiten und mitzudenken.

Es sind aber nicht nur junge Österreicherinnen und Österreicher, wir wollen in Zukunft auch unsere Nachbarn des Westbalkans in der EU sehen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Frankreich – konkret unsere Kolleginnen und Kollegen vom Assemblée nationale – bereit waren, einerseits hier in Wien, andererseits aber auch in Paris mit Jugendlichen aus allen Westbalkanstaaten entsprechende Konferenzen zu machen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 60

Was ist bei dieser Zukunftskonferenz herausgekommen? – Eigentlich viel! Es gibt 49 Vor­schläge, es gibt 200 Maßnahmen – das würde sich eine ernsthafte Weiterarbeit verdie­nen. Die Zukunftskonferenz schlägt nämlich unter anderem vor, das Prinzip der Einstim­migkeit in vielen Politikfeldern abzuschaffen. Das ist ein wesentlicher Schritt, wenn man eine stärkere Europäische Union will, denn wir erleben gerade in der Außenpolitik oft mit, dass ein Staat alles verhindern kann. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Zuletzt war es immer wieder Ungarn, es könnte aber auch Malta sein, wer auch immer. Es ist schade, wenn nur ein Staat eine Weiterentwicklung, ein rasches Handeln bremsen oder blockie­ren kann.

Man will von diesem Einstimmigkeitsprinzip abgehen, man will dieses Prinzip nur in we­nigen Bereichen – wie bei der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten oder bei Änderungen der Grundprinzipien der Europäischen Union – beibehalten. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Es gibt auch Punkte, bei denen ich skeptisch bin, wie bei der Schuldenaufnahme. In der Ausnahmesituation bei Corona habe ich das eingesehen, aber ich bin sehr skeptisch, dass es in Zukunft leichter möglich sein soll, Schulden zu machen.

Der entscheidende Punkt ist: Was machen wir mit den Ergebnissen der Zukunftskon­ferenz? Wir wissen, dass wir bei den großen Fragen eine stärkere Europäische Union brauchen: Klimawandel, Friedenssicherung, Sicherung der Welternährung – erst ges­tern hat UN-Generalsekretär Guterres sagen müssen, die Zahl der Menschen, die hun­gern, die furchtbar hungern, ist von 130 Millionen auf 270 Millionen angestiegen –, die Migrationskrise und – um zum Schluss auch ein positives Thema zu erwähnen – die Digitalisierung. All das kann nationalstaatlich nicht erledigt werden. Ja, wir brauchen da zweifelsohne eine Weiterentwicklung der Europäischen Union. Um unseren Wohlstand zu sichern, brauchen wir gemeinsame Investitionen in Forschung, in Entwicklung. Zwei­felsohne brauchen wir ein gemeinsames Vorgehen, wollen wir unsere Außengrenzen sichern, wollen wir den Frieden in Europa halten, wollen wir eine an Werten orientierte gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. Ja, da gibt es vieles, bei dem es einen Mehrwert der EU gibt.

Auf der anderen Seite sage ich auch, die Europäische Union muss sich auf die großen Aufgaben konzentrieren. Ich halte wenig davon, wenn sich die Europäische Union in anderen Bereichen in innerstaatliche Angelegenheiten einmengt. Wovon rede ich? – In der Sozialpolitik (Zwischenruf der Abg. Steger), der Familienpolitik, der Arbeitsmarktpoli­tik sehe ich erhebliche Spaltungspotenziale und die Probleme als größer als den gemein­samen Mehrwert an.

Ich glaube, die Europäische Union funktioniert dann, wenn sie sich auf ihre Grundprin­zipien besinnt. Ein Grundprinzip ist die Subsidiarität und die Eigenverantwortung der Na­tionalstaaten. Das ist kein Widerspruch! In den großen Sachen brauchen wir mehr Euro­pa, in anderen Angelegenheiten spielen nach wie vor wir als nationalstaatliche Parla­mente (Zwischenruf der Abg. Steger), unsere Regierungen eine ganz wesentliche Rolle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Follow-up zur Konfe­renz zur Zukunft Europas“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 61

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich im Rahmen des Folgeprozesses zur Zukunfts­konferenz dafür einzusetzen, dass die EU-Institutionen den Vorschlägen der Bürgerin­nen und Bürger rasch durch konkrete Reform- und Gesetzinitiativen nachkommen.

Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, für den Fall, dass der Folgeprozess zu den Ergebnissen der Zukunftskonferenz in die Einberufung eines europäischen Kon­vents zur Reform der EU münden sollte, eine aktive Rolle in ebendiesem einzunehmen sowie sich im Rahmen etwaiger Verhandlungen zur Ausgestaltung eines Konvents dafür einzusetzen, dass eine Teilnahme aller Fraktionen des österreichischen Parlaments er­möglicht wird“.

*****

So sind wir, echte Demokraten: Alle Fraktionen, auch Freiheitliche, bei all ihrer Kritik, sollen dabei sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, BSc, Michel Reimon, MBA, Dr. Nikolaus Scherak, MA

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 2 Bericht des Ständigen Un­terausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rah­men der Europäischen Union gemäß Art. 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best pratices on communication (85342/EU XXVII.GP) (1426 d.B.)

Die von der EU im Mai 2021 initiierte „Konferenz zur Zukunft Europas“, der größte Bür­gerdialog zur Weiterentwicklung der Europäischen Union, fand am 9. Mai 2022 in Straß­burg ihren Abschluss. Die Konferenz bot den Bürgerinnen und Bürgern in der EU in dia­logorientierten Foren die Möglichkeit, ihre Empfehlungen hinsichtlich brennender Zu­kunftsfragen und der Bewältigung interner und externer Herausforderungen der Union zu formulieren und gemeinsam mit den EU-Institutionen, den nationalen Parlamenten sowie Sozialpartnern Ideen zur Weiterentwicklung der EU zu erarbeiten. Im Verlauf der Konferenz fanden zahlreiche Diskussionsveranstaltungen und Austauschformate in al­len 27 EU Mitgliedstaaten, darunter auch in Österreich, statt. Auf der mehrsprachigen digitalen Plattform der Zukunftskonferenz wurden mehr als 16.000 Ideen eingebracht.

Auch den nationalen Parlamenten bot die Konferenz die Möglichkeit, an diesem europa­politischen Reflexionsprozess mitzuwirken. Das österreichische Parlament war mit vier Vertreterinnen und Vertretern in vier von insgesamt neun Arbeitsgruppen der Plenarver­sammlung der Konferenz zu den Themen Klimawandel und Umwelt, Gesundheit, stärke­re Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze, EU in der Welt, Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Digitaler Wandel, Europäische Demokratie, Migration so­wie Bildung, Kultur, Jugend und Sport vertreten. Die 49 konkreten Vorschläge der neun Arbeitsgruppen, erarbeitet auf Grundlage der Anregungen aus den Bürgerforen und der digitalen Plattform, wurden am 30. April 2022 in der Plenarversammlung der Konferenz angenommen und der Endbericht1 am 9. Mai 2022 feierlich den Präsidentinnen und dem Präsidenten der drei EU-Institutionen übergeben.


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Im österreichischen Parlament fand ein permanenter Austausch unter allen fünf Parla­mentsfraktionen zum Fortgang der Zukunftskonferenz statt. Alle Fraktionen haben sich u.a. unter Einbindung von und im Austausch mit Schülerinnen und Schülern sowie Lehr­lingen in die Debatte der Zukunftskonferenz eingebracht. So wurden zwischen Okto­ber 2021 und Februar 2022 fünf Veranstaltungen mit Jugendlichen in Kooperation mit der Demokratiewerkstatt des Parlaments zu je einem der neun Themenkreise der Ar­beitsgruppen der Plenarversammlung abgehalten. Jugendliche aus Westbalkanstaaten erhielten in zwei Diskussionsveranstaltungen im österreichischen Nationalrat und in der französischen Assemblée Nationale die Möglichkeit, sich mit österreichischen und fran­zösischen Jugendlichen sowie mit Mitgliedern der jeweiligen EU-Ausschüsse über die Zukunft Europas auszutauschen und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen.

Es ist nun wichtig, dass den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die EU und den von ihnen erarbeiteten Vorschlägen in der Zukunftskonferenz im Rahmen deren Umsetzbarkeit Rechnung getragen wird. Dies bedarf ambitionierter Reformen und kon­kreter Gesetzesinitiativen in wichtigen Politikbereichen der EU. Die Umsetzung der Vor­schläge im Rahmen ihrer Machbarkeit ist nicht nur für die Glaubwürdigkeit der Europäi­schen Union als Ganzes, sondern auch für ihre zukünftige Handlungsfähigkeit vor dem Hintergrund der bestehenden und künftigen länderübergreifenden Herausforderungen ausschlaggebend.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich im Rahmen des Folgeprozesses zur Zukunfts­konferenz dafür einzusetzen, dass die EU-Institutionen den Vorschlägen der Bürgerin­nen und Bürger rasch durch konkrete Reform- und Gesetzinitiativen nachkommen.

Des Weiteren wird die Bundesregierung ersucht, für den Fall, dass der Folgeprozess zu den Ergebnissen der Zukunftskonferenz in die Einberufung eines europäischen Kon­vents zur Reform der EU münden sollte, eine aktive Rolle in ebendiesem einzunehmen sowie sich im Rahmen etwaiger Verhandlungen zur Ausgestaltung eines Konvents dafür einzusetzen, dass eine Teilnahme aller Fraktionen des österreichischen Parlaments ermöglicht wird“.

1 https://futureu.europa.eu/pages/reporting

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner. – Bitte.


11.36.06

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Ministerin­nen! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! In der zweiten Rede zur Lage der Nation von Kommissionspräsidentin von der Leyen hat sie ganz klar eines in den Raum gestellt: Es braucht mehr Zusammenhalt in Europa, es braucht mehr Euro­pa und vor allem ein gemeinsames Europa.

Die Coronakrise hat uns besonders vor Augen geführt, wie schnell dieser Zusammenhalt und diese Gemeinsamkeit zurückgebaut werden können – mit Grenzkontrollen, mit Mas­kenlieferungen, die nicht weitergeführt worden sind. In einer globalen Krise, egal welche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 63

es ist, gibt es keine andere Lösung als einen gemeinsamen Weg, eine europäische Lö­sung, dass alle an einem Strang ziehen. Dieser gemeinsame Weg ist aber nur so gut ausgebaut, so gut wir auch wirklich zusammenarbeiten – auch im Rahmen dieser Zu­kunftskonferenz.

Wie schaffen wir ein faires und gerechtes Europa? – Da unterscheide ich mich ein biss­chen von Herrn Kollegen Lopatka, denn wir sagen schon ganz klar: Der Weg muss zu einer Sozialunion führen (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Abg. Steger), der Weg muss in die Richtung führen, dass Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte in der gesamten Europäischen Union nicht beschnitten werden dürfen, auch wenn es um glei­chen Lohn für gleiche Arbeit geht, wenn es darum geht, wie wir mit Erntehelferinnen und Erntehelfern umgehen, wenn wir darüber reden, ob die Familienbeihilfe für alle EU-Bür­gerinnen und EU-Bürger gleich ausbezahlt oder indexiert wird – das lehnen wir ab. Es ist gut, dass auch die Indexierung der Familienbeihilfe jetzt vor europäischen Gerichten liegt und hohe Strafen im Raum stehen, denn dieses Projekt der damaligen türkis-blauen Bundesregierung war von Anfang an europarechtswidrig und ein rückwärtsgewandtes Projekt. Es ist gut, dass die Gerichte das klären. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Für uns ist auch klar: Die Einstimmigkeit in manchen Bereichen ist hinderlich, wenn wir über ein gemeinsames Europa reden, wenn wir von einer gemeinsamen Zukunft spre­chen. Die Einstimmigkeit muss deshalb auch infrage gestellt werden. Wir wollen eine solidarische Steuer- und Sozialunion, die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte schützt und stärkt. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Wir wollen aber auch eine Europäische Union, die wächst und gemeinsam steht. Der Westbalkan ist schon angesprochen worden: Österreich war immer Bündnispartnerin für die Staaten am Westbalkan. Österreich war immer Bündnispartnerin, und viele Länder haben dort schon Reformen umgesetzt. Wir müssen das nicht nur anerkennen, sondern wir müssen aktiv die Hand reichen, denn wenn wir als Europäische Union es nicht tun, sind andere vor Ort, die diese Länder auf ihre Seite ziehen. Ich glaube, es ist wichtig, den Westbalkan in einer europäischen Zukunft, in einer europäischen Vision mitzuden­ken und mitzubehandeln. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Vieles davon ist im Prozess der Zukunftskonferenz auch diskutiert und besprochen wor­den. Es waren vor allem die BürgerInnenforen, junge Menschen, die sich aktiv einge­bracht haben, es waren europäische Initiativen und Organisationen. All diese haben den Dialog in den Vordergrund gestellt und auch Themen eingebracht, Vorschläge bei der Onlineplattform gemacht – auch wir als Parlament. Wir haben mit vielen jungen Men­schen die unterschiedlichen Themenbereiche diskutiert: soziale Dimension, digitale Transformation, Klimaschutz, aber natürlich auch Demokratie und Rechtsstaat. Diese Thesen der jungen Menschen haben wir herangezogen und wiederum auch als Position des österreichischen Parlaments eingemeldet. Ich glaube, das war eine gute und richtige Stoßrichtung.

An dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion, die uns in diesem Prozess der Zukunftskonferenz so maßgeb­lich unterstützt haben; auch an unsere Klubmitarbeiterinnen und Klubmitarbeiter und die Demokratiewerkstatt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Dieser Prozess wäre nämlich ohne sie nicht so gut über die Bühne gegangen, das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen.

Ich glaube, am Ende des Prozesses zur Zukunftskonferenz ist es wichtig, dass diese Vorschläge nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wir dürfen die Menschen, die sich daran beteiligt haben  ob das Sozialpartnerinnen, Sozialpartner, Nationalstaaten, EU-Institutionen oder eben die Bürgerinnen und Bürger waren –, nicht enttäuschen. Wir


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müssen weiterhin dranbleiben und offen für alles sein, für alles, was kommt, alles, was diesen Prozess weiterhin noch anstoßen soll und möchte.

Es geht aber nicht nur darum, Menschen nicht zu enttäuschen, sondern es geht auch darum, den Feindinnen und Feinden von Europa keinen Fußbreit zu bieten, jenen keinen Fußbreit zu lassen, die die Europäische Union massiv kritisieren, sie nicht nur skeptisch sehen, sondern auch abschaffen wollen und sie kontinuierlich diskreditieren. Wie gesagt, die Zukunft von Europa kann nur gemeinsam gelingen, das ist wichtig. Deshalb Quo vadis, Europa? –: Lassen wir diese Vorschläge zur Zukunftskonferenz nicht ungelesen und arbeiten wir weiterhin gemeinsam daran! Schauen wir, wo sie verortet sind  auf nationalstaatlicher Ebene, auf europapolitischer Ebene – und arbeiten wir gemeinsam daran: weniger Klein-Klein und mehr gemeinsame Visionen für die Europäische Union! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jeitler-Cincelli, Brandstätter und Scherak.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Steger. – Bitte.


11.41.23

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Vor allem sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Sie werden es wahrscheinlich nicht mitbekommen haben: In den vergangenen Monaten fand die sogenannte EU-Zukunftskonferenz statt, der angeblich größte Bürgerbeteiligungs­prozess in der Geschichte der EU, dessen Ergebnis nun ein umfassender Forderungska­talog ist, den jetzt alle anderen Parteien in diesem Haus umsetzen wollen.

Ein großer Bürgerbeteiligungsprozess, von dem nur leider in Österreich kaum ein Bürger überhaupt irgendetwas mitbekommen hat. Werte Kollegen, weil Sie immer die Bedeu­tung dieser EU-Zukunftskonferenz hervorheben und daraus auch einen Auftrag ableiten wollen: Gehen Sie einmal hinaus! Sprechen Sie mit der österreichischen Bevölkerung! Gehen Sie auf die Straße und fragen Sie einmal nach, wer überhaupt weiß, was die EU-Zukunftskonferenz ist! Gehen Sie dem einmal nach und fragen Sie, ob die Bevölkerung diese Forderungen überhaupt haben will! Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie das tun wür­den, dann müssten Sie mit all diesen Forderungen genau eines machen: sie wegschmei­ßen (Ruf bei der ÖVP: Unerhört!); denn genau so ist die Zustimmung der Bevölkerung dazu. Dieses Ergebnis ist für den Willen der österreichischen Bevölkerung nämlich gar nicht repräsentativ, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zukunftskonferenz war von Beginn an auch organisatorisch die reinste Farce. Sie war unkoordiniert, unprofessionell, das Ganze war für die Europäische Union richtigge­hend peinlich, dagegen war das Kaufhaus Österreich noch ein voller Erfolg. Die Bürger­beteiligung war so gewaltig, dass nur rund 800 Bürger mitmachen durften, insgesamt über verschiedene Plattformen nur rund 53 000, das sind 0,01 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung, und das ist die Legitimation für diese Forderung!

Natürlich wurde das alles unter fachkundiger Anleitung der Eurokraten und sogar einiger EU-Faktenchecker begleitet, um ja sicherzugehen, dass die Forderungen der Bürger nur ja EU-konform sind. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist kein Bürgerbeteiligungs­prozess, das ist ein reiner Show-Bürgerbeteiligungsprozess. (Beifall bei der FPÖ.) Da hat man Mitbestimmung simuliert, eine große Show aufgezogen und am Ende ist genau das rausgekommen, was eh schon von Anfang an feststand, nämlich: mehr EU, noch mehr EU und noch mehr EU, mehr an Zentralismus, noch mehr an Bürokratie, noch weniger an Souveränität für die Mitgliedstaaten und damit noch weniger Mitspracherecht der Bürger.

Das war nichts anderes als eine pseudodemokratische Veranstaltung, die einer weiteren Zentralisierung Legitimation verschaffen sollte – ein weiterer großer Schritt in Richtung


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Ziel einer Staatswerdung der Europäischen Union, und dazu gibt es von uns, sehr ge­ehrte Damen und Herren, ein klares Nein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich mir diesen Forderungskatalog anschaue, macht es mich teilweise wirklich fas­sungslos, dass alle anderen Parteien nicht nur im EU-Parlament einer raschen Umset­zung dieser Forderungen zugestimmt haben, sondern auch noch hier im Parlament einen Antrag einbringen, um genau diese rasche Umsetzung zu fordern. Also ich bin ja von Ihnen schon einiges an Österreichvergessenheit gewohnt, aber da frage ich mich schon, ob Sie alle diese Forderungen wirklich im Detail durchgelesen haben, ob Sie überhaupt wissen, was da drinnen steht.

Da steht drinnen: Vergemeinschaftung des Gesundheitssystems, noch mehr Kompeten­zen für die EU, mehr Kompetenzen für das EU-Parlament, europäische Wahllisten, damit die Abgeordneten nur ja keinem Nationalstaat mehr verpflichtet sind, bis hin zu mehr legaler Migration und einem Asylsystem mit verpflichtenden Flüchtlingsumverteilungs­quoten. Es wird auch gefordert, den Konditionalitätsmechanismus auszuweiten, um auf­müpfige Staaten wie Ungarn noch leichter und besser bestrafen zu können, und – jetzt aufpassen! – es werden auch dauerhaft gemeinsame EU-Schulden gefordert, damit wir noch mehr für marode Staaten zahlen und haften dürfen, weg von Österreich umvertei­len, nur immer zulasten der österreichischen Steuerzahler. Natürlich wird auch ein eige­ner EU-Haushalt mit eigenen europäischen Steuern gefordert, um direkt in die Tasche der Bürger in Österreich greifen zu können.

Vor allem, das ist der wesentliche Punkt, soll endlich dieses lästige Einstimmigkeitsprin­zip fallen. Dann könnte Österreich genau gar nichts mehr mitreden, dann sind wir Brüssel vollkommen ausgeliefert, dann entscheiden die Staaten mit Mehrheit über den Kopf von Österreich hinweg. So schnell können Sie dann gar nicht schauen, schon haben wir eine Zwangsverteilung von Flüchtlingen, schon haben wir ein Öl- und Gasembargo, was ein wirtschaftlicher Selbstmord für Österreich wäre. Nicht dass das die anderen Parteien hier stören würde, denn die haben im EU-Parlament sowieso auch für ein Öl- und Gas­embargo gestimmt.

Also kurz gesagt: Dieser lange Forderungskatalog liest sich, als wäre er eine Wunsch­liste der EU-Zentralisten. Er würde nichts anderes als eine Entmündigung der Mitglied­staaten bedeuten. Damit soll die Europäische Union endlich zu einem EU-Staat entwi­ckelt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für uns ist das eine gefährliche Bedrohung für Ös­terreich und ein Großangriff auf unsere Unabhängigkeit. Und dann fragen Sie mich auch noch allen Ernstes, ob ich, ob wir bei diesem Antrag mit dabei sein wollen? – Also nein, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und den anderen Parteien, wir haben nicht vergessen, auf welche Verfassung wir angelobt und wem wir verpflichtet sind.

Das Gute ist, für die Umsetzung dieser Forderung braucht es einen EU-Konvent. Not­wendig dafür wäre eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, und bereits 13 Staaten haben sich gegen solch einen Konvent ausgesprochen, jetzt bräuchte es nur noch einen Staat. Das heißt, Österreich hätte es in der Hand, diesen Konvent zu verhindern und damit auch die Umsetzung dieser Reihe an wirklich unerträglichen Forderungen. Wir könnten dem eine klare Absage erteilen.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Ein­stimmigkeitsprinzips“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Kon­vent zur Umsetzung der Forderungen der ‚Konferenz zur Zukunft Europas‘ ist deswegen abzulehnen."

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben heute die Möglichkeit, mit Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag doch noch zu zeigen, dass Ihnen die österreichische Bevölkerung nicht völlig egal ist. Erteilen Sie diesem Zukunftskonvent eine klare Absage und schützen Sie damit Österreich vor den Zentralisierungsfantasien Brüssels! (Beifall bei der FPÖ.)

11.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips

eingebracht in der 158. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. Mai 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 2, Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII. GP) (1426 d.B.)

Die Europäische Union unternimmt regelmäßig Versuche, das ihr immanente Demokra­tiedefizit mittels Instrumenten der Schein-Partizipation zu kaschieren. Das neueste dies­bezügliche Experiment, die „Konferenz zur Zukunft Europas“, hat allerdings mit ihrem Abschlussbericht des Pudels Kern offenbart: Herausgekommen ist ein Forderungskata­log der Zentralisten, welche die Mitgliedstaaten weiter entmachten und einen europäi­schen Bundesstaat errichten wollen.

Selbst die sicherlich nicht als EU-kritisch einzustufende Süddeutsche Zeitung fasst die Ergebnisse der Konferenz folgendermaßen zusammen: „In weiten Teilen liest sich das Dokument so, als hätten es die großen Fraktionen des EU-Parlaments allein verfasst - ohne die Kommission und vor allem ohne die Mitgliedstaaten“ (Süddeutsche Zeitung 30.04.2022: Eine Konferenz, die Europa verändern will).

Neben einer umfassenden Kompetenzverschiebung nach Brüssel, fordert der Ab­schlussbericht auch das Ende des Einstimmigkeitsprinzips ein. Wortwörtlich führt der Abschlussbericht an: „Alle Angelegenheiten, die bislang einstimmig beschlossen werden müssen, sollten künftig mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Die einzigen Ausnahmen sollten die Aufnahme neuer Mitglieder in die EU und Änderungen an den Grundprinzipien der EU sein“ (Konferenz zur Zukunft Europas. Bericht über das endgül­tige Ergebnis 2022: S. 90). Eine derartige Reform hätte zur Folge, dass kein einzelner Mitgliedstaat in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, sowie in Angelegenheiten der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik, nationalstaatliche Interessen vor Schnellschüssen der Europäischen Union bewahren könnte. Ein Öl- und Gas-Embargo gegen die Russi­sche Föderation wäre unter diesen Voraussetzungen wohl schon längst beschlossene Sache, auch wenn aufgrund dieser Sanktionierung der österreichischen Industrie die Lichter ausgehen würden und hierzulande Massenarbeitslosigkeit eine weitere Folge wäre. Für Sanktionen gegen einen einzelnen EU-Mitgliedstaat wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit wäre künftig ebenfalls keine Einstimmigkeit mehr erforderlich.


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Der Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips würde die tatsächlich demokratisch legitimier­ten Entscheidungsträger in Europa – nämlich die Regierungen der Nationalstaaten – in unverantwortlichem Ausmaß schwächen. Demokratische Wahlen in den Mitgliedstaaten würden dadurch ebenfalls entwertet werden. Denn zum einen müsste der Bürger eines Mitgliedstaates hinkünftig bei nationalen Wahlen mit dem Wissen seine Stimme abge­ben, dass die von ihm gewählten Vertreter im Zweifel machtlos und nicht in der Lage wären, die Interessen der Bevölkerung auf europäischer Ebene zu schützen. Zum ande­ren wären auch die gewählten Repräsentanten außerstande, gegenüber ihrer Bevölke­rung Wahlversprechen einzuhalten, sofern diese den Brüsseler Zentralisten nicht ge­nehm sind.

Das Ende des Einstimmigkeitsprinzips würde folgerichtig der Demokratie in Europa einen herben Schlag versetzen. Jede demokratisch legitimierte Regierung eines EU-Mit­gliedstaats muss primär den Anliegen und Sorgen seiner Bürger entsprechen, gegebe­nenfalls dieser Verpflichtung mittels der Nutzung seines nationalen Vetos auf europäi­scher Ebene gerecht werden können. Vor allem kleine Mitgliedstaaten, wie Österreich, wären ohne dem Einstimmigkeitsprinzip jedweder Möglichkeit beraubt, in entscheiden­den Politikbereichen im Interesse der eigenen Bevölkerung einen Einspruch zu erheben. Die Missachtung der verfassungsrechtlich verankerten Neutralität Österreichs durch die schwarz-grüne Bundesregierung im Zuge des Krieges in der Ukraine hat vor Augen geführt, wie schnell EU-Hörigkeit dazu führen kann, Grundprinzipien des eigenen Staa­tes zu untergraben. Derartigen Tendenzen muss entgegengewirkt werden, indem eine weitere Aushöhlung der nationalstaatlichen Souveränität unterbunden wird.

Wer ein Ende der Einstimmigkeit fordert, kann nicht die Interessen der Österreicher und Österreicherinnen vertreten, sondern nur jene der EU-Zentralisten. Es ist bezeichnend, dass im Europäischen Parlament die Vertreter der ÖVP, der SPÖ, der Grünen und der Neos die Ergebnisse der Konferenz und eine Änderung der EU-Verträge zur Erleich­terung der Umsetzung der Vorschläge befürworteten. Das Europäische Parlament for­derte außerdem den Ausschuss für konstitutionelle Fragen auf, Vorschläge für eine Re­form der EU-Verträge auszuarbeiten. Dies würde im Rahmen eines Konvents gemäß Artikel 48 des Vertrages über die Europäische Union geschehen. Zur Einsetzung eines Konvents bedarf es allerdings einer einfachen Mehrheit im Rat, folgerichtig der Zustim­mung von 14 Regierungen.

Es ist in diesem Kontext erwähnenswert, dass sich bereits 13 EU-Mitgliedstaaten gegen einen Verfassungskonvent ausgesprochen haben, nämlich Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien und Schweden. Würde Österreich den gleichen Mut wie diese Länder aufbringen, wäre ein möglicher Verfassungskonvent zur Umsetzung der Forde­rungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ frühzeitig Geschichte. Die schwarz-grüne Bundesregierung ist bedauerlicherweise in solch hohem Ausmaß in ihrer Brüssel-Hö­rigkeit gefangen, dass sie es bisher unterließ, diesen Schritt zu setzen. Obwohl die Vor­schläge, welche dem Konvent zugrunde liegen sollen, den Interessen Österreichs zu­tiefst widersprechen, ist die Bundesregierung unter Karl Nehammer nicht gewillt oder in der Lage, es den anderen 13 Mitgliedstaaten gleichzutun und die Idee eines Konvents zu missbilligen. Ein derart mutloses Agieren auf europäischer Ebene kann einer gewis­senhaften Repräsentation österreichischer Interessen nicht gerecht werden. Im Gegen­teil: Nur wer die Interessen seines Landes und seiner Bürger glaubhaft und beherzt vertritt, kann sich gegen die Agenda der EU-Zentralisten behaupten. In diesem Sinne sollte die österreichische Bundesregierung dem geplanten Konvent eine glasklare Absa­ge erteilen!

Europa benötigt keine immer mehr Kompetenzen an sich ziehende Europäische Union, sondern soll ein Verbund freier Völker und selbstbestimmter Vaterländer sein. Die Wah­rung der Demokratie in Europa obliegt den Nationalstaaten, deren gewählte Repräsentanten


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sich vor ihrem Wahlvolk für ihre Entscheidungen – auch im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union – zu rechtfertigen haben. Weitere Kompetenzverschiebungen weg von den Mitgliedstaaten und hin zur Europäischen Kommission sind abzulehnen. Die von der schwarz-grünen Bundesregierung torpedierte, verfassungsrechtlich verankerte Neutralität Österreichs muss im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik wiederhergestellt werden.

Eine Reform der EU-Verträge würde das Leben aller Österreicher und Österreicherinnen in hohem Ausmaß beeinträchtigen. Deshalb sollen auch die österreichischen Staatsbür­ger darüber entscheiden, ob und in welcher Ausgestaltung sie eine Reform der EU-Ver­träge wünschen. Die österreichische Bundesregierung hat folgerichtig eine Zustimmung zu einer allfälligen Reform der EU-Verträge davon abhängig zu machen, inwiefern sich die österreichischen Bürger vorab in einer verbindlichen Volksabstimmung für ebendiese aussprechen. Eine derartige Vorgehensweise würde einer wahrhaftig demokratischen Legitimation entsprechen und keiner Schein-Partizipation von vermeintlich zufällig aus­gewählten 800 Personen, welche gerade einmal 0,00017897 Prozent der Bevölkerun­gen der EU-Mitgliedstaaten ausmachen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Kon­vent zur Umsetzung der Forderungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ ist deswegen abzulehnen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


11.48.08

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Ministerinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete Steger, ich verstehe schon, dass Sie bei dem Thema hochgradig nervös werden und sich da so reinreden. Da haben 53 000 BürgerInnen aus ganz Europa darüber diskutiert, wie sie Europa gerne hätten, und genau nichts davon ist so, wie es die FPÖ gerne hätte. Sie haben für Ihre Euro­papolitik null, null Rückhalt in der europäischen Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

Ich verstehe schon, dass Sie da die Nerven ein bisschen wegschmeißen und das Ganze schlechtreden und kaputtreden (Abg. Steger: Dann lassen Sie die österreichische Be­völkerung darüber abstimmen, dann werden ...!), aber Tatsache ist, dass dies einer der größten und breitest aufgesetzten Diskussionsprozesse – 53 000 BürgerInnen, reden Sie das klein – gewesen ist. Sich dann noch als Vertreterin der Bevölkerung hinzustellen, das geht nicht.

Sie fragen, was die Bevölkerung draußen mitgekriegt hat und ob wir rausgegangen sind. Ich sage Ihnen etwas: Ich bin allein in diesem Monat bei zwölf Abendveranstaltungen, um Europapolitik mit BürgerInnen zu diskutieren. Wie viel diskutieren Sie? Sie regen sich


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auf, dass die BürgerInnen nichts über Europa wissen. – Arbeiten Sie etwas, machen Sie etwas! Gehen Sie raus und erzählen Sie einmal etwas über Europa! (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.) Typisch FPÖ: nichts hackeln, herstellen und schimpfen. – Aber gut, reden wir über den Inhalt.

Diese Konferenz habe auch ich von Anfang an ein bisschen kritisch gesehen, denn wenn lange diskutiert wird, große Inhalte diskutiert werden und etwas Großes rauskommen soll, dann muss, wenn man bei Bürgerinnen und Bürgern Erwartungen weckt, am Schluss auch etwas umgesetzt werden. Da war ich mir nicht sicher und bin ich mir bis jetzt nicht sicher, wie gut das ausgehen wird.

Das Ergebnis als solches, muss ich sagen, hat meine Erwartungen übertroffen. Das Pro­gramm, die Vorschläge, die gemacht wurden, sind gut und teilweise sogar extrem gut. In manchen Bereichen habe ich das Gefühl, da ist von Rat, Kommission und Europa­parlament gemeinsam fast ein grünes Parteiprogramm beschlossen worden.

Das erstaunt mich dann doch, und da frage ich mich, wie wir da jetzt weiter vorgehen.

Da sitzt immerhin eine Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen und beschließt zum Beispiel, dass wir ein ökologisches Europa haben wollen. Europa soll Vorreiterin in der Klimapolitik sein, im Artenschutz, bei der Biodiversität, beim Umweltschutz, Fischereischutz und so weiter.

Machen wir es doch! Wenn wir uns hinstellen und auf dem Papier festhalten, dass wir als Europa in all diesen Bereichen führend sein wollen: Warum stellen sich dann die­selben Mehrheiten hin und schaffen die Biodiversitätszonen in der Landwirtschaft bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ab? – Es wäre doch schön, wenn man genau das tut, was man beschlossen hat, und die Gelegenheit dazu ergibt sich in den nächsten Mo­naten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist in vielen Bereichen ein soziales Europa beschlossen worden. Es wurde gesagt, man wolle, dass Europa sozialer, gleicher und gerechter wird, das sagen dieselben Mehrheiten. Niemand sagt, dass Europa auseinanderklaffen soll, ungerechter werden soll, die Steuerflucht zunehmen soll, die Korruption zunehmen soll, niemand sagt das – dann arbeiten wir doch in die Gegenrichtung!

Ich glaube auch, dass man da doch sehr gut wirtschaftsliberale und sozialdemokrati­sche, soziale, grüne Positionen verbinden kann. Wenn wir alle nicht wollen, dass es ei­nen Wettbewerb um niedrigere Löhne gibt, um Standorte, die sich gegenseitig bei sol­chen Standards unterbieten, dann heben wir doch diese in Europa gemeinsam an!

Errichten wir eine Sozialunion, führen wir einen Wettbewerb um die besten Köpfe, um die besten Produktionstechnologien, um die besten, modernsten Zukunftsvisionen! Ma­chen wir das doch alle gemeinsam, ich glaube, das geht sich aus, von wirtschaftspoli­tisch liberal bis links. So etwas sollten wir gemeinsam ankurbeln, wir, die wir für Europa sind. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

Es ist nicht nur darüber gesprochen worden, welche Politik man machen soll, sondern auch, wie man sie machen soll – demokratiepolitische Maßnahmen, Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips und so weiter –, und da werden wir liefern müssen.

Gerade Österreich, das sich sehr für die Länder am Westbalkan eingesetzt hat und diese näher an Europa heranführen sollte, wird auch deutlich sagen müssen: Diese Union mit 27 Mitgliedern ist doch schon jetzt schwer zu regieren, es ist schwer, etwas voranzubrin­gen, und wenn wir sie erweitern wollen, wenn wir Osteuropa, den Westbalkan an die EU heranführen wollen, dann müssen auch wir uns demokratiepolitisch bewegen. Wir müs­sen moderner werden, schlagkräftiger werden, einsatzfähiger werden. Österreich sollte sich dafür einsetzen, und es ist eher beschämend, dass 13 Länder sich schon von vorn­herein dagegen aussprechen.


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Ein letzter Punkt: Die Bürgerinnen und Bürger haben in ihrem Beschluss acht Punkte zusammengefasst, die sie den Regierungen, dem Rat, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission mit auf den Weg gegeben haben. Wenn ich mir diese acht Punkte ansehe, muss ich sagen, wir sollten das als Arbeitsprogramm für uns neh­men.

Sie fordern als ersten Punkt Solidarität und soziale Gerechtigkeit. So wie ich es vorhin gesagt habe: Wir sollten wirklich an einer Sozialunion arbeiten. Sie fordern tatkräftige und rasch handelnde Umwelt- und Klimapolitik und dass Europa in diesem Bereich die Führung übernimmt – darauf haben wir uns geeinigt. Sie fordern mehr Demokratie, wir haben es vorhin erwähnt. Sie fordern mehr Europa: mehr Zusammenwachsen und mehr Binnenmarkt, nicht weniger – kein Auseinanderdriften und kein Zurück zu den National­staaten.

Sie fordern ein Europa, das auf Werten basiert. Der Kampf gegen Korruption, mehr De­mokratie, gleicher Zugang zu Gesundheit und ein menschlicher Umgang mit MigrantIn­nen gehören zu diesen Werten, die da aufgezählt werden. Sie fordern mehr Bildung in der Europäischen Union. Als letzten Punkt fordern sie, dass Europa bekannter gemacht wird und man mehr um Europa kämpft.

Vielleicht denken die Freiheitlichen noch einmal darüber nach, ob sie nicht doch zu den Leuten hinausgehen und dort etwas arbeiten. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Ab­geordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

11.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


11.54.05

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin Gewessler! Frau Bundesministerin Edtstadler! Sowohl die EU-Zukunftskonfe­renz als auch die Debatte, die wir hier jetzt führen, zeigen, dass es sehr viele unter­schiedliche Zugänge zu Europa gibt. Viele unterschiedliche Vorschläge wurden während der Zukunftskonferenz gemacht – und auch jetzt hier –, die ich persönlich wahrscheinlich nicht alle teile.

Es zeigt auch – und ich halte es auch für essenziell, dass man das anspricht –, dass die große Vision, die die Zukunftskonferenz eigentlich bringen sollte, wahrscheinlich nicht so funktioniert hat. Das hat viel mit Corona zu tun, glaube ich, es hat wahrscheinlich auch viel damit zu tun, wie der Prozess aufgesetzt war. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, dass man über die Ergebnisse ernsthaft diskutiert.

Frau Kollegin Steger, bei all der Unterschiedlichkeit, die ja in der Herangehensweise auch zwischen den anderen Fraktionen besteht, muss man sich doch Ihre populistische Argumentation einmal vor Augen führen und sie auch gewissermaßen entlarven. Was Sie hier gesagt haben, widerspricht sich in Wirklichkeit nämlich die ganze Zeit selbst. Sie stellen sich ans Rednerpult und sagen, die Zukunftskonferenz sei quasi ein Fail, weil nur 53 000 Leute mitgemacht hätten, und das, was herausgekommen ist, entspreche nicht dem, was Sie sich wünschen. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Frau Kollegin Steger, es wäre Ihnen doch ein Leichtes gewesen, dass Sie, wenn nur 53 000 Leute mitmachen, ein paar Tausend Ihrer Anhänger dazu motivieren, dort mitzu­machen – dann wäre das herausgekommen, was Sie gewollt hätten, und nicht das, was die wollen, die mitgemacht haben! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Das Argument, das Sie gebracht haben, Frau Kollegin Steger, ist in etwa so wie in folgen­dem theoretischen Beispiel: Wir stimmen hier dann über einen Antrag ab, die FPÖ


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verlässt geschlossen den Raum – und beschwert sich danach darüber, dass er einstim­mig angenommen wurde! (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Demokratie lebt auch davon, dass man teilnimmt, dass man Partizipation lebt, dass man, wie Kollege Reimon gesagt hat, mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Wenn Sie nicht in der Lage sind, Ihre Ideen zu vermitteln und die Bürgerinnen und Bürger, die Ihre Ideen unterstützen, zum Mitmachen zu motivieren, dann müssen Sie sich selbst an der Nase nehmen und das nicht denen vorwerfen, die mitgemacht haben! (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen. – Abg. Steger: ... wurden ja nicht einmal zugelassen!)

Genauso widersprechen Sie sich selbst, Frau Kollegin Steger, wenn Sie – wie das bei der FPÖ immer der Fall ist – sich hier ans Rednerpult stellen und sagen, Sie repräsen­tierten das Volk und die Meinung des Volkes, und dann bedanken Sie sich gleichzeitig dafür, dass die Regierungen von 13 Mitgliedstaaten gesagt haben, dass sie diesen Pro­zess nicht weitertragen wollen und diese Forderungen ablehnen! (Abg. Steger: Fragen Sie einmal die Bevölkerung!)

Wenn Sie es ernst meinen: Holen Sie die Menschen ins Boot, diskutieren Sie mit ihnen! Versuchen Sie, dass mehr Menschen teilnehmen, und wenn die sich dann mehrheitlich für Ihre Vision von Europa aussprechen, dann ist das ja auch legitim – aber Sie schaffen es ja noch nicht einmal, dass Ihre Anhänger irgendwo mitdiskutieren, weil Sie kein In­teresse an einer konstruktiven Diskussion haben! (Zwischenrufe der Abgeordneten Kas­segger und Steger.) Das ist der Fehler an Ihrer Argumentation. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich möchte mich demgegenüber gerne bei den Menschen bedanken, die an der Zu­kunftskonferenz teilgenommen haben. (Abg. Steger: ... Volksabstimmung!) Ich hätte mir gewünscht, dass es mehr sind, ich hätte mir das selbstverständlich gewünscht – es gibt aber vielerlei Gründe, wieso das so war. Ich glaube, trotzdem ist das, was herausge­kommen ist, etwas, das positiv ist.

Das heißt nicht, dass ich alle Vorschläge teile, aber wobei sich die Bürgerinnen und Bürger und die teilnehmenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Wesentlichen einig waren, ist, dass wir vor unfassbaren Herausforderungen stehen und wir diese nicht nationalstaatlich lösen werden können.

Deswegen ist ein wesentlicher Punkt, den wir mitnehmen - - (Abg. Steger: Aber man kann auch nicht alles auf EU-Ebene lösen!) – Ich weiß, Frau Kollegin Steger, Sie stellen sich das immer so einfach vor. Sie waren die Partei, die in der Flüchtlingskrise gesagt hat, wir bauen am besten einen Zaun um Österreich herum, dann gibt es keine Flücht­linge mehr. (Zwischenruf der Abgeordneten Deimek und Steger.) Das ist in Ihrer Schre­bergartenmentalität vielleicht etwas, das möglich ist – es ist nur vollkommen illusorisch, weil sich Flüchtlinge beispielsweise nicht von einem Zaun abhalten lassen, sondern an­dere Wege finden! (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Sie können das immer weiter spielen, Sie glauben ja auch, dass im Rahmen eines Kon­flikts wie jetzt in der Ukraine Österreich ganz allein irgendeine Chance hat, irgendetwas beizutragen – das ist ja absurd, was Sie sich da vorstellen! Man muss in Europa gemein­sam versuchen, die großen Herausforderungen zu meistern, allein werden wir es jeden­falls nicht schaffen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: ... Haselsteiner ... ukraini­schen Oligarchen!)

Einer der wesentlichen Punkte, die wir daher mitnehmen können, ist, dass es ein Ende des Einstimmigkeitsprinzips braucht. Wir sehen jetzt bei den großen Herausforderun­gen – bei der Diskussion um die Sanktionen, aber auch bei Fragen der Klimakrise, bei Fragen der Energieunabhängigkeit (Abg. Deimek: Themen, wo Sie sich überhaupt nicht auskennen!) –, dass wir, wenn wir weiterhin mit dieser Einstimmigkeit arbeiten, wie es momentan in der Europäischen Union der Fall ist, leider nicht weiterkommen werden.


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Das, was ich daher mitnehme, neben vielen Inputs, die gekommen sind: Wir müssen Europa weiterentwickeln. Wir müssen Europa weiterentwickeln, um handlungsfähiger zu sein, um verteidigungsfähiger zu sein, damit wir nicht am Schluss – und das ist sicher auch nicht in Ihrem Interesse – von den aufstrebenden Ländern der Welt überholt wer­den und wir als Europa gar nichts mehr mitzureden haben. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Wir müssen mit dem Einstimmigkeitsprinzip aufhören, damit Europa weiterhin ganz vorne und nicht irgendwo das Schlusslicht ist. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.59.13

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem aber: Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Sie sich an der Zukunftskonferenz aktiv beteiligt haben! Die Idee zur Zu­kunftskonferenz wurde bereits vor drei Jahren von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt. Damals war noch keine Rede von den vielen Umbrüchen, die wir jetzt in der Zwischenzeit erleben mussten, von einer Pandemie, einem Krieg auf europäischem Boden. Dennoch war schon damals die Idee, die Bürgerinnen und Bürger einzubinden, wenn es darum geht, die Europäische Union weiterzuentwickeln, in welche Richtung auch immer.

Bereits damals ist man davon ausgegangen, dass man einen breit angelegten Prozess ins Leben rufen möchte, dass man Lösungen für europäische Probleme und Herausfor­derungen aufzeigen sollte, dass wir uns gemeinsam den brennenden Fragen der Zukunft der Europäischen Union stellen – und Österreich war von Anfang an ein Unterstützer dieser Zukunftskonferenz.

Es ist schon gesagt worden, die Zukunftskonferenz wurde pandemiebedingt auf euro­päischer Ebene nicht wie geplant am 9. Mai 2020 gestartet, sondern erst im Jahr 2021. Allerdings habe ich diesen Prozess in Österreich bereits im Juni 2020 gestartet, denn es ist mir wichtig, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, und es braucht natürlich auch eine gewisse Zeit, bis dieser Prozess, diese Konferenz, die dahinter stehenden Ideen bei den Menschen ankommen.

Wie habe ich das gemacht? – Ich habe Stakeholder in das Bundeskanzleramt einge­laden, ich habe Zukunftslabore abgehalten, ich habe mit Schülerinnen und Schülern dis­kutiert, ich bin durch das ganze Land gefahren, vom Burgenland bis nach Vorarlberg, ich war in allen Bundesländern mehrfach unterwegs. Seit Mai 2021, als die Konferenz dann tatsächlich auf europäischer Ebene gestartet wurde, darf ich Ihnen sagen, hat es in Ös­terreich jeden zweiten Tag eine Diskussionsveranstaltung zur Zukunft der Europäischen Union gegeben, und, Frau Kollegin Steger, es gab 1 421 Beiträge aus Österreich; damit liegen wir an sechster Stelle. Wo sind diese Beiträge eingemeldet worden? – Auf der multilingualen Plattform der Europäischen Kommission. Es ist ja die Frage gestellt wor­den, wo man sich beteiligen konnte; das ist die Antwort.

Die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist den Österreicherinnen und Österrei­chern ein Anliegen. Es kommt darauf an, in welche Richtung wir gehen, und wir haben es ja gesehen: Ob in der Gemeinde, im Verein, am Stammtisch, im digitalen Chatroom – ich habe auch digitale Sprechstunden abgehalten –, in der Schulklasse oder im Zu­kunftscafé: Es wurde diskutiert, und, meine Damen und Herren, das ist der Sinn dahinter, das ist gelebte Demokratie! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)


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Ich möchte dennoch sagen, dass wir natürlich Zeit verloren haben. Wir haben durch die Pandemie Zeit verloren, und es ist auf europäischer Ebene nicht alles so gelaufen, wie ich mir und viele andere sich das tatsächlich vorgestellt hätten, denn es gab prozedurale Fragen zu klären, es gab interinstitutionelle Streitigkeiten, wer denn welche Rolle spielt. Ja, auch das gehört dazu, aber es ist schade, dass wir diese Zeit sozusagen verloren haben.

Nach über zwei Jahren Tätigkeit als Europaministerin muss ich auch sagen, dass der Befund, den ich jetzt stelle, ein durchaus beunruhigender ist, denn insbesondere an den Umbrüchen, die wir erleben, sehen wir, dass Europa, dass unser European Way of Life unter Druck ist, um nicht zu sagen in Gefahr. Wir erleben einen Angriffskrieg, wir erleben die Spannungen mit Russland, wir erleben die Energieabhängigkeit, wir sehen das Stre­ben Chinas und wir haben während der Pandemie auch erlebt, dass es eine Schatten­seite der Globalisierung gibt, und die heißt Unterbrechung der Lieferketten.

Die gute Nachricht ist allerdings: Die Stärke der Europäischen Union liegt in ihrer Einig­keit, und diese Einigkeit gilt es zu zeigen, und die zeigen wir auch im Moment. Wir müs­sen jetzt gemeinsam den European Way of Life absichern, und da gehören natürlich auch Punkte dazu, wie sie schon von Abgeordnetem Lopatka angesprochen wurden: die Subsidiarität da mitzudenken, die Probleme dort zu lösen, wo sie entstehen, und na­türlich nicht alles auf europäische Ebene zu heben, wie das manche hier glauben ma­chen wollen und durchaus für populistische Ansagen hier nützen.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle heute einige Ideen aus diesem breiten Prozess prä­sentieren, zusammengefasst in drei Forderungen, die man daraus ableiten kann.

Das Erste, was wir tun müssen, ist das Voranstellen der geopolitischen Interessen der Europäischen Union, das Zweite ist die Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht der Europäischen Union, und das Dritte betrifft die nachhaltige Stärke der Europäischen Uni­on im Inneren. – Was meine ich damit?

Die eigenen Interessen Europas in den Vordergrund zu stellen heißt, stark zu sein, heißt, in der Welt auch eine Rolle zu spielen. Da geht es um einen Außengrenzschutz, bei dem ganz klar gesagt wird: Wer nach Europa kommt, kann nur hierbleiben, wenn er einen Asylgrund vorzuweisen hat. Da geht es selbstverständlich um die Westbalkanerweite­rung, denn der Westbalkan ist eine Frage der Sicherheit für die Europäische Union und auch eine Frage der Glaubwürdigkeit für die Europäische Union. Wir haben viel zu viele Versprechungen gemacht und diese nicht eingelöst. Die Depression dort ist sehr, sehr groß, und es reicht ein Streichholz, um dort einen Flächenbrand auszulösen. Wir müssen jetzt diese Versprechen auch einlösen.

Klarerweise ist es gerade in der jetzigen Situation nicht angenehm, abhängig von russi­schem Gas zu sein, aber auch in anderen Bereichen abhängig zu sein, wie etwa von seltenen Erden, wenn wir davon reden, dass wir die Energiewende in Österreich und in Europa schaffen wollen.

Beim zweiten angesprochenen Punkt, der Rückbesinnung auf die Wirtschaftsmacht, geht es darum, dass wir in Europa wieder führend sein müssen und wollen, was Inno­vation betrifft, was auch Wirtschaftskraft betrifft. Wir wollen nicht nur Unternehmen hier gegründet sehen, sondern wir wollen auch, dass sie hier bleiben, dass die Investoren auch hier investieren, damit auch die Wertschöpfung hierbleibt.

Ich glaube, gerade in der Pandemie haben wir gesehen, dass es wichtig war, dass Ös­terreich die AUA unterstützt hat, Deutschland hat das Gleiche mit der Lufthansa ge­macht, um nicht in Abhängigkeiten von tatsächlich staatlich geförderten Linien aus dem asiatischen Bereich zu geraten, aber jetzt geht es darum, das Wettbewerbsrecht auch auf europäischer Ebene in das 21. Jahrhundert zu führen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 74

Wir sollten uns alle gemeinsam darauf einigen, dass wir kein Gold Plating, keine Überer­füllung von europäischen Richtlinien in den Nationalstaaten vorantreiben, denn das führt dazu, dass Unternehmerinnen und Unternehmer erst wieder 27 einzelne Bestimmungen anschauen müssen und eben nicht einen einheitlichen Binnenmarkt vorfinden, den es jetzt zur Vollendung zu bringen gilt.

Und wir brauchen neben der Einschränkung der illegalen Migration natürlich eine aktive Einwanderungspolitik. Im Moment verlassen Tausende Russinnen und Russen, gut aus­gebildet, ihr Land. Die sollen nicht nach Amerika abwandern, die brauchen wir hier in Europa. Wir brauchen die Immigration von Hochqualifizierten, diese dürfen wir nicht schwer machen, so wie das im Moment der Fall ist.

Ein flexibler Arbeitsmarkt würde auch bedeuten, dass jemand im Salzburger Lungau lebt und bei einer belgischen Firma arbeitet. Oft ist dies aber noch mit sehr hohen bürokra­tischen Hürden verbunden.

Mit der Berücksichtigung all dieser Punkte, die damit nur beispielhaft aufgezeigt sind, können wir die Wirtschaftsmacht Europas wieder in den Vordergrund stellen, denn der Binnenmarkt ist und bleibt unsere größte Chance, unsere größte Kraft.

Und der dritte Punkt ist nach innen gerichtet: die nachhaltige Stärkung der europäischen Institutionen. Was meine ich damit? – Ich glaube, es ist gut und richtig, dass wir 27 EU-Kommissare haben. Verzeihen Sie mir die Anmerkung, aber die Herausforderungen wer­den uns auch in der nächsten Zeit nicht ausgehen, um diese zu beschäftigen.

Ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren, wie wir es in Artikel 7 haben, wird wohl auch irgend­wann einmal einen Ausgang finden müssen, und ich glaube, auch da gibt es mittlerweile sehr viele andere Mechanismen, etwa die Konditionalität, nämlich das Verbinden von budgetären Fragen mit der Rechtsstaatlichkeit, die in den Verträgen verankert gehören.

Mit großem Stolz möchte ich an dieser Stelle auch sagen, dass es gelungen ist, in Ös­terreich mittlerweile über 1 500 Europagemeinderäte zu haben, die eine Brücke bilden von der Europäischen Union, die nicht immer ganz leicht zu verstehen ist, zur Gemeinde, zum Bürger, dahin, wo die Menschen Probleme, Sorgen und Anliegen haben. Sie über­nehmen die Aufgabe, Informationen weiterzugeben, auch Hilfestellungen anzubieten, wenn es darum geht, Förderungen abzuholen und in der eigenen Gemeinde Dinge vo­ranzutreiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Union war in den letzten Jahr­zehnten ganz sicher Garant für Freiheit, Frieden, Sicherheit, Wohlstand und auch Men­schenrechte. Die Europäische Union wird aber nicht an ihrer Geschichte gemessen. Sie wird daran gemessen, Lösungen für die Herausforderungen der Gegenwart anzubieten und Antworten auf die Fragen der Zukunft zu finden.

Die EU – und da bin ich ganz offen zu Ihnen – ist oft die Antworten auf brennende Fragen schuldig geblieben, aber es liegt jetzt an uns, diese Europäische Union weiterzuentwi­ckeln. Es liegt an uns, die Dinge, die vorgebracht worden sind – und ich möchte jeden einzelnen Beitrag wirklich groß wertschätzen –, auch umzusetzen. Daher ist das jetzt nicht das Ende der Zukunftskonferenz, sondern es ist erst der Beginn.

Am Ende meiner Rede möchte ich Ihnen auch noch den Aktivitätenbericht zur Zukunft Europas (ein Exemplar in die Höhe haltend) ans Herz legen; er ist unterwegs zu Ihnen. Er umfasst einen kleinen Überblick über das, was Österreicherinnen und Österreicher an Ideen, an Aktivitäten entwickelt haben, und ich glaube, das ist es, was wir hochhalten sollten, und daraus sollten wir als Politikerinnen und Politiker jetzt auch den Mut schöp­fen, die großen Reformen anzugehen, um die Europäische Union in eine bessere Zu­kunft zu führen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.10



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 75

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carina Reiter. – Bitte.


12.10.15

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Ministerinnen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben aktuell, 2022, das Europäische Jahr der Jugend. Diese zwölf Monate sollen ei­gentlich ganz im Zeichen junger Europäerinnen und Europäer stehen. Eines der vier Ziele dieses Jahres ist es, die Partizipation und das Engagement zu fördern. Das heißt, man will junge Menschen ermutigen, dass sie sich betätigen und engagieren, vor allem auch junge Menschen mit geringen Chancen, aus benachteiligten Verhältnissen, ländli­chen oder abgelegenen Gebieten oder auch schutzbedürftige Gruppen.

Die Konferenz zur Zukunft Europas war ein sehr groß angelegter Beteiligungsprozess, und wie wir schon gehört haben, hat sich Österreich dieses Prozesses sehr aktiv ange­nommen und hat das auch wirklich gelebt, mit Veranstaltungen an fast jedem zweiten Tag. Das sollte man schon auch würdigen und auch die Personen, die sich da beteiligen, dafür wertschätzen, dass sie sich einbringen, auch wenn es für manche in der Quantität vielleicht zu wenige sind.

Besonders die Jugend in Österreich hat sich da stark eingebracht. Die Bundesjugendver­tretung hat eine Konferenz abgehalten und auch Aktionen in diesem Bereich gesetzt. Ich glaube, es gilt, das durchaus zu schätzen und auch jenen Danke zu sagen, die wirklich Interesse haben und sich da einbringen möchten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abge­ordneten Maurer und Ernst-Dziedzic.)

Wir haben heute schon gehört: Es sind 49 Vorschläge mit insgesamt um die 200 Maß­nahmen, und da sind auch viele sehr wichtige Vorschläge dabei, Vorschläge, zu denen wir hier auch schon Beschlüsse gefasst haben oder hinsichtlich derer wir gesagt haben, das sind Themen, über die man reden sollte. Wenn man den Bereich Landwirtschaft und Klima hernimmt, gibt es zum Beispiel die Forderung, dass mehr geforscht wird und mehr auf Innovation gesetzt wird, damit man auch in Bezug auf technische Lösungen für nachhaltige landwirtschaftliche Produktion, Pflanzenresistenz oder Präzisionslandwirt­schaft Maßstäbe setzen kann. Im Bereich des Verkehrs gibt es zum Beispiel die For­derung, den öffentlichen Verkehr auszubauen und ein europäisches öffentliches Ver­kehrsnetz in den ländlichen Gebieten, besonders auch in den Inselgebieten, zu schaffen, was wirklich etwas ist, wozu wir als Österreich sagen können, jawohl, das wollen wir auch noch stärken.

Wenn es um Beteiligung geht, ist zum Beispiel aus einem belgischen Bürgerforum der Vorschlag gekommen, dass die Teilnahme an der Wahl zum Europäischen Parlament ab dem 16. Lebensjahr möglich sein soll. Österreich hat da mit dem Wahlalter 16 durchaus eine gewisse Vorreiterrolle, und ich glaube, es ist gut, dass auf EU-Ebene Be­wegung und Bereitschaft zur Diskussion vorhanden sind.

Wir haben also schon gehört: Die Konferenz hat unter der Prämisse einer wirklichen Beteiligung stattgefunden und es haben sich doch viele Bürger eingebracht. Es ist na­türlich auch die Erwartungshaltung entsprechend hoch. Um dieser gerecht zu werden, braucht es eben einen glaubwürdigen Folgeprozess. Wir brauchen Lösungen für die ent­scheidenden und akuten Probleme unserer Zeit. Gerade die letzten Wochen und Monate haben schon gezeigt, wie wichtig Zusammenarbeit ist, ohne an Effizienz zu verlieren oder auch Dinge wie die Subsidiarität, die durchaus ihre Vorteile hat und sich bewährt hat, gänzlich infrage zu stellen.

Wir sollten aber auch – wie Ministerin Edtstadler schon gesagt hat – Reformen angehen und dort, wo sie notwendig sind, auch wirklich Aktionen setzen. Die Ziele der Konferenz zur Zukunft Europas und des Europäischen Jahres der Jugend stimmen ja darin überein, dass man Engagement und Partizipation fördern will – da muss man das aber auch


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durchziehen. Das heißt, wer Beteiligung fordert, muss diese auch ernst nehmen, damit sie auch wirklich nachhaltig gefördert werden kann. Nur so können wir die Europäische Union stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.


12.14.16

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freun­de vom BRG Kapfenberg, die heute auf Besuch sind – die sitzen da oben –, auch herz­lich willkommen! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.) Wenn man über die Europäische Union diskutieren möchte und diskutiert, ist ein Befund natürlich wesentlich: Die Zeiten, in denen wir jetzt Politik betreiben und dis­kutieren, sind unsicher, herausfordernd und äußerst turbulent. Wir befinden uns – nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union – in der größten Teue­rungswelle seit über 40 Jahren. Wir befinden uns mittlerweile im dritten Jahr einer Pan­demie. Die Klimakrise spitzt sich zu. Und es findet ein verheerender Angriffskrieg, der langsam in einen Stellungskrieg überzugehen scheint, in unserer unmittelbaren Nach­barschaft statt.

Bei all diesen dramatischen Entwicklungen gibt es schon auch positive Aspekte zu er­wähnen, nämlich: Diese behäbige, manchmal schwer zu verstehende und kompliziert funktionierende Europäische Union scheint in der Krise zu funktionieren. Das ist nicht das erste Mal, dass wir das sehen, das haben wir schon öfters gesehen, und es zeigt schon, dass diese Europäische Union auch für uns einen massiven Mehrwert hat.

Dieses Funktionieren in der Krise ist auch etwas, das meines Erachtens diese Europäi­sche Union näher zu den Bürgerinnen und Bürgern bringt, aber man muss natürlich auch umgekehrt dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger immer mehr in dieser Euro­päischen Union mitmachen können, mitbestimmen, mitentscheiden, Vorschläge liefern. Meines Erachtens war diese Zukunftskonferenz schon ein gutes Instrument. Man kann abwertend sagen, es waren nur 700 000 Menschen, die sich online betätigt haben. Es waren nur 53 000 Menschen, die aktiv teilgenommen haben. Ich sage es umgekehrt: Ich bin froh, dass sich Menschen für Europa engagieren, dass Menschen Ideen liefern, dass sich Menschen einsetzen und dafür sorgen, dass diese Union eine bessere Union wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jeitler-Cincelli und Gabriela Schwarz.)

Es ist aber natürlich auch wichtig, dass sich für diese Menschen, die teilnehmen, der Traum erfüllt – ich sage bewusst: Traum; für mich ist diese Union kein Projekt, es ist ein Traum, den wir uns erfüllen –, dass aus den Ideen, die sie eingebracht haben, natürlich auch etwas wird.

Dieser wichtige nächste Schritt, dafür zu sorgen – Kollege Reimon hat einige Dinge an­gesprochen, die unglaublich positiv eingebracht wurden –, dass diese Dinge dann auch umgesetzt werden, liegt an zwei Gestaltern im europäischen Prozess: Das liegt an der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament auf der einen Seite und es liegt auf der anderen Seite auch an den Mitgliedstaaten. Österreich ist einer jener Mitgliedstaaten, die in den letzten Jahren – das muss ich jetzt bewusst kritisch sagen – mehr die Rolle des europäischen Querulanten als die eines konstruktiven Mitspielers eingenommen haben.

Ich hoffe wirklich, dass mit dem Ausklingen der kurzen türkisen Ära in der österreichi­schen Bundespolitik diese Querulantenrolle auf europäischer Ebene vorbei ist, ge­schätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Selbstverständlich kann man über Inhalte trefflich streiten. Ich habe sehr interessiert Kollegen Lopatka zugehört, wie er versucht hat, zu erklären, dass nur das Große erledigt


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werden soll und das Kleine nicht, und zum Kleinen gehört anscheinend Sozialpolitik – das passt zur ÖVP, ja, aber für uns ist Sozialpolitik eines der wichtigsten Themen, die auch auf europäischer Ebene zu regeln sind. Es braucht ein soziales Europa, es braucht ein Europa der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur der Konzerne. Diesen Ausgleich kann man nur auf europäischer Ebene schaffen. Dafür sind die Mitgliedstaaten inzwischen zu klein, Kollege Lopatka, und das ist auch eine große Angelegenheit, die erledigt werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Mindestrechte, Mindeststandards auf europäischer Ebene sind das, was anzustreben und anzugehen ist. Dasselbe gilt für die Steuerpolitik. Die Riesengewinne der großen Konzerne, die Umgehungsmöglichkeiten, die Fakten, dass Riesenkonzerne eigentlich keine Steuern mehr zahlen – all das ist nur europäisch zu lösen und europäisch zu be­steuern, und das muss der nächste Schritt sein, um ein faireres Europa zu bekommen, ein Europa, das von den Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert wird, geschätzte Damen und Herren. Das muss das Nächste sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Es liegt in unserer Verantwortung, was mit diesem Europa, mit dieser Europäischen Uni­on in Zukunft geschehen wird.

Ich habe, um zum Schluss zu kommen, einmal – das ist schon lange her – eine Diskus­sion zwischen dem damaligen sowjetischen Botschafter und dem damaligen amerikani­schen Botschafter in Österreich moderiert.

Die Frage war: Wie entwickelt sich die Europäische Union weiter? Wird es ein Staaten­bund bleiben oder wird es ein Bundesstaat? – Einer von den beiden hat etwas sehr Ge­scheites gesagt, und zwar hat er gesagt: Die Frage stellt sich nicht. So etwas wie diese Europäische Union hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie gegeben, das ist etwas ganz Besonderes und wird etwas ganz Besonderes werden. Es liegt in unserer Verantwortung, dass das etwas Vernünftiges und Gutes wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Jeitler-Cincelli und Brandstätter.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


12.20.39

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Ich versuche jetzt, ein bisschen von der Wol­ke des Pathetischen runterzukommen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), und ich ver­suche auch, Kollege Scherak, nicht populistisch zu sein.

Es geht um das Voranstellen der geopolitischen Interessen Europas, wie die Frau Bun­desministerin das gesagt hat. Wer dazu in der Lage ist, dazu sind wir allerdings unter­schiedlicher Meinung. Ich bin eben nicht der Meinung, dass das Konstrukt der Europäi­schen Union in dieser Form in der Lage ist, die geopolitischen Interessen Europas voran­zustellen. Ich bin auch nicht überzeugt davon (Zwischenruf des Abg. Brandstätter), dass das Konstrukt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brandstätter– lassen Sie mich ausreden! – Europäische Union in der Lage ist, die Probleme und Aufgabenstellungen für die kleinen Leute, für den kleinen Unternehmer, für den Mittelstand zu lösen – sehr wohl ganz offensichtlich für die Eliten. Es ist aber nicht Aufgabe der Freiheitlichen Partei, prioritär die Interessen der Eliten zu vertreten, sondern wir sehen es als unsere Aufgabe, genau diese Interessen zu vertreten.

Kollege Lopatka hat gesagt, die Europäische Union hat große Aufgaben zu bewältigen. (Abg. Lopatka nickt.) Schauen wir uns die großen Aufgaben, die unseres Erachtens andere sind, einmal an und schauen wir uns an, ob die EU in der Lage ist, Probleme zu lösen, oder ob sie Probleme schafft. Wir sind der Meinung, sie schafft mehr Probleme, als sie löst.


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Gehen wir das erste große Problem an, die Aufgabenstellung Migrationspolitik: Glauben Sie im Ernst, dass die Europäische Union das Thema Migration mit Sätzen wie: Wir schaffen das!, Wir nehmen die ganze Welt in Europa auf und lösen damit die Probleme der Welt!, lösen kann? (Zwischenruf des Abg. Brandstätter.) – Das glauben wir nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ernst-Dziedzic: Das hat niemand gesagt!) Wir glauben, das schafft Probleme. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Kollege Amesbauer wird dann zum geplanten Migrationspakt noch zwei, drei Worte sagen. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Glauben Sie ernsthaft, dass die Europäische Zentralbank als verlängerte Institution der Europäischen Union durch ihre Politik, die sie die letzten 14 Jahre seit der Krise 2008 gemacht hat, Probleme löst? – Nein, sie schafft Probleme. Jeder, der sich über die Infla­tion wundert, sollte einmal ein bisschen volkswirtschaftlich nachdenken und vielleicht überlegen: Gibt es eine Korrelation zwischen einer hemmungslosen Schuldenpolitik, einer hemmungslosen Geldvermehrung, einer Nullzinspolitik, die die Staaten geradezu auffordert, sich hemmungslos zu überschulden, und der Inflation? – Selbstverständlich gibt es da eine Korrelation. Genauso wie es selbstverständlich eine Korrelation mit den dirigistischen Eingriffen im Rahmen des Coronaregimes, über Lockdowns, über Zusper­ren et cetera, gibt. Selbstverständlich gibt es auch da eine Korrelation, das ist auch in­flationstreibend. Wenn Sie mir nicht glauben: Prof. Hans-Werner Sinn werden Sie wohl glauben, der sagt das nämlich auch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dritte große Aufgabe: Energie- und Klimapolitik der Europäischen Union. Das ist ja auch von sehr, sehr viel Ideologie getragen – jetzt ist die Frau Minister weg –, aber nicht von sehr viel Hausverstand und schon gar nicht von der Vertretung der geopolitischen Inter­essen des Wirtschaftsstandortes Europa. Wir schießen uns da permanent ins Knie. Mit unserem Anspruch, die Welt zu retten, indem wir so und so viel Prozent CO2-Emissionen verringern, zerstören wir unsere globale Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Ver­gleich. Das führt dazu, dass die Schwerindustrie in Länder abwandert, die das Dreifache an CO2 in die Atmosphäre plustern – da geht es aber offensichtlich um Arbeitsplätze, um Industrie und produktive Arbeitsplätze. Das ist nicht auf Ihrer Prioritätenliste, denn auf Ihrer Prioritätenliste ist: Ich rette die Welt und den Europaen Way of Life! – Da würde ich auch gerne einmal wissen, was Sie genau darunter verstehen, Frau Bundesministerin. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.)

Als ob das nicht genug wäre, geben wir jetzt noch einen drauf, und zwar in der Vertretung der geopolitischen Interessen Europas durch eine vollkommen absurde, Europa schädi­gende Sanktionspolitik aus Anlass des Kriegskonfliktes, der in der Ukraine stattfindet. Glauben Sie ernsthaft, dass das für unsere Industrie gut ist, indem wir uns jetzt sozu­sagen selbst freiwillig das Gas und das Öl abdrehen? – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte mit dem Programm Future of Europe schließen. Ich glaube, wir haben ein bisschen ein unterschiedliches Demokratieverständnis, Frau Bundesminister, wenn Sie sagen, das ist gelebte Demokratie, wenn Sie mit 1 200 und irgendetwas Stakeholdern diskutieren und Vorschläge machen. Für mich ist gelebte Demokratie direkte Demokra­tie, unmittelbare Demokratie. Da, glaube ich, brauche ich nicht näher zu erklären, dass die Freiheitliche Partei seit Jahrzehnten (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz) ein Anwalt der direkten Demokratie ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir haben halt leider nicht immer die Mehrheiten, um das durchzusetzen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Es liegt aber am Wähler, da vielleicht einen Schritt in die rich­tige Richtung zu provozieren.

Mit Demokratie hat das also relativ wenig zu tun. Da bin ich jetzt bei der Future of Europe: noch mehr Kompetenzen nach Brüssel, noch weiter von den Menschen weg, noch weiter weg vom Volk – von demos und kratein, der Macht des Volkes.


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Das Einstimmigkeitsprinzip wollen Sie weghaben mit dem Titel: Ja, dann wird das alles flexibler!, und Sie nehmen auch noch das Wort Schutz in den Mund. Das Vetorecht, das ist nämlich die Kehrseite des Einstimmigkeitsprinzips, schützt gerade kleine Länder wie Österreich. Ungarn zum Beispiel: Stellen Sie sich vor, was mit den Ungarn passieren würde, wenn in vielen Fällen dieses Einstimmigkeitsprinzip nicht herrschen würde! (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.) Dann würde Ungarn sozusagen wegen irgendwelcher Ge­setze, die offensichtlich nicht dem Europaen Way of Life entsprechen, vollkommen will­kürlich von Vertretern der Kommission unter Druck gesetzt werden. Das wollen wir alles nicht. Das ist ja ein Schutz für die kleinen Länder. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend: Alle, die sagen: Wir wollen mehr Europa!, die müssen bitte diesen Satz zu Ende sprechen, und der Satz zu Ende formuliert lautet: und damit weniger Österreich. (Der Redner deutet auf den hinter ihm auf der Wand hängenden Bundesadler.) – Das ist conditio sine qua non. Wir Freiheitliche wollen mehr Österreich und weniger die Pro­blemproduktionsmaschine Europäische Union. Das ist eigentlich relativ klar. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich glaube, dass du 100 Jahre zurückliegst!)

12.27


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.


12.27.25

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Frauen Ministerinnen! Werte Kollegen und Kolleginnen und BesucherInnen! Der Weg Richtung Zukunft ist steinig und der Weg Richtung Frieden ist gerade besonders holprig. Aus meiner Sicht ist es aber besser, zu stolpern und sich wieder aufzuraffen, als in Putins Zwangsjacke wieder aufzuwachen. Das EU-Parlament stimmt heute ab, ob der deutsche Ex-Kanzler Schröder und die österreichische Ex-Außenministerin Kneissl auf Russlands Sanktions­liste sollen.

Stellen Sie sich vor, es ist Krieg an Europas Grenzen und unsere österreichische Außen­ministerin kniet vor dem Kriegstreiber nieder! Da muss man fast sagen: Ibiza sei Dank!, aber eigentlich ist uns ja das Lachen vergangen. Unsere Debatten hier im Hohen Haus streifen den bereits 85 Tage andauernden Krieg lediglich. Man hat das Gefühl (Zwi­schenruf des Abg. Deimek), dass er in den Hintergrund gerät und viele nicht sehen wollen, dass die Inflation in Österreich, die Teuerung, die Frage der Energieversorgung eben unmittelbar mit diesem Krieg zusammenhängen.

Deshalb müssen wir, wenn wir heute über die Zukunft Europas sprechen, daran erin­nern, dass Putin nicht bloß ein paar ukrainische Gebiete einnehmen möchte, sondern dass Russland einem ganzen Volk das Existenzrecht abspricht. (Abg. Deimek: Und die Teuerung hängt auch mit der ... zusammen, aber das ist Ihnen ...!) Russland führt diesen brutalen Krieg nicht nur mit Panzern, Raketen und Bomben, wie Deutschlands Außenmi­nisterin eben sagte, sondern es ist ein Krieg, der über Ressourcen geführt wird.

Die Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine wird aktuell als Waffe eingesetzt. Putin will Flucht, das Leid der Menschen genauso wie den Hunger als Waffe einsetzen. Konkret: Russland blockiert in der Ukraine die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide vor allem nach Nordafrika und Asien. Die Ukraine ist, wenn Sie vielleicht so etwas nicht wissen, einer der größten Produzenten der Welt. Das hat eine globale Komponente, der Krieg hat eine globale Komponente.

Und ich weiß nicht, ob Sie wussten, dass Russland und die Ukraine gemeinsam mehr als die Hälfte des Sonnenblumenöls weltweit produzieren. Man fragt sich: Wie will man in Österreich in Zukunft die Schnitzel braten, wenn man sich nicht dessen annimmt, die­sen Krieg zu beenden? (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Martin Graf.)

Wenn jetzt 47 Millionen Menschen zusätzlich der große Hunger droht, dann werden wir uns auch in Europa fragen müssen, wer noch genug zu essen hat. Deshalb gilt: Wenn


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wir heute über die Zukunftskonferenz reden, dann reden wir auch über die Zukunft von Wohlstand, Frieden, Freiheit und Demokratie in Europa. Raus aus fossilen Energien ist nicht bloß eine Floskel, es ist die Zukunft! Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa ist nicht bloß eine Notwendigkeit, es ist die Zukunft! Deshalb gilt es, mit aller Kraft und gemeinsam in diesem Europa diesen Krieg, diesen Dominoeffekt aufzuhalten. Es ist eine Zeitenwende, und es ist keine Zeit mehr, sich gemütlich zurückzulehnen. Es ist unsere gemeinsame Zukunft in Europa, unser Friedenskontinent, und ja, es wird keinen Frieden auf diesem Kontinent geben, wenn es keinen Frieden in der Ukraine gibt. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


12.31.28

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Frauen Bundesmi­nisterinnen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Europäerinnen, liebe Europäer! Na­türlich haben wir uns diese Zukunftskonferenz anders vorgestellt, aber dann sind Krisen gekommen. Jean Monnet, der Gründervater, sozusagen der erste Kommissionspräsi­dent, war auch Prophet. Er hat nämlich gesagt: Europa wird durch Krisen geschmiedet, und es wird die Summe der Lösungen sein, mit denen die Krisen überwunden werden. – Ein wunderbares Zitat.

Ein anderer, Robert Schuman in seiner berühmten Rede 1950, was hat er gesagt? – Europa wird durch konkrete Tatsachen wachsen, durch die Solidarität der Tat. – Das haben sie beim KGB nicht gelernt. Das hat Putin, der Kriegsherr, nicht gelernt, dass Völker zusammenarbeiten können, dass Europa dadurch wächst – durch die Solidarität der Tat. Das hat ihn überrascht, wie die europäischen Länder, die Länder der Europäi­schen Union zusammengestanden sind und wie die Menschen gesagt haben: Ja, wir werden der Ukraine gemeinsam helfen! – Das hat den Geheimdienstler überrascht, und es hat mich auch ein bisschen überrascht, wie gut es funktioniert hat, und ich bin so dankbar und wir können so vieles daraus lernen. Diese Solidarität der Tat, die wir be­gonnen haben, müssen wir jetzt gerade gegenüber der Ukraine fortsetzen.

Wir haben – und ich werde am Nachmittag noch einmal über die Ukraine sprechen – ja auch eine Delegation von Abgeordneten hier gehabt. Das hat mich beeindruckt, wie vor allem diese zwei jungen Frauen erzählt haben, dass sie jetzt in ihrem Land diese Demo­kratie aufbauen, jetzt noch, mitten im Krieg darüber reden, wie die Demokratie auch in der Ukraine besser funktionieren wird, als sie ohnehin schon funktioniert.

Eine hat erzählt, dass sie beim Europäischen Parlament ein Stage absolviert, also mitge­arbeitet hat. Ich habe als junger Mensch in der Europäischen Kommission mitarbeiten dürfen, und da haben wir jungen Leute manchmal darüber geredet, dass unsere Väter möglicherweise aufeinander geschossen haben. Diese Menschen erleben aber gerade, dass auf sie geschossen wird. Deswegen ist die Solidarität der Tat so wichtig in der Ukraine, aber gerade auch bei uns in Österreich. Auch hier der Appell, bitte schön: Un­terstützen wir die Menschen, die hier sind! Sie brauchen es und wir brauchen es, denn sie verteidigen auch gerade Europa. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)

Wichtig ist mir aber, dass wir natürlich auch Europa reformieren müssen. Ich habe heute ein Buch mitgebracht, das Sie eigentlich auswendig können sollten, jedenfalls die Regie­rungsparteien, das ist das Regierungsprogramm. (Der Redner hält ein Exemplar des Regierungsprogramms mit dem Titel „Aus Verantwortung für Österreich“ in die Höhe.) Da stehen sehr wichtige Sachen drinnen, nämlich „Abschaffung des Amtsgeheimnis­ses“ – ich glaube, da ist noch ein bissl was zu tun. Da stehen auch drollige Sachen wie


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„Mehr Transparenz bei Stellenbesetzungen“ – ich glaube, da sind wir noch nicht so weit. Aber – und jetzt wird es ganz ernst – es steht auch ein Satz drinnen, nämlich: Österreich wird sich bei der Konferenz für die „Annahme von Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit in zusätzlichen Bereichen (z.B. Außenpolitik)“ einsetzen.

Was passiert dann? – Die NEOS bringen einen Antrag ein, in dem sie genau diesen einen Satz sagen, nämlich: Beschließen wir doch, dass wir uns für Mehrheitsbeschlüsse einsetzen! Was passiert? – Grüne und ÖVP lehnen das ab. Wie ist das möglich? Wie kann man überhaupt etwas ablehnen, das im Regierungsprogramm steht? – Das ist übelste Missachtung des Parlamentarismus.

Ich möchte an dieser Stelle schon auffordern: Wenn wir in Europa Reformen wollen, dann sollten wir auch in Österreich darüber nachdenken, dass wir hier auch einiges zu tun haben. Dass vieles in diesem Land schiefgelaufen ist, das wissen wir, aber jetzt müssen wir wirklich darauf achten, den Parlamentarismus so zu achten, dass man we­nigstens dem eigenen Regierungsprogramm zustimmt. (Beifall bei den NEOS.)

Noch etwas, weil das auch interessant ist und zum Thema Sicherheit beiträgt: Frau Bun­desministerin Tanner hat in Amerika gesagt: Wenn das Völkerrecht verletzt wird, kann es keine Neutralität geben. – Jetzt möchte ich auch wissen: Was heißt das eigentlich? Diese Diskussion müssen wir bitte auch führen, verhindern wir sie nicht, Herr Bundes­kanzler!

Eines noch, weil darüber geredet wurde: Europa ist wahnsinnig attraktiv. Natürlich kom­men jetzt Russinnen und Russen zu uns. Die wollen dort nicht leben, die wollen nicht in einer Diktatur leben, die wollen den European Way of Life. Ja, das ist so, wie wir hier leben, nämlich in Freiheit, in Frieden, indem wir miteinander streiten, aber einander nicht bekämpfen – das ist so wesentlich –, indem wir diskutieren. Meine Kollegin Julia Seidl hat eben noch gesagt: Ja, auch diese Europagemeinderäte sind sinnvoll.

Es passiert so vieles. Machen wir es nur noch ein bissl besser, denn Europa kann noch besser werden! Darauf müssen wir aber setzen und den Menschen klar sagen: Nationale Lösungen von Klima über Industrie bis zu Fragen wie Gesundheit gibt es nicht mehr. Wir können es gemeinsam machen oder nicht. Bitte machen wir es gemeinsam! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Jeitler-Cincelli.)

12.36


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


12.36.25

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Liebe Karoline Edtstadler! Liebe Menschen, die uns zusehen, zu Hause oder auch hier, und vor allem: Liebe alle, die sich an diesem einjährigen Prozess der Zukunftskonferenz be­teiligt haben, in welcher Form auch immer! Am 9. Mai, am Europatag, fand der Prozess nach einem Jahr Arbeit einen Abschluss mit dem Endbericht, einen vorläufigen Ab­schluss – darauf werde ich am Schluss noch einmal zurückkommen. Im Abschlussbe­richt lesen wir knapp 300 Empfehlungen. Ein Fünftel davon betrifft saubere Energie, Schutz der Umwelt, nachhaltige Landwirtschaft, leistbaren öffentlichen Verkehr, den Ausbau des Bahnnetzes, gerade grenzüberschreitend. Anhand all dieser Empfehlungen aus diesem Bereich und aus vielen anderen Bereichen zeigt sich einfach sehr deutlich, wohin sich Europa im Sinne der Bürgerinnen und Bürger auch bewegen soll: in Richtung einer starken Union, in Richtung einer handlungsfähigen Union, in Richtung einer nach­haltigen Union.

Im Laufe des gesamten Prozesses gab es in allen EU-Mitgliedstaaten Veranstaltungen, Initiativen, Diskussionen, Foren. Auch Österreich hat sich sehr aktiv beteiligt. Danke,


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liebe Karo Edtstadler, dass du diesen Prozess auch in Österreich so ambitioniert mitbe­gleitet und geführt hast. Ich selbst war auch involviert, nämlich bei den Sitzungen der Arbeitsgruppe zu Klima und Umwelt des Zukunftsprozesses. Was mich aber am meisten freut, ist, wie viele junge Menschen teilgenommen haben. Diese Konferenz war insbe­sondere auch eine der Jugend. Ich möchte wirklich ein ganz, ganz herzliches Danke allen Menschen, jung oder alt, aussprechen, die sich beteiligt haben, die mit ihrem Engagement, mit ihrem Herzblut, mit ihren guten Ideen daran gearbeitet haben, Euro­pa weiterzubringen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

Genau das, genau diese Partizipation, diese Teilhabe, diese Mitsprache, war das Kern­stück dieser Konferenz. Das war der Grundgedanke dieser Konferenz. Nach diesem Jahr können wir sagen, dieses Ziel haben wir erreicht. Die Mitsprache, die Einbeziehung, das hat funktioniert. Es gibt viele innovative Vorschläge, interessante Vorschläge, wie man die EU effizient, fair, ressourcenschonend, umwelterhaltend, vor allem auch bürge­rinnen- und bürgernahe machen kann.

Wenn ich mich den konkreten Beiträgen gerade auch aus meinem Bereich zuwende, dann sehe ich, da geht es ganz vielen Menschen um verbesserte, um geeignetere Maß­nahmen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung, der Wasserverschmutzung, um Luft, um Licht oder um die Abkehr von schädlichen Emissionen. Es gibt Vorschläge zur Erhöhung der biologischen Vielfalt, zur Eindämmung der Entwaldung, zur Förderung, Entwicklung und Nutzung alternativer umweltfreundlicher Verkehrsmittel, zur Zurücknah­me des Pestizideinsatzes, zu lokaler Landwirtschaft, zu fairen Preisen für Landwirtinnen und Landwirte. Über die Abfallproblematik ist ganz intensiv diskutiert worden, die natür­lich in einem ganz massiven Zusammenhang mit unser aller Konsumverhalten steht.

Es ist nicht zufällig, dass Klima und Umwelt lange das Thema Nummer eins für die Bür­gerInnen auf der multilingualen Plattform der Konferenz war. Am Ende sind Klima und Umwelt und europäische Demokratie abwechselnd die wichtigsten Themen gewesen. Das ist ein ermutigendes Zeichen, denn es zeigt uns auf europäischer Ebene, es zeigt uns auf nationaler Ebene, es zeigt uns in der Bundesregierung, aber genauso hier im Parlament: Es gibt da einen klaren Wunsch, auch einen klaren Auftrag, im Sinne einer sauberen Umwelt und einer sauberen Politik zu arbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Konferenz endete mit einem Abschlussplenum, es gibt einen Abschlussbericht. Aber ja, es sollte uns völlig klar sein: Das ist nicht das Ende unserer Arbeit, sondern es ist der Anfang unserer Arbeit, denn diese fängt für uns hier jetzt erst richtig an.

Wenn diese vielen Runden, diese vielen Arbeitsgruppen, diese vielen Plenarsitzungen, diese vielen digitalen und sonstigen BürgerInnenforen wirksam werden sollen, dann müssen wir jetzt handeln, dann müssen wir rasch und entschlossen an der Umsetzung arbeiten. Ja, die Bürgerinnen und Bürger haben uns zu vielen Änderungen auf vielen Ebenen aufgefordert, ja, auch an den europäischen Verträgen, und wir müssen uns jetzt – das ist der Auftrag aus dieser Konferenz – auch intensiv damit auseinanderset­zen, uns genau ansehen, was und wie viel davon wir umsetzen können. Diesen Auftrag haben uns die Bürgerinnen und Bürger in dieser Zukunftskonferenz mitgegeben, und ich werbe bei allen dafür, denn diesen Auftrag anzunehmen stärkt auch das Vertrauen in die Demokratie (Zwischenruf des Abg. Wurm), in die demokratischen Prozesse und in die Europäische Union. – Deswegen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 83

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cin­celli. – Bitte.


12.41.35

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): „Nie habe ich unsere [...] Erde mehr geliebt als in diesen letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, nie mehr auf Europas Einigung gehofft, nie mehr an seine Zukunft geglaubt als in dieser Zeit, da wir meinten eine neue Morgenröte zu erblicken. Aber es war in Wahrheit schon der Feuerschein des nahenden Weltbrands.“ – Diese Zeilen stammen von Stefan Zweig, „Erinnerungen eines Europäers“ im Kapitel „Glanz und Schatten über Europa“ aus seinem großen Werk „Die Welt von gestern“.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Stefan Zweig war ein glühender Verfechter eines geeinten, vereinten Europas, in einer Zeit, als jeder das noch als Illusion, als bloße Utopie empfand. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Heute, in einem geeinten – und im Moment wieder weniger geeinten – Europa sehen wir unsere Union in ihren Grundfesten erschüttert. Die Polarisierung zwischen Verfechtern des Unionsge­dankens und den Kritikern, die leider immer lauter werden, wie man das vorhin bei Kol­legin Steger gehört hat, und populistischer denn je, findet immer weiter statt.

Wir sind in einer totalen Drucksituation zwischen Ost und West, zwischen Weltmächten gefangen, erleben gerade einen Krieg, eine Seuche, und unser Wirtschaftsstandort ist bedroht. – Herr Kollege Kassegger, ich kann das verstehen, viele Dinge sehe ich genau­so, wenn wir eine Zahl hernehmen: weltweit angemeldete Patente. Was glauben Sie, wie viel Prozent letztes Jahr von China angemeldet wurden? – Das sind 46 Prozent. Und von der EU? – 6 Prozent. Mit allen Maßnahmen, die wir da setzen, auch im umweltpoliti­schen Bereich, müssen wir wahnsinnig sorgsam umgehen, denn es geht um einen Standort, der wirklich in Gefahr ist, und auch um das Lebensmodell Europa, das gefähr­det scheint.

Doch in Schönheit oder in Selbstgerechtigkeit zu sterben war noch nie unser Ansatz, und deswegen, denke ich mir, müssen wir gerade jetzt ein europäisches Bewusstsein fördern. Meine Hoffnung letztens: Macron, Frankreich, die ja immer schon als Gestalter Europas gegolten haben, die jetzt sagen, es seien für sie völlig neue Wege vorstellbar. Das gibt, glaube ich, dem Ganzen schon einen Auftrieb – diese Zukunftskonferenz; man kann sagen, wie viele teilgenommen haben, wie viele nicht. Ich danke allen, die teilge­nommen haben! – Es wäre schön gewesen, hätten auch Sie (in Richtung FPÖ) Leute mobilisiert, die daran teilnehmen (Zwischenruf der Abg. Steger), und es nicht nur schlechtgeredet, Frau Steger!

Diese Zukunftskonferenz hat Vorschläge erarbeitet, und ein ganz wesentlicher Vor­schlag, zu dem Sie (in Richtung FPÖ) heute einen Antrag einbringen, ist, das Einstim­migkeitsprinzip zu hinterfragen. Es geht einmal nur darum, in einem Konvent zu disku­tieren, wie wir zukünftig damit umgehen, wie wir zu unserer Meinungsfindung kommen und wie wir Entscheidungen treffen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, darüber zu reden, denn überall, in jeder kleinen Region, finden irgendwann Wahlen statt, und wenn wir alles so populistisch machen würden wie hier, und jeder das so macht, dann werden wir nie zu Entscheidungen kommen, die über eine Generation hinausgehen, die wirklich zu­kunftsweisend sind.

Die nächste Frage: Wie gehen wir mit der Erweiterung der EU um? – Da geht es um das Thema Westbalkan, und meine Meinung dazu kennt man in diesem Saal sehr gut. Es waren damals auch viele Menschen nicht überzeugt. Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der damals dabei war und gesagt hat, dass es sehr viele Gegner gab, die sagten: Österreich ist nicht so weit, Österreich kann noch nicht teilnehmen, es spricht viel mehr dagegen als dafür! – Ich glaube also, gerade jetzt haben wir auch da die Verantwortung, ernsthaft nächste Schritte zu setzen.


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Ein Europa ist nie statisch. Ein Europa ist Transformation, hat eine transformative Kraft. Wir sind Kooperation, wir sind als Europa Transformation, es ist kein gottgegebenes Faktum, dass es uns als diese Form gibt, sondern das ist harte Arbeit, und da geht mein Appell wirklich an Sie: Europa ist durch viele Krisen gegangen, ist immer wieder auf­gestanden, hat immer wieder gelernt, sich weiterzuentwickeln. Lassen wir auch jetzt die­se Chance zu, denn Europa kann das! Das ist in unserer DNA, das ist unser Erbgut, dass wir als Europa es schaffen, uns zu entwickeln, die Zukunft anzunehmen.

Stefan Zweig hat das wunderschön benannt. Es gibt ein Wort in diesem Buch: das „Welt­vertrauen“. Ich glaube, das ist ein Urvertrauen, das wir als Europa wieder haben dürfen. Haben wir Weltvertrauen! – Er beschrieb es so: „Nie war Europa stärker, reicher, schö­ner, nie glaubte es inniger an eine noch bessere Zukunft.“

Ich möchte gemeinsam an diese Zukunft glauben, und da geht jetzt ganz konkret etwas an Sie (in Richtung FPÖ) als Fraktion – und Herr Amesbauer, Sie sind ja dann an der Reihe –: Ich bin jetzt während dieses ganzen Redeblocks hier gesessen, und es ist wahnsinnig unangenehm, wie zynisch, wie untergriffig, wie herabwürdigend hier von jedem Einzelnen, egal von welcher Fraktion – ob es Jörg Leichtfried ist, ob Niki Scherak herauskommt –, kommentiert wird. Das ist ein unangenehmes Gefühl, und ich glaube, genau da fängt es an: Würden wir beginnen, uns zuzuhören, wirklich ernsthaft zu disku­tieren, auf den anderen einzugehen und nicht nur uns in dieser massiven Emotionalität gegenseitig herabzuwürdigen, dann wäre das ein guter, guter Anfang für ein neues Eu­ropa! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Greiner.)

Ich darf mit einem Stilmittel, das ich mir von Kollegin Blimlinger klaue, enden (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Greiner), denn ich finde es ganz toll, was sie mit ihrer Kaserne macht. Die kenne ich gar nicht, ich kenne die Geschichte dahinter wenig, aber ich glau­be, man muss, um Menschen von den Dingen, die einem selber wichtig sind, zu überzeu­gen, Dinge immer, immer und immer wieder wiederholen und sie darauf aufmerksam machen. Das mache ich jetzt auch, und deswegen endet meine Rede heute so: Im Üb­rigen bin ich der Meinung, dass wir die Westbalkanländer möglichst rasch in die europäi­sche Integration führen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.46.58

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Zuseher! Wir diskutieren hier schon seit über einer Stunde über die sogenannte EU-Zukunftskonfe­renz, und diese wird ja immer wieder als Bürgerforum bezeichnet. – Ja, natürlich waren da auch Bürger dabei, das Problem ist aber: Die meisten Bürger – und das gilt für ganz Europa – wissen gar nichts davon, und es waren ja nicht nur Bürger dabei, es waren selbstverständlich auch Parlamentarier dabei, sogenannte Experten und, was ja ganz bizarr ist, sogenannte Faktenchecker.

Ich möchte mich im Hinblick auf dieses meines Erachtens utopische Projekt, das ja von Zentralisten gesteuert wurde und zur Zerstörung der europäischen Nationalstaaten die­nen soll, inklusive Abschaffung des für ein kleines Land wie Österreich so wichtigen Einstimmigkeitsprinzips, in meinem Redebeitrag vorwiegend mit dem Bereich der Migra­tion beschäftigen.

Es sind da mehrere Punkte angeführt, zum Beispiel auch die Reform des europäischen Asylsystems inklusive Solidaritätsmechanismus – wieder einmal wird das da hineinge­packt – und Verteilungsquote. Das bedeutet übersetzt nichts anderes als eine von


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Brüssel gesteuerte Zwangsverteilung von illegalen Einwanderern über alle EU-Mitglied­staaten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Zum Drüberstreuen soll es dann für Asylwerber noch den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt geben.

Wenn man sich jetzt anhand des EU-27-Vergleichs laut Eurostat betreffend Asylanträge in den EU-Mitgliedstaaten die Situation in Österreich ansieht, stellt man fest: Es gab im Zeitraum 2021, im Vorjahr in Österreich fast 40 000 Asylanträge, exakt 39 930. Ungarn ist mit 40 Asylanträgen im gleichen Zeitraum an letzter Stelle dieser Statistik. Wenn wir uns jetzt noch die Pro-Kopf-Belastung der EU-Mitgliedstaaten pro 100 000 Einwohner im Vorjahr ansehen, dann sehen wir Österreich auf Platz zwei von 27 direkt hinter Zy­pern, mit 447 pro 100 000 Einwohnern. Deutschland zum Beispiel: 229. Also wenn man sich das anschaut: In Österreich ist die Pro-Kopf-Belastung doppelt so hoch wie in Deutschland, obwohl Deutschland zehnmal so groß ist und zehnmal so viele Einwohner wie Österreich hat. Da kann ja irgendetwas nicht - - (Abg. Holzleitner: ..., Herr Kolle­ge!) – Frau Kollegin, ich verstehe eh nicht, was Sie da hereinplärren! – Da kann ja ir­gendetwas nicht stimmen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Schweden, ein traditionell liberales Zuwanderungsland, hat auch die Zeichen der Zeit und die Probleme, die es sich ins Land geholt hat, erkannt: 135; Polen 21, Österreich – ich wiederhole es noch einmal – 447 und Ungarn null, was die Pro-Kopf-Belastung be­trifft.

Das ist besonders bemerkenswert, da ja Ungarn im Unterschied zu Österreich eine EU-Außengrenze hat, nämlich zu Serbien. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Da sieht man ganz klar: Wir können dem ungarischen Volk dankbar sein, dass es Orbán und die Fi­desz – trotz aller Unkenrufe der Linken in ganz Europa – wieder so gestärkt hat. Da sieht man ganz klar: In Europa brauchen wir mehr Orbáns und weniger von der Leyens, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Wir haben in Österreich im Vorjahr fast 40 000 Asylanträge gehabt, obwohl Schengen und Dublin nach wie vor gültiges Recht sind. Wenn Schengen und Dublin ernst genom­men werden würden, dann müssten die Asylanträge in diesem Land Richtung null ge­hen. 85 Prozent davon sind Männer, 63 Prozent Syrer und Afghanen (Zwischenrufe bei der SPÖ), obwohl uns der damalige Innenminister Nehammer eine De-facto-Nullzu­wanderung versprochen hat. Die Nullzuwanderung des Herrn Nehammer bedeutet 40 000 Asylanträge.

Wie schaut es heuer, im Jahr 2022, aus? – In den ersten drei Monaten – Jänner, Februar und März – zählen wir schon über 11 000 Asylanträge, ein Plus von 115 Prozent zum Vergleichszeitraum 2021. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Topnationen: Syrien und Afgha­nistan machen mehr als die Hälfte aus, dann kommen Tunesien, Indien und die Türkei. Es sind also vorwiegend islamische Länder. Aus Erfahrung wissen wir, dass gerade in diesem Bereich in den Flüchtlingsunterkünften Radikalisierungsversuche unternommen werden. Übrigens sind die ukrainischen Kriegsvertriebenen nicht in diese Statistik einge­rechnet, weil sie nicht unter das Asylrecht fallen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Bei diesen Zahlen kann man sich nur fragen, was der derzeit amtierende Innenminister beruflich eigentlich macht. (Abg. Scherak: Wieso hast du die falsche Rede mit, Han­nes?) Das ist ja ein Wahnsinn und ein Totalversagen in der Asylpolitik. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Jetzt zur Europäischen Union und dazu, was die Europäische Union wirklich machen soll und was die Aufgabe der Europäischen Union wäre (Zwischenruf der Abg. Holzleit­ner  Zwischenrufe bei den Grünen): der Schutz der Außengrenzen – so wie Polen. Er­innern Sie sich an die Bilder der zweiten Hälfte des Vorjahres zurück, als Polen Europa mit physischen Grenzbarrieren, mit Manpower gegen diesen Ansturm verteidigt hat, der


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von Erdoğan und Lukaschenko aus Weißrussland inszeniert wurde! Da haben wir auch gesehen, dass die europäische Solidarität, die ja so oft beschworen wird, gefehlt hat, denn Europa hat Polen im Stich gelassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Der Schutz der Außengrenzen und nicht irgendwelche Verteilungsquoten sind die Haupt­aufgabe der EU. Ein Umdenken, ein Paradigmenwechsel ist notwendig. Wir müssen von diesem Irrglauben wegkommen, dass jeder, der es irgendwie an und über die Grenze schafft, hierbleiben kann und einen Asylantrag stellen darf. Wir brauchen eine bessere Unterstützung für jene Länder, die einen anderen Weg gehen wollen. Das sind nicht nur die Osteuropäer, das ist zum Beispiel auch das sozialdemokratisch regierte Dänemark mit einem strikten Asylkurs; das ist Schweden, das immer restriktiver wird, weil sie gese­hen haben, dass ihre Asylpolitik gescheitert ist und in Städten wie Stockholm, Göteborg und Malmö eine multikriminelle Serie von Gewaltorgien herrscht.

Sehr geehrte Frau Ministerin Edtstadler, Sie haben in Ihrer Rede angesprochen, dass wir qualifizierte Zuwanderung für unseren Arbeitsmarkt brauchen. Da gebe ich Ihnen recht. Neben dem Fokus, den wir auf die Ausbildung der eigenen jungen Menschen in Österreich legen sollten, brauchen wir natürlich auch qualifizierte Zuwanderung, da bin ich voll bei Ihnen, aber – und das ist der springende Punkt – wir müssen sie selbst aus­suchen können. Wir müssen selbst bestimmen können – das ist, glaube ich, eigentlich auch die Position der ÖVP –, wer zu uns kommt, aber wir müssen die Grenzen für illegale Einwanderer aus aller Herren Länder in unser Sozialsystem dichtmachen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.53


12.53.48

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Können wir gleich mit den Abstimmungen fortfahren? – Danke vielmals, dann gehe ich auch so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union, seinen Bericht 1426 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Reinhold Lopatka, Eva-Maria Holzleitner, Michel Reimon, Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Follow-up zur Konferenz zur Zukunft Europas“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (250/E)

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.

12.55.023. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.)


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4. Punkt

Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 3 und 4, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner ist mir Herr Abgeordneter Lukas Hammer gemeldet. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


12.55.50

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch ein Kommentar zur letzten Debatte, weil ich diese Kleinstaaterei der FPÖ schwer aushalte – gerade in der jetzigen Krise mit einem 500 Kilometer von unserer Grenze entfernten Krieg und mit all den rie­sigen Problemen und Herausforderungen, vor denen wir gerade stehen –: Wenn es die Europäische Union nicht schon gäbe, müssten wir sie jetzt erfinden und jetzt gründen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun zum Thema: Wir wollen heute zwei Maßnahmen beschließen, die beide einen Bei­trag dazu leisten sollen, dass wir am Beginn der nächsten Heizperiode unsere Gas­speicher zu mindestens 80 Prozent befüllt haben werden, und zwar sind das eine Novel­le des Energielenkungsgesetzes und eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes.

Im Energielenkungsgesetz geht es vor allem darum, dass Industriebetriebe, die selbst Gas einspeichern, wie zum Beispiel die Voest, auch im Krisenfall weiter über ihre Gas­reserven verfügen können. Wir führen eine sozusagen geschützte Gasmenge ein.

Im Zuge der Verhandlungen hat sich ein Abänderungsantrag ergeben, den ich aufgrund der Kürze vorlesen muss, und zwar ist das folgender Abänderungsantrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberich­tes 1461 d.B. wird wie folgt geändert:

1. Z 10 lautet:

„10. Nach § 42 Abs. 2 werden folgende Absätze 3 und 4 angefügt:

(3) § 6a ist von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie bis zum 31. Dezember 2024 zu evaluieren. Dem Nationalrat ist ein Bericht über die Ergebnisse der Evaluierung vorzulegen.

(4) § 26a und § 27 Abs. 4 Z 1a treten mit Ablauf des 31. Mai 2025 außer Kraft.“

*****

Das war der Abänderungsantrag zum Energielenkungsgesetz.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 88

Im Gaswirtschaftsgesetz schaffen wir eine weitere Möglichkeit, die Gasspeicherstände zu erhöhen, nämlich durch eine physische Beschaffung von zusätzlicher Ausgleichs­energie. Der Staat kann vereinfacht gesprochen die Energieversorger mit der Vorhaltung und Speicherung von Erdgas als Ausgleichsenergie beauftragen. Der Staat zahlt dabei die Dienstleistung der Vorhaltung, kauft aber in diesem Fall nicht selbst ein.

Auch da möchte ich einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Lukas Hammer, Tan­ja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einbringen. Aufgrund der Länge muss ich ihn nur in Grundzügen erläutern, und zwar geht es vor allem darum, dass die Verord­nung zur Festlegung zum Einsatz der Gasmengen und weiterer Bestimmungen nun der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats bedarf und der Hauptausschuss diesbezüglich mit Zweidrittelmehrheit entscheiden muss.

*****

Das waren die beiden Abänderungsanträge.

Wir sind in dieser Situation gezwungen, sehr schnell zu handeln, deshalb kommen da auch sehr schnell wieder Gesetzesanträge. Ich bedanke mich in diesem Zusammen­hang auch ausdrücklich bei der SPÖ, bei Kollegen Schroll für die konstruktive Verhand­lung und den konstruktiven Zugang. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Ja, wir treffen alle notwendigen Maßnahmen, damit unsere Wirtschaft auch im Krisenfall weiterarbeiten kann, damit wir unsere Wohnungen im nächsten Winter weiter heizen können, damit es weiter warmes Wasser gibt und damit wir auf Ausfälle bestmöglich vorbereitet sind.

Eines muss aber klar sein, vor allem angesichts der Kosten, die wir alle jetzt spüren, und auch der enormen Summen, die wir jetzt ausgeben, um dieses Gassystem zu schützen: Das Märchen vom billigen, vom immer verfügbaren russischen Gas ist für immer vorbei. (Beifall bei den Grünen.) Es hat noch nie gestimmt, aber spätestens jetzt sollte klar sein, wie naiv und wie falsch das war.

Wir haben die Versorgungssicherheit unseres Landes sehenden Auges den Launen ei­nes Diktators ausgesetzt, und das fällt uns jetzt ordentlich auf den Kopf. Wir setzen jetzt alle Sofortmaßnahmen, die wir brauchen, um unsere Erdgasversorgung weiterhin si­cherzustellen (Zwischenruf des Abg. Matznetter), aber noch viel wichtiger ist – und ich weise immer wieder darauf hin, dass das noch viel wichtiger ist –, dass wir jetzt alles unternehmen, dass wir nie wieder in diese Situation kommen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Smolle.)

Herr Kollege Stöger, Sie schütteln den Kopf, aber ich will nie wieder dieses Märchen vom billigen Gas hören – ich will es nicht mehr hören! Es hat immer geheißen, Gas ist die saubere, billige Brückentechnologie – diese Brücke hat sich als sehr, sehr teure Sackgasse entpuppt.

Und ja, es gibt auch kein Zurück mehr zu diesem billigen Gas. Ich höre immer: Ja, es gibt grünen Wasserstoff und es gibt auch Biogas. – Das ist vollkommen richtig, wir wer­den das brauchen, aber wir werden das alte Gassystem nicht mehr eins zu eins so wei­terführen können. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Biogas und grünen Wasserstoff werden wir für die Industrie brauchen, wo wir nicht auf Gas werden verzichten können, aber es ist zu teuer und wir haben schlicht nicht die Mengen, um zum Beispiel in der Raumwärme und beim Warmwasser das Erdgas durch grünes Gas zu ersetzen.

Wir brauchen möglichst rasch überall dort, wo wir das umsetzen können, eine sozial verträgliche Transformation raus aus Gas. Bei der Industrie werden wir vor allem auf


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Energieeffizienz setzen, wir werden aber auch auf neue Technologien, auf grünen Was­serstoff, auf Biogas setzen, aber bei Warmwasser und bei Heizungen müssen wir endlich raus.

Alle können einen Beitrag dazu leisten: Bürgerinnen und Bürger können Energie sparen, das kann jeder mit freiwilligen Maßnahmen machen, aber auch, indem man die Häuser thermisch saniert oder indem man, wenn man zu Hause eine Gasheizung oder eine Öl­heizung hat, diese durch eine saubere Heizung, zum Beispiel eine Wärmepumpe, einen Anschluss an die Fernwärme, wo das möglich ist, oder eine Pelletsheizung, ersetzt. Wir haben dieses Jahr so viel Budget, dass jeder, der umsteigen will, auch eine Förderung bekommt. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Baumgartner und Smolle.)

Zusätzlich zu der Förderung, und das wissen wir, werden wir aber auch noch weitere Maßnahmen brauchen, und wir arbeiten auch an weiteren Maßnahmen. Ich bin davon überzeugt, dass wir das im Regierungsprogramm vereinbarte Erneuerbare-Wärme-Ge­setz brauchen werden, damit wir den Einbau neuer Gasheizungen und neuer Ölheizun­gen in Zukunft untersagen, dass wir aber auch dafür sorgen, dass jedes Mal, wenn eine Heizung getauscht wird, nicht wieder, nicht noch einmal eine Heizung auf Basis von Öl oder Gas eingebaut wird, sondern dass es die Verpflichtung gibt, dass dann auf ein sau­beres Heizsystem umgestellt wird. (Abg. Kassegger: 300 000 Gasheizungen!)

Ich ersuche Sie um Zustimmung für die Maßnahmen, die wir heute beschließen, aber umso mehr und umso dringender ersuche ich Sie, dass wir wirklich gemeinsam alles dafür unternehmen, dass wir endlich aus dieser russischen Gasfalle herauskommen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.03

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 2502/A der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 2012 (EnLG 2012) geändert wird (1461 d.B.) (TOP 3)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 1461 d. B. wird wie folgt geändert:

1. Z 10 lautet:

„10. Nach § 42 Abs. 2 werden folgende Absätze 3 und 4 angefügt:

„(3) § 6a ist von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie bis zum 31. Dezember 2024 zu evaluieren. Dem Nationalrat ist ein Bericht über die Ergebnisse der Evaluierung vorzulegen.

(4) § 26a und § 27 Abs. 4 Z 1a treten mit Ablauf des 31. Mai 2025 außer Kraft.““

Begründung

Für die Ausdehnung der Regelung über den Ersatz von Vermögensnachteilen wird eine Evaluierung durch die BMK durchgeführt, in der insbesondere die Tauglichkeit des Ins­truments für die unterschiedlichen Verbrauchergruppen geprüft wird. Über die Ergeb­nisse der Evaluierung ist dem Nationalrat zu berichten.

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 90

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht und Antrag des Finanzausschusses über den Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.) (TOP 4)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1462 d.B. wird wie folgt geändert:

1. Z 3 lautet:

„3. (Verfassungsbestimmung) In § 87 werden nach Abs. 5 folgende Abs. 6 und 7 angefügt:

„(6) Der Bilanzgruppenkoordinator hat auf Aufforderung der Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ein transparentes, diskriminierungsfreies, marktbasiertes und öffentliches Ausschreibungsverfahren zur Vorhaltung von Gasmengen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit durchzufüh­ren. Die Vorhaltung erfolgt in Speicheranlagen, die für eine unmittelbare Ausspeisung in die Marktgebiete genutzt werden können. Die Vorhaltung für die Marktgebiete Tirol und Vorarlberg kann auch in Speicheranlagen erfolgen, die an benachbarte Marktgebiete angeschlossen sind. Die insgesamt vorzuhaltende Gasmenge ist in der Aufforderung durch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie festzulegen, wobei die aktuellen sowie die prognostizierten Speicherstände und drohende oder bereits eingetretene Beeinträchtigungen oder Störungen der Versor­gungssicherheit zu berücksichtigen sind.

(7) (Verfassungsbestimmung) Die gemäß Abs. 6 beschafften Gasmengen sind zur Be­reitstellung von physikalischer Ausgleichsenergie nach Ausschöpfung der Aufbringungs­möglichkeiten gemäß Abs. 3 vorzuhalten. Die Kosten der Vorhaltung werden aus Bun­desmitteln gedeckt. Festlegungen zum Einsatz der Gasmengen, zum Energiepreis so­wie zur verursachungsgerechten Kostentragung sind von der Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen mit Verordnung zu treffen. Die Verordnung kann auch Festlegungen über weitere Verwendungszwecke und über die Herkunft der gemäß Abs. 6 beschafften Gasmengen enthalten. Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates; dabei gilt Art. 55 Abs. 5 Bundes-Verfassungsge­setz sinngemäß.““

2. Z 5 lautet:

„5. (Verfassungsbestimmung) In § 169 wird nach Abs. 9 folgender Abs. 10 angefügt:

„(10) (Verfassungsbestimmung) § 87 Abs. 1 Z 4, § 87 Abs. 6 und 7 sowie § 88 Abs. 2 Z 8 treten mit Ablauf des 31. Mai 2025 außer Kraft.““

Begründung

Mit dem Abänderungsantrag wird eine sprachliche Anpassung und eine inhaltliche Ände­rung vorgenommen.

Zu Z 1 (§ 87 Abs. 6 und 7):

Die Wortfolge „durch die Bieter“ in Abs. 6 entfällt ersatzlos, da nicht sämtliche Bieter, die sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen, dazu verpflichtet sind, Gasmengen vorzu­halten. Diese Verpflichtung trifft lediglich jene Bieter, mit denen nach Abschluss des


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 91

Ausschreibungsverfahrens ein Vertrag über die Vorhaltung von Gasmengen abge­schlossen wird.

In Abs. 7 wird ergänzt, dass die Verordnung der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf, wobei Art. 55 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetz sinnge­mäß zur Anwendung gelangt.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Beide Abänderungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Alois Schroll. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.03.57

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Nein, das Thema Energie-, Gasversorgung ist nicht einfach vom heiteren Himmel gefallen, und nein, es hat wahr­scheinlich hier herinnen auch niemanden wirklich überrascht – zumindest nicht meine Fraktion und auch nicht mich als Energiesprecher.

Bereits voriges Jahr, 2021, im Herbst hat sich schon wirklich abgezeichnet, dass sich auf den Großmärkten für Strom und Gas massiv etwas zusammenbraut, und es war einfach ein Super-GAU mit Ansage. Was hat die Bundesregierung damals aber ge­macht? – Sie hat Ihren Kopf in den Sand gesteckt und hat zugeschaut. Wir haben Sie wirklich oft und oft und immer wieder davor gewarnt.

Jedoch, geschätzte Kolleginnen und Kollegen – zugegeben –, konstruktive Arbeit ist auch schwierig, wenn sich das Personalkarussell schneller dreht als die Wilde Maus oder das Tagada im Wurstelprater. (Zwischenruf des Abg. Lindner.) Mittlerweile kennt sich ja der eingefleischteste Politikinsider nicht mehr aus, wer in welchem Ministerbüro sitzt und wer für wen und für was zuständig ist. Wenn man schon nicht mit seiner Arbeit in die Geschichtsbücher eingeht, dann zumindest als Weltmeister der Rochaden. (Beifall bei der SPÖ.) Das müsst ihr euch leider gefallen lassen, es ist so.

Hätte die Regierung unsere Warnrufe ernst genommen und im September 2021 nicht noch immer von prall gefüllten Gasspeichern gesprochen – das war Bundeskanzler Schallenberg damals im EU-Hauptausschuss am 20. Oktober –, dann würden wir heute nicht in dieser prekären Situation sein. Und, lieber Kollege Lukas Hammer, da gebe ich dir recht: Hätte die Regierung damals schon unsere Warnrufe gehört, wären wir nicht in dieser Situation. Die heutigen Änderungen im Energielenkungs- und im Gaswirtschafts­gesetz sind auch deshalb notwendig, weil – du (in Richtung Abg. Lukas Hammer) hast es angesprochen – wir da wirklich eine prekäre Situation haben und aufgefordert sind, schnell zu reagieren.

So stelle ich heute erneut meine Frage an die zuständige Ministerin – die zuständige Rohstoffministerin ist uns ja leider abhandengekommen, die gibt es nicht mehr –: Was ist seit dem 24. Februar und davor in diesem Bereich mit Strom und Gas passiert? – Viel zu langsam, viel zu zögerlich und zu zaghaft ist der Umgang mit der Absicherung unserer Energieversorgung und der Versorgungssicherheit gelaufen. Außer der strategischen Gasreserve, zu der wir unsere Stimmen für die Zweidrittelmehrheit gegeben haben, ist meiner Meinung nach noch nichts wirklich passiert; heute kommt eine kleine Gesetzes­begutachtung dazu.

Jetzt dauert der Krieg in der Ukraine bereits 84 Tage, und andere Länder haben schnell erkannt, welche Schritte sie einleiten müssen, und sie haben auch Schritte eingeleitet. Zum Beispiel hat sich Italien eine Gaslieferung aus Nordafrika gesichert, Deutschland


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hat seine Gasabhängigkeit von Russland mittlerweile von 55 Prozent auf 35 Prozent re­duziert; bis Jahresende sollen es 30 Prozent sein. Wo bitte ist aber der Plan für Öster­reich und was soll in Österreich passieren? – Während internationale und europäische Länder wie gesagt schon reagiert haben, ist bei uns leider noch nichts passiert.

Wir von der SPÖ werden ständig von euch – von der ÖVP und von der grünen Seite – verurteilt, wir würden euch nur bekritteln, wir würden eure Erfolge nicht mittragen. – Nein, geschätzte ÖVP, und nein, geschätzte Grüne, wir wollen nur das, was ihr euch ins Regie­rungsprogramm geschrieben habt, und wir wollen nur, dass das, was ihr angekündigt habt, umgesetzt wird – nur das, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der SPÖ.)

Beispiele gefällig, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Seit 503 Tagen haben wir kein Kli­maschutzgesetz, seit 503 Tagen haben wir kein Energieeffizienzgesetz – beide sind am 1.1.2021 ersatzlos ausgelaufen. Wir haben kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz und, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, wir haben kein fertiges EAG, das wir hier am 7. Juli 2021 beschlossen haben. Die EU-Notifizierung ist über die Bühne gegangen; von 20 Ver­ordnungen ist eine Verordnung umgesetzt worden – es fehlt auch da das EAG. Wir ha­ben keine Strategie für grünes Gas, wir haben keine Strategie für grünen Wasserstoff, und so weiter und so weiter.

Ich bin froh, dass es mir mit meinem Team gelungen ist, auch diesen Gesetzen die Gift­zähne ein bisschen zu ziehen – wir werden diesen beiden Gesetzen auch zustimmen –, und ich bin auch froh, dass die weiteren Themen einem Energieausschuss am 7. Juli zugeteilt wurden.

Ich stelle heute erneut die Frage: Wie wollt ihr den Ausbau der Erneuerbaren und somit die Abkehr von fossiler Energie voranbringen, wenn ihr euch gegenseitig behindert? Frau Ministerin, ich ersuche dich wirklich auf das Höflichste: Jetzt, da die Rohstoffmi­nisterin weg ist – vielleicht war sie diejenige, die das behindert hat –, können wir Vollgas geben, jetzt machen wir etwas! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit möchte ich abschließend zum Wurstelprater zurückkommen: Wenn ich mir die Performance der Regierung bis dato wirklich anschaue, dann kann ich nur sagen: Da schlafe ich ein! Da bin ich nicht mit der Wilden Maus unterwegs, sondern mit der Liliput­bahn. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.09.30

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ja, ich möchte in aller Kürze Stellung nehmen. Es geht da um zwei Maßnahmen: das Ener­gielenkungsgesetz und das Gaswirtschaftsgesetz.

Da kommen wir drauf beziehungsweise sind wir aufgrund der Situation, in die wir uns hineinmanövriert haben, genötigt, entsprechende Maßnahmen zu setzen, einerseits was die Verpflichtung betrifft, Ausgleichsenergie vorzuhalten, und andererseits was den Schutz jener angeht, die sozusagen von Lenkungsmaßnahmen betroffen sind. Das wird immer so schön beschrieben: die Lenkungsmaßnahmen – das sind vollkommene Ein­griffe aus einer Notsituation heraus. Energielenkung heißt: Ich nehme dir etwas weg, ich schalte ganze Gebiete ab, ich schalte Industrien ab, ich schalte was auch immer ab. Also da sind wir schon ganz nahe an der Schnittfläche zur Enteignung.

Diesen beiden Gesetzentwürfen können wir zwar zustimmen, aber noch einmal: Das ist der Ausfluss einer vollkommen verfehlten Energie- und Klimapolitik und natürlich auch einer Sanktionspolitik, die offenbar unter dem Dach einer unbegrenzt auf Pump zur Ver­fügung stehenden Geldmenge zu Nullzinsen entsteht, denn die Kosten spielen offen­sichtlich überhaupt keine Rolle. Das sind natürlich enorme Kosten, die da entstehen.


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Im Übrigen vielleicht noch eine Frage: Wie wollen Sie jetzt konkret diese ungefähr 100 Terawattstunden Gas aus Russland ersetzen, ganz konkret? Mit den Windrädern und Fotovoltaikanlagen wird es nicht gehen. Was sind jetzt ganz konkret die Alternati­ven? Wenn es dann LNG oder sonst etwas aus Amerika oder anderen Ländern ist, dann können wir uns gerne noch über die Umwelteffekte und die Sinnhaftigkeit einer solchen Alternativmöglichkeit unterhalten, die sehen wir nämlich überhaupt nicht.

Wir werden beiden Gesetzentwürfen, die jetzt etwas korrigieren, was zu korrigieren ist, zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.11.39

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer! Geschätzte Frau Ministerin! Das Thema Versorgungssicherheit ist viel zu wichtig, um jetzt auf die Redebeiträge der Kollegen von Pratergeschichten oder Mär­chen einzugehen. Ich glaube, unsere Aufgabe hier ist es, die Bevölkerung zu informieren.

Ein Wort aber noch zum Thema Ministerin: Frau Ministerin Gewessler war hier, ist hier und bleibt auch hier. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Unser Bundeskanzler hat es gestern sehr wohl auf den Punkt gebracht: Neben den be­reits beschlossenen Entlastungspaketen ist es wichtig, Versorgungssicherheit zu schaf­fen. Besonders im Energiebereich setzen wir deshalb auf schnelle und effektive Maß­nahmen, um unsere Gasbevorratung zu sichern. Damit stärken wir die österreichische Widerstandsfähigkeit und werden Schritt für Schritt unabhängiger. Erdgas wird derzeit sowohl von der Industrie, aber auch für unsere 900 000 Haushalte unbedingt noch be­nötigt. Unser Ziel ist es aber trotzdem, einen Füllstand der Erdgasspeicher von circa 80 Prozent vor Beginn der Wintersaison sicherzustellen. Daher wird die Bundesregie­rung auch ihre Verantwortung wahrnehmen und hat schon im ersten Schritt die strate­gische Bevorratung auf 20 Terawattstunden erhöht; der erste Schritt ist somit gemacht.

Wir brauchen natürlich mehrere Schritte, daher ist auch da die Wichtigkeit gegeben, dass wir die Anträge jetzt auf drei Säulen aufgebaut haben, um eben langfristig etwas abzusi­chern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Welche Säulen sind das? – Die erste Säule ist das Energielenkungsgesetz. Unterneh­merische Verantwortung ist für uns Unternehmer in Österreich eigentlich eine Selbstver­ständlichkeit. Daher sorgen die Unternehmer auch für ihre eigene Gasbevorratung vor und decken damit eventuelle Notfälle ab. Das Energielenkungsgesetz sieht aber vor, dass im Notfall auf diese Reserven zurückgegriffen werden kann.

Mit der Novellierung sorgen wir einerseits zusätzlich für die Versorgungssicherheit für unsere Haushalte, aber auch für die Rechtssicherheit für unsere Unternehmen, die ganz wichtig ist. In Zukunft wird es bei Notfällen so sein, dass wir auf 50 Prozent zurückgreifen können, aber es muss auch klar sein, dass das nicht unentgeltlich passieren kann. Daher wird diese Novellierung stattfinden. Die restlichen 50 Prozent bleiben den Unternehmen natürlich, um den Betrieb ihrer Unternehmen aufrechtzuerhalten und damit auch die Ar­beitsplätze abzusichern.

Die zweite Säule ist die Einführung eines Marketmakers für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Sicherheit bedeutet nämlich auch Netzstabilität bei uns. Derzeit ist der Markt- und Verteilergebietsmanager für die Ausgleichsenergie zuständig und sorgt eben für das Gleichgewicht zwischen Gasein- und Gasausgang. Dieses Modell, in dem die benötigten Mengen gekauft oder verkauft werden, möchten wir nun ausbauen. Die Aufgabe des Marketmakers wird in Zukunft sein, neben der Ausgleichsenergie auch


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Speicherplätze zu beschaffen. Damit stellen wir sicher, dass wir, sollte es zu einem Lie­ferstopp aus Russland kommen, genügend Ausgleichsenergie vor Ort haben.

Die dritte Säule, von der wir im Ministerrat gestern auch schon gehört haben, wird sich damit beschäftigen, dass die Speicherkapazitäten effizient genützt werden. Da gibt es das Prinzip Use it or lose it. Ergänzend dazu wird es heute noch einen Antrag von un­serer Seite geben, um die Speicherung langfristig sicherzustellen. Nach dem Prinzip Use it or lose it werden Speichernutzer sozusagen verpflichtet, ihre genutzten Speicher entweder selbst zu befüllen oder zur Verfügung zu stellen. Damit verhindern wir a) leere Gasspeicher und stellen b) sicher, dass wir für die Wintermonate auch genug Speicher­plätze haben.

Auch der Speicher Haidach, der ein wichtiger Teil in unserem Sicherheitskonzept sein wird, wird da eine Rolle spielen, indem wir die Ministerin auffordern möchten, ein Nut­zungsabkommen mit Deutschland einzugehen, um klarzustellen, dass wir auch die Nut­zungsrechte bekommen. Und wir brauchen natürlich auch den Netzanschluss des Gas­speichers Haidach an das österreichische Netz; das werden wir auch machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rasche und effektive Versorgungssicherheit für Österreich zu gewährleisten ist unser Gebot der Stunde. Mit unseren strategischen Reserven werden wir mit den drei Säulen, die ich Ihnen schon erklärt habe, die nötigen Impulse setzen, damit wir genug Gas zur Bevorratung, genug Gas zum Speichern haben und auch die Netzstabilität garantieren können. Damit sind wir für einen plötzlichen Lie­ferstopp gerüstet und können unsere Privathaushalte sowie die Wirtschaft weiterhin mit genügend Energie versorgen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.16.33

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Auch aus unserer Sicht diskutieren wir heute sinnvolle Anpas­sungen, denen wir auch zustimmen werden. Es wurde schon gesagt: Einerseits schaffen wir im Gaswirtschaftsgesetz eine Möglichkeit, Ausgleichsenergie im Notfall sicherzustel­len. Das ist nicht nur wichtig zur Versorgungssicherheit, sondern vor allem eben auch wegen der Netzstabilität.

Der zweite Punkt: Energielenkungsgesetz. Was wir dabei gut finden, ist, dass Industrie­betriebe, die zusätzlich Gas einspeichern, Rechtssicherheit und damit zumindest auch eine gewisse Planungssicherheit bekommen. Somit wird auch das Risiko zwischen der Republik und den großen Verbrauchern aufgeteilt, was wir ebenfalls sinnvoll und gut finden, denn damit wird ja das gesamte System auch krisensicherer.

Ja, wir NEOS sind bei sinnvollen Regierungsvorlagen konstruktiv, und deswegen, wie schon gesagt, stimmen wir da gerne zu. Es hat natürlich im Vorfeld Kritik gegeben, Abän­derungsanträge, die recht kurzfristig gekommen sind, jetzt kommt ein Initiativantrag be­treffend Haidach dazu, aber auch dazu wird es noch Diskussionen in der nächsten Aus­schusssitzung geben. Und auch betreffend Haidach – übrigens: ich habe schon im April gefordert, dass man genau das macht, was jetzt kommt – finden wir die Diskussion positiv.

Was aber trotzdem anzumerken ist: Wir sind jetzt in Woche zwölf nach Kriegsbeginn. Bei diesem gesamthaften Plan, wie wir mit der Gasspeicherung umgehen und wie wir die Sicherheit für den nächsten Winter schaffen, sind wir nach wie vor einfach noch hin­ten. Alle anderen Länder – nicht alle, aber fast alle anderen Länder in der Europäischen Union – haben da schon wirklich fast alles umgeschmissen und umgeworfen, um in die Planung zu kommen. Da sind wir eben noch ganz am Anfang.


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Ich schaue auch immer wieder nach Deutschland: Osterpaket für die Erneuerbaren, Sommerpaket für Gas. Das ganze Baltikum ist komplett raus aus russischem Gas und baut gemeinsam mit Finnland und Polen eine Infrastruktur aus Speichern und LNG-Terminals. Da sind schon ganz massiv Schritte gesetzt worden, und das wünschen wir uns auch, denn in Österreich sind wir aus meiner Sicht – wir haben das heute in der Früh schon besprochen – noch einen Schritt hinten, weil wir ganz, ganz wichtige Dinge immer noch nicht wissen, die zwar hoffentlich – hoffentlich!, hinter verschlossenen Türen zu­mindest – diskutiert werden, aber die jetzt auch tatsächlich nach außen getragen werden müssen.

Ich fange wieder mit meiner Diskussion zur OMV an: Hat die OMV Pipelinekapazitäten geschaffen, damit das Gas auch nach Österreich transportiert werden kann? Dazu ha­ben wir keine Klarheit. Wie viel Gas aus Norwegen ist denn wirklich für Österreich verfüg­bar? Die anderen haben ja auch langfristige Verträge mit Norwegen abgeschlossen. Wenn wir norwegisches Gas über die OMV, die ja dort ein Gasfeld besitzt, nach Öster­reich bringen wollen: Wie viel ist denn eigentlich für Österreich da? Dazu gibt es nach wie vor keine Klarheit.

LNG: Ja, wir haben in Rotterdam über die OMV einen Terminal. Wie viel Gas kann da wirklich nach Österreich transportiert werden? Was passiert da genau?

Letztendlich – und ich komme immer wieder zu diesem Punkt –: Was ist überhaupt mit der OMV? Ich meine, ganz im Ernst: Warum wird so beharrlich geschwiegen? Wozu hat die Republik denn Anteile an diesem Unternehmen, an der OMV ganz konkret? – Ein Grund ist nämlich, Versorgungssicherheit in der Krise zu garantieren.

Ich glaube, jetzt sind wir uns alle einig: Wir hätten gerade eine Krise, oder? Und, ganz im Ernst, die OMV rührt sich nicht dazu! Frau Bundesminister, Sie sagen dann: Ja, das macht der Finanzminister!, der Finanzminister sagt: Das geht mich nichts an, das muss die Frau Energieministerin machen! – Das kann es schlicht und einfach nicht mehr sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und ja, wir brauchen einen stringenten Plan zum Ausstieg aus russischem Gas oder zumindest zu einer deutlichen Reduktion – alles andere wäre eine energiepolitische Bankrotterklärung, da bin ich bei Kollegen Hammer. Jetzt haben wir in drei Monaten ehrlich gesagt noch nicht viel auf den Boden gebracht, und da wundere ich mich schon, ob es dafür nicht doch noch einen anderen Grund auch gibt, der nämlich damit zu tun hat, dass die OMV ganz, ganz langfristige Verträge mit der Gazprom hat, um genau zu sein bis 2040 – und das sind nicht irgendwelche Verträge, meine Damen und Herren, sondern das sind sogenannte Take-or-pay-Verträge, was nichts anderes heißt als: Selbst wenn wir das Gas nicht nehmen, müssen wir die Gazprom dafür bezahlen. Wir sprechen da, wenn wir vorsichtig kalkulieren, von einem Risiko für die OMV – und damit auch für die Republik – von über 50 Milliarden Euro, meine Damen und Herren. 50 Mil­liarden Euro, das ist nicht nichts, und, meine Damen und Herren, dieses Thema kann man nicht länger schweigend sozusagen ignorieren. (Beifall bei den NEOS.)

Das wird der Bundesregierung nicht gelingen. Wir reden da von einem politischen Skan­dal – von einem politischen Skandal, der aus meiner Sicht aufgearbeitet gehört. Ich rede da potenziell vom nächsten Untersuchungsausschuss, um wirklich die politische Verant­wortung dafür aufzuarbeiten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Frau Bundesminis­terin Leonore Gewessler zu Wort. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


13.21.42

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben in der vergangenen Fragestunde


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 96

ja schon einige der Themen besprochen, deswegen werde ich mich jetzt auch im Sinne der Zeiteffizienz nicht wiederholen, aber eine grundsätzliche Bemerkung und zwei Kom­mentare zu einigen Ausführungen machen.

Wir drehen gegenwärtig wirklich an vielen Schrauben, an allen Schrauben, die uns zur Verfügung stehen, um die Versorgungssicherheit in Österreich zu gewährleisten, die Ri­sikoabsicherung zu verbessern und vor allem auch die Fehler der Vergangenheit zu kor­rigieren. Wir müssen uns auf jedes Szenario vorbereiten, also auch auf die Auswirkun­gen eines Lieferstopps, denn in einer kriegerischen Situation, wie wir sie jetzt sehen, wenn Russland in der Ukraine einen brutalen Angriffskrieg führt, gibt es eine Sicherheit, nämlich dass man kein Szenario a priori ausschließen kann. Genau für diese Vorsorge liegen Ihnen heute zwei Änderungen vor, nämlich zum Energielenkungsgesetz und zum Gaswirtschaftsgesetz, für die ich wirklich um Zustimmung werbe, und wenn ich die Re­debeiträge aus der ersten Runde richtig interpretiere, dann freue ich mich schon vorab ein bisschen. Ich möchte Ihnen aber trotzdem erklären, was wir da vorhaben.

Im Energielenkungsgesetz geht es vor allem darum, Großabnehmer – also es wird primär, denke ich, für die wirklichen Großabnehmer im Gasbereich interessant sein – in die Lage zu versetzen, dass sie selbst für den Fall einer Lieferunterbrechung und einer Störung vorsorgen und entsprechend Gas einspeichern können. Deswegen sollen mit dieser Novelle die selbst eingespeicherten Mengen von Großverbrauchern vor mengen­bezogenen Lenkungsmaßnahmen geschützt werden, solange es technisch im System möglich ist.

Das heißt zwei Dinge. Das heißt, wenn ein Industrieunternehmen jetzt Verantwortung übernimmt und selbst Gas beschafft und einspeichert, soll es sich dann auch auf diese geschützten Gasmengen verlassen können. Uns hilft es, als Volkswirtschaft Lenkungs­maßnahmen mit hohen Speicherständen möglichst lange vermeiden zu können. Der In­dustrie verhilft es zu mehr Sicherheit, zu mehr Resilienz. Wir sorgen mit einem guten Kompromiss – nämlich 50 Prozent der Menge, die für die Produktion notwendig ist – da­für vor, dass man eine Absicherung hat, es aber gleichzeitig nicht zum Horten von Spei­cherkapazitäten kommt. Ich denke also, wir haben da wirklich einen guten Kompromiss und einen sehr, sehr guten Vorschlag gefunden, um der Industrie mehr Sicherheiten bei der Einspeicherung von Gas zu geben.

Die zweite wesentliche Änderung im Energielenkungsgesetz betrifft den Ersatz von Ver­mögensnachteilen im Falle einer Energielenkung. Bislang gab es im Energielenkungsge­setz – Sie wissen, wir hatten in den Jahrzehnten der Zweiten Republik noch nie einen Energielenkungsfall – eine Entschädigungsregelung nur für Kohle und Erdöl. Wir werden jetzt eine Entschädigungsregelung vorschlagen, die in die gleiche Richtung geht, aber eben auch für Elektrizität und Erdgas gilt, um da gleichzuziehen und auch eine finanzielle Absicherung zu gewährleisten.

Ich möchte mich jetzt auch aus der Position des Ministeriums ganz, ganz herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit in den Verhandlungen bedanken. Es gab auch zu einem Wunsch der SPÖ eine Einigung, die noch eingefügt wurde und die ich sehr begrüße, nämlich dass diese Bestimmung zum Ersatz von Vermögensnachteilen noch evaluiert wird und dem Nationalrat auch berichtet wird.

Der zweite Teil ist das Gaswirtschaftsgesetz. Bei der vorgeschlagenen Änderung im GWG schaffen wir – Abgeordnete Graf hat es vorhin schon erklärt – eine weitere Mög­lichkeit, im Auftrag des Staates Gas zu beschaffen. Wir haben diese Möglichkeit bis dato nicht gehabt. Im Zusammenhang mit der strategischen Gasreserve ist es das erste Mal, dass wir das in Österreich tun können. Wir schaffen hier im GWG mit dem sogenannten Marketmaker eine weitere Möglichkeit. Wir können über den Bilanzgruppenkoordinator die Energieversorger mit der Vorhaltung und der Speicherung von Erdgas als Aus­gleichsenergie im Gassystem beauftragen. Das heißt, die Gasunternehmen bekommen


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eine Abgeltung für die Vorhaltung, sie können das Gas aber, sofern wir es dann nicht als Ausgleichsenergie abrufen, auch selbst verwenden.

Wir orientieren uns da an der Vorgehensweise in Deutschland. Ich bin sehr eng in Ab­stimmung auch mit meinem deutschen Kollegen Robert Habeck, weil diese Versor­gungsversicherung eine gute Variante ist, eine effiziente Variante ist, um im Notfall feh­lende Gasmengen rasch bereitstellen zu können, und auch das leistet damit einen Bei­trag zum Ziel der Bundesregierung, die Speicherkapazität bis zum Beginn der Heizsai­son auf 80 Prozent zu füllen. Kommt es zum Engpass in der Gasversorgung, hat der Staat eben auch über die über die Versorgungsversicherung beschafften Mengen Zugriff auf Gasreserven; wird das Gas aber nicht benötigt, fallen umgekehrt für den Staat relativ geringe Kosten an.

Auch da ein großes Danke für die konstruktiven Vorschläge der Opposition. So wird durch einen Abänderungsantrag ergänzt, dass es für die Verordnung zur Festlegung des Einsatzes der Gasmengen und aller weiteren Bestimmungen einer Zustimmung des Hauptausschusses bedarf. Ich denke, das ist gut. Wir stellen auch mit dieser Maßnahme sicher, dass wir eine breite parlamentarische Grundlage für substanzielle Ausgaben und für eine umfangreiche Vorsorge, die der Staat setzt, haben.

Ich weiß – und ich danke auch da für das Verständnis –, dass wir in dieser außerge­wöhnlichen Situation unser Bestes tun, um schnell und gründlich zu handeln. Ich weiß auch, ich kann für die Verhandlungen mit dem Parlament nicht immer persönlich zur Verfügung stehen, aber mein Angebot besteht jederzeit und weiterhin, dass ich auch gerne persönlich für Nachfragen oder für Infos zur Verfügung stehe, wenn Sie das für sachdienlich halten.

Zu den Fragen noch aus der Debatte vorhin: Wir haben, gerade was die Gasspeicherung betrifft, jetzt wirklich – das war das Anliegen von Frau Doppelbauer – ein sehr umfangrei­ches Maßnahmenpaket verabschiedet, heute zur Beschlussfassung vorliegen bezie­hungsweise mit einem Antrag heute auch noch eingebracht, um wirklich die Gasspei­cherstände auf das Niveau zu bringen, das wir für den nächsten Winter brauchen. Damit erfüllen wir auch die Voraussetzungen, die wir auf europäischer Ebene heute noch ein­mal beschlossen haben. Es gibt auch eine europäische Verpflichtung – sie muss noch formal durch die Beschlussfassung, aber es gibt eine vorläufige Einigung –, aber mit der Reserve, mit der Ausweitung der Reserve, mit dem Anschluss aller Speicher an das österreichische Marktgebiet, mit der Versorgungsversicherung, mit den Maßnahmen, die die E-Control setzen kann, mit der Use-it-or-lose-it-Regelung auch für die Gasspeicher haben wir jetzt wirklich ein Paket, das sicherstellt, dass wir mit besser gefüllten Spei­chern in den Winter kommen.

Das Ausstiegsszenario haben wir schon in der Fragestunde vorhin besprochen. Ich möchte nur noch einen Satz dazu sagen: Ja, auch die Alternativen zu russischem Erdgas sind fossiles Gas, sind aus Ländern, die nicht immer voll ausgebaute Demokratien sind, oder sind unter umweltschädigenden Bedingungen – Herr Kassegger hat darauf hinge­wiesen – gewonnen worden.

Was wäre aber die Alternative? Die Alternative zum Ausstieg aus russischem Erdgas gibt es meiner Meinung nach nicht, denn die Alternative wäre, einem Angriffskrieg Russ­lands in der Ukraine nichts entgegenzusetzen und dem unglaublichen Völkerrechtsver­brechen in Butscha einfach zuzuschauen. Deswegen ist die Konsequenz der Ausstieg aus den russischen Erdgaslieferungen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Eine gute Nachricht habe ich noch für Alois Schroll: 2022 wird sowohl für die Windener­gie als auch für die Fotovoltaik ein Rekordjahr. Ich glaube, das sind gute Neuigkeiten für uns alle.


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Ich bedanke mich herzlich für die Zustimmung zu diesen zwei Gesetzesvorlagen. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Julia Elisabeth Herr. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.31.14

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Wertes Hohes Haus! Werte Frau Ministerin! Wir haben jetzt viel gehört, haben auch schon in der Früh viel gehört, aber wenn mit jedem Male, wenn die Bundesregierung oder auch die Vertreter von ÖVP und Grünen sagen: Wir werden die Abhängigkeit von Gas beenden!, auch tatsächlich eine Gasheizung ausgetauscht werden würde, dann hätten wir den Ausstieg schon fast geschafft. Das passiert nur leider nicht, es bleibt hier sehr häufig bei den Ansagen.

Es kommt mir fast so vor, Frau Ministerin, als ob Sie glauben, wenn Sie oft wiederholen, dass wir den Ausstieg aus dem Gas schaffen werden, dass es durch die Wiederholung in möglichst viele Kameras Realität werden würde – aber so funktioniert das nicht! Wir brauchen keine Willensbekundungen, wir brauchen auch keine schönen Schlagzeilen mehr. Sebastian Kurz ist jetzt zwar weg, aber diese Medienstrategie der Bundesregie­rung, dass die schöne Ankündigung und die Inszenierung anscheinend über den tat­sächlichen Reformen, den tatsächlichen Gesetzen, die ja fehlen, steht, bleibt – aber auch diese Medienlogik brauchen wir nicht mehr.

Die Gaspreise gehen durch die Decke. Das Gas ist im Vergleich zum Vorjahr bis zu fünf Mal teurer – die Gaspreise sind bis zu fünf Mal so hoch! –, und ein Ende der Preisexplo­sion ist nicht in Sicht.

Sehr geehrtes Hohes Haus! Niemand zahlt so hohe Gaspreise, beispielsweise für das Heizen, gerne, und viele können das auch gar nicht mehr tun. Auch für das Klima sind Gasheizungen ja wirklich nicht das Beste. Das heißt, es ist alternativlos, dass wir han­deln müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist alternativlos und trotzdem – und jetzt heißt es aufpassen! –, obwohl das Gas so unsicher ist, obwohl es so teuer ist, obwohl es schlecht für das Klima ist, werden in diesem Land im Neubau, also in neu gebauten Wohnungen und Häusern, laufend neue Gasheizungen eingebaut. Da rede ich nicht über den Be­stand, sondern wirklich über den Neubau, wo jetzt aktuell Gasheizungen eingebaut wer­den. (Abg. Lukas Hammer: Burgenland, Kärnten!) Das ist absurd, weil es erstens wirk­lich gerade im Neubau Alternativen – beispielsweise Wärmepumpe, Fernwärme – gibt, das ist absurd, weil zweitens diese Alternativen umweltfreundlicher wären, und drittens ist es absurd, weil wir auf der anderen Seite gleichzeitig Geld in die Hand nehmen, um Gasheizungen auszutauschen. Es gibt öffentliche Förderschienen, damit die Haushalte um Unterstützung ansuchen können, wenn sie die Gasheizung tauschen – und das ist auch gut so und da fordern wir auch noch mehr Unterstützung ein –, aber das heißt, während wir Geld investieren, während wir Geld verwenden, um Gasheizungen zu tauschen, werden laufend neue eingebaut. Das kann sich jetzt jeder selbst ausrechnen, dass das nicht sinnvoll ist, wenn man Geld investiert, um etwas abzuschaffen, was lau­fend nachkommt.

Dahin gehend bringe ich heute einen Antrag ein, nämlich damit aufzuhören und im Neu­bau keine Gasheizungen mehr einzubauen.

Geben Sie sich einen Ruck, werte Regierungsparteien, stellen wir klar, dass ab dem kommenden Jahr 2023 im Neubau keine Gasheizungen mehr eingebaut werden! Ich verlange da auch gar nicht viel von Ihnen, ich verlange nur das, was Sie selbst ständig ankündigen, was auch heute wieder angekündigt wurde: Das soll passieren, das steht im Regierungsprogramm! – Na dann, beschließen wir das heute auch einmal! Bleiben


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wir nicht nur bei der Ankündigung, schaffen wir Tatsachen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Es ist nämlich auch die Aufgabe der Politik, klare Regelungen vorzugeben, was zu tun ist und was nicht. Wenn wir darauf warten, dass sich der freie Markt durch Anreizsysteme irgendwie selbst regeln wird, dann wird die Energiewende nicht zu schaffen sein. Nur durch Preissignale wird das ganz einfach nicht passieren. Es braucht die öffentliche Hand, die mutig vorangeht, die klare Regelungen schafft.

Im Übrigen gilt das natürlich auch für Bauwirtschaft: So ein Neubau, in den eine Gashei­zung eingebaut wird, hat ja eine monatelange Vorlaufzeit. Schaffen Sie endlich Klarheit! Sie haben es heute schon wieder mehrmals verbal angekündigt – dann stimmen Sie diesem Antrag bitte zu, den ich hiermit einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gashei­zungen in Neubauten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Aufstellung und der Einbau von Gasheizungen in neu errichteten Gebäuden mit 1. Jänner 2023 verboten wird und die Förderung kostengünstiger Alternativen dauerhaft gesichert wird.“

*****

Bleiben wir nicht nur bei den Ankündigungen, machen wir heute auch Nägel mit Köpfen! Das ist gut für die KonsumentInnen, die bei dieser unsicheren Gasversorgung dann end­lich Sicherheit bekommen, das ist bei diesen ins Unendliche steigenden Gaspreisen gut für das Börserl der Menschen, und das ist gut fürs Klima. Die einzige Person, für die das schlecht ist, ist Putin, und ich glaube, das ist nur ein weiteres Argument dafür, dass wir diesem Antrag heute zustimmen sollten. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend Schluss mit Gasheizungen in Neubauten

eingebracht im Rahmen der Debatte über den Bericht und Antrag des Finanzausschus­ses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1462 d.B.) (TOP 4)

Wir müssen raus aus Gas und das fossile Zeitalter endlich hinter uns lassen! Was bereits aus Klimaschutz-Gründen höchste Priorität hat, wird durch die Ukraine-Krise nochmals dringlicher. 80% der Gasimporte Österreichs kommen aus Russland. Milliardenbeträge fließen so an Putin und finanzieren so indirekt den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es wird also höchste Zeit uns endlich aus dieser Abhängigkeit zu befreien!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 100

Explodierende Preise

Viele ÖsterreicherInnen spüren aber noch einen weiteren Grund: Die explodierenden Gaspreise. 900.000 Haushalte heizen österreichweit mit Gas. Die stark steigenden Gas­preise auf dem Weltmarkt schlagen in höheren Energiepreisen für Haushalte durch. Vie­le Menschen sehen die Auswirkungen bereits heute auf ihrer Gasrechnung oder werden eine böse Überraschung erleben, wenn die Gasnachzahlung ins Haus flattert. Für Men­schen, die bereits zuvor in Energiearmut lebten, sprich ihre Wohnung nicht ausreichend heizen konnten, ist die Situation nochmals um ein Vielfaches problematischer. Energie­armut ist dabei leider keine Seltenheit in Österreich: 3% der Haushalte sind davon be­troffen. Es ist ein Skandal, wenn in Österreich Menschen sich entscheiden müssen, ob sie sich das Heizen oder das Essen leisten sollen.

Raus aus Gas!

Klimaschutz, die erdrückende Abhängigkeit und die explodierenden Energiepreise spre­chen eine klare Sprache: Raus aus Gas! Trotzdem gibt es keinen bundesweiten Be­schluss, der Gasheizungen in Neubauten verbietet oder dafür eine klare Frist definiert. Doch um einen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter zu schaffen, muss die Politik klar vorgeben, in welche Richtung es gehen soll. Denn auch die Baubranche ist darauf an­gewiesen, dass es klare Rahmenbedingungen gibt. Denn Neubauprojekte haben lange Vorlaufzeiten und hohe Investitionskosten, weshalb klare Ansagen und fixe Fristen umso wichtiger sind.

Ein Beschluss für das Ende von Gasheizungen in Neubauten ist daher dringend nötig. Bereits 2023 soll Schluss damit sein! Wir müssen jetzt rasch die Weichen für eine Zukunft frei von fossilen Energieträgern und frei von Abhängigkeit stellen. Wir müssen jetzt die wichtigen Schritte für eine Selbstversorgung mit erneuerbarer Energie machen!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Aufstellung und der Einbau von Gasheizungen in neu errichteten Gebäuden mit 1. Jänner 2023 verboten wird und die Förderung kostengünstiger Alternativen dauerhaft gesichert wird.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Franz Leonhard Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.36.29

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren eine Änderung des Energielenkungsgesetzes. Damit disku­tieren wir indirekt auch das Thema Sicherheit. Diese Regierung tut alles, um die Sicher­heit zu erhöhen. Sicherheit ist ein Gebot der Stunde, aber Sicherheit ist nicht selbstver­ständlich. Wenn wir bisher über Sicherheit gesprochen haben, dann haben wir vornehm­lich über die äußere Sicherheit, die militärische Verteidigung, über die innere Sicherheit, also Polizei und Rechtsstaat, gesprochen, und nun wird vermehrt über andere Sicher­heitsaspekte diskutiert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 101

Was die Versorgung mit Lebensmitteln betrifft, so sorgen die Bäuerinnen und Bauern dafür; wir haben einen hohen Selbstversorgungsgrad. Ich spreche dieses Thema auch explizit bei diesem Tagesordnungspunkt an, weil wir beim folgenden Tagesordnungs­punkt auch einen Antrag der SPÖ diskutieren werden, der vorsieht, dass der Landwirt­schaft Geldmittel weggenommen und in landwirtschaftsfremden Bereichen deponiert werden sollen.

Auch die Sicherheit die Energieversorgung betreffend ist ein wesentlicher Punkt. Da ist das Problem, dass wir derzeit einen erheblichen Teil an fossilen Energieträgern, die im­portiert werden müssen, verwenden: Stichwort Abhängigkeit von anderen, unter ande­rem von Krisengebieten; Stichwort Wertschöpfung – all das ist zu diskutieren.

Das Ziel, fossile Energieträger durch erneuerbare Energieträger, die wir in Österreich selbst erzeugen, zu ersetzen, glaube ich, eint uns. Dieses Ziel ist aber nicht von heute auf morgen erreichbar, und wir müssen alles daran setzen, um bis dahin Verwerfungen zu vermeiden. Deshalb ändern wir das Energielenkungsgesetz. Erdgas ist dabei ein hei­ßes Thema: ein heißes Thema für die Industrie, für die privaten Haushalte und die ge­samte Wirtschaft bis hin zur Landwirtschaft. Kaum einem Bauern ist es bewusst, dass viele Molkereien und Käsereien ohne Versorgung mit Erdgas stillstehen würden und die Milch in der Folge am nächsten Tag beim Bauern nicht abgeholt werden könnte.

Diese Abhängigkeit von Erdgaslieferungen aus Russland erhöht die Brisanz der Lage und erfordert Maßnahmen. Damit eine mögliche Störung der Gasversorgung nicht un­mittelbar gravierende Auswirkungen auf die privaten Haushalte und die Wirtschaft hat, gibt es Regeln im Energielenkungsgesetz. Es gibt in Österreich Speicheranlagen, und damit diese gefüllt werden und im Bedarfsfall auch verfügbar sind, wird das Gesetz ge­ändert. Dazu brauchen wir auch taugliche Entschädigungsregelungen.

Eine Entschädigungsregelung gab es bisher nur für feste und flüssige Energieträger. Diese wird ausgeweitet und damit für die Bereiche Elektrizität und Erdgas anwendbar. Darüber hinaus sollen auch Anreize für die private Einspeicherung für den eigenen Be­darf geschaffen werden.

Diese Regelungen sollen uns für den Krisenfall rüsten und sollen vorerst einmal für drei Jahre gelten. Aber generell gilt: Speicherkapazitäten nutzen, Verfügbarkeit sichern, Er­zeugung von erneuerbarer Energie steigern und Energieverbrauch dort, wo es möglich ist, senken. Jeder Einzelne kann zu mehr Sicherheit beitragen. Wir leisten im Parlament mit diesem Beschluss, mit diesen Gesetzesänderungen einen weiteren Beitrag. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.41.04

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und vor allem Zuseherinnen und Zuseher! Viele Menschen haben Angst und fragen sich, ob das mit dem Heizen nächsten Winter funktionieren wird. Das ist mit ein Grund dafür, dass wir – aus Verantwortung diesen Menschen gegenüber – heute diesen Gesetzen zustimmen.

Ich sage aber gleich an dieser Stelle: Was nicht funktioniert hat, ist das Funktionieren dieser Bundesregierung. Es gab einen Ausschuss, es war noch dazu der Finanzaus­schuss, in dem die notwendigen Änderungen, die man gebraucht hätte, um eine Zwei­drittelmehrheit herzustellen, nicht vorhanden waren. (Abg. Jakob Schwarz: Deswegen verhandelt man ja!) – Es ist mir egal, ob ihr verhandelt habt! Es zeigt, ihr könnt es nicht. (Ah-Rufe bei den Grünen.) Das ist ja unglaublich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 102

Wir haben eine Krise, Herr Kollege Hammer! Wir haben eine Krise, und da ist es nötig, dass die handelnden Personen ihr Handwerk verstehen. (Abg. Scherak: Christoph, was hat die SPÖ ... jahrzehntelang gemacht?) Das ist keine Schönwetterveranstaltung, wie Kollege Stögmüller glaubt. (Ruf: Erklär es uns, Christoph! – Zwischenrufe der Abgeord­neten Lukas Hammer und Stögmüller.) Das ist ein ernsthaftes Thema und erfordert, dass die handelnden Personen ihre Hausaufgaben machen – und das ist nicht gelungen. (Neuerlicher Zwischenrufe bei den Grünen.)

Es ist ja für mich eine besondere Enttäuschung. Ich war zu Beginn durchaus kritisch mit den grünen Freundinnen und Freunden, weil sie zu nachgiebig sind. Ich habe sie aber nach Bildung dieser Bundesregierung auch verteidigt, indem ich gesagt habe, zum Un­terschied von Schwarz-Blau, als es noch Hartinger-Klein, Kickl und andere gab, ist das bessere Personal der Bundesregierung im Team der Grünen zu finden. Ich habe mir erlaubt, auch Freudinnen und Freunden gegenüber als Beispiel Bundesministerin Ge­wessler zu nennen.

Jetzt merke ich mit Bitterkeit: Wir haben eine Krise, und plötzlich ist diese Sachkunde, diese Intelligenz kaum noch zu spüren. Ich frage mich: Wieso ist das so? Wie kann eine Bundesministerin, die vorher einen intelligenten, kompetenten Eindruck gemacht hat, in so einer Frage wie blockiert sein? – Die Vorstände der Gasversorgung sagen: Sie redet nicht mit uns! Die E-Control sagt: Wir haben zu wenig Kontakt! – Wie gibt es das?, denke ich mir.

Dann kam mir die Erkenntnis: Das Problem sind zum Teil ideologische Scheuklappen. (Abg. Lukas Hammer: Wenn du das sagst, ist das ein Kompliment! – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) Wenn ich Geschäftsführer einer Lobbyistengruppe bin, bin ich vielleicht nicht so gut geeignet, ein Ministerium zu führen, das in diesem Bereich Ent­scheidungen treffen soll, denn dort brauche ich eine Äquidistanz (Ruf bei den Grünen: Zu Russland, ja!) und muss in der Lage sein, für die Bevölkerung zu entscheiden. (Abg. Lukas Hammer: Das würde ich mir von dir wünschen!) Nimm dir ein Beispiel an Ulli Sima: Die hat genau dasselbe gemacht, aber die war in der Lage, die ideologischen Scheuklappen abzulegen. (Abg. Lukas Hammer: Ah ja! Das ist ein super Beispiel! – Heiterkeit bei den Grünen.)

Das sei euch ins Stammbuch geschrieben: Wir brauchen eine Regierung, die funktio­niert, so wie wir eine Gasversorgung brauchen, die funktioniert – und diesen Beitrag se­hen wir nicht.

Letzter Nachsatz: Zum Teil von Kollegen Hammer, aber auch von Kollegin Sommer­bauer (Abg. Scherak: Doppelbauer!) – Doppelbauer –, NEOS und Grüne, kam der Vor­wurf, die Politik hätte versagt und in die Abhängigkeit von russischem Gas geführt. (Abg. Jakob Schwarz: Da hast du einen großen Anteil daran!) Welche Politik? (Ruf bei den Grünen: Deine!) Haben Sie eine Antwort? (Abg. Litschauer: 2014 ...!) – Ich höre Sie nicht. Sie haben keine Antwort, weil Sie nicht einmal die Geschichte - - (Abg. Lit­schauer: 2014, sage ich nur!) – Sie brauchen nicht zu schreien, Herr Kollege! (Ruf bei den Grünen: Sie haben ihn nicht gehört!) Ich sage es ganz offen: Es war neoliberale Politik. Die Märkte machen alles, mehr privat, weniger Staat. (Ruf bei den Grünen: Das sagst du?! – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Kollege Scherak, ich erinnere daran: Es war Wolfgang Ruttenstorfer, der Nabucco wollte. Da ging es um 30 Milliarden Kubikmeter Gas, das nicht aus Russland gekommen wäre. Wer hat es verhindert? (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.) – Die Vorschrift der EU: Wenn du in Bulgarien anlandest, dann kann der, der eine Pipeline baut, doch nicht sein Gas in seiner Pipeline transportieren. So wurde die Lieferung von 30 Milliarden Kubikme­tern Gas jährlich verhindert, die uns heute gewährleisten würde, dass wir nicht abhängig wären. So viel zum Thema, meine Damen und Herren!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 103

Gerade von den Freunden bei den NEOS möchte ich nicht mehr hören, das sei eine falsche Politik. Die falsche Politik ist eine Anbetung des Götzen Marktes, der aber bei Energieversorgung – wie auch bei Wasser, Müll und anderen Bereichen – nicht aus­reichend funktioniert. Wir brauchen Regulierung. Das ist ein Beitrag zur Regulierung und daher werden wir zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtscheller. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.45.58

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Matznetter, es ist schon interessant, wie man von einem Gestalter der Republik, der Sie ja als Staatssekretär einmal waren, zu einer dieser Figuren werden kann, die normalerweise oben auf dem Balkon sitzen und ihre Weisheiten von früheren Zeiten und irgendwelchen Formalismen, die anscheinend nicht eingehalten wurden, herunterschimpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen). Dass man zu solch einer Figur werden kann, ist eigentlich fast schon traurig, Herr Kollege Matznetter. (Abg. Matznetter: Nabuc­co ist ...! – Zwischenruf des Abg. Schroll.)

Jetzt aber wieder zu den wirklich wichtigen und ernsthaften Themen und vor allem zum Blick in die Zukunft und der Frage, wie wir diese gestalten wollen, Herr Kollege Matznet­ter. (Abg. Matznetter: Frau Pfurtscheller, geben Sie es auf, Sie können ...!)

Es gibt vieles, was uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten selbstverständlich gewor­den ist: unsere Gesundheit, unser Wohlstand, unser Frieden. All das ist momentan in­frage gestellt. Wir erleben wirklich eine Zeitenwende. Corona zeigt, dass wir als Mensch­heit nicht unzerstörbar sind. Der Klimawandel zeigt, dass die Welt nicht unzerstörbar ist. Der Ukrainekrieg zeigt, dass der Frieden in Europa und auf der ganzen Welt ein wirklich hohes, wenn nicht unser höchstes Gut ist und dass nur eine einzige Person – ein einzi­ger mächtiger Mann – bereits in der Lage ist, diesen Frieden zu zerstören.

Wir können all diese Herausforderungen, die wir momentan zu bewältigen haben, nur gemeinsam stemmen. Wir als Österreich können sie nur gemeinsam, zusammen mit der EU und zusammen mit der Weltgemeinschaft stemmen. Die Aufgabe der Regierung ist es, diese Zeitenwende, diese Veränderungen zu managen, zu begleiten und zu ge­stalten.

Wir müssen aber auch ehrlich zu den Menschen sein und ihnen sagen, dass wir nicht jede Veränderung, jede Unbequemlichkeit von ihnen abwenden können. Das muss klar ausgesprochen werden: Es wird in nächster Zeit einige Einschränkungen geben. Wir werden teilweise von dem für uns so ganz selbstverständlichen Standard abweichen, in neue Zeiten schreiten müssen, und das müssen wir auch ehrlich sagen.

Wir haben heute schon viel darüber gehört, wie wir die Gasbevorratung managen wollen, sodass wir im Herbst abgesichert sind, sodass niemand in Österreich Angst haben muss, ohne Heizung dazusitzen, ohne Strom auskommen zu müssen. Zu diesem Zweck neh­men wir viel Geld in die Hand. Es geht aber nicht nur darum, diese Bevorratung zu si­chern, sondern natürlich auch darum, neue Energiequellen zu erschließen. Dazu haben auch meine VorrednerInnen schon sehr viel ausgeführt.

Ich möchte deswegen gerne zum dritten wichtigen Punkt kommen: Es geht auch um die Reduktion des Gasverbrauchs. Es geht gesamtheitlich um die Reduktion des Energie­verbrauchs. Natürlich braucht es dazu die Wirtschaft und die Industrie – es gibt auch sehr viele Konzepte dazu, und Industrie und Wirtschaft sind da immer sehr innovativ unterwegs –, es braucht aber auch die Privathaushalte, und darauf wollte ich eigentlich mit meinem Einstieg in die Rede hinaus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 104

Die Privathaushalte verbrauchen ungefähr 20 Prozent des Gesamtverbrauchs an Gas. Wir haben es alle auch selber in der Hand, ein Stück einzusparen.

Ich komme aus einer Generation, die als Kind noch erlebt hat, wie die Ölkrise sozusagen über Europa hereingebrochen ist. Ich kann mich noch erinnern, wie es für uns ganz selbstverständlich war, einen Tag in der Woche auf das Auto zu verzichten, wie es ganz selbstverständlich war, darauf zu schauen, dass man möglichst geringe Heizkosten und Stromkosten hat.

Ich möchte wirklich an alle appellieren, auch darüber nachzudenken und sich darauf vorzubereiten, wie es denn wäre, auch selber einen Beitrag zu leisten. Wenn viele einen kleinen Beitrag leisten, macht es trotzdem ganz, ganz viel aus.

Ich bin ganz sicher, dass die Frau Ministerin in nächster Zeit auch noch sehr viele Vor­schläge dazu vorstellen wird, wie denn der Einzelne seinen Beitrag leisten kann. Dazu möchte ich Sie heute schon ganz herzlich einladen. Halten wir alle zusammen! Mutig in die neuen Zeiten! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Stögmüller und Disoski.)

13.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Dr. Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


13.51.03

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Abgeordnete Pfurt­scheller hat behauptet, dass in der Zeit, in der ich als Staatssekretär in der Bundesregie­rung war, die SPÖ für Energiefragen zuständig war. – (Abg. Pfurtscheller: Habe ich nicht! – Ruf bei der ÖVP: Hat sie nicht gesagt! – Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Ich berichtige tatsächlich: Seit den Neunzigerjahren, als Wolfgang Schüssel Wirtschafts­minister war, waren durchgängig ausschließlich ÖVP-geführte Ressorts für Energiepoli­tik zuständig. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Ing. Klaus Lindinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.51.36

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn wir hier den Themenbereich der Energie diskutieren, dann ist das vor allem eine Frage der Sicherheit.

Wir schaffen mit der Änderung im Energielenkungsgesetz und im Gaswirtschaftsgesetz effektive Maßnahmen, um die Gasbevorratung zu sichern, um die Widerstandsfähigkeit Österreichs zu stärken und damit Schritt für Schritt auch etwas unabhängiger zu werden.

Was machen wir? – Es sind Maßnahmen gesetzt, damit die Gasspeicher besser befüllt werden. Ziel ist es, bis zum Start in die Heizperiode die Befüllung auf 80 Prozent zu steigern, jeden Tag um ungefähr ein halbes Prozent.

Warum ist das so wichtig? – Weil wir fast eine Million Privathaushalte haben, die auf Gas angewiesen sind. Zum einen versuchen wir, Energie zu sparen und die Zahl der Haus­halte, die mit Gas geheizt werden, zu reduzieren. Zum anderen brauchen wir aber auch Sicherheit, damit diese die nächsten Jahre über die Winter kommen.

Dazu haben wir gestern ein Gesamtvolumen von 5 Milliarden Euro im Budget fixiert, um die Bevorratung als strategische Reserve sicherzustellen, langfristig abzusichern und damit auch die Versorgungssicherheit zu garantieren. Das ist unsere zentrale Aufgabe mit diesen Gesetzesänderungen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 105

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt drei Bereiche, auf die ich etwas näher eingehen möchte. Das ist zum einen die Änderung im Energielenkungsgesetz. Damit schaffen wir Rechtssicherheit für Unternehmen, die Gas bevorraten, damit 50 Prozent auch in der Produktion bleiben – aber im Notfall kann von der Volkswirtschaft, von der öffentlichen Hand auf die anderen 50 Prozent zugegriffen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Zorba und Jakob Schwarz.)

Zum Zweiten wird ein Marketmaker installiert. Der bringt vor allem Sicherheit, vor allem auch für die Netzstabilität, indem er Energie aus dem Netz herausnehmen oder hinein­geben kann, sozusagen ausgleichen. Er kann auch Speicheroptionen ausschreiben. Das ist ganz, ganz wichtig, damit wir auch genügend Vorrat haben.

Die dritte Maßnahme ist, die Speicherkapazität effizient zu nutzen. In dem Initiativantrag geht es darum, die Speicherung nach dem Prinzip Use it or lose it langfristig sicherzustel­len. Das heißt, alle, die über einen Speicher verfügen, haben die Möglichkeit, diesen selbst zu befüllen. Wenn sie das nicht tun, dann müssen sie diese Speicher auf dem Markt anbieten. Das verhindert leere Gasspeicher und sichert so auch die Versorgung in Österreich.

Ein Wort noch zum Gasspeicher Haidach. Da ist es vor allem wichtig, dass wir mit Deutschland ein Nutzungsabkommen bekommen und dass dieser Gasspeicher an das österreichische Netz angeschlossen wird, damit wir dort entsprechend Zugriff haben.

Eines ist sicher: Mit dieser Bundesregierung und mit dieser Koalition schaffen wir Sicher­heit; wir nehmen der Bevölkerung die Ängste. Durch diese Maßnahmen ist gewährleistet, dass wir, sollte ein plötzlicher Lieferstopp eintreten, ausreichend Gas für die Wirtschaft, aber vor allem auch für all die privaten Haushalte zur Verfügung haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

13.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Friedrich Ofenauer. – Bitte schön, Herr Magister.


13.55.34

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich denke, die Ausführungen der Vertreter der SPÖ zu diesem Tagesordnungspunkt sind in die Kategorie: Der Standort bestimmt den Standpunkt!, einzuordnen, denn der Gaspreis und auch die Lieferverträge waren schon bei der Beschlussfassung der Urfassung des Energielenkungsgesetzes ein Thema.

Damals hat Wolfgang Katzian – ich glaube, das ist kein Unbekannter bei der SPÖ – darauf hingewiesen, dass wir seit 1945 gut mit Gas versorgt worden sind und man einen guten Handelspartner nicht durch unbedachte Schritte verärgern sollte. Er hat auch auf die langfristigen Verträge mit Gazprom hingewiesen. Der Unterschied ist also nur: Da­mals war die SPÖ in der Regierung, und heute ist sie es nicht mehr.

So ändert sich vieles. Es ist auch so, dass der Ukrainekrieg und die Coronakrise viele Abhängigkeiten sichtbar gemacht haben, was die Versorgung mit Rohstoffen, die Ver­sorgung mit Energie, mit Strom und vor allem auch mit Gas, betrifft. Die Problematik war vielen bisher nicht wirklich bewusst.

Das Ziel dieser Novellen des Energielenkungsgesetzes und des Gaswirtschaftsgesetzes ist die Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas, denn die Krise hat diese Ab­hängigkeiten, die es gibt, nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar gemacht.

Es geht darum, eben dadurch, dass Gas eingelagert werden kann und die Gasspeicher gefüllt werden, widerstandsfähiger im Falle eines Gaslieferstopps zu werden. Damit wird Vorsorge getroffen, um unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 106

Krisen zeigen immer Versäumnisse auf und wirken manchmal wie ein Brennglas auf bestimmte Situationen. So hat auch diese Krise die Mentalität, die einer Praxis der Just-in-time-Lieferungen, der Idee einer jederzeitigen Verfügbarkeit von Gütern zugrunde­liegt, ganz krass infrage gestellt. Vorsorge und Lagerhaltung sind auf einmal wieder top­aktuell.

Ich möchte diese Debatte aber auch dazu nützen, um den Fokus auch auf einen anderen Bereich zu richten und diesen unter einem anderen Gesichtspunkt zu beleuchten, näm­lich den der umfassenden Landesverteidigung. Tatsächlich ist es so, dass es um die Unabhängigkeit Österreichs, um die Verteidigung der Unabhängigkeit geht, und es geht darum, dass diese Verteidigung der Souveränität und Unabhängigkeit auf eine breite Basis gestellt wird, eine breite Basis, zu der jeder seinen Beitrag leisten kann.

Bereits Mitte der Siebzigerjahre war man sich beim Konzept der umfassenden Landes­verteidigung bewusst, dass man angesichts komplexer Bedrohungsformen auch eine breite Basis und einen ganzheitlichen Ansatz in der Verteidigung braucht.

Die militärische Landesverteidigung, im Rahmen derer die Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundesheeres bei ihren Einsätzen im Inland und im Ausland hervorra­gende Arbeit leisten, ist uns bekannt.

Für die zivile Landesverteidigung, bei der es darum geht, dass die Bevölkerung ge­schützt wird, aber auch um Eigenvorsorge, leisten vor allem auch die Zivilschutzverbän­de Hervorragendes. (Beifall bei der ÖVP und Bravoruf des Abg. Hanger.)

Die wirtschaftliche Landesverteidigung wird gerade auch mit diesen Gesetzesnovellen gestärkt, bei denen es eben um die Bevorratung geht.

Nicht zuletzt geht es auch um die geistige Landesverteidigung, also darum, dass solche Bedrohungslagen, wie wir sie jetzt gerade haben, erkannt werden, wahrgenommen wer­den, analysiert werden, damit Vorbereitungen getroffen und auch entsprechende Maß­nahmen gesetzt werden können.

Dieses Gefühl der gemeinsamen Verantwortung, dieses Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit Österreichs müssen wir wieder stärken und – ja – in­sofern der geistigen Landesverteidigung wieder neues Leben einhauchen.

Meine Damen und Herren, mit den Beschlussfassungen zu diesen Gesetzen leisten wir einen ganz wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Landesverteidigung. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.59


13.59.31

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Klubs, ob eine Unterbrechung gewünscht ist. – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz geändert wird, in 1461 der Bei­lagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde zunächst über den vom Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen las­sen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 107

Da der vorliegende Gesetzentwurf auch eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Zahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 10 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. Ausdrücklich stelle ich auch hier wiederum die verfassungsmäßig erfor­derliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung an­genommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird, in 1462 der Beila­gen.

Hiezu haben die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte Abänderungsantrag Verfas­sungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungs­mäßig vorgesehenen Zahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Ziffern 3 und 5 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen. Ich stelle ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 108

angenommen. Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schluss mit Gasheizungen in Neubauten“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

14.03.275. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvor­lage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden (1451 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 2462/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend
3-L-Regel in der Landwirtschaft: Landwirte leben lassen (1452 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 159/A der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Marktordnungsstelle „Agrarmarkt Austria“ (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992, geändert wird (1453 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1169/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendi­gung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (1454 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1782/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Agrarför­dermitteleinsatz zur Erreichung des Endes der Vollspaltenböden-Haltung von Schweinen in Österreich (1455 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Fördermaßnahme „Soziale Angelegenheiten“ (Soziale Dienstleistungen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel (1456 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 109

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 bis 10 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.


14.04.02

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Minister! Während wir uns heute hier im Parlament mit der Zukunft der österreichischen Landwirtschaft in den kommenden sieben Jahren beschäftigen, arbeiten zahlreiche Bäue­rinnen und Bauern draußen auf ihren Höfen, auf ihren Feldern und produzieren gute, hochwertige Lebensmittel, aber, meine geschätzten Damen und Herren, das Klima in der Landwirtschaft hat sich zusehends verschlechtert. Ich bekomme zahlreiche E-Mails von Bäuerinnen und Bauern, in denen sie mir immer wieder mitteilen, dass sie von ihrem Hof nicht mehr leben können.

Meine geschätzten Damen und Herren! Es brodelt unter den Bäuerinnen und Bauern, und es braucht aus meiner Sicht nur noch einen Funken, bis es zu brennen anfängt. Unsere Landwirtinnen und Landwirte haben viele Fragen, die Ministerin Köstinger mit der gegenständlichen Regierungsvorlage zu beantworten gehabt hätte – nur dies ist lei­der nicht passiert –, und auch wir als SPÖ haben Fragen über Fragen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik bestimmt die Entwicklung der Landwirtschaft auf europäi­schem Boden. Dieser Pakt wurde jetzt verhandelt. Alle sieben Jahre besteht somit eine echte Chance, die Landwirtschaft auf neue Beine zu stellen, der Landwirtschaft echte Chancen zu geben, aber leider wurde das nicht wahrgenommen. Leider haben sich die Mitgliedstaaten auch diesmal wieder nicht dazu durchgerungen und haben sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt. Wir als Sozialdemokraten haben diese Einigung scharf kritisiert. Wieder wurde eine Chance für eine europaweite Strategie in der Landwirtschaft, für eine zukunftsfitte nachhaltige Landwirtschaft vertan.

Daher habe ich all meine Hoffnungen auf jene Gesetzentwürfe gelegt, die wir jetzt hier national umsetzen, und dabei habe ich mir gedacht: Ja, die Grünen – die Grünen werden all ihr Gewicht für Verbesserungen im Klimaschutz, im Umweltschutz in die Verhandlun­gen einbringen und sich an die Seite ihrer europäischen Abgeordnetenkollegen wie Sarah Wiener oder Thomas Waitz stellen und Maßnahmen beispielsweise zur Pestizid- oder Düngemittelreduktion erzwingen. Schlussendlich bin ich fest davon ausgegangen, dass ihr es hinbringt, dass wir ein Ende der Vollspaltenböden in diesem Land zustande bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Leider wurde ich aber vom Gegenteil überzeugt und musste wieder einmal feststellen, dass die Grünen für den Machterhalt all ihre Überzeugungen über Bord werfen.

Auch die Europäische Kommission, Herr Minister, hat in einer Stellungnahme in einem Observation Letter 251 Anmerkungen übermittelt, wovon viele sehr große Kritik bein­halten.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich es bei einer grünen Regierungsbeteili­gung schon bemerkenswert finde, dass es in den vorliegenden Gesetzestexten keine Definition für Tierwohl gibt. Das ist eigentlich eine Schande. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als SPÖ, aber auch viele Bäuerinnen und Bauern sind sehr enttäuscht. Wo bleibt der große Topf, Herr Minister, für eine gerechte Umverteilung der Gelder hin zu den kleineren und mittleren Betrieben? Wo bleiben die Ziele, die Visionen für die Landwirt­schaft, für eine nachhaltige, artgerechte und vor allem ökologische Wirtschaftsweise? Wieso unterstützt man die Bäuerinnen und Bauern nicht bei ihren Betriebsabläufen, bei­spielsweise bei der Digitalisierung? Umfragen in Deutschland haben gezeigt, dass die


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Digitalisierung in der Landwirtschaft eine große Chance auf Dünger-, Pestizid-, Ressour­cen- und auch Kosteneinsparung darstellt. Wieso passiert da in Österreich nichts?

An dieser Stelle darf ich erwähnen, dass ich die Pläne der Kommission scharf verurteile, das wahrscheinlich krebserregende Totalherbizid Glyphosat – viele von euch wissen, das ist mein Herzensprojekt – aufgrund einer fehlenden Risikobewertung durch die Efsa erneut für ein Jahr zuzulassen. Herr Minister! Bitte setzen Sie sich in Brüssel dafür ein, Ihre Vorgängerin hat es leider nicht getan, dass wir Glyphosat endlich EU-weit verbieten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gemeinsame Agrarpolitik soll also viele Fragen beantworten – mit der Regierungs­vorlage beantworten Sie meiner Meinung nach nichts. Wie schaut es beispielsweise mit dem mehrfach angekündigten Unterstützungspaket aus? Das Paket beinhaltet 110 Mil­lionen Euro. Wir kennen die Auswirkungen nicht, Herr Minister. Warum wurde der Natio­nalrat nicht damit befasst?

Daher fordere ich noch einmal ein Zurück an den Start und stelle hiermit folgenden Antrag:

Rückverweisungsantrag

§ 53 Abs. 6 GOG

Die Abgeordnete Cornelia Ecker stellt den Antrag, den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (1442 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden, an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft rückzuverweisen.

*****

Herr Minister! Wir wollen das noch einmal mit Ihnen diskutieren. Gerade in der heutigen Zeit, in der die ganze Welt zusehends abhängig wird, voneinander abhängig wird, wäre es ein gutes Gefühl, zu wissen, dass mein Teller auch in Zukunft vom Bauern aus der Region gefüllt werden kann, und gerade das sollte uns die Gemeinsame Agrarpolitik auf nationaler Ebene bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.10.04

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir dis­kutieren heute die neue Gemeinsame Agrarpolitik, im Prinzip ein öffentliches Programm, mit dem zum einen die öffentliche Hand in nachweisbare Leistungen von Bäuerinnen und Bauern Gelder investiert, die auf den Märkten nicht zu verdienen sind, zum Zweiten wird Geld in Projekte investiert, bei denen sich Betriebe modernisieren, bei denen zum Beispiel in die Digitalisierung, Frau Kollegin Ecker, investiert wird, und es wird in Projekte im ländlichen Raum, die die Wirtschaftskraft und die Lebensqualität in Österreich und in Europa stärken, investiert.

Ein herzliches Dankeschön richte ich an alle Institutionen, an den Koalitionspartner und vor allem an den neuen Herrn Bundesminister, stellvertretend für alle Damen und Her­ren, für das Engagement im Zusammenhang mit diesem wirklich langjährigen Projekt. Wir sichern damit Menge und Qualität österreichischer Lebensmittel, einen Beitrag zum


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bäuerlichen Einkommen, Klima- und Biodiversitätsziele und die Pflege der Kulturland­schaft. Herr Bundesminister, dieses Projekt trägt deine Handschrift, danke für dein En­gagement! Vielen Dank im Namen der österreichischen Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was sagt jetzt die Opposition? – Ich darf mich zum Ersten ein wenig mit Frau Kollegin Ecker beschäftigen. Was richtet uns die SPÖ aus und was richtet uns interessanterweise auch die Arbeiterkammer aus? (Abg. Leichtfried: Dass ihr endlich mit den Vollspalten­böden abfahrt! Das richten wir euch aus! Da brauchst du nicht die Augen zu verdrehen! Da werden wir nicht aufhören!) – Es ist toll, es ist wirklich schön zu hören, dass Frau Kollegin Ecker faire Preise für bäuerliche Betriebe fordert. Da sind wir einer Meinung, das ist gut so. Im gleichen Atemzug aber, zum Beispiel am 3. Mai im Ausschuss, monie­ren Sie, dass Lebensmittelpreise zu hoch sind, und Sie fordern sozusagen staatliche Regulative, damit Lebensmittelpreise nicht durch die Decke gehen. (Abg. Cornelia Ecker: Genau! Das fordern wir! Stimmt! ...! – Abg. Leichtfried: Ja, Mehrwertsteuer weg! Geht ganz einfach! Mehrwertsteuer weg! Ganz einfach! Aber euch ist das wurscht, das ist das Problem!) Sie fordern gleichzeitig mehr Bio, mehr Tierwohl, höhere Standards.

Das ist ein Widerspruch, den Sie mir erst erklären müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Greiner.) Sie wissen schon, dass durch die Umsetzung Ihrer Forde­rungen die Kosten gesteigert würden, dass es Qualität nicht zum Nulltarif gibt (Abg. Leichtfried: Euch ist die Teuerung egal! So ist es! Und die Vollspaltenböden sind euch auch egal!) und dass genau Ihre Agitation Bäuerinnen und Bauern durch diesen Wider­spruch zur Verzweiflung bringt. Das ist ungefähr so, als würde ich in Ihre Biometzgerei gehen und mir eine Bioleberkäsesemmel um 90 Cent bestellen. Qualität hat ihren Preis, und eine Bioleberkäsesemmel um 90 Cent wird es in Österreich nicht geben. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Jetzt zu Kollegin Doppelbauer: Sie hat gestern einen relativ breiten Rundumschlag ge­macht, was die Ausrichtung, wahrscheinlich auch die Herkunft der österreichischen Agrarpolitik betrifft. Ich darf einleitend sagen: Ich würde gerne die Gene des Matthias Strolz bei den NEOS wieder ein bisschen in Erinnerung rufen (Zwischenruf des Abg. Scherak): am Anfang einer Rede immer ein bisschen Lob, ehrlich gemeint, eine gute Analyse und dann der Ausblick: Wie geht es weiter?

Jetzt die Analyse: Wo steht die österreichische Agrarpolitik im internationalen Vergleich? (Rufe bei der FPÖ: Im Abseits!) – Klima- und Ökobilanz: top; Tierwohlbilanz: top (Abg. Leichtfried: Was ist mit den Vollspaltenböden und der Rinderanbindung?); die Teilnahme im Bereich Öpul und die Teilnahme im Bereich des Bioprogramms: ein hoher Prozentsatz. Das heißt, die Basis für Weiterentwicklung ist eine sehr, sehr gute, und auch Bäuerinnen und Bauern, geschätzte Frau Ecker, haben sich aus dem Mund der Sozialdemokratie einmal ein wenig Lob verdient. Die Basis für Weiterentwicklung ist eine sehr, sehr gute. (Zwischenruf des Abg. Bernhard.)

Jetzt weiter im Bereich der Kollegin Doppelbauer: Sie moniert das Problem mit dem Ein­kommen. – Ja, da bin ich dabei. Darüber wird wahrscheinlich Kollege Schmiedlechner auch noch reden. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Seit zehn Jahren gibt es Einkom­mensstagnation in Europa. Was macht aber Frau Kollegin Doppelbauer? – Sie spricht darüber, dass das österreichische Einkommen sich dramatisch von dem in großen west­europäischen Ländern, in Deutschland oder Frankreich, unterscheidet. Dieser Vergleich ist absolut falsch. Ich stelle den NEOS die Frage: Wollen Sie auch so einen Struktur­wandel wie in Deutschland? Wollen Sie auch so einen Strukturwandel wie in Frank­reich? – Das macht nämlich den Unterschied in den betrieblichen Einkommen aus. Wir haben kleine Strukturen und die großen Agrarländer haben große Strukturen.

Und, und das schlägt dem Fass den Boden aus, Frau Kollegin Doppelbauer vergleicht uns mit Holland. – Ich darf da einladen, sich mit dem Thema GVE pro Hektar zu befassen.


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Es gibt in Holland viele Betriebe, die bodenlos produzieren. Es gibt in Holland eine Bio­quote, die am untersten Ende zu finden ist.

Sie spricht auch von diesem Ausblick, von der Vision, und damit komme ich zum Schluss, weil ich da jetzt wieder bei unserem neuen Herrn Landwirtschaftsminister bin: Was ist unsere Vision seit Jahren, um nicht zu sagen, seit Jahrzehnten? – Der Kompass unserer Agrarpolitik ist die ökosoziale Marktwirtschaft. Das sagt Totschnig, das sagten aber auch schon Riegler, Fischler, Molterer, und das ist der rote Faden in der Agrarpolitik in den letzten Jahrzehnten. Wir sichern damit Lebensmittel höchster Qualität in Öster­reich, ökologische Situationen, die im internationalen Vergleich wirklich hervorragend sind, und wir sichern damit den Platz der österreichischen Land- und Forstwirtschaft in der österreichischen Volkswirtschaft. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit ist auch um!)

Die ökosoziale Marktwirtschaft ist unser Kompass, und die Gemeinsame Agrarpolitik ist der rote Faden, an dem entlang wir in den nächsten Jahren arbeiten werden. Bitte unter­stützen Sie uns auf diesem Weg! – Danke. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

14.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf bei dieser Gelegenheit Herrn Bundesminister Mag. Norbert Totschnig in unserer Runde begrüßen und bitte nun Peter Schmiedlechner ans Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.16.39

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Geschätzte Zuseher! Marktordnungsgesetz, Landwirtschafts­gesetz und AMA-Gesetz: Das heißt, wir behandeln heute die Beschlussfassung über die neue GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik, für die nächsten Jahre.

Die ÖVP-Agrarpolitik wird zum Bauernsterbenhilfeprogramm und treibt die Industriali­sierung der Landwirtschaft voran. Herr Strasser, das Einzige, was ihr sicherstellt, ist die Bauernsterbenhilfe. Kurz zusammengefasst: Was wird die neue alte Agrarpolitik der heimischen Landwirtschaft bringen? – Mehr Bürokratie, mehr Auflagen, weniger Produk­tion und weniger Geld auf den Bauernhöfen.

Ich darf noch eines kurz erwähnen: Gestern in der „Kronen Zeitung“ (einen Zeitungsar­tikel in die Höhe haltend): „Dramatisches Bauernsterben“. (Abg. Leichtfried: Das ist zu klein! Das sieht man nicht! – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) – Ich lese es euch eh vor, aber ihr könnt es ja gerne nachlesen: In Österreich hören bis 2040 30 Prozent der Landwirte auf. – Zitatende. 30 Prozent werden aufhören.

Gleichzeitig hat die ÖVP-Agrarpolitik dazu geführt, dass wir in vielen Bereichen keine Eigenversorgung mehr haben und uns auf Importe verlassen müssen. Es ist schon seltsam: In Österreich wird die Produktion eingeschränkt, und gleichzeitig wird fleißig importiert. Dann etwas sehr Seltsames: Herr Bundeskanzler Nehammer stellt sich hin und verkündet: Ach, wie super, ach, wie klass! Wir haben jetzt Getreide aus der Ukraine gekriegt! – Plötzlich spielen Produktionsbedingungen und Einsatz von Pflanzenschutz­mitteln keine Rolle mehr, vermutlich weil die RWA, Raiffeisen, der Hauptimporteur war. (Abg. Leichtfried: Da schau her!)

Anstatt die österreichische Landwirtschaft zu fördern, die Produktion zu stärken, werden wir Bauern immer mehr eingeschränkt. So wird ab nächstem Jahr laut neuer GAP den Bauern vorgeschrieben, 7 Prozent der Fläche aus der Produktion zu nehmen, sonst krie­gen sie keine Fördergelder mehr – ein Wahnsinn! Ihre Politik erzeugt eine Versorgungs­krise.

Da komme ich wieder zur „Kronen Zeitung“ (einen Zeitungsartikel in die Höhe haltend), das stand auch gestern drin (Abg. Michael Hammer: Die einzige Zeitung, die du liest, oder was?): „Eindringliche Warnung: ‚Brutaler Hunger droht‘“.


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Nicht nur das: Die Produktionskosten für unsere heimische Landwirtschaft steigen ins Unermessliche. Gleichzeitig werden den Bauern immer mehr Wirkstoffe, Pflanzen­schutzmittel weggenommen, das heißt, sie werden verboten.

Die Ukrainekrise hat uns gezeigt, wie abhängig wir in Europa, auch in Österreich, von den Getreideimporten sind. Seit vielen Jahren schließen in Österreich die Bauernhöfe, die Produktion wandert in andere Länder ab, und Sie – Sie: der Bauernbund und die ÖVP – haben zugeschaut und nichts gemacht. (Beifall bei der FPÖ.) Vieles, was wir selber produzieren könnten, wird deswegen importiert. Sie zerstören mit Ihrer Politik den Selbstversorgungsgrad, und die Lebensmittelversorgung wird immer krisenunsicherer.

Herr Minister, der freiheitliche Ansatz ist klar: heimische Qualität halten, die Produktion stärken und ausbauen, den Green Deal und die neue GAP überarbeiten. Herr Minister, wir fordern ein klares Bekenntnis zur heimischen Produktion, zur Selbstversorgung und zum heimischen Arbeitsplatz Bauernhof. Ich fordere nicht nur Lippenbekenntnisse, han­deln Sie endlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Eines darf ich auch noch erwähnen: Heute wird auch noch über einen Antrag von uns Freiheitlichen betreffend Entlastung der Bauern abgestimmt. Ich habe es vorhin schon gesagt: Die Bauern können sich die Produktion zum Großteil nicht mehr leisten, weil die Betriebsmittelkosten enorm sind – deswegen unser Antrag betreffend 3-L-Regel in der Landwirtschaft. 3 L soll heißen, Landwirtschaft leben lassen und „Landwirte leben las­sen“, und zwar durch: „Überarbeitung der GAP“, „Sozialversicherungsbeiträge in der Krise erlassen“, „AMA-Marketing Beiträge abschaffen“, „Kostenexplosion bremsen“ – heißt: Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer müssen für alle landwirtschaftlichen Betriebe während der Krise ausgesetzt werden (Abg. Hörl: Wow!) –, und in die Zukunft gerichtet: „Agrargipfel für Ernährungssouveränität“, auf dem man einmal einen richtigen Plan macht, um die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft zu sichern.

Herr Minister, ich hoffe, Sie als Wiener, Sie als sozusagen Asphalt- und Blumenkistl­bauer (Ruf bei der ÖVP: Das ist so primitiv, Herr Kollege!), setzen unsere freiheitlichen Forderungen um (Ruf bei der ÖVP: Sicher net!) und leisten endlich etwas für die Bauern, denn die letzten 30 Jahre hat das die ÖVP nicht gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Clemens Stammler. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


14.22.42

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union beziehungsweise der EWG gibt es seit 1957. Die Prämisse damals war klar: relativ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ausreichend Lebensmittel für die europäische Bevöl­kerung herzustellen – und das zum leistbaren Preis. Geprägt war diese Agrarpolitik von der ersten Säule, die zweite Säule gab es damals noch nicht: Die zweite Säule – quasi ländliche Entwicklung, Umwelt- und Klimapolitik – gab es ab 1999.

Diese erste Säule, diese Marktordnung, führte im Wesentlichen zu zwei Dingen: Erstens wurden die Lebensmittelpreise und Agrargüterpreise künstlich so niedrig gehalten, dass wir im globalen Süden Eigenversorgungsprobleme entstehen ließen, indem wir billigste Hühnerkeulen, indem wir Trockenmilch lieferten – alles das, was Europa zu dieser Zeit selber nicht brauchte und verwerten konnte –; gleichzeitig wurde die Stützung zum Teil der Erzeugereinkommen. Das heißt, auch die Bäuerinnen und Bauern hatten gar nicht wirklich großartig etwas davon. Das ist ganz einfach der Fakt, der sich darstellt. Die BäuerInnen haben sich in dieser Zeit der Förderempfänger nahezu so gefühlt wie vor der Bauernbefreiung: Sie produzierten wertvolle Dinge und waren auf der anderen Seite


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Almosenempfänger. Gefreut hat sich der Dritte, und das war eigentlich die Lebensmittel­industrie, die zu jeder Zeit zu günstigen Rohstoffen, egal welcher Herkunft, gekommen ist.

Österreich hat das, glaube ich, sehr bald erkannt, war eigentlich ab 1999 Vorreiter in der zweiten Säule und hat die Gewichtung sehr stark auf diese zweite Säule gelegt. Ich glaube, dass gerade diese zweite Säule wichtiger denn je ist.

Zu diesem Klimawandel, den wir täglich spüren, und der nicht nur von Hagel, Sturm und Starkregen geprägt ist, sondern der täglich spürbar ist, eine kleine Geschichte: Letzten Montag bin ich in der Früh meine Kühe von der Weide holen gegangen, und zwar des­halb in der Früh, weil das die erste Klimawandelanpassung meines Betriebes ist. Die Kühe gehen in der Nacht auf die Weide, weil es selbst in dieser Jahreszeit bereits Hit­zetage über 30 Grad gibt. Als ich die Kühe holen gehe, gehe ich an Streuobstwiesen und an Obstbäumen vorbei, die wunderschön und interessanterweise alle gleichzeitig blühen: Apfel, Birne, Kirsche – alle gleichzeitig. Bis hierher sehr idyllisch und romantisch, Fakt ist aber: Es ist keine Idylle, es ist eine Stressblüte. Die Bäume versuchen krampf­haft, mit ihrer letzten Kraft, sich zu vermehren.

Diesen Stress, den die Bäume verspüren, und diesen Hitzestress, den die Tiere ver­spüren, haben meine Kollegin Olga Voglauer und ich bei dieser GAP-Verhandlung ge­nauso verspürt – und zwar hinsichtlich einer Ökologisierung der GAP. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ein grüner Erfolg, wenn es wieder eine eigenständige Bioförderung gibt und diese gegenüber dem vorigen Programm um 40 Millionen Euro mehr, besser dotiert ist. (Beifall bei den Grünen.) Es ist ein grüner Erfolg, wenn es eine 10-prozentige Umverteilung von Groß zu Klein gibt, wenn es ein Capping gibt, und es ist ein grüner Erfolg, wenn es eine Erhöhung der Ausgleichszulage gibt. Es ist auch ein grüner Erfolg, wenn es eine Förderung für Freilandschweinehaltung und mehr Tierwohl in der Schweinehaltung gibt. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Cornelia Ecker.)

Ja, dieses Programm könnte mit Sicherheit noch etwas ökologischer sein (Abg. Cornelia Ecker: Etwas?), aber es ist auch mit Sicherheit das ökologischste Programm innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordnete MMag. Katharina Wer­ner. – Bitte schön.


14.27.41

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal! Liebe Menschen zu Hause! Die Kommentare zur GAP überlasse ich natürlich unserer Landwirtschaftssprecherin – die wird sich dann dazu zu Wort melden –, als Tierschutzsprecherin habe ich ein bisschen andere Anliegen.

Sir Peter Ustinov meinte einmal: „Humor ist einfach eine komische Art, ernst zu sein.“ In diesem Sinn möchte ich mit einer Karikatur beginnen, die ich letzte Woche in einer Tageszeitung gefunden habe, und sie mit Ihnen teilen (ein Blatt mit einer Karikatur in die Höhe haltend). Für alle, die die Zeichnung nicht gut sehen können, eine kurze Beschrei­bung (Abg. Kugler: Kann man das durchgeben?): Eine Familie – Mutter, Vater und Kind – besuchen eine Halle eines Schweinebauern. Von den Schweinen sind nur die Popos zu sehen. Das Kind zieht ein Schweinchen am Ringelschwänzchen, und der Bau­er meint stolz – bitte schön! (das Blatt mit der Karikatur in Richtung SPÖ zeigend) ‑: „Für die Schnitzel zu 2,99 das Kilo halten wir die Schweine“ in Zukunft „senkrecht“. – Ja, da bleibt einem das Lachen im Hals stecken.


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Ein kleines Detail am Rande: In Österreich wäre es aktuell nicht einmal möglich, dass ein Kind ein Schwein in so einer Haltung am Ringelschwänzchen zieht. Diese werden nämlich in der Regel, wenn die Schweine Ferkel sind, ohne Betäubung und Schmerzmit­tel einfach – aus Tierschutzgründen wohlgemerkt! – abgeschnitten – und das, obwohl das Kupieren bereits seit 14 Jahren aufgrund von EU-Recht unzulässig ist. (Heiterkeit des Abg. Hofinger.)

Was tut nun die Regierung? – Im Regierungstraktor hält die ÖVP in Sachen Tierschutz die Handbremse sehr gut angezogen. Tierwohl kam in der ersten Rede des neuen Land­wirtschaftsministers gestern nicht vor. Es bleibt die Predigt: Masse statt Klasse!, obwohl wir wissen, dass sich das für die österreichischen Landwirte nicht ausgeht. Der grüne Tierschutzminister bricht auf der anderen Seite, vermutlich aus Verlegenheit, lieber eine populistische Verbotsdebatte über Fiakerpferde vom Zaun – ein Thema, das wohlge­merkt nur einige wenige Hundert Tiere betrifft. (Abg. Stögmüller: Das aber trotzdem sehr wichtig ist ...!)

Im Vergleich dazu: In Österreich leben 2,8 Millionen Schweine, etwa zwei von dreien auf Vollspaltenböden. An einer echten Lösung, an einem nachhaltigen Ausstiegsszenario, einem Systemwandel scheint weder die eine noch die andere Partei interessiert. (Abg. Strasser: Aber ... steht doch im Entschließungsantrag!)

Zusammenfassend: Die Performance dieser Regierung in Sachen Tierschutz ist enttäu­schend. Die VerbraucherInnen und die Landwirte haben etwas Besseres verdient – und die Tiere sowieso. (Abg. Strasser: Warum haben Sie dann beim Entschließungsantrag mitgestimmt?!)

Herr Minister, sollten Sie sich aus Ihrer Bauernbundsozialisation emanzipieren können und gemeinsam mit Herrn Minister Rauch den Mut finden, einen echten Systemwandel hervorzubringen (Abg. Reiter: Warum habt ihr dann beim Entschließungsantrag mit­gestimmt?!), dann versichere ich Ihnen, dass wir Sie unterstützen werden. (Abg. Stras­ser: So schnell kann man die Meinung ändern!) – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme gelangt nun Herr Bundesmi­nister Mag. Norbert Totschnig zu Wort. – Bitte schön, Herr Bundesminister.


14.31.01

Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Mag. Norbert Totschnig, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Es ist für mich wie gestern auch heute wieder ein sehr freudiger Tag, denn in dieser zweiten Plenarsitzung steht das wichtigste agrarpolitische Gesetzespaket für die Land­wirtschaft für die nächsten Jahre zur Debatte. Hinter uns liegen viele Jahre, konkret vier Jahre, intensiver Verhandlungen, die auf europäischer Ebene begonnen haben.

Wie Sie sich vielleicht erinnern können: Begonnen hat das Ganze mit dem Vorschlag des damaligen EU-Haushaltskommissars Günther Oettinger für den Mehrjährigen Fi­nanzrahmen 2021-2027 und dem Gesetzesvorschlag für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik des damaligen EU-Kommissars Phil Hogan.

Wie hat die Lage damals für uns im ersten Moment ausgeschaut? – Wir wussten, es ist mehr Klimaschutz nötig, mehr Umweltschutz, und gleichzeitig haben wir mit Blick auf das Budget zusammengefasst gesehen: deutlich mehr Auflagen für deutlich weniger Geld für die Landwirtschaft.

Für uns war das natürlich ein Alarmsignal, und es war völlig klar, dass es in einem ersten Schritt notwendig ist, dass alle Kräfte gebündelt werden, dass die Regierung sich dafür einsetzt, dass der Mehrjährige Finanzrahmen am Ende ein Plus und kein Minus stehen


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hat. Am Ende ist das auch geglückt – das muss ich hier erwähnen, es ist keine Selbst­verständlichkeit –: 770 Millionen Euro wurden wegverhandelt, am Ende hatten wir ein Plus von 35 Millionen Euro. An dieser Stelle danke ich dem damaligen Regierungschef Sebastian Kurz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

In einem zweiten Schritt war es natürlich notwendig, dass man auf europäischer Ebene inhaltliche Verhandlungen aufzunehmen beginnt, um unseren österreichischen, unseren ökosozialen Weg in der Agrarpolitik zu sichern. Dabei waren zwei Gremien entschei­dend: Die Diskussionen im Rat hat meine Amtsvorgängerin Elisabeth Köstinger geführt. Sie hat sich in den Verhandlungen mit voller Energie engagiert und beispielsweise er­reicht, dass unsere Vorleistungen im Umweltprogramm beim Ökoschema angerechnet wurden. Auf der anderen Seite hat Simone Schmiedtbauer, die Abgeordnete im Agrar­ausschuss, erreicht, dass es praxisnahe Regelungen für die neue GAP geben wird. Un­ter anderem möchte ich ihr Engagement dafür hervorheben, dass unsere Form der Be­wirtschaftung der Almen auch in Zukunft möglich sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Was bringt diese GAP? – Mit dieser GAP leistet die österreichische Landwirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz, zu mehr Tierwohl und zu mehr Biodiversität. Das ist ein ganz zentraler Schritt, den man zur Kenntnis nehmen muss.

Konkret heißt es in den Maßnahmen im Agrarumweltprogramm beispielsweise, dieses wird ausgeweitet und das Budget wird um 25 Prozent erhöht. Das ist auch notwendig, denn mehr Auflagen und mehr Kosten erfordern ein höheres Budget.

Des Weiteren muss man zur Kenntnis nehmen und wissen, dass in der GAP insgesamt 40 Prozent der finanziellen Mittel künftig für klimarelevante Maßnahmen verwendet werden. Der Kollege von den Grünen hat es schon gesagt: Wir erhöhen die Investitionen in die biologische Landwirtschaft und in besonders tierwohlfreundliche Stallungen. Die­ses Budget wird aufgestockt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir stocken weiters die Ausgleichszulage für die Bergbauern auf. Das hilft auch den Betrieben in den benachteiligten Gebieten. Das ist ein Erfolg im Sinne unserer Berg­bäuerinnen und Bergbauern.

Die Hofübernahme wird erleichtert. Carina Reiter, Obfrau der Jungbauern, meinte, wir wollen ein gutes, attraktives Hofübernehmerpaket haben, um Hofübernahmen zu attrak­tivieren und zu erleichtern. – So viel zu den Maßnahmen.

Wo stehen wir jetzt? Um einen kurzen Zeitabgleich zu machen: Der erste wichtige Mei­lenstein ist gelungen, indem der GAP-Strategieplan fristgerecht Ende 2021 bei der Kom­mission eingereicht wurde. Er steht derzeit zur Debatte. Wir werden uns dafür einsetzen, dass praxistaugliche Regelungen umgesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Der zweite Meilenstein ist eben der heutige Beschluss dieses Rahmengesetzes. Es ist höchste Zeit, dass wir es beschließen. Wir sind damit in Europa unter den Mitglied­staaten führend, denn in der jetzigen Zeit brauchen wir Planungssicherheit, damit wir die Versorgungssicherheit, von der wir auch gestern gesprochen haben, auch in dieser un­sicheren Phase gewährleisten können.

Mit dieser GAP gelingt es, den österreichischen Weg der Agrarpolitik fortzusetzen. Was meine ich damit? – Wir sichern damit auch unsere vielfältige Betriebsstruktur, das heißt, wir sichern kleine Betriebe, mittlere Betriebe, aber auch Leitbetriebe. Wir sichern und unterstützen Vollerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe, biologische und konventionelle Betriebe sowie alle anderen unterschiedlichen Produktionssparten. (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.) Wir bieten eine Perspektive für die Ackerbaubetriebe, für die Grünlandbetriebe, für die Betriebe mit Tierhaltung, für Pflanzenproduktion in allen Regio­nen Österreichs. (Abg. Schmiedlechner: Alles wird gut!)


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Insgesamt stehen im Topf 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung. An dieser Stelle möchte ich auch dem Bundeskanzler, Klubobmann Wöginger und dem Finanzminister Danke sagen. Sie haben durch die Bereitstellung von Bundesmitteln dazu beigetragen, dass diese Verhandlungen schlussendlich auch positiv abgeschlossen werden konnten. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte mich bei unserem Verhandlungsführer Präsident Georg Strasser bedanken, bei Präsident Josef Moosbrugger und beim Koalitionspartner, bei der Landwirtschafts­sprecherin der Grünen Olga Voglauer: Ihr habt ganz wesentlich und federführend dazu beigetragen, dass dieses zukunftsfähige Projekt und Paket heute beschlossen werden kann.

Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums, allen voran beim ehemaligen Generalsekretär Gernot Maier und beim zuständigen Sektionschef Johannes Fankhauser. Sie haben alles dazu beigetragen, um gut zu informieren, um zu unterstützen und um die Verhandlungen bestmöglich zu begleiten.

Die GAP ist ein Zukunftsprogramm für die Bäuerinnen und Bauern und für Österreich. Sie honoriert die großartigen Leistungen unserer Betriebe, und das bedeutet für Sie, meine Damen und Herren Konsumentinnen und Konsumenten, dass die österreichische Landwirtschaft uns weiterhin tagtäglich mit hochqualitativen regionalen Lebensmitteln versorgen kann.

Ich bitte um breite Unterstützung dieser Regierungsvorlage. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Kein Wort zum Tierschutz! – Abg. Stras­ser: Dann hat er nicht zugehört!)


14.38.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorneweg meine herzliche Gratulation dem neuen Landwirtschaftsminister, meinem Nachnachfolger Norbert Totschnig zur Be­stellung. Lieber Herr Kollege Schmiedlechner, es ist eine traurige Vorstellung, die Sie hier liefern, Norbert Totschnig derart abzuqualifizieren, der aus der Landwirtschaft kommt, der jahrelang im Agrarbereich tätig und ein anerkannter Experte ist. Alles Gute, und ich wünsche dir sehr viel gemeinsamen Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Die Europäische Kommission kennt zwei Politikbereiche, die gemeinsam gemacht wer­den: Das eine ist die Regionalpolitik und das andere ist eben die Gemeinsame Agrar­politik, gemeinsam in Europa.

Es wurde im Laufe der Jahre immer wieder kritisiert, warum das gemeinsam ist – sehr viel Geld fließt in die Landwirtschaft. Heute, im Angesicht einer Krise, des Krieges in der Ukraine und der Frage, wie wir Europa und die Welt mit Lebensmitteln versorgen, zeigt sich, wie richtig es war, dass eine Gemeinsame Agrarpolitik gemacht wurde, dass Europa das Thema Lebensmittel mit den Nationalstaaten gemeinsam bewirtschaftet.

Und in jeder Finanzperiode, so auch von jetzt bis 2027, gibt es eben eine Reform dieser Gemeinsamen Agrarpolitik, und die wurde jetzt auch erfolgreich abgeschlossen.

Für Österreich war das jedes Mal eine große Herausforderung, denn, lieber Kollege Stammler – das muss ich Ihnen schon sagen –, nicht Sie haben die Ökologisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik gemacht, sondern wir seitens der ÖVP haben das von An­beginn, seit dem EU-Beitritt gemacht. Das Ziel bei der Gemeinsamen Agrarpolitik war


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nämlich immer, eine Ökologisierung voranzutreiben. Mit dem EU-Beitritt war der Durch­bruch, weil das Programm für die umweltgerechte Landwirtschaft Öpul gemacht wurde, wodurch die Bauern eben nicht zu Almosenempfängern degradiert, sondern nach Leis­tung bezahlt werden, das heißt, jene Bauern, die mehr für die Umwelt tun, bekommen mehr Geld. Ein Biobauer bekommt mehr Ökoprämien aus diesem Programm als ein Bauer, der vielleicht gar nicht teilnimmt, der bekommt eben nichts. Dieses Programm haben wir von Reform zu Reform verteidigt.

Die Herausforderung bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für Österreich war immer, unser hohes Umweltniveau zu halten. Ich durfte die letzte Agrarreform als Land­wirtschaftsminister verhandeln. Der Anspruch ist groß. (Zwischenruf des Abg. Leicht­fried.) Das ist jetzt kein Selbstlob, Sie können das in Europa nachfragen, wir sind mit unserem Umweltprogramm an der Spitze aller europäischen Länder.  Herr Kollege Leichtfried, Sie wissen das, lassen wir die Parteipolitik aus dem Spiel.  Kein Staat in Europa, kein Land in Europa hat ein derart ambitioniertes Umweltprogramm für die Land­wirtschaft wie wir. Je höher die EU dann selber die Umweltansprüche schraubt, umso herausfordernder ist es für Österreich, die Latte eben nicht so hoch zu legen, dass die Bauern nicht mehr mittun.

Ich glaube, dass es gelungen ist, auch diesmal wieder den österreichischen Weg zu verteidigen und auch auszubauen. Die EU hat sogenannte Ökoregelungen vorgeschrie­ben ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen –, und das bedeutet, dass das Umweltpro­gramm umgebaut werden musste, und das ist natürlich schwierig. Tatsache ist, dass die Reform dieser Agrarpolitik für die Bauern  Ackerbau und Grünland  Herausforderun­gen bringt, mehr zu tun, und dadurch haben sie einen höheren Aufwand.

Auch zum beschworenen Bauernsterben, das immer wieder erwähnt wird: Ja, es gibt den Strukturwandel, aber unsere Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte hat verhindert, dass die Bauern in Österreich derart zugrunde gehen wie in Europa. In Deutschland sind die Betriebe doppelt so groß, in Tschechien viermal so groß, in Dänemark, Holland, Belgien noch viel größer als in Österreich. Also uns ist es gelungen, gegen den Druck des Mark­tes Betriebsstrukturen zu erhalten, die doch noch kleiner sind als in vielen anderen Län­dern Europas und der Welt  ein Erfolg der Agrarpolitik. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Tierwohl: Jeder Bauer weiß, wenn er seine Nutztiere schlecht behandelt, bekommt er keine Leistung. Österreich war immer voran, zum Beispiel bei der Umstellung weg von der Käfighaltung der Hühner. Mit Kollegen Stöger haben wir damals unter Begleitung der Forschung den Ferkelschutzkorb verhandelt. Unser Ziel ist es, das Tierwohl vernünf­tig voranzutreiben. Wenn man bei uns die Viehbauern sozusagen behindert oder sterben lässt, kommen die Lkws mit den Schlachtschweinen aus Dänemark, aus Belgien, aus Holland in ein paar Stunden nach Österreich, und dort werden die Tiere eben nicht so gehalten wie bei uns. (Zwischenruf des Abg. Einwallner.)

Abschließend möchte ich noch einen Satz sagen, der mir wichtig ist. Die GAP muss die Lebensmittelversorgung in Europa sichern, aber ich finde, dass wir als Europa auch eine Lebensmittelversorgungsverantwortung in der Welt haben (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Einwallner), denn die Ukraine versorgt in etwa 400 Millionen Menschen in der Welt: den gesamten nordafrikanischen Raum, den Nahen Osten, Pakistan, Indonesien. Die Liste jener Länder, die aus der Ukraine Getreide bekommen, ist eine lange Liste von Entwicklungsländern. In Afrika und im Nahen Osten (Abg. Einwallner: ... ein großes Problem!) wird jedes zweite oder dritte Brot aus Getreide aus der Ukraine gemacht. Wenn das Getreide, das herausgebracht wird und dann in diese Regionen kommt nicht das, das nach Österreich gebracht wird , dort nicht herausgebracht wird, dann haben wir auch in Europa ein Problem, denn bevor die Menschen in Afrika zugrunde gehen, flüchten sie. Das versteht jeder Mensch.


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Also bin ich dafür, wir haben das auch in Brüssel deponiert, dass die Europäische Kom­mission den Green Deal neu bewertet und sagt: Erzeugung in Europa sichern, Biodiver­sität schützen und Umwelt schützen – es ist ja keine Frage, dass wir das über Bord werfen wollen, im Gegenteil –, aber es ist sehr wohl zu überlegen, wie wir als Europa einspringen können, wenn in derartigen Regionen Hungersnöte drohen. In Indien droht jetzt eine Dürre. Dass dort Flüchtlingsbewegungen entstehen, will niemand haben, daher müssen wir hier etwas tun.

Letzter Satz: Die Zahl der Kinder, die unter Hunger leiden  kleine Kinder, die nicht ge­nug zu essen haben , liegt mittlerweile bei 3,1 Millionen. Die Anzahl der Länder, in de­nen Menschen Hunger leiden, ist seit dem Ukrainekrieg weltweit von 47 auf 60 Länder gestiegen. Da besteht Handlungsbedarf. Ich erwarte von der Europäischen Kommission, dass sie den Green Deal neu bewertet und Lebensmittelerzeugung zulässt. – Alles Gute, lieber Norbert Totschnig! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


14.44.47

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden in Zukunft jede einzelne Bauern­hand in Österreich brauchen, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. In Euro­pa ist Krieg, es wird sehr eng werden, diese Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Bauern werden dafür zu sorgen haben; sie werden es zwar nicht mithilfe der ÖVP-Politik schaffen (Zwischenruf bei der ÖVP), aber sie werden es schaffen, unsere Regale zu füllen.

Die ÖVP hat 35 Jahre lang die Minister und Ministerinnen in der Landwirtschaft gestellt – und täglich kommt es zum Bauernsterben, wie Kollege Schmiedleitner (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Schmiedlechner!) schon richtig aufgezeigt hat. Es gibt ein (einen Zeitungsar­tikel in die Höhe haltend): „Dramatisches Bauernsterben“.

700 Agrarbetriebe, und das ist der konservativen Politik in Europa zu verdanken, ma­chen in Europa täglich zu. In Österreich werden es bis zum Jahr 2040 30 Prozent, eine ähnliche Anzahl, sein. Wenn dann ein ehemaliger Minister und Georg Strasser hier he­raußen stehen, ist das für mich so, als ob ihr mit den Bauern Schmäh führen würdet. Nein wirklich, dass ihr das überhaupt nicht versteht! (Zwischenruf des Abg. Lindinger.) Herr Direktor des Bauernbundes, der jetzt Minister geworden ist: Bitte legen Sie diese Politik des Bauernbundes ab und machen Sie als Minister eine Politik, die für alle Ös­terreicherinnen und Österreicher und für alle Bauern geeignet ist, nicht nur für den Bau­ernbund! (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann ja nicht sein, dass da täglich Betriebe zusperren und der ehemalige Minister vergleicht und feststellt, dass in Deutschland größere Betriebe als bei uns in Österreich zusperren. Das ist euer Trost? Das kann es ja wirklich nicht sein, dass man in diese Richtung geht. Diese Regierungsvorlage würde ich zurücknehmen, Herr Minister. Ob Sie das als Direktor verhandelt haben oder nicht, das passt deshalb nicht, weil die EU die Rahmenbedingungen ja wohl vorgegeben und gesagt hat, es muss eine Umverteilung von Großagrarbetrieben zu kleinen und mittleren Betrieben geben. Wir in Österreich machen das jetzt genau mit 10 Prozent. Genau die großen Betriebe haben sich wieder durchgesetzt, eure Freunde vom Bauernbund haben sich durchgesetzt, und die kleinen Betriebe, für die habt ihr wieder nichts übrig. So wird das nicht gehen! (Ruf bei der ÖVP: Das passiert auch nicht!)

Die werden in den nächsten Jahren alle zusperren, nämlich 30 Prozent bis zum Jahr 2040. Das wird den Almen schaden, das wird den kleinen Bauernmärkten schaden.


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Ihr schafft es ganz einfach nicht, dass ihr das in eine Richtung macht, dass der Kleine anständig gefördert wird. Ihr werft aber den Sozialdemokraten vor, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Lebensmittel billig sind, damit die Leute, die wenig verdienen, sich das auch leisten können. Ihr habt 2 Milliarden Euro dafür zur Verfügung und könnt keine Förderung aufstellen, dass die Lebensmittel günstig genug sind. (Abg. Reiter: Du ver­stehst die Zusammenhänge nicht!) Ja, was ist denn da passiert? (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist denn da in Wirklichkeit passiert? Das kann es ja nicht geben! Deshalb ist diese GAP ein Zukunftsprogramm, wenn ihr das anständig angeht. Gehen wir in den Aus­schuss zurück, unterstützt unseren Antrag und verhandeln wir das neu! Herr Minister, Sie haben jetzt eine andere Aufgabe. Sie sind nicht mehr Direktor von irgendwelchen Bauern, die Sie über die Jahre unterstützt haben, sondern Sie sind jetzt Minister – zeigen Sie, dass Sie es besser können, so wie es ein Bruno Kreisky oder ein SPÖ - - (Abg. Strasser: Da haben die meisten aufgehört, beim Kreisky!) Ja, das regt euch auf, er war aber der Einzige, der euch eine Pension gegeben hat, sonst gäbe es ja heute noch keine. (Beifall bei der SPÖ. Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr. Astrid Rössler. – Frau Abge­ordnete, bitte schön.


14.48.37

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister Totschnig, ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre neue Aufgabe. Ich wünsche Ihnen auch gute Nerven und gutes Geschick in den vielen Gesprächen, die Sie in diesem Amt führen werden. – Alles Gute. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte gerne bei der Biolandbauförderung starten, weil es einerseits erfreulich ist, dass die Förderungen für den Biolandbau erhöht worden sind, dass es Projektförderun­gen für die Verarbeitung und Vermarktung von Bioprodukten und auch andere Förderun­gen in diesem Bereich gibt, erfreulich ist andererseits aber auch – weil wir dafür auch eine gesicherte Nachfrage brauchen –, dass mit dem Aktionsplan für nachhaltige Be­schaffung in zwei Bereichen bei der Nachfrage von Bioprodukten speziell die öffentliche Verwaltung – dazu zählen aber auch Bildungseinrichtungen, dazu zählt der Gesund­heitsbereich, Pflegeeinrichtungen –, die öffentliche Hand mit Vorbildwirkung vorangehen soll, um Bioprodukte stärker nachzufragen. In den beiden Bereichen  Lebensmittelbe­schaffung, aber auch Veranstaltungen  gibt es steigende Quoten bei Biolebensmitteln, auch bei Getränken, und auch bei Mehrwegverpackungen, also im ganzen Nachhaltig­keitsbereich. Es ist ganz wichtig, dass die Nachfrage gesichert ist.

Der zweite Bereich zeigt, dass die Landwirtschaft viel mehr als nur Lebensmittelproduk­tion ist, denn in Wahrheit sprechen wir über ein und dieselben Bodenflächen, die unter­schiedlichste Funktionen erfüllen.

Genau diese Bodenfunktionen werden sehr gut sichtbar im Nachhaltigkeitsziel 2, im SDG Nummer 2: Hunger beenden. Da geht es nämlich darum, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, die Erhaltung von Ökosystemen zu verbessern, die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu stärken. Die Resilienz der Böden und der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung hinsichtlich Extremwetterereignis­sen wie Dürren und Überschwemmungen soll gefördert und ausdrücklich die Bodenqua­lität verbessert werden.

Das zeigt sofort, dass Landwirtschaft viel mehr ist als nur Lebensmittelproduktion und/oder Tierhaltung, sondern in Wahrheit geht es um ein und denselben Boden, an den vielfältige Ansprüche gestellt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wer die letzten Tage orf.at verfolgt hat, konnte dort zwei wichtige Meldungen zum Thema Wasserknappheit lesen. Uns geht das Wasser aus. Das ist einer der kritischen Faktoren weltweit: Vor allem der Rückgang der Grundwasserkörper ist besorgniserregend, weil das auch unmittelbar in die Landwirtschaft eingreift.

Die zweite Meldung lautete: „Böden im Klimastress“. Die Böden werden trockener, und auch das ist ein Klimafaktor. Es sind also zwei große maßgebliche Stressfaktoren, die da auf die Landwirtschaft zukommen – beziehungsweise sind sie in Wahrheit schon voll angekommen.

Ich lese online die Nachrichten der Landwirtschaftskammer; auch da gab es jetzt im Mai zwei ganz, ganz dramatische Berichte. Einer führte unter dem Titel „Ohne Bodenbe­deckung kein Schutz“ aus, wie sehr in Wahrheit Trockenheit und Klimawandel bereits in unseren Böden angekommen sind.

Der zweite Bericht betrifft Kärnten: „Hagel, Sturm, Überschwemmung“, 1 000 Hektar Ackerflächen und Grünland wurden von einem Hagel- und Starkregenereignis geschä­digt. Wir befinden uns also bereits in einer ganz dramatischen Entwicklung, die ganz stark durch den Klimawandel ausgelöst wird.

Aus meiner Sicht heißt das: Der Boden erfüllt vielfältige, unverzichtbare Funktionen, von der Produktionsfläche über Rückhaltefunktionen bei Hochwasser sowie Wasserreini­gung – auch der Gewässerschutz ist in Ihrem Ressort angesiedelt – bis zur Wildbach- und Lawinenverbauung. Es ist also ein sehr kompaktes, aber auch sehr wichtiges Paket.

Meine Bitte und mein Appell: Wir müssen aufhören, uns bei Klimaschutz, Naturschutz und Landwirtschaft in Details zu verheddern. Wir müssen die Dinge gemeinsam sehen und gemeinsam verhandeln, auch beim Thema Bodenverbrauch: Wir dürfen nicht so viele Agrarflächen verlieren, das ist ein ganz dringender Handlungsauftrag!

Meine Bitte ist daher, die Gesprächsbereitschaft mit allen Betroffenen zu verbessern und die Themen Naturschutz und Landwirtschaft als gemeinsames Ziel zu behandeln. Wir dürfen uns da nicht in Detailfragen verheddern, sondern müssen das gemeinsame Ganze – da geht es um ganz viel, auch um die Landwirtschaft mit ihren vielen Funk­tionen – als gemeinsames Anliegen sehen. Dazu wünsche ich Ihnen und uns allen ge­meinsam alles Gute. (Beifall bei den Grünen.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.53.21

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Die letzten Tage haben es wieder gezeigt, eine Umgliederung der Bundesregierung war notwendig. Mit den Rücktritten von Frau Köstinger und Frau Schramböck haben wir bereits die 14. Umgliederung in der schwarz-grünen Bundesregierung erleben müssen.

Der Rücktritt von Frau Bundesminister Köstinger zum jetzigen Zeitpunkt, in dieser schwierigen Zeit, spricht Bände. Die große Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich sind Familienbetriebe und klein strukturiert. Allein in der Zeit, in der Frau Bundesminister Köstinger für die Landwirtschaft zuständig war, haben Tausende Betrie­be aufgeben müssen, da sie ihre Produktion nicht mehr aufrechterhalten konnten. Meine Damen und Herren, eine florierende Landwirtschaft mit vielen Betrieben ist jedoch für uns alle von größter Wichtigkeit, sei es für die Versorgungssicherheit oder für die Kul­turlandschaft auch für den Bereich Tourismus.

Der Ukrainekrieg hat uns wieder gezeigt, wie wichtig die Ernährungssouveränität in Ös­terreich ist. Um diese zu erreichen, muss man endlich Maßnahmen setzen, um die


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Landwirtschaft zu stärken. Die Umsetzung der Forderungen meines Kollegen Peter Schmiedlechner wäre von großer Wichtigkeit, die „3-L-Regel“: „Landwirte leben lassen“.

Dringend brauchen wir auch eine Minimierung der EU-Bürokratie und die Abschaffung der AMA-Marketingbeiträge, denn allein im Jahr 2020 haben unsere österreichischen Bauern dafür 19 Millionen Euro an Beiträgen eingezahlt.

Ganz wichtig wäre auch, dass die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer für die land­wirtschaftlichen Betriebe während der Krise ausgesetzt werden, um die Produktionskos­ten einzudämmen. Davon würden schlussendlich auch die Konsumenten profitieren, derzeit ist die Kostenexplosion bei den Bauernhöfen nämlich wirklich enorm. So haben sich die Kosten für Dünger, Futtermittel und Diesel mittlerweile verdoppelt bis verdrei­facht – würde man da endlich auf die Bremse steigen und tatsächlich wirksame Maßnah­men setzen, könnte in Summe die ganze Wertschöpfungskette davon profitieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, dieses Entlastungspaket für die heimische Landwirt­schaft muss so schnell wie möglich beschlossen und umgesetzt werden, es darf nicht weiter zugewartet und beobachtet werden. Den Bauern muss jetzt geholfen werden, und zwar jetzt sofort. Ein gemeinsames Handeln ist unbedingt notwendig.

Herr Georg Strasser hat eingangs gesagt, die Forderungen von Cornelia Ecker von der SPÖ wären maßlos überzogen und brächten die Bauern „zur Verzweiflung“. Diese Mei­nung vertrete ich nicht – zur Verzweiflung bringt sie vielmehr die seit 35 Jahren alleinige Verantwortung der ÖVP im Landwirtschaftsministerium! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Franz Leonhard Eßl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.56.54

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollege Köchl hat behauptet, zu Zeiten, als Kreisky die Regierung angeführt hat, hätten weniger Bauernhöfe geschlossen als jetzt unter ÖVP-Ministern.

Ich berichtige tatsächlich: Im Zeitraum 2010 bis 2020 haben 17 417 Betriebe geschlos­sen. Das sind zu viele, aber im Zeitraum, als Kreisky regiert hat, haben von 1970 bis 1980 59 492 Betriebe geschlossen! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Wahn­sinn! – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

14.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Neumann-Hartberger, Sie wären nun zu Wort gemeldet. Es ist jetzt 14.57 Uhr, ich müsste die Sitzung um 15 Uhr unterbrechen. Wollen Sie beginnen oder wollen Sie warten? (Abg. Neumann-Hartberger – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich brauche 4 Minuten!) – 3 Minuten hät­ten wir, wie Sie wollen! (Ruf bei der FPÖ: Mehr hat sie eh nicht zu sagen! – Abg. Leicht­fried: Das geht sich schon aus, muss sie schneller reden!)

Dann bitte ich Sie ans Rednerpult. – Bitte schön.


14.58.13

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Ein herzliches Will­kommen an unseren neuen Landwirtschaftsminister! Wir befinden uns in einer schwieri­gen Zeit; die massive Teuerung trifft uns in vielen Bereichen der Landwirtschaft schon heute. Das Thema Versorgungssicherheit ist auf der Tagesordnung und globale Zusam­menhänge werden uns knallhart vor Augen geführt.


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Wir stehen, wie wir schon vielfach gehört haben, vor einer neuen Förderperiode für die Landwirtschaft, es ist bereits die fünfte seit EU-Beitritt. Ich habe jede einzelne als Be­triebsführerin und Vollerwerbsbäuerin erlebt und auch überlebt.

Die GAP ist, so realistisch muss man sein, im Gegensatz zu den volatilen Märkten, auf denen wir uns befinden, ein gewisser Stabilitätsfaktor für die Landwirtschaft geworden, nämlich in Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Kalkulation.

Jetzt stehen wir aber vor der Situation, dass die GAP auch gesamtgesellschaftliche politische Forderungen und Wünsche an unsere Produktion heranträgt. Ich denke da an Forderungen nach mehr Biodiversität und mehr Tierwohl, und auch die ambitionierten Ziele des Green Deal erkennt man darin schon. Das verursacht für unsere Betriebe aber unter dem Strich höhere Kosten und gleichzeitig bedeutet es auch weniger Produktion.

Was bedeutet weniger Produktion in Zeiten wie diesen? Jeder lernt es in der Schule – Angebot und Nachfrage regulieren den Preis –: Gibt es weniger Angebot, weil weniger produziert wird, steigt die Nachfrage – jeder will die Ware haben –, ergibt das für die KonsumentInnen höhere Preise, die sich nicht jeder leisten kann oder im Lebensmittel­bereich auch leisten will. Ist das unser Ziel?

Wenn ich mir den Antrag der SPÖ hernehme, der die „Beendigung der Förderung von Glyphosatprodukten und anderen Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel“ fordert, dann frage ich mich echt: Wo leben Sie? Das Umweltprogramm fördert seit 27 Jahren jene Flächen, auf denen kein oder reduzierter Pflanzenschutzmitteleinsatz stattfindet, und zwar jede Fläche einzeln beurteilend.

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Es ist jetzt leider so weit: Ich muss Sie bitten, Ihre Ausführungen zu unterbrechen (Abg. Neumann-Hartber­ger: Ich komme dann wieder!) – Sie kommen dann wieder dran –, damit die verlangte kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung gemäß der Geschäftsordnung nun um 15 Uhr stattfinden kann.

(Beifall bei der ÖVP für die das Rednerpult verlassende Abg. Neumann-Hartberger.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Ich unterbreche die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 7 der Tagesordnung.

15.01.05Kurze Debatte: „Auftragsvergaben an die Karmasin Research & Identify GmbH“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die An­fragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen mit der Ordnungszahl 9856/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregie­rung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dau­ern. Das ist ein Wunsch.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Hafenecker als Antragsteller des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort.


15.02.00

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Ich bin froh, dass wir heute einen analogen Minister hier haben und


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nicht nur den digitalen Sekretär. Das ist schon ein Fortschritt im Vergleich zu gestern. Nichtsdestotrotz müssen wir uns hier über eine ernste Sache unterhalten, und zwar ist das die Anfragebeantwortung, die aus Ihrem Ressort gekommen ist und die einmal mehr klargemacht hat, dass ganz offensichtlich vor allem ÖVP-Ministerien als zentrale Geld­ausleitungsstellen der ÖVP missbraucht werden, um Steuergelder schlussendlich dann zum Nutzen der ÖVP zu missbrauchen. (Abg. Hörl: Unerhört! – Abg. Steinacker: Das geht so nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, bevor es da drüben (in Richtung ÖVP blickend) jetzt laut wird: Ich kann Ihnen gerne auf die Sprünge helfen. Wir haben vor Kurzem sehr breit über die Problematik mit dem Beinschab-Tool diskutiert und ge­sprochen und haben herausgefunden, was die dort gemacht haben: Sie haben aus dem Finanzministerium, in dem jetzt Herr Minister Brunner sitzt, Geld ausgeleitet. Sie haben irgendwelche Fantasiestudien entworfen, um auf der einen Seite Sebastian Kurz hinauf­zuschreiben, auf der anderen Seite Reinhold Mitterlehner hinunterzuschreiben und am Ende des Tages die österreichische Bevölkerung zu hintergehen. Das war das, was Sie gemacht haben. Und das war auch der Grund, warum wir eine Anfrage gestellt haben, in der wir wissen wollten, ob dieses Beinschab-Tool vielleicht auch noch anderwärtig eingesetzt wurde oder wird.

Jetzt sind diese Anfragebeantwortungen zurückgekommen, und wir müssen feststellen, dass Sie auch weiterhin an diesem System festgehalten haben, dass Sie das weiterhin parteiintern gesteuert haben und dass Sie noch dazu die große Auftragsumverteilung innerhalb der türkisen Familie vorgenommen haben. Das ist das, was wir jetzt sehen, und das ist auch ein Sittenbild der Politik der ÖVP.

Wenn man sich anschaut, wie dieses Tool der Frau Beinschab funktioniert hat, dann kommt man auch noch drauf, dass es eine ehemalige Ministerin gibt, Ihre Familienmi­nisterin Karmasin, die sich nicht zu schade dafür war, für vermittelte Aufträge an Frau Beinschab auch noch 20 Prozent – sozusagen hintenherum – mitzukassieren. Auch da hat sie noch mitgeschnitten. Genau deswegen wollten wir wissen: Was ist eigentlich in den Ministerien an Aufträgen genau in diese Richtung abgeflossen?

Das Ergebnis, meine sehr geehrten Damen und Herren, war ein katastrophales. Wir ha­ben festgestellt, dass diese beiden Damen in nur zwei Jahren 672 000 Euro aus den Ministerien abgesaugt haben: 672 000 Euro für Studien, von denen man bis heute nicht weiß, wofür die eigentlich gewesen sind, wozu die eigentlich gemacht worden sind und was für einen Nutzen sie dem jeweiligen Ministerium gebracht haben. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Es waren dabei das Finanzministerium, Ihr Ministerium, das Vizekanz­leramt, das Wirtschaftsministerium und das Landwirtschaftsministerium. Interessanter­weise sind die Ministerinnen der beiden letztgenannten Ressorts vorige Woche zurück­getreten. Vielleicht wollten sie auch gar nicht mehr darüber reden, was da vielleicht noch ins türkise Universum gepumpt worden ist.

Wenn man sich jetzt anschaut, um welche Studien es da geht, und wenn man sich an­schaut, was da untersucht worden ist, dann findet man sehr eigenartige und, ich möchte fast sagen, mysteriöse Titel. Sehr oft sind diese Studien gar nicht veröffentlicht worden. Und, ja, man kann da schon das geflügelte Wort aussprechen und kann schon fragen: Was war die Leistung?

Man hat ja direkt den Eindruck – Kollege Ries wird dann vielleicht noch ein bisschen näher darauf eingehen –, dass man sich Fantasienamen für irgendetwas hat einfallen lassen, oder man hat irgendwelche No-na-Studien gemacht, von denen ich bis heute nicht weiß, was die in diesen Ministerien verloren haben. Herr Kollege Krainer hat zuletzt im Untersuchungsausschuss herausgearbeitet, dass das Innenministerium Umfragen zur Mindestsicherung gemacht hat. Da stelle ich mir auch die Frage: Was hat das In­nenministerium mit der Mindestsicherung zu tun? – Man sieht, wie der Modus Operandi


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in der ÖVP ist und wie man für parteiinterne Zwecke Steuergelder missbraucht und eben aus den Ministerien herausleitet.

Wenn man sich jetzt einmal diese ganzen Fantasiestudien schenkt und darüber hinweg­blickt, dann sieht man aber noch den Gipfel der Schamlosigkeit, und zwar jenen, dass man alleine 300 000 Euro – und da waren Sie mit dem Finanzministerium sehr weit vorne dabei – dazu verwendet hat, um die Coronapolitik der Bundesregierung schönzu­reden. Das heißt, jetzt wird schön langsam auch klar, warum die Medien berichtet haben, wie sie berichtet haben: weil nicht nur Umfrageinstitute gekauft worden sind, sondern in weiterer Folge mit knapp 500 Millionen Euro auch die österreichische Medienlandschaft. Ich glaube, das ist auch der Punkt, warum man nie die Wahrheit über die Coronakrise und die Auswirkungen erfahren wird, weil Sie das System von vornherein so in Gang gesetzt haben, dass da nie die ganze Wahrheit herauskommen kann.

Das ist ein Beispiel, wie Ihre Kreislaufwirtschaft funktioniert. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Inseratenkorruption funktioniert, und, Herr Bundesminister – deswegen bin ich froh, dass Sie heute da sind –, das ist auch ein Beispiel dafür, wie Ihr Vorarlberg funk­tioniert. Was auf der einen Seite der ÖAAB in Niederösterreich besorgt, macht auf der anderen Seite der Wirtschaftsbund in Vorarlberg. Und wenn man den Aussagen glauben darf, die man in den letzten Tagen lesen musste, hat sogar niemand Geringerer als der Landeshauptmann selbst die Arbeit des Inseratenkeilers übernommen und hat – frei nach dem Motto des hinter mir sitzenden Nationalratspräsidenten – gesagt: Für ein In­serat gibt es eine Gegenleistung, das ist ja ganz klar!

Das ist Ihre Art und Weise, Politik zu machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und das ist der Grund, warum wir diese Art und Weise einmal hinterfragen sollten und in diesem Haus auch zu diskutieren haben. Das ist der Grund, warum Sie heute hier sind. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Krainer und Scherak.)

Herr Finanzminister! Ich kann Kollegen Hanger schon nicht mehr hören, der dann immer im Untersuchungsausschuss sagt: Ja, dazu sind wir ja hier, um volle Transparenz zu zeigen und alles aufzuklären. Wissen Sie, was Ihr Landeshauptmann aus Vorarlberg macht? – Der versteckt sich bereits jetzt vor dem Untersuchungsausschuss. Dem Ver­nehmen nach hat er leider Gottes zu unserem Termin keine Zeit. Und wenn das tat­sächlich so eintreten sollte, wie es momentan aussieht, dann verstehe ich nicht, warum die ÖVP das Wort Transparenz überhaupt noch in den Mund nimmt. Da möchte ich Sie, Herr Bundesminister, der Sie ja selbst aus dem Wirtschaftsbunduniversum kommen, da­rum bitten, dass Sie Herrn Landeshauptmann Wallner hinterbringen, dass es sehr, sehr wichtig wäre, sich nicht hinter dem Arlberg zu verstecken, sondern in Wien Rede und Antwort zu stehen und gegebenenfalls auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, sollte dort wirklich alles so gelaufen sein, wie es momentan den Anschein hat.

Wir werden nicht zulassen, dass man diese Dinge aussitzen kann. Herr Bundesminister, Sie kommen uns ja selbst auch im Untersuchungsausschuss besuchen, ich bin ge­spannt, wie Sie die Vorgänge in Vorarlberg kommentieren. Wir werden nicht zulassen, dass man da sozusagen einfach wieder zur Tagesordnung übergeht, sondern wir wer­den uns das im Untersuchungsausschuss deswegen anschauen, weil Sie offenbar selbst nicht in der Lage sind, endlich einmal Transparenz zu gewährleisten.

Eines werden wir uns übrigens auch anschauen, und das ist der nächste Ausfluss des Untersuchungsausschusses, der zeigt, warum es so wichtig ist, dass wir hier Aufklärung betreiben: Auch die neue Inseratencausa, die aufgepoppt ist, diesmal in der Stadt Wien und im Innenministerium, werden wir uns genauer ansehen. Wir haben als Quelle dafür die sogenannten Kloibmüller-Chats, und da gibt es schon eine sehr interessante Ge­schichte, die daraus entsprungen ist, und zwar: Im Jahr 2016 chattet ein Ihnen sicher nicht unbekannter Politiker aus Wien, der Landesparteiobmann, um genau zu sein,


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damals noch Polizeigeneral, mit dem Kabinettschef des hinter mir sitzenden damaligen Innenministers Sobotka. Wissen Sie, worum es dabei gegangen ist? – Da ist es um das Projekt „Österreich Sicher“ gegangen. Das ist eine Zeitschrift, von der bis heute keiner weiß, welchen Sinn die eigentlich gehabt hat. In dieser Zeitschrift wurden massig Inse­rate geschalten.

Herr Mahrer aus Wien, damals noch Polizeigeneral – und das hat mich schon das erste Mal stutzig gemacht, denn es kann doch nicht Aufgabe des Vizepräsidenten der Polizei von Wien sein, dass er Inserate keilt –, Herr Mahrer hat nichts anderes zu tun, als Herrn Kloibmüller zu kontaktieren und für drei Dinge zu werben: erstens dafür, dass das In­nenministerium Geld lockermacht, was der Minister, jetzt der hinter mir sitzende Präsi­dent, dann auch getan hat, zweitens, dass der Gemeindebund Geld lockermacht, und drittens, dass das Raiffeisenuniversum Geld lockermacht.

Wissen Sie, was noch interessant ist? – Herr Mahrer hat damit geworben, dass es ein absolut sicheres Investment ist, wenn man dort investiert und dort Inserate schaltet, und auf der anderen Seite auch sichergestellt ist, dass man vollen redaktionellen Zugriff hat – voller redaktioneller Zugriff; das Motto von Herrn Sobotka: Für Inserate gibt es eine Ge­genleistung.

Wissen Sie, Herr Präsident Sobotka, weil Sie hinter mir sitzen: Sie haben genau das Gegenteil in Ihrer Anfragebeantwortung geschrieben. Sie haben gesagt, Sie haben nie Einfluss auf die Redaktion dieser Zeitschrift genommen. Herr Mahrer hat das Gott sei Dank alles notiert und Herr Kloibmüller auch, wir wissen daher, dass genau das Gegen­teil der Fall war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen, dass die ÖVP ein strukturelles In­seratenkorruptionsproblem hat, und ich glaube, es sind wirklich alle Parteien hier im Haus dazu aufgerufen, dass wir das einmal unterbinden, dass Steuergelder ausgeleitet werden, um am Ende des Tages irgendwo im türkisen, schwarzen – oder welche Farbe auch immer man einsetzen möchte – Universum zu landen, dass dann vielleicht noch Provisionen fließen, eventuell auch Kick-back-Zahlungen. Das sollten wir unterbinden und das muss auch unsere Aufgabe sein.

Übrig bleibt für mich in der Causa Mahrer trotzdem eine Frage: Warum ist ein ÖVP-Polizeigeneral als Inseratenkeiler tätig? Warum gründet er ein Jahr danach auch noch eine PR-Agentur, Mahrer Communications? Was hat es damit auf sich? Warum kommt er ein Jahr danach als Abgeordneter zum Nationalrat zurück? Warum hat er übrigens für seine Firma, die eine PR-Agentur ist, nicht einmal eine Homepage?

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, ich kann Ihnen eines sagen: Das Ganze schaut einfach nicht gut aus. – Ich glaube, wir müssen das aufklären. (Zwischen­ruf bei der ÖVP.) Bitte wirken Sie auch auf Ihren Parteikameraden Mahrer ein! Eines ist Faktum: Morgen hat Herr Mahrer ja seinen Parteitag in Wien. Wenn man sich das Verhal­tensmuster von Herrn Mahrer anschaut und wenn man sich den korruptiven Zugang anschaut, der da vielleicht auch mitspielt, dann ist auch er dafür geeignet, morgen am Parteitag 100 Prozent zu bekommen. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

15.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Finanzen Magnus Brunner. – Bitte.


15.12.05

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Danke, Kollege Hafenecker, für die Ausführungen. Ich werde natürlich gern darauf


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replizieren, auch wenn die Vorgänge weit vor meinem Start als Finanzminister gelegen sind. Es ist aber natürlich trotzdem meine Verantwortung, hier Rede und Antwort zu stehen.

Zur Frage, ob der Landeshauptmann kommt oder nicht, kann ich leider nichts sagen, weil ich seinen Terminkalender nicht kenne. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, er kommt, aber wenn Sie Genaueres oder Zeitnäheres wissen – ich weiß es nicht und das ist, glaube ich, kein Thema, das wir hier diskutieren müssen.

Eine Vorfrage möchte ich klären, obwohl Sie es nicht angesprochen haben, muss ich dazusagen. Ich möchte es trotzdem noch kurz erwähnen – fairerweise –, weil diese Fra­ge immer diskutiert wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzministeriums – Sie haben es jetzt nicht erwähnt – sind auch immer stark in der Kritik gestanden, und da muss ich wirklich eine Lanze brechen: Ich habe in den ersten fünf Monaten nun wirklich kennen und schätzen gelernt, wie hoch die Qualität ist. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe, in allen Bereichen, das ist klar, aber die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter ist wirklich effizient (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), sie ist wirklich hervorra­gend. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) Die Leute machen wirklich einen exzellenten Job und sind auch hoch angesehen (Zwischenruf bei der FPÖ), sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene. Ich möchte mich wirklich auch für die Unterstützung bedanken, die wir erfahren. (Beifall bei der ÖVP.)

Natürlich ist es aber wichtig – da haben Sie recht –, Aufklärung zu leisten. Das ist uns wichtig, das ist klar. Sie können jetzt sagen: Ja, das sagt man immer!, aber das ist wirk­lich so. Ich kann dann auch begründen, warum ich es schon ernst meine, und ich kann auch zeigen, dass ich es ernst meine. Es ist wichtig, Aufklärung zu leisten, wenn in der Vergangenheit Verfehlungen passiert sind. Ja, das ist auch mein Verständnis, eigentlich seit dem Amtsantritt. Wir kooperieren selbstverständlich vollständig, mit allen Stellen, ob es die Justiz ist, ob es der Rechnungshof ist oder natürlich auch das Parlament, wenn es um den Untersuchungsausschuss geht.

Wir haben auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe alle Studien und Aufträge mit diesen betroffenen, von Ihnen genannten Instituten sofort gestoppt, wenn es noch welche gab. Das war, glaube ich, wichtig. Es wurde auch bereits unter meinem Vorgänger damit be­gonnen, diese Dinge gemeinsam mit der Internen Revision aufzuarbeiten, also auch nach innen Aufarbeitung zu leisten, und da muss ich auch ganz klar sagen: Ja, es wurden durch die Untersuchungen, die die Interne Revision gemacht hat, Defizite aufge­zeigt.

Es wurden Defizite aufgezeigt – überhaupt keine Frage –, die auch nicht zum Selbstbild eines modernen Verwaltungsapparats gehören. Es sind das auch nicht mein Verständ­nis vom und mein Anspruch an den Umgang mit Steuermitteln, was da zum Teil passiert ist. Das muss selbstverständlich aufgeklärt werden. Ich sage das hier auch ganz klar: ja, Defizite, und: Das ist nicht unser Verständnis. – Wir haben deswegen auch gleich zu Beginn, als ich angefangen habe, diesen Revisionsbericht veröffentlicht, so schnell es gegangen ist. Wir können nicht ungeschehen machen, was zum Teil in der Vergangen­heit passiert ist, aber wir müssen die Lehren daraus ziehen, und da hilft uns dieser Revisionsbericht sehr.

Wir nehmen diesen Revisionsbericht sehr ernst und haben die ersten Maßnahmen, die darin vorgeschlagen worden sind, bereits auf den Weg gebracht. Das ist wichtig. Es braucht auf der einen Seite die gelebte Compliance – das ist insgesamt eine Kultur­frage – und auf der anderen Seite – das ist auch wichtig – moderne und transparente Vergabeprozesse. Wir sind daran, das wirklich intensiv aufzuarbeiten und entsprechen­de moderne Vergabeprozesse auf den Weg zu bringen.

Es braucht auch effiziente und professionelle Strukturen. Deswegen arbeiten wir auch – das ist neben dem Vergabeprozess das Zweite – im Ministerium an einer Organisationsreform,


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um auch da zu zeigen, dass es klare Trennungen gibt, dass es klare und professionelle Strukturen gibt. Mein Haus arbeitet gerade, auch mit Unterstützung, auf Hochtouren an dieser Reform, um die Lehren aus diesem Interne-Revisions-Bericht zu ziehen und auch die Verwaltung insgesamt besser gestalten zu können.

Da es in diesem Zusammenhang auch immer wieder diskutiert wird: Wir haben insge­samt die Ausgaben für Inserate, für Einschaltungen bereits jetzt massiv zurückgefahren. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Information über die Covid-Situation und die Hilfsmaßnahmen nicht mehr notwendig sind – das stimmt –, aber das Ziel ist schon, das entsprechend zurückzufahren und weniger zu machen – unabhängig davon, dass der Informationsbedarf da jetzt auch zurückgegangen ist. Wir arbeiten in dem Zusammenhang ganz eng mit der Bundesbeschaffung zusammen – das ist, glaube ich, auch wichtig, um Transparenz zu zeigen.

Wir bekennen uns aber auf der anderen Seite schon dazu – das muss man auch klar sagen –, dass wir als Bundesregierung eine Informationsverpflichtung haben. Das ist, glaube ich, auch notwendig. Die richtige Balance zu finden ist eine Aufgabe, der wir uns gerne stellen. (Abg. Hafenecker: Dann schaut euch einmal die Studien an!) – Ja, Sie haben recht, wir werden es auch zurückfahren – das habe ich, glaube ich, auch entspre­chend gesagt.

Wir werden selbstverständlich auch, das haben wir auch schon gezeigt, alle Studien – das ist aber eine Selbstverständlichkeit – auch veröffentlichen. Das ist, glaube ich, auch aus Gründen der Seriosität ganz wichtig. Es ist nämlich prinzipiell nichts Böses und Verwerfliches dabei, Studien zu machen. Sie, Herr Kollege Hafenecker, fordern das ja auch immer zu Recht, dass man Politik faktenbasiert machen sollte, und solche Studien sind oft hilfreich, wenn es um Fakten geht, wenn es um sachliche Politik geht. Ich will das also nicht verteufeln. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) – Sie auch nicht, ja, das gebe ich zu, alles gut. Man verteufelt es auch nicht, das soll man auch nicht.

Wir brauchen ab und zu Studien, wenn es Sinn macht, wenn es notwendig ist und wenn es uns in der Politik für die Faktenbasiertheit hilft; Studien also nicht prinzipiell verteufeln, sondern das muss man seriös diskutieren – das ist richtig. Das ist auch keine öster­reichische Erfindung, sondern das ist weltweit so, und das wird auch zu Recht gefordert.

Wir agieren aber auf der anderen Seite mit Steuergeld – das ist auch klar –, deswegen muss man transparent damit umgehen. Die Steuerzahler haben ein Recht darauf, zu erfahren, was in diesen Studien drinnen ist, und deswegen ist diese Veröffentlichung der Studien und der Ergebnisse ganz selbstverständlich. Darauf werden wir in Zukunft auch schauen.

Wir stehen für volle Transparenz, wir stehen für Aufklärung. Wir haben das auch mit dem Interne-Revisions-Bericht bewiesen und werden die Lehren aus diesem selbstver­ständlich auch umsetzen. Wir sind nach dem Bekanntwerden der Versäumnisse sofort darauf eingegangen und haben die entsprechenden Lehren daraus gezogen.

Pauschalverurteilungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – das haben Sie nicht gemacht –: Dagegen muss ich mich natürlich verwahren. Ich sage es nur, weil es in der Diskussion oft ein bissel vermischt wird (Abg. Hafenecker: Na, ich verurteile nicht die Mitarbeiter, ich verurteile nur die ÖVP pauschal!) – Alles klar, dann ist es ja gut. In der öffentlichen Darstellung wird es oft so dargestellt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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15.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Scharzenber­ger. – Bitte.


15.19.50

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ja, Kollege Hafenecker, in Ihrer Aufgeregtheit haben Sie offensichtlich (Ruf bei der FPÖ: Aufgeregt war er nicht!) die Anfragebeantwortung nicht bis zur letzten Seite gelesen, denn sonst wüssten Sie, dass unser Finanzminister unverzüglich nach Fertigstellung des Untersuchungsberichtes der Internen Revision das Projekt Beschaffung in den zentralen Stellen in Auftrag gegeben hat. Dieses Projekt ver­folgt das Ziel (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), die Beschaffungen der letzten Jahre umfassend zu analysieren und in weiterer Folge auch die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.

Behördenintern gibt es also die Revision. Wie Sie auch wissen, Herr Kollege, liegt dieser Revisionsbericht samt Anhang dem Untersuchungsausschuss vor und ist dort auch schon umfassend diskutiert worden.

Drittens wissen Sie auch ganz genau, dass weitere entsprechende Auskunftspersonen zu diesem Beweisthema erst für Juni geladen sind.

Ja, es ist ganz klar unsere Aufgabe im Untersuchungsausschuss, die politische Verant­wortung aufzuklären. Die strafrechtliche Verantwortung haben Gerichte zu klären, und diese werden sicher auch ein besonderes Augenmerk auf die Vergabe öffentlicher Auf­träge legen. Eines ist aber klar: Wenn es Fehlverhalten gegeben hat, dann haben die handelnden Personen dafür die Verantwortung zu übernehmen und gegebenenfalls auch die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Parteipolitisch verstehe ich schon, warum Sie diese Debatte hier im Hohen Haus mit öffentlicher Aufmerksamkeit führen wollen. Es ist ja auch Ihre Rolle als Opposition, das hat auch der ehemalige OGH-Präsident Prof. Ratz schon gesagt: Wenn Sie diese Rolle nicht spielen, spielen Sie gar keine Rolle. (Beifall bei der ÖVP.)

Bleiben wir aber bei den Fakten und klären wir auf, sorgen wir für Transparenz! Genau deshalb gibt es ja auch den parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Lassen Sie mich zum Schluss schon noch eines sagen: Die Leute haben uns gewählt, damit wir unsere Arbeit machen. (Abg. Hafenecker: Richtig!) Trotz aller Umstände brin­gen wir große Projekte und Reformen auf den Weg. Das zeugt von guter Arbeit und auch von Zusammenhalt in der Koalition. (Abg. Hafenecker: Da klatschen nicht einmal die Grünen! – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ihr könnt noch so viele systematische Anpatzversuche starten, wir werden weiterhin unsere Arbeit für Österreich machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Martin Graf: Da braucht man einen eigenen Minister dazu! Zusammenhalt der Koalition! Da braucht man einen eigenen Minister! Das größte Projekt der Regierung! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


15.22.56

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (in Richtung Präsident Sobotka): Die Uhr (auf die bereits laufende Uhr am Rednerpult deutend, die die Redezeit anzeigt) erst einschalten, wenn ich anfange, bitte.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte?


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Die Uhr bitte erst einschalten, wenn ich anfange – ist ausgemacht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ja.



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Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Ich habe noch nicht angefangen. – Vielen Dank.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Finanzminister! Es ist eh interessant, wie Sie sich herstellen und ehrlich gesagt so tun, als ob Sie für Aufklärung und für Transparenz stehen und alles ordentlich beantworten und eh daran arbeiten, dass Österreich besser wird, und wenn es zu irgendwelchen Verfehlungen gekommen ist, dann ist das zu verurteilen. – Das ist ja mehr oder weniger, was Sie machen. Ich glaube, ich muss Sie nur auf ein paar Dinge aufmerksam machen.

Erstens: Sie haben die Fragen hier nicht richtig beantwortet. Das hat ja jeder vor sich liegen. Die erste Frage, die Kollege Hafenecker stellt, ist: „Wurden von Ihrem Bundesmi­nisterium [...] Aufträge an die Karmasin Research & Identity GmbH zwischen 2013 und 2021 vergeben“? – Also: „zwischen 2013 und 2021“. Dann brauchen Sie ja nur Ihre eige­ne Antwort durchzulesen. Da steht: „Folgende Aufträge wurden im abgefragten Zeitraum (ab 2019) [...] vergeben“. – Das ist aber nicht der abgefragte Zeitraum. (Ruf bei der ÖVP: Sinnerfassend lesen!) Sie haben hier einfach die Frage für sechs Jahre nicht beantwor­tet. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brandweiner und Totter. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist einmal eine Sache. (Abg. Totter: Sinnerfassend lesen!) Vielleicht ist es ein Tipp­fehler, ich weiß es ja nicht (Abg. Totter: Sinnerfassend lesen!) – aber Sie werden mir jetzt nicht absprechen, dass ich lesen kann (Zwischenrufe bei der ÖVP) und dass mir auffällt, dass da etwas anderes beantwortet wird, oder? (Ruf: Künstliche Aufregung! – Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) So. Also da würde ich Sie erstens einmal ersuchen, Herr Finanzminister, das aufzuklären: Entweder ist es ein Tippfehler und es geht um den Zeitraum ab 2013, dann sagen Sie es; oder Sie haben nicht beantwortet, was gefragt wurde.

Zweitens: Sie haben gesagt, Studien sind wichtig, denn es geht ja um faktenbasierte Politik. – Ich meine, da muss ich lachen! Das, was hier unter Studie läuft, sind Mei­nungsumfragen, und Meinungsumfragen erheben nicht Fakten. Sie verwechseln da Sa­chen. All diese sogenannten Studien sind Meinungsumfragen. Noch einmal: Eine Mei­nungsumfrage erhebt nicht Fakten, sondern Stimmungen und Meinungen. Das ist nicht faktenbasiert und das hat auch nichts mit Fakten zu tun. Dass Sie das damit verteidigen, zeigt, dass Sie offenbar nicht das notwendige Problembewusstsein haben.

Sie sagen, Sie „stehen für volle Transparenz“. Das haben Sie gerade vorhin gesagt: „volle Transparenz“. Dann stellt sich für mich die Frage: Wenn Sie für volle Transparenz stehen, erklären Sie doch bitte, wieso Sie den Bericht der Internen Revision nicht ver­öffentlicht haben (Abg. Egger: Das hat der Peschorn erklärt!), sondern den Bericht zu einem Anhang gemacht haben, aus dem Sie erstens alle Zahlen und zweitens alle Ver­bindungen zum Generalsekretariat und zum Kabinett rausgenommen haben und den sie dann veröffentlicht haben!

Sie haben zuerst alle Spuren zum Generalsekretariat und alle Spuren zum Kabinett ge­tilgt, das Sie fast zur Gänze von Herrn Blümel übernommen haben – zur Gänze! Wie viele Änderungen gab es? Eine Person wurde geändert? (Bundesminister Brunner: Drei, vier!) – Ja, vom gesamten Kabinett! Das haben Sie übernommen! Aber aus dem Bericht, in dem klar drinsteht, wie der politisch bestellte Generalsekretär und das Kabi­nett auf diese ganzen Vergaben und auf diese ganzen Umfragen und auf die Inserate in „Österreich“ und so weiter Einfluss nehmen, wurde alles rauszensiert. Veröffentlicht ha­ben Sie dann einen Bericht, bei dem das alles draußen ist.

Das ist nicht „volle Transparenz“, das ist ehrlich gesagt das Gegenteil davon, das ist, den Beitrag der politischen Ebene zu dieser politischen Korruption aus einem Bericht rauszunehmen und so zu tun, als ob es da um optimierte Verwaltungsabläufe gehe. –


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Nein, es geht nicht darum, Verwaltungsabläufe zu optimieren. Es geht darum, dass die ÖVP Verwaltungsabläufe für parteipolitische Zwecke missbraucht. Um nichts anderes geht es hier, um nichts anderes! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Das ist falsch! –Abg. Steinacker: ... Unterstellung ... klären noch immer die Gerichte!) – Oh Gott, Leute! Ja, ja, bitte (Abg. Steinacker: ... keinen Vorwurf ... Strafgesetz!) heben Sie sich Ihre Worte für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auf, die hören es sich si­cher gerne an. (Abg. Baumgartner: So eine Präpotenz!)

Sie sagen, wir sollen nicht pauschal verurteilen. Wir verurteilen hier gar nichts pauschal! (Rufe bei der ÖVP: Na! – Zwischenrufe der Abgeordneten Totter und Weidinger.) Sie sprechen pauschal frei! Sie sprechen pauschal alle Mitarbeiter, die Sie von Blümel über­nommen haben, frei, obwohl Sie, wenn Sie sich das ernsthaft anschauen würden, sehen würden, dass Ihr halbes Kabinett an der politischen Korruption mitgewirkt hat (Abg. Weidinger: Zur Sache, Herr Kollege! Zur Sache!), persönlich mitgewirkt, Ihr eigener Ka­binettschef daran mitgewirkt hat! (Ruf bei der ÖVP: Unterstellung!)

Das ist ehrlich gesagt nicht das, was ich unter Transparenz und unter Beitrag zur Auf­klärung verstehe, sondern was ich darunter verstehe, ist, dass Sie offenbar nicht gelernt haben, dass die ÖVP endlich mit dieser Korruption aufhören muss. – Vielen Dank. (Bei­fall bei der SPÖ.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.


15.28.28

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Werte Damen und Herren im Hohen Haus! Herr Bundesminister, Sie haben zuvor in Ihrem Statement gesagt, dass Sie die Beschaffung neu ordnen werden. Das zeigt uns, dass wir wirklich richtigliegen, dass da etwas im Argen gelegen ist, und insofern fühlen wir uns dadurch wieder bestätigt.

Worauf ich aber eigentlich zu sprechen kommen will, ist eine gewichtige Aussage im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Da war der Chef der Finanzprokuratur, Dr. Peschorn, als Auskunftsperson geladen. Herr Dr. Peschorn ist für uns der Prototyp eines integren Beamten, der in seiner Amtsführung hinsichtlich des Verdachts, Partei­lichkeit an den Tag zu legen, über jeden Zweifel erhaben ist.

Die Finanzprokuratur ist als Anwalt der Republik eingesetzt. Wenn man so will, ist Dr. Peschorn der oberste Advokat des Landes. Jedes Wort, das er öffentlich sagt, ist wohlüberlegt. Das Verbreiten von Gerüchten oder Halbwahrheiten durch seine Person ist für uns auszuschließen. Dementsprechend gewichtig war für uns das, was er dort gesagt hat.

In seinem Eingangsstatement bei der Befragung im Untersuchungsausschuss hat er gemeint, er orte zunehmend Tendenzen, dass sich „willfährige Entscheidungsträger“ in der Verwaltung – das sind seine Worte – Beratern und Interessennetzwerken bedienen, um einerseits ein Bild in der Öffentlichkeit zu erzeugen oder zu verstärken und sich an­dererseits vielleicht selbst nach der politischen Betätigung berufliche Wege zu ebnen oder politischen ehemaligen Weggefährten ein bisschen unter die Arme zu greifen.

Er sagt, das ist „das schleichende Gift“ für die Republik, denn wo die Korruption Einzug gehalten hat, da läuft alles wie geschmiert – und dass bei uns im Staate Österreich vieles wie geschmiert läuft, das wissen wir spätestens seit diesem Untersuchungsausschuss.

Wenn jetzt ÖVP-Vertretern im Fernsehen in Politiksendungen öfter die Frage gestellt wird: Hat die ÖVP ein Korruptionsproblem?, dann verstehe ich das persönlich nicht, denn diese Frage ist geklärt. Die einzige Frage, die es noch zu klären gilt: Welcher Spielarten


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der Korruption bedient man sich?, und da ist eine besonders fantasievolle Spielart das System, das man heute mit den Namen Karmasin und Beinschab verbindet. (Zwischen­ruf des Abg. Gerstl.) Das sind dubiose Studien und Beratungen, deren Ausflüsse ent­weder gar nicht mehr aufzufinden sind oder die offensichtlich so sinnlos sind, dass man nicht weiß, ob man darüber lachen oder weinen soll. Oder kann mir irgendjemand ernst­haft zu erklären versuchen, was es mit dieser „Viecherlstudie“ – Dr. Peschorn hat sie so genannt – auf sich hat?

Was hat der Steuerzahler davon, wenn man Ex-Kanzler Kern mit einem Pfau vergleicht, wie bringt es die Republik weiter, wenn man sagt, Ex-Kanzler Kurz sei ein Eichhörnchen und Landeshauptmann Doskozil ein Wildschwein? (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Das sagt die Studie. Ich weiß nicht, was die SPÖ davon hält, aber ich weiß auch nicht, welche Erkenntnis sich für den Steuerzahler daraus ergibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sage und schreibe 36 000 Euro hat das Finanzministerium für das Abfragen der Akzep­tanz der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung bezahlt. Ich kenne diese Studie inhalt­lich nicht, aber die muss man auch nicht kennen. Wenn man ohne eigene Leistung, ohne Aufwand Geld vom Finanzamt zurückbekommt: Wer bitte schön soll da etwas dagegen haben? Warum muss man das abfragen?

Und das ist nicht die einzige No-na-Studie mit einem No-na-Ergebnis, denn nicht nur im Bund war man da anscheinend ziemlich aktiv im Zuschanzen solcher Studienaufträge an die Ex-ÖVP-Ministerin Karmasin, auch in Niederösterreich hat man sich nicht lumpen lassen. Da gab es eine Jugendstudie zu Umwelt und Klima, die sensationelle Ergebnisse brachte: Zwar wissen 77 Prozent nicht, dass ein Huhn am Tag nur ein Ei legt, aber im­merhin 97 Prozent sagen, dass sie wissen, dass Ketchup aus Paradeisern gemacht wird. (Ruf bei der FPÖ: Bravo!) Darauf kann Niederösterreich jetzt aufbauen.

Die Karmasin Research & Identity GmbH hat da wirklich ganze Arbeit geleistet, muss man sagen. Ich bezweifle zwar, dass diese Forschungen Niederösterreich in den Olymp der Wissenschaft katapultieren, aber ich bin mir sicher, dass sich Gerichte in Zukunft damit beschäftigen werden. Und möglicherweise werden diese oder ähnliche Studien Auftraggeber und Auftragnehmer dorthin katapultieren, wo die Türen stets von außen verschlossen werden und wo die Luft durch Gitterstäbe gesiebt wird. Wenn Sie nicht wissen, was ich damit meine - - (Abg. Zarits: Waß i net!) – Na, dann gib eine Studie in Auftrag, dann wirst du es wissen! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

15.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


15.34.09

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in dieser Woche, in der sich Ibiza zum dritten Mal jährt, sollten wir, da Korruption in diesem Haus besprochen und diskutiert wird (Abg. Gerstl: ... dank Tomaselli und Zadić!), schon noch einmal kurz auf die Fincaereignisse zurückblicken, denn das sollte nicht unerwähnt bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, weil es schon bemerkenswert ist, mit welchem Selbstbewusstsein Sie versuchen, immer wieder Kindesweglegung zu betreiben, als ob Ibiza nicht stattgefunden hätte, als wäre Spesen-Strache nie gewesen (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Martin Graf), als ob es nicht die FPÖ-Spitze war, die im Red-Bull-Nebel versucht hat, die halbe Republik zu verkaufen. (Abg. Hafenecker: Das macht Ihr Koalitionspartner!) Man sollte es immer und immer wieder erwähnen: Sie ma­chen den Österreicherinnen und Österreichern etwas vor, aber Sie machen vor allem sich selbst etwas vor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Weil sich die Tage von Ibiza das dritte Mal jähren, sollten wir jetzt auch in aller Ernst­haftigkeit darüber nachdenken, was das Video alles ausgelöst hat und was seither pas­siert ist. (Abg. Hafenecker: Der Herr Kogler hat auch die Frau Karmasin ...!) Immerhin: Eine Regierung wurde aus dem Amt gefegt, die Expertinnen und Experten haben über­nehmen müssen. Wir müssen aber natürlich auch auf die Ermittlungen schauen, die ausgelöst worden sind. (Ruf bei der FPÖ: 80 000 Euro ... Karmasin!) Es tagt schon der zweite U-Ausschuss, der notwendig wurde, und vor allem ist mir ganz wichtig zu beto­nen, was der Bevölkerung durch diese regelmäßigen Korruptionsmeldungen eigentlich alles zugemutet wird – das Wort zugemutet auch deshalb, weil es eigentlich demokratie­politisch wirklich unerträglich ist (Ruf bei der FPÖ: Aber Sie decken ja alles hier und in Vorarlberg! Sie sind doch Steigbügelhalter!), und das ist das, was mir Sorgen macht, denn das Vertrauen in unsere Arbeit als Politikerinnen und Politiker geht Schlagzeile für Schlagzeile schon wirklich verloren.

Seit Ibiza wird aufgeräumt, und die unerschrockenen Korruptionsermittler machen einen super Job, die parlamentarischen U-Ausschüsse dieses Hauses leisten einen großen Beitrag zur Aufklärung. (Abg. Hafenecker: Darum habt ihr ja aufgedreht!) – Es ist jetzt auch nicht angebracht, reinzubrüllen. Noch einmal in der Abfolge: Ibiza, wir haben Prik­raf, wir haben Mandatskauf, wir haben Beinschab, wir haben Sigi Wolf, wir haben einen Machtzirkel rund um Sebastian Kurz, der wirklich versucht hat, das ganze Land zu täuschen, bis hin zu den aktuellen dubiosen Inseratengeschäften beim Wirtschaftsbund in Vorarlberg, die leider nicht unerwähnt bleiben können.

Wenn man sich all diese Ereignisse so noch einmal vor Augen hält, dann ist das schon so, als ob über das ganze Land ein Sturm gezogen wäre, und wenn so viel zerstört worden ist, dann braucht es wirklich alle, und zwar alle mit einem ernsthaften Bemühen, denn wir werden es sonst nicht schaffen, dass wir die Republik sauber halten – und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir der Bevölkerung schuldig. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Leichtfried.)

Wieso sage ich das? – Ich glaube, wenn man sich den Vertrauensindex auch wirklich anschaut, sieht man, dass es jetzt keine Zeit ist, aufzudrehen. Es ist Zeit für Demut und es wäre eigentlich auch Zeit für eine (Abg. Hafenecker: Neue Regierung!) ehrliche Ent­schuldigung der Betroffenen für das, was sie getan haben. Das wäre wirklich angebracht, und das heißt eben nicht, dass man scheibchenweise das zugibt, was die Journalistin­nen und Journalisten ohnehin schon recherchiert haben.

Bitte, da geht es auch nicht darum, dass man darauf wartet, dass man rechtskräftig verurteilt wird, denn so leicht kann man es sich nicht machen. Die Grenzen des gerade noch Akzeptablen in der Politik können nicht immer mehr Richtung Strafrecht verscho­ben werden. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Ich sage das deshalb, weil mich die Situation wirklich betroffen macht, ich erwarte mir auch, dass man aus diesen Fehlern lernt und es zukünftig besser macht, und ich erwarte mir vor allem, dass wir die Schlupflöcher im System entlarven und abdichten. Das heißt zum Beispiel, wichtige Dinge wie die Regelungen zur Informationsfreiheit auf den Weg zu bringen, und das heißt auch, dass es ein gemeinsames Bemühen gibt, dass wir das Vertrauen in die Politik wieder zurückgewinnen – Schritt für Schritt. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.


15.38.58

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Finanzminis­ter! Herr Staatssekretär! Na ja, es ist schon ein wenig skurril, wenn Frau Kollegin


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Scharzenberger sich hierherstellt und sagt, dass hier wieder mit Anpatzversuchen ir­gendetwas der ÖVP umzuhängen versucht wird.

Wir reden hier immer noch – wiewohl die entsprechenden (mit den Fingern Anführungs­zeichen andeutend) „Studien“ in der Anfragebeantwortung nicht erwähnt sind, aber der Herr Finanzminister wird uns das nachher erzählen, wieso das nicht so ist und ob es ein Versehen ist – über Meinungsumfragen, bei denen Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums dazu ver­wendet wurde, um der ÖVP und Sebastian Kurz einen Vorteil zu verschaffen. Das ist kein Anpatzversuch, das ist all das, was wir mitbekommen haben.

Schauen wir uns diese „Studien“, diese Meinungsumfragen an, erinnern wir uns: Da ging es um irgendwelche tierischen Zuschreibungen, um so skurrile Familienaufstellungen, und bekommen haben das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, das unrecht­mäßig dafür verwendet wurde, Leute aus dem Dunstkreis der ÖVP, von Sebastian Kurz, nämlich Sophie Karmasin und Frau Beinschab.

Herr Bundesminister, ich gebe zu, dass Sie mit Ihrer Internen Revision und dem Revi­sionsbericht etwas getan haben, was man einerseits als logisch ansehen kann, was man aber andererseits auch positiv sehen kann, wovon man sagen kann: Sie haben diesen vorgelegt, da steht etwas drin! Sich aber hierherzustellen und verniedlichend davon zu reden, dass Sie auf Defizite in Ihrem Ministerium draufgekommen sind, und gleichzeitig zu sagen, Studien brauche man, um faktenbasierte Politik zu machen, ist schon ein bisschen skurril.

Ich erinnere Sie, Herr Bundesminister: In einer dieser Studien wurde abgefragt, ob Se­bastian Kurz eher ein Eichkätzchen oder ein hinterfotziger Pfau ist. – Das braucht man nicht, um faktenbasierte Politik zu machen, und das sind auch keine Defizite, das ist strukturelle Korruption, was da dabei ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Ganze ist ja ein System, das dauerhaft ist – das ist ja das Problem an der ÖVP. Wenn jetzt in Niederösterreich darüber diskutiert wird – Kollege Hafenecker hat vorhin schon angesprochen, wie viel Geld nur aus dem Finanzministerium an die Damen ge­gangen ist –, dass auch in Niederösterreich knapp 340 000 Euro von der Landesregie­rung an Frau Karmasin gegangen sind, und man dort nachfragt und die Opposition ver­sucht, herauszufinden, wieso denn da das Geld geflossen ist, dann ist die gesamte ÖVP der niederösterreichischen Landesregierung nicht bereit, irgendetwas dazu zu sagen. Sie verheimlicht weiter, und das ist genau das System, das die ÖVP seit Jahren und Jahrzehnten lebt. Man tut dann ganz kurz etwas, macht einen Revisionsbericht, sagt: Man muss etwas ändern!, aber in Wirklichkeit passiert nichts.

Wir sehen das Gleiche in Vorarlberg in der Causa Wirtschaftsbund. Es kommt etwas raus, alle rücken aus und sagen: Na ja, ist ja nicht so schlimm, es ist ja eigentlich nichts passiert! Auch Sie, Herr Finanzminister, haben das als nicht übertrieben relevant gese­hen. Der Herr Landeshauptmann hat offensichtlich keine Zeit, in den Untersuchungsaus­schuss zu kommen – er wird dann hoffentlich kommen.

Das Problem dahinter ist, dass es ein durchgängiges System struktureller Korruption ist, das die ÖVP über Jahrzehnte mit aufgebaut hat, und das geht immer zulasten der Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler, weil sie es sind, auf deren Nase Sie herumtanzen und deren Geld Sie verwenden, um Ihren Machtmissbrauch und Ihre Freunderlwirtschaft weiterzubetreiben. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Es wäre so schön, wenn Sie endlich dazu beitragen würden, damit endgültig aufzu­räumen. Es wäre so schön, wenn mit diesen Deals endlich Schluss sein würde, damit, dass es für jedes Inserat auch eine Gegenleistung gibt, Schluss sein würde mit den


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Angriffen auf die Korruptionsermittler, Schluss mit verdeckter Parteienfinanzierung. Das Problem ist nur: Es passiert nicht ausreichend.

Ich nehme, wie gesagt, den Revisionsbericht zur Kenntnis, ich nehme auch zur Kenntnis, dass es einen Begutachtungsentwurf zum Parteiengesetz gibt, mit dem viele Dinge ab­gestellt werden würden, was ich aber schon noch sagen muss – und das halte ich immer noch für problematisch –: Zum Informationsfreiheitsgesetz, auf das wir seit mehr als zehn Jahren warten, hat der Herr Bundeskanzler vor Kurzem gesagt: Na ja, man darf den Querulanten da jetzt keine Möglichkeit bieten. – Ich erachte es als unverfroren, Menschen, die ein Informationsbedürfnis haben, als Querulanten darzustellen. (Beifall bei den NEOS.)

Gleichzeitig an die Grünen: Auf die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, die die Frau Justizministerin angekündigt hat, warten wir! Ich frage mich, was die Justizminis­terin in diesem Zusammenhang macht. Wenn wir Korruption nachhaltig verhindern wollen, müssen wir das Korruptionsstrafrecht verschärfen. (Abg. Tomaselli nickt.) – Ich sehe die nickenden Köpfe der Grünen. (Heiterkeit des Redners.) Sagen Sie es der Frau Justizministerin, sie ist schon längst säumig! (Beifall bei den NEOS.)

15.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesmi­nister. – Bitte.


15.44.04

Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Herr Präsident! Vielleicht noch etwas zu den zwei, drei offenen Fragen, die ich gerne beantworte.

Das Missverständnis, Herr Kollege Krainer, kann ich gerne aufklären. Wir haben gesagt, „ab 2019“, weil es von 2013 bis 2019 keine Aufträge gegeben hat – das war der Grund. Darum haben wir gesagt, von 2019 weg, weil es eben erst dann welche gegeben hat. Das war der Grund. Ich bitte, das Missverständnis zu entschuldigen. Da hätten wir gleich 2013 schreiben können, aber es hat eben erst seit 2019 welche gegeben, das war der Grund.

Was die faktenbasierte Politik und Studien dafür betrifft: Ja, das habe ich ja gesagt! Auch aus meiner Sicht machen nur Studien Sinn, die uns eben für eine faktenbasierte Politik helfen, das ist überhaupt keine Frage. Das habe ich auch versucht, klarzustellen.

Und zum Verständnis, weil Sie (in Richtung Abg. Scherak) gesagt haben, ich würde es verniedlichen, dass es Defizite gibt: Nein, ich habe schon auch klar gesagt, dass das nicht mein Verständnis ist, wie man Transparenz lebt und wie man mit Steuergeldern umgeht. Das ist nicht mein Verständnis, und das habe ich, glaube ich, auch klar genug gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Krainer, was die Weitergabe von sowohl Anhang als auch Bericht betrifft, war es so – und da gebe ich dem Kollegen recht, dass Dr. Peschorn da wirklich, glaube ich, über alle Zweifel erhaben ist –, dass er uns dazu geraten hat, damit wir die Ermittlungen bei der WKStA nicht gefährden, und wir haben deswegen dem Untersu­chungsausschuss dann selbstverständlich die Unterlagen geschickt. Das war eine Empfehlung von Dr. Peschorn, das zuerst mit der WKStA abzusprechen, damit wir keine Ermittlungen gefährden, und sobald Dr. Peschorn das dann mit der WKStA abgespro­chen hatte, haben wir es sofort übermittelt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 136

15.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

15.46.06Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Durchführung einer weiteren kurzen Debatte. Sie betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Keck, dem Gesund­heitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2538/A der Abgeordneten Diet­mar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tierschutzgesetz eine Frist bis zum 9. Juni 2022 zu setzen.

Nach Abschluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass wie schon vorhin gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, der Erstredner nicht länger als 10 Minuten. Die Stellungnahme seitens der Bundesregierung soll auch nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Unterzeichner, Abgeordneter Leichtfried. – Herr Klubob­mann, ich darf dich um dein Wort bitten.


15.46.58

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In Österreich leben im Schnitt über zwei Millionen Schweine, die meisten davon auf Vollspaltenböden. Ich möchte Ihnen das ein­mal darlegen – und vielleicht hören Sie zu! –, worüber wir hier reden.

Vollspaltenböden „bestehen aus Betonböden mit eingelassenen Spalten, durch die Kot und Urin abfließen und sich in einer unter den Spalten liegenden Güllegrube sammeln können. Somit leben Schweine auf Vollspaltenböden direkt über ihren eigenen Fäkalien.

Die unvermeidbare Folge der aufsteigenden Ammoniakdämpfe sind gereizte Augen und Atemwege. Schweine haben einen extrem sensiblen Geruchssinn [...]. Auch sind Schwei­ne intelligente und soziale Tiere, die als Lieblingsbeschäftigung mit ihren Nasen in der Erde oder im Stroh umherwühlen. Die Vollspaltenbodenhaltung missachtet alle diese Bedürfnisse. Die Tiere in der Vollspaltenbodenhaltung können also in keiner Weise ihren natürlichen Bedürfnissen nachkommen. [...] Einem 85 kg Schwein in diese Haltungsform werden gerade einmal 0,55 m2 Bodenfläche zur Verfügung gestellt.“

Die Tiere sind derartig gestresst, „dass bei ihnen häufiger Magengeschwüre auftreten, als bei Schweinen, die auf Strohhaltung leben. Außerdem können unter extremen Stress leidende und kognitiv unterforderten Schweine schnell schädliche Verhaltensweisen ent­wickeln. Dazu gehört, dass sie Ohren und Schwänze der anderen Schweine abbeißen. Auch entwickeln Schweine in Vollspaltenbodenhaltung extrem häufig Gelenksentzün­dung.“

Sehr geehrte Damen und Herren, dazu fällt mir ein Wort ein: Das ist einfach grauslich, was da geschieht. Das ist einfach grauslich! (Beifall bei der SPÖ.)

Es macht mich fassungslos, und nicht nur mich, sondern immer mehr Menschen, dass diese wirklich unsäglichen Umstände und Zustände nicht beendet werden. Es macht mich fassungslos, dass ein Landwirtschaftsminister der ÖVP – ein Landwirtschaftsmi­nister, von dem die ÖVP behauptet, er kenne sich in diesen Dingen aus – in seiner ersten Rede in diesem Hohen Haus kein Wort zum Thema Tierschutz findet. Das ist wirklich ein Skandal, geschätzte Damen und Herren! Wenn es so ist, dass der ÖVP dieses The­ma vollkommen wurscht ist, dann sagen Sie es auch! Sagen Sie, Ihnen ist Tierschutz in der Landwirtschaft egal, sagen Sie, Ihnen sind all die Lebewesen egal, Ihnen geht es nur um die Profite! Seien Sie wenigstens ehrlich und sagen Sie das, hier und jetzt, und verschweigen Sie es nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 137

Was mich auch fassungslos macht, ist, dass die Showpolitik der Regierung im Bereich Tierschutz nahtlos weitergeht. Laut Ihrem Entwurf zum Tierschutzgesetz soll es erst ab 2023 in neuen oder umgebauten Stallanlagen nur einen kleinen Bereich geben, in dem diese Spalten nicht mehr vorkommen – das ist nach wie vor ein Vollspaltenboden. Was ist mit den Tausenden Ställen, die diese Böden jetzt immer noch haben? Da passiert überhaupt nichts. Das ist kein Tierschutzgesetz! Ich habe geglaubt, dass das nach dem Abgang von Frau Köstinger vielleicht etwas besser wird.

Herr Minister Rauch, der für den Tierschutz zuständig ist, hat in einer Ausschusssitzung behauptet, dass das Vollspaltenbödenverbot immer nur an der ÖVP und Frau Köstinger scheitert. Was ist jetzt? Was ist jetzt mit euch? Jetzt ist Frau Köstinger weg und es scheitert trotzdem. Wenn der Herr Tierschutzminister jetzt hier wäre, würde ich ihn schon fragen: Setzen Sie sich endlich einmal irgendwo gegen die ÖVP durch oder wird das beim Tierschutzgesetz wieder nichts? Müssen die Schweine weiter leiden; wird es so bleiben, wie es ist? – Dann brauchen wir eigentlich kein neues Tierschutzgesetz, dann bleibt eh alles so, wie es ist, geschätzte Damen und Herren, und das kann ja in dieser ganzen Angelegenheit nicht das Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.) Es braucht konkrete, effiziente Schritte, damit diesen Vollspaltenböden endgültig ein Riegel vorgeschoben wird.

Anstatt dass Sie diese veraltete, grausame, tierquälerische Haltungsform abschaffen, prolongieren Sie diese, weil damit mehr Geld verdient werden kann. (Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.) Es ist Ihnen vollkommen egal, welches Leid dadurch er­zeugt wird – vollkommen egal ist es Ihnen! –, und das ist wirklich bemerkenswert. (Abg. Schmuckenschlager: ... ahnungslos!)

Es ist ja nicht nur die Frage der Vollspaltenbodenhaltung. Was ist mit den Tiertranspor­ten? Welche Verbesserungen haben Sie dazu im sogenannten Tierschutzgesetz drin­nen? Es ist auch nichts besser geworden. Dasselbe ist bei der andauernden Anbindehal­tung von Kühen der Fall, auch da tun Sie nichts, ändern Sie nichts, obwohl es hoch an der Zeit wäre. Im Landwirtschaftsausschuss hätten Sie unserem Antrag zustimmen kön­nen, und dann wäre – das ist unser Zugang und ein besserer Zugang – die Umstellung von Vollspaltenböden auf Stallungen innerhalb der nächsten fünf Jahre möglich gewe­sen. Sie hätten Millionen Tieren helfen können, aber es ist Ihnen egal (Zwischenrufe bei der ÖVP) – und das ist wirklich abscheulich, ich sage Ihnen das ganz offen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe hier heraußen ein paar Mal den Anstand zitiert, der einige von Ihnen in Zukunft nicht mehr wählen wird. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Jetzt möchte ich noch jemand anderen nennen: den Tierschutz. Der Tierschutz wird diese Bundesregierung sicher nie mehr wählen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte sehr.


15.53.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollege Leichtfried, wissen Sie, was mich fassungslos macht? – Das ist die Doppelbödigkeit – passt übrigens vom Vokabel her gut (Abg. Leichtfried: Nein, es passt überhaupt nicht!) – der SPÖ. Strohschweine bestellen und die billigen Würschtl kaufen, so schaut es in der SPÖ aus. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Schmiedlechner. – Abg. Leichtfried: Was ist das für eine Meldung? Was soll denn das? Der Einzige, der Würschtl kauft, bist du! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 138

Ich habe mir aber vorgenommen, eine sachliche Rede zu halten. Ich gebe einen kurzen Überblick: In Österreich werden 5,2 Millionen Schweine geschlachtet. 4,8 Millionen kom­men aus österreichischer Produktion, das sind knapp 100 Prozent Eigenversorgung. Das AMA-Gütesiegel umfasst 2,2 Millionen Schweine. (Abg. Leichtfried: Das ist ein gu­tes Stichwort: AMA-Gütesiegel! Der Kollege Keck wird was dazu sagen!)  Ich darf den Zuseherinnen und Zusehern berichten: Kollege Leichtfrieds Sache ist das Zuhören nicht. Er redet zwar gerne groß, aber er kann nicht zuhören, er schreit dauernd rein. (Abg. Leichtfried: Das hängt am Inhalt!)

250 000 Schweine sind im Premiumbereich zu finden, das sind circa 5 Prozent. Die Hälfte davon ist bio – die Hälfte davon ist bio! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich darf be­richten, die Schweinebranche hat viel vor: erstens das Ende des routinemäßigen Schwanzkupierens, sobald die Verordnungen gemeinsam mit all den Gesetzen durch das Parlament gegangen sind; zweitens wird es im Um- und Neubau – angelehnt an ein dänisches Tierwohlprogramm – mehr Liegeflächen, separate Liegeflächen, Beschäfti­gungsmaterial und eine Klimatisierung geben – das wird bis 2032 im gesamten Bereich des AMA-Gütesiegels umgesetzt sein (Abg. Leichtfried: Was jetzt? – Abg. Kollross: Eh schon 2032! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) –; drittens hat die Branche gemein­sam mit dem Lebensmitteleinzelhandel, gemeinsam mit den öffentlichen Institutionen ein großes Ziel (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek): Man will bis 2030 eine Million Premiumschweine am Markt absetzen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das sind Pro­gramme mit 60 Prozent mehr Platz, 100 Prozent mehr Platz und mit Biostrohschweinen. Auch bei der Fütterung sind spezielle Anforderungen zu finden.

Kollege Leichtfried, informieren Sie sich bitte (Abg. Leichtfried: Aber nicht bei Ihnen!), bevor Sie so pauschal über einen Teil der Landwirtschaft, über den Bauernbund und über die ÖVP urteilen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Wo gehen wir hin? – Herr Kollege Leichtfried, wir schauen, dass wir eine Branche trans­formieren. Es sind viele Hürden auf dem Weg zu finden. Was werden die Faktoren sein beziehungsweise wie kann es funktionieren? (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Der Bau­ernbund löst sich auf!)

Erstens: Im Öpul sind im Bereich Tierwohl besondere Programme zu finden, in denen für Strohschweine, für das Ende des Schwanzkupierens et cetera spezielle Unterstüt­zungsmaßnahmen geplant sind.

Zweitens mit nachhaltiger Beschaffung – und da darf ich auch die Stadt Wien einladen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried–: Bund, Länder, Gemeinden sind eingeladen, sich am Nabe-Plan zu beteiligen, denn der Nabe-Plan sagt, bis 2030 gibt es 100 Prozent Premiumschweine aus Österreich. Also: Hausaufgaben machen, Stadt Wien, einkaufen, denn der Tisch ist gedeckt! (Widerspruch bei der SPÖ.)

Abschließend die Programme des LEH und der Gastro: Da braucht es einen Schulter­schluss der öffentlichen Institutionen, des Handels, der Konsumentinnen und Konsu­menten mit den Bäuerinnen und Bauern. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmans­dorff. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was brauchen wir nicht, Herr Kollege Leichtfried? (Abg. Kollross: Euch! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Das sind überhastete, überschießende gesetzliche Normen. Warum? – Sonst geht es uns nämlich so wie in Schweden und wie in Großbritannien (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: ... inseriert in der Bauernbundzeitung!): Die Premium­schweine kommen dann aus Österreich. Wissen Sie aber, wo dann die preiswerten Schweine herkommen? – Aus Spanien oder aus Brasilien. (Abg. Heinisch-Hosek: Mit dem AMA-Gütesiegel!)

Sie wollen mit Sicherheit nicht, dass Sie die steirische Landschaft dort, wo höchst quali­tativ hochwertige Schweine produziert werden, sozusagen leerräumen. Das wollen Sie


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 139

nicht, denn was wäre die Folge? – Wir haben dann weniger für den Klimaschutz getan, wir haben weniger Tierwohl auf dem Teller (Abg. Greiner: ... Tierwohl bitte!), es gibt weniger Kreislaufwirtschaft und weniger Selbstversorgung mit hochqualitativen Schwei­nen aus Österreich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das können Sie dann ausbaden, wenn Sie das durchsetzen, was Sie immer fordern. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bitte um Unterstützung für die in Begutachtung befindlichen Gesetzestexte und darf noch einmal meine Fassungslosigkeit über die Doppelbödigkeit der SPÖ zum Ausdruck bringen: Bio- und Strohschweine bestellen und die billigen Würschtl kaufen – so kann es doch nicht gehen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Widerspruch bei der SPÖ.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schüler des Sportgymnasiums Maria Enzersdorf herzlich bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Keck. – Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Leichtfried: Der Einzige, der da Würschtl kauft, bist du!)


15.59.08

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist spannend, was Kollege Strasser da gesagt hat, dass wir Billigwürschtl kaufen. (Heftiger Widerspruch bei der ÖVP.) Kollege Strasser, weißt du, eines muss ich dir schon sagen: Deine Bauerntruppe hat Macht und Einfluss in der ÖVP – das hast du erst vor Kurzem in einem doppelseitigen Interview der „Kronen Zeitung“ gesagt –, aber ich glaube, so viel Macht und Einfluss hast du nicht, dass du jeden Einkaufszettel von denen, die nicht beim Bauernbund dabei sind und die du als Sozialaffront bezeichnest, kontrollieren kannst, ob sie Billigwürschtl kaufen oder ob sie nicht Billigwürschtl kaufen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Unterstellungen machst du, Kollege Strasser, und sonst kein anderer in diesem Haus – das einmal fürs Erste. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hofinger und Sieber.)

Meine Damen und Herren, jetzt sage ich euch aber etwas: Ich bin, glaube ich, der einzige Abgeordnete in diesem Haus, der schon beim Bundes-Tierschutzgesetz mitgearbeitet hat (Zwischenruf bei der ÖVP) – ich habe das schon mehrfach an diesem Platz gesagt ‑, ich habe mitgearbeitet und habe sehr wohl die Interessen der Bauern immer berück­sichtigt und habe sehr wohl die Interessen der Bauern immer mit ins Blickfeld hineinge­nommen und bei den Verhandlungen auch miteinbezogen.

Ich habe mit dem damaligen Chef des Bauernbundes, mit Bauernbundpräsident Jakob Auer, der der Vorgänger von Georg Strasser war, viel verhandelt. Der jetzige Landwirt­schaftsminister – schade, dass er nicht hier ist! – Norbert Totschnig war 2016/17 – ich komme dann darauf zu sprechen – bei der letzten Novelle dabei. Da war er als Klubse­kretär für Land- und Forstwirtschaft und für Tierschutz zuständig. Wir haben nächtelang verhandelt.

Dort drüben sitzt Kollege Eßl: Er kann dann erklären, was alles von dieser Seite (in Richtung ÖVP weisend) verhindert wurde und was alles wir bei der Novelle des Tier­schutzgesetzes 2016 wollten. Da ist es in erster Linie um die Schweinehaltung gegan­gen, weil wir, wenn man sich diese Bilder anschaut (ein Foto, das Schweine mit Verlet­zungen auf einem Vollspaltenboden zeigt, in die Höhe haltend), gesagt haben: Das kann nicht sein, meine Damen und Herren! Ist das die Schweinehaltung, die wir in Österreich haben? (Ruf: Nein!) Ist es das? Das ist aber ein Betrieb, der das AMA-Gütesiegel hat, meine Damen und Herren! Das Bild ist nicht von irgendwo dahergekommen, und das weißt du genau, Georg Strasser.

Bringen wir es doch auf den Punkt: So schaut zum Teil Schweinehaltung in Österreich aus, nicht wie die liebe Werbung, die es bei der AMA gibt, bei der anscheinend wirklich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 140

frisch geduschte Ferkel in einen wirklich vollkommen neuen Vollspaltenboden hineinge­bracht werden, bei der das „Ja! Natürlich“-Schweinderl herumgeht, das mit allen anderen lieb redet. Das ist es nicht! Da wird der Bevölkerung etwas vorgegaukelt. So (das Foto weiter in die Höhe haltend) schaut es wirklich aus. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Und von solchen Schweinen, meine Damen und Herren, kriegen wir dann am Sonntag die Schnit­zel?!

Und dann stellt sich der Bauernbundpräsident hier heraus und sagt: Wir haben eh ir­gendetwas vor! Wir werden eh in 20 Jahren – denn so lange wird das Ganze dauern – irgendetwas in der Schweinehaltung ändern!

2015 ist schon zugesagt worden, dass es Änderungen in der Vollspaltenbodenhaltung geben soll. 2016 zum Beispiel haben wir in der letzten Verhandlung etwas festgelegt und gesagt: Beschäftigungsmaterial, Stroheinstreu und es wird ein Projekt geben, das fünf Jahre dauern wird. Dieses Projekt wird man sich nachher anschauen, und dann wird man festlegen, wie man vorgehen kann, dass die Vollspaltenböden abgeschafft werden. Und was passiert jetzt bei dem neuen Tierschutzgesetz? – Auf einmal wollen Sie wieder ein Projekt machen, das jetzt bis 2026 gehen soll, und 2026 diskutieren wir dann darü­ber, wie man vielleicht gegen die Vollspaltenbodenhaltung vorgehen kann. Ja, meine Damen und Herren, ich fühle mich wirklich – ich sage es auf gut Oberösterreichisch – verarscht! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich fühle mich wirklich verarscht, meine Damen und Herren, weil alles, was du, Georg Strasser, gesagt hast, nicht dem entspricht, wie es wirklich ausschaut. Ich habe ein paar Bilder mitgenommen. Kollege Leichtfried hat ja gesagt, die Schweine leben über ihrem eigenen Urin, sie leben über ihrem eigenen Kot. Kollege Strasser, so (ein weiteres Foto, das Schweine mit Verletzungen zeigt, in die Höhe haltend) schauen sie dann aus – Tat­sache! Das sind Ställe in Österreich, Ställe, die das AMA-Gütesiegel haben. Meine Da­men und Herren, geben wir uns das einmal! Das sind Tatsachen, das ist die Realität in Österreich! So schaut es aus, und das kann man nicht abstreiten!

Wir wollen ja eine Änderung haben! Wir wollen gemeinsam mit der Landwirtschaft schauen, dass wir ein gutes Tierwohl hinkriegen, aber mit dem ständigen Verzögern, wie es die ÖVP macht, werden wir das nicht schaffen, mit dem ständigen Verzögern, wie es die ÖVP macht, kriegen wir kein Tierwohl zusammen. Ich fordere euch auf, jetzt endlich wirklich etwas für die Tiere zu machen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Meine Damen und Herren! Ich kann nur sagen, wir haben wirklich viel für den Tierschutz in Österreich gemacht. Ich war dabei, als wir das Bundes-Tierschutzgesetz erstellt ha­ben, und da war der wichtigste Paragraf der § 5. In § 5 heißt es wirklich: „Es ist verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen.“

Wenn Sie sich diese Bilder (ein weiteres Foto, das Schweine mit Verletzungen zeigt, in die Höhe haltend) anschauen, meine Damen und Herren: Glauben Sie wirklich, dass diese Tiere keine Schmerzen haben, dass diese Tiere kein Leid empfinden, dass sich diese Tiere wohlfühlen?

Georg Strasser, das sind Bilder aus österreichischen Schweinebetrieben, und ich frage dich jetzt als Bauernbundpräsidenten: Was sagt du denn dazu, wenn deutsche Super­märkte die österreichischen Produkte nicht mehr nehmen dürfen, weil sie aus Vollspal­tenbodenhaltung kommen und es solche Bilder gibt? – Sag einmal dazu etwas, und komm nicht mit dem Schmäh mit den Billigbratwürschteln!

Ich fordere euch auf: Stimmt dieser Fristsetzung zu! Gehen wir jetzt endlich einmal wirk­lich ans Eingemachte und sagen wir: Wir machen etwas für die Bauern und wir machen


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auf alle Fälle etwas für das Tierwohl und wir schauen, dass diese Vollspaltenböden in Österreich endlich wirklich sehr, sehr schnell wegkommen! (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

16.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlech­ner. – Bitte.


16.04.45

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Zuseher! (In Richtung der noch immer Beifall spendenden SPÖ:) Danke, danke, danke! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zur Vollspaltenbodenhaltung: Natürlich kann man jedes Verbot diskutieren und Verbes­serungen sind immer begrüßenswert. Wir haben gerade über die Gemeinsame Agrar­politik diskutiert. Da frage ich mich, liebe SPÖ, liebe ÖVP: Warum setzen wir uns nicht miteinander für eine gemeinsame Tierschutzpolitik in Europa ein? (Ruf: Von den Freiheit­lichen! Von den Freiheitlichen! Unglaublich!) Gleiche Spielregeln auf ganzer europäi­scher Ebene! (Abg. Weratschnig: Das ist ein Spagat! – Abg. Meinl-Reisinger schlägt die Hände vors Gesicht und schüttelt den Kopf.)

Jeder Bauer ist bereit, Tierschutz umzusetzen, aber die Kosten, den Mehraufwand, die Mehrarbeit muss auch jemand bezahlen, und die Produkte und auch die Bauern müssen vor Billigimporten geschützt werden. Den Bauern steht das Wasser momentan bis zum Hals. Diese werden das sicher nicht stemmen können. Es ist sehr verwunderlich, wenn gerade jetzt, in der Situation, da die Teuerungswelle übers Land rollt, die SPÖ Forde­rungen aufstellt und vorantreibt, die die Inflation weiter anheizen und die Teuerung weiter anziehen lassen. Natürlich widerspricht das auch dem, was Cornelia Ecker und Kollege Köchl bei der vorherigen Debatte zur Landwirtschaft gesagt haben – und übrigens in Richtung Kollege Köchl: Mein Name ist Schmiedlechner. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Peter! Peter Schmiedlechner! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Heiterkeit des Redners.) – Danke.

In Österreich haben wir eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt, und trotzdem müssen unsere Bauern zu Weltmarktpreisen produzieren. Alle sogenannten Tierschutz­experten müssen darüber nachdenken, was sie mit ihren Forderungen auslösen, wenn diese tatsächlich umgesetzt werden. Jeder nationale Alleingang würde einen ungeahn­ten Wettbewerbsnachteil für die österreichischen Bauern bedeuten, jede weitere Ver­schärfung wäre der garantierte Sargnagel für die österreichische Landwirtschaft. Wollen wir das wirklich?

Ist der Bauer ruiniert, wird fleißig importiert, und dann ist es euch egal, wie die Schweine gehalten werden. Dann ist es egal, dann schauen wir weg, aber zu Hause wollen wir die Landwirtschaft ruinieren und überreglementieren. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Ho­sek.) Wenn unsere Bauern uns Konsumenten nicht mehr mit hochwertigen, streng kon­trollierten Lebensmitteln versorgen, kommen unsere Nahrungsmittel aus dem Ausland. Wie und zu welchen Bedingungen produziert wurde, ist dann egal, Hauptsache, das Re­gal im Lebensmittelhandel ist gefüllt.

Wollen wir wirklich, dass unser Rindfleisch, unser Schweinefleisch, unser geliebtes Schnit­zel, das Hendl Zehntausende Kilometer aus irgendeinem Land hergebracht werden? Ich glaube nicht! Wenn wir unsere heimische Landwirtschaft und Produktion erhalten wollen, sollten wir uns alle dafür einsetzen, dass europaweit einheitliche Tierschutzgesetze gelten und wir bei Lebensmittelimporten genau darauf schauen, zu welchen Bedingun­gen diese produziert wurden. Dann können wir über Verschärfungen reden, dann kön­nen wir auch schauen, dass wir ein ordentliches Tierschutzgesetz bekommen. (Zwi­schenruf des Abg. Kollross.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 142

Abschließend: Wie gesagt, mich verwundert das sehr, die ganze Debatte verwundert mich: Gerade jetzt, da sich die Menschen wirklich das Leben nicht mehr leisten können, da die Menschen schauen müssen, was sie einkaufen, da die Menschen stets sparen müssen, so eine Debatte anzuziehen, das ist einfach nur letztklassig. (Beifall bei der FPÖ.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stamm­ler. – Bitte.


16.09.24

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Kollege Keck, Sie werden es nicht schaffen, dass ich in der Thematik Kollegen Strasser verteidige. Allerdings war es Pamela Rendi-Wagner, die im August 2019 gemeint hat, „das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden“. Jetzt sage ich Ihnen etwas: Das Schnitzel muss ein Luxus werden, denn: Wie hat es sich ein Schwein überhaupt verdient, in Kategorien wie Basis- oder Prämienschwein eingeteilt zu werden? (Beifall bei den Grünen.)

Ich bleibe bei Ihnen, Herr Kollege Keck: Egal ob im Ausschuss oder hier, Sie rühmen sich ständig, bei diesem Tierschutzgesetz mitgearbeitet zu haben und schon so lange beim Tierschutz dabei zu sein und mitzuarbeiten. Da stellt sich für mich schon die Frage: Warum soll Bundesminister Rauch innerhalb eines Jahres das ausbügeln, was die SPÖ mit ihren Tierschutzministerinnen und Tierschutzministern 20 Jahre versemmelt hat?! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und dann aus der Opposition heraus einen Antrag zu stellen: Ab 2023 bauen wir neue Ställe, so wie sie uns gefallen, und ab 2026 – bis dahin können normalerweise nicht einmal die Planungsphase und Einreichphase abgeschlossen werden – schließen wir die vorhandenen Ställe!, das kommt mir so vor, wie wenn ich mit meinem kleinen Kind Verstecken spiele und so mache (die Hände vor das Gesicht haltend) und sage: Ihr seht mich nicht. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Fakt ist: Der Markt funktioniert ein bisschen anders.

Was wir sehr wohl gemacht haben, ist, dass wir einen Aktionsplan Nachhaltige Beschaf­fung ins Leben gerufen haben, um Markt zu schaffen, dass wir im Öpul – darüber haben wir heute, vor einigen Stunden, schon diskutiert – erstmals eine Förderung für Freiland­haltung und für Tierwohlställe und Tierwohlhaltung eingeführt haben, dass wir in der Tierhaltungsverordnung sehr wohl Verbesserungen auch für die armen Schweine er­reicht haben, dass wir eine Herkunftskennzeichnung erreicht haben, die auch Markt schaffen soll, und dass Herr Bundesminister Rauch sich am 8. Juni mit dem Lebensmit­teleinzelhandel zusammensetzt und versucht, eine Haltungskennzeichnung auf Basis einer Branchenvereinbarung einzuleiten – das hat auch in Deutschland eindeutig dazu geführt.

Wir werden keine Gelegenheit auslassen, dem berechtigten Wunsch der Konsumentin­nen und Konsumenten zu entsprechen und dranzubleiben, um diese tatsächlich nicht mehr zeitgemäße – und meines Erachtens nie wirklich zeitgemäße – Produktion abzu­schaffen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Katharina Werner. – Bitte.


16.12.57

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Puh, ich glaube, heute braucht es einen Schiedsrichter! – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Damen und Herren im Saal und zu Hause! Fristsetzungsantrag zum Antrag 2538/A betreffend Anpassungen im Tierschutzgesetz – ein paar kurze Bemerkungen dazu:


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Erstens: Lieber Kollege Keck, ich bin fast ein bisschen enttäuscht, dass du genau für einen Antrag, den du gestern eingebracht hast, eine Fristsetzung beantragst. Es wäre nämlich heute echt ein perfekter Zeitpunkt dafür gewesen, dass du einen von deinen Anträgen zum Thema Tiertransporte nimmst und dafür eine Fristsetzung beantragst. Warum? – Die Temperaturen steigen. Heute ist es schon ziemlich heiß; wir hier herinnen merken es gar nicht, aber draußen hat es schon 25 Grad plus.

Das Zweite ist: Letzte Woche hat es ein Volksbegehren zu diesem Thema gegeben; die Eintragungswoche ist zu Ende gegangen. Wir hätten die Möglichkeit gehabt, dass man der Mitte der Gesellschaft – es waren über 400 000 Personen, die das unterschrieben haben – eine Stimme gibt. So aber habt ihr euch jetzt nur selbst eine Stimme gegeben.

Das Nächste ist: Vollspaltenböden hätten wir eigentlich schon vorhin in der Debatte zum Bereich Landwirtschaft diskutieren können, weil bei den Tagesordnungspunkten ja auch ein Antrag von euch dabei ist, den wir auch unterstützen. – Das einmal dazu.

Zur Vorgehensweise: Lieber Kollege Keck, du hast die Regierung schon mehrmals auf­gefordert, auch gerade vorhin wieder in Zusammenhang mit Herrn Eßl, dass man im Bereich Tierschutz einen breiten Konsens im Parlament schaffen sollte und auch die Oppositionsparteien alle eingebunden werden sollten, aber du selbst lieferst permanent diese Alleingänge, ohne mit irgendjemandem zu reden. Bitte mach es das nächste Mal anders!

Zum Antrag: Du hast vorhin die Bilder zu einem Fall in Kärnten gezeigt, du hast auch erwähnt, dass es sich um einen AMA-Betrieb handelt, und ich denke, da besteht auf jeden Fall absoluter Handlungsbedarf. Die Konsumenten vertrauen ja darauf: Wenn sie in den Supermarkt gehen und ein Produkt kaufen, auf dem dieses AMA-Gütesiegel drauf ist, dann glauben sie, dass sie ein gutes Produkt, auch mit Tierschutzqualität, kaufen. Da müssen wir daher unbedingt ansetzen und auch dieses Siegel – das in der Bevöl­kerung sehr gut etabliert ist, große Achtung genießt, eine Bekanntheit hat – unbedingt reformieren und auch in Richtung Tierschutz weiterentwickeln. (Beifall bei den NEOS.)

Wieso hat das Thema trotzdem eine sehr hohe Relevanz? – Erst letzte Woche gab es mehrere Untersuchungen, die veröffentlicht wurden, die gezeigt haben, dass in der Fleischproduktion, in den Supermärkten viele Produkte mit antibiotikaresistenten Keimen erhältlich sind. Die kommen aus dieser Massentierhaltung. Das heißt, wir haben da ein Problem, das auch unsere Gesundheit betrifft. Wir müssen da handeln. Und das Zweite – es wurde zuvor vom Kollegen von den Grünen angesprochen, auch von Green­peace thematisiert –: 90 Prozent des österreichischen Schweinefleisches ist nicht mehr gut genug für den deutschen Handel.

Das zeigt uns, dass dieses Thema relevant ist, und ich freue mich wirklich darüber, wenn es jetzt nicht nur dazu kommt, dass es eine Herkunftskennzeichnung gibt, sondern dass wir uns auch Richtung Haltungskennzeichnung entwickeln. Das begrüße ich absolut, weil ich davon überzeugt bin. Momentan kann sich der Kunde, wenn er in den Super­markt geht, entscheiden: Kaufe ich bio oder kaufe ich im Grunde genommen ein schwarzes Loch, weil ich nicht weiß, wie diese Tiere gehalten werden? – Wenn der Kon­sument aber weiß, er hat Bioqualität mit den höchsten Standards und auch andere Ab­stufungen zur Auswahl, und weiß, wie diese Tiere gehalten werden, dann kann er sich auch qualifiziert entscheiden.

Aus diesem Grund werden wir dem Fristsetzungsantrag zustimmen. Über die genaue Ausgestaltung, wie ein Ausstiegsszenario aus dieser Intensivhaltung aussehen kann, müssen wir dann im Ausschuss sprechen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.17


16.17.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf fragen, ob wir abstimmen können: Grüne: Können wir abstimmen? FPÖ? ÖVP? – Ja.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 144

Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte die Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein dement­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

16.18.01Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 5 bis 10 der Tagesordnung wieder auf.

Am Wort ist Frau Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.18.24

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Ein zweites Mal: Ge­schätzter Herr Minister! Doppelt hält ja bekanntlich besser, also wiederhole ich das, womit ich vorhin aufgehört habe:

Das Umweltprogramm Öpul, das zu 50 Prozent aus nationalen Mitteln finanziert wird, fördert seit 27 Jahren jene Flächen, auf denen kein oder reduzierter Pflanzenschutzmit­teleinsatz stattfindet, und zwar jede Fläche einzeln beurteilend. Öpul finanziert die Mehr­leistungen Umweltschutz, weniger Pflanzenschutz, Biodiversität oder gleicht den Min­derertrag aufgrund reduzierter Düngung aus.

Noch ein Fakt: Liebe SPÖ, Sie tun ja immer gerade so, als ob Pflanzenschutz- und Dün­gemittel gratis wären und unsere Bäuerinnen und Bauern diese aus Jux und Tollerei verwenden würden. Nein, es sind teure und teilweise notwendige Betriebsmittel, um pro­duzieren zu können!

Wir kämpfen mit massiv gestiegenen Betriebsmittelkosten und damit, die produzierten Mengen aufrechtzuerhalten, und dazu braucht es nun einmal Pflanzenschutz und Dün­gung. So wenig wie möglich, so viel wie notwendig!, ist dabei unser oberstes Credo. Wir brauchen Pflanzenschutz nach fachlichen Kriterien und nicht ein populistisches gene­relles Verbot. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt noch einmal abschließend: Die GAP verfolgt mehrere Zielsetzungen: neben der Absicherung der bäuerlichen Einkommen auch die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und die Erhaltung der Kulturlandschaft wie auch die Ent­wicklung des ländlichen Raumes.

Planungssicherheit, Einkommen und Entlastung der heimischen Bäuerinnen und Bauern haben für uns oberste Priorität. Unterstützungsmaßnahmen gilt es zielgerecht und nach­haltig umzusetzen. Vor allem müssen wir kontraproduktive Effekte vermeiden, wie das etwa die Abschaffung der AMA-Marketingbeiträge oder etwa der Erlass von Sozialversi­cherungsbeiträgen zur Folge hätte.

Deshalb werden wir diesen Anträgen nicht zustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Frau Abgeordnete Doppelbauer ist nicht hier.

Dann darf ich Abgeordneten Eßl aufrufen. – Bitte.


16.20.57

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine ge­schätzten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren unter diesen Tagesordnungspunkten nicht nur die Gemeinsame Agrarpolitik, sondern auch weitere Entschließungsanträge, die vonseiten der SPÖ eingebracht worden sind. Das fügt sich in den Reigen der Diskussion, die vorhin stattgefunden hat, ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 145

Die SPÖ versucht nämlich, die Auflagen für die Produktion hinaufzuschrauben, Geld von den Bauern wegzunehmen und dann über hohe Lebensmittelpreise zu klagen.

Entschließungsantrag 1782/A(E) der Kollegin Cornelia Ecker und GenossInnen: Es wird vorgeschlagen, dass eine Schwerpunktsetzung erfolgt, damit mit 50 Millionen Euro Ein­satz jährlich die bestehenden Vollspaltenböden abgelöst und ersetzt werden sollen. Wir von den Regierungsparteien, von der Regierungskoalition haben im Budget eine Summe von 600 Millionen Euro Investitionsförderung vorgesehen, worauf diese Betriebe zurück­greifen können. Darüber hinaus gibt es ein Tierwohlpaket mit einer Dotation von 120 Mil­lionen Euro, genau auf diese Betriebe abgestimmt.

Zu kurz gegriffen, liebe SPÖ! Im Ausschuss wurde dieser Antrag bereits abgelehnt, dem negativen Ausschussbericht werden wir daher zustimmen.

Antrag 2167/A(E) der Abgeordneten Cornelia Ecker, Genossinnen und Genossen betref­fend „Ausbau der Fördermaßnahme ,Soziale Angelegenheiten‘ (Soziale Dienstleistun­gen, SDL) im Rahmen der GAP-Fördermittel statt massiver Kürzung der Mittel“: Ziel und Inhalt dieser Förderung sind Kinderbetreuungseinrichtungen, psychologische und psy­chiatrische Einrichtungen, Einrichtungen der Pflege und Betreuung sowie Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und in besonderen Notlagen.

Das sind wichtige Anliegen, meine geschätzten Damen und Herren, aber typisch SPÖ: Die SPÖ will das mit Bauerngeldern finanzieren, und dazu sagen wir ein klares Nein. Es gibt nämlich vonseiten der Europäischen Union sechs Fonds – drei gut dotierte Fonds: den Europäischen Sozialfonds, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums. Die SPÖ will das Geld für diese wichtigen Maßnahmen ausgerechnet vom europäischen Landwirtschaftsfonds nehmen. Ich sage, dann soll sie sich beim Europäischen Sozial­fonds anstellen und dort das Geld lukrieren. Dafür stehen für Österreich für die nächste Periode 410 Millionen Euro zur Verfügung.

Was will die SPÖ? – Sie will die Bauerngelder kürzen. Das bestätigt auch ein Antrag, den Frau Kollegin Heinisch-Hosek gemeinsam mit Kollegin Ecker 2018 eingebracht hat. Da heißt es: „[...] die Fördermittel des Fonds für die ländliche Entwicklung (ELER) ge­rechter verteilt werden und daher mindestens 50% der Mittel für sektorübergreifende Maßnahmen eingesetzt werden“. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, genau!)

Das sind Bauerngelder. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein!) Gehen Sie zum Europäischen Sozialfonds und nehmen Sie das Geld von dort! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Hei­nisch-Hosek.)

Das müssen wir den Bäuerinnen und Bauern klar sagen (Abg. Heinisch-Hosek: ... auch Bäuerinnen!): Die SPÖ will 50 Prozent der Gelder für die Gemeinsame Agrarpolitik von Öpul, von der AZ und von der Investitionsförderung wegnehmen (neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Heinisch-Hosek) und in landwirtschaftsferne Themenbereiche stecken. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Sieber: Ein Wahnsinn!)

Ich habe vorhin in einer tatsächlichen Berichtigung schon angemerkt, wie es die SPÖ mit den Zahlen und mit der landwirtschaftlichen Betrachtungsweise hat. Da stellt sich heraus, dass die Regierung und die früheren Landwirtschaftsminister der ÖVP entspre­chend gut gearbeitet haben.

Also: Anerkennen wir die Leistungen der Bäuerinnen und der Bauern für die hochwer­tigen Lebensmittel in ausreichender Menge, die sie zur Verfügung stellen, für den Le­bensraum mit Lebensqualität! Schauen wir, dass sie vernünftige Agrarpreise und Entgelt für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen bekommen! Das Programm ländliche Entwick­lung steht da zur Verfügung und braucht die entsprechenden Budgets, ohne dass sie von der SPÖ für landwirtschaftsferne Zwecke abgezweigt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

16.26



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 146

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


16.26.52

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Herr Kollege Eßl hat soeben behauptet, dass Mittel, die für den ländlichen Raum vorgesehen sind, also Eler-Mittel, Bauerngelder wären. – Das ist unrichtig.

Eler-Mittel sind zum einen Mittel, die für den ländlichen Raum und soziale Dienstleis­tungen im ländlichen Raum vorgesehen sind. (Abg. Michael Hammer: Hat er eh gesagt!)

Und zum Zweiten war es immer im Ermessen der damaligen Ministerin, auch 50 Prozent dieser Mittel genau für diese Bereiche, die ich aufgezählt habe, zu verwenden. Es sind keine Bauerngelder! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Eßl: Schwachsinn! Schwachsinn! – Abg. Heinisch-Hosek: Herr Präsident! Er braucht nicht „Schwachsinn“ sagen! – Abg. Eßl: Es stimmt ja, wenn es wahr ist!)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Petra Vorder­winkler. (Abg. Stögmüller: Ordnungsruf, Herr Präsident! „Schwachsinn“! – Abg. Leicht­fried: Herr Präsident! Das ist ein Ordnungsruf!)

Ich bitte wieder um etwas Ruhe. Ich habe zuerst auch nicht für: Ich kann mich selbst verarschen!, einen Ordnungsruf erteilt, das hätte ich auch tun können. Ich würde darum bitten, dass Sie dementsprechend wieder etwas zur Ruhe kommen. (Abg. Tomaselli: Man kann ja auch für beide einen Ordnungsruf erteilen!)

Frau Abgeordnete Vorderwinkler ist an der Reihe. – Bitte.


16.27.59

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich darf jetzt an meine Vorrednerin anschließen. Es geht hier um 2 Milliarden Euro jährlich. Das sind keine Bauerngelder, es sind Steuergelder und es geht um deren gerechte Verteilung und um die Stärkung des ländlichen Raumes im All­gemeinen. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf der Abg. Reiter.)

Sehr geehrter Herr Minister, ich habe gestern bei Ihrer Rede freudig vernommen, dass es ein zentrales Ziel in Ihrer Arbeit sein wird, dass die Chancengleichheit zwischen Stadt und Land verbessert wird, also genau diese Stärkung des ländlichen Raumes, aber genau das Gegenteil passiert jetzt gerade bei der Verteilung der GAP-Fördermittel. Frau Ex-Ministerin Köstinger hat eine Kürzung von 77 Prozent im Bereich der Investitionen in soziale Dienstleistungen, von 235 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro, für die nächsten sieben Jahre vorgesehen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie gestern in Ihrer Rede erwähnt haben.

Wir wissen, dass der ländliche Raum gegenüber der Stadt nicht jene sozialen, digitalen und Mobilitätsinfrastrukturen hat, die notwendig wären. Als zweite Säule dieser GAP-Fördermittel wären genau hier Investitionen in Kinderbetreuung, in psychosoziale Ein­richtungen, in Pflegebetreuung und in ambulante Gesundheitsleistungen vorgesehen. Nun gibt es für die nächsten sieben Jahre weniger Geld. Und da geht es genau um den Lebensraum und die Lebensqualität, das, was Sie vorhin gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt weder einen sachlichen Grund noch budgetäre Zwänge, sogar die Bundesländer haben sich in einem gemeinsamen Entschluss dazu bekannt, das auch zu unterstützen und zu fördern.

Ich betone noch einmal: Vor allem Familien und Frauen in den ländlichen Regionen brauchen diesen Ausbau und keine Kürzung. Wir wollen von Ihnen wissen, Herr Minister, was Sie mit diesem Geld vorhaben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 147

Wenn Sie Ihre Aussage zur Stärkung wirklich ernst nehmen und ernst meinen, dann müssten Sie jetzt – hier und heute – veranlassen, dass unserem Rückverweisungsan­trag zugestimmt und das gesamte Paket neu aufgestellt wird, sonst haben Sie nämlich Ihre Amtsperiode, Ihre Amtstätigkeit mit einem leeren Versprechen begonnen und für die nächsten sieben Jahre eine große Chance vertan. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Reiter. – Bitte.


16.30.35

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zu­schauer! Heute geht es um etwas! Mit dem GAP-Paket geht es heute um einen wirklich epochalen Beschluss für die heimische Landwirtschaft. Wir stellen heute für die öster­reichische Landwirtschaft die Weichen für die nächsten Jahre. Die GAP wurde ja bereits 1982 eingeführt, ist also älter als so mancher Abgeordneter hier in diesem Saal und war immer schon eine Partnerschaft zwischen der Landwirtschaft und der Gesellschaft. Die GAP soll vor allem sicherstellen, dass die Bäuerinnen und Bauern ein angemessenes Einkommen haben, und dass zum anderen die Nahrungsmittelversorgung in Europa ge­währleistet ist.

Die Landwirtschaft ist ein Bereich, der schon immer sehr gefordert war und immer noch ist. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Gemeinsame Agrarpolitik ist da ein sehr großes Instrument, aber kein starres Konstrukt. Sie ist immer wieder angepasst worden und hat sich weiterentwickelt, und auch heute stehen wir vor dem Beschluss einer Reform, die in den letzten vier Jahren auf europäischer und österreichischer Ebene ausverhandelt worden ist.

Viel und hitzig ist über die GAP diskutiert worden, und das wird es auch in der heutigen Debatte. Das ist auch gut so, immerhin geht es ja um viel, darum ist es auch wichtig, dass darüber geredet wird. Wo ich aber immer wieder einmal zum innerlichen Haare­raufen komme (Zwischenruf des Abg. Loacker), ist, wenn immer nur kritisiert wird, ohne dass man konkrete Vorschläge macht, die wirklich in die Tiefe gehen oder auch Auswir­kungen haben. (Abg. Schmiedlechner: ... macht Vorschläge!)

Und wenn wir schon beim ständigen Kritisieren sind, möchte ich jetzt gern Herrn Kolle­gen Schmiedlechner von der FPÖ ansprechen: Sie stellen sich immer ein bissel so hin, stilisieren sich als Rächer der Entrechteten der Agrarpolitik, und dann sind genau Sie derjenige, der im Landwirtschaftsausschuss hergeht und zu Kollegen Stammler von den Grünen sagt, dass er ja nur ein Hobbybauer ist, obwohl dieser einen Betrieb mit 20 Hek­tar bewirtschaftet. Sie sagen da ernsthaft: 20 Hektar ist ein Hobbybetrieb. – Da muss ich schon sagen: Wenn das Ihre Vorstellung von österreichischer Agrarpolitik ist, fehlt mir wirklich das Verständnis. Da kann ich nur den Kopf schütteln, und das, was Sie da sagen, geht auf keine Kuhhaut. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ganz klar nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gestaltet und auf die Gegenwart und Zukunft ausgerichtet, um diese zu gestalten. Da geht es auch um eine Nachhaltigkeit im Sinne der Generationengerechtigkeit. Da braucht es Zu­kunftsperspektiven und auch eine Planungssicherheit für unsere Bäuerinnen und Bau­ern.

Wir wissen, dass wir in Österreich die jüngste Landwirtschaft Europas haben. Das kommt nicht von irgendwo, das ist auch nicht selbstverständlich. Da muss man auch wirklich schauen, dass der Generationenwechsel gut funktioniert und da auch ansetzen. Die junge Landwirtschaft in Österreich muss gestärkt werden, und auch dazu finden sich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 148

ganz konkrete Maßnahmen, wenn man sich den GAP-Strategieplan zu Gemüte führt. Zum Beispiel in der ersten Säule: eine Einkommensunterstützung für Junglandwirte; in der zweiten Säule: Unterstützungen für jene, die das erste Mal einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, aber auch die landwirtschaftliche Ausbildung wird da unterstützt. Auch im Bereich der Investitionen, was gerade, wenn man einen Betrieb übernimmt, oft sehr, sehr wichtig ist, gibt es entsprechende zusätzliche Unterstützungen für Jungbauern.

Das Fortbestehen unserer bäuerlichen Familienbetriebe ist uns als Bauernbund und als ÖVP sehr wichtig.

Wir haben selber daheim einen Betrieb, den wir in der Familie bewirtschaften – dieser hat auch um die 20 Hektar, Herr Schmiedlechner, also kein Hobbybetrieb meiner Mei­nung nach (Abg. Schmiedlechner: Habe ich ja ganz anders gesagt! Bleib bei der Wahr­heit, ist g’scheiter!) –, und uns ist einfach wichtig, dass wir da als Familie gut zusammen­arbeiten, dass das weitergeht, dass die Arbeit schaffbar ist, dass trotzdem auch ein bissel was herausschaut und dass das dann auch in Zukunft gut weitergehen kann. (Abg. Schmiedlechner: Hast eh zugehört ...!) In der Landwirtschaft denkt man nämlich in Ge­nerationen, und darum ist es auch wichtig, dass das einfach wirklich langjährige Maß­nahmen sind, die da geplant sind.

Wir in der Landwirtschaft stehen vor großen Herausforderungen – wir haben das heute schon oft gehört –: Klimawandel, Kostensteigerungen, Einkommenssituation, die Erwar­tungshaltung der Gesellschaft.

Die GAP kann nicht alle diese Probleme lösen, aber sie ist ein wichtiges Instrument, damit man in vielen Bereichen Veränderungen auslösen kann und sich da einfach wieder weiterentwickeln kann.

Die GAP hat einen ökosozialen Ansatz, und das ist aber auch ein guter Ansatz. Da halte ich es ganz gern mit dem, was unser Bundesminister gestern hinsichtlich der Politik für unsere Bäuerinnen und Bauern schon gesagt hat: Sie muss „ökonomisch tragbar, ökolo­gisch machbar und sozial ausgewogen“ sein. Denn: Geht es unseren Bauern gut, geht es im Endeffekt uns allen gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Studenten der Universität Wien, im Fach Geschichte, recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen. – Herzlich willkom­men meine Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Als letzte Rednerin ist Frau Abgeordnete Doppelbauer gemeldet; sie hat es doch noch geschafft. – Bitte.


16.35.37

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Ich freue mich (in Richtung Bundesminister Totschnig), dass wir uns heute schon wieder sehen und dass wir heute in der Landwirtschaftspolitik die GAP dis­kutieren können. Sie kommen ja vom Fach – als Bauerbunddirektor haben Sie durchaus viel Ahnung von der Materie –, deswegen können wir auch schon in die Materie rein­springen. Ich fand das jetzt wahnsinnig erfrischend von meiner Vorrednerin: dass das eine epochale Geschichte war. (Abg. Michael Hammer: Ist es ja!) Ich sehe es ehrlich gesagt ein wenig anders. Ich glaube, es war durchaus eine verpasste Chance für die österreichische Landwirtschaftspolitik.

Warum sage ich das? Weil wiederum die Vision fehlt, es fehlt die Innovation; das fehlt. Es ist eh alles super in Österreich!, das ist natürlich wirklich gut drinnen, und auch: Wir haben es ja schon immer so gemacht, also bleiben wir halt auch dabei. (Abg. Strasser: Na, na, na, na!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 149

Ich habe es schon öfter ausgeführt, ich habe es wirklich schon des Öfteren ausgeführt (Abg. Michael Hammer: ... ausgeführt? Zum Gassi gehen?): Was in diesem Land fehlt, ist, dass sich einfach einmal jemand hinsetzt – und ich hoffe wirklich, dass Sie das sind, Herr Landwirtschaftsminister – und sich überlegt, wovon die Bauern in diesem Land in fünf, in zehn, in 15 oder auch in 20 Jahren leben werden.

Ich habe ja vernommen, Kollege Strasser (Abg. Strasser: So wie in Holland!), dass Sie vorhin gesagt haben, ich hätte gestern gesagt, dass das holländische Modell für Öster­reich anwendbar wäre. Sie haben sich vorhin bei Kollegen Leichtfried darüber be­schwert, dass er nicht zuhört. Ich würde es gern auch wiederholen und sinnerfassendes Zuhören, glaube ich, in dieser Debatte noch einmal in den Vordergrund stellen (Abg. Schmiedlechner: Ist schwierig bei der ÖVP!), denn was ich gestern gesagt habe, ist, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Was die Holländer aber gemacht haben – und ich habe das auch gestern schon, auf Ihren Zwischenruf hin, noch einmal erklärt, ich mache es gern ein drittes Mal, damit es dann auch hängen bleibt –, ist das Folgende: Sie haben sich etwas überlegt. Sie haben einfach überlegt: Was ist unsere Vision für unser Land und wie kommen wir dorthin? – Und das ziehen die durch. Vision 2050 hieß das in Holland, und das ziehen die durch. Bei uns hat man ein bissel so das Gefühl, wenn man auf die österreichische Landwirt­schaftspolitik schaut, es ist die Vision 1950. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Da werden wir nicht mehr hinkommen. Und warum sage ich das? Weil die neuen Einkommensarten für die Landwirtschaft in diesem Land fehlen. Es gäbe Möglichkeiten im Energiebereich, es gäbe Möglichkeiten bei der CO2-Speicherung. Man macht überall ein bissel etwas, aber nichts wirklich – um eben den Bauern wieder zu ermöglichen, als Unternehmer ihr Einkommen zu erwirtschaften – richtig umfassend.

Wenn wir über Visionen reden, dann könnte man hier manchmal, wenn ich es mir so ein bissel anschaue und ein bissel anhöre – auch im Landwirtschaftsausschuss –, eher das Gefühl kriegen, dass die Vision der ÖVP ist, dass man das Ganze halt vielleicht doch ein bissel verstaatlicht und die Bauern einfach beim Staat anstellt, denn so ist die Förder­politik im Augenblick ausgerichtet. (Abg. Strasser: Also weg mit den Förderungen!) – Das ist ein guter Punkt: Weg mit den Förderungen! Ich glaube, der Punkt ist, dass wir uns anschauen müssen, wofür die Förderungen bezahlt werden. Das ist ja heute auch in der Tierwohldiskussion wirklich wunderbar bildlich zum Vorschein gekommen, nämlich diese große Diskrepanz, die zwischen den Konsumentinnen und den Konsumenten und der Landwirtschaft vorherrscht.

Ich glaube, da ist in den letzten 20, 25 Jahren wirklich etwas misslungen, nämlich diese Brücke zu schlagen. Wenn wir hier von Förderungen sprechen – und ja, wir als NEOS befürworten, dass Förderungen ausbezahlt werden –, dann sollte das aus unserer Sicht nicht so sein, dass man eine Förderung kriegt, weil man Fläche besitzt, sondern weil man Leistungen für die Gesellschaft erbringt. Das ist es doch. (Beifall bei den NEOS. Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Und was ist Leistung für die Gesellschaft? Sauberes Wasser, ein fruchtbarer Boden, Tierwohl. Dafür können wir gerne Förderungen ausgeben, und das ist die Transformation des Systems, die eigentlich passieren sollte, und nicht das, was die ÖVP hier ständig fordert. (Abg. Strasser: Aber da haben Sie unsere Unterlagen nicht gelesen! Das ist die Gemeinsame Agrarpolitik, Frau Kollegin!)

Ich glaube, dass wir das durchaus anders sehen und dass wir da noch viel Diskus­sionsbedarf haben. Ich glaube, mit dieser GAP ist eine Chance verstrichen, um die Landwirtschaft in Österreich wirklich auf den Weg zu bringen, wieder eine innovative und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 150

eine Vorreiterrolle einzunehmen. Das ist sehr schade, aber wir NEOS werden dranblei­ben und hier mit vielen Vorschlägen weiter unterstützen. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

16.39


16.39.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet und damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich fragen, ob wir abstimmen können: SPÖ? Grüne? NEOS? FPÖ? ÖVP?

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.

Es liegt ein Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tagesordnungspunkt 5 vor.

Ich lasse daher sogleich darüber abstimmen, den Gesetzentwurf in 1442 der Beilagen noch einmal an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zu verweisen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minder­heit, der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die einzelnen Tagesordnungspunkte, die wir wie üb­lich getrennt vornehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz, das Landwirtschaftsgesetz und das AMA-Gesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1442 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer das auch in dritter Lesung tut, wird um ein dementsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1452 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Aus­schusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1453 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen der Bejahung tun. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1454 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.

Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1455 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.

Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 1456 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 151

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen der Zustimmung bekunden. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

16.42.3911. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2503/A der Abge­ordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden (1457 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 11. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gödl, bei ihm steht das Wort. – Herr Abgeordneter, bitte sehr.


16.43.14

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesmi­nisterin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir beschließen heute die Novellierung von drei Gesetzen im Zusammenhang mit der Situation von aus der Ukraine geflüchteten Menschen: das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz und das Bildungsdokumentationsgesetz.

Warum machen wir das? – Weil wir seit 24. Februar eine veränderte Lage in Europa haben. Durch den Krieg in der Ukraine sind ja leider sehr, sehr viele Menschen in die Flucht getrieben worden, und da die Ukraine in unserer unmittelbaren Nachbarschaft liegt, fast ein Nachbarland von uns ist, ist es auch unsere ganz große Pflicht, da rasch und unbürokratisch zu helfen.

Wie Sie wissen, hat auch die Europäische Union sehr schnell reagiert. Sie hat die soge­nannte Massenzustromrichtlinie – das ist kein sehr schönes Wort, aber es sagt eben aus, dass, sollte es zu einer großen Fluchtbewegung in Europa kommen, besondere Regeln, die in allen EU-Staaten zur Anwendung kommen sollen, gelten – aktiviert. Auf Grundlage dieser Richtlinie und auch auf Grundlage des § 62 unseres Asylgesetzes hat die Bundesregierung bereits am 11. März die sogenannte Vertriebenen-Verordnung er­lassen.

In der Vertriebenen-Verordnung wird festgelegt, dass Menschen, die aus der Ukraine flüchten müssen, einen besonderen Status erhalten und besonders einfach bei uns auf­enthaltig werden können. Darin wird festgelegt, dass ein vorübergehender Schutz ge­währt wird, ohne dass es – wie sonst im Asylrecht üblich – eine Einzelfallprüfung gibt. Es gibt also ohne Einzelfallprüfung einen Aufenthaltstitel, Zugang zum Arbeitsmarkt, Zu­gang zu Wohnraum, Zugang zu medizinischer Versorgung und natürlich auch Zugang zu Bildungseinrichtungen. Das ist gerade im Hinblick auf die Situation der aus der Ukrai­ne Geflüchteten besonders wichtig, weil, wie wir wissen, sehr viele Frauen mit ihren Kin­dern zu uns gekommen sind und nach wie vor kommen.

Derzeit sind etwa 72 000 Ukrainerinnen und Ukrainer bei uns registriert. Viel mehr sind zu uns gekommen, viele sind in andere Länder, wo sie vielleicht persönliche Anknüp­fungspunkte haben, weitergereist, manche auch schon wieder zurück in ihre Wohnge­biete in der Ukraine, etwa in der Westukraine, wo es derzeit zu weniger oder gar keinen kriegerischen Auseinandersetzungen kommt und es daher möglich ist, weiterhin dort zu wohnen. Wie gesagt sind aber 72 000 Menschen bei uns registriert, und wir sind somit verpflichtet, die bestmögliche Aufnahme für sie zu gewährleisten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 152

Mit diesen Gesetzesänderungen, die wir jetzt beschließen werden, wollen wir sicherstel­len, dass im Bereich des Integrationsgesetzes jene, die wir als Vertriebene bezeichnen, ebenso Zugang zu den Integrationsmaßnahmen, die über das Integrationsgesetz im Wege des ÖIF, des Österreichischen Integrationsfonds, angeboten werden, haben. Da geht es einerseits um einen ganz schnellen Zugang zu Deutschkursen und andererseits auch um Zugang zu Orientierungsgesprächen und Orientierungskursen, um Integration bestmöglich voranzutreiben.

Natürlich ist das Ziel, dass der Krieg schnell endet und viele Ukrainerinnen und Ukrainer schnellstmöglich zurück in ihr Heimatland können – das ist ja völlig selbstverständlich ‑, wir wissen aber aus der Vergangenheit, dass, wenn kriegerische Auseinandersetzungen länger dauern, ein gewisser Teil sich dann hier bei uns heimisch fühlt und auch bleiben wird. Es ist daher wichtig und richtig, dass wir bereits jetzt auch breite Integrationsmaß­nahmen anbieten.

Das zweite Gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, soll helfen, auch Berufs­qualifikationen schnellstmöglich anzuerkennen. Das muss man sich so vorstellen: Prin­zipiell muss man bei einer Anerkennung von Berufsqualifikationen ja Ausbildungsnach­weise vorlegen. Wenn man aber aus einem Kriegsgebiet kommt, schnell flüchten muss, wenn vielleicht die Wohnung oder das Haus zerbombt, abgebrannt ist, dann kann es oft sein, dass diese Nachweise nicht zu erbringen sind. Dafür gibt es eine Regelung, und diese Regelung wird jetzt auch betreffend die Vertriebenen angepasst.

Zum Dritten das Bildungsdokumentationsgesetz: Da wollen wir sicherstellen, dass auch der Schulbesuch für Kinder aus der Ukraine so gut und schnell wie möglich gewährleistet werden soll.

Insgesamt, glaube ich, muss unser Ziel sein, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit für die, die jetzt bei uns angekommen sind, schnellstmöglich gesichert wird.

Meine Damen und Herren, für uns ist das eine Frage von Hilfe vor Ort. Es wird viel dis­kutiert, in welchem Ausmaß Asyl, das Asylwesen und der Status der Vertriebenen gleich­gestellt werden oder inwiefern er unterschiedlich sein soll. Wir als Volkspartei bekennen uns zu dem, was wir immer eingefordert und gesagt haben: Die wichtigste Hilfe in jeder Auseinandersetzung, in jeder Fluchtbewegung ist die Hilfe vor Ort. Wir sind quasi die Nachbarn. Es liegt nur ein Land zwischen uns und der Ukraine – Ungarn –, die Entfer­nung von Grenze zu Grenze beträgt ein bisschen mehr als 400 Kilometer. Wir sind Nach­barn, wir als Österreich leisten Hilfe vor Ort. Es ist daher gut und richtig, wenn wir unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen, um diese Hilfe vor Ort auch zu gewähr­leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Abschluss: Ganz großer Dank gilt vielen Institutionen, aber ganz besonders der Zivilgesellschaft, die in dieser Phase mit Wohnraum, mit Unterstützung der bei uns ange­kommenen Vertriebenen sehr, sehr viel geholfen hat, ganz großer Dank gilt aber auch dem Österreichischen Integrationsfonds. Ich war in den letzten drei, vier Wochen selbst zweimal in Wien und habe mir die Lage vor Ort angeschaut: Es wurden eigene An­kunftsstellen eingerichtet, damit die Aufnahme, die Registrierung für die Vertriebenen möglichst unbürokratisch vonstattengehen kann. – Ich möchte mich auch bei dir, Frau Bundesministerin, sehr, sehr herzlich bedanken: für die vielen Initiativen – zum Beispiel die Ehrenamtsförderung in diesem Bereich und ein Buddyprogramm, ein Unterstüt­zungsprogramm auf schulischer Ebene –, damit diese vielen Menschen, die in einer schwierigen Situation sind, hier in Österreich auch bestmöglich unterstützt werden.

Ich denke, es ist gut, wenn wir diese Gesetze jetzt beschließen, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer, die bei uns sein müssen, weil sie flüchten müssen, wirklich bestmöglich aufgenommen werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.50



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 153

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.


16.50.13

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Mit 24. Februar beginnt in Europa der Krieg, der Krieg in der Ukraine, ein Angriffs­krieg, den wir klar verurteilen.

Europa spricht mit einer Stimme – das ist auch gut so – und Österreich beginnt sofort zu helfen. Die Stadt Wien schickt schon an diesem Tag die ersten zwei Konvois mit Hilfs­gütern in die Ukraine. Österreich wird dabei menschlich helfen, sozial, humanitär helfen, das ist klar, aber ich sage dazu auch: Österreich ist natürlich neutral. Österreich ist mili­tärisch neutral und wird sicher nicht in den Krieg eingreifen, aber natürlich und selbstver­ständlich sagt die SPÖ Ja zu der humanitären Hilfe, die wir diesbezüglich leisten.

Die Aufnahme von Flüchtlingen, von Vertriebenen aus der Ukraine gestaltet sich vor allem so, dass Frauen, Kinder und ältere Menschen zu uns kommen. Die Versorgung, die Unterbringung und das Überleben dieser Menschen werden vielfach gesichert, viel­fach natürlich auch mit privater Hilfe – aber war das eine Integration vom ersten Tag an?

Wenn Kollege Abgeordneter Gödl sagt, „bereits jetzt“ – Zitat – wird geholfen, dann sage ich: Wir haben den 19. Mai. Es ist fast drei Monate her, dass die Invasion Putins in der Ukraine begann. Ich glaube, bezüglich der Maßnahmen, die wir heute hier gesetzlich beschließen, von „bereits jetzt“ zu sprechen, ist eine starke Untertreibung.

Die Maßnahmen der Regierung, die Maßnahmen, um die Ukrainer und Ukrainerinnen effizient und schnell zu integrieren, sind noch immer in der Startphase. Viele Ukrainer und Ukrainerinnen haben bis jetzt keine Hilfe seitens des Staates gesehen, aber Ver­triebenen zu helfen heißt Armut bekämpfen, heißt Chancen geben, und das betrifft na­türlich auch die Anerkennung, das Anrechnen von Qualifikationen und Berufsausbil­dungen.

Es kommen viele Ukrainer und Ukrainerinnen – im Moment sehr viele Ukrainerinnen –mit einer guten Ausbildung zu uns, die natürlich auch für den österreichischen Arbeits­markt interessant wären, und viele dieser Menschen wollen auch selbst arbeiten, wollen mitmachen. Das sind Fachkräfte aus dem Pflege- und Sozialbereich, das sind Fachkräf­te – vor allem auch aus Kiew und der Westukraine – aus dem IT-Bereich.

Österreich ist aber, was die Standardisierung von Anerkennung und die Anrechnung von Ausbildungen betrifft, ein Fleckerlteppich. Die Regierung verfehlt hier in den letzten Jah­ren – und auch bei dieser Maßnahme jetzt –, dass wir zu einer Standardisierung von Anrechnung und der Anerkennung von Ausbildungen von Fachkräften kommen.

Den Maßnahmen zur Integration ukrainischer Vertriebener insgesamt wird die SPÖ selbstverständlich zustimmen, was ich aber kritisch noch anmerken will, das ist die Ver­tagungspraxis von ÖVP und Grünen in den Ausschüssen. Wir liefern ja dieses Gesetz seitens des Menschenrechtsausschusses, wo wir es behandelt haben, aber im Men­schenrechtsausschuss werden Gesetzesvorschläge von der Opposition zuhauf vertagt.

Der neue Landwirtschaftsminister sagt: Wir reichen dem Parlament die Hand, wir reichen der Opposition die Hand! – Ja, dann müssen sich aber Grün und Türkis ändern und in den Ausschüssen auch Anträge der Opposition zulassen. Das ist nicht der Fall. (Beifall bei der SPÖ.) Daher sehe ich seitens der Regierung keinen Kooperationswillen. Das ist schade, und ich glaube, Neuwahlen würden Österreich guttun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Lasst’s den Doskozil!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 154

16.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete El-Na­gashi. – Bitte.


16.54.32

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Wir haben jetzt wieder einmal Gelegenheit – es passiert selten –, eine integrationspolitische Debatte zu führen, und zwar anhand einer Änderung des Integra­tionsgesetzes, des Anerkennungs- und Bewertungsgesetzes, des Bildungsdokumenta­tionsgesetzes – sehr sinnvolle Maßnahmen für eine bestimmte Gruppe, nämlich für ukrainische Geflüchtete. Es ist sehr sinnvoll, diesbezüglich Zuständigkeiten zu klären, auch Verfahren zu vereinfachen und hier auch einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen.

Gleichzeitig wird hier ein neuer Zugang gesetzlich verankert, ein neues Modell, nämlich etwas, von dem ich, von dem wir integrationspolitisch überzeugt sind, nämlich das Mo­dell Integration ab Tag eins. Das ist ein richtiger Zugang. Integration ab Tag eins: keine Wartezeit beim Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Selbsterhaltungsfähigkeit, zu Deutsch­kursen, zu Integrationsangeboten, zu Orientierungskursen – eine sehr sinnvolle Maß­nahme im Integrationsbereich, eigentlich ein Erfolgsmodell im Integrationsbereich.

Während wir jetzt diesen Zugang für eine Gruppe von Geflüchteten gesetzlich veran­kern, sehen wir zwei Sachen: Wir sehen, dass wir einerseits unter den Geflüchteten un­terscheiden und dass wir verschiedene Gruppen von Geflüchteten haben – rechtlich be­gründet –, und gleichzeitig sehen wir aber auch, was fehlt und was bei dem, wie wir gesetzliche Rahmenbedingungen für andere Geflüchtete schaffen, nicht ausreichend gegeben ist.

Das ist etwas, das für manche Menschen mehr Chancen ermöglicht – was richtig ist –, aber anderen Menschen weniger Chancen bietet. Integrationspolitik sollte sich zentral, im Kern, dem verschreiben, Chancen zu schaffen und Perspektiven zu schaffen.

Dann ist auch die Frage: Wie sehen wir Integration allgemein? Was ist etwas, das Chan­cen bringt? Was ist etwas, das Zugang ermöglicht? – Da gibt es unterschiedliche Sicht­weisen. Auch: Was kann ein Motor für Integration sein?

Wir haben eine ähnliche Debatte schon vor einem Jahr geführt – leider sprechen wir nicht so oft über Integrationspolitik –, und ein Motor für Integration, und das sagen viele und davon bin auch ich überzeugt, sind die Staatsbürgerschaft und der Zugang zur Staatsbürgerschaft. In Österreich sind die Hürden für die Einbürgerung sehr hoch, viel zu hoch, und hängen auch mit Einkommensmöglichkeiten zusammen. Dadurch sind sehr viele Menschen, die in Österreich leben, hier geboren und aufgewachsen sind, davon ausgeschlossen. Das hat massive Auswirkungen auf ihre Perspektiven und Le­bensmöglichkeiten.

Es gibt viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die das thematisieren. SOS Mit­mensch hat eine große Kampagne gestartet – hiergeboren –, die ich inhaltlich auch un­terstütze. Es ist gut und wichtig, dass wir dieses Thema immer wieder ansprechen, um hier eine Auseinandersetzung darüber zu führen.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei der Zivilgesellschaft bedanken, die – Kollege Troch hat das vorhin angesprochen, und ich glaube, wir wissen das – seit dem ersten Tag wirklich Unterstützung geleistet hat: bei den ukrainischen Geflüchteten ebenso wie bereits 2015 bei den Geflüchteten aus Afghanistan und aus Syrien. Ohne die Arbeit und den Beitrag und das Engagement der Zivilgesellschaft wäre Integrationspolitik in Öster­reich und auch anderswo nicht möglich. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 155

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Shetty. – Bitte.


16.58.10

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Ja, Kollegin El-Nagashi, vielleicht darf ich da gleich direkt anschließen: Also wenn man vonseiten der Grünen über eine Aufwertung der Staatsbürgerschaft spricht – da sind wir vielleicht im Zugang ein bisschen anders, aber grundsätzlich der gleichen Meinung –, dann ist vielleicht nicht das ganze Parlament hier richtig adressiert, sondern primär auch einmal der Koalitionspartner, der ja davon spricht, dass es zu einer Entwertung der Staatsbürgerschaft führen würde, wenn man anderen Menschen, die keine österreichische Staatsbürgerschaft haben, den Zugang erleichtert – also eigentlich eine Art Entmenschlichung von Menschen, die die Staatsbürgerschaft erlangen möchten.

Also bitte da auch einmal in der Koalition mit dem Koalitionspartner sprechen, denn diese Art, wie hier darüber gesprochen wird, finde ich wirklich unerträglich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir diskutieren heute aber über Nachbesserungen im Integrationsbereich und ganz kon­kret über Verbesserungen für Vertriebene, über einen besseren Zugang zu Deutsch­kursen, über schnellere Nostrifizierungsverfahren und damit auch eine bessere Integra­tion in den österreichischen Arbeitsmarkt. Das ist begrüßenswert. Insbesondere der ra­sche Zugang zum österreichischen Bildungssystem für die Jüngsten, für geflüchtete ukrainische Schülerinnen und Schüler, ist besonders relevant.

Wir unterstützen dieses Paket hier heute natürlich. Viele dieser Forderungen haben wir im Detail ja auch schon länger aufgestellt.

Jetzt kann man natürlich sagen: Die Ukrainekrise ist sehr plötzlich gekommen!, aber wir haben immer schon gesagt: Wir müssen auch die Lehren aus 2015 ziehen, wir müssen uns auch auf große Flüchtlingsbewegungen besser vorbereiten. Dann wäre es nicht so, wie es jetzt ist – wie es gekommen ist, also dass man ein Paket schnell durch das Par­lament peitschen muss, weil man eben die Regeln schaffen muss –, sondern dann wä­ren wir darauf besser vorbereitet gewesen.

Das ist schon auch etwas, was wir durchaus kritisieren. Es gibt ja keinen eigenen Inte­grationsausschuss, deswegen wurde das extrem schnell in den Menschenrechtsaus­schuss verfrachtet, wo es eigentlich nicht hingehört. Dort war auch außer Kollegin El-Nagashi kein einziger anderer Integrationssprecher, weil das terminlich so kurzfristig war. Das ist auch kein wirklich guter Umgang mit dem Parlament.

Ja, Integration ab Tag eins, das sagen wir auch schon sehr lange und das halten wir für extrem wichtig. Ich finde es schade, dass von der FPÖ niemand dazu spricht, weil die FPÖ die einzige Partei ist, die dieses umfassende Integrationspaket ablehnt. Ich möchte dazu schon noch etwas sagen: Natürlich hoffen wir, dass möglichst viele Ukrainerinnen und Ukrainer, wenn der Krieg vorbei ist, zurück in die Ukraine gehen können – denn das wollen ja auch sie zu großen Teilen –, aber wir wissen nicht, wie lange dieser Krieg dauern wird, und wir müssen damit rechnen, dass ein Teil der Ukrainerinnen und Ukrai­ner in Österreich bleiben wird. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wir hören heute Ihre Gründe dafür nicht, weil Sie sich nicht zu Wort melden, aber dass Sie von der FPÖ als einzige Partei sagen: Wir lehnen das ab!, das finde ich so be­zeichnend für den Zugang der FPÖ zur Integrationspolitik, denn auf der einen Seite sind Sie gegen Integrationsmaßnahmen, um sich dann andererseits darüber zu beschweren, dass die Menschen nicht gut integriert sind. Und so geht das nicht! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi.)

Dieses Integrationspaket darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir noch weitere große Herausforderungen haben. Ich möchte Ihnen ein paar aufzählen.

Erstens: Ein Großteil der Vertriebenen ist in Wien und die Jungen vor allem in Wiener Schulen, aber Wien erhält nicht die finanzielle und personelle Unterstützung, die es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 156

bräuchte. Das halte ich für fahrlässig. Frau Ministerin, man kann nicht bei Pressekonfe­renzen behaupten, dass man alles tut, um die Ukrainer und Ukrainerinnen zu unterstüt­zen, dann aber nicht das nötige Geld fließen lassen und auch nicht die erforderliche Unterstützung zukommen lassen.

Zweitens: Die familiengerechte Unterbringung ist noch immer ein Riesenthema. Auch dabei verlässt sich die türkis-grüne Bundesregierung viel zu sehr auf Privatinitiativen. Das wird aber nicht weiter so zu stemmen sein, von der medizinischen und psychologi­schen Betreuung ganz zu schweigen.

Es ist also noch viel zu tun. Ich möchte abschließend noch einen Vorschlag aus dem Menschenrechtsausschuss aufgreifen, nämlich darüber zu diskutieren, ob es nicht gut wäre, im Parlament einen Integrationsausschuss einzuführen. Wir haben eine Ministerin, die zuständig ist, wir haben ein Ministerium, aber kein Pendant im Parlament. Wenn man Integrationspolitik ernst nehmen möchte, dann wäre ein solcher Integrationsausschuss dringend notwendig. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. El-Nagashi.)

17.02


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Romana Deckenba­cher. – Bitte.


17.02.20

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor etwa einem Monat hatte ich eine Begegnung mit einer Lehrerin aus der Ukraine, die mit ihrem achtjährigen Sohn flüchten musste. Ich sage Ihnen, ich stand einer unglaublich starken, intelligenten, aber von den Ereignissen traumatisierten jungen Frau gegenüber. Im Laufe dieses Gesprä­ches hat sie mir unter anderem auch erzählt, wie wichtig es für sie ist, dass ihr Sohn bald die Schule besuchen kann, und wie wichtig es für sie auch ist, bald arbeiten gehen zu können. Welche Antworten haben wir für diese Frau, die stellvertretend für viele andere Vertriebene steht?

Auf der einen Seite soll mit der Anerkennung und Bewertung von ausländischen Bil­dungsabschlüssen und Berufsqualifikationen dieser Frau ein rascher Einstieg in den Beruf ermöglicht werden, andererseits soll mit der Änderung des Bildungsdokumenta­tionsgesetzes ihrem Sohn der Schulbesuch leichter möglich werden. Rund 5 000 Kinder und Jugendliche, die aus der Ukraine geflüchtet sind, sind in Österreichs Schulen gemel­det, davon circa 1 300 in Wien. Vertriebene Kinder und Jugendliche aus der Ukraine sollen nach ihrer Einreise in Österreich so rasch wie möglich einen Schulplatz erhalten. Das ist das Ziel, denn Schule kann in dieser besonderen Situation eine wichtige mentale, aber auch soziale Basis sein.

Sogenannte Vertriebene, zu denen Geflüchtete aus der Ukraine zählen, hat die Bundes­regierung nun mit den Änderungen in das Integrationsgesetz aufgenommen. Das be­deutet Deutschkurse, Orientierungskurse, aber auch viele Orientierungsgespräche. Sich in einem Land zu orientieren heißt, sich mit der Sprache, mit der Kultur, mit den Werten, mit der Geschichte, aber auch mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen eines Lan­des auseinanderzusetzen.

Das Erlernen der deutschen Sprache ist Grundvoraussetzung für eine gelungene Inte­gration. Sie ist Basis für einen erfolgreichen Schulabschluss, aber auch für den Einstieg ins Berufsleben, besonders für die Erwachsenen und vor allem für die Frauen, die mit ihren Kindern hier sind. Wir schaffen damit für die ukrainischen Vertriebenen eine rasche und zielsichere Integration in Österreich.

An dieser Stelle möchte ich besonders auf das Buddyprogramm hinweisen, das gemein­sam mit dem Österreichischen Integrationsfonds, unserer Integrationsministerin, dem


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Bildungsminister, der Staatssekretärin, den Bildungsdirektoren, aber auch zahlreichen ehrenamtlichen Vereinen und Organisationen ins Leben gerufen wurde. Die Landjugend, die Österreichische Blasmusikjugend, die Sportunion, die Feuerwehrjugend, die Katholi­sche Jungschar, die Pfadfinder und viele, viele andere Vereine und Organisationen be­teiligen sich an diesem Buddyprogramm. (Beifall bei ÖVP.)

Dieses Programm läuft seit 12. Mai und verfolgt das Ziel, die vertriebenen Jugendlichen dabei zu unterstützen, in Österreich anzukommen. Anzukommen ist besonders für junge Menschen wichtig, denn sie wurden brutal aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und mussten ihre Heimat verlassen. Ich möchte es noch einmal mit den Worten unserer Integrationsministerin sagen: „Jeder junge Mensch hat eine sorgenfreie und schöne Ju­gend verdient.“

Meine Damen und Herren! Österreich liegt im Herzen Europas, und in diesem Herzen sollen die vertriebenen Menschen auch ankommen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.06


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


17.06.18

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der Krieg in der Ukraine hat die Lebenswelt von Mil­lionen Ukrainerinnen und Ukrainern dramatisch verändert. Laut UNHCR sind bereits rund 6,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht, mussten das Land ver­lassen. Ein Großteil davon sind, wie wir wissen, Frauen und Kinder.

Davon haben über 70 000 Menschen bei uns in Österreich Zuflucht gefunden, wurden sozusagen – wie es heißt – bei uns registriert, was irgendwie Ausdruck davon ist, dass man in unserem Land bleiben möchte, hier Zuflucht findet und natürlich auch in den Alltag finden möchte. Die Bleibeperspektive ist natürlich nicht geklärt, und viele Ukrai­nerinnen und Ukrainer, die bei uns sind, haben den Wunsch, wieder zurückzugehen. Wir wissen jedoch nicht, wie sich der Krieg entwickeln wird.

Europa steht geschlossen in Solidarität mit der Ukraine. Das betrifft auch den rechtlichen Rahmen, den wir für jene Ukrainerinnen und Ukrainer geschaffen haben, die bei uns Zuflucht finden. Wir haben eine gemeinsame Richtlinie verabschiedet, die kurz nach Ausbruch des Krieges in Kraft getreten ist, die sozusagen den Rahmen für alle Integra­tionsmaßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union bildet.

Auf der Basis dieser Maßnahmen setzen wir natürlich Integrationsstrukturen auf: Da set­zen wir an, was den Arbeitsmarkt betrifft, was die Deutschkurse betrifft und natürlich auch, was die Bildungseinrichtungen und Kindergärten betrifft.

Wir haben in den letzten Wochen bereits viel zustande gebracht. Wir haben aufbauend auf dem Bestehenden neue Strukturen, wie beispielsweise die sogenannten Service­points geschaffen, um es den Frauen und Kindern unbürokratisch zu ermöglichen, sich Informationen zu organisieren, wie sie die Kinder in der Schule unterbringen, wie sie die Kinder im Kindergarten anmelden, wie sie Zugang zum Arbeitsmarkt finden, wo sie sich für einen Deutschkurs anmelden, wie sie den Anschluss an unser Gesundheitssystem finden können.

Wir haben ein umfassendes Deutschkursangebot in allen Regionen zur Verfügung ge­stellt, das wir natürlich auch an die ukrainischen Bedürfnisse angepasst haben, denn viele Menschen, die jetzt kommen, starten mit einem bereits hohen Bildungsniveau,


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bringen oft auch schon Deutschkenntnisse oder zumindest Englischkenntnisse mit. Wir haben die Ehrenamtsförderung ausgebaut, weil es wichtig ist, dass Ehrenamtliche in all ihrem Engagement in Österreich Unterstützung bekommen, ihnen unter die Arme gegrif­fen wird und sie auch staatlich gefördert werden.

Wir haben ein Buddysystem auf die Beine gestellt, das in ganz Österreich sicherstellt, dass junge Menschen, die in unserem Land aufgewachsen sind, ukrainischen Jugendli­chen helfen, die Freizeit gemeinsam wertvoll zu gestalten, weil eben auch in der Begeg­nung Integration stattfindet.

All das haben wir geschafft, und jetzt möchten wir diese Strukturen sozusagen auch in einen gesetzlichen Rahmen fassen. Ich möchte betonen, dass das jetzt wirklich nicht der Startschuss für die Dinge ist, die wir bereits in den letzten Wochen und Monaten um­gesetzt haben, sondern einfach auch durch entsprechende Gesetze Rechtssicherheit für ukrainische Vertriebene, die einen eigenen rechtlichen Status haben, schaffen soll.

Ich bedanke mich dafür, dass wir im Ausschuss die beiden gesetzlichen Änderungen gemeinsam besprechen konnten. Es handelt sich auf der einen Seite um das Integra­tionsgesetz, in das wir nun die neue Zielgruppe der ukrainischen Vertriebenen aufneh­men, damit alle einen Anspruch, eine Möglichkeit haben, einen Deutschkurs zu besu­chen, damit die Orientierungsmaßnahmen des Österreichischen Integrationsfonds allen zugutekommen.

Zum Zweiten handelt es sich auch um die Änderung des Anerkennungs- und Bewer­tungsgesetzes, etwas, das mir persönlich wahnsinnig wichtig ist. Es gibt große Poten­ziale, die mit den Menschen kommen, eine große Bereitschaft, in den Arbeitsmarkt ein­zutreten. Die Ukrainerinnen und Ukrainer möchten schnellstmöglich auf dem Arbeits­markt Fuß fassen. Es gibt auch einen großen Arbeitskräftebedarf. Daher ist die Aner­kennung von mitgebrachten Qualifikationen ein Schlüssel dafür, dass die Menschen ei­nerseits in unserem Land Fuß fassen können und andererseits auf dem Arbeitsmarkt ihren Beitrag leisten können.

Wir werden daher mit dem Gesetz sicherstellen, dass beispielsweise auch Qualifika­tionen, die aufgrund fehlender Dokumente, die durch die Kriegsflucht nicht beigebracht und damit belegt werden können, informell bewertet werden können. Wir werden sicher­stellen, dass die Bürokratie für die ukrainischen Vertriebenen auf ein Minimum zurückge­schraubt wird, dass man sozusagen rasch mit kürzeren Fristen zu seiner Anerkennung kommt. All das ist die Basis des Anerkennungs- und Bewertungsgesetzes.

Selbstverständlich glaube ich, dass man sich immer und überall verbessern kann. Gera­de die Anerkennung von Qualifikationen ist etwas, an dem wir innerhalb der Bundesre­gierung noch weiterarbeiten. Ich bin froh, dass wir mit der bestehenden Novellierung einmal eine gute Basis schaffen. Ich möchte mich auch sehr herzlich für die breite Zu­stimmung im Vorfeld bedanken. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.11


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz zu Wort. – Bitte.


17.11.46

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Integration von Anfang an, das muss die oberste Devise sein. Das steht auch in dem Antrag drinnen. Jetzt kommt aber der Moment, wo der Aff’ ins Wasser springt. Was verstehen die Regierungsparteien unter „von Anfang an“?

Seit 24.2. kommen ukrainische Familien, Frauen und Kinder nach Österreich. Erst jetzt, nach drei Monaten, beschließen wir eine gesetzliche Grundlage dafür, dass Maßnahmen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 159

passieren können. (Abg. Gödl: Es gibt die Vertriebenen-Verordnung! Bitte nicht so falsch reden!) Bis dahin sollen die Menschen registriert werden. Frau Horaczek - ­- (Abg. Gödl: Es gibt die Vertriebenen-Verordnung! Nein, bitte! Nein, bitte! Nein, nicht! Nein, bitte!) – Kommen Sie her, dann sehen Sie es! (Die Rednerin deutet auf ihre Unterlagen.)

Frau Horaczek schreibt im „Falter“ am 27.4., dass bis dahin 500 Erstgespräche stattge­funden haben. Erstgespräche sind notwendig, damit die Leute vom Österreichischen Integrationsfonds einen Kurs bekommen können. (Ruf bei der ÖVP: Was?) Vor einem Monat waren von den bis jetzt 70 000 Menschen 500 Leute registriert. Das ist Bürokratie pur.

Wer schnell hilft, hilft doppelt. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Realität. Sie erzählen uns hier von den Programmen, davon, was Sie alles gemacht haben. Wer wirklich viel gemacht hat, sind die NGOs und freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ankunftszentren und in den Bahnhöfen. Die haben wirklich etwas gemacht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Was haben Sie bis jetzt angekündigt? – Zum Beispiel hat Herr Wöginger, der Klubob­mann, gesagt, die Zuverdienstgrenze in der Grundversorgung soll erhöht werden. Ist das geschehen? Gibt es da einen konkreten Vorschlag? – Nicht dass ich wüsste.

Es wurde angekündigt, dass Schutzsuchende aus der Ukraine, die eine Arbeit gefunden haben, die Kinderbeihilfe bekommen sollen. Gibt es da eine Antwort? – Die Frau Minis­terin verweist auf Verhandlungen und Expertengespräche. Es gibt keine Entscheidung.

Den besten Vorschlag hatte aber der Innenminister, der hat heute den Vogel abge­schossen. Er hat gesagt, sie dürfen in der Grundversorgung 110 Euro dazuverdienen und von allem, was darüber liegt, sollen ihnen in der Grundversorgung pro Euro 70 Cent weggenommen werden. 70 Cent pro Euro bedeutet 70 Prozent Steuern. Das ist der Vor­schlag des Herrn Innenministers. Ich habe keine Ahnung, ob er jetzt damit durchkommt oder nicht. Ich schaue (in Richtung Grüne) zu euch. – Ja, er kommt damit durch, okay. (Heiterkeit und Widerspruch bei den Grünen.) – Liebe Leute, er macht diesen Vorschlag. Das sind Ankündigungen, mit denen man nicht arbeiten kann. (Beifall bei der SPÖ.) Bitte setzt euch zusammen und macht seriöse Vorschläge, damit wir wirklich schnell helfen können, denn sonst wird es einfach nicht gehen!

Auf der anderen Seite gibt es die Blackbox ÖIF. Was macht der wirklich? Sie sagen uns da Sachen, also ich weiß nicht - - (Abg. Gödl: Gehen Sie einmal hin zum ...! Gehen Sie einmal hin!) Wie viele Deutschkurse wurden jetzt bereitgestellt? Wie viele werden noch bereitgestellt werden müssen? Wie viele Dolmetscherinnen und Dolmetscher hat der Österreichische Integrationsfonds, die der ukrainischen Sprache mächtig sind? (Zwi­schenruf des Abg. Gödl.) – Bitte hören Sie mir auf! Das sind nur Hin- und Herschiebe­reien. In der Praxis passiert leider viel zu wenig.

Herr Flüchtlingskoordinator Takacs rechnet sogar mit bis zu 200 000 Flüchtlingen, die zu uns kommen könnten. Was machen Sie denn dann, wenn wir seit drei Monaten nicht einmal die 60 000 auf die Reihe bekommen? Wir haben jetzt erst die gesetzliche Grund­lage. Ich finde es einfach schade, weil hier eine Einigkeit darüber herrscht, diesen Ver­triebenen – Sie haben einen neuen Ausdruck dafür gefunden – wirklich zu helfen. Wir können so aber nicht helfen. Wieso nicht? – Weil die Untätigkeit einfach unglaublich ist. Stellen Sie sich vor, wir wollten nicht helfen. Was wäre denn dann? – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.16


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bürstmayr.

Nein (in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Gödl), da müssen Sie sich melden. (Abg. Michael Hammer: Er hat sich eh gemeldet! – Abg. Gödl: Ich habe mich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 160

eh gemeldet!) – Wenn es eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung gibt, dann wird das über die Parlamentsdirektion eingemeldet.

Zu Wort gemeldet ist jetzt Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr, wie gesagt. – Bitte.


17.17.05

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren aus der Ukraine, wenn Sie uns zusehen sollten: Laskawo prosymo! Dass wir in Öster­reich gerade einmal 1 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen haben, ist nicht weiter großartig – wir machen 2 Prozent der Wohnbevölkerung der Europäi­schen Union aus –, und dass jetzt drei Gesetze so angepasst werden, dass diese Men­schen möglichst gute Perspektiven haben, ist auch nicht weiter großartig – aber es ist gut.

Wir Grüne wissen, wie schwer das in der Praxis ist, denn ein ganzes Team unserer Abgeordneten und MitarbeiterInnen arbeitet jeden Tag in der Woche daran, dass die vielen Mängel, die es dabei noch gibt, beseitigt werden und dass Schritt für Schritt gute Regeln für eine gute Aufnahme von Geflüchteten geschaffen werden. Das ist manches Mal nicht einfach, weil es dem einen oder anderen in der Verwaltung oder auch in politi­schen Parteien schwerfällt, dabei alte, ausgetretene Pfade zu verlassen.

Eigentlich geht es dabei aber um etwas Größeres als um Politik: Es geht um Hoffnung. Es geht um die Hoffnung, die Wladimir Putin zerstören will und die sich die Ukraine nicht nehmen lässt, um die Hoffnung darauf, die Freiheit wiederzuerlangen, den Frühlingswei­zen zu ernten und das eigene Land wieder fröhlich zu machen: Hej, hej, rosweselymo! Von dieser Hoffnung handelt das alte Lied von der roten Kalyna, entstanden im Krieg 1914 und in diesem Krieg 2022 wieder populär geworden.

Österreich kann diesen Krieg nicht beenden. Wir können aber dazu beitragen, dass ukrainische Kinder bei uns in Österreich das Lachen wieder lernen und dieses Lachen eines Tages wieder in ihr großes Land zurücktragen können. Dazu beizutragen, das ist unsere Aufgabe. Hej, hej, rosweselymo! Wir werden sie wieder zum Lachen bringen. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Ernst Gödl hat sich zu einer tatsächli­chen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.19.57

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Frau Kollegin Yılmaz hat behauptet, mit diesem Gesetzesbeschluss würde die Grundlage für die Aufnahme von Vertriebenen aus der Ukraine geschaffen. – Das ist unrichtig.

Die gesetzliche Grundlage wurde mit der Vertriebenen-Verordnung vom 11. März 2022 geschaffen. Das ist richtig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Weitergegan­gen ist trotzdem nichts!)

17.20


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte.


17.20.26

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, wie Georg Bürstmayr sagt: Die Kinder wieder zum Lachen bringen – eine große Aufgabe! Es sind ja, wie Sie, Frau Bundesministerin, gesagt haben, ungefähr sechs Millionen Vertriebene im Ausland, aber es sind auch acht


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Millionen Menschen im Land, in der Ukraine, vertrieben. Ungefähr die Hälfte der Kinder in der Ukraine wohnt nicht mehr dort, wo sie aufgewachsen sind. Wenn wir uns das vorstellen, muss man sagen, das ist unfassbar, und es zeigt uns wieder einmal, dass wir natürlich aufgerufen sind, zu helfen – und die Hilfe findet statt.

Ich möchte aber auch das Bild dieser Flüchtlinge ein bisschen zurechtrücken, weil ich inzwischen mit einigen gesprochen habe. Jede Geschichte ist natürlich anders. Die Ge­schichten lauten natürlich so, dass sie Angst vor den Bomben hatten, Angst vor der Ver­folgung hatten, vor Vergewaltigung, vor diesen unglaublichen Grausamkeiten der rus­sischen Soldaten hatten und dann in engen Zügen irgendwie zu einer Grenze gekom­men sind. Dann hat es aber schon Hilfe gegeben.

Eine Familie hat mir erzählt, dass die Caritas schon in Ungarn geholfen hat, dass sie zu uns kommen, dass Wohnungen beschafft wurden. Sie haben mir aber auch erzählt, dass sie von Anfang an hier gearbeitet haben – und zwar für ihr Unternehmen zu Hause. Die­se Möglichkeiten, die wir ja im Homeoffice kennengelernt haben, gehen natürlich auch über die Grenzen, also bitte schön: Viele Menschen, die hier sind, arbeiten noch für ihr Unternehmen zu Hause, oder sie arbeiten hier. Das sind sehr, sehr gut ausgebildete Menschen, das müssen wir auch einmal sehen.

Wir hatten heute den ukrainischen Minister für regionale Verwaltung, Oleksij Tscherny­schow, zu Besuch. Er war auch bei Frau Bundesministerin Edtstadler. Er hat uns seinen Führerschein und alle anderen persönlichen Dokumente, die er hat, gezeigt. Er hat sie natürlich am Handy. Was also Digitalisierung betrifft, sind sie möglicherweise ein Stück weiter als wir. Es sind sehr gut ausgebildete Leute, sie lernen ab der ersten Klasse Volksschule Englisch, auch das merke ich bei den Kontakten, die wir mit diesen Men­schen haben.

Das ändert aber nichts daran, dass diese Schicksale so tragisch sind. Ich möchte Ihnen sehr empfehlen, dass Sie dieses Buch kaufen, weil Sie damit dieser jungen Frau nützen, aber dass Sie das Buch auch lesen. (Der Redner hält das Buch „24. Februar und der Himmel war nicht mehr blau“ von Valeria Shashenok in die Höhe.) Es ist auch wieder nur eine Geschichte von einem Menschen, von dieser Valeria Shashenok. Vielleicht folgen manche von Ihnen – es sind ja ein paar junge Leute da – ihr auf Tiktok und haben erfahren, was sie von Anfang an, als sie eben in den Bombenkeller gehen musste, erlebt hat: dass sie ihren Cousin verloren hat, dass sie dann über Warschau nach Italien ge­flüchtet ist. Jetzt hat sie dieses Buch geschrieben, hat gerade auch in Deutschland ein bisschen eine Pressereise gemacht. Sie geht aber wieder nach Hause – wie übrigens viele Ukrainerinnen und Ukrainer wieder nach Hause gehen, weil sehr viele genau das wollen.

Das ist, glaube ich, der nächste Punkt, damit müssen wir uns auch beschäftigen: Wie können wir, wenn dieser Krieg hoffentlich einmal vorbei ist, dann der Ukraine helfen und gleichzeitig uns helfen? Ich habe immer gesagt, wir brauchen so etwas wie den Mar­shallplan, aber Minister Tschernyschow hat mir heute gesagt: Bitte verwenden Sie nicht den Marshallplan als Wort – als Inhalt ja, das ist großartig, wenn wir den Wirtschafts­austausch betreiben, das hat ja Österreich bekanntlich sehr geholfen –, nennen wir es United24. Die Zahl 24 hat natürlich eine Bedeutung für die Ukraine: 24. Februar, sie haben 24 Regionen. Dieses United24 soll der Beginn eines Wiederaufbaus der Ukraine sein, und das ist der nächste Punkt, bei dem wir, glaube ich, sehr aktiv sein wollen, bei dem wir sehr aktiv sein werden.

Natürlich ist der nächste Schritt der Weg in die Europäische Union. Da würde ich auch sagen, dass wir sehr deutlich sagen müssen: Ja, Kandidatenstatus so schnell wie mög­lich, jetzt im Juni! – Alle Abgeordneten, mit denen wir, auch in der Freundschaftsgrup­pe – alles sehr gut ausgebildete Frauen und Männer –, inzwischen gesprochen haben,


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haben gesagt: Wir wollen übrigens gar keine besonderen Vorteile! Wir wollen nur, dass wir – entsprechend dem Gesetz und entsprechend den Vorschriften der Europäischen Union – entsprechend dem, was wir erfüllen, dann auch aufgenommen werden. – Ich glaube, das ist auch wichtig, dass von dort auch die Botschaft kommt: Wir sind ein Rechtsstaat und wir wollen in eine Organisation von Rechtsstaaten hinein!

Sie alle verstehen auch, dass es das Thema mit dem Westbalkan gibt, und auch da sagen sie: Ja, das verstehen wir auch! – Wir müssen aber wiederum verstehen: Wenn wir die Aufnahme der Westbalkanländer weiter verzögern, wird Herr Putin, wenn er die Ukraine nicht kaputtmachen kann, dort weiterzündeln.

In diesem Sinn also brauchen wir diese europäische Einigung und wir brauchen die Zusammenarbeit mit diesen tapferen Menschen in der Ukraine, mit diesen gut ausge­bildeten Menschen, aber auch mit all denen, die natürlich unter diesem schrecklichen Krieg leiden. Denen müssen wir speziell helfen, und deswegen schließe ich mich jetzt auch diesem Dank an alle Menschen, die in Österreich geholfen haben, an die NGOs, die großartige Arbeit leisten, an.

Es findet übrigens fast jede Woche irgendeine Veranstaltung für die Ukraine statt, am kommenden Samstag auf der Kaiserwiese im Prater: Bitte hinkommen und mit den Leuten reden! Man kann sehr viel lernen, und das sage ich euch auch noch: Lernen ist das Einzige, das jung hält; das ist meine Erfahrung. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

17.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte.


17.25.43

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, noch immer haben wir diesen schrecklichen, wirklich schrecklichen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Gewalt war noch nie die Lösung. Alles, was Gewalt letztendlich erreicht, ist Leid. Gerade die Zivilbevölkerung in der Ukraine erlebt jetzt sehr viel Leid. Viele Menschen werden dadurch gezwungen, ihr Land zu verlassen, ja, sie werden vertrieben, und es werden nach wie vor täglich mehr.

Österreich ist für viele Menschen aus der Ukraine ein Transitland, aber nicht nur ein Transitland, sondern zunehmend auch ein Zielland geworden. Wir haben gehört: Zurzeit haben wir circa 72 000 von ihnen bei uns in Österreich registriert.

Nicht nur aufgrund der geschichtlichen Beziehung unserer Länder zueinander ist Öster­reich besonders gefordert, zu helfen. Bereits 1914 hat es ähnliche Zustände in der Uk­raine gegeben, es hat eine große Zahl an Vertriebenen gegeben. Ich möchte ein Beispiel nennen: Ich komme aus der Stadt Wolfsberg und wir hatten damals, 1914, circa 7 500 Einwohner. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt parallel 7 350 Vertriebene aus der Uk­raine in Wolfsberg. Die sind zu uns gekommen, um Schutz, um Hilfe zu suchen. Wir haben ihnen nach den Möglichkeiten, die es gegeben hat, auch den nötigen Schutz und die nötige Hilfe zukommen lassen. Sie sind nach einigen Jahren natürlich wieder zurück in die Ukraine gegangen. Das hoffen wir ja auch heute, dass es dann so sein wird, dass diese Menschen, wenn sich die Lage in der Ukraine wieder beruhigt hat, der Krieg ein Ende hat, wieder in ihre Heimat zurückkehren können.

Besonders aufgrund der aktuellen Vorkommnisse müssen wir ganz genau unterschei­den, ob es sich um Vertriebene oder ob es sich um Flüchtlinge handelt, weil wir diese beiden nicht eins zu eins miteinander vergleichen können. Gerade diesen Vertriebenen muss man mit Maßnahmen entsprechend helfen. Deshalb beschließen wir auch diese drei Gesetze, die wir jetzt diskutieren, und bisher hat es eben auch diese Vertriebenen-Verordnung gegeben.


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Ich möchte unserer Frau Bundesministerin Susi Raab einen besonderen Dank ausspre­chen, und zwar, weil sie weitere Maßnahmen gesetzt hat – wir haben es schon gehört –: die Ehrenamtsförderung, in deren Rahmen es je nach Initiative bis zu 2 500 Euro geben wird, die zur Verfügung gestellt werden; weiters wird es eine besondere Förderung für Integrationsprojekte für ukrainische Vertriebene in der Höhe von 1,6 Millionen Euro ge­ben (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), und zwar für die Bereiche Sprache und Bildung, Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, Starthilfen bei Beratung, wenn es darum geht, Wohn­raum zu suchen, Qualifizierungen, allgemeine Behördenabläufe und so weiter.

Auch dieses Buddyprogramm für junge Menschen, das es seit 12. Mai gibt, ist schon angesprochen worden. Da werden engagierte junge österreichische Bürger mit gleich­altrigen Vertriebenen aus der Ukraine zusammengebracht, um sich gegenseitig kennen­zulernen, um die deutsche Sprache entsprechend zu erlernen, um sie dabei zu unterstüt­zen, auch um ihnen das Ankommen in der Schule zu erleichtern, die Uni besser ken­nenzulernen, um gemeinsam mit ihnen auch die Umgebung, in der sie jetzt wohnen und sich aufhalten, zu erkunden und kennenzulernen, um sie mit den Vereinen in der Umge­bung in Kontakt zu bringen, um gemeinsam Sport, Musik auszuüben und auch um ge­meinsam Hobbys zu entwickeln. Letztendlich sollen daraus Freundschaften entstehen, weil Freundschaften immer besser als Feindschaften sind – das muss auch das Ziel sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, man sieht, wir machen echt sehr viel, um die Vertrie­benen aus der Ukraine entsprechend gut und auch schnell bei uns zu integrieren.

Erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Bitte beziehungsweise einen Appell: Ich bitte speziell die zuständige SPÖ-Landesrätin in Kärnten: Geben Sie die Blockade der 15a-Vereinbarung auf (Abg. Yılmaz: Sie blockieren das!), denn die Vertriebenen aus der Ukraine kann man nicht mit Flüchtlingen, wie sie 2015 zu uns gekommen sind, verglei­chen! In diesem Sinne: Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Wieso? Wieso? Sind das keine Menschen?! Was haben Sie gegen die Ukrainer?! Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie gegen die Ukrainer haben!)

17.30


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Menschenrechte.

17.31.1112. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2504/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Faika El-Nagashi, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Gefängnisseelsorge als Teil der Religions- und Bekenntnisfreiheit (1458 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gudrun Kugler. – Bitte


17.31.35

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Kol­leginnen und Kollegen! Wir sprechen über das Thema Gefängnisseelsorge. Ich möchte mit einer Freude oder fast einer Überraschung für mich beginnen. Als wir dieses Thema


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im Ausschuss besprochen haben, gab es wirklich eine ganz große Übereinstimmung für die Notwendigkeit der Gefängnisseelsorge und den Dank dafür, was dabei geleistet wird.

Ich habe mich sehr gefreut, es hätte ja durchaus sein können, dass unterschiedliche Parteien auch zu diesem Thema unterschiedliche Zugänge haben. Was aber alle se­hen – und ich glaube, das ist etwas, was wir hier besonders unterstreichen müssen und wollen –, ist, dass die Religionsfreiheit als Menschenrecht auch die Ausübung von Reli­gion in Gefängnissen beinhaltet und dass wir dieses Menschenrecht auch hochhalten wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie sieht die Gefängnisseelsorge in Österreich aus? Es gibt sie in unterschiedlichen Religionen oder auch Konfessionen: katholisch, evangelisch, orthodox, islamisch. Allein in der katholischen Seelsorge gibt es 45 Seelsorger und Seelsorgerinnen. Davon sind sieben hauptamtlich, die anderen nebenamtlich und ehrenamtlich tätig. In allen Gefäng­nissen ist diese Art von Seelsorge vorhanden.

Wenn man mit den Seelsorgern spricht und erfährt, wie sie arbeiten und welche ihre Ziele sind, hört man jedes Mal ähnliche Stichworte. Ich habe diese Gespräche geführt und ich nenne hier nur einige dieser Grundausrichtungen und Ziele, die die Seelsorger in die Arbeit mitbringen.

Das eine ist, dass jemand, der ins Gefängnis kommt, sich zuerst einmal zurechtfinden muss. Bereits dafür ist diese Art der Hilfe angedacht. Des Weiteren entsteht über einen längeren Zeitraum immer wieder die Frage, wie ich mit dem Geschehenen umgehe und wie ich Versöhnung mit mir selbst finden kann. Wie kann ich wieder Hoffnung finden?

Hinzu kommen die Vorbereitung auf die Haftentlassung, die Hilfe bei der Kontaktauf­nahme, etwa mit Familienmitgliedern, mit denen man länger keinen Kontakt gepflegt hat, und die Resozialisierung. Des Öfteren fällt auch das Wort Deradikalisierung, und immer wieder hört man, dass die Seelsorge dazu beiträgt, Suizide zu verhindern.

Als ich eine Seelsorgerin gefragt habe, was für sie die größte Herausforderung ist, hat sie mir einen sehr tiefgehenden Satz gesagt: Die größte Herausforderung in ihrer Arbeit als Gefängnisseelsorgerin ist es, mit Ohnmacht umgehen zu können, denn manchmal kann man nichts anderes tun, als einfach nur zu begleiten. Aber „einfach nur zu beglei­ten“, das ist so viel mehr als „einfach nur“. Dass dies möglich ist, wollen wir in Österreich weiterhin sicherstellen. Dazu dient unser heutiger Antrag.

Ich bin dankbar, dass ihn alle unterstützen werden. Ich bin dankbar, dass es auch der Frau Minister ein Anliegen ist, die Gefängnisseelsorge zu unterstützen. Was mir noch bleibt, ist, den Seelsorgerinnen und Seelsorgern Danke zu sagen, die eine ganz groß­artige und wichtige Arbeit leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

17.35


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße auch Frau Ministerin Alma Zadić sehr herzlich in unserer Mitte.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


17.35.13

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Ja gerade in der Haft ist es für die Insassen und Insassinnen wichtig, dass sie die Möglichkeit zum Austausch haben, zur Reflexion und vor allem natürlich auch zur Resozialisierung.

Neben den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Psychologen und Psychologinnen, die wirklich eine ausgezeichnete Arbeit in einem sehr herausfordernden Arbeitsumfeld leisten, ist und kann das Gespräch mit einem Seelsorger, mit einer Seelsorgerin für die


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Gefangenen eine weitere wichtige Möglichkeit sein, Beistand zu bekommen – und das unabhängig von ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung.

In vielen persönlichen Gesprächen mit Haftinsassen, auch mit Haftinsassinnen, vor allem mit Frauen, mit denen ich gesprochen habe, aber auch mit Haftentlassenen konnte ich den Eindruck gewinnen, dass die Zusammenarbeit von den Fachdiensten mit der Justizwache und auch den Seelsorgern sehr gut funktioniert und dass es eine große Wertschätzung für die unterschiedlichen Arbeitsgebiete und Aufgaben gibt. Es ist schön zu sehen, dass dabei auch zusammengearbeitet wird.

Die Gesprächsangebote werden gerne angenommen, und natürlich gibt es im eintönigen Gefängnisalltag auch viel Zeit zum Nachdenken. Dann braucht es Gespräche, dann ist das Bedürfnis nach Austausch und Reflexion groß.

Ganz besonders wichtig in der Haft ist die Phase der Vorbereitung auf die Entlassung aus der Haft und ist die weitere Begleitung beim Übergang in ein eigenständiges Leben. Davor müssen ja einige Fragen geklärt sein: Wie geht es nach der Haft weiter? Habe ich einen Arbeitsplatz, habe ich einen Wohnplatz? Gibt es Freunde, Familie, Menschen, auf die ich mich verlassen kann? Vor allem: Ist meine Existenz gesichert? – Wenn diese Fragen offen bleiben, dann sind die Hürden sehr groß und für die Menschen, die dann in die Freiheit entlassen werden, eine zu große Herausforderung. Oft sind sie überfor­dert, und dann ist die nächste Straftat vorprogrammiert und die Resozialisierung nicht gelungen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Zeit in der Gefangenschaft dafür ge­nutzt wird, um zu reflektieren, zu bereuen und sein weiteres Leben straffrei zu planen.

Die Seelsorger und Seelsorgerinnen leisten dabei eine großartige wichtige Unterstüt­zung, sowohl in praktischen Angelegenheiten als auch mit dem Beistand. Darum möchte ich mich heute bei allen bedanken, die in unseren Gefängnissen ganz abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit eine wertvolle und schwierige Arbeit verrichten. Auch der Gefängnisseelsorge kommt da eine ganz besondere Bedeutung zu.

Wir stimmen heute dem Regierungsantrag zu, denn unsere Aufgabe ist es, diese Ange­bote sicherzustellen und das Recht auf Religions- und Bekenntnisfreiheit zu ermögli­chen. Wir werden das heute gemeinsam beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

17.38


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte.


17.38.34

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Auch wir werden diesen Antrag unterstützen. Meine Vorrednerin, Kollegin Wimmer, hat mir schon sehr viel vorweggenommen. Wenn man den Antrag sieht, könnte man glauben, dass es das alles noch nicht gibt, dass man es erst einführen muss – nein, das gibt es schon seit Jahren.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass, wenn Leute in Haft sind, auch den Kultus­gemeinden, den Glaubensgemeinschaften ein hoher Stellenwert zukommt. Natürlich muss man immer in engem Kontakt mit den Kultusgemeinden bleiben, immer schauen, dass man die richtigen Leute für diese Aufgabe ins Gefängnis bringt, die auch das Richtige predigen und lehren. Dann ist es eine gute Sache. Wir werden diesem Antrag auch zustimmen.

Ich verstehe ihn nur nicht ganz, weil es das erstens einmal schon gibt, und zweitens: Wenn man etwas verbessern will – es kann nur um eine Verbesserung gehen –, dann ist das ein Teil der Betreuung im Strafvollzug, und Betreuung kostet Geld. Ich verstehe jetzt nicht ganz, dass die Regierungsparteien, die ja auch den Finanzminister stellen,


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das nicht im kleinen Guten erledigen und da etwas verbessern. Das könnten Sie eigent­lich in der Bundesregierung machen, Sie könnten mit Finanzminister Magnus Brunner darüber reden, dass – ich glaube, es wird auch darum gehen  für den Strafvollzug, für die Betreuung, für die Religionsausübung mehr Geld fließen sollte.

Mir ist es für die Sicherheit wichtig. Man kann da viel Gutes bewirken, wenn man die richtigen Leute hat, man kann auch sehr gut gegen die Radikalisierung arbeiten. Wenn man die falschen Leute hat, kann das Pendel natürlich auch in die andere Richtung aus­schlagen, aber ich vertraue da dem Bundesministerium, dass man genau überprüft, wie die Religionsausübung gefördert wird, beziehungsweise sich die Leute, die man auf die Gefangenen loslässt, genau anschaut. Sonst ist das ein guter Antrag und man kann nichts dagegen haben. Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.40


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Faika El-Nagashi. – Bitte.


17.41.02

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich kann mich meinen VorrednerInnen anschließen und freue mich sehr darüber, dass alle Fraktionen hier diesen Beschluss mittragen. Ich glaube auch, dass es gut und richtig ist, dass wir nicht im Kleinen oder quasi im Hintergrund versu­chen, eine Änderung, eine Verbesserung oder einen Ausbau zu bewirken, sondern durchaus diesen Weg gewählt haben.

Es war für mich auch sehr schön, wahrzunehmen, mit wie viel Bedacht, Einfühlungs­vermögen und auch Verständnis für die Situation in den Redebeiträgen aller Parteien über dieses Thema gesprochen wurde. Ich denke, dass das wichtig ist, einerseits für die Betroffenen, andererseits für die, die sich engagieren und in diesem Bereich seit Langem Arbeit leisten.

Es ist nichts Neues, das wir erfinden, aber wir möchten etwas ausbauen, nämlich die Rolle, die Religion und Seelsorge in der Haft einnehmen können, die Räume, die sie schaffen können. Es ist schon viel davon angesprochen worden, es kann ein Reflexions­raum, ein vertraulicher Raum hergestellt werden, aber es kann auch ganz konkrete Unterstützung bei der Resozialisierung, der Prävention gegen Radikalisierung und auch beim Schaffen von Perspektiven – Lebensperspektiven und Zukunftsperspektiven – ge­boten werden.

Es gibt bestimmte Bereiche, die ausgebaut werden können und müssen, weil trotzdem viel im Ehrenamt stattfindet, und zwar seit vielen Jahren. Das ist auch eine Überfor­derung für die Personen, die diese Arbeit leisten, gleichzeitig wird es dem Bedarf, der da ist, nicht gerecht. Das heißt, der Zugang wäre, bestimmte Bereiche – das ist einerseits die Einzelbetreuung, das ist aber auch Angehörigenarbeit – ausbauen zu können, dass es mehr Ressourcen gibt. Es passiert auch sehr viel mit dem Umfeld von Inhaftierten, und es ist auch eine Arbeit auf einer institutionellen Ebene, mit der Justizwache, mit den sozialen Diensten auf verschiedenen Ebenen und auch mit der Seelsorge der anderen Glaubensgemeinschaften zusammenzuarbeiten.

Es geht um einen Erfahrungsaustausch und darum, dafür den Raum zur Verfügung stellen zu können, aber auch darum, strukturelle Informationen zu vermitteln, sei es jetzt über Besuchstage oder Kontaktmöglichkeiten. Es geht im Weiteren darum, so etwas auch flächendeckend und bedarfsorientiert anbieten zu können, das heißt, auch den Be­dürfnissen der Inhaftierten entsprechend die Ressourcen der unterschiedlichen Glau­bensgemeinschaften zu stärken.


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In diesem Sinne unterstützen wir die Verhandlungen und das Bundesministerium bei diesem Anliegen. Mein Dank geht auch an diejenigen, die da bereits tätig sind und das seit vielen, vielen Jahren zum großen Teil auch ehrenamtlich machen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte.


17.43.56

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Hohes Haus! Es freut mich auch persönlich, dass wir heute über eine moralisch-ethische Grundlage sprechen. Es stellt sich auch die Frage: Von wem reden wir? Kollege Lausch wird mich da vielleicht korrigieren können, ich nenne jetzt grobe Zahlen: Wir reden von circa 9 000 inhaftierten Menschen in Österreich, davon sind 5 Prozent Frauen – Gewalt ist leider männlich –, ungefähr 4 000 sind Katholiken und von der anderen Hälfte sind circa 50 Prozent orthodoxe Christen beziehungsweise Muslime.

Es ist ebenfalls hier gesagt worden, dass es dieses Gesetz schon gibt. Was die Finan­zierung anbelangt, gibt es ja Basisbeiträge, darüber hinaus gibt es dann Beiträge, die je nach Betreuung beschlossen werden. Es ist anhand der katholischen Kirche festgestellt worden, dass 45 ehrenamtliche Personen neben sieben hauptamtlichen diese Seelsorge machen. Bei anderen Religionsgemeinschaften ist es anders, bei den Muslimen zum Beispiel macht es die IGGÖ.

Das, was wir uns neben dem Geld wünschen, ist die interne Qualitätssicherung, die sehr, sehr wichtig ist. Sie ist auch im Hinblick auf die Nachbetreuung angesprochen worden und sehr wichtig auch im Hinblick darauf, was die freie Religionsausübung gegenseitig und miteinander anbelangt. Es geht nicht nur um den Zugang zum Seelsorger selbst, sondern auch um die gegenseitigen persönlichen Spielregeln innerhalb der Gefängnis­se da gab es 2015 ja furchtbare Vorfälle in der Justizanstalt Josefstadt  und darum, dass die innere und äußere Sicherheit selbstverständlich gewährleistet sind.

Auch ich darf mich bei allen, die seelsorgerisch tätig sind, und auch bei dir, liebe Frau Ministerin, die du auch diese Initiative unterstützt, herzlich bedanken. Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Pram­mer. – Bitte.


17.46.43

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Frei­heitsentzug, der als Strafe ausgesprochen wird, hat einerseits den Zweck, zu strafen, andererseits aber auch den Zweck, eine Gelegenheit zu geben, geläutert zu werden, Einkehr zu halten und das Leben zu ändern, um als Teil der Gesellschaft wieder rauszu­kommen. Das bedeutet, dass das eine Zeit ist, in der man anfängt, sich viel mit sich selbst zu beschäftigen. Menschen, die gläubig sind, die Glauben suchen, finden dabei oft den Weg zur Religion.

Genau in dieser Situation ist es wichtig, dass sie dabei eine Anleitung und eine Unter­stützung erhalten, die institutionalisiert ist – und genau das leistet die Gefängnisseel­sorge. Wir dürfen nicht vergessen, ein Gefängnis ist ein abgeschlossener Kosmos. Ein Gefängnis ist ein Bereich, in dem es nicht möglich ist, Informationen, die man bekommt, zu prüfen oder sich über Ideen und Glaubenssätze an unterschiedlichen Stellen zu informieren. Da ist es nicht möglich, sich mit anderen darüber auszutauschen, im Internet


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zu recherchieren, Bücher zu lesen und so zu prüfen, was das, das einem gesagt wird, für einen Wert hat, wie das eingeordnet werden kann.

Deshalb kann es da ganz leicht passieren, dass den falschen Gurus gefolgt wird, dass den falschen Ideen gefolgt wird und dass diese Ideen im Zusammenhang mit dieser Fixierung auf sich selbst und dieser Einkehr dazu führen, dass man eben nicht mit ins­pirierenden, anleitenden Glaubenssätzen rauskommt, sondern mit extremen, mit extre­mistischen Ideen – egal in welche Richtung oder aus welcher Richtung.

Genau das ist auch eine ganz, ganz großartige und große Leistung der Gefängnis­seelsorge, die durch ganz viele sehr, sehr engagierte Menschen aus allen unterschiedli­chen Religionsgemeinschaften geleistet wird. Sie alle haben den Anspruch, die Men­schen zu begleiten, die Menschen zu unterstützen und den Menschen zu helfen, die sie betreuen. Ganz viele von denen machen das jetzt schon unterbezahlt und ehrenamtlich, und genau das wollen wir ändern, indem wir mit ausreichenden Mitteln dafür sorgen, dass diese wichtige Arbeit weiterhin geleistet werden kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.49


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt dazu keine Wortmeldung mehr vor. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort. – Das ist nicht der Fall.

17.49.44Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 11 und 12


Präsidentin Doris Bures: Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zur Abstimmung kom­men können. Können wir abstimmen? – Gut, mir wird Zustimmung signalisiert, dann ge­he ich auch so vor.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsge­setz sowie das Bildungsdokumentationsgesetz 2020 geändert werden, samt Titel und Eingang in 1457 der Beilagen.

Wer hierfür seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 12: die dem Ausschuss­bericht 1458 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Gefängnisseel­sorge als Teil der Religions- und Bekenntnisfreiheit“.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den ersuche ich ebenfalls um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (251/E)

17.50.5613. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1427 d.B.): Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automa­tischen Verarbeitung personenbezogener Daten (1463 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen jetzt zum 13. Punkt unserer Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 169

17.51.28

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhö­rer! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um ein Protokoll zur Änderung des Über­einkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personen­bezogener Daten. Dieses Protokoll zeigt, dass eigentlich schon lange, seit 1988, ver­sucht wird, Menschen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu schützen.

Bei personenbezogenen Daten gemäß Artikel 9 DSGVO wird im Datenschutzbericht klargelegt, welche konkreten Schutzmaßnahmen vorliegen. Die Frau Bundesministerin hat klar gesagt, dass der Datenschutz als Grundrecht ein großes Anliegen für sie ist, und das spiegelt auch dieser vorliegende Datenschutzbericht wider. Dieser Datenschutzbe­richt, der von der Datenschutzbehörde erstellt wird, zeigt auf, wo es klare Verfehlungen gibt, und auch Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten nach Artikel 9 DSGVO werden in diesem Datenschutzbericht dargelegt.

Auf Seite 9 ist zu lesen, dass es 1 169 Sicherheitsverletzungen gegeben hat, und diese Sicherheitsverletzungen betreffen genau diese personenbezogenen Daten und deren automatische Verarbeitung.

Warum braucht es nunmehr diese Gesetzesänderung, warum braucht es nunmehr diese Änderung des Protokolls? – Wir brauchen sie deshalb, weil sich einiges verändert hat. 1981 trat die Europäische Datenschutzkonvention in Kraft, die Österreich 1988 ratifiziert hat. Der EU-Datenschutzrechtsrahmen hat sich verändert, und nunmehr ist eine Anglei­chung notwendig. Wir brauchen die Änderung auch deshalb, weil mehr grenzüberschrei­tender Datenfluss in andere Vertragsstaaten erfolgt.

Die Digitalisierung schreitet voran, und deshalb war es für uns als SPÖ auch im Aus­schuss klar, dass wir diesem Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zustimmen. In Österreich hat zwar der Datenschutz in den letzten Jahren sehr stark zugelegt – wir haben eine Datenschutz-Grundverordnung und ein Datenschutzgesetz, womit dieser EU-Datenschutzrechtsrahmen im Prinzip schon abgebildet ist –, wir wissen aber auch ganz genau, dass es jetzt Themen wie künstliche Intelligenz, andere Einsatzgebiete und auch zum Beispiel Algorithmen gibt, bei denen wir vorsichtig und sensibel sein müssen.

Gerade beim AMS-Algorithmus wird unser Ziel sein müssen, dass wir genau überprü­fen – und das haben auch die Datenschutzbehörde und auch der Verwaltungsgerichts­hof im konkreten Fall getan –, ob dieser wirklich nach Artikel 9 DSGVO angemessen ist.

Ich denke, Frau Bundesministerin, dass wir zwar ein gutes Datenschutzrecht haben, aber trotzdem danach trachten müssen – wie Sie es angekündigt haben –, auch für die­se neuen Einsatzgebiete von künstlicher Intelligenz und von Algorithmen gewappnet zu sein.

Wichtig ist mir aber auch, zu erwähnen, dass nunmehr der Datenfluss in Vertragsstaa­ten, die nicht EU-Mitglieder sind, geregelt wird. Der Datenfluss und der Datenverkehr mit Staaten wie Tunesien und Mauritius werden nunmehr auch mit übernommen. Das Über­einkommen hat nämlich den großen Vorteil, dass im Prinzip alle Länder auf der ge­samten Welt dieses Übereinkommen unterfertigen und ratifizieren können.

Es spricht momentan überhaupt nichts dagegen, dieser Änderung zuzustimmen, und in diesem Sinne sage ich: Danke, Frau Bundesministerin, für die gute Zusammenarbeit im Bereich des Datenschutzes.

Ich bedanke mich auch bei der Datenschutzbehörde für den Datenschutzbericht 2021. Dieser Bericht ist leider nicht im Plenum behandelt, sondern im Ausschuss enderledigt worden – er würde es aber durchaus verdienen, auch hier im Plenum entsprechend be­handelt zu werden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

17.56



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 170

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


17.56.07

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Drobits hat schon sehr genau dargelegt, worum es bei diesem Tagesordnungspunkt geht. Auch wir werden hier zustimmen, weil wir festgestellt haben, dass keine inländischen Datenschutzrechts­vorschriften materiell zu verändern sind – und daher sind wir einverstanden, dass es diese grundsätzliche Änderung des Übereinkommens gibt.

Problematisch sehen wir ein bisschen, dass es da eine Vermischung gibt: Einerseits ist es ein multilaterales Übereinkommen, an dem also Staaten teilnehmen, andererseits kann aber auch die Europäische Union als solche teilnehmen – und das ist eine Vermen­gung oder Vermischung, die wir nicht als richtig erachten.

In Wahrheit gibt es aber natürlich ganz andere Probleme im Bereich des Datenschutzes. Es wird von den NEOS noch ein Antrag eingebracht werden, auf den ich bei dieser Ge­legenheit eingehen möchte. Dieser betrifft eine geplante Verordnung auf europäischer Ebene zur Chatüberwachung, da will man tatsächlich institutionell und automatisch ein­greifen können. Das ist ein ganz drastischer Eingriff in unsere Privatsphäre und daher abzulehnen.

Unserer Meinung nach geht der Antrag der NEOS jedoch leider nicht weit genug, sie wollen nämlich eine grundrechtskonforme Lösung, aber eben doch Eingriffe in Chats haben. Wir möchten gar keine – es freut mich aber, dass es diese Initiative gibt.

Es gibt auch viele andere negative Entwicklungen bei Löschungen im Internet, Cancel Culture und so weiter. Auch dort wird in Grundrechte und auch in den Datenschutz mas­siv eingegriffen, da müssen wir wachsam sein. Die zu beschließende Änderung im ak­tuellen Tagesordnungspunkt hingegen ist unproblematisch. (Beifall bei der FPÖ.)

17.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann. – Bitte.


17.58.01

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Liebe Zuseher daheim! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, wissen Sie, wie viele Kundendaten von Ihnen derzeit irgendwo gespeichert sind, zum Beispiel bei Firmen, bei denen Sie vor Ort einkaufen oder im Internet Waren bestellt haben? Ihre Daten werden täglich gesammelt, wenn Sie im Internet shoppen, aber selbst, wenn Sie nur im Internet surfen. Es heißt nicht um­sonst: Daten sind das neue Gold, denn Daten werden mittlerweile auch zu einem hohen Preis verkauft.

Als personenbezogene Daten, meine Damen und Herren, gelten alle Informationen, die sich einer identifizierbaren Person zuordnen lassen. Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele: die Adresse, der Name, das Kfz-Kennzeichen, die E-Mail-Adresse, die IP-Adresse, die Kontonummer. Wie oft geben Sie Ihre Kontonummer im Internet an? Sind Sie sich sicher, dass Sie Ihre Kontonummer nur auf sicheren Seiten angeben? Personenbezogene Da­ten sind aber auch Interessen, Vorlieben und Fotos von Personen. Wie Sie sehen, sind das ganz spezifische und durchaus schützenswerte Daten.

Es gibt zusätzlich auch noch die sensiblen Daten, und diese sensiblen Daten sind ganz besonders schützenswert. Das sind Informationen über rassische oder ethnische Her­kunft, politische Meinungen, weltanschauliche Überzeugungen und die sexuelle Orien­tierung einer Person und – nicht zu vergessen – die Gesundheitsdaten, meine Damen


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und Herren. Diese Daten unterliegen alle einem ganz besonderen Schutz. Der Schutz dieser persönlichen Daten für unsere Bürgerinnen und Bürger ist ein hohes Gut, und wir als ÖVP, wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier machen uns für den Schutz dieser personenbezogenen Daten stark.

Die Europäische Union hat ein einheitliches Datenschutzrecht für alle EU-Mitgliedstaa­ten geschaffen. Die EU-Verordnung räumt aber den Mitgliedstaaten durchaus einen Re­gelungsspielraum ein, und so hat Österreich bereits in den letzten Jahren einerseits das Datenschutzgesetz erlassen, darüber hinaus gibt es aber auch die DSGVO, die Daten­schutz-Grundverordnung, mit der ein wichtiger gesetzlicher Rahmen zum Schutz dieser persönlichen Daten für unsere Bürgerinnen und Bürger geschaffen wurde.

Sie schützt unter anderem die Verarbeitung, das heißt jeden Umgang mit den perso­nenbezogenen Daten, sei es analog oder sei es auch im automatisierten Verfahren. Was zählt da dazu? – Es ist das Erheben der Daten, es ist das Erfassen, das Speichern der Daten, das Verändern von Daten, das Abfragen von Daten, aber auch das Löschen und das Vernichten von Daten.

Meine Damen und Herren, ganz besonders die Zuseherinnen und Zuseher, Sie haben ein Recht darauf, dass Ihre Daten auch gelöscht und vernichtet werden. Denken Sie bitte an Mitarbeiterdateien, denken Sie auch an Kundendateien!

Wir als österreichisches Parlament sichern die rechtmäßige, transparente, auf ein Mini­mum reduzierte und zweckgebundene Verwendung dieser personenbezogenen Daten und stellen Verstöße unter strenge und hohe Strafen.

Das heute vorliegende EU-Übereinkommen zum Schutz der Menschen bei der automa­tisierten Datenverarbeitung der personenbezogenen Daten stammt im Kern eigentlich aus den 1980er-Jahren, und das Änderungsprotokoll, das jetzt von uns im österreichi­schen Parlament und auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden soll, stellt eine Anpassung des Übereinkommens an die technischen und gesellschaftlichen Veränderungen sicher.

Meine Damen und Herren, der Schutz der persönlichen Daten unserer Bürgerinnen und Bürger ist für uns ein hohes Gut, und wir als österreichisches Parlament setzen uns stark dafür ein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


18.02.33

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Justizminis­terin! Wir haben es schon gehört, bei dieser Anpassung des Übereinkommens geht es im Wesentlichen darum, dass im Zusammenhang mit der automatischen Verarbeitung von personenbezogenen Daten sichergestellt wird, dass in Zukunft auch außerhalb der Europäischen Union, in Nicht-EU-Staaten die gleichen Datenschutzstandards wie inner­halb der Europäischen Union gelten. Durch die DSGVO und die damit notwendigen Ver­änderungen braucht es auch eine Anpassung des Übereinkommens.

Ich glaube, dass es essenziell ist, dass wir auch außerhalb der Europäischen Union unsere hohen Datenschutzstandards exportieren, so gut das geht, weil wir in einer um­fassend digitalisierten Welt unsere Freiheits- und Bürgerrechte, wie den Schutz der Pri­vatsphäre, umfassend verteidigen müssen und uns gegen die immer wiederkehrenden massiv überbordenden Überwachungsfantasien von unterschiedlichen Stellen wehren sowie diesen eine ganz klare Absage erteilen müssen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Umso erstaunter lässt es mich zurück, wenn man sich den letzte Woche präsentierten und schon lange diskutierten, sehr umstrittenen Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission anschaut. Die Europäische Kommission schlägt vor, dass es in Zukunft zu einer komplett automatisierten Durchforstung von privater Kommunikation, von jeglicher internetbasierter privater Kommunikation kommen soll, und das durch Messenger- und E-Mail-Anbieter.

Das ist nichts anderes als die umfassende Massenüberwachung von jeglicher Kommuni­kation, von allen Bürgerinnen und Bürgern innerhalb der Europäischen Union, und das ohne irgendeinen konkreten Verdacht. Es sollen alle Bürgerinnen und Bürger vorsorglich unter Generalverdacht gestellt werden, die gesamte private Kommunikation soll präven­tiv durchsucht werden.

Damit noch nicht genug soll das nicht einmal von Strafverfolgungsbehörden oder Er­mittlungsbehörden, sondern von privaten Messenger- und E-Mail-Anbietern, nämlich ge­nau denjenigen, über die Sie dann kommunizieren, gemacht werden. Es soll zwar ein EU-Zentrum geben, das mithilft und diese privaten Unternehmen unterstützt, aber Fakt ist, dass die Strafverfolgung damit privatisiert werden soll.

Jetzt bin ich als Liberaler an und für sich ein großer Freund von Privatisierungen, aber was ich absurd finde – das ist eine Tendenz, die wir leider Gottes auch in Österreich sehen –, ist, dass wir im Zusammenhang mit Strafverfolgung privatisieren. Strafverfol­gung ist eine der ureigensten Aufgaben eines Staates, und dort darf es auf gar keinen Fall zu einer Auslagerung zu privaten Unternehmen kommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Die Europäische Kommission setzt – entgegen der Notwendigkeit von hohen Daten­schutzstandards und entgegen der Notwendigkeit des Schutzes von privater Kommuni­kation und von Privatsphäre von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern – offensicht­lich auf anlasslose Massenüberwachung durch eine vollautomatisierte Echtzeitchatkon­trolle und damit auch auf die Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses.

Diese Idee ist so haarsträubend verrückt, dass ich mich eigentlich frage, wem so etwas einfällt. Selbstverständlich sind sowohl die Europäische Union als auch die Mitgliedstaa­ten dazu verpflichtet, gegen Straftaten im Internet vorzugehen, insbesondere dann, wenn es sich um sexualisierte Gewalt, und insbesondere, wenn es sich um Kinderporno­grafie handelt, aber was wir dazu brauchen, sind zielgerichtete Maßnahmen gegen die­jenigen, die solche widerlichen Verbrechen begehen, ist eine bessere Ausstattung von Ermittlungsbehörden – und keine anlasslose Massenüberwachung von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern.

Deswegen bringe ich abschließend noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Massenüberwachung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundes­minister für Inneres, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für das Zustande­kommen einer grundrechtskonformen Lösung für die geplante EU-Verordnung zur Chat­kontrolle unter Achtung des Rechtes auf Privat- und Familienleben sowie der Wahrung des Rechtes auf Datenschutzes einzusetzen.“

*****


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Ich erachte es als essenziell, dass wir diesen überbordenden Überwachungsfantasien einen Riegel vorschieben und ganz klar sagen, dass wir den Straftätern bei konkretem Verdacht natürlich nachgehen müssen, aber auf gar keinen Fall alle Bürgerinnen und Bürger innerhalb der Europäischen Union unter Generalverdacht stellen dürfen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Nein zur Massenüberwachung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 158. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1427 d.B.): Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (1427 d.B.) – TOP 13

Überwachungsmaßnahmen jeder Art, die in die Privatsphäre der Bürger_innen ein­greifen, sind auf Grund ihrer Eingriffsintensität mit großem Bedacht anzuordnen. Ge­nerell dürfen Eingriffe in die private Kommunikation von Personen nur auf der Grundlage eines individuellen Verdachts vorgenommen werden. Nichtsdestotrotz präsentierte die EU-Kommission am 11. Mai 2022 eine sehr umstrittene Maßnahme: Die flächende­ckende, automatisierte, präventive Analyse jeglicher privater Kommunikation und ebnet damit der Totalüberwachung den Weg. Ein spezifischer Verdacht ist laut diesem Entwurf für die Durchforstung privater Konversationen im digitalen Raum nicht mehr notwendig. Stattdessen stehen alle Nutzer_innen zukünftig unter Generalverdacht (DerStandard, 11.05.2022).

Ab sofort sollen Messenger- und Email-Anbieter dazu verpflichtet werden, suspekte In­halte, die über ihre Dienste verbreitet werden, zu erkennen, zu melden und zu entfernen (Europäische Kommission, 11.05.2022). Um dies umzusetzen ist eine anlasslose Mas­senüberwachung durch eine vollautomatisierte Echtzeit-Chatkontrolle und damit die Ab­schaffung des digitalen Briefgeheimnisses notwendig, was sowohl der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als auch den Grundrechten aller EU-Bürger_innen auf Achtung der Privatsphäre, auf Datenschutz und auf freie Meinungsäußerung wider­spricht (Prof. Dr. Ninon Colneric, 2021). Unterstützt sollen private Dienstleistungsanbie­ter in der Umsetzung dieser neuen Verpflichtungen zukünftig von einem eigens dafür geschaffenen, unabhängigen EU-Zentrum werden. Dieses EU-Zentrum soll als Binde­glied zwischen privaten Online-Diensten und staatlichen Behörden fungieren, fehlerhafte Berichte der privaten Online-Dienste identifizieren und verhindern, dass diese die Straf­verfolgungsbehörden erreichen, und relevante Berichte rasch an Strafverfolgungsbehör­den weiterleiten (Europäische Kommission, 11.05.2022).

Die Erstverantwortung Straftäter im digitalen Raum zu identifizieren, wird damit auf pri­vate Anbieter übertragen. Die Zweitverantwortung soll bei einem EU-Zentrum liegen und erst in einem dritten Schritt kommt der Staat ins Spiel. Dabei gehört die Ermittlung von Straftaten in einem Rechtsstaat aber in die Hände unabhängiger Beamt_innen und unter gerichtliche Aufsicht. Damit wird die Verantwortung des Staates auf private Konzerne, die überhaupt nicht darauf ausgelegt sind Straftaten aufzuklären, abgewälzt.

Natürlich ist der Staat dringend aufgefordert gegen Straftaten im Internet, insbesondere sexualisierte Gewalt und Kinderpornographie, vorzugehen. Dazu braucht es jedoch ziel­gerichtete Maßnahmen gegen Straftäter.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz und der Bundesmi­nister für Inneres, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für das Zustandekom­men einer grundrechtskonformen Lösung für die geplante EU-Verordnung zur Chat­kontrolle unter Achtung des Rechtes auf Privat- und Familienleben sowie der Wahrung des Rechtes auf Datenschutzes einzusetzen."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht, steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort ist jetzt dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Justizausschusses.

18.07.3414. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1446 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert wird (Versicherungs­vertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022) (1464 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte.


18.08.08

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon früher Abend und nach zwei Tagen ist die Aufmerksamkeit nicht mehr so groß, obwohl wir hier eine Ge­schichte mit einem Happy End erzählen können, eine Geschichte, die keine Geschichte ist, sondern Realität.

Es geht um Leute, die eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, vor allem auch Personen, die in einer Notlage vielleicht in eine Versicherung hineingestolpert sind, weil sie sonst gar kein Eigenheim bekommen hätten, weil sie sich gedacht haben, sie werden als junge Menschen, wenn sie in Teilzeit arbeiten, oder als Frauen vielleicht ein gerin­geres Einkommen haben, die dann im Alter eine Vorsorge haben wollten. Notsituationen wurden ausgenützt, Konsumentinnen und Konsumenten haben sich unter Umständen die Bedingungen ihrer Versicherungen, ihrer Kapitallebensversicherungen nicht genau durchgelesen.

Dann ist Folgendes passiert: Diese Leute wollten aus den Verträgen wieder raus, wollten zurücktreten. Die ursprüngliche Gesetzgebung war so, dass es schwierig war, vom Vertrag zurückzutreten, auch wenn man eine fehlerhafte Aufklärung über den Rücktritt oder gar keine Rücktrittsaufklärung bekommen hat.

Ihr kennt alle die Situation, dass es einen Versicherungsmakler, eine Versicherungsmak­lerin in der Ortschaft gibt, der oder die zu euch kommt. Ich war ungefähr Ende 20, als ich einen Anruf bekommen habe: Ulli, du solltest eine Altersvorsorge abschließen, du


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hast gerade dein Studium fertig gemacht und brauchst eine Absicherung! – Diese Ab­sicherung hätte bedeutet, dass ich dann im Alter mehr Pension bekommen soll. Wenn man sich das dann aber anschaut und sieht, dass in Wirklichkeit in Fonds investiert wird, die dann nicht so performen, wie man sich das vorstellt, dann muss man sagen, da wird mit der Not von Leuten spekuliert. Dagegen haben wir ein Gesetz geschaffen, das wir heute beschließen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte an dieser Stelle auch unserer Justizministerin danken, denn ich glaube, dass Konsumentenschutz nicht immer neue Gesetze braucht, sondern manchmal braucht es bei schlechten Gesetzen einfach nur ein Happy End. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte.


18.11.18

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Frau Kollegin Fischer: Wir haben daher ein Gesetz geschaffen? – Wir mussten, weil die EU uns schon dazu gezwungen hat! Das haben wir leider nicht von alleine getan. (Beifall bei der SPÖ.) Leider Gottes ist es immer so, dass bei uns, wenn es um Kon­sumentInnenschutz geht, immer die EU anklopfen muss. Bis zum letzten Tag wird ge­wartet.

Nichtsdestotrotz ist diese Gesetzesvorlage natürlich eine gute. Das wird zu mehr KonsumentInnenschutz führen. Die Absicherung, die Aufklärung, die Rücktrittsrechte werden gestärkt. Im Endeffekt geht es darum, dass die Menschen, die eine Lebensver­sicherung abschließen oder abschließen mussten, ein besseres Standing als jetzt ha­ben.

Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft nicht erst die EU aktiv werden muss, damit die VerbraucherInnen jenen Schutz bekommen, der ihnen zusteht, den sie verdienen. Bei Steuergeschenken für Großkonzerne und Großverdiener sind die Regierungsparteien auch viel, viel schneller. Vielleicht können Sie diese Geschwindigkeit auch bei den Ver­braucherInnen anwenden, dann bin ich glücklich. Sonst passt es. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.


18.13.23

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Versiche­rungsvertragsgesetz: Ich gebe zu, das klingt im ersten Moment ein bissel sperrig und nicht ganz so aufregend. Als Juristin kann ich Ihnen sagen, dass auch wir JuristInnen nicht automatisch vor Ekstase in die Höhe hüpfen, wenn wir den Gesetzestitel hören. Trotzdem ist das Versicherungsvertragsgesetz in der Praxis ein sehr, sehr wichtiges. Diese Novelle, auch wenn sie klein ist, hat immense Auswirkungen.

Worum geht es? – Zum Ersten geht es um Konsumentenschutz und zum Zweiten um Rechtssicherheit. Was zeichnet einen Rechtsstaat wie Österreich aus? – Das ist natür­lich als Erstes, dass unsere Spielregeln ganz klar formuliert sind. Zum Zweiten müssen dann auch die Konsequenzen bei Regelverstößen ganz klar formuliert sein. Zum Dritten muss auch, da wir ein EU-Mitgliedstaat sind, ganz klar formuliert sein, dass unser Recht dem EU-Recht entspricht. Wir haben es schon gehört, das war im Fall der Lebensver­sicherungen und der Rücktritte in der Vergangenheit nicht ganz so klar, und darum braucht es jetzt diese Novelle.


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Ich selbst habe im letzten Jahr ein Haus gebaut, da ist man natürlich auch mit dem Thema Finanzierung, Versichern, Absichern konfrontiert. Lebensversicherungen sind in Österreich einfach auch eine klassische Anlage- und Versicherungsform und dienen na­türlich in erster Linie der Besicherung von Krediten.

Ich als Juristin bin juristische Texte und Formulierungen gewöhnt, aber für juristische Laien sind diese langen Verträge, diese komplizierten Formulierungen und vor allem diese vielen Formulare – auch wenn sie teilweise schon elektronisch signiert und über­mittelt werden können – eine Herausforderung und können wirklich verwirrend sein. Deshalb ist es eben auch unsere Aufgabe als Gesetzgeber, dass wir die Informations- und Aufklärungspflichten ganz klar formulieren, damit wir unsere Konsumentinnen und Konsumenten schützen und ihnen eine Anleitung geben, wie sie von diesen Verträgen zurücktreten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit dieser Novelle schreiben wir nun also ins Gesetz – und werden damit in Anlehnung an die EU-Rechtsprechung ein bisschen konkreter –, dass eine fehlerhafte, mangelhafte Aufklärung einer nicht stattgefundenen Aufklärung gleichgesetzt wird. Das heißt, dass ein Versicherter, der bei Abschluss der Lebensversicherung mangelhaft, fehlerhaft, schlecht und ungenügend belehrt worden ist, in Zukunft quasi lebenslänglich vom Ver­trag zurücktreten kann und somit nicht nur den Rückkaufwert der Versicherung, sondern sämtliche einbezahlte Prämien zurückerhält – und das ist wirklich bemerkenswert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir diesbezüglich Einstimmigkeit haben. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Ein­stimmigkeit, die wir so oft im Kleinen haben, auch ins Große übertragen können, denn die Zeiten sind momentan herausfordernd genug, da braucht es unser gemeinsames Wirken. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


18.16.54

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen! Kollegin Jachs hat die juristischen Bemerkungen zu diesem Gesetzesvorschlag schon sehr gut ausgeführt, das kann ich mir daher sparen, das ist jetzt bereits alles bekannt.

Ich möchte die Gelegenheit aber trotzdem nutzen: Wir sind ja so ziemlich bei der Hälfte der Legislaturperiode und haben nun wieder ein interessantes Gesetz abgearbeitet, wie­der etwas im Sinne der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit getan. Das verdient durchaus Lob. Es ist ja auch generell festzustellen, dass Ihr Ministerium, Frau Bundes­ministerin, wirklich schon sehr große Projekte abgearbeitet hat, im Einvernehmen mit dem Justizausschuss. Ich erinnere an große Reformen des Insolvenzrechts, des Urhe­berrechts, der Exekutionsordnung oder des Kartellrechts.

Wenn ich mir das so anschaue, dann frage ich mich immer mehr und wundere mich, warum bei anderen wichtigen Materien einfach nichts weitergeht – Materien, die für den Rechtsfrieden, für unser Gemeinwesen von extremer Bedeutung sind. Ich nenne zwei davon.

Erstens betrifft dies den Bereich des Maßnahmenvollzugs. Da gibt es einfach wirklich ein Problem. Wir haben es schon öfter thematisiert. Es wurde im Ausschuss schon vielfach besprochen. Wir haben es im Plenum schon öfter gehabt. Da frage ich mich – Sie zeigen ja, dass Sie es können, Ihr Ministerium und Sie sind in der Lage, juristische Projekte voranzutreiben –: Woran scheitert es, dass in der dringlichen Angelegenheit Maßnahmenvollzug nichts weitergeht? Wir sind wirklich in der europäischen Auslage,


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wir mussten uns als Staat Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte diesbezüglich schon mehrfach verurteilen lassen, und das ist ein Zustand, den ich nicht hinnehmen will und den wir nicht hinnehmen können, Frau Minister.

Das zweite Thema – auch ein Thema, das im Regierungsprogramm namentlich genannt ist – ist die Verschärfung der Korruptionsbestimmungen – hochaktuell! Wir wissen alle, dass im Staate Österreich tatsächlich ein Problem besteht, dass wir tatsächlich ein Kor­ruptionsproblem haben. Warum gehen Sie das nicht an, Frau Bundesministerin? (Zwi­schenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Sie haben das letzte Mal berichtet: Es laufen die Beratungen, es laufen die Verhandlungen.

Es kann uns nicht zufriedenstellen, dass wir von Plenum zu Plenum vertröstet werden. Es ist dringend notwendig, dass die Punkte, die im Regierungsprogramm angesprochen worden sind, endlich umgesetzt werden, dass es endlich so weit kommt, dass solche Malversationen, wie sie in Ibiza besprochen worden sind – gestern haben wir den dritten Jahrestag – unter Anführungszeichen – „gefeiert“ –, nicht mehr so strafrechtlich irrele­vant sind. Diesbezüglich sind Verschärfungen dringend notwendig.

Frau Bundesministerin, ich appelliere an Sie: Gehen Sie diese Themen bitte an! Es wäre dringend notwendig, dass im Sinne unseres Rechtsstaates Fortschritte erzielt und Be­schlüsse gefasst werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Yildirim und Lausch.)

18.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Nina Tomaselli. – Bitte.


18.20.30

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich denke, wir müssen das hier vor­liegende Thema etwas in den Rahmen setzen, und zwar geht es – Kollegin Fischer hat es auch schon gesagt – um eine Geschichte, die meiner Meinung nach zeigt, dass offen­bar alles einen Preis hat. Es ist auch die Geschichte einer Politik, die das Wohl ihrer Spenderinnen und Spender eher im Blick hat als das Wohl der Allgemeinheit. Ich finde es schade, dass sich die FPÖ bei diesem Thema nicht zu Wort meldet, denn sie spielt eine Hauptrolle in dieser Geschichte.

Lassen Sie mich zum Herbst 2017 zurückkommen und Sie auf die Reise dieser Ge­schichte mitnehmen! 2017 – und das darf man nicht vergessen – ist Folgendes passiert: Damals hatten wir bereits dieses gültige Recht; so wie wir das heute wieder reparieren, so hatten wir das schon einmal. Im September, kurz vor der Wahl, ist ein Initiativantrag eingegangen – im Übrigen von den damaligen Koalitionsparteien, das waren ÖVP und SPÖ –, mit dem man das Grundrecht der Versicherungskundinnen und -kunden, nämlich bei Fehlleistungen, bei falschen Versprechungen lebenslang vom Vertrag zurücktreten zu können, ändern wollte. SPÖ und ÖVP haben diesbezüglich einen Initiativantrag ein­gebracht.

Das Interessante ist, die FPÖ hat sich daraufhin zu Wort gemeldet und schreibt in einer Presseaussendung – Kollege Wurm ist nicht da –: „Sollten SPÖ und ÖVP diesen Geset­zesantrag nicht umgehend zurückziehen, dann wird diese Causa zum großen Sündenfall gegen die Interessen von Hunderttausenden Versicherungskunden in Österreich.“ – So weit, so gut.

Wenige Wochen später kam es dann zur Wahl, das Wahlergebnis haben wir alle noch im Kopf. Dann, am 15. Dezember: Die Regierung ist gebildet. Im Übrigen will die Ver­sicherungslobby, der Versicherungsverband, gar keine Zeit verlieren, schickt schon ihr Forderungspapier – nicht etwa in das zuständige Bundesjustizministerium, nein, sondern in das Bundesfinanzministerium, nämlich mit dem Wunsch, das für die Versicherungen


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sehr teure Rücktrittsrecht der Kundinnen und Kunden abzuschaffen. Genau so geht es weiter.

Das Finanzministerium, Sie können sich noch erinnern, stand unter der Führung einer Person mit einer doch guten Versicherungsnähe, will auch keine Zeit verlieren und schreibt gleich dem zuständigen Justizministerium, man möge das doch bitte sofort auf die Tagesordnung setzen. Sie müssen wissen, die Beamtinnen und Beamten im Justiz­ministerium haben das für eine eher schlechte Idee gehalten. Es ging dann immer wieder hin und her, und mittendrin fand sich immer die Versicherungslobby, die im Übrigen ganze Gesetzestexte dazu formulierte und diese auch dem kürzlich wieder berühmt ge­wordenen Bernhard Perner ins BMF schickte. Sogar Mitarbeiter der Klubs waren davon betroffen.

Im März hat dann die Opposition davon Wind bekommen. Das Ganze erschien im „Standard“ und damit hat auch H.-C. Strache von der ganzen Sache Wind bekommen. „Der Standard“ titelte: „Massiver Eingriff bei Rücktrittsrecht von Lebensversicherung. Laut Gesetzesentwurf soll das lebenslange Rücktrittsrecht fallen. Kunden von fondsge­bundenen Produkten sollen Verluste tragen“. – Strache wittert seine Chance, schickt diesen Artikel an seinen Kabinettschef und schreibt: „Ist da was dran“? – Der informiert sich und sagt, ja, er habe das nochmals eruiert und so weiter und so fort, er werde si­cherheitshalber nochmals mit dem Klub reden, aber es werde noch nicht eingebracht. Dann schreibt Strache Folgendes: „Wichtig! Wenn, dann will ich im Gegenzug Öffnung des PRIKRAF bei Privatkliniken! Lg“ – liebe Grüße.

Dann geht es auf einmal relativ flott, meine lieben Damen und Herren. Im Juni wird ein Initiativantrag zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes eingebracht – sodass wir es jetzt wieder zurückreparieren müssen. Initiativantrag heißt ja im Übrigen immer ohne Begutachtung, und man kann schlussendlich festhalten, dass es zumindest für Straches Freund Grubmüller – das ist ja der Besitzer der Privatklinik, darum ist es gegan­gen – sehr gut ausgegangen ist, denn nur wenige Tage später kam dann das Treffen, bei dem sozusagen die Rahmenbedingungen festgesetzt worden sind, sodass er am Prikraf, am Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds, finanziell partizipieren konnte.

Ich trage das auch deshalb in diesem Detail vor, weil es mich vorhin, als ich meine Rede vorgetragen habe, schon sehr gestört hat, mit welcher Entrüstung die Kolleginnen und Kollegen der freiheitlichen Fraktion reagiert haben. Diese Geschichte zeigt halt eben auch, es ist nicht nur Strache das Problem, nein, sondern Sie alle haben bei dieser Sa­che mitgemacht und Sie alle haben gewusst, worum es geht.

Schlussendlich darf ich Ihnen sagen, der damalige Beschluss von Türkis-Blau, die Kon­sumenten bei falschen Versprechungen durch Versicherungsvertreter auf den Kosten sitzen zu lassen, war tatsächlich skandalös. Wir haben das auch im Ibiza-Untersu­chungsausschuss thematisiert. Wie Sie sehen, haben uns die Akten auch recht gege­ben, es gab irgendwelche dubiosen Deals im Hintergrund. Strache war daran beteiligt. Deshalb freut es mich umso mehr, dass Justizministerin Alma Zadić mit ihrer Initiative dieses wirklich große Ärgernis und diese große Ungerechtigkeit gegenüber den vielen Versicherungskundinnen und ‑kunden jetzt beseitigt. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Doppelbauer.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin Zadić.


18.27.08

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Heute legen wir ein Gesetz vor, mit dem wir endlich eine Ungerechtigkeit beseitigen. Versicherungs­vertragsgesetz: Abgeordnete Jachs hat es schon gesagt, das klingt nicht besonders


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aufregend und ist sicher auch nicht geeignet, um die Abendnachrichten zu füllen, aber es ist sicherlich ein Gesetz, das viele Konsumentinnen und Konsumenten schützt und stärkt. Darum ist es auch notwendig gewesen, das alte Gesetz aufzuheben und diese Ungerechtigkeit zu beheben.

Was machen wir konkret? – Wir reparieren mit der vorliegenden Regierungsvorlage ein Gesetz, welches bereits jetzt, nach Kritik des Europäischen Gerichtshofes, keine Anwen­dung mehr gefunden hatte, weil es eben gegen unionsrechtliche Vorgaben verstieß. Die anstehende Gesetzesreparatur stellt nun klar, dass Konsumentinnen und Konsumenten bei einem Spätrücktritt wegen fehlender oder grob fehlerhafter Belehrung die eingezahl­ten Prämien und nicht nur den Rückkaufswert zurückerhalten. Mit diesem Vorhaben wird darüber hinaus klargestellt, dass Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer auch dann ein sogenanntes ewiges Rücktrittsrecht haben, wenn zwar eine Rücktrittsbe­lehrung vorlag, diese aber grob mangelhaft war.

Diese Gesetzesänderung ist auch deswegen notwendig geworden, weil bereits ein Ver­tragsverletzungsverfahren gegen Österreich läuft und wir dieses damit endlich zu einem positiven Ende bringen können. Das führt natürlich auch zu mehr Rechtssicherheit für österreichische Konsumentinnen und Konsumenten und bringt Klarheit in die seit Jahren geführte Diskussion um die Rücktritte bei Lebensversicherungen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe wirklich sehr, dass dieses Vorhaben eine möglichst breite Zustimmung findet. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich auch diese Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Justizausschusses und fahre in der Tagesordnung fort.

18.29.4015. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1440 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Dis­ziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Be­rufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022) (1465 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Anges Sirkka Prammer, Sie sind als Erste zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.30.06

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich hier vor allem auf jenen Teil konzentrieren, der die Rechtsanwaltsordnung betrifft, und zwar aus einem sehr wichtigen Grund: Der Beruf der Rechtsanwältin ist ein wunderschöner Beruf. Es ist ein Beruf, den man sich, wenn man ihn sich aussucht, eigentlich aus Überzeugung und aus Leidenschaft aussucht, den man gerne ausübt und der wirklich, wirklich erfüllend ist.

Dorthin zu kommen erfordert eine lange Zeit. Es kommt erst das Studium, dann die Ge­richtspraxis, dann die Zeit als Rechtsanwaltsanwärterin, und dann steht man nach insgesamt – wenn man relativ flott ist – ungefähr acht, neun Jahren, meistens ein biss­chen länger, also mit ungefähr Ende 20, Anfang 30, dort, wo man mit dem Beruf über­haupt einmal beginnen kann. Und genau diese Zeit ist auch die sogenannte Rushhour


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des Lebens, das ist die Zeit, in der alles passiert, in der man im Beruf sattelfest wird, in der man sich in der Wohnung, im Haus gut einrichtet, versucht, sich etwas zu schaffen, und in der man auch versucht, eine Familie zu gründen. Und genau in dieser Zeit ist es so, dass man als Anwältin sehr viel, wirklich sehr viel Geld verdienen muss, um einmal die Grundkosten, die der Beruf aufwirft, zu decken.

Ein wesentlicher Punkt in diesem Bereich sind Beiträge zur Kammer und zur Pensions­versicherung, die zu zahlen sind – das sind rund 1 500 Euro im Monat, die man einmal verdienen muss, die man einmal erwirtschaften muss, um überhaupt den Beruf ausüben zu können. Dazu kommen noch die restlichen Fixkosten, die man hat. Also man muss schon sehr viel arbeiten können, um sich quasi den Beruf leisten zu können.

Jetzt ist es aber so, dass man in dem Zeitraum, wenn man tatsächlich eine Familie grün­den möchte, vor dem Problem steht, dass man in der Zeit, in der man diese sogenannte Babypause hat – das bedeutet, in der Zeit, in der man einfach tatsächlich nicht so viel arbeiten kann, wie man eigentlich sollte oder möchte –, diese Kosten weiterhin hat, und es gab bisher überhaupt keine Möglichkeit, davon runterzukommen. Diese Möglichkeit schaffen wir jetzt. Das ist ein wirklich großes Problem gewesen, und jetzt gibt es dafür eine Lösung. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Fürlinger und Gabriela Schwarz.)

Was bisher als Lösung angeboten wurde – was zum Beispiel auch mir angeboten wur­de –, ist: Na lass dich halt von der Liste der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen kurz streichen, du kannst dich dann ja wieder eintragen lassen! – Ja, natürlich kann man das, falls es dann noch die gleichen Bedingungen gibt. In der Zwischenzeit ist man kein Mit­glied in der Standesvertretung, man kann auch die VertreterInnen dort nicht wählen und man sammelt auch keine Zeiten für die Pension – und das ist nämlich das Ausschlagge­bende, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

All das passiert jetzt nicht mehr, weil wir die Möglichkeit geschaffen haben, den Anwalts­beruf zumindest ruhend zu stellen. Das heißt, man kann die Berufsberechtigung vorüber­gehend zurücklegen, keinen Gebrauch davon machen, bleibt aber vollumfänglich Recht­sanwalt oder Rechtsanwältin, und das ist gut.

Das ist eine Möglichkeit – und ich rede hier nicht von einer Möglichkeit von Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Rechtsanwaltsberuf ist damit nicht gelöst, auf keinen Fall, aber was wir damit schaffen, ist die Möglichkeit, eine Familie zu gründen, ohne den Beruf aufzugeben. Das ist wichtig, das ist ein ganz wichtiger Schritt, und deshalb bitte ich um breite Zustimmung zu diesem Gesetz. – Dan­ke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


18.34.22

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Mit Stand 31. Dezember 2021 waren oder sind nach wie vor 8 369 Rechtsanwältinnen und Rechts­anwälte in Österreich eingetragen, und von diesen 8 369 sind gerade einmal 1 622 Rechts­anwältinnen, also knapp 24 Prozent – nicht einmal ein Viertel an weiblichen Vertretern in dieser Berufsgruppe. Auf die Reise in diese Berufssparte begeben sich aber viel, viel mehr Frauen: Rund 50 Prozent der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsan­wärter sind Frauen.

Woher kommt diese Diskrepanz? Warum gibt es so wenige Anwältinnen? – Schaut man sich die Materie an, sieht man, es hakt genau an dem Problem, dass nämlich Beruf, Karriere und Familie nicht vereinbar sind, und das hat strukturelle Gründe.


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Meine Vorrednerin hat von ersten wichtigen Verbesserungen gesprochen. Ich sage: Ja, das sind erste Schritte, aber wir dürfen hier nicht haltmachen, weil es da eigentlich nur darum geht, dass man sich nicht von der Liste herunternehmen lassen muss, wenn ein Kind auf die Welt kommt oder wenn man ein Kind adoptiert oder ein minderjähriges Kind in Pflege hat, sondern – bleiben wir bei den Rechtsanwaltsanwärterinnen – mit Zustim­mung des Anwalts, des Ausbildners – mit Zustimmung! – eine Ruhendstellung beantra­gen kann; diese muss dann erst in einem Ausschuss genehmigt werden.

Also ich finde das eigentlich höchst erstaunlich und komme aus dem Staunen nicht he­raus: das im 21. Jahrhundert bei einer Berufsgruppe, deren Vertreterinnen und Vertreter hoch angesehen sind, die sehr, sehr viel leisten, bis sie dann Ende 20, Anfang 30 über­haupt den Beruf ausüben können. In der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst sehen wir es beinahe als Selbstverständlichkeit – nach hartem Erkämpfen natürlich –, dass man – in der Regel sind es Frauen – in Karenz gehen kann. Jetzt wird es zwar mit dem heutigen Beschluss möglich sein, dass man die Berufsberechtigung zumindest ru­hend stellt und sich nicht von der Liste streichen lassen muss, aber es heißt noch immer nicht, dass man abgesichert ist.

Wir haben geglaubt, dass diese bis zu 24 Monate an Karenzzeit, diese Pensionsansprü­che oder Ersatzzeiten, die wir aus unserer breiten Arbeitswelt kennen, auch für Rechts­anwältinnen oder Rechtsanwaltsanwärterinnen ermöglicht werden – dem ist aber nicht so. Es ist unglaublich, wie weit diese Berufsgruppe, die in der Rechtspflege insgesamt wichtig ist, hinterherhinkt. Diese strukturellen Benachteiligungen sollten wir, sehr geehrte Damen und Herren, gemeinsam möglichst bald abschaffen.

Ich möchte daher zunächst einmal folgenden Antrag einbringen, der beinhaltet, dass die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage in der Fassung des Ausschussberichtes 1465 der Beilagen wie folgt geändert wird:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Diszipli­narstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022).

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„In Art. 2 § 32 Abs. 1 wird der Satz ,Bei der Antragstellung ist die Zustimmung zu diesem Vorgehen durch den Rechtsanwalt, bei dem die antragstellende Person in praktischer Verwendung steht, nachzuweisen.‘ gestrichen.“

*****

Es kann nicht sein, dass es von einzelnen Rechtsanwaltskammern in den jeweiligen Ländern und der Ausschussbesetzung abhängig ist, ob jemand sich diese Babypause nehmen kann, zumal man dann auch noch, selbst wenn das quasi ein Mehrheitsbe­schluss geworden ist, keine Pensionsansprüche erwirbt. Ich glaube, wir haben hier einen Auftrag und werden einen entsprechenden weiteren Antrag bringen und dies in der par­lamentarischen Debatte gemeinsam mit den verantwortlichen Kammern auch zu einem positiven Ergebnis bringen, denn Vereinbarkeit von Beruf und Familie darf kein Luxus sein, sondern muss im 21. Jahrhundert mittlerweile eine Selbstverständlichkeit sein. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 182

Abänderungsantrag

§ 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Nurten Yilmaz,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1440 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (Be­rufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022) (1465 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„In Art. 2 § 32 Abs. 1 wird der Satz „Bei der Antragstellung ist die Zustimmung zu diesem Vorgehen durch den Rechtsanwalt, bei dem die antragstellende Person in praktischer Verwendung steht, nachzuweisen.“ gestrichen.

Begründung

Mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 – BRÄG 2022 soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für Rechtsanwaltsanwärter*innen verbessert werden. Eine Zu­stimmungspflicht zum Antrag auf Ruhendstellung der Berechtigung zur Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter*in durch den Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin bei dem die antragstellende Person in Verwendung ist, steht dazu im Widerspruch. Rechtsanwalts­anwärter*innen, die sich für bis zu zwei Jahre dafür entscheiden, sich der Erziehung ihres Kindes zu widmen, sollten diese Entscheidung unabhängig von der Zustimmung ihres ausbildenden Rechtsanwalts bzw. der ausbildenden Rechtsanwältin treffen kön­nen. Dem steht auch kein anderes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin entgegen, da diese nicht daran gehindert sind, für den Zeitraum des Ru­hens ein weiteres Ausbildungsverhältnis einzugehen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


18.39.48

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Da stehen mehrere Punkte auf der Tagesordnung, die verhandelt werden, und zwar werden sowohl die Rechtsanwalts­ordnung als auch die Notariatsordnung geändert. Es geht dabei um Änderungen, die sich aus der Praxis ergeben haben und sinnvolle Anpassungen sind.

Breit diskutiert wurde bereits über die Ruhendstellung in der Rechtsanwaltsordnung, das halten wir auch für sinnvoll. Es gibt jetzt auch die Möglichkeit, im Alltag der Kammertätig­keit Videokonferenzen durchzuführen – das ist auch sinnvoll.

In der Notariatsordnung gibt es zwei Dinge, die sinnvoll sind. Das eine ist, dass es eine Klarstellung gibt, wo ein Notar tätig sein darf, wenn er gleichzeitig in einem Stiftungs­vorstand oder im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist – ob er dann in Gesellschaften, die der Stiftung nachgeordnet sind, tätig werden kann. Das ist eine Klarstellung.


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Ein wirklich wichtiger Punkt ist – das ist jetzt der letzte, den ich hier behandeln möchte ‑, dass es ja die Möglichkeit gibt, digitale Beurkundungen durchzuführen. Das ist ein großer Schritt gewesen, der vor Kurzem umgesetzt wurde, jetzt im Rahmen der Coronapan­demie auch noch einmal verstärkt wurde. Da gab es bis jetzt nur die Möglichkeit, ent­weder eine digital signierte Urkunde zu haben oder eine physisch unterschriebene Pa­pierurkunde, nicht aber eine Hybridurkunde, bei der eine Partei digital signiert und die andere händisch unterschreibt. Das war natürlich in der Praxis ein Nachteil und in Wirk­lichkeit etwas, bei dem man gesehen hat, dass es sinnvoll wäre, wenn es eben die Mög­lichkeit dieser sogenannten Hybridurkunden gäbe. Das wird jetzt hier umgesetzt, das heißt, es wird noch mehr erleichtert und verbessert, digitale Beurkundungen durchführen zu können.

Insgesamt handelt es sich also um eine sinnvolle, aus der Praxis kommende Novelle, daher stimmen wir zu. (Beifall bei der FPÖ.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.


18.41.50

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Was Kollegin Sirkka Prammer gesagt hat, unterstreiche ich voll und ganz. Wir sind einer Meinung: Es ist ein wunderbarer Beruf, es ist ein schöner Beruf, es ist ein weiter Weg dorthin und es ist ein sehr vielschichtiger Beruf geworden.

Rechtsanwalt ist heute nicht mehr Rechtsanwalt. Da gibt es jene, die noch zu Gericht gehen und bei Gericht einschreiten, da gibt es jene, die ausschließlich in der Beratungs­branche und sehr viel im eigenen Büro tätig sind, und das eröffnet, insbesondere auch im Licht der modernen Technologien, die wir in diesem Beruf haben, viele Möglichkeiten.

Wir erarbeiten ja gemeinsam vieles, was auch Probleme lösen kann, die sich dadurch ergeben, dass junge Paare und dass Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwaltsanwärterin­nen Kinder bekommen möchten, was in der Natur der Sache liegt. Wir hatten aber Handlungsbedarf, meine Damen und Herren. Den hatten wir deshalb, weil wir bei den Rechtsanwaltsanwärtern 50 Prozent Frauen haben und im Rechtsanwaltsstand 25 Pro­zent. Da ist irgendwo ein Reibungsverlust, der gut begründbar war, weil eine Absiche­rung in der Form eben nicht gegeben ist. Das ist etwas, wofür wir einerseits Ihnen, Frau Minister, dem Ministerium, den Standesvertretungen und all jenen, die daran gearbeitet haben, Dank aussprechen müssen. Da hatten wir Aufholbedarf.

Wenn ich dann höre, dass in dieser Maßnahme, die, glaube ich, schon ein Meilenstein im Standesrecht der Rechtsanwälte ist, wieder versucht wird, krampfhaft irgendwelche Fehler zu finden und mit irgendwelchen Anträgen dagegen zu gehen: Ich habe es schon im Ausschuss gesagt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ich glaube, es ist nichts Vermessenes und selbstverständlich, dass, wenn heute jemand wo angestellt ist, er den Dienstgeber vom freudigen Ereignis einer Schwangerschaft verständigt, jeder Dienstge­ber auf dieser Welt das zur Kenntnis nehmen wird und, mit einer Gratulation versehen, auch seine Unterschrift daruntersetzen wird. Das tun die österreichischen Rechtsanwäl­te; und die österreichischen Rechtsanwältinnen tun es sowieso, weil sie wahrscheinlich noch mehr Verständnis aufbringen.

Ich halte diese Reform am Ende eines Diskussionsprozesses für eine ganz besonders gute. Wir werden uns meiner Meinung nach auch noch ein bisschen mit den Ausbil­dungsrichtlinien beschäftigen müssen. Auch diese könnten da oder dort einen leichten Modernisierungsschub gebrauchen, sodass die örtliche und lokale Aufsicht in Zeiten von Homeoffice und digitaler Rechtspflege vielleicht nicht ganz am obersten Ende angesie­delt ist. Diese Diskussion werden wir noch führen müssen.


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Dass wir dem Antrag der Sozialdemokraten, selbst die Verständigungspflichten hinsicht­lich des vorgesetzten Rechtsanwalts zu streichen, nicht zustimmen werden, versteht sich von selbst. Ich kann aus innerer Überzeugung Zustimmung zu diesem Gesetz geben – das ist ein Schritt, der für die Rechtsanwaltschaft von Bedeutung ist. Ich danke allen Beteiligten für die Mitarbeit daran. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Prammer.)

18.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


18.45.23

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen! Tja, es ist also tatsächlich so, dass Frauen nicht nur Kuchen backen und den Homeoffice­schreibtisch blockieren, sondern mitunter Karriere machen, als Rechtsanwältinnen und in anderen juristischen Berufen oder wo auch immer. (Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Wir sind also im 21. Jahrhundert angekommen, und es ist allerhöchste Zeit, dass das Berufsrecht der freien Berufe, im speziellen Fall das Berufsrecht der Rechtsanwälte, angepasst wird und dass die Möglichkeit geschaffen wird, dass man sich, wenn die Fa­milie sich vergrößert, nicht aus der Liste streichen lassen muss und später mit entspre­chendem Aufwand wieder eintragen lassen muss, sondern dass man jetzt die Anwalt­schaft ruhend stellen kann. Das begrüße ich sehr, das begrüßt auch meine Fraktion sehr, weil es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Zum Ansinnen der Kollegin Yildirim betreffend die Frage der Zustimmung: Wir waren im Justizausschuss diesbezüglich noch skeptisch, wir haben uns das jetzt aber überlegt.

Worum geht es? – Wie Kollege Fürlinger ausgeführt hat, ist ja eh klar: Welcher Dienst­geber, welche Dienstgeberin wird in diesem Fall Nein sagen? Wir denken also, dass es wirklich entbehrlich ist, diese Möglichkeit, die Anwaltschaft oder das Ausbildungsverhält­nis ruhend zu stellen, an eine Zustimmung zu binden. Die Information muss ja sowieso erfolgen. Ich bin seit 35 Jahren Dienstgeber und habe schon oft erlebt, dass eine Mitar­beiterin mit der Bestätigung des Arztes, dass eben eine Schwangerschaft vorliegt, da­steht. Das ist ja eine Selbstverständlichkeit, das gibt es ja nicht, dass man da als Chef plötzlich überrascht wird. Daher betrachten wir es als nicht erforderlich, dass eine Zu­stimmung eingeholt werden muss, und werden daher dem Abänderungsantrag zustim­men, wie wir natürlich auch dem gesamten Gesetzespaket zustimmen.

Erwähnen möchte ich, dass der Österreichische Rechtsanwaltskammertag zu diesem Gesetzesvorhaben eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben hat, und ich will auch lobend erwähnen und das wirklich entsprechend würdigen, dass die meisten der Vor­schläge des Rechtsanwaltskammertages, die er im Rahmen des Begutachtungsverfah­rens abgegeben hat, jetzt im aktuellen Gesetzestext Niederschlag gefunden haben und dort verwirklicht sind.

Auch da erlaube ich mir einen kurzen Hinweis auf ein sachfremdes Thema, das den Tagesordnungspunkt nicht unmittelbar betrifft, eigentlich nicht einmal das Justizminis­terium: Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag führt in seiner Stellungnahme ausdrücklich aus, dass die Umsetzung der Whistleblowerrichtlinie überfällig ist. Wir sind da als Republik Österreich schon wieder im Umsetzungsverzug.

Bearbeitet wird das Thema im Wirtschafts- und Arbeitsministerium. Dort ergibt sich aus einer Anfragebeantwortung die Zusage, dass es Ende letzten Jahres bereits einen Be­gutachtungsentwurf geben sollte – den gibt es bis heute nicht. Die Rechtsanwaltschaft verweist darauf, dass sie eine eigene Meldestelle brauchen wird, und ich möchte


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unterstreichen, dass, wenn es dann so weit ist, wir wirklich im Rahmen der Selbstver­waltung der Rechtsanwaltschaft auch die Rechtsanwaltsordnung so ändern, dass eine eigene, im Rahmen der Selbstverwaltung betriebene Meldestelle für die Umsetzung der Whistleblowerrichtlinie geschaffen wird.

Im Übrigen verleihe ich meiner Hoffnung Ausdruck, dass ebendiese Richtlinie jetzt wirk­lich schnell umgesetzt wird. Wir brauchen sie sehr, sehr dringend, auch um Wirtschafts­kriminalität und Malversationen im politischen Bereich leichter bekämpfen zu können. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.49


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Zadić zu Wort gemel­det. – Bitte.


18.50.01

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ein funktionierender Rechtsstaat ist ein zentraler Grundpfeiler unseres modernen und demokratischen Systems. Hinter jedem System stecken aber immer auch Menschen mit ganz alltäglichen Sorgen und ganz alltäglichen Anliegen. Im Falle der Justiz sind das die RichterInnen, die StaatsanwältInnen, aber na­türlich auch die Anwältinnen und Anwälte, die Notarinnen und Notare. Genau sie befüllen unseren Rechtsstaat mit Leben.

Sie wissen auch, dass die Gleichstellung mir ein ganz besonderes Anliegen ist. Das gilt insbesondere auch für den Rechtsanwaltsberuf. Mit der vorliegenden Regierungsvorlage wollen wir endlich auch einen wichtigen Schritt in Richtung ein wenig Verbesserung für diesen wichtigen Tätigkeitsbereich in diesem Rechtsstaat schaffen. Niemand soll den Rechtsanwaltsberuf verlassen müssen, weil er oder sie in Karenz geht. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Steinacker und Krisper.)

Ich sage das bewusst so, weil es ja nicht nur Frauen betrifft: Auch Männer, männliche Rechtsanwälte können in Karenz gehen. Es ist keine Ausrede mehr, dass sie ihren Rechtsanwaltsberuf deswegen aufgeben müssen. Jetzt haben sie die Möglichkeit, ihre Frauen dabei zu unterstützen und sich die Karenz gerecht aufzuteilen. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Steinacker und Pfurtscheller.)

Darüber hinaus haben wir in dieser Regierungsvorlage auch andere Rahmenbedingun­gen geschaffen, weil wir auch gesehen haben, dass die Coronapandemie da auch wich­tige Schritte erfordert – gerade dann, wenn es um die Digitalisierung und insbesondere die Digitalisierung der Justiz geht. Jetzt haben wir eben auch diese Möglichkeit der hybri­den Urkunden geschaffen – der Abgeordnete hat es ja auch schon gesagt –, jetzt kön­nen die Parteien künftig die Urkunden entweder händisch oder auch elektronisch signie­ren. Diese Änderung ermöglicht auch Flexibilität bei der Errichtung von elektronischen Notariatsakten und macht die Justiz somit insgesamt digitaler und insgesamt zugängli­cher. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Um diese Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, haben wir eingehend mit den Stan­desvertretungen von Notariat und auch Rechtsanwaltschaft gesprochen und viele Anlie­gen auch weitgehend übernommen. Ich freue mich wirklich sehr, dass es ein rundes Berufsrechtspaket geworden ist, das auch modern und digital ist, das wir auf den Weg bringen können. Damit wird das Ganze auch etwas zukunftsfitter.

Ich bedanke mich daher ganz, ganz herzlich bei der Sektion für Zivilrecht meines Hau­ses, denn die KollegInnen haben wirklich großartige Arbeit geleistet, hier mit allen ge­sprochen, um ein gutes, rundes Paket auf den Weg zu bringen. – Ich hoffe auf Ihre Zu­stimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.53



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 186

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Andrea Holzner. – Bitte.


18.53.24

Abgeordnete Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Haben Sie nicht auch die toughen Frauen aus Anwaltsserien vor Augen, die allen Idealvorstellungen entsprechen? Wie schaut aber die Realität aus? – Bereits vor 20 Jahren waren 35 Prozent der RechtsanwaltsanwärterIn­nen Frauen. Mittlerweile sind es fast 50 Prozent. Wissen Sie, wie viele tatsächlich den Beruf ergreifen? – Von den circa 6 600 RechtsanwältInnen sind nur 23 Prozent Frauen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben die Problematik bereits geschildert.

Mit dieser Novelle soll nun bei Geburt, Adoption oder Pflege eines Kindes der Rechts­anwaltsberuf für zwei Jahre ruhend gestellt werden können. Dadurch kann der betreu­ende Elternteil – es kann auch der Vater sein – in der Liste der Rechtsanwälte eingetra­gen bleiben, damit bleibt die Kammermitgliedschaft aufrecht und es können Beitragszei­ten für die Altersversorgung erworben werden. Es ist höchste Zeit für dieses Update des Berufsrechts-Änderungsgesetzes in Richtung Gleichstellung von Mann und Frau und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Ein weiteres Update betrifft die Anpassung an digitale Abläufe. Notarielle Urkunden kön­nen von den Vertragsparteien je nach Wahl händisch oder elektronisch unterfertigt wer­den. Zum Beispiel habe ich als Bürgermeisterin einige notarielle Urkunden zu unterferti­gen: Dafür brauche ich nun nicht mehr in die Kanzlei zu fahren, sondern kann das orts­unabhängig signieren. Das vereinfacht, das erleichtert und spart Zeit für die ureigensten Aufgaben.

Wissen Sie, wie hoch wir beim Digitalisierungsgrad im Vergleich der EU-Länder sind? – Das ist jetzt ein kurzes Update für den Digitalisierungssprecher der NEOS. Bei der gest­rigen Rede hatte ich den Eindruck, es sind nicht alle auf dem neuesten Stand. Wir schneiden bei allen gemessenen Parametern laut Desi-Index überdurchschnittlich ab, erzielen den zehnten Platz und sind aufgrund unseres konsequenten nutzerfreundlichen Ausbaus für unsere Bürgerinnen und Bürger besonders bei digitalen öffentlichen Diens­ten erfolgreich.

Ein weiteres Update noch für die Landwirtschaftssprecherin der NEOS, Frau Abgeordne­te Dopplerbauer. (Abg. Doppelbauer: Hier, hier! Doppelbauer!) – Doppelbauer! Frau Abgeordnete Doppelbauer hat das Gefühl, die österreichische Landwirtschaftspolitik hat die Vision von 1950. Ich möchte dazu mitteilen: 1950 hat ein Landwirt zehn Leute er­nährt; mittlerweile ernährt ein Landwirt 117 Leute. In Zeiten dieser Krise, in der Versor­gungssicherheit ein ganz wichtiges Thema ist, in der Welthunger ein Thema ist, ist das eine großartige Leistung unserer Bäuerinnen und Bauern für unsere Gesellschaft. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Berufsrechts-Änderungsgesetz: Ich freue mich über die voraussichtliche Annahme dieser Änderungen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich auch an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Justiz.


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18.57.0516. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 2501/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz, die Rechtsanwaltsordnung und das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (1466 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gehe ich in der Tagesordnung weiter und wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


18.57.48

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ganz kurz: Da geht es da­rum, dass Covid-Maßnahmen im Justizbereich wieder verlängert werden sollen. Diese Covid-Maßnahmen sind regelmäßig Dinge, die die Qualität im Rechtsbereich, in der Gerichtspraxis mindern. Es könnten auch Dinge dabei sein – und es wäre interessant, das jetzt einmal ernsthaft zu prüfen –, die man ins Dauerrecht überführen will. Dann sollte man aber darüber diskutieren und die Dinge nicht wieder ein halbes Jahr lang hier hinausschieben und einen Sonderstatus, also eine Ausnahmesituation, die es in der Form einfach nicht mehr gibt, die nicht mehr notwendig ist, künstlich verlängern.

Man muss die Realität also zur Kenntnis nehmen: Einerseits ist die Ausnahmesituation beendet, und andererseits diskutieren wir gern darüber, wenn was wirklich ins Dauer­recht zu übernehmen ist. – Das lehnen wir aber jedenfalls ab. (Beifall bei der FPÖ.)

18.58


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Pram­mer. – Bitte.


18.58.59

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Ich habe eigentlich überlegt, ob es notwendig ist, dass ich mich jetzt wieder an Sie wende und sage, wie wichtig es ist, dass man diese Maßnahmen noch einmal verlängert. Offensichtlich ist es doch wichtig, das noch einmal zu erklären. Es ist gut, dass man diese Regelungen hat, damit dann auch in einem Zeitraum, in dem es wo­möglich wieder notwendig ist, dass man Einschränkungen hat, der Justizbetrieb funktio­nieren kann. Das ist es schlicht und einfach, mehr ist es nicht, aber das ist wichtig. Wir wissen nicht, wie der Herbst wird. Wir wissen schon gar nicht, wie der Winter wird, daher ist es wichtig, gerüstet zu sein.

Noch einmal zur Betonung: All diese Maßnahmen, all diese Verfahrenssonderbestim­mungen stehen immer unter dem Vorbehalt, dass es notwendig sein muss, dass man sie so durchführt. Das wissen Sie.

Das heißt, wenn es nicht notwendig ist, läuft alles ganz normal, wie gehabt; wenn es notwendig wird, hat man die notwendigen Mittel zur Verfügung. (Abg. Stefan: Dann führen wir es ins Dauerrecht über!) – Das ist auch ein guter Punkt, es ins Dauerrecht überzuführen: Nein, das wollen wir explizit nicht, weil es eben Sonderbestimmungen sind (Abg. Stefan: Wenn es notwendig ist!), die grundsätzlich nicht zum Zivilverfahren mit den hohen Standards (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Steinacker und Stefan), die wir an die Verfahrensregelungen haben, so wie wir Verfahren sonst durchführen und durchführen wollen, passen. Damit sind sie nur dann vereinbar, wenn besondere Umstände vorliegen. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)


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Deshalb: Nein!, deshalb die Verlängerung, deshalb die zeitliche Befristung: damit das auch dann endet, wenn es enden muss – immer mit der Option, es zu verlängern, wenn es weiterhin notwendig ist.

Wir sind noch immer nicht fertig. Die Situation nimmt einen guten Verlauf – es kann gut sein, dass wir es im Herbst und im Winter geschafft haben; dabei kommt es auch darauf an, wie sehr alle wieder an sich selbst arbeiten –, aber im Moment ist es noch nicht vorbei, und deshalb brauchen wir noch einmal diese Verlängerung. (Beifall bei den Grü­nen.)

19.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Selma Yildirim. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.01.13

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Auch ich werde mich bemühen, mich kurz zu halten. Als SPÖ-Fraktion finden wir es grundsätzlich in Ordnung, diese Möglichkeit befristet auf ein halbes Jahr weiter aufrecht­zuerhalten.

Zugegeben: Als wir vor jetzt mittlerweile etwas mehr als zwei Jahren mit der Pandemie konfrontiert wurden, hätten wir uns alle nicht ausmalen können, dass es so lange dauert, und da es in der Zwischenzeit die 15. Angelobung, den dritten Gesundheitsminister und innerhalb von zwei Monaten den dritten Bundeskanzler gegeben hat, also es recht instabil ist, muss ich sagen, ist es zumindest einmal wichtig, dass man im Bereich der Verwaltung – in diesem Fall jetzt im Bereich der Justiz – eine gewisse Stabilität im Sinne von Möglichkeiten, schnell zu reagieren, gibt, wenn sich jetzt die Ansteckungsgefahr in der Pandemie durch eine höhere Zahl von Infizierten erhöhen sollte.

Meine Vorrednerinnen und mein Vorredner haben teilweise von guten Lösungen gere­det, die man ins Dauerrecht übernehmen sollte. Wir wissen, dass bestimmte Anhörun­gen und Verhandlungen per Video möglich gemacht werden sollen, ja, und es gibt auch etwas – und das ist etwas, bei dem ich einfach um Ihre Aufmerksamkeit bitte ‑, bei dem ich absolut einen Ansatz finde, das ins Dauerrecht zu übernehmen, nämlich die Gebüh­renfreiheit von Unterhaltsvorschussgewährungen, nämlich die Möglichkeit, auch ohne einen Exekutionstitel einen Unterhaltsvorschuss zu erlangen.

Darüber hinaus – der Vollständigkeit halber sei es gesagt – sollte man, wenn die Zahlen steigen, natürlich diese virtuelle Versammlung von Vereinen und Gesellschaften grund­sätzlich möglich machen.

Ich betone: im ersten und im letzten Punkt befristet auf ein halbes Jahr, aber im Fall der Unterhaltsbevorschussung sollten wir wirklich endlich einmal etwas, dem wir – alle poli­tischen Parteien – 2017 mit dem Hochhalten von Täfelchen zugestimmt haben, nämlich dem Ja zur Unterhaltsgarantie, umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben jetzt zwei Jahre lang gesehen, dass das zumindest eine Erleichterung für Betroffene, alleinerziehende Elternteile – in der Regel zu über 80 Prozent Frauen – be­deutet hat. Ihnen hat man die Last ein bisschen leichter machen und abnehmen können, wir wissen aber auch, dass jedes zweite Kind, das einen Anspruch auf Geldunterhalt hat, keinen einzigen Euro zu sehen bekommt, und das ist wirklich beschämend.

Es hat sich gezeigt, dass sich diese Armutsbetroffenheit und -gefährdung in den vergan­genen zweieinhalb Jahren noch einmal verstärkt hat, und da sind wir gefordert. Bei die­sem Punkt würde ich wirklich an Sie, Frau Ministerin, appellieren – Sie nicken zustim­mend, ich hoffe aber, dass Sie auch Ihren Koalitionspartner überzeugen können ‑, da endlich einen guten Schritt zu gehen, nämlich Kinderarmut abzuschaffen. Den Diskus­sionsrahmen gibt es ja: Seit eineinhalb Jahren diskutieren Sie mit vielen verschiedenen


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ExpertInnengruppen, Frauenvereinen et cetera, da eine gute Lösung zu finden. Ich glaube, die beste Lösung ist, zunächst einmal als Punkt eins diese Unterhaltsgarantie umzusetzen, bevor wir auf andere Themen eingehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist mein Appell, und ich hoffe darauf, dass Sie alle, die Sie heute hier im Parlament sitzen, endlich die Versprechen, die Sie den Frauen in diesem Land vor viereinhalb Jah­ren gemacht haben, umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Michaela Steinacker. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.04.58

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Ja, wir verlängern mit diesem Initiativ­antrag die Regelungen des 1. und des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes.

Ich denke, es gibt darin einiges, was bemerkenswert dynamisch geworden ist, auch im Bereich der Justiz, wo ja Möglichkeiten geschaffen wurden, dass man Anhörungen, dass man Beweisaufnahmen auch mit den digitalen Kommunikationsmitteln entsprechend machen kann. Da spreche ich jetzt vom reinen Justizbereich. Aber darüber hinaus gibt es natürlich auch andere Bestimmungen wie etwa, dass Gesellschaften und Vereine vir­tuelle Hauptversammlungen, virtuelle Generalversammlungen abhalten können, et ce­tera. Auch für die Steuerberater haben wir Regelungen bezüglich der Aufstellungs- und Offenlegungsfristen getroffen, ebenso für unsere Rechtsanwälte bezüglich der Briefwahl beziehungsweise Briefabstimmung.

Ich denke, wir entscheiden hier und heute ganz bewusst, und wir haben ja auch im Aus­schuss darüber diskutiert – wenn ich da Kollegen Stefan kurz anschauen darf –, dass wir der Meinung sind, dass ein Rein und Raus aus diesen Maßnahmen nicht gut ist. Auch wenn wir in Österreich derzeit aufgrund der Covid-Lage ja nicht unbedingt unmit­telbar virtuelle, digitale Maßnahmen bräuchten, gibt es mittlerweile aber in Südafrika, wo jetzt Herbst ist, neue Omikronvarianten, die wiederum eine Infektionswelle verursachen, und ich glaube, es ist gescheiter, jetzt bereits den Herbst vorwegzunehmen, anstatt dann wieder Notmaßnahmen setzen zu müssen. Damit schaffen wir für unseren Justizbereich, für unsere Stakeholder Kontinuität.

Ich glaube auch, dass uns viele dieser Maßnahmen wirklich ins 21. Jahrhundert gebracht haben. Ich möchte uns nicht wieder in ein Vordigitalisierungszeitalter zurückbeamen. Ich möchte hier im Parlament einen Dialog anbieten. Sie haben ja bei den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört, dass es doch etliche Maßnahmen gibt, die sich eine Diskussion darüber verdienen würden, sie ins Dauerrecht zu übernehmen. Ich stehe für einen Dialog hierzu bereit, selbstverständlich auch gern mit dir, Frau Justizministerin. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Justizausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

19.07.1817. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1190/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zum Schutz und zur Hilfe von und für Minderjährige (1467 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 190

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag. Harald Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.07.47

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, das hier ist ein Antrag, den wir eingebracht haben, weil wir der Meinung sind, es besteht eine Lücke beim möglichen Schutz von Kindern.

Ich will versuchen, das zu erklären. Es geht darum, dass wir ja ein Unterbringungsgesetz haben, das die Möglichkeit gibt, dass man jemanden auch gegen seinen Willen in Obhut nimmt, dafür ist allerdings erforderlich, dass es eine Fremd- oder Selbstgefährdung gibt. Suchtmittelmissbrauch wird allerdings nicht als Selbstgefährdung definiert, und es gab leider dramatische Fälle, auch in der jüngeren Vergangenheit – insbesondere gab es auch einen Fall in Tirol, und dieses Kind ist dann dramatischerweise auch verstorben –, bei denen es nicht möglich war, ein Kind, das leider so abgeglitten ist, auch tatsächlich in Obhut zu nehmen, weil es keine gesetzliche Grundlage dafür gab.

In Deutschland beispielsweise gibt es eine Regelung – und das war unser Ansatz –, die etwas weiter greift, die auch dann einsetzen kann, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist, natürlich aber nur unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten, aller Institutionen, die notwendig sind, wie etwa das Jugendamt, und letztendlich müsste das Pflegschafts­gericht eine Entscheidung treffen. Es geht uns also überhaupt nicht darum, mutwillig jemanden einzusperren, wegzusperren – das wurde im Ausschuss behauptet und wird wahrscheinlich heute auch wieder so angeführt werden –, es geht uns schlicht und ein­fach darum, die Möglichkeit zu schaffen, eingreifen zu können, eine gesetzliche Maß­nahme zu haben, wenn eben dieses Wohl so massiv gefährdet ist und alle diese Insti­tutionen das auch so sehen.

Dass gerade Fraktionen, die in den letzten zwei Jahren, ohne mit der Wimper zu zucken, Kinder, Zigtausende Kinder eingesperrt haben, ihnen verboten haben, ihre Freunde zu treffen, Sport zu betreiben, in die Schule zu gehen, sie zu Hause eingesperrt haben in Quarantäne – und das in Wirklichkeit weitgehend auch ohne Evidenz, denn Sport im Freien war niemals ein Problem, das geben mittlerweile alle zu –, dass ausgerechnet diese dann hierherkommen und argumentieren, wir würden jetzt Kinder einsperren wol­len, ist wirklich ein Hohn.

Daher: Bitte sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen! Es ist eine Lücke und es sind dramatische Fälle und es gab eben schon Anlassfälle. Wir wissen, dass wir aufgrund von Erfahrungen immer auch lernen und dann Vorschläge machen, ich plädiere also dafür, auch wenn Sie das heute ablehnen – natürlich auch aus einem Reflex heraus: weil der Antrag von der FPÖ oder von der Opposition an sich kommt, kann man diesem nicht zustimmen –, dass Sie darüber nachdenken, denn uns geht es ja darum, dass der Gesetzgeber hier eine Möglichkeit sucht. Wir haben keinen konkreten Antrag gestellt, sondern gesagt: Bitte prüfen Sie, ob es hier nicht eine Möglichkeit gibt, diese Lücke ge­setzeskonform zu schließen! Das deutsche Vorbild scheint mir hier sehr sinnvoll zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

19.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.11.05

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 191

Ich möchte gleich direkt darauf antworten: Wir haben darüber nachgedacht, wir haben über Ihren Vorschlag nachgedacht. Ihr Vorschlag lautet, dass man Kinder, bei denen man sagt, das Wohl des Kindes wäre gefährdet, weil man mit erzieherischen Maßnah­men nicht mehr zurande kommt, zwangsweise unterbringt. – Und dann? Wir haben näm­lich auch noch weiter gedacht: Was ist dann?

Da hört nämlich Ihre Überlegung auf. Sie sagen, die muss man einsperren, denen muss man die Freiheit entziehen. Und dann? Was macht man mit den Kindern dann? Wie soll es dann weitergehen? Wie soll sich dieses Kind dann weiterentwickeln? Was macht man dann damit? – Das ist die Problematik. (Abg. Stefan: Was macht man beim Unter­bringungsgesetz?) – Unser Unterbringungsgesetz geht nicht in Richtung zwangsweisen Freiheitsentzugs. Das macht das Unterbringungsgesetz nicht. Nein, da haben Sie das Unterbringungsgesetz missverstanden. Das Unterbringungsgesetz ist dafür da, eine Behandlung zu ermöglichen, die aber auf Einvernehmen basiert. (Ruf bei der FPÖ: Uh!) Es gibt nicht die Möglichkeit, kranke oder behandlungsbedürftige Menschen auf Dauer und auch nicht auf Dauer der gesamten Behandlung einfach einzusperren. Die haben wir nicht, und auch diese Regelung aus Deutschland, die Sie angesprochen haben, ist ganz wesentlich anders als unser Unterbringungsrecht.

Die Problematik ist wie gesagt: Wir haben sehr wohl über Ihren Vorschlag nachgedacht. Wir lehnen sicher nichts reflexhaft ab, nur weil es von Ihnen kommt – keine Sorge, ganz bestimmt nicht –, denn ich verstehe schon das Grundanliegen, das dahinter steht, und ich verstehe schon auch die Sorge. Es ist ein berechtigtes Anliegen, dass man sagt, man muss hier eine Lösung finden, aber die Lösung muss weiter gehen, als zu sagen: Okay, wir sperren diese Kinder jetzt ein, denn: Was machen wir dann mit ihnen?

Es gibt keine belastbaren Studien, die einen Erfolg von solchen zwangsweisen Unter­bringungen bei den Kindern nachweisen, auch wenn man es jetzt mit der deutschen Lage vergleicht. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Diese Maßnahmen setzen eine Art von Zwangspädagogik voraus. Sie setzen voraus, dass man physischen – körperlichen – und psychischen Zwang auf diese Kinder ausübt, um Erziehungsmaßnahmen durchzu­setzen. Nur dann, nur so funktioniert das. Der Zwang ist in diesem System schon im­manent. Ohne Zwang funktioniert das System nicht.

Das sind aber Kinder und Jugendliche, die genau damit ein Problem haben und die genau darauf wieder mit Widerstand reagieren. Diese Kinder und Jugendlichen brau­chen ein qualitätsvolles, ein längerfristiges Beziehungsangebot. Die brauchen ein Ange­bot, das auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht, damit sie erreicht werden können und dann mit ihnen qualitätsvoll gearbeitet werden kann, damit sie aus dieser Situation wie­der herausgeholt werden können. Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahme fördert man auch das Sich-Verbünden dieser Kinder und Jugendlichen untereinander in solchen Einrichtungen gegen die Erziehenden, was wiederum diesen Widerstand weckt und einen Erfolg eigentlich verunmöglicht.

Es gibt auch keine zuverlässigen Diagnosen, die eine Entscheidungsgrundlage dafür bieten könnten, in welchen Situationen so etwas überhaupt zweckmäßig sein könnte.

Solange es all diese Evidenz nicht gibt und solange es da keine faktenbasierten Grundla­gen gibt, auf die man so eine Entscheidung stellen könnte, können wir so einem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

19.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.15.15

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anlass ist der tragische Tod einer 13-Jährigen, wie schon


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 192

ausgeführt wurde, und ich möchte prinzipiell dazu sagen, dass dieser Antrag das verfas­sungsmäßige Recht auf ungestörtes Familienleben berührt, und er berührt auch die Rolle der Behörde bei Kindesabnahmen. Es ist an sich eine sehr heikle Materie, in die laut diesem Antrag hier per Anlassgesetzgebung eingegriffen werden soll.

Als Lehrerin hatte ich doch auch Einblick in die Praxis der Arbeit. In Wien ist es die Magistratsabteilung 11, die hiefür zuständig ist, und mein Eindruck ist sicher so gewe­sen, dass immer das Wohl des Kindes im Mittelpunkt gestanden ist und versucht worden ist, aus der Perspektive der Kinder zu sehen, was das Beste für das Kind ist. Die Kinder sind auch in der Regel diejenigen, die hohen Druck aufbauen, um wieder zu ihren Fa­milien zurückkehren zu können, wenn sie vorübergehend nicht dort sein können.

Der Handlungsspielraum der Behörde ist aus unserer Sicht prinzipiell ausreichend, denn es – Zitat – „genügt, wenn die Eltern durch ihr Gesamtverhalten das Wohl des Kindes gefährden“. Das sagt der Oberste Gerichtshof dazu. Es ist also ein relativ offener Hand­lungsspielraum, den die Behörde hier hat. Inwieweit die Rechtslage in Deutschland hier mehr Spielraum bietet, können wir nicht beurteilen. Wir lehnen diesen Antrag daher ab. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Gudrun Kugler. – Bitte, Frau Ab­geordnete.


19.17.11

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Vielleicht auch noch ganz kurz eine Erklärung von unserer Seite, warum wir diesen Antrag ablehnen:

Herr Kollege Stefan, Sie stellen in Ihrem Antrag zwei Forderungen, die man, glaube ich, sehr schnell beantworten kann. Das eine ist die Schaffung von mehr Therapieplätzen. Das ist ein wichtiges Anliegen, und ja, das teilen wir, aber die Bundesebene ist nicht der richtige Ansprechpartner diesbezüglich.

Im zweiten Punkt geht es um die geschlossene Anstalt für – und Sie nennen es im Antrag – suchtkranke Kinder, bei denen „dringende“ große „Gefahr“ besteht. – Das ist bereits geregelt: Wenn die Gefahr besteht, dass das eigene Leben gefährdet ist oder jemand anderer gefährdet ist, dann verhält es sich in Österreich so, dass der Amtsarzt unterbringen kann. Das gilt für vier Tage, danach entscheidet das Familiengericht. Hier, glaube ich, besteht kein Handlungsbedarf.

Blickt man allerdings in Ihren Begründungstext, so findet man ein anderes Szenario, und da stellt sich die Frage: Wollen wir Kinder und Jugendliche in geschlossene Anstalten geben, wenn eben keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt? Diese Frage – meine Kollegin Prammer hat sie auch zu beantworten versucht – ist eine, bei der wir auf die aktuelle Wissenschaft und auf die Praxis in anderen Ländern blicken müssen. Wir sehen, dass die Wissenschaft von der geschlossenen Anstalt und von der Unfreiwilligkeit abgerückt ist und sich zu einem System des Miteinanders hinbewegt hat.

Sie sagen: Schauen wir nach Deutschland! – Ich kann Ihnen sagen: Ja, schauen wir nach Deutschland – dort finden wir auch andere Beispiele –, schauen wir nach England und in die nordischen Länder! Dort gibt es für genau die gleiche Problematik bessere Lösungen als ein Zurück in die Zeit von vor Jahrzehnten, als wir stärker mit Unfreiwillig­keit in geschlossenen Anstalten gearbeitet haben. Zu erwähnen ist hier zum Beispiel der Ansatz Prävention durch zwei Schienen, nämlich einerseits durch die Schule und an­dererseits durch die Erziehungskompetenz der Eltern. Prävention in der Schule ist ein Thema, wofür uns auch kürzlich das Mental-Health-Volksbegehren sensibilisiert hat – das sind wichtige Ansätze, und darüber müssen wir nachdenken. Was aber die Frage


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 193

der Erziehungskompetenz der Eltern betrifft, so weist die Wissenschaft diesbezüglich auf viele gute Resultate hin, wie etwa auf das, was es eben in anderen Ländern gibt: die multisystemische Therapie oder Treatment Foster Care. Dabei werden Familien, die mit stark gefährdeten Kindern und Jugendlichen leben, begleitet, man bringt ihnen bei, wie es geht, und kann in einem System des Miteinanders diesen Kindern und Jugendlichen helfen.

Wenn Sie also sagen: Machen wir es so wie die Deutschen!, glaube ich, gäbe es bessere Beispiele. Und ja, es stimmt, dass dringender Handlungsbedarf im Bereich des Schutzes und der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen besteht, insbesondere auch bei der psychologischen Betreuung. Die Schwierigkeiten, die wir sehen, entwickelten sich nicht nur durch die Covid-Pandemie, sondern die haben wir schon zuvor gesehen. Seit Anfang der 2000er-Jahre sehen wir einen starken Anstieg psychischer Schwierigkeiten bei Erwachsenen, aber insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Wir wollen das aufgreifen und wir greifen es bereits auf. Ich weise nur darauf hin, dass wir einerseits bei der Therapeutenausbildung bereits Weichen gestellt haben. Das Unter­bringungsgesetz ist fast fertig, auch da wird es Änderungen geben. Des Weiteren be­steht die Initiative Gesund aus der Krise, wofür wir gerade für gefährdete Kinder und Jugendliche 13 Millionen Euro zur Verfügung stellen – ein Programm, das bereits läuft. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Diese Programme und vieles mehr setzen wir um, weil Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Da ich heute die letzte Rednerin bin, zitiere ich die UN Millennium Declaration, in der es heißt: Kinder und Jugendliche sind das Wertvollste, das wir haben. Deswegen werden und wollen wir uns auch bestmöglich um sie kümmern. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

19.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Justizausschusses.

Frau Ministerin, alles Gute und auf Wiedersehen!

19.21.55Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 13 bis 17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun bereits zu diesen verlegten Abstim­mungen über die Berichte des Justizausschusses, die ich über jeden Tagesordnungs­punkt getrennt vornehme.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine kurze Sit­zungsunterbrechung gewünscht ist. – Das ist offenbar nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13:

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Justizausschusses, den Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zur Änderung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, in 1427 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz zu geneh­migen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 194

Ich lasse jetzt über den Antrag des Justizausschusses, wonach dieser Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassen von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur Massenüberwa­chung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend Ver­sicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 samt Titel und Eingang in 1446 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend Be­rufsrechts-Änderungsgesetz 2022 in 1465 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Harald Stefan vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag und vom Verlan­gen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 2 Z 9a und 10a in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Die Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abän­derungsantrag betreffend Art. 2 Z 12 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Mitglieder des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 2 Z 24a sowie Art. 3 Z 4a in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 195

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist einstim­mig. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 1466 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehr­heit. Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Justizaus­schusses, seinen Bericht 1467 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

19.26.2618. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen des Magistrats der Stadt Wien, GZ. MBA/220000001539/2022, um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl (1486 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Mir liegen keine Wortmeldungen dazu vor.

Eine Unterbrechung wird nicht gewünscht, davon gehe ich zumindest aus.

19.27.01

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 1486 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens des Magistrats der Stadt Wien um Zustimmung zur be­hördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl wird im Sinne des Artikel 57 Absatz 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der inkri­minierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl besteht. Einer behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Herbert Kickl wird nicht zugestimmt.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll158. Sitzung, 19. Mai 2022 / Seite 196

19.27.40Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Mag. Kaniak, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2227/A der Abgeordneten Mag. Kaniak, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „COVID-19-Impfpflichtgesetz“ eine Frist bis 20. Mai 2022 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.28.07Einlauf


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 2555/A bis 2601/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 19.28 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.28.34Schluss der Sitzung: 19.28 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien