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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

162. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 15. Juni 2022

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

162. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                        Mittwoch, 15. Juni 2022

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 15. Juni 2022: 9.05 – 23.21 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschafts­gesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

2. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die För­derung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgas­bezugs aus anderen Quellen (Gasdiversifizierungsgesetz 2022, GDG 2022)

3. Punkt: 45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 2597/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert wer­den (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2499/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Par­teiengesetz 2012, das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden

6. Punkt: Bericht über den Antrag 2500/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleit­gesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden

7. Punkt: Bericht über den Antrag 2591/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden

8. Punkt: Bericht über den Antrag 2589/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 2

9. Punkt: Bericht über den Antrag 2493/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das All­gemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden

10. Punkt: Bericht über den Antrag 2485/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenerstattung von Wahlarztkosten

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärzte­kammer­gesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G), und Bericht über den

Antrag 1837/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschließung des Nationalrates vom 20. November 2020 Facharztaus­bil­dung für Kieferorthopädie in Österreich

12. Punkt: Bericht über den Antrag 2527/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über konsument_in­nenpoli­tische Maßnahmen

13. Punkt: Bericht über den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der VerbraucherInnen in der Normung einschließlich Bar­rierefreiheiten aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 15. Dezember 2021, 227/E XXVII. GP

14. Punkt: Bericht über den Antrag 2178/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Vertretung der Verbraucherinteressen bei Normungen mit Umsetzungstermin 31. März 2022

15. Punkt: Bericht über den Antrag 2455/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Mag. Christian Drobits, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Bürgschaften als Insolvenzfalle für Frauen – Initiative zur Datenerhebung

16. Punkt: Bericht über den Antrag 2594/A(E) der Abgeordneten Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbar­keitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungs­lehr­gänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschul­ge­setz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden

18. Punkt: Bericht über den Antrag 2601/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Ver­antwortlichkeit

19. Punkt: Bericht über den Antrag 2446/A(E) der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz


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und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert werden (2509/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      18

Ordnungsruf ..............................................................................................................    167

Geschäftsbehandlung

Antrag des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2508/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 5. Juli 2022 zu setzen – Ablehnung ....  40, 304

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ..............................................................................................................      40

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried betreffend die Abwe­senheit von Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ...........................................      41

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................  41, 172

Antrag des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried im Sinne des § 18 Abs. 3 GOG auf Anwesenheit des Bundeskanzlers – Ablehnung ................................  159, 160

Wortmeldung des Abgeordneten Herbert Kickl in Bezug auf den Antrag be­treffend Anwesenheit des Bundeskanzlers ..............................................................    159

Wortmeldungen hinsichtlich der Beantwortung der Dringlichen Anfrage:

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................    170

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................    171

Wortmeldungen des Abgeordneten Erwin Angerer betreffend die Redezeit­ver­waltung ......................................................................................................  215, 215

Fragestunde (14.)

Landesverteidigung ................................................................................................      18

Mag. Friedrich Ofenauer (172/M); Dr. Helmut Brandstätter

Robert Laimer (176/M)

Dr. Reinhard Eugen Bösch (170/M); Dr. Helmut Brandstätter, Johann Höfinger

Dipl.-Ing. Olga Voglauer (181/M); Klaus Köchl, Irene Neumann-Hartberger

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (179/M); Mag. Michael Hammer, Ing. Mag. Volker Reifenberger

Andreas Minnich (173/M)


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Rudolf Silvan (183/M)

Ing. Mag. Volker Reifenberger (171/M); Mag. Romana Deckenbacher

Süleyman Zorba (182/M)

Dr. Stephanie Krisper (180/M); Dr. Reinhard Eugen Bösch

Mag. Maria Smodics-Neumann (174/M); Mag. Ulrike Fischer, Mag. Christian Drobits

Petra Wimmer (178/M); Barbara Neßler

Ing. Manfred Hofinger (175/M); Maximilian Lercher

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      18

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  39, 304

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „die aktuellen ÖVP-Finanzskandale“ (11286/J) .............    148

Begründung: Christian Hafenecker, MA ................................................................    160

Staatssekretärin Claudia Plakolm .........................................................................    167

Debatte:

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................    172

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................    174

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................    176

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................    178

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................    180

Michael Schnedlitz ..................................................................................................    182

Mag. Nina Tomaselli (tatsächliche Berichtigung) ...................................................    193

Mag. (FH) Kurt Egger ..............................................................................................    193

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................    194

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    196

Michael Bernhard ....................................................................................................    197

Christian Ries ..........................................................................................................    199

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................    200

Kai Jan Krainer (tatsächliche Berichtigung) ...........................................................    201

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................    201

Henrike Brandstötter ..............................................................................................    203

Staatssekretärin Claudia Plakolm .........................................................................    205

Dr. Christian Stocker ...............................................................................  206, 216

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................    207

Herbert Kickl ............................................................................................................    208

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................    211

Mag. Nina Tomaselli ...............................................................................................    212

Kai Jan Krainer ........................................................................................................    214


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Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler“ gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG – Ablehnung ......................  184, 216

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1501 d.B.) ...................................................................      41

2. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Förderung des Aus­stiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen (Gasdiversifizierungsgesetz 2022, GDG 2022) (1502 d.B.) ........      41

RednerInnen:

Alois Schroll ............................................................................................................      41

Lukas Hammer .............................................................................................  43, 78

Erwin Angerer .........................................................................................................      50

Lukas Hammer (tatsächliche Berichtigung) ............................................................      51

Tanja Graf ................................................................................................................      52

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................      53

Leonore Gewessler, BA .........................................................................................      60

Ing. Martin Litschauer ............................................................................................      63

Erwin Angerer (tatsächliche Berichtigung) .............................................................      64

Rudolf Silvan ...........................................................................................................      64

Christoph Stark .......................................................................................................      68

Walter Rauch ...........................................................................................................      69

Franz Hörl ................................................................................................................      70

Robert Laimer (tatsächliche Berichtigung) .............................................................      72

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      72

Johann Höfinger .....................................................................................................      73

Maximilian Köllner, MA ..........................................................................................      75

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................      76

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................      77

Dr. Christoph Matznetter (tatsächliche Berichtigung) ............................................      79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Ausstieg aus russischem Gas endlich umset­zen!“ – Ablehnung .........................................................................................  55, 80

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Übergewinne in Anti-Teuerungsmaßnahmen und Ausbau von er­neuerbaren Energien umleiten“ – Ablehnung ...............................................  66, 81

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1501 und 1502 d.B. .................................      80

3. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 45. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021) (III-531/1516 d.B.) .............      81

RednerInnen:

Martina Diesner-Wais .............................................................................................      81

Rudolf Silvan ...........................................................................................................      82

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................      83

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................      84


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 6

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................      85

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz .......................................................................      87

Volksanwalt Werner Amon, MBA ..........................................................................      89

Peter Weidinger ......................................................................................................      92

Sabine Schatz ..........................................................................................................      93

Mag. Christian Ragger ............................................................................................      94

Heike Grebien ..........................................................................................................      95

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................      99

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................      99

Mario Lindner ..........................................................................................................    101

Christian Lausch .....................................................................................................    102

Mag. Bettina Rausch ..............................................................................................    103

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................    104

Ing. Johann Weber ..................................................................................................    105

Entschließungsantrag der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Datenerhebung im Bereich Menschen mit Behinderungen“ – Annahme (253/E) ..........................................................  97, 106

Kenntnisnahme des Berichtes III-531 d.B. ...............................................................    106

4. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2597/A der Ab­ge­ordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministerien­gesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-No­vel­le 2022) (1489 d.B.) ..................................................................................................    106

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................    106

Mag. Wolfgang Gerstl .............................................................................................    107

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................    109

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    110

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................    111

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................    112

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................    114

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................    115

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................    116

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    117

Sabine Schatz ..........................................................................................................    118

Annahme des Gesetzentwurfes in 1489 d.B. ...........................................................    122

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2499/A der Ab­geordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das Komm­Austria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungs­ge­setz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (1490 d.B.) ...............................    119

6. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2500/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden (1491 d.B.) ..............................................    119

RednerInnen:

Gabriela Schwarz ....................................................................................................    119


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 7

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    121

Hans Stefan Hintner ...............................................................................................    121

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1490 und 1491 d.B. .................................    122

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2591/A der Ab­geordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1503 d.B.) ..............................................    123

8. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2589/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (1504 d.B.) ................................................................................................................    123

9. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2493/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsge­setz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbstän­digen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (1505 d.B.) .............................    123

RednerInnen:

Philip Kucher ...........................................................................................................    123

Ralph Schallmeiner ................................................................................................    125

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................  141, 222

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................    144

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................    145

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    146

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................    147

Dietmar Keck ...........................................................................................................    217

Peter Wurm ..............................................................................................................    218

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    220

Ralph Schallmeiner (tatsächliche Berichtigung) ....................................................    222

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 1503, 1504 und 1505 d.B. ............................    235

10. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2485/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kosten­erstattung von Wahlarztkosten (1508 d.B.) ..............................................................    223

RednerInnen:

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................    224

Ralph Schallmeiner ................................................................................................    225

Fiona Fiedler, BEd ..................................................................................................    226

Mario Lindner ..........................................................................................................    227

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................    228

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1508 d.B. ................................................    236

11. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1435 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärzte­kammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G), und über den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 8

Antrag 1837/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Entschließung des Nationalrates vom 20. November 2020 Fach­arztausbildung für Kieferorthopädie in Österreich (1509 d.B.) .................................    229

RednerInnen:

Ralph Schallmeiner ................................................................................................    229

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    230

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................    231

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................    231

Fiona Fiedler, BEd ..................................................................................................    233

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    233

Martina Diesner-Wais .............................................................................................    234

Annahme des Gesetzentwurfes in 1509 d.B. ...........................................................    236

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 2527/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über konsument_innenpolitische Maßnahmen (1496 d.B.) ................................................................................................................    236

RednerInnen:

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ............................................................................    236

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    237

Peter Wurm ..............................................................................................................    237

Mag. Maria Smodics-Neumann .............................................................................    240

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................    241

Robert Laimer ..........................................................................................................    241

Christian Ries ..........................................................................................................    243

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in der EU“ – Ablehnung .................................................................................................  239, 264

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1496 d.B. ................................................    264

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz be­treffend Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der VerbraucherInnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 15. Dezember 2021, 227/E XXVII. GP (III-586/1497 d.B.) .....................................................................................................    243

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 2178/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Vertretung der Verbraucherinteressen bei Normungen mit Umsetzungstermin 31. März 2022 (1498 d.B.) ........................................................................................    244

RednerInnen:

Peter Wurm ..............................................................................................................    244

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    245

Walter Rauch ...........................................................................................................    246

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    246

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller .................................................................    247

Bundesminister Johannes Rauch ........................................................................    248

Heike Grebien ..........................................................................................................    250

Peter Weidinger ......................................................................................................    251


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 9

Kenntnisnahme des Berichtes III-586 d.B. ...............................................................    264

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1498 d.B. ................................................    264

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 2455/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Mag. Christian Drobits, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bürgschaften als Insolvenzfalle für Frauen – Initiative zur Datenerhebung (1499 d.B.) .....................    252

RednerInnen:

Sabine Schatz ..........................................................................................................    253

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................    254

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................    255

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................    256

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................    257

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1499 d.B. ................................................    264

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 2594/A(E) der Abgeordneten Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Ein­satz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ (1500 d.B.) ...............................................................................................    258

RednerInnen:

Klaus Köchl .............................................................................................................    258

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    259

Walter Rauch ...........................................................................................................    260

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................    261

MMag. Katharina Werner, Bakk. ............................................................................    262

Clemens Stammler .................................................................................................    263

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1500 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ (254/E) ............................................................................................................    264

17. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1487 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schul­unterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbe­reitungslehrgänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geän­dert werden (1495 d.B.) ............................................................................................    264

RednerInnen:

Petra Vorderwinkler ................................................................................................    265

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................    268

Hermann Brückl, MA ..............................................................................................    269

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    270

Katharina Kucharowits ...........................................................................................    271

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    273

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    275

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    276

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................    277

Katharina Kucharowits (tatsächliche Berichtigung) ..............................................    278

Klaus Köchl .............................................................................................................    278

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................    279


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 10

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022“ – Ablehnung ........................................................................  266, 281

Annahme des Gesetzentwurfes in 1495 d.B. ...........................................................    280

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 2601/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kol­le­gen betreffend Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit (1512 d.B.) .........    281

RednerInnen:

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................    281

Dr. Harald Troch ......................................................................................................    282

Alois Kainz ...............................................................................................................    284

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................    285

Dr. Helmut Brandstätter .........................................................................................    286

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. .......................................    287

Ing. Johann Weber ..................................................................................................    289

Robert Laimer ..........................................................................................................    290

Angela Baumgartner ..............................................................................................    291

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    292

Mag. Corinna Scharzenberger ..............................................................................    293

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1512 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit“ (255/E) ......................................................................................................................    300

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2446/A(E) der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Se­xualisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine (1513 d.B.) .....    294

RednerInnen:

Melanie Erasim, MSc ..............................................................................................    294

Hans Stefan Hintner ...............................................................................................    296

Henrike Brandstötter ..............................................................................................    297

Mag. Meri Disoski ...................................................................................................    298

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................    300

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1513 d.B. ................................................    300

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert werden (2509/A) .................................    301

RednerInnen:

Andreas Ottenschläger ..........................................................................................    301

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................    301

Mag. Nina Tomaselli ...............................................................................................    302

Michael Schnedlitz ..................................................................................................    302

Zuweisung des Antrages 2509/A an den Verfassungsausschuss ...........................    304

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage .................................................................................................      39


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 11

1523: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit

Bericht ......................................................................................................................      40

III-673: Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für März 2020 bis Mai 2022; BM f. Arbeit

Anträge der Abgeordneten

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übergewinne in Anti-Teue­rungs­maßnahmen und Ausbau von erneuerbaren Energien umleiten (2639/A)(E)

Klaus Köchl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrlingsförderung sicherstellen – Keine Kürzungen bei der Lehrlingsförderung im Budget 2023 (2640/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Die Zukunft der Trafiken ist in Gefahr!“ – Forderungspaket der Trafikanten an die türkis-grüne Bundesregierung (2641/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend sichere Präsenz-Schule 2022/23 ohne Masken-, Test- und Impfzwang (2642/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Universitätsfinanzierung zu einer „echten“ Studienplatzfinanzierung und Ausbau des kompetitiven Anteils (2643/A)(E)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderprogramm für erneuerbare Kraftstoffe (2644/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsabbiegen bei Rot für alle Lenker von Fahrzeugen – mit Ausnahme der Lenker von Lastkraftfahrzeugen oder Bussen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von jeweils mehr als 7,5 t (2645/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stillstand bei Risikokapital und Wachstumsfinanzierung (2646/A)(E)

August Wöginger, David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Katastrophenfondsgesetz 1996 und das Finanz­ausgleichs­gesetz 2017 geändert wird (2647/A)

Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Wirtschaftskammer­ge­setz 1998, das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (2648/A)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vereinfachung der Photovoltaik-Förderung für Private (2649/A)(E)

Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem das Energiekostenausgleich BGBl. I Nr. 37/2022 geändert wird (2650/A)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Immerwährende Neutralität für Österreich (2651/A)(E)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmen­ge­setz geändert werden (2652/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 12

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz geändert wird (GuKG-Novelle 2022) (2653/A)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 bis 2025 zur Attraktivierung der Ausbildung von Pflegeberufen (Pfle­geausbildungs-Zweckzuschussgesetz – PAusbZG) erlassen wird (2654/A)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (2655/A)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2022 und 2023 für die Erhöhung des Entgelts in der Pflege (Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz – EEZG) erlassen wird (2656/A)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend besorgniserregende Ent­wicklungen in Afghanistan (2657/A)(E)

Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertrags­lehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrper­sonengesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2022) (2658/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (2659/A)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend unter Strafe stellen von Herun­terladen, Hochladen, Weiterleiten oder Veröffentlichen von Pädophilen-Handbüchern und ähnlichen Anleitungen zum sexuellen Missbrauch an unmündigen Minderjähri­gen und mündigen Minderjährigen sowie auch einen Verkauf von Kindersexpuppen (2660/A)(E)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufrechterhaltung der rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Aufnahme weiterer Länder in die Europäische Union (2661/A)(E)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlasten­aus­gleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993, das Allgemeine Sozialversiche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialver­siche­rungsgesetz, das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, das Arbeitslosen­ver­sicherungsgesetz 1977, das COVID-19-Gesetz-Armut, das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden sowie das Bundesgesetz über einen Ausgleich inflationsbedingt hoher Lebenshaltungs- und Wohnkosten (Lebens­haltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz – LWA-G) und das Bundesgesetz über den Teuerungsausgleich für Bezieherinnen und Bezieher von Förderungen nach dem Studienförderungsgesetz erlassen werden (Teuerungs-Entlastungspaket) (2662/A)

August Wöginger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den regionalen Klimabonus geändert wird (Klimabonusgesetz – KliBG) (2663/A)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kampagnen-Offen­sive für Väterkarenz bei Bediensteten und Angestellten des Österreichischen Bundes­heeres (2664/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 13

Anfragen der Abgeordneten

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern bezüglich gesunder Lebensjahre und der im Rahmen des Diabetes Disease-Management-Programms „Therapie Aktiv“ versorgten Patient*innen sowie teilnehmenden Ärzt*innen (11209/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­vertei­digung betreffend Lieferkettenkollaps – DAS unterschätzte Blackout-Problem (11210/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Leoben (11211/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Gerasdorf (11212/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Krems (11213/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Eisenstadt (11214/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Salzburg (11215/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Garsten (11216/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Stein (11217/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Hirtenberg (11218/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Schwarzau (11219/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Innsbruck (11220/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Sonnberg (11221/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Korneuburg (11222/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt St. Pölten (11223/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Asten (11224/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 14

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Linz (11225/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Klagenfurt (11226/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Ried im Innkreis (11227/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Wels (11228/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Wien-Favoriten (11229/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Wien-Simmering (11230/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Suben (11231/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Wien-Josefstadt (11232/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Wien-Mittersteig (11233/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Wiener Neustadt (11234/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Graz-Jakomini (11235/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Göllersdorf (11236/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Graz-Karlau (11237/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit in der Justizanstalt Feldkirch (11238/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Karenz und Teilzeit im BMSGPK (11239/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffent­lichen Dienst und Sport betreffend Karenz und Teilzeit im BMKÖS (11240/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Karenz und Teilzeit im BMKUEMIT (11241/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Karenz und Teilzeit im BMLV (11242/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Karenz und Teilzeit im BMJ (11243/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Karenz und Teilzeit im BKA (11244/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 15

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Karenz und Teilzeit im BMADW (11245/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Karenz und Teilzeit im BMEUV (11246/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Karenz und Teilzeit im BMLRT (11247/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Karenz und Teilzeit im BMF (11248/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Karenz und Teilzeit im BMBWF (11249/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Karenz und Teilzeit im BMFFIM (11250/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Karenz und Teilzeit im BMEIA (11251/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Karenz und Teilzeit im BMI (11252/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Job- Räder für Gemeindebedienstete“ (11253/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Beteiligungen und Finanzvermögen der Wirtschaftskammern (11254/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Karenz und Teilzeit im BMA (11255/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Vorbereitung der Pandemie (11256/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Vorbereitung der Pandemie (11257/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Vorbereitung der Pandemie (11258/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Vorbereitung der Pandemie (11259/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Vorbereitung der Pandemie (11260/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Vorbereitung der Pandemie (11261/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Vorbereitung der Pandemie (11262/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Vorbereitung der Pandemie (11263/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Vorbereitung der Pandemie (11264/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Vorbereitung der Pandemie (11265/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 16

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vorbereitung der Pandemie (11266/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Vorbereitung der Pandemie (11267/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vorbereitung der Pandemie (11268/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Transparenz: Umfassende Abfrage der Geldflüsse aus dem NPO-Unterstützungsfonds an Vorfeldorganisationen politischer Parteien (11269/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Absturz im Pressefreiheits-Index (11270/J)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Schulen aufrüsten- Luftfiltergeräte anschaffen!“ (11271/J)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Pflichtfach Digitale Grundbildung“ (11272/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Reservierungspflicht bei der ÖBB (11273/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Mittelverteilung aus dem Gewaltschutzpaket (11274/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in der Steiermark (11275/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Kärnten (11276/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Niederösterreich (11277/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Tirol (11278/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei im Burgenland (11279/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Wien (11280/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Oberösterreich (11281/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Vorarlberg (11282/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Polizei in Salzburg (11283/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 17

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Verteilerkreis Favoriten – Altes Landgut (11284/J)

Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Grundsatzgesetzgebung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (11285/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die aktuellen ÖVP-Finanzskandale (11286/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 18

09.05.05Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures.

09.05.08*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordneten! Ich eröffne die 162. Sitzung des Nationalrates und darf Sie recht herzlich begrüßen.

Mein Gruß gilt den Damen und Herren auf der Galerie, den Journalistinnen und Jour­nalisten und auch den Damen und Herren, die unsere Sitzung zu Hause vor den Fern­sehgeräten mitverfolgen.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Nico Marchetti, Petra Bayr, MA MLS, Cornelia Ecker, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Ing. Norbert Hofer, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Wolfgang Zanger, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, David Stögmüller und Mag. Yan­nick Shetty.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher wird nachmittags durch die Bun­desministerin für Frauen MMag. Dr. Susanne Raab vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF jetzt die Sitzung in ORF 2 überträgt, ab 13 Uhr bis 19.15 Uhr in ORF III und anschließend kommentiert in der TVthek. Auch die anderen privaten Fernsehstationen übertragen unsere Debatten.

09.06.31Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Sie kennen die Usancen. Die Pulte für die Fragesteller sowie das Rednerpult für die Frau Minister sind vorbereitet. Für die erste Beantwortung stehen 2 Minuten zur Verfügung und für die Beantwortung der Zusatzfragen jeweils 1 Minute. Die Fragen dürfen immer nur 1 Minute dauern.

Ich darf die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung recht herzlich bei uns be­grüßen.

Landesverteidigung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Herrn Abgeordneten Ofenauer um die 1. Anfrage bitten. – Bitte. 09.07.04



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 19

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf allen einen schönen guten Morgen wünschen.

Frau Ministerin, seit 24. Februar 2022 tobt ein Krieg in der Ukraine, der uns in drama­tischer Weise vor Augen führt, wie wichtig das Konzept der umfassenden Landes­ver­teidigung – der militärischen, wirtschaftlichen, zivilen, aber vor allem auch der geistigen Landesverteidigung – ist. Eine Stärkung der europäischen Verteidigung tut not.

Meine Frage:

172/M

„Am 21. März 2022 wurde der Strategische Kompass der EU durch die Außen- und Verteidigungsminister:innen angenommen – welche Auswirkungen ergeben sich daraus für Österreich?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zuschauerinnen, Zuschauer auf der Galerie, vor den Fernsehgeräten und online! Einen wunderschönen guten Mor­gen in Zeiten, die – der Herr Abgeordnete hat es angesprochen – seit Beginn des Angriffskrieges Putins auf die Ukraine in der Nacht des 24. Februar dieses Jahres wohl in jeder Hinsicht veränderte sind und als Zeitenwende bezeichnet werden können.

Der strategische Kompass ist ein wichtiges Grundlagen- und Strategiedokument der Europäischen Union, das insbesondere für eine stärkere Resilienz der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sorgen wird. Ich glaube, die Arbeit, die über zwei Jahre gegangen ist, hat tatsächlich Sinn gemacht und auch Früchte gebracht. Dass wir uns besser einzustellen haben, dass wir resilienter werden müssen, dass wir unsere Krisenfestigkeit auch unter Beweis stellen müssen, das sind die Inhalte des strategischen Kompasses, der auch mit 81 Maßnahmen versehen ist und jetzt mit Leben zu erfüllen ist.

Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs, der angesprochen wurde, sind selbstver­ständlich auch diese Dokumente adaptiert worden, aber gerade ein wichtiger Bereich, die schnelle Eingreiftruppe, die EU Rapid Deployment Capacity, ist schon in den Vor­planungen beinhaltet gewesen. Wir werden uns weiterhin als Österreich, in Abstimmung mit allen zuständigen Ressorts – vom Bundeskanzleramt über das BMI bis hin zum Finanzministerium –, intensiv in die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik einbringen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Nein.

Dann stellt die nächste Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Bundesministerin, Sie haben gerade wesentliche Punkte genannt: schnelle Eingreiftruppe und Finanzminister.

Jetzt meine Frage: Wir wollen ja an dieser schnellen Eingreiftruppe teilnehmen. Werden dafür die Leute speziell ausgebildet und gibt es dafür auch ein spezielles Budget?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Dass man die schnelle Eingreiftruppe, die EU Rapid Deployment Capacity, vorgesehen hat, ist eine Lehre, die man nicht zuletzt auch aus der notwendigen Evakuierung in Afghanistan, die


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ohne Zweifel nicht so funktioniert hat, wie man sich das vorgestellt hat, gezogen hat, und ist ein Ausfluss dessen.

Man muss auch festhalten, dass diese schnelle Eingreiftruppe auf die EU Battlegroup aufbaut, die zwar, wie Sie sicher alle wissen, sehr geehrte Damen und Herren, nicht zum Einsatz gekommen ist, aber sehr viel an Erkenntnisgewinn, an Fähigkeitsgewinn ge­bracht hat. Die Details aber, um die Frage zu beantworten, werden jetzt bis Ende des Jahres ausgearbeitet. Wir werden uns mit unseren Fähigkeiten einbringen, die vom Inhalt natürlich dort aufbauen, wo unsere Stärken als österreichisches Bundesheer sind und wo wir das auch in enger Zusammenarbeit zum Beispiel mit Deutschland und Italien schon gemacht haben; das heißt alles, was die Logistikkomponenten, aber auch ABC-Einheiten sind. Danach wird sich selbstverständlich dann auch die finanzielle Beteiligung richten. Bis Ende des Jahres aber werden die genauen Details noch festgelegt. Das Ziel ist, dass 2023 schon trainiert werden kann. – Danke schön.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Laimer. – Bitte. 09.11.03


Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Bundesministerin, meine Frage steht im Zusammenhang mit der Zentralstellenreform.

176/M

„Wann werden Sie, wie bereits zugesagt, die mit dem Abgang Ihres Generalsekretärs nun endgültig gescheiterte Reform des Bundesheeres zeitnahe evaluieren und diese Evaluierung dem Parlament vorlegen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Abgeordneter! Sehr geehrte Damen und Herren! Es steht nicht erst seit dem 24. Februar außer Frage, dass wir beim österreichischen Bundesheer einen Investitionsrückstau haben, der es notwendig macht, dass wir investieren, das heißt, dass wir auf der einen Seite Geld für die Infrastruktur, für die Schutzausrüstung der Soldaten in die Hand nehmen, dass wir uns aber auf der anderen Seite auch modern aufstellen müssen.

Sie haben es angesprochen, Herr Abgeordneter, wir müssen dafür sorgen, dass wir auch die Manpower haben. Was meine ich damit? – Die Reform in der Zentralstelle, die Geschäftseinteilungsänderung dient dazu, dass wir Planstellen frei kriegen und diese dann auch der Truppe zur Verfügung stellen können. Insbesondere müssen wir schneller werden – das ist der eine Punkt. Wir dürfen uns nicht gegenseitig in den verschiedenen Abteilungen behindern, sondern die Einsätze sind das, was im Vordergrund stehen muss. Sie haben es angesprochen, Herr Abgeordneter, wir leben diese Struktur ja schon seit 1. Juli und es ist einvernehmlich festgelegt worden, dass man nach zwei Jahren, das heißt 2024, eine Evaluierung durchführt. Das macht auch Sinn, das machen wir nebenbei in jedem Bereich des österreichischen Bundesheeres und im Ressort.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Bundesministerin, um die Evaluierung dann auch wirklich transparent gestalten zu können, stellt sich für mich noch folgende Frage: Wie sieht die Evaluierung dann in puncto Methode, Kriterien, Prüfer intern und/oder extern aus und die dementsprechende Reflexion?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich glaube, diese Reflexion ist unabdingbar notwendig, wenn man erstmalig eines macht, nämlich nicht


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eine Reform der Truppe, so wie es in der Vergangenheit immer der Fall war, sondern eine Reform für die Truppe. Dieser Prozess wird sehr transparent aufgestellt sein. Wenn Sie den Inhalt des Ministerratsvortrages lesen, dann sehen Sie, es steht da auch drinnen, dass insbesondere unsere Expertinnen und Experten des Generalstabs dieses tun werden, und dann wird sich herausstellen, was es noch zu verbessern gibt. Das ist nicht so viel anders als in der Wirtschaft – eine Reform, die klare Zielsetzungen hat: alles für die Truppe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Bösch. – Bitte. 09.13.40


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Sie und der Herr Bundeskanzler haben in den letzten Wochen Aussagen in Bezug auf eine Erhöhung des Militärbudgets gemacht, das ging bis zu einer Verdop­pelung des Jetztzustandes.

Ich stelle Ihnen dazu die Frage:

170/M

„Wie wird sich Ihres Wissens nach das Budget für militärische Angelegenheiten in den nächsten 10 Jahren entwickeln?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich glaube, das ist eine sehr wichtige Frage, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Der Inves­titionsrückstau beim österreichischen Bundesheer, den ich bei meinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren übernehmen musste, wie vorhin schon kurz angesprochen, ist abzu­bauen. Damit haben wir gemeinsam begonnen.

An dieser Stelle auch ein ganz großes Dankeschön, weil Sie es ja waren, die es dreimal möglich gemacht haben, dass das Budget auf den historisch höchsten Wert von 2,713 Milliarden Euro erhöht worden ist.

Herr Abgeordneter, nun aber zu Ihrer Frage: Meine Aussage und meine Zielsetzung sind sehr klar, das heißt, im Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 einen Anteil von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen und darauf aufbauend dann in den nächsten fünf Jahren auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu kommen.

Wichtig ist, dass wir das Budget des Bundesheeres außer Frage stellen, auch über diese Legislaturperiode hinaus. Dazu brauche ich, brauchen wir die Unterstützung von Ihnen allen. Ich bin sehr froh, dass im Nationalen Sicherheitsrat auch ein gemeinsamer partei­übergreifender Beschluss gefasst worden ist, dass das Bundesheer dementsprechend hoch dotiert – so ist es formuliert – ausgestattet werden soll.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Wann können Sie den österreichi­schen Nationalrat und die Öffentlichkeit darüber informieren, worauf sich die Regierung im Detail wirklich geeinigt hat?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich gehe davon aus – so wie ich es immer gesagt habe –, dass wir dieses Jahr noch die entsprechenden gesetzlichen Notwendigkeiten schaffen. Ich sage es auch ganz offen, am schönsten wäre es, weil ja über alle Parteigrenzen hinweg Übereinstimmung darüber herrscht, dass Sicherheit kein Mascherl haben darf, dass wir das gemeinsam noch in diesem Jahr


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umsetzen, um das Ziel zu erreichen, im Bundesfinanzrahmengesetz 2023 bis 2026 auf 1 Prozent und dann ansteigend auf 1,5 Prozent zu kommen, um alle unsere verfas­sungsmäßigen Vorgaben als österreichisches Bundesheer erfüllen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Frau Bundesminister! Gemeinsam­keit – ich glaube, wir zwei sind uns einig, dass Verteidigung nur mehr im europäischen Verbund möglich ist. Brigadier Peter Vorhofer hat das auch schon ein paar Mal gesagt. Ist es so? Und wenn das so ist, wie wird das Verteidigungsbudget darauf ausgerichtet, dass wir uns eben gemeinsam im europäischen Verbund verteidigen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Abgeordneter, ich bin für diese Frage insofern dankbar, weil sie mir die Möglichkeit gibt, einmal eines festzuhalten: Wir sind kein Trittbrettfahrer im Konzert der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ganz im Gegenteil. Sie haben jetzt einen unserer Mitarbeiter aus dem Bereich der Militärdiplomatie erwähnt. Wenn wir daran denken, in wie vielen Auslandsmissionen unsere am heutigen Tag insgesamt 1 200 Soldaten und Soldatinnen sind, die im Einsatz oder in Einsatzvorbereitung in den 14, 15 Auslandsmissionen sind, dann brauchen wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Das heißt, wir leisten unseren Beitrag, und das tun wir mit wirklich großartigen Soldatinnen und Soldaten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Höfinger. – Bitte.


Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundesminister! Als Sie Bundesministerin wurden, waren Sie von Anfang an sehr bemüht und bestrebt, das Bundesheer bestmöglich auszustatten, und Sie haben auch darauf gedrängt, die finan­ziellen Mittel bereitzustellen. Wie hat sich das Budget in Ihrer Amtszeit in der UG 14, jener für militärische Angelegenheiten, denn entwickelt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Kurz zusammen­gefasst, wie vorhin schon angesprochen: nach oben, und das ist auch dringend not­wendig. Wir konnten gemeinsam – und an dieser Stelle noch einmal ein Dankeschön – eine Erhöhung des Regelbudgets auf den historisch höchsten Wert von 2,713 Milliarden Euro erreichen. Das war auch unbedingt notwendig. Jetzt ist es durch die vollkommen veränderte Sicherheitssituation notwendig, wie angesprochen, einen weiteren großen Schritt zu machen. Wir haben aber neben dieser Erhöhung des Regelbudgets gemein­sam auch noch etwas anderes gemacht, nämlich Sonderinvestitionspakete in ganz wichtigen Bereichen verhandelt – wenn Sie nur an das 200-Millionen-Euro-Paket der Miliz denken, wenn Sie insbesondere an den ABC-Bereich denken, der nicht nur im Zusammenhang mit der Pandemie sehr gefordert war, oder auch an all das, was unsere Pioniere so dringend brauchen, um bei Katastrophen helfen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Voglauer stellt die nächste Anfrage. – Bitte. 09.18.38


Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Es wird in den Kärntner Medien darüber berichtet, dass die Windisch-Kaserne und die Laudon-Kaserne zusammengelegt werden.

Meine Frage lautet:


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181/M

„Welche Fortschritte bezüglich des Kasernenbaus am Areal des Kärntner Flughafens konnten in den vergangenen Wochen erzielt werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Frau Abgeordnete, vielleicht darf ich mit den generellen Notwendigkeiten in unseren Kasernen beginnen. Auch da ist allerorts ein Investitionsrückstau bemerkbar. Wir konnten gerade in Kärnten gemeinsam mit dem Land und mit der Stadt, glaube ich, einen sehr großen Schritt machen, indem wir gemeinsam gesagt haben: aus drei mach eins! Das heißt, eine der modernsten Kasernen, nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut, wird in Villach entstehen. Wenn ich sage, allerorts Rückstau, dann stimmt das nicht ganz, weil wir durch das von Ihnen beschlossene Budget doch sehr vieles bereits umsetzen konnten.

So wie wir überall evaluieren, was wir brauchen, was notwendig ist, um die militärische Einsatzfähigkeit sicherzustellen, ist das eben auch in Klagenfurt passiert. Was man da aber sagen kann, ist, dass es offensichtlich noch keine Lösung aller rechtlichen Fragen gibt, die zwischen dem Land, dem Flughafenbetreiber und auch der Stadt offen sind. Ich glaube, das Positivbeispiel Villach kann uns auch dort einen Schritt weiterbringen. Aber was ich Ihnen sagen kann, Frau Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren: Die Notwendigkeit, dass wir in Klagenfurt – nicht zuletzt, wenn der Zulauf der neuen Hubschrauber kommt – den Hubschrauberstützpunkt ausbauen müssen, steht außer Frage.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Welche Pläne gibt es dann bezüglich der Windisch-Kaserne?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Bezüglich der Windisch-Kaserne gilt Ihrer Kollegin, der Frau Abgeordneten Blimlinger, die immer wieder in Erinnerung ruft, dass wir uns auch unserer historischen Verantwortung be­wusst sein müssen, ein ganz großes Dankeschön. Wir haben einen sehr guten militär­histo­rischen Beirat, der sich insbesondere auch mit der Frage der Beigabe eines Traditions­namens, einer Umbenennung befasst, und sobald es diesbezüglich Ergebnisse gibt, werde ich sehr gerne darüber informieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Köchl. – Bitte.


Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Guten Morgen, Frau Minister! Vor dem Hintergrund der Beteiligung des mittlerweile zurückgetretenen Generalsekretärs im Bundesminis­terium für Landesverteidigung, Dieter Kandlhofer von der ÖVP, an einem Immo­bilien­netzwerk, welches ursprünglich mit dem Bau der Großkaserne in Klagenfurt beauftragt werden sollte, steht die berechtigte Frage im Raum, ob mit dem Rücktritt Kandlhofers er und seine Immobilienpartner nun freie Bahn haben und mit der Realisierung des Projektes betraut werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich danke für diese Frage. Warum? – Weil sie mir die Möglichkeit gibt, mich auch an dieser Stelle bei Generalsekretär Dieter Kandlhofer zu bedanken, der in den letzten zweieinhalb Jahren im Verteidigungsressort Unglaubliches geleistet hat – in einer Zeit, die unvorstellbare Dinge notwendig gemacht hat: Denken Sie nur an die erstmalige Aufbietung der Miliz,


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an den angesprochenen Investitionsrückstau, an das, was wir alles schon gemacht haben, an das ausverhandelte Budget. Von dieser Stelle aus sage ich noch einmal ein ganz großes Dankeschön.

Die Formulierung Rücktritt ist nicht richtig, sondern der ehemalige Generalsekretär entwickelt sich weiter und wird per 1. Juli in die Privatwirtschaft gehen. Seine Neben­beschäftigung, die Sie ansprechen, wurde selbstverständlich auch ordnungsgemäß bekannt gegeben. Es ist die Aufgabe des höchsten Beamten, sich mit der Frage zu beschäftigen und auch die politischen Gespräche darüber zu führen, welche Möglich­keiten es zur Verbesserung der Kaserneninfrastruktur gibt – und ich wüsste nicht, worin der in der vorigen Frage angesprochene Zusammenhang bestehen könnte.

Fakt ist, dass die rechtlichen Fragen zu diesem Thema im Land und in der Stadt noch nicht geklärt sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte.


Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie haben es schon angesprochen: Es gibt Großprojekte in Kärnten wie die Großkaserne in Villach, die letztendlich derzeitige, baufällige Kasernen ersetzen soll, was ja unseren Soldatinnen und Soldaten zugutekommen wird.

Wie steht es um den Bau in Villach? Wie läuft die Planung?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Vielleicht noch einmal generell zum Bauplan: Frau Abgeordnete! Wir haben 100 Kasernen – nicht zuletzt nach militärischen oder auch notwendigen Gesichtspunkten – ausgewählt, die wir autark machen wollen. Wir verfolgen, wie eben bei der Entscheidung für den Bau in Villach, dann dort, wo alle dahinterstehen und an einem Strang ziehen, das Modell aus drei mach eins. Sie haben die baufälligen Kasernen angesprochen. Ich sage auch ganz offen: Das ist ja das eine oder andere Mal unseren Soldaten und den Grundwehrdienern, auf die ja alles aufbaut, gar nicht zumutbar.

Wir werden den Spatenstich in der Kaserne im letzten Quartal 2023 vornehmen. Es wird eine der modernsten Kasernen – ich habe es vorhin schon kurz angesprochen –, auch nach ökologischen Gesichtspunkten, insbesondere was Fotovoltaik, aber auch die Unabhängigkeit, die Autarkie in der Wärmeversorgung anbelangt, werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte sehr. 09.24.09


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Wie wir ja wissen, ist das Thema Budget momentan ein sehr großes, auch die Frage, wie wir uns als Land verteidigen. Da ist natürlich auch der Luftraum eine ganz besondere Herausforderung. Wir wissen, dass das ein extrem kostspieliger Bereich ist, haben das ja auch oft im Ausschuss debattiert. An dieser Stelle darf ich mich dafür bedanken, dass Sie im Ausschuss auch Fragen der Abgeordneten beantworten – wir wissen ja mittlerweile, dass das nicht alltäglich ist.

Meine Frage ist: Welche Ideen haben Sie, um zukünftig auch kooperativ, möglicherweise mit Nachbarstaaten, den Luftraum zu überwachen, beziehungsweise welche Maßnah­men setzen Sie da aktuell?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 179/M, hat folgenden Wortlaut:


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„Wo stehen die Überlegungen die Luftraumüberwachung kooperativ mit Partnerländern durchführen zu lassen?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich glaube, Herr Abgeordneter, sehr geehrte Damen und Herren, die Notwendigkeit der Luftraumüber­wachung, insbesondere im aktiven Bereich – natürlich auch im passiven Bereich, in dem wir in Österreich mit der Goldhaube ein sehr hervorragendes System haben –, hat sich gerade auch in den letzten Wochen und Monaten gezeigt.

Die Frage nach Möglichkeiten der Kooperation stellt sich nicht nur für uns als Österreich und als österreichisches Bundesheer, sondern für sehr viele andere Staaten auch, weil – Sie haben es angesprochen, Herr Abgeordneter – das einfach eine kostspielige Ange­legenheit ist.

Wir haben ja bereits ein Gutachten dem Parlament zugeleitet, in dem es heißt, dass die Möglichkeit der Kooperation nicht ausgeschlossen ist, und wir haben jetzt noch zwei weitere verfassungsrechtliche Gutachten bei Professor Obwexer und bei Professor Griller in Auftrag gegeben, die wir dann selbstverständlich gerne auch dem Ausschuss zuleiten werden.

Warum ist es so notwendig, den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt zu beleuchten? – Weil wir als neutraler Staat natürlich die Verpflichtung haben, den Verfassungsgesetzen auch Rechnung zu tragen.

Das, was man aber bereits im ersten Gutachten sieht, ist, dass Kooperationen möglich sind – und wir leben diese ja auch schon: Denken Sie zum Beispiel an das unter­zeichnete Nacheileabkommen mit der Schweiz, das unterschriftsreife mit Deutschland, auf Expertenebene sind wir mit Italien und Tschechien auch so weit. Vielleicht für alle Damen und Herren: Was heißt Nacheile? – Dass wir Luftfahrzeuge über die eigene Staatsgrenze hinaus begleiten dürfen. Unsere Luftstreitkräfte durften unter Beweis stellen, wie großartig sie das machen, nicht zuletzt bei der großen Übung Dädalus sowie bei der Überwachung des G7-Gipfels und des World Economic Forums.

Ich denke, die Notwendigkeit, uns mit jeder dieser Möglichkeiten der Gemeinsamkeiten und Kooperationen zu beschäftigen, besteht nicht nur in Österreich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Sie haben das Thema Nacheile angesprochen, das ja ein Teil ist, aber kooperative Luftraumüberwachung ist wesentlich mehr. Sie haben auch die Gutachten angesprochen, deswegen ganz konkret: Gibt es darüber hinaus, neben den Nacheileverträgen, die abgeschlossen beziehungs­weise in Verhandlung sind, auf Basis des ersten Gutachtens auch schon Gespräche mit Nachbarstaaten – Slowenien, Deutschland, Schweiz –, diese Nacheile oder ähnliche Dinge noch auszubauen, um eine kooperative Luftraumüberwachung nach Benelux-Vorbild oder Ähnlichem zu machen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, es gibt immer wieder sehr intensive Gespräche, insbesondere eben mit der Schweiz. Sie wissen, dass auch die Schweiz in einer sehr großen Beschaffung ist, aufbauend auf einer vielleicht nicht ganz so eindeutig gewünschten Entscheidung. Wir sind im laufenden Austausch, um eben Möglichkeiten zu schaffen, die aktive Luftraumüberwachung auch vom


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Gesichtspunkt der Kosten auf eine Ebene zu bringen. Ich kann Ihnen dazu aber noch kein Ergebnis liefern. Dazu sollen uns auch bereits im Vorfeld diese beiden weiteren Gutachten zeigen, was über die Möglichkeit der Nacheile hinaus noch alles geht.

Wenn wir uns einen anderen Bereich des Luftraums anschauen, dann sieht man, dass wir auch sehr vieles, im Bereich der Ausbildung und so weiter – gerade bei der Nach­beschaffung unserer Hubschrauber, die ja heuer noch landen werden –, gemeinsam mit Italien machen.

Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn uns die Gutachten die verfassungsrechtliche Möglichkeit geben, da einen Weg finden werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Hammer. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ein wichtiger Teil unserer Luftkapazitäten sind ja auch die Hubschrauber. Sie haben es jetzt in der Beantwortung schon zum Teil angesprochen, aber vielleicht könnten Sie uns einen Überblick geben, wie der Beschaffungsstand im Bereich der Hubschrauber derzeit aussieht.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, auch bei dieser Komponente, nämlich in der Nachfolge unserer Alouette III, die unglaubliche Dienste geleistet hat und leistet, aber eben aus den Fünfzigerjahren stammt, war es notwendig, eine Entscheidung zu treffen. Jetzt hat es in unserem Ressort Vorbereitungsarbeiten gegeben, ohne Zweifel durchaus auch bei mehreren meiner Vorgänger. Wir haben dann beschlossen, dass das Wichtigste ist, diesen größten Beschaffungsprozess nach der Beschaffung der Eurofighter transparent umzusetzen, eben in Form eines Government-to-Government-Geschäftes mit Italien, mit dem Verteidigungsressort.

Wir sind zum einen so weit, dass der Vertrag unterschrieben wird, unsere Piloten bereits in der Ausbildung sind, und wir sind zum anderen auch insofern im Zeitplan, als der erste dieser Hubschrauber – es sind insgesamt 18, von denen zwölf in Aigen und sechs in Langenlebarn stationiert sein werden – noch dieses Jahr in Österreich landen wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Reifenberger stellt eine Zusatz­frage. – Bitte sehr.


Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminis­ter! Zur Hauptfrage des Kollegen Hoyos darf ich anmerken, dass Ihre eigenen Experten aus dem Generalstab es ausschließen, dass die aktive Luftraumüberwachung an andere Staaten ausgelagert werden kann – wenn Sie sich erinnern, wir haben das selbst schon bei Lagevorträgen gemeinsam gehört –, nämlich mit der Begründung, dass ein aus­ländischer Pilot niemals – niemals! – über österreichischem Boden ein Flugzeug ab­schießen würde.

Nun aber zu meiner Zusatzfrage: Im Dezember 2020 ist mit den Saab 105 ein wesent­licher Eckpfeiler unserer aktiven Luftraumüberwachung weggebrochen. Was wir jetzt noch haben, sind 15 Stück Eurofighter der veralteten Tranche 1, die in der Nacht zwar fliegen können, aber aufgrund der mangelnden Ausstattung ihren Auftrag nicht erfüllen können; und auch diese Eurofighter haben ein nahendes Ablaufdatum.

Daher meine Zusatzfrage: Was planen Sie hinsichtlich der Nachfolge für den Eurofighter und die Saab 105 und für welchen Zeitpunkt planen Sie das?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau


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Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, Herr Abgeord­neter, vielleicht zu Ihrem Eingangssatz: Umso notwendiger ist eine verfassungsrecht­liche Beleuchtung von allen Seiten, welche Möglichkeiten es gibt, zum einen die aktive Luftraumüberwachung sicherzustellen, dies zum anderen aber auch auf kostengünstige Art und Weise zu tun.

Fakt ist, dass die Ausscheidung der Saab 105 notwendig war. Sie wissen, dass diese am Ende der technischen Verweildauer angekommen sind, und es ist ein Faktum – Sie haben recht –, dass meine Vorgänger sich mit dieser Nachfolge nicht beschäftigt haben. Aus Verantwortung für die Piloten, für die Techniker haben wir daher die Entscheidung treffen müssen, die Saab auszuscheiden. Sie wissen aber auch, dass diese am Ende nur mehr 6 Prozent der Luftraumüberwachung durchgeführt hat und ansonsten als Schulungsflugzeug verwendet worden ist.

Wenn der budgetmäßige Pfad, so wie wir ihn alle gemeinsam, sehr geehrte Damen und Herren, anstreben, kommt, dann werden wir selbstverständlich auch diese Frage neu zu beleuchten haben – zum einen, was die Eurofighter anbelangt, denn es steht außer Frage, dass da eine Nachrüstung notwendig ist, und zum anderen, was die Frage der Schulungsflugzeuge anbelangt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Minnich. – Bitte. 09.31.41


Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Wunderschönen guten Morgen, Frau Bundes­minister! Sie haben sich für eine starke Erhöhung des Verteidigungsbudgets starkge­macht.

173/M

„Wie steht es um die geplante Aufstockung des Landesverteidigungsbudgets, sind Maßnahmen vorgesehen, die sicherstellen, dass diese Budgeterhöhung nicht später wieder zurückgenommen werden kann?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich habe zum Budget schon einiges gesagt. Ich freue mich im Übrigen an dieser Stelle, hier (in Rich­tung Galerie weisend) auch so viele junge Damen und Herren zu sehen, weil es die Möglichkeit gibt, das Bundesheer darzustellen – auch als attraktiven Dienstgeber. Attraktiv sind wir aber nur dann, wenn wir über die entsprechende Infrastruktur, über die entsprechende Ausstattung für unsere Soldatinnen und Soldaten und Zivilbediensteten verfügen.

Der Plan für das Budget von unserer Seite ist ganz klar: Wir haben das Budget für das Verteidigungsressort dreimalig erhöht, auf den historisch höchsten Wert von 2,713 Mil­liarden Euro, und dem muss jetzt folgen, dass wir im nächsten Bundesfinanz­rahmen­gesetz einen Wert von 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes haben, ansteigend auf 1,5 Prozent in den nächsten fünf Jahren.

Was noch viel wichtiger ist, ist, dass wir Planbarkeit haben. Die Beschaffungsprozesse im Verteidigungsbereich nehmen auch geraume Zeit in Anspruch. Das ist der eine Punkt, der wichtig ist.

Der zweite ist – und in dieser Frage ist das auch angesprochen worden –: Wir dürfen es nicht mehr zulassen, dass soziale Sicherheit gegen militärische Sicherheit ausgespielt wird, und müssen daher mit gesetzlicher Vorgabe, am besten eben mit verfassungs­ge­setzlicher Vorgabe, in Gesetzesform dafür sorgen. Dafür brauche ich die Unterstützung


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von Ihnen allen. Ich bin überzeugt davon, dass wir das gemeinsam auch schaffen wer­den.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der AHS Wöllersdorf recht herzlich bei uns im Parlament begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu ihrer Information: Wir sind gerade bei der Fragestunde an die Frau Bundesministerin für Landesverteidigung, und alle Parteien stellen jeweils Fragen an die Ministerin, die vom Präsidium aufgerufen werden.

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Minnich? – Bitte.


Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Welche Investitionsschwerpunkte sind im Speziellen geplant?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Konzepte hat es im Ressort immer genügend gegeben und der Investitionsrückstau des Bundesheeres ist ja bekannt. Wessen haben wir uns anzunehmen? Was ist der erste Punkt? – Der erste Punkt ist der Schutz unserer Soldaten, auch die Wirkkraft unserer Soldaten, das heißt alles, was mit der Ausstattung, inklusive der Bewaffnung, zu tun hat.

Der zweite Punkt betrifft den wichtigen Bereich der Mobilität, den wir jetzt schon be­leuchtet haben, was die Luftkomponente anbelangt, das große Beschaffungsvorhaben. Wie gesagt, der erste dieser Hubschrauber wird mit Ende des Jahres landen, insgesamt sind es 18. Es gibt aber auch an anderer Stelle noch einen Rückstau in der Luft, wenn Sie nur an unser Transportflugzeug, an die Hercules, denken. Auch da haben wir eine Arbeitsgruppe geschaffen, die sich mit der Umsetzung und mit den Notwendigkeiten befassen wird.

Der dritte Punkt, nicht weniger wichtig, ist die Infrastruktur. Das sind wir unseren Sol­datinnen, Soldaten, unseren Grundwehrdienern auch schuldig, die angesprochene Autarkie von 100 militärischen Liegenschaften, 100 Kasernen in den nächsten Jahren – Bauprogramm bis 2025 – umzusetzen. – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Silvan. – Bitte. 09.35.16


Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie haben jetzt schon sehr viel zum Budget gesagt. Sie haben auch die Planbarkeit angesprochen.

183/M

„Wie sieht die Budgetentwicklung des Bundesheeres im Bundesfinanzrahmen für die nächsten 4 Jahre aus und welche konkrete Planung haben Sie zur Verwendung der zusätzlichen Mittel, deren Aufstockung auf 1,5% des BIP Sie im April des heurigen Jahres gefordert haben?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Das Budget, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, beschließen Sie. Ich habe unsere Zielvorgabe eben schon angesprochen, und ich bin wirklich sehr froh, dass es hier ja auch einen parteiübergreifenden Konsens gibt, der eben lautet – Sie haben es angesprochen, Herr Abgeordneter –, im Bundesfinanzrahmengesetz auf 1 Prozent anzuwachsen, danach in den nächsten Jahren auf 1,5 Prozent.

Zur Frage der Verwendung: Es geht insbesondere um diese drei Punkte: unsere Sol­daten, die Frage der Autarkie dort, wo sie untergebracht sind, und die Mobilität. Das sind


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die drei Bereiche, in die wir investieren werden. Dies alles baut auf genauen Konzepten auf, die es ja wie gesagt in unserem Ressort wirklich gibt, auch aktualisiert nach dem Beginn des Angriffskrieges Putins auf die Ukraine und abgestellt auf die neue Situation. Das Risikobild ist aktualisiert worden, selbstverständlich auch die Profile und Varianten der Streitkräfte. Dementsprechend werden wir investieren, nicht nur für unsere Sol­datinnen und Soldaten, sondern am Ende des Tages für die Sicherheit aller Österreiche­rinnen und Österreicher.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Mich hat nur ein bisschen irritiert, dass bei der Budgetanpassung im Mai keine Erhöhung erfolgt ist. Wieso?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Es wäre ja auch nicht das Richtige gewesen, einen Schnellschuss zu machen. Das war es vielleicht auch das eine oder andere Mal in der Vergangenheit. Das Wichtige ist, dass wir über die nächste Legislaturperiode hinaus das Budget des österreichischen Bundesheeres außer Streit stellen, dass es keine Diskussion mehr dahin gehend gibt: entweder das eine oder das andere.

Die Grundlage für alles ist, dass wir als österreichisches Bundesheer, als Ressort unse­ren verfassungsmäßigen Aufgaben auch nachkommen können. Wir sind auf einem sehr guten Weg und ich bedanke mich jetzt schon bei Ihnen allen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, dass Sie für eine dementsprechende Ausstattung des österreichi­schen Bundesheeres auch sorgen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Reifenberger stellt die nächste An­frage. – Bitte. 09.37.30


Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundes­mi­nister! Wir Freiheitlichen haben bereits mehrfach hier im Hohen Haus Anträge auf die Wiedereinführung von verpflichtenden Truppenübungen eingebracht. Diese wurden stets seitens ÖVP und Grünen entweder abgelehnt oder vertagt, wie auch letzte Woche wieder im Landesverteidigungsausschuss.

Die Abschaffung der verpflichtenden Truppenübungen seinerzeit im Jahr 2006 durch den damaligen ÖVP-Verteidigungsminister und – bald nicht mehr – Landeshauptmann Günther Platter war ein untaugliches Wahlzuckerl, welches dem Bundesheer nachhaltig geschadet hat. Mit dieser Aktion wurde ein permanenter Verfassungsbruch eingeleitet, da wir in der Realität kein Bundesheer mehr haben, welches nach den Grundsätzen eines Milizsystems eingerichtet ist. Sie wissen das ganz genau, Frau Bundesminister, denn Ihre Experten aus dem Generalstab sagen Ihnen auch ganz deutlich, dass wir unbedingt wieder verpflichtende Truppenübungen brauchen.

Daher stelle ich Ihnen die Frage:

171/M

„Aus welchen Gründen lehnen Sie die dringend notwendige Wiedereinführung von verpflichtenden Truppenübungen ab?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Abgeordneter! Sehr geehrte Damen und Herren! Es steht außer Frage, dass die Miliz der integrale Bestandteil des österreichischen Bundesheeres ist, der es erst möglich macht, dass wir auch auf die dementsprechende Mannstärke von 55 000 kommen.


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Ich persönlich glaube nicht, dass man die Probleme der Zukunft mit den Rezepten der Vergangenheit lösen kann, so wie Sie das angesprochen haben. Wir hatten in Zusam­menhang mit der Bekämpfung der Pandemie die Notwendigkeit, erstmalig die Miliz aufzubieten. Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, dass wir am Höhepunkt 8 000 Soldatinnen und Soldaten nicht zuletzt im Kampf gegen die Pandemie im Einsatz hatten.

Es ist ein Faktum, dass die Miliz mehr üben muss, das steht außer Frage, aber eines sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht, und das ist eine Verlängerung des Grundwehr­dienstes von sechs auf acht Monate, das würde dies nämlich implizieren.

Das darf uns aber nicht davon abhalten, dass wir die Miliz attraktiver machen. Das haben wir gemacht, mit der Möglichkeit, sich nach dem Grundwehrdienst drei Monate zu ver­pflichten, durchaus auch die eine oder andere Kaderanwärterausbildung zu machen, dadurch schon während des Grundwehrdienstes – auch an alle jungen Männer hier (in Richtung Galerie weisend) gerichtet – die Möglichkeit zu haben, tatsächlich auch gutes Geld zu erlösen, aber nicht nur das, sondern auch zu sehen, welch attraktiver Dienstgeber das Bundesheer ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Der angesprochene Funktions­dienst hat mit Miliz überhaupt nichts zu tun.

In § 79 Bundes-Verfassungsgesetz steht: „Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten“, und aus den parlamentarischen Materialien, den Erläuterungen geht eindeutig hervor, dass man darunter eine Miliz nach Schweizer Vorbild versteht.

Eine Miliz, die 16 000 angebliche Milizsoldaten hat, nämlich sogenannte befristet Beor­derte, die weder eine Uniform haben noch auch nur einen einzigen Tag üben, ist keine Miliz. Sie brechen damit wissentlich und vorsätzlich die Verfassung. Eigentlich müsste man den Verfassungsgerichtshof mit einem Gesetzesprüfungsverfahren befassen, damit festgestellt wird, dass der sechsmonatige Grundwehrdienst nicht verfassungs­konform ist. Würden Sie die Verfassung und den Milizgedanken ernst nehmen, dann würden Sie den Grundwehrdienst wieder auf acht Monate verlängern, nach dem alt­bewährten Modell 6 + 2.

Daher meine Zusatzfrage: Sie haben ja angekündigt, das zu prüfen. Mit welchem Ergebnis haben Sie die Wiedereinführung des Grundwehrdienstmodells 6 + 2 geprüft?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Abgeordneter, Sie sind Jurist, ich bin Juristin, und ich gehe davon aus, dass Sie mir hier keinesfalls einen Verfassungsbruch vorwerfen würden. Reden Sie bitte auch nicht die Freiwilligen­meldungen für unsere neue Attraktivierung des Milizdienstes 6 + 3 schlecht! Das waren immerhin 1 500 Freiwilligenmeldungen, die eingegangen sind, die uns die Möglichkeit eröffnet haben, dass wir im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz die Grundwehr­diener nicht in dem Ausmaß, wie es in der Vergangenheit der Fall war, hinstellen mussten.

Sie wissen, sehr geehrter Abgeordneter, sehr geehrte Damen und Herren, dass uns natürlich die erste Aufbietung der Miliz eines gezeigt hat: wo wir nachrüsten, aufrüsten müssen, nämlich bei der Ausrüstung – das ist das angesprochene 200-Millionen-Euro-Paket für die Miliz. Sie wissen, dass allein im heurigen Jahr schon 50 Millionen Euro zugeflossen sind, wenn Sie an die Mobilität denken, wenn Sie an die Ausstattung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 31

denken, wenn Sie an die neuen Kampfanzüge denken, die bereits an die Milizsoldaten ausgeliefert worden sind.

Sie haben recht, wir müssen weiter an der Attraktivierung der Miliz arbeiten. Ein ganz großes Dankeschön an all diejenigen, die dies trotz der Herausforderungen der Ver­gangenheit tagtäglich tun, und insbesondere an diejenigen, die in den 13 Jägerkom­panieaufgeboten ihre Arbeit im Kampf gegen das Coronavirus gemacht haben!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Deckenbacher. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Guten Morgen, Frau Bundes­minister! Der Präsenzdienst – und ich sage das heute, weil auch viele Schülerinnen und Schüler hier sind – soll für junge Menschen eine wertvolle und spannende Zeit und vor allem auch getragen von Kameradschaft und Einsatzfähigkeit sein.

Es gibt ja im Rahmen des Modells Mein Dienst für Österreich die Möglichkeit, dass Grundwehrdiener nach ihrem sechsmonatigen Grundwehrdienst freiwillig um drei Mo­nate verlängern können. Da gibt es finanzielle Anreize, aber auch eine Vielzahl von Ausbildungs- und Einsatzmöglichkeiten. Ich glaube, das hat sich auch in Zeiten der Pandemie sehr, sehr bewährt.

Meine Frage ist: Wie sehen Sie die Entwicklung dieses Modells Mein Dienst für Öster­reich?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ich glaube, die Entwicklung, Frau Abgeordnete, ist durchaus positiv zu bewerten, wenn es 1 500 Frei­willigenmeldungen für diese Möglichkeit, sich drei Monate zusätzlich zu verpflichten, gibt. Wenn man dann noch Ausbildungen macht, dann werden es um 428 Euro mehr; um 628 Euro mehr, wenn man sich auch für die Miliz meldet – daher hat das sehr wohl etwas damit zu tun.

Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass unser gesamtes System des Bundesheeres darauf aufbaut, dass von den jungen Männern die Entscheidung getroffen wird, sich für das österreichische Bundesheer zu entscheiden. Heute sind wir wieder bei einer Angelobung – ich mache das jedes Mal und bedanke mich dafür.

Noch mehr müssen wir dafür werben, dass auch erkannt wird, welche Möglichkeiten, welche Berufsmöglichkeiten – für Frauen und für Männer, das ist auch nicht zu verges­sen – unser Ressort neben dem Grundwehrdienst bietet. Ich glaube, dass wir genau an dieser Attraktivierung, an diesen Möglichkeiten der Freiwilligkeit weiter ar­beiten müssen, denn wir stehen als Dienstgeber mit sehr vielen im Wettstreit, gerade in Aufgabenfeldern wie im Cyberbereich zum Beispiel, wo es so gut Ausgebildete gibt, wo wir uns eben besonders anstrengen müssen. Dieses Modell ist eine Möglichkeit, zu zeigen, wie vielfältig das österreichische Bundesheer ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Zorba. – Bitte. 09.44.17


Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Wir haben heute schon vom strategischen Kompass der Europäischen Union gehört.

182/M

„Inwiefern hat der Ukrainekrieg die Wichtigkeit der Umsetzung der Cyberaspekte des strategischen Kompasses der EU erhöht?“



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 32

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Abgeordneter! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe vorhin gerade die personellen Notwendig­keiten im Cyberbereich angesprochen. Ich glaube, das ist etwas, das uns in den letzten Monaten vor Augen geführt worden ist, nicht zuletzt auch durch die Cyberattacke auf das Land Kärnten, das damit zu kämpfen hat. Auch im Vorfeld des Angriffs Putins auf die Ukraine mussten wir sehen, was dem an Desinformationskampagnen vorange­gangen ist.

Unsere Experten, um die Frage nach dem strategischen Kompass in diesem Bereich zu beantworten, sehen das so, dass alle Voraussetzungen, die im strategischen Kompass vorgesehen sind, natürlich nachrichtendienstlicher Art, aufklärungstechnischer Art, durchaus geeignet sind, dem entgegenzuwirken.

Die Zuständigkeiten, glaube ich, sind ja auch bekannt: Alles, was im Cybercrimebereich ist, ist Zuständigkeit des Innenressorts, aber alles, was im Bereich Cyberdefense ist, liegt in unseren Händen.

Dass wir in Österreich auch unsere Hausaufgaben zu machen haben, durchaus auch als Verteidigungsressort, steht außer Frage. Wir müssen die personellen Kompetenzen verzehnfachen. Das ist alles andere als einfach, mit einem das eine oder andere Mal – lassen Sie es mich sagen – durchaus antiquierten Dienstrecht. Auch das ist ein wichtiger Punkt, betreffend den – davon bin ich überzeugt – wir mit dem zuständigen Ressort, mit dem BMKÖS, einen richtigen Weg finden werden.

Im Cyberbereich, zum Bereich Cyber-IKT haben wir gerade einen Lehrgang auf der Militärakademie in Wiener Neustadt ins Leben gerufen, der jetzt mit Herbst startet, um so auch aus Eigenem sogenannte Cybersoldaten zu rekrutieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Diese haben Sie eh schon teilweise beant­wortet, aber: Wie planen Sie, den Kompass in Österreich im Kontext der Cyberdefense umzusetzen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Jawohl, das wer­den wir machen. Wir werden uns da sehr intensiv beteiligen. Zu den Vorarbeiten: Sie wissen, wir haben für diesen Bereich ja eine eigene Direktion, die Direktion 6, mit wirklich großartigen Experten eingerichtet; diese mussten ihr Können auch schon unter Beweis stellen. Denken Sie daran, dass es vor zwei Jahren, im Jänner und Februar des Jahres 2020, einen der größten Angriffe auf eine staatliche Institution, nämlich auf das Außenressort, gegeben hat, bei dem wir im Rahmen eines Assistenzeinsatzes mit unseren Experten auch helfen mussten, durften.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Krisper. – Bitte. 09.47.11


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Bundesministerin, ich schließe inhaltlich an und habe die folgende Frage:

180/M

„Können Sie unseren Partnern versprechen, dass österreichische Soldatinnen und Sol­daten bei den schnellen Eingreiftruppen des Strategischen Kompasses im Falle eines Einsatzbefehls auch tatsächlich, ohne irische Klausel oder andere innenpolitische De­batten, an Einsätzen teilnehmen werden?“



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Frau Abgeordnete, ich glaube, das ist eine wichtige Frage, auch für alle Damen und Herren, die uns hier zuhören: Es geht um die EU Rapid Deployment Capacity, um die schnelle Eingreif­truppe, die aufbauend auf den Battlegroups errichtet werden soll, und die Antwort ist eine relativ einfache: Wir sind eine Parlamentsarmee, das heißt, jeder Einsatz ist vom Hauptausschuss nach dem KSE – das ist ein Bundesverfassungsgesetz – zu beurteilen und zu bewerten, so auch in diesem Fall, weil eben die schnelle Eingreiftruppe auch auf den Battlegroups aufbaut.

Sie haben mit einem recht: Das wird schon herausfordernd werden, dass wir die entsprechende Schnelligkeit schaffen. Diese Herausforderung haben aber nicht nur wir, denn wenn Sie die Staaten in Europa anschauen, sehen Sie, dass es sehr viele Par­lamentsarmeen gibt, die diesen Vorgang auch so umzusetzen haben. Ich glaube, es wird wichtig werden, dass insbesondere dann die Dienste, die Nachrichtendienste, der 27 Staaten einen entsprechenden Vorlauf notwendig machen. Die Ausarbeitung der Details – ich habe das eingangs schon angesprochen – findet ja noch bis Ende dieses Jahres statt, und da wird man sich mit dieser Frage der Schnelligkeit sicher sehr intensiv befassen müssen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Als Folge des Ukrainekrieges macht Ihr Ministerium nun prioritär Mittel für die Modernisierung der Panzerwaffe frei. In Anbetracht dessen, dass wir von Nato-Staaten umgeben sind und dass wir laut Ihren Vorstellungen, Frau Ministerin, wohl keine Panzer zur Eingreiftruppe beisteuern werden: Wie passt diese Mittelverwendung mit dem von Ihrem Ministerium erstellten Bedrohungslagebild zusammen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Frau Abgeordnete, wir mussten unser Risikobild selbstverständlich nach den Ereignissen, insbesondere nach Beginn des Angriffskrieges, aktualisieren. Das haben wir gemacht. Darauf baut dann auch ein Streitkräfteprofil auf, das von den Expertinnen und Experten des Generalstabs erstellt worden ist, und darauf setzen auch die konkreten Notwendigkeiten hinsichtlich Beschaffungen auf.

Wenn Sie ansprechen, inwiefern oder mit welchen Kompetenzen wir uns gerade bei dieser Eingreiftruppe beteiligen werden: Da sie eben auf den EU-Battlegroups aufbaut und es in der Vergangenheit so war, dass unsere Kompetenzen im logistischen Bereich liegen, im ABC-Bereich liegen – da können wir wirklich Großartiges zeigen –, ist davon auszugehen, dass das Schwergewicht genau dort liegen wird. Wie gesagt, das wird konkret dann auch noch ausgearbeitet werden, und ich glaube, wir werden noch viele Gelegenheiten haben, auch dazu zu informieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Stifts­gymnasiums Melk mit Pater Ludwig an der Spitze recht herzlich in unserer Mitte be­grüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Bösch. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Frau Ministerin, haben Sie die Absicht, vor dem Hintergrund der vorher gestellten Frage, die Verfassung Österreichs einzuhalten und die Souveränität und Neutralität der Republik zu beachten und jedenfalls sicherzustellen, dass bei aller Dringlichkeit die Entscheidung über die Entsendung österreichischer Soldaten hier in Wien gefällt wird?



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Selbstverständlich, Herr Abgeordneter, und daher ein ganz großes Dankeschön für diese Frage. Es steht außer Frage, dass wir ein neutraler Staat sind, militärisch neutral sind. Daher stellt auch das entsprechende KSE in Form eines Bundesverfassungsgesetzes sicher, dass bei jeder Entsendung, auch von Einzelpersonen, nicht nur der Ministerrat zu befassen ist, sondern die Entscheidung hier zu treffen ist, im Hauptausschuss zu treffen ist, und selbstverständlich werden wir uns daran halten, Herr Abgeordneter.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Smodics-Neumann. – Bitte sehr. 09.51.26


Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Auch einen schönen guten Mor­gen an Pater Wenzl und seine Schüler! – Sehr geehrte Frau Bundesminister, Sie haben es schon mehrmals in Schlagworten erwähnt: Die Resilienz, die Krisenresilienz, ist ein großes Thema, und ein wichtiger Bereich sind da natürlich die autarken Kasernen. Sie haben es jetzt auch immer wieder erwähnt. Erlauben Sie mir bitte, da ein bisschen eingehender nachzufragen: Welche Maßnahmen sind denn bisher dazu gesetzt worden und was haben Sie noch vor?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage,174/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen werden bzw. wurden im Bereich Autarkie der Kasernen gesetzt?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, wir haben, wie schon mehrfach angesprochen, einen Investitionsrückstau in unseren Kasernen; dem haben wir von Beginn meiner Amtszeit an ein Bauprogramm entgegengesetzt. Insge­samt haben wir 284 militärische Liegenschaften, von denen wir 100 Kasernen ausge­wählt haben, die wir autark machen wollen, das heißt für 14 Tage unabhängig, was Energie, was Wärme anbelangt.

Zur konkreten Frage: Was ist davon schon umgesetzt? – Dieses Programm läuft bis zum Jahr 2025. Wir haben nach einer Prioritätenreihung in den Kasernen, in denen es am allervordringlichsten war, bereits die ersten Schritte gesetzt. Um ein Beispiel zu nennen: Feldbach. Die Kaserne ist ein Vorzeigemodell, vom ökologischen Standpunkt her, aber durchaus auch vom Militärischen her. Wir haben einige der Mannschaftsunterkünfte in Allentsteig bereits modernisiert. Wir werden dieses Bauprogramm Schritt für Schritt umsetzen, zur Sicherheit der Österreicher, aber auch, weil es sich unsere Soldaten und Soldatinnen verdient haben.

Es ist eine Notwendigkeit, den Investitionsrückstau aufzuholen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir sind da auf einem sehr guten Weg. Bis 2025 werden diese 100 Kasernen autark sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nachfrage? – Keine Nachfrage.

Dann kommt als Nächste Abgeordnete Fischer dran.


Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler! Mir ist es wich­tig, dass mehr mit regionalen Lebensmitteln gekocht wird, dass nachhaltig gekocht


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wird – im Sinne der kurzen Transportwege, im Sinne der Landwirtschaft, quasi direkt vom Hof. Lebensmittel sind natürlich kostbar, und kurze Transportwege und frische Ware führen dazu, dass weniger Lebensmittel weggeschmissen werden. Wir haben uns ja zuletzt bei Ihrem Ehrentag am Militärflughafen Langenlebarn auch zu diesem Thema ausgetauscht.

Jetzt meine Frage: Welche Maßnahmen sind konkret geplant, um den Bereich der Verpflegung im Sinne der Nachhaltigkeit und der regionalen Ausstattung noch ein bisschen zu ergänzen? Es gibt ja Cook and Chill und es gibt Zentralküchen. Gibt es da irgendwelche Maßnahmen von Ihrer Seite? – Vielen Dank.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Frau Abgeordnete, ich danke Ihnen für diese sehr wichtige Frage. Autark zu werden heißt auch, autark zu werden, was die Verpflegung anbelangt, wenn wir von diesem 14-Tage-Zeitraum sprechen.

Sie haben das Konzept Cook and Chill angesprochen, das Mitte der 2000er-Jahre ins Leben gerufen worden ist. Was heißt das? – Es wird in Zentralküchen, die damals durch­aus Sinn gehabt haben mögen, weil man auch eine gleichbleibende Qualität sicher­stellen wollte und musste, gekocht. Die Situation ist nun eine gänzlich andere, daher ist mein, unser Zugang: Überall in den Kasernen, in denen die Möglichkeit besteht, soll wieder gekocht werden und insbesondere auch regional eingekauft werden.

Wir sind als österreichisches Bundesheer mit unserem Klimateller ein Vorreiter. Wir machen bei allen Initiativen, die gesetzt worden sind, mit, weil ja letztendlich auch die Ernährung dazu beiträgt, die entsprechende Leistungsbereitschaft unserer Soldatinnen und Soldaten sicherzustellen. Wenn ich sage, dort, wo es möglich ist, dann meine ich damit zum einen, wo es personell möglich ist, und zum anderen, wo der Rückbau der Finalisierungsküchen noch nicht im entsprechenden Ausmaß stattgefunden hat. Auch das ist ein Prozess, mit dem Ziel, dass jede einzelne Einrichtung, jede einzelne Kaserne, dort, wo es nur irgendwie geht, wieder selbst kocht. Das werden wir sicherstellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Herr Abgeordneter Drobits. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Das Bundesheer rüstet sich endlich auch für den Katastrophenfall Blackout – viel zu langsam und viel zu spät meiner Meinung nach –, und Ihr Plan ist es, bis 2025 auf 100 militärischen Liegenschaften eine Autarkie zu erzielen.

Was tun Sie eigentlich vor 2025? Der Plan ist erst ab 2025, wenn alles steht. Was machen Sie diesbezüglich und warum negieren Sie eigentlich auch die Thematik der Sicherheitsinsel in der größten und modernsten Kaserne Österreichs und Europas, in der Montecuccoli-Kaserne in Güssing? Warum erlauben Sie nicht, dass die Zivilbe­völkerung, die Soldatinnen und Soldaten, aber auch die Blaulichtorganisationen bereits im nächsten Jahr in dieser modernsten Kaserne eine Sicherheitsinsel haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Herr Abgeordneter! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Frage, welche Bedeutung man dem österreichi­schen Bundesheer und den Investitionen hat zukommen lassen, kann ich nur sagen: Sie haben recht, das geht alles sehr viel zu langsam, wenn Sie an die Vergangenheit den­ken, weil man halt vielleicht das eine gegen das andere ausgespielt hat, wie ich schon


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mehrfach betont habe; vielleicht soziale Sicherheit – ohne Wertung jetzt – gegen die militärische.

Wir haben mit dem von Ihnen beschlossenen Budget die Möglichkeit, dies umzudrehen. Das haben wir auch schon getan. Schauen Sie sich an, was wir allein in die Kasernen im Jahr 2022 investiert haben! 100 Millionen Euro stehen für das gesamte Paket zur Verfügung. Das geht natürlich nicht von einem Tag auf den anderen. Dieses Programm sieht vor, bis zum Jahr 2025 – wir haben ja schon damit begonnen, dank des ge­steigerten Budgets, das die Damen und Herren Abgeordneten hier beschlossen haben – unsere Kasernen dementsprechend auszustatten. Das arbeiten wir jetzt Punkt für Punkt ab.

Diese 100 militärischen Liegenschaften, diese Kasernen, die autark werden, wurden selbstverständlich nach militärischen Gesichtspunkten ausgewählt. Danach sollen auch einzelne ausgewählte Kasernen in den Bundesländern als Sicherheitsinseln und damit als Anlaufstellen auch für die Blaulichtorganisationen ausgestattet werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Wimmer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. 09.58.10


Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Ministerin, Sie haben des Öfteren jetzt in Ihren Antworten die jungen Männer angesprochen. Welche Personalmaßnahmen treffen Sie aber, um auch die Frauen als Soldatinnen für den aktiven Dienst als Offizierinnen, als Unteroffizierinnen und für die Miliz zu gewinnen, um auch die massiven Perso­nalabgänge abzudecken?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 178/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Personalmaßnahmen treffen Sie, um zukünftig ausreichend Soldat*innen für den aktiven Dienst als Offizier/Unteroffizier*in und für die Miliz zu rekrutieren, um die massiven Personalabgänge der nächsten Jahre bewältigen zu können?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Vielen Dank für diese Frage. Natürlich richten wir den Blick zunächst einmal auf diejenigen, nämlich die jungen Männer, die sich hoffentlich nach der Stellung für das österreichische Bundes­heer entscheiden; aber Sie haben vollkommen recht: Seit dem Jahr 1998 besteht die Möglichkeit, dass auch Frauen das Bundesheer als attraktiven Dienstgeber erleben können. Wir sind bei den Soldatinnen bei einem Prozentsatz, der zwar gestiegen ist, aber sicher noch nicht dort ist, wo wir hinwollen, daher haben wir vielfältige Maßnahmen gesetzt – wir haben einen Frauenförderplan erlassen, wir haben ein Mentoringprogramm ins Leben gerufen –, um dem entgegenzuwirken.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie haben mit Sicherheit die zahlreichen Werbemaß­nahmen gesehen, die natürlich auch in Zukunft weiterwirken werden, momentan gerade, was insbesondere unsere Luftstreitkräfte anbelangt, denn auch in diesem Bereich suchen wir: Pilotinnen, Technikerinnen, Luftfahrzeugtechnikerinnen.

An dieser Stelle sei gesagt: Bei uns haben die jungen Frauen die Möglichkeit, alles zu werden, zum selben Gehalt und tatsächlich mit einer erfüllenden, sinnvollen Aufgabe.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 37

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Eine weitere Personalfrage: Seit zwei Jahren ist die Stelle der Geschäftsführung beim Heeresgeschichtlichen Museum unbesetzt. Wann wird diese neu ausgeschrieben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, das ist eine ganz wichtige Frage. Das Heeresgeschichtliche Museum ist ein Juwel. Sie wissen: Bei allen Ausschreibungen unterliegen wir dem Ausschreibungsgesetz, so auch in diesem Fall. Zusätzlich ist das eine sehr sensible Position, die im Einvernehmen mit einer Kommission mit Präsident Muchitsch an deren Spitze, die wir ins Leben gerufen haben, zu besetzen ist. Jetzt sind die Ausschreibungsunterlagen fertig – Sie wissen, wir müssen auch immer das BMKÖS miteinbeziehen, wo auch der Wunsch bestand, diese Stelle insbesondere für Geisteswissenschaften auszuschreiben und dieses europaweit zu tun. Mittlerweile ist wie gesagt dieses Prozedere mit dem BMKÖS fertig, und die Ausschreibung steht kurz bevor.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordnete Neßler. – Bitte.


Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Bleiben wir beim Thema Attraktivierung! Sie haben es schon angesprochen, Frauenförderung et cetera: Welche Maßnahmen sind auch im Bereich der Familienvereinbarkeit geplant – und wenn wir bei den Männern bleiben –, insbesondere was den Papamonat anbelangt, der ja derzeit von den Männern nicht in Anspruch genommen werden kann?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Wir müssen uns in diesem Bereich sehr stark weiterentwickeln. Ich habe jetzt den Anteil der Soldatinnen angesprochen, wo wir bei 4,5 Prozent sind. Das ist zwar eine Steigerung, aber lange nicht das, wo wir hinwollen. Wenn man das mit dem zivilen Bereich vergleicht, sieht man, da sind wir Gott sei Dank woanders, und wenn Sie einzelne Verbände anschauen, wie zum Beispiel das Militärhundezentrum, sehen Sie, dort sind wir bei einem Prozentsatz von über 50 Prozent.

Sie sagen es aber richtig: Wir müssen unser Augenmerk auch auf die Frage der Ver­einbarkeit von Familie und Beruf richten – das tun wir. Wir haben da wirklich Vorzeige­modelle, wo es diesen Sommerkindergarten, wo es die Möglichkeit auch des Erlebens des Bundesheeres gibt, also die Möglichkeit, das auch zu tun. Wir haben dazu auch bauliche Maßnahmen in den verschiedensten Kasernen getroffen.

Selbstverständlich: Betreffend die sozialversicherungsrechtliche Absicherung, so wie von Ihnen angesprochen, ist diese dort, wo wir noch Aufholbedarf haben, auch umzu­setzen. Da hoffe ich – Sie wissen, dass wir als Ressort das nicht alleine tun können –, dass das gemeinsam mit dem BMKÖS auch zeitnah passieren wird.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Hofinger. – Bitte sehr. 10.02.19


Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Bundesministerin, einen wunder­schönen guten Morgen! Meine Frage geht in Richtung Airpower 22.

Die Flugshow gibt es ja seit 1997. Sie findet im Zweijahresrhythmus statt und wird zu je einem Drittel vom Land Steiermark, dem Bundesheer und Red Bull finanziert. Die letzte hat 2019 mit über 300 000 Besuchern stattgefunden. Meine Frage geht in diese Rich­tung:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 38

Sie haben sich ja für die Airpower 22 ausgesprochen – finden Sie in Anbetracht der Situation mit dem Ukrainekrieg das Stattfinden dieser Airpower gerechtfertigt?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 175/M, hat folgenden Wortlaut:

„Sie haben sich für die Abhaltung der AIRPOWER2022 ausgesprochen, empfinden Sie das Stattfinden der Flugshow angesichts des Krieges in der UKR als gutes Signal?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja, ich glaube so­gar: erst recht!, weil wir damit die Notwendigkeit unserer Luftstreitkräfte zeigen können und weil diese auch in einem internationalen Konzert zeigen können, was sie alles können. Was meine ich mit internationalem Konzert? – Wir haben Anmeldungen aus über 20 Nationen von verschiedensten Flugstaffeln.

An dieser Stelle sei auch eines an die jungen ZuschauerInnen nicht nur hier, sondern auch vor den Bildschirmen gerichtet: Schauen Sie sich das an! Das ist auch eine Wer­bemaßnahme des österreichischen Bundesheeres, die wir setzen, weil wir gerade im Bereich der Piloten, der Luftfahrzeugtechniker auch immer wieder Bedarf haben. Wir werden diese Airpower auch als Familienfest ausrichten. Sie wissen, der Eintritt ist frei.

Was wir noch machen wollen: Wir werden ein grünes Event daraus machen. Was meine ich damit? – Das Ziel, das sich unsere Stabsstelle Nachhaltigkeit gesetzt hat, war ursprünglich, 15 Prozent CO2 einzusparen; jetzt ist die Voraussage unserer Experten, dass wir 30 Prozent einsparen. Das heißt, das ist tatsächlich auch ein Rolemodel für alle großen Events, insbesondere was den Zufahrtsbereich anbelangt – an dieser Stelle auch ein Dankeschön an die ÖBB, die uns da sehr tatkräftig unterstützen.

Wie gesagt: Schauen Sie sich das an! Es wird eine großartige Veranstaltung werden und tatsächlich etwas sein, das hoffentlich auch nachhaltig als Werbung wirkt, insbe­sondere in dem Bereich, in dem wir dringend Personal nötig haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Sie haben sie schon fast beantwortet. Meine Zusatzfrage geht in Richtung Nachhaltigkeitskonzept bei der Airpower 22: Wurde da ein Konzept erstellt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Ja! Wie gesagt, wir haben sogar eine eigene Stabsstelle Nachhaltigkeit eingerichtet. Das neue Ziel ist jetzt eben, diese 30 Prozent CO2 einzusparen, und es gibt ein ganz konkretes Sieben-Punkte-Programm, das von unseren Experten abgearbeitet wird.

Und ich denke, wir dürfen auch die wirtschaftliche Wertschöpfung, die in dieser Region erzielt wird, nicht vergessen. Wir haben ja nach der letzten Airpower 2019 vom Rech­nungshof auch durchaus sehr gute Anregungen bekommen. Diesbezüglich darf ich auch informieren, dass wir diese in jeder Hinsicht – nicht nur im Hinblick auf Nachhaltigkeit – Punkt für Punkt alle umgesetzt haben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Lercher. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 39

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben schon von der Region gesprochen, es gibt aber angesichts des Krieges – vor allem aufgrund des Zeitpunkts, der ja jetzt durch den Ukrainekrieg auch mitspielt – viele Vorbehalte auch von Menschen und Verantwortungsträgern, die dieser Veranstaltung grundsätzlich sehr wohlwollend gegenüberstehen. Da hat es auch kritische Stimmen aus dem Tourismus gegeben.

Für mich ist die Frage angesichts dieser Gesamtlage: Wäre das Geld nicht besser in der Truppe am Standort aufgehoben? Auch dort gibt es viele Wünsche, die schon lange und auch jetzt absehbar nicht erfüllt werden. Wie stehen Sie dazu?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sie haben vollkom­men recht: Wir haben natürlich in der Region zu investieren; das tun wir ja – ich habe einige Kasernen, wo wir dieses schon gemacht haben und noch tun werden, bereits erwähnt. Dass es bei einer so großen Veranstaltung kritische Stimmen gibt, steht außer Frage; dass wir diese auch gehört haben und bewertet haben, das ist die zweite Sache. Ich glaube, dass es wichtig ist, zu zeigen, was wir können.

Sie haben die Kosten angesprochen: Diese betragen für unser Ressort 3,7 Millionen Euro – Sie wissen, wir haben zwei Partner mit dabei –, die sich, wenn Sie gerade auch an die so notwendige Personalrekrutierung in diesem Bereich der Luftstreitkräfte den­ken, ohne Zweifel auch auszahlen werden.

Ich freue mich auf dieses Event und bin überzeugt davon, dass es nicht zuletzt auch das Können unserer eigenen Luftstreitkräfte zeigen wird. Wenn man sich anschaut, wie viele Airshows europaweit stattfinden, dann merkt man: Das sind über 160. – Für Österreich ist das eine sehr gute Möglichkeit, nach 2019 wieder zu zeigen, was wir können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es sind nun alle Fragen zum Aufruf gelangt. Damit darf ich die Fragestunde für beendet erklären und mich bei der Frau Bundesministerin für Landesverteidigung recht herzlich bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.07.13Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 11209/J bis 11286/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien über soziale Sicherheit (1523 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 40

Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds für März 2020 bis Mai 2022, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit (III-673 d.B.)

*****

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen haben das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 11286/J der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „die aktuellen ÖVP-Finanzskandale“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird diese Dringliche Anfrage um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich weiters mitteilen, dass Abgeordneter Leichtfried beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2508/A eine Frist bis zum 5. Juli zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 und 2, 5 und 6 sowie 7 bis 9 und 13 und 14 jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: In der Präsidiale wurde ein entsprechender Konsens über die Dauer der Debatten erreicht. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, die wie folgt aufgeteilt wird: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95 sowie NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 38 Minuten. Debatten­beiträge werden mit 5 Minuten begrenzt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Wer diesem Vorschlag die Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist nunmehr einstimmig.

Wir kommen jetzt zur Tagesordnung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 41

10.09.251. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den An­trag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1501 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Förderung des Ausstiegs aus rus­sischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen (Gasdiversifizierungsgesetz 2022, GDG 2022) (1502 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. (Abg. Leichtfried hebt die Hand.) – Zur Geschäftsordnung: Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.

*****


10.10.12

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Es geht jetzt um wichtige Dinge, insbesondere auch um Zweidrittelmaterien, und ich würde es schon für angebracht halten, wenn die Frau Bundesministerin dieser Debatte von Beginn weg beiwohnen würde.

Herr Präsident, ich würde Sie ersuchen, das Nötige zu unternehmen, damit das auch geschieht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir waren mit der Fragestunde sehr schnell. Die Bundesministerin ist am Weg, ich unterbreche bis zu ihrer Ankunft (Rufe bei ÖVP und Grünen: Danke, Jörg! Super, Jörg! Danke!) die Sitzung.

10.10.50*****

(Die Sitzung wird um 10.10 Uhr unterbrochen und um 10.12 Uhr wieder aufge­nommen.)

10.12.05*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Frau Bundesministerin ist soeben eingetroffen. Wir geben ihr die nötige Zeit. (In Richtung Bundesministerin Gewessler:) Keine Eile!

Ich darf nun die Debatte eröffnen und Abgeordnetem Schroll das Wort erteilen. – Herr Abgeordneter, bitte, Sie gelangen zu Wort.


10.12.34

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Schülerinnen und Schüler auf der Galerie! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 42

Zuseher! Gut so! – Geschätzte Damen und Herren, es ist gut so, dass diese Regierung nach gefühlten 1 000 Gesprächen und Appellen meinerseits, unsererseits endlich das Thema Versorgungssicherheit ernst nimmt und neben jenem in Richtung einer strategischen Gasreserve, dem wir als SPÖ-Fraktion hier im Hohen Haus zugestimmt haben, heute weitere notwendige Schritte für die Versorgungssicherheit setzen wird.

Eine Frage, geschätzte Frau Bundesministerin, müssen Sie sich dennoch gefallen las­sen – Sie sind noch ein bisschen außer Atem –: Warum erst jetzt? Warum habt ihr so lange beobachtet und geschaut, anstatt Vorschläge ins Parlament, in den parlamen­tarischen Prozess einzubringen? Liegt es an Ihnen oder an der blockierenden ÖVP? – Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Mittlerweile fehlen seit Jahren viele Gesetze und Ideen. Am Sonntag in der „Presse­stunde“, geschätzte Frau Bundesministerin, haben Sie ein weiteres Gesetz angekündigt, das EWG, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Anscheinend dürfte die Rechnung aber ohne den Wirt oder besser gesagt ohne den Koalitionspartner gemacht worden sein. Zumindest ereilen mich seit Sonntagnachmittag sehr viele Anrufe aus den Bundes­ländern, allesamt mit der Kernaussage, es wurde mit den Ländervertreterinnen und -vertretern nichts vereinbart, nichts akkordiert und man sei weit von einer Einigung entfernt. – Frau Bundesministerin, kann so Energiewende funktionieren?!

Gut so! – So habe ich meine Rede begonnen. Gut so, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dass ihr endlich kapiert habt, dass man rund 90 Terawattstunden Gasver­brauch in Österreich nicht durch ein paar Windräder oder PV-Paneele, die man irgendwo aufstellt, ersetzen kann. (Zwischenruf der Abg. Voglauer.) Nur zum Vergleich: Öster­reich verbraucht im Jahr rund 70 Terawattstunden Strom. Alleine diese Zahlen ver­deutlichen, dass Realitätssinn statt Grünutopie gefordert ist.

Gut so, dass mit der Novelle des GWG Regelungen getroffen werden, dass alle Speicher auf österreichischem Hoheitsgebiet an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden müssen und somit sämtliche Speicherkapazitäten genutzt werden müssen. Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite über Versorgungssicherheit reden und den großen Speichern Bedeutung zumessen, gleichzeitig aber auf der anderen Seite nationale und internationale Unternehmen die Speicherkapazitäten blockieren, wodurch in der Folge die Speicher leer bleiben. Das hat natürlich massive Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger, für KMU-Betriebe und letzt­endlich auch natürlich für unsere Industrie.

Ich muss aber heute erneut meine Frage an die zuständige Regierung stellen: Was habt ihr seit 24. Februar, seit Beginn des schrecklichen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine – und weit davor – getan, um die österreichische Abhängigkeit von russischem Gas in Höhe von 80 Prozent zu reduzieren? – Viel zu langsam, viel zu zögerlich und zu zaghaft ist euer Umgang mit der Absicherung unserer Energieversorgung und der Versorgungssicherheit.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Einige Kollegen waren mit mir gemeinsam beim BDEW-Kongress in Deutschland. Wir haben dort Bundeskanzler Scholz, aber auch dem grünen Wirtschaftsminister Habeck zugehört: Die haben wirklich ambitionierte Ziele. Bereits voriges Jahr haben sie Gesetze verabschiedet, sie sind bereits im Tun. Wir reden seit zweieinhalb Jahren und sind bis jetzt noch nicht im Tun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rössler: Geh!)

Besonders befremdlich ist in diesem Zusammenhang, was sich die Regierung, wie medial kolportiert, jetzt noch als I-Tüpfchen leistet: Sie holen sich mit Karl Rose prompt jenen Berater, jenen Aufsichtsrat aus der OMV als Berater ins Regierungsteam, der gemeinsam mit dem schwer unter Beschuss geratenen Ex-OMV-Chef Seele die Russ­landgeschäfte forciert hat. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Da fragt man sich


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schon, wie die Unabhängigkeit von russischem Gas gelingen und vor allem der Sprit an den Zapfsäulen auch nur um 1 Cent billiger werden soll. (Beifall bei der SPÖ.) Der würde ja gegen sein Geschäft und seine Aufgabe reden.

Außerdem: Frau Ministerin, Sie sagen immer, was wir machen müssen, damit wir unabhängig vom Gas aus Russland werden. Ich kann es nur wiederholen – liebe Schü­lerinnen und Schüler, hört zu! –: Heute sind es 530 Tage, dass wir in Österreich kein Klimaschutzgesetz haben, seit 530 Tagen haben wir kein Energieeffizienzgesetz, wir haben kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz, wir haben das EAG nicht auf dem Boden, von 20 Verordnungen wurde eine umgesetzt. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Geschätzte Frau Ministerin, wir müssen ins Tun kommen!

Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Bedeutung von Gas­speichern, deren Dimension, deren Notwendigkeit für die Transformation des Energiesystems klar, und wir sind uns unserer Verantwortung sehr bewusst. Gut so, dass das der türkis-grünen Regierung auch endlich klar ist. (Zwischenruf der Abg. Voglauer.) Wir Sozial­demokratInnen stimmen, da einige unserer Verbesserungsvorschläge aufgenommen worden sind, diesem Gesetzentwurf heute zu. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.


10.18.19

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schroll, diese Geisteshaltung, die du da wieder an den Tag gelegt hast, dass man mit ein paar Windradln und Foto­voltaikanlagen nicht unseren Gasverbrauch ersetzen kann, höre ich von der SPÖ seit 20 Jahren. (Abg. Schroll: Nein! Schau, wer da Minister war!) Das höre ich seit 20 Jahren! Ich war gerade erst mit Olga Voglauer in Kärnten, dort sagt das eure Landesrätin auch: Wir brauchen keine Windradln (Abg. Schroll: Nein!), wir brauchen keine Fotovoltaikanlagen, das machen wir alles so wie früher! – Nein! (Zwischenrufe der Abgeordneten Silvan und Stöger. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Wir können und wir werden Gas durch erneuerbare Energien ersetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Herr und Matznetter.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte Sie, heute nicht - - (Neuerliche Zwi­schenrufe der Abgeordneten Herr und Matznetter.) – Herr Abgeordneter Matznetter, ich glaube, es ist an der Zeit, wieder die Disziplin zu wahren, um der Würde des Hauses zu entsprechen, und nicht permanent durch Zwischenrufe und Diskussionen den Abge­ordneten, der am Pult ist und redet, zu stören. Ich bitte wirklich sehr eindringlich darum.

Abgeordneter Hammer ist am Wort. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Herr: Die Grünen ...!)


Abgeordneter Lukas Hammer (fortsetzend): Danke, Herr Präsident!

Zur Sache: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten gesehen, wie schmerzhaft die Abhängigkeit von russischen Gasimporten ist. Wir sehen, dass die Heizkosten explodieren, weil das Gas so teuer ist. Und ich habe – und die werden Sie auch bekommen haben – auch sehr viele Fragen aus der Bevölkerung bekommen: Werde ich nächsten Winter noch mit Gas heizen können? Wie lange halten wir ohne russische Gaslieferungen durch? Was machen wir, wenn plötzlich eine Bombe auf eine Gas­pipeline fällt? Und warum finanzieren wir eigentlich mit unseren Heizrechnungen die russische Kriegskassa weiter?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 44

Ja, offensichtlich heizen die Menschen in Österreich noch mit Öl und Gas, weil die Energiewende verschlafen wurde. Auch die Industrie ist extrem stark von Gas abhängig. Wir können das nicht wegleugnen, wir werden das auch nicht wegleugnen, die Um­stellung wird auch von heute auf morgen nicht so einfach gehen, aber wir haben alle eine historische Verantwortung. Das heißt für uns auch, dass wir Kompromisse eingehen müssen, die mich klimapolitisch teilweise schmerzen, das gebe ich ganz offen zu. Aber es ist sicher nicht der Zeitpunkt, um zynisch zu werden und sich darüber zu freuen, dass das Erdgas jetzt so teuer ist oder dass es bald überhaupt kein Erdgas mehr geben wird, dass es uns bald ausgehen wird. Wir brauchen eine sozialökologische Transformation und keine Schocktherapie auf dem Weg zur Energiewende. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir müssen alles dafür tun, um uns endlich von Öl und Gas und von dieser Abhängigkeit zu befreien. Was machen wir heute ganz konkret? – Um sicherzustellen, dass wir auch über den nächsten Winter kommen, dass die Heizungen warm bleiben, ist es wichtig, dass unsere Gasspeicher befüllt sind. Diese Diskussion hatten wir öfters, und die gute Nachricht ist: Die Gasspeicher sind, wenn wir uns das anschauen, sehr gut befüllt. Der größte österreichische Gasspeicher, der der OMV gehört, ist zu über 55 Prozent befüllt. Das ist die gute Nachricht. Aber der zweitgrößte Erdgasspeicher in Österreich, in Haidach, der der Gazprom gehört, ist zu null Prozent befüllt, der ist leer. (Abg. Hörl: Eben, und daran hängt Tirol! – Abg. Angerer: Warum? Sagen Sie einmal dazu, warum!)

Da ist Handlungsbedarf, da ist politischer Handlungsbedarf gegeben. Bis jetzt war das dem Markt überlassen, wir konnten nicht handeln. Jetzt legen wir ein Gesetz vor, um zu handeln, und dazu bringe ich jetzt auch einen Abänderungsantrag zum Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 geändert wird (1501 d.B.), ein. Aufgrund seines Umfanges wurde er verteilt, ich muss ihn nur in Grundzügen erläutern.

Zum einen stellen wir sicher, dass alle Gasspeicher, die sich auf österreichischem Hoheitsgebiet befinden, auch an das österreichische Gasnetz angeschlossen werden müssen. Aber die wichtigste Neuerung ist, dass Speicherunternehmen die Rechte als Speicherunternehmen verlieren und die Kapazitäten zur Verfügung stellen müssen, wenn sie den Gasspeicher nicht nützen, wenn sie kein Gas einspeichern. Genau das hat die Gazprom gemacht. Wir legen fest, dass, wenn bis zum 1. Juli jedes Jahres die Speicher nicht bis zu mindestens 10 Prozent befüllt sind, dieser Prozess in Gang kommt.

Das Auffüllen der Gasspeicher ist wichtig, um uns vor plötzlichen Lieferengpässen so gut wie möglich zu schützen. Mindestens so wichtig ist aber, dass wir so rasch wie möglich unabhängig von russischen Gasimporten werden, dass wir diversifizieren. Des­halb werden wir heute unter Tagesordnungspunkt 2 auch das sogenannte Bundes­gesetz über die Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizie­rung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen, kurz Gasdiversifizierungsgesetz, be­schließen.

Worum geht es da? – Es geht um die Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung des Erdgasbezugs aus anderen Quellen. Kurz gesagt: Wenn man Erdgas aus nicht russischen Quellen kauft, ist das mit Mehrkosten verbunden, auch die Umstellung von Anlagen, damit diese nicht nur mit Erdgas laufen, ist mit Mehrkosten verbunden, und dafür wird jetzt mit diesem Bundesgesetz eine Fördermöglichkeit geschaffen. Dafür soll es maximal 100 Millionen Euro geben.

Wir wissen aber, es reicht bei Weitem nicht aus, dass wir nur mehr Gasreserven anlegen und Gas aus anderen Ländern kaufen. Gas bleibt teuer, unsicher und ruiniert unser Klima. Wir müssen nicht nur aus russischem Erdgas raus, wir müssen generell raus und komplett raus aus der Abhängigkeit von Öl und Gas. (Beifall bei den Grünen.) Ein Viertel


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unseres Gasverbrauchs wird in den über eine Million Gasthermen in unserem Land für Heizen und Warmwasser verbraucht. Dafür überweisen wir jedes Jahr 2 Milliarden Euro vor allem eben nach Russland. Das muss und das wird aufhören! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb haben wir nach langen Verhandlungen das Erneuerbare-Wärme-Gesetz in Begutachtung geschickt, mit dem wir den Einbau von Gasheizungen im Neubau bereits ab dem nächsten Jahr verbieten wollen. Bis zum Jahr 2040 steigen wir mit diesem his­torischen Gesetz komplett aus Heizen mit Öl und Erdgas aus. Die Tage, an denen wir mit unserer Heizrechnung Diktaturen von Saudi-Arabien bis Russland finanzieren, sind damit gezählt, und das ist gut so. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

10.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer,

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1501 d.B.) – TOP 1

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Gesetzesantrag lautet:

Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird

Das Bundesgesetz, mit dem Neuregelungen auf dem Gebiet der Erdgaswirtschaft erlas­sen werden (Gaswirtschaftsgesetz 2011 – GWG 2011), BGBl. I Nr. 107/2011, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 67/2022, wird wie folgt geändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 104 folgender Eintrag eingefügt:

              „§ 104a.            Verlust der Rechte als Speicherunternehmen“

2. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 105 folgender Eintrag eingefügt:

              „§ 105a.            Ermächtigung für Ressortübereinkommen über gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen“

3. (Verfassungsbestimmung) § 1 samt Überschrift lautet:

„Unmittelbare Bundesvollziehung

§ 1. (Verfassungsbestimmung) Die in diesem Bundesgesetz geregelten Angele­genheiten können unmittelbar von den in diesen Vorschriften vorgesehenen Einrichtun­gen besorgt werden.“

4. § 7 Abs. 1 Z 16 letzter Halbsatz lautet:

„Unternehmen gemäß Z 58, § 13 und § 17 sowie Betreiber von Speicheranlagen sind Erdgasunternehmen;“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 46

5. In § 7 Abs. 1 Z 38 wird nach dem Wort „Speicherunternehmen“ die Wortfolge „sowie Betreiber von Speicheranlagen,“ eingefügt.

6. Dem § 12 wird folgender Abs. 7 angefügt:

„(7) Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs sind an das jeweilige Markt­gebiet anzuschließen.“

7. In § 18 Abs. 1 Z 22 wird nach der Wortfolge „gemäß § 87 Abs. 3“ die Wortfolge „und 6“ eingefügt.

8. In § 18a Abs. 1 und in § 87 Abs. 6 entfällt jeweils das Wort „unmittelbare“.

9. § 102 Abs. 2 Z 15 lautet:

              „15.       Bestimmungen, nach welchen Kriterien und in welcher Weise nicht ge­nutzte kommittierte Speicherkapazitäten Dritten gemäß § 104 Abs. 3 und 4 zugänglich gemacht werden;“

10. (Verfassungsbestimmung) § 104 Abs. 3 lautet:

„(3) (Verfassungsbestimmung) Der Speichernutzer ist verpflichtet, die von ihm vollständig oder teilweise systematisch nicht genutzte gebuchte Kapazität unverzüglich über eine Sekundärmarktplattform anzubieten oder dem Speicherunternehmen unter Aufrechterhaltung seiner vertraglichen Rechte und Pflichten zurückzugeben.“

11. (Verfassungsbestimmung) Dem § 104 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) (Verfassungsbestimmung) Kommt der Speichernutzer der Verpflichtung gemäß Abs. 3 nicht nach, entzieht das Speicherunternehmen dem Speichernutzer nach unver­züg­licher schriftlicher Ankündigung unverzüglich seine gebuchten, jedoch systematisch ungenutzten Speicherkapazitäten im Umfang der systematischen Nichtnutzung jeweils bis zum nächstfolgenden 31. März. Speicherkapazitäten, die von Stromerzeu­gungs­anlagen zur Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung, Beseitigung und Überwin­dung von Engpässen in Übertragungsnetzen gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 ElWOG 2010 oder zur Bereitstellung von Regelreserve auf Stromregelreservemärkten benötigt werden, gelten nicht als systematisch ungenutzt. Das Speicherunternehmen hat die entzogenen Kapazitäten zu vermarkten und den Erlös, abzüglich einer dem Speicherunternehmen zufallenden angemessenen Bearbeitungsgebühr, mit dem Speicherentgelt des betrof­fenen Speichernutzers höchstens bis zum Ausmaß des vereinbarten Speicherentgelts gegenzurechnen. Die sich aus dem Speichernutzungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten verbleiben in dem Umfang beim Speichernutzer, in dem die Speicherkapa­zi­täten vom Speicherunternehmen nicht vermarktet werden. Nähere Festlegungen dazu und zur Verpflichtung gemäß Abs. 3 kann die Regulierungsbehörde mit Verordnung tref­fen. Solange diese Festlegungen nicht getroffen wurden, gelten jedenfalls jene ge­buchten Speicherkapazitäten als systematisch ungenutzt, die zum 1. Juli 2022 oder in den Folgejahren jeweils zum 1. Juli im Ausmaß von weniger als 10 % vom jeweiligen Speichernutzer genutzt wurde, und sind diese im Ausmaß ihrer Nichtnutzung zu ent­ziehen.“

12. (Verfassungsbestimmung) Nach § 104 wird folgender § 104a samt Überschrift eingefügt:

„Verlust der Rechte als Speicherunternehmen

§ 104a. (Verfassungsbestimmung) (1) Ein Speicherunternehmen verliert seine Rechte als Speicherunternehmen, wenn


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              1.          die hierfür erforderlichen Verträge mit dem Betreiber der Speicheranlage, dem Eigentümer oder dem Verfügungsberechtigten des Speichers nicht mehr aufrecht sind,

              2.          der Netzanschluss oder Netzzugang an ein Marktgebiet gemäß § 12 Abs. 1 verloren geht,

              3.          das Unternehmen, seine zur Vertretung nach außen berufenen Personen oder verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 VStG mindestens dreimal wegen vor­sätzlicher Übertretung oder wegen Beihilfe zur Begehung einer Verwaltungsübertretung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes bestraft worden sind und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Person des Bestraften die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung der Funktion zu befürchten ist,

              4.          das Unternehmen in Zeiträumen, in denen eine Krisenstufe im Sinne des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 ausgerufen wurde, gegen die Bestim­mungen des § 97 Abs. 1, § 101, § 104 Abs. 4 oder § 170 Abs. 26 verstößt,

              5.          das Unternehmen über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten seine Pflichten gemäß § 105 Abs. 1 Z 8 kontinuierlich nicht erfüllt oder

              6.          die Fortführung des Betriebs behördlich untersagt wurde oder allfällige sonstige gesetzliche Voraussetzungen für die Ausübung der Rechte als Speicher­unter­nehmen nicht mehr vorliegen.

(2) Der Verlust der Rechte als Speicherunternehmen ist, unbeschadet allfälliger zivil­rechtlicher Entschädigungsansprüche, durch die Regulierungsbehörde mit Bescheid festzustellen. Beschwerden haben keine aufschiebende Wirkung.

(3) Im Fall einer Feststellung des Verlusts der Rechte eines Speicherunternehmens nimmt der Betreiber der Speicheranlage vorübergehend die Funktion des Speicher­unternehmens wahr und kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen; dabei gilt für den technischen Betreiber § 9 sinngemäß. Der Betreiber der Speicheranlage hat unverzüglich alle Schritte zu setzen, um Verträge mit Unternehmen, welche in Hinkunft als Speicherunternehmen diese Speicherkapazitäten verwalten wollen, abzuschließen. § 97 Abs. 1 gilt dabei sinngemäß. Diese Verträge sind auf höchstens drei Jahre zu befristen. Das verwaltende Speicherunternehmen hat die Kapazitäten, die aus dem Verlust der Rechte als Speicherunternehmen gemäß Abs. 2 resultieren, zu vermarkten und den Erlös, abzüglich einer angemessenen Bearbeitungsgebühr, an den Betreiber der Speicheranlage abzuführen. Dieser hat das somit vereinnahmte Speicherentgelt gegenüber dem ursprünglichen Speicherunternehmen höchstens bis zum Ausmaß des mit diesem vereinbarten Entgelts gegenzurechnen. Soweit Kapazitäten nicht vermarktet werden können, bleiben die Zahlungspflichten des ursprünglichen Speicherunter­neh­mens gegenüber dem Betreiber der Speicheranlage vollinhaltlich aufrecht. Bestehende Speicherverträge mit Speichernutzern bleiben ebenso aufrecht.

(4) Werden einem Speicherunternehmen seine Rechte gemäß Abs. 2 zu Unrecht ab­erkannt, hat es das Recht, in die gemäß Abs. 3 abgeschlossenen Verträge einzutreten, wobei die Befristung auf höchstens drei Jahre gemäß Abs. 3 entfällt. In diesem Fall ist demjenigen Speicherunternehmen, welches seiner vertraglichen Rechte verlustig geht, eine angemessene Entschädigung zu gewähren.“

13. (Verfassungsbestimmung) In § 104a Abs. 1 Z 4 entfällt die Wortfolge „§ 104 Abs. 4 oder“.

14. In § 105 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 7 durch einen Strichpunkt ersetzt, folgende Z 8 wird angefügt:


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              „8.         für ihre Speicheranlagen den Netzanschluss und Netzzugang an das in­ländische Netz unter höchstmöglicher Ausnutzung der verfügbaren Kapazität zu ge­währleisten und die dafür erforderlichen Verträge insbesondere mit dem Netzbetreiber abzuschließen.“

15. Nach § 105 wird folgender § 105a samt Überschrift eingefügt:

„Ermächtigung für Ressortübereinkommen über gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen

§ 105a. Sofern die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie zum Abschluss von Ressortübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B VG ermächtigt ist, kann sie im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen Übereinkommen über die gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen im Hoheitsgebiet Österreichs mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Drittstaaten abschließen. Dabei sind insbesondere unionsrechtliche Befüllungsziele für Speicheranlagen zu be­rücksichtigen.“

16. § 159 Abs. 2 Z 13 lautet:

              „13.       seinen Pflichten als Speicherunternehmen oder Speichernutzer gemäß § 97 oder § 99 bis § 105 oder § 170 Abs. 25 bis 29 nicht nachkommt;“

17. (Verfassungsbestimmung) Dem § 169 werden folgende Abs. 10 und 11 angefügt:

„(10) (Verfassungsbestimmung) In der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2022 treten das Inhaltsverzeichnis, § 1 samt Überschrift, § 7 Abs. 1 Z 16 und 38, § 9, § 12 Abs. 7, § 18 Abs. 1 Z 22, § 18a Abs. 1, § 87 Abs. 6, § 102 Abs. 2 Z 15, § 104 Abs. 3 und 4, § 104a samt Überschrift in der Fassung der Z 12 des genannten Bundesgesetzes, § 105 Abs. 1 Z 7 und 8, § 105a samt Überschrift, § 159 Abs. 2 Z 13 sowie § 170 Abs. 25 bis 29 mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. § 104 Abs. 3 und 4 sowie § 104a sind auch auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor Inkrafttreten dieser Bestimmungen ereignet haben.

(11) (Verfassungsbestimmung) § 104a Abs. 1 Z 4 in der Fassung der Z 13 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2022 tritt mit 1. Juni 2025 in Kraft. Gleichzeitig treten § 102 Abs. 2 Z 15 sowie § 104 Abs. 3 und 4 außer Kraft.“

18. (Verfassungsbestimmung) Dem § 170 werden folgende Abs. 25 bis 29 angefügt:

„(25) (Verfassungsbestimmung) § 102 Abs. 2 Z 15 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2022 gilt auch für bestehende Speichernutzungsverträge. Die hierdurch bedingten Änderungen bestehender Verträge berechtigen nicht zur Kündigung, teil­weisen Kündigung oder Anpassung dieser Verträge durch Speichernutzer.

(26) (Verfassungsbestimmung) Speicherunternehmen, deren Speicheranlage nicht bereits an das inländische Netz angebunden ist, haben spätestens binnen eines Monats ab physischer Herstellung des Anschlusses in einem für die Verwaltung ihrer Speicher­kapazität notwendigen Ausmaß ihrer Speicherkapazität einen Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt am gemäß Abs. 27 bestimmten Anschlusspunkt zu stellen und die erforderlichen Verträge binnen angemessener Frist abzuschließen. Die hieraus entste­henden Aufwendungen können anteilig in angemessenem Ausmaß auch in bestehende Verträge mit Speichernutzern eingepreist werden und berechtigen diese nicht zur Kün­digung oder teilweisen Kündigung der Verträge.

(27) (Verfassungsbestimmung) Betreiber von Speicheranlagen, deren Speicheranlage nicht bereits gemäß § 105 Abs. 1 Z 8 an das inländische Netz angebunden ist, haben binnen sechs Monaten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes alle baulichen Maßnahmen


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für einen Netzanschluss am technisch geeigneten Anschlusspunkt, vorrangig auf der Netzebene 1, im technisch größtmöglichen Ausmaß zu treffen und die erforderlichen Verträge, insbesondere mit dem Netzbetreiber, binnen angemessener Frist abzu­schließen. Die aus dieser Verpflichtung entstehenden Aufwendungen können anteilig in angemessenem Ausmaß auch in bestehende Verträge mit Speicherunternehmen eingepreist werden und berechtigen diese nicht zur Kündigung oder teilweisen Kün­digung der Verträge.

(28) (Verfassungsbestimmung) Bis zur Herstellung eines physischen Anschlusses gemäß Abs. 26 hat derjenige Netzbetreiber, an dessen Netz der Anschluss erfolgen soll, wenn technisch möglich einen provisorischen Anschluss unverzüglich selbst herzu­stellen und die hierfür erforderlichen Betriebsmittel vorläufig bereitzustellen. Die aus dieser Verpflichtung entstehenden Aufwendungen sind dem Betreiber der Speicher­anlage gemäß Abs. 27 in Rechnung zu stellen.

(29) (Verfassungsbestimmung) Bis zur Bestimmung eines neuen Speicherunter­neh­mens gemäß § 104a Abs. 3 hat der jeweilige Betreiber der Speicheranlage die Rechte und Pflichten eines Speicherunternehmens auszuüben. § 97 bis § 105 gelten sinn­gemäß.“ 

Begründung

Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Neufassung der Verordnung (EU) 2017/1938 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (COM(2022) 135 final) sieht verbindliche Befüllungsziele und Befüllungspfade vor. Die Mitglieds­staaten werden dazu verpflichtet, diese Ziele im Hinblick auf Speicheranlagen innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets zu erreichen. Die Erhöhung der Speicherfüllstände dient vorrangig der Gasversorgungssicherheit. Mit dem vorliegenden Antrag werden beglei­tende Regelungen, wie etwa die Einführung einer Anschlusspflicht für österreichische Speicheranlagen und eines „Use-it-or-lose-it“-Prinzips (UIOLI-Prinzip) für Speicher­nutzer sowie die Ermächtigung zum Abschluss von Ressortübereinkommen über eine gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen vorgenommen.

Zu Z 6 (§ 12 Abs. 7), Z 14 (§ 105 Abs. 1 Z 8), Z 16 (§ 159 Abs. 2 Z 13) und Z 18 (§ 170 Abs. 25-29):

Es wird festgelegt, dass sämtliche Speicheranlagen auf dem Hoheitsgebiet Österreichs auch an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden müssen. Ergänzend dazu werden die in § 105 Abs. 1 angeführten Pflichten von Speicherunternehmen um die Anschlusspflicht erweitert. Für betroffene Speicheranlagen ist nach Maßgabe des § 170 Abs. 26 innerhalb eines Monats ab Inkrafttreten ein Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt zu stellen. Der Katalog der allgemeinen Strafbestimmungen wird in § 159 Abs. 2 Z 13 entsprechend ergänzt.

Zu Z 8 (§§ 18a Abs. 1, 87 Abs. 6):

Für die Beschaffung der strategischen Gasreserve und des Market Maker sollen künftig auch jene Speicheranlagen genutzt werden können, die nicht unmittelbar an die öster­reichischen Marktgebiete angeschlossen sind.

Zu Z 9 (§ 102 Abs. 2 Z 15), Z 10 und 11 (§ 104 Abs. 3 und 4) sowie Z 18 (§ 170 Abs. 25-29):

In Anlehnung an das UIOLI-Prinzip des § 12 der Gas-Marktmodell-Verordnung 2012, in der Fassung BGBl. II Nr. 425/2019, sind nun auch Speichernutzer dazu verpflichtet, ungenutzte Speicherkapazitäten unverzüglich, das heißt konkret ohne schuldhaftes Zögern, anzubieten oder zurückzugeben. Die Rückgabe der Speicherkapazitäten durch


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den Speichernutzer entbindet diesen nicht von seinen Rechten und Pflichten aus dem Speichernutzungsvertrag. Bleiben Speicherkapazitäten systematisch ungenutzt, so sind diese im Umfang der systematischen Nichtnutzung durch das Speicherunternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung bis zum Ende des aktuellen Speicher­jahres zu entziehen. Was unter „systematisch ungenutzt“ zu verstehen ist und wie im Detail die Verpflichtungen von Speichernutzern und Speicherunternehmen ausgestaltet sind, kann mit Verordnung der E-Control (analog zur Gas-Marktmodell-Verordnung gem. § 41 GWG 2011) näher geregelt werden; einstweilen gilt eine Nutzung von weniger als 10 % jeweils zum 1. Juli eines Jahres (bereits ab 1. Juli 2022) als systematisch ungenutzt. Zudem wird klargestellt, dass eine durch die gesetzlichen Bestimmungen be­dingte Anpassung der Allgemeinen Bedingungen und die damit einhergehende Anpas­sung bestehender Verträge Speicherkunden nicht dazu berechtigt, bestehende Verträge zu kündigen. Sonstige, bereits vereinbarte Kündigungsrechte bleiben davon unberührt. Die Bestimmungen zum UIOLI-Prinzip treten am 31. Mai 2025 außer Kraft.

Zu Z 12 (§ 104a):

Bei schwerwiegenden Verstößen gegen gesetzliche Verpflichtungen als Speicher­unter­nehmen verliert dieses seine Rechte als Speicherunternehmen. Der Verlust der Rechte kann bei einem Verstoß gegen die in Abs. 1 Z 4 angeführten Bestimmungen auch dann von der E-Control festgestellt werden, wenn der Verstoß noch nicht als Verwaltungs­übertretung bestraft worden ist oder ein Bescheid im Rahmen eines Marktauf­sichts­verfahrens nach § 24 Abs. 2 E-ControlG oder ein Feststellungsbescheid nach § 97 Abs. 4 ergangen ist. Vorübergehend nimmt der Betreiber der Speicheranlage die Funktion des Speicherunternehmens wahr.

Zu Z 15 (§ 105a):

§ 105a ermächtigt die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zum Abschluss Ressortübereinkommen über die gemein­same Nutzung von Speicheranlagen. Mit einem solchen Abkommen können etwa das genaue Verhältnis und der Umfang einer gemeinsamen Speichernutzung zwischen der Republik Österreich und anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vereinbart werden. Praktisch relevant ist dies insbesondere für die Speicheranlage Haidach, die bislang nur an das deutsche Marktgebiet angeschlossen ist.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist entsprechend einge­bracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Herr Abgeordneter, Sie gelangen zu Wort.


10.25.49

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte ZuhörerInnen! Herr Kollege Hammer, Sie haben von Verantwortung gesprochen. Das, was ihr macht, ist verantwortungslos gegen­über den österreichische Bürgerinnen und Bürgern und gegenüber dem öster­reichischen Steuerzahler! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese beiden Gesetzesmaterien kann man zusammenfassen unter: Sanktions­auswir­kungsgesetze. Das sind nämlich die Auswirkungen der Sanktionen gegenüber Russ­land. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein! ...auswirkungsgesetze!) – Frau Meinl-Reisinger, ich weiß, Sie haben eine andere Meinung, aber ich werde es Ihnen erklären, vielleicht verstehen Sie es dann.


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Zum Gaswirtschaftsgesetz: Wozu braucht es ein Gaswirtschaftsgesetz? – Sie (in Richtung Abg. Lukas Hammer) haben einen Speicher in Haidach erwähnt, der der Gazprom gehört. Warum ist der Speicher in Haidach leer? Warum ist er leer? – Weil die Russen ihn nicht befüllen. Weil Sie Sanktionen gegenüber Russland befürworten und unterstützen, ist eine Reaktion darauf, dass halt der Speicher in Haidach von der Gazprom nicht befüllt wird.

Jetzt machen Sie ein Gesetz, um den Betreiber enteignen zu können, sprich: Drüber­fahren! Das ist überhaupt die neue Methode der Grünen: über die anderen, über die Menschen und vor allem über die eigene Bevölkerung drüberzufahren. Frau Minister Gewessler hat in der „Pressestunde“ angekündigt, sie wird auch hinsichtlich des Ausbaus von Windrädern mit dem Verfahren zur UVP über die Länder drüberfahren.

Eines kann ich Ihnen versprechen, Frau Minister: Wir in Kärnten werden uns wehren, dass Sie Windräder auf unsere Berge stellen und damit unsere Natur und Umwelt zerstören – unter dem Deckmantel des Umweltschutzes! Kärnten erzeugt derzeit schon 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie, Wien ist bei 14 Prozent. Also schauen Sie einmal, dass in Wien ein paar Fotovoltaikflächen auf die Dächer kommen, bevor Sie in Kärnten Windräder aufstellen! (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb ist der vorliegende Entwurf nicht der richtige Zugang, denn das Nichtbefüllen ist einfach eine Reaktion auf die Sanktionen gegenüber Russland.

Das zweite Gesetz, das Sie heute beschließen wollen, ist das Gasdiversifizie­rungs­gesetz. Was heißt das überhaupt? – Sie wollen den Ausstieg aus russischem Erdgas fördern. Das ist betriebswirtschaftlich ganz gescheit: Wir fördern, dass wir kein rus­sisches Gas mehr nehmen, und geben Unternehmen Geld dafür, dass sie Gas anderswoher beziehen. 400 Millionen Euro! 400 Millionen Euro Steuergeld werden ver­schleudert, nur weil Sie sich einbilden, Sie wollen kein Gas mehr aus Russland nehmen.

Dazu kommt auch noch, dass die OMV langfristige Verträge abgeschlossen hat, weshalb der ehemalige Generaldirektor Roiss sagt, egal, ob wir das Gas aus Russland beziehen oder nicht, wir müssen es trotzdem zahlen. Das heißt, der Steuerzahler zahlt es trotzdem, wir zahlen es doppelt!

Wir kaufen mit Steuergeld teureres Gas, das heißt, es wird auch alles wieder teurer werden, die Inflation wird noch mehr ansteigen, die Heizkosten werden noch höher, das Gas wird noch teurer werden, und den Russen müssen wir es auch noch zahlen! Was haben denn die Sanktionen dann für einen Sinn? – Eigentlich sollten Sanktionen ja den wirtschaftlich schädigen, der sanktioniert wird, aber nicht die eigene Bevölkerung. Sie machen es genau umgekehrt, Sie richten einen wirtschaftlichen Schaden für die eigene Bevölkerung an. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was Sie da aufführen, ist betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, das ist vorsätzliche Schädigung des österreichischen Steuerzahlers, und deshalb werden wir dieses Gas­diversifizierungsgesetz auch ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort. – Entschuldigung! Tatsächliche Berichtigung durch Abgeordneten Hammer. – Bitte.


10.29.44

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident, ich mache es kurz. Kollege Angerer hat vorhin behauptet, das Nichtbefüllen des Gasspeichers Haidach durch die Gazprom wäre eine Antwort auf die Sanktionen.


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Ich berichtige tatsächlich: Gazprom hat, noch lang bevor der Krieg in der Ukraine an­gefangen hat, bevor Russland die Ukraine überfallen hat und bevor Europa angefangen hat, mit Sanktionen darauf zu antworten, gar kein Gas mehr in Haidach eingespeichert, schon letztes Jahr, schon im Jänner, schon im Februar, als es noch keinen Krieg gab, als es noch keine Sanktionen gab. Das heißt: Ihre Aussage ist falsch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte sehr.


10.30.25

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Zu­schauer! Liebe Schüler! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich bin immer wieder erstaunt, wenn wir uns bei etwas einig sind, dass wir sagen: Wir wollen Versorgungssicherheit für Österreich!, und ich mir dann die Redebeiträge anhöre, denn es ist leider Gottes so, dass die Opposition die Österreicher nicht klar informiert.

Sie stellen sich hierher, haben Emotionen, reden über diverse Tätigkeiten – was man nicht gemacht hat, was man gemacht hat. Tatsache ist, wir haben jetzt auf dieses Thema reagiert, wir haben auch etwas gemacht, und das ist auch gut so. Ich finde es sehr schade, dass ihr die Österreicher nicht informiert. (Zwischenruf des Abg. Schroll.) Daher werde ich das jetzt nachholen, damit die Österreicher wissen, dass wir uns um die Versorgungssicherheit kümmern, weil das unser A und O ist. Um das sollten wir uns jetzt kümmern: Die Österreicher informieren und in Sicherheit wiegen und nicht Angst verbreiten. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich darf daher nun auf die zwei wichtigen Energiethemen für Österreich näher eingehen: Es gibt das Gaswirtschaftsgesetz und das Gasdiversifizierungsgesetz, die wir heute besprechen. Zum Gaswirtschaftsgesetz hat mein Kollege Lukas Hammer schon einiges ausgeführt. Worum geht es uns? – Unsere oberste Priorität ist, die Versorgungs­sicher­heit nicht nur für die Haushalte, sondern auch für die Betriebe zu schaffen. Das ist uns ganz wichtig und das muss auch so geschehen.

Um aber die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, benötigen wir jetzt auf der einen Seite eben Gas, Erdgas, aber wir benötigen auf der anderen Seite dazu die Speicher, damit wir das Erdgas auch speichern können, sollte es zu einem Ausfall kommen. Erfreulich ist – das haben wir heute auch schon gehört –, dass der Speicherstand mit 9. Juni bereits bei 48,9 Prozent liegt – das hat im Februar noch ganz anders ausge­schaut, da lagen wir bei knapp 20 Prozent. Man sieht, mit den Maßnahmen, die wir gesetzt haben, ist auch Bewegung in das Speichern hineingekommen.

Um das Problem in Haidach zu klären: Haidach ist ein Speicher 30 Kilometer nördlich von Salzburg, der nicht an das österreichische Netz, sondern an das deutsche Markt­gebiet angeschlossen ist. Diesen wollen wir jetzt anschließen, um ihn auch zu nutzen. Da bekommt die Ministerin sozusagen von uns eine Ermächtigung, ein Ressort­über­einkommen zu treffen, damit wir über eine gemeinsame Speichernutzung sprechen können. Wichtig ist aber: Der erste Punkt, der erfolgen muss, ist, dass einmal ange­schlossen wird, weil es nichts bringt, wenn wir den befüllen und er dann nicht bei uns angeschlossen ist. – Das ist ein wesentlicher, wichtiger Schritt, der gemacht wird.

Das Zweite, das wir machen, ist: Um Bewegung bei Speichernutzern oder Speicher­unternehmern hineinzubekommen, die jetzt – wie in Haidach – nicht befüllen, schaffen wir das Prinzip Use it or lose it. Es wird klar gesagt: Nutze es oder stelle es zur Ver­fügung! – Das wollen wir mit diesem Abänderungsantrag regeln, indem wir hergehen und bei ungenutzten Speicherplätzen sagen: Wir geben dir die Möglichkeit, diesen in


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einem gewissen Zeitraum zu bespeichern, und wenn du das nicht machst, dann ist er zur Verfügung zu stellen! – Das gilt für Speicherunternehmer wie auch für Speicher­benutzer, weil es Speicherplätze gibt, die leider nicht befüllt werden. Das wollen wir mit dem Gaswirtschaftsgesetz regeln – ein wesentlicher Punkt, um die Versorgungs­sicher­heit in Österreich zu gewährleisten und auch die Menge zu haben.

Beim zweiten Gesetz, dem Gasdiversifizierungsgesetz – ein ganz neues Wort, abge­kürzt GDG –, geht es darum, die Unternehmen zum Ausstieg aus dem russischen Gas mit anzureizen. Unsere Devise war immer, Anreize zu schaffen und keine Verbote. Ich muss ganz klar sagen, da ist es wichtig, dass wir einerseits wegen der Kosten – wir wissen, dass durch die Lieferungen, durch die Anschaffung Mehrkosten entstehen – und andererseits für die Umrüstung Anreize schaffen. Wir wollen Unternehmer dazu be­wegen, dass sie, wenn sie zusätzliches Gas benötigen – wir reden nicht von beste­henden Verträgen, Herr Kollege Angerer –, versuchen, dass es nicht aus russischen Quellen kommt, dass sie nicht russische Quellen bevorzugen. (Zwischenruf des Abg. Schroll.)

Das ist unser Ansatz, das sollten wir auch gewährleisten. Die Förderungen für diese Richtlinie werden jetzt erarbeitet. Es stehen für die Jahre 2022 bis 2025 jeweils 100 Mil­lionen Euro zur Verfügung – das ist für unsere Betriebe, die brauchen auch Unter­stützung. Da hat Lukas Hammer etwas Wesentliches gesagt: „Wir brauchen [...] keine Schocktherapie“ bei den Unternehmern. – Die Unternehmer wissen, was sie machen, aber wir müssen sie anreizen. Das ist unsere Devise und die sollten wir auch bevor­zugen. 400 Millionen Euro stehen bis 2025 zur Verfügung, das ist der erste Schritt.

Zum Abschluss zur Energiewende: Ich bin immer noch der Meinung, dass die Ener­giewende über die Netze bestimmt wird, daher muss im nächsten Schritt auch das Thema angegangen werden: Wie bringen wir die erneuerbaren Energien in die Netze?, das sollte unser Weg sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schule für Sozialbetreuungsberufe der Caritas recht herzlich bei uns im Parlament begrüßen. Herzlich willkommen, meine Damen und Herren! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppelbauer. Bei ihr steht das Wort. – Bitte.


10.35.53

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Wir befinden uns nach wie vor in einer hoch problematischen, hoch komplexen, angespannten Situation, wenn es um die Erdgasversorgung in diesem Land geht. Deswegen gibt es eben diese Notfallmaßnahmen, die heute geplant werden sollen und die auch aus unserer Sicht, wie Kollege Schroll das schon angesprochen hat, viel zu spät kommen und eigentlich auch nicht mehr greifen werden, denn wir wissen nach wie vor nicht, wo das Gas für den nächsten Winter herkommen wird.

Das erste Gesetz, die Causa oder die Lex Haidach, die schon angesprochen wurde: Was ist da passiert? – Wir haben einen sehr großen Erdgasspeicher zwischen Salzburg und Oberösterreich; im schönen Haidach bei Straßwalchen steht einer der größten Speicher Österreichs, einer der größten Mitteleuropas, und dieser ist leer. Warum ist er leer, Kollege Hammer? – Nicht, weil der Markt versagt hat, sondern weil die OMV den Speicher der Gazprom zugeschanzt hat (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), und die hat natürlich dafür gesorgt, dass er im Sinne einer Vorbereitung eines Angriffskriegs von Putin auf die Ukraine nicht gefüllt worden ist. (Abg. Lukas Hammer: Ich habe gesagt,


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die Politik hatte keine Mittel ...!) Das ist also kein Marktversagen, das war einfach ein geplanter Schachzug, den wir jetzt ausbaden müssen. (Beifall bei den NEOS.)

Der zweite Punkt, der heute diskutiert wird, ist das Gasdiversifizierungsgesetz. Ja, auch da finden wir gute Sachen drinnen. Dass Prozesse gasfrei, dass Unternehmen gasfrei gemacht werden sollen, macht schon Sinn. Dass man aber Geldanreize gibt, um nicht russisches Gas für den nächsten Winter einzuspeichern: Ja wo sollen es die Unter­nehmen denn herbekommen, Frau Bundesminister? Wo sollen sie es denn kaufen?  Sie können es ja nicht selbst ausgraben. Das finden wir also wirklich fast ein bisschen zynisch. (Ruf bei der FPÖ: Ja, das ist richtig!)

Was ist passiert? Ich komme jetzt noch einmal darauf zu sprechen, was denn eigentlich passiert ist. Warum sind wir denn eigentlich in dieser unglaublichen Situation? – Wir alle baden jetzt das aus, was uns von einer Clique von von Russland gesteuerten Managern, Wirtschaftskämmerern und auch willfährigen Politikern eingebrockt worden ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

In den letzten Jahren wurde aus persönlicher Motivation heraus – aus persönlicher Motivation! – die größte Abhängigkeit von russischem Gas produziert, und zwar wirklich aus eigener Motivation heraus, nämlich um sich selbst zu bereichern. Die größte Ab­hängigkeit, die man in Europa findet, liegt in Österreich. Österreich ist das einzige Land Europas, das zu 80 Prozent von Importen von russischem Gas abhängig ist.

Ja, wir sind wieder bei der OMV. Diese spielt da eine zentrale Rolle, denn sie ist schlicht und einfach in den letzten zehn Jahren zu Putins Interessenvertretung umgewandelt worden. Wir lernen da immer mehr, denn eigentlich würde man ja meinen, dass die Republik, die ja mit über 30 Prozent an der OMV beteiligt ist – zu gutem Recht, um Versorgungssicherheit zu garantieren –, ein Auge darauf haben würde – aber nein, das ist alles nicht passiert. Alle Versuche der OMV, die es gegeben hat, nicht russische Quellen zu erschließen, wurden ganz, ganz bewusst von Putin-Freunden sabotiert. Mehr Gas aus Norwegen, Rumänien, aus Österreich, aus dem Kaspischen Meer – das ist eine lange Liste –: Das alles wurde wissentlich blockiert. (Beifall bei den NEOS.)

Wir wissen inzwischen auch aus Chatverläufen, wer da offenbar in Österreich Posten besetzt. Wenn Sie das in Chatverläufen von Sigi Wolf nachverfolgen: Wir wissen, dass Rainer Seele als neuer OMV-Chef von der Gazprom gefordert worden ist, meine Damen und Herren. Von der Gazprom wurde Seele als neuer Chef implementiert, und es wurde gewarnt! (Beifall bei den NEOS.)

Ausländische Geheimdienste haben vor diesem Schritt gewarnt. Und was ist passiert? – Unter Finanzminister Schelling wurde dieser Schritt 2015 durchgeführt. Diverse Bundes­regierungen haben nicht nur zugesehen, sondern waren aktiv beteiligt. Die letzte Ge­schichte ist noch nicht so lange her, da geht es um die Gasverträge bis 2040, meine Damen und Herren.

Wer war denn da am Tisch, als unterschrieben wurde? – Bundeskanzler Kurz ist dane­bengesessen, im Beisein Putins, als die Verträge unterschrieben wurden, die bis 2040 gelten – ohne Not! –, in denen noch dazu drinnen steht, dass gezahlt werden muss, selbst wenn wir das Gas überhaupt nicht abnehmen. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist ein Milliardenrisiko, meine Damen und Herren, das hier eingegangen worden ist, nicht nur für die Bilanz der OMV, sondern auch für die Republik, weil die Republik – ich habe es schon mehrmals erwähnt – natürlich an der OMV beteiligt ist. Wir sprechen da nicht von Peanuts, wir sprechen von potenziell 50 Milliarden Euro und mehr, die wir uns da eingefangen haben.

Vielleicht ist dieses Desaster auch der Grund für die Schockstarre der Regierung, dass da auch nichts weitergeht. Ich sage es noch einmal: Wir als NEOS werden da


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dranbleiben, auch an der Aufarbeitung, denn es gibt da natürlich Verantwortlichkeiten, die aufgearbeitet werden müssen. Wir fordern auch nach wie vor einen U-Ausschuss zu dieser Causa. (Beifall bei den NEOS.)

Um aber auch einen Weg heraus zu zeigen, haben mein Kollege Bernhard und ich einen Aktionsplan zum Ausstieg aus russischem Gas vorbereitet, den ich nun in Form eines Entschließungsantrages der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausstieg aus russischem Gas endlich umsetzen!“ einbringe.

Diesen Antrag möchte ich noch ganz kurz beschreiben: Umstieg auf erneuerbare Ener­gien, Energieeffizienz über Sanierungsmaßnahmen, Entbürokratisierung, von Unterstüt­zungen für die Wirtschaft bis hin zum Abbau des Fachkräftemangels.

Auch dieser Antrag von uns ist nun eingebracht, und ich würde bitten, dem wirklich ent­gegenzutreten und hier ins Tun zu kommen und vorwärts zu schreiten. – Vielen Dank, Frau Bundesministerin. (Beifall bei den NEOS.)

10.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausstieg aus russischem Gas endlich umsetzen!

eingebracht im Zuge der Debatte in der 162. Nationalratssitzung über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1501 d.B.) - TOP 1

In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar hat Russland die Ukraine auf mehreren Fronten mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland. Da der ukrainische Widerstand gegen diesen Angriffskrieg weit heftiger und kompetenter ist, als dies vonseiten Russlands wohl erhofft war und die internationale Reaktion auf die Invasion relativ geschlossen und konsequent war, kann sich die russische Führung unter Putin kaum noch gesichtswahrend zurückziehen. Dies hat innerhalb weniger Tage zu einer vollkommenen Eskalation des Kriegs geführt inklusive tausender ziviler und militärischer Toter, mehrerer Millionen Flüchtlinge und unfassbarem menschlichen Leid.

Der russische Angriffskrieg ist von der internationalen Staatengemeinschaft nahezu ein­stimmig verurteilt worden und Russland sowie seine Führung um Vladimir Putin wurden von der EU und vielen weiteren Staaten mit harten Wirtschaftssanktionen belegt, welche bereits nach wenigen Wochen erheblichen Druck auf Russland und seine Wirtschaft verursachten. Allerdings wurde schon im Vorfeld des Krieges klar, dass sich Europa in den letzten Jahrzehnten in eine viel zu große Abhängigkeit von russischen Energie­importen manövriert hat, was die Handlungsfähigkeit der EU deutlich reduziert, die wirtschaftliche und militärische Verwundbarkeit stark erhöht und Russland eine ver­lässliche Einnahmequelle zur Finanzierung des Angriffskriegs garantiert.


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Österreich ist aufgrund des jahrelangen, kollektiven Versagens der österreichischen Energiepolitik in einer besonders prekären Lage. Entgegen zahlreicher Warnungen und mehrerer Völkerrechtsverletzungen vonseiten Putins (wie etwa der Besetzung der Krim) wurde im letzten Jahrzehnt nicht nur wenig bis gar nichts unternommen, um die Abhän­gigkeit von russischen Gasimporten zu reduzieren, sondern diese sogar ausgebaut. Bei einem plötzlichen Stopp der Gasversorgung - etwa bei einer weiteren Eskalation der Sanktionen oder als Folge eines Infrastrukturschadens im Zuge der Kampfhandlungen wären bald Lenkungsmaßnahmen notwendig und die österreichische Wirtschaft wäre gezwungen, den Betrieb deutlich zu reduzieren. Kurzfristige Alternativen für Gasimport in nennenswerten Mengen gibt es keine, weil unsere Gasinfrastruktur bewusst jahrelang ausschließlich auf Russland ausgerichtet worden ist.

Wir befinden uns deshalb in der moralisch äußerst schwierigen und inakzeptablen Situ­ation, dass wir bei Versorgungsstopp vor einem massiven wirtschaftlichen Einbruch und Destabilisierung unserer Energieversorgung stehen und der Tatsache, dass jeder m³ Gas, welcher weiterhin aus Russland nach Österreich fließt, einen furchtbaren Angriffs­krieg ohne Rücksicht auf Zivilisten finanziert und die Taschen eines Regimes füllt, welches brutal gegen interne Kriegsgegner vorgeht und mittlerweile offen über "Säube­rungen" und Angriffe auf andere Nachbarstaaten (auch EU-Länder) spricht.

Diese Situation ist für uns absolut inakzeptabel. Es ist inakzeptabel, dass die Gas­rech­nung einer Wiener Pensionistin, oder Industrieprozesse in Oberösterreich Bomben auf Kiev mitfinanzieren. Umso erstaunlicher ist es, dass die Regierung 3 Monate nach Aus­bruch dieses Kriegs noch keine nennenswerte Maßnahme gesetzt hat um entweder die Gasversorgung zu diversifizieren, den Gasverbrauch zu senken oder erneuerbare Alternativen rasch auszubauen. Wir legen deshalb erneut unseren, nach intensiver Beratung mit der Energiewirtschaft, der Industrie, des Gewerbes und der Wissenschaft erstellten Aktionsplan gegen russisches Gas vor und fordern die Regierung auf, diese Schritte zu setzen um endlich von russischem Gas wegzukommen:

1) Stagnation beim Ausbau der Erneuerbaren beenden und unser Energiesystem zukunftsfit machen!

Einer der wichtigsten Schritte zur Reduktion der Abhängigkeit von russischem Gas ist der massive Ausbau erneuerbarer Energieträger, um sowohl bei der Strom- als auch Wärmeproduktion Alternativen zum Gas zu haben. Diese Tatsache ist auch von der Regierung bzw. der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Inno­vation und Technologie nun mehrfach betont worden. Allerdings wurde in den Wochen seit Kriegsbeginn weder ein konkreter Plan vorgelegt welche Schritte in den nächsten Wochen gesetzt werden können, noch dargelegt wie die bisherigen Hindernisse beim Ausbau der Erneuerbaren beseitigt werden sollen. Dabei kommuniziert die Branche klar, was sie braucht: Entlastung bei Bürokratie, schnellere Verfahren, weniger Hindernisse auf Landesebene und ausreichend Fachkräfte.

2) Grundlagen für eine massive Ausweitung der Biogasproduktion schaffen!

Um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren ist die massive Ausweitung der Biogasproduktion in Österreich notwendig um fossiles Erdgas zu ersetzen. Wir wollen vermeiden, dass Importe von einem problematischen Regime mit Importen aus einem anderen autoritären oder menschenrechtlich fragwürdigen Staat ersetzt werden. Biogas kann in Österreich aus Lebensmittelresten, Viehmist oder Abfallprodukten der Land- und Forstwirtschaft gewonnen werden und laut verschiedener Untersuchungen ohne Probleme einer Rohstoffkonkurrenz mit anderen Sektoren bis zu 10-15TWh Energie pro Jahr bereitstellen. Hier würde auch nahezu die gesamte Wertschöpfung in Österreich bleiben. Die Potentiale von Biogas bei der Diversifizierung unserer Gasversorgung wur­den sowohl von der Klimaschutzministerin als auch von der Landwirtschaftsministerin


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bereits mehrfach seit Kriegsbeginn angesprochen. Allerdings ist keinerlei ernsthaftes Bemühen ersichtlich die für den Ausbau der Biogasproduktion und die verstärkte Nut­zung dringend notwendigen und seit Jahren ausständigen Gesetzesmaterien und Stra­tegien vorzulegen.

3) Potentiale der Geothermie entfesseln!

Die tiefe Geothermie wurde bisher in der österreichischen Wärmeproduktion bisher trotz großer Potentiale weitgehend vernachlässigt. Dies ist insofern zutiefst unverständlich, da verschiedene Formen der Geothermie in jenen Staaten, welche fast 100% ihres Strom- und Wärmebedarfs erneuerbar decken (Costa Rica und Island), eine tragende Rolle spielt. Zusätzlich hat die Geothermie Vorteile, welche sie eine ideale Ergänzung zu anderen erneuerbaren Energieträgern macht (Grundlastfähigkeit, Witterungs­unab­hängigkeit, niedriger Flächenbedarf etc.).

Als häufigste Gründe für die politische Vernachlässigung der Geothermie werden vor allem ungünstigere heimische geologische Grundvoraussetzungen sowie hohe Inves­titionskosten genannt. Obwohl nicht mit Island oder Costa Rica vergleichbar, besitzt Österreich wider Erwarten durchaus vorteilhafte geographische Voraussetzungen, etwa in der - nicht zufällig so genannten - Thermenregion Südostösterreichs. Außerdem gibt es mittlerweile signifikante Fortschritte bei der sogenannten tiefen Geothermie bzw. bei der "Hot Dry Rock" Technologie, welche in der Energiegewinnung wesentlich unab­hängiger von günstiger Geologie ist. Eine weiterer Startvorteil für die heimische Geo­thermie wäre die Tatsache, dass Österreich sowohl beim wissenschaftlichen als auch beim wirtschaftlichen Know-How auf bereits vorhandene Strukturen, Universitäten und Unternehmen zurückgreifen kann.

Das Potential der österreichischen Geothermie wird aber auch durch rechtliche Hinder­nisse und Unklarheiten sowie langwierige Verfahren behindert. Aber aufgrund der Tat­sache, dass wir beim Ausstieg aus russischem Gas keinerlei Potentiale ignorieren können und hier auch eine enorme Chance für die heimische Wirtschaft schlummert, ist ein Umdenken und Handeln dringend notwendig. Hier braucht es vor allem Büro­kratieabbau und Anpassungen des MinRoG

4) Ausstieg der Industrie aus fossilem Gas unterstützen!

Der Ausstieg aus russischem Gas ist eine riesige Herausforderung für unsere Industrie. Derzeit benötigt sie ca. 31 TWh Erdgas, was etwa 1/3 unseres Gesamtbedarfs ent­spricht. Besonders betroffen sind hier vor allem die Papierindustrie, die chemische Industrie sowie die Eisen- und Stahlerzeugung, doch darüber hinaus sind viele weitere Branchen von hohem Bedarf geprägt und leiden unter hohen Preisen und der derzeitigen Unsicherheit. Viele Prozesse können nur mit hohen Investitionen umgestellt oder energiesparender gestaltet werden, vielfach gibt es aber auch einfach keine Alternativen zu gasförmigen Energieträgern, welche nach und nach mit biogenem Gas oder Was­serstoff ersetzt werden müssen. Bereits jetzt sind unsere Industriebetriebe bei der Dekarbonisierung internationale Vorreiter und aufgrund des europäischen Emissions­handels zu Innovationen im Umgang mit Energie angehalten. Hier gilt es einerseits den durch die Politik verursachten Standort-Nachteil aufgrund der kompletten infrastruk­turellen Anbindung an russisches Gas wettzumachen, andererseits dafür zu sorgen, dass zehntausende Arbeitsplätze gesichert werden.

Gerade deshalb ist es völlig unverständlich, dass die Regierung nicht bereits an einem umfassenden Maßnahmenpaket arbeitet um umgehend erste Schritte zu setzen um unsere von Gasimporten stark abhängige Industrie dabei zu unterstützen aus fossilem Erdgas auszusteigen und damit sowohl deren Existenz abzusichern, als auch eine Basis für eine nachhaltige, klimaneutrale Industrie zu legen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 58

5) Sanierungsrate endlich erhöhen!

Gerade bei den Haushalten und dem Dienstleistungssektor, welche momentan ins­gesamt ca. 20TWh Erdgas verbrauchen, könnte durch eine Erhöhung der thermischen Sanierungsrate der Energiebedarf um über die Hälfte reduziert werden. Gerade bei hohen Energiepreisen amortisieren sich thermische Sanierungen innerhalb kurzer Zeit­räume und die Regierung hat bereits signifikante Fördermittel hierfür zur Verfügung gestellt. Allerdings stagniert die Sanierungsrate in Österreich weit unter den angestreb­ten 3%. Der Grund hierfür sind nicht nur fehlende Fördermittel, sondern mangelnde steuerliche Anreize, fehlende Modelle zur geteilten Finanzierung von Mietern und Vermietern, Fachkräftemangel und hohe Lohnkosten für Unternehmen sowie eine öffent­liche Hand die bei ihrem Gebäudebestand keinerlei Vorbildwirkung zeigt.

Obwohl ein sowohl die Europäische Kommission als auch die Internationale Ener­gieagentur in ihren Vorschlägen die europäische Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren die Wichtigkeit von thermischen Sanierungen betonen, und dies gerade in Österreich die sozialen Folgen hoher Gaspreise beträchtlich reduzieren könnte, hat die Regierung auch mehrere Wochen nach Kriegsbeginn noch keinen Plan vorgelegt wie die Sanierungsrate rasch erhöht werden kann und wie die bisher bestehenden Hinder­nisse beseitigt werden können. Hier gilt es nicht nur weitere Fördermittel zu mobilisieren, sondern auch die Rahmenbedingungen zu verbessern, Länder in die Pflicht zu nehmen und vor allem auch endlich

6) Gasausstieg bei der Raumwärme vorziehen!

Während es bei vielen Industrie- und Produktionsprozessen oder bei der grund­last­fähigen Stromerzeugung vergleichsweise schwierig sein wird, schnell auf gasförmige Energieträger zu verzichten, kann gerade bei der Raumwärme umgehend begonnen werden großflächig auf Alternativen umzusteigen. Ein erster, wichtiger Schritt in Rich­tung aus der Abhängigkeit von russischem Gas, ist ein politisches Bekenntnis zur Tat­sache, dass man selbst mit einer stärkeren Diversifizierung der Gasversorgung sowie erhöhten heimischen Biogasproduktion, eine schnelle Reduktion des Gasbedarfs von­seiten der Haushalte notwendig ist. Hier ist es unumgänglich, dass keine neuen Kunden ans Gasnetz angeschlossen werden und bei Renovierungen, nur dort wo alternativlos mit effizienteren Modellen ersetzt werden kann.

Schon vor Kriegsausbruch wurde aufgrund der hohen Gaspreise und deren sozialer Folgen klar, dass es ein erhebliches wirtschaftliches und soziales Risiko ist, unsere Wohnungen mit Energieimporten aus instabilen Weltregionen warm zu halten. Der Gasausstieg war aus klimapolitischen Gründen ohnehin bereits vorgesehen, spätestens jetzt sollte es aber klar sein, dass wir hier bedeutend schneller handeln müssen als geplant. Es ist vollkommen unverständlich, warum die Regierung zögert eine ent­sprechende Vereinbarung mit den Ländern zu schaffen. Die Regierung hat diese Maß­nahmen bereits angekündigt, allerdings fehlt noch ein entsprechender Beschluss, weshalb ein klares Bekenntnis dazu dringen notwendig ist.

7) Fachkräftemangel endlich beheben!

Egal, ob bei der Installation von Wärmepumpen, bei der Montage von PV-Anlagen, beim Verlegen von Erdkabeln oder bei der Produktion von Biogas: Fast alle Unternehmen klagen von einem Mangel an geeignetem Fachpersonal sowie teilweise veralteten Lehr- und Ausbildungsplänen, während Kund_innen von monatelangen Wartezeiten für wichtige Sanierungen oder den Ersatz einer Gasheizung warten. Selbst bei perfekten energiepolitischen Plänen und Gesetzen werden wir keine Fortschritte machen, wenn Personal für die Umsetzung nicht vorhanden ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 59

Diese Handlungsfelder sind weder neu, noch unlösbar, sofern der politische Wille be­steht. Teilweise müssten sogar einfach nur Vorhaben des Regierungsprogramms end­lich umgesetzt werden. Österreich hat sich mehr oder weniger bewusst in eine energie­politische Abhängigkeit von einem Regime manövriert, welches jetzt 1000de Tote auf dem Gewissen hat und unsere Volkswirtschaft zig Milliarden an Importen gekostet hat. Wir müssen hier sofort beginnen gegenzusteuern. Ein weiteres Zögern ist nicht recht­fertigbar.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend einen Aktionsplan für Ausstieg aus russischem Gas vorzulegen, welcher folgende Punkte umfasst:

•             Maßnahmen zur deutlichen Beschleunigung von UVP Verfahren für erneuerbare Energieprojekte und Energieinfrastrukturen inkl. verbesserter Verfahrensbegleitung und Ressourcen

•             Eine weitere, deutliche Aufstockung der Fördermittel für die thermische Sanie­rung von Wohn- und Bürogebäuden;

•             Ein massives Sanierungspaket für den Bundesgebäudebestand;

•             Die Ermöglichung von Investitionsförderungen für geothermische Strom- und Wärmeproduktion;

•             Den Abbau von Bürokratie sowie die Überarbeitung und Vereinfachung behörd­licher und rechtlicher Vorgaben für die Geothermie,

•             Anpassungen im MinroG welche den geothermalen Wärmeinhalt als bergfreien Rohstoff festlegen

•             Ausbau der Unterstützung von Pilotprojekten und Forschung bei der De­karbonisierung und bei der Anwendung von Wasserstoff und biogenen Gasen in Indus­trieprozessen;

•             Die Ermöglichung von Co-Finanzierungsmodellen für Mieter und Vermieter, wobei Energie-Effizienzmaßnahmen über Heizkostenersparnis mitfinanziert werden können;

•             Eine verbesserte steuerliche Abschreibbarkeit der Kosten von Energieeffizienz­maßnahmen, vor allem bei der Sanierung von Wohngebäuden und Mietwohnungen;

•             Die Vorlage der im Regierungsprogramm angekündigten Novelle des Wärme­gesetzes bis 15. Juli 2022;

•             Die Vorlage einer Novelle des Energieeffizienzgesetzes bis spätestens 15. Juli 2022;

•             Die Vorlage einer Novelle des Klimaschutzgesetzes bis spätestens 15. Juli 2022;

•             Die Vorlage des im EAG festgeschriebenen Netzinfrastrukturplans bis spätestens 15. Juli 2022;

•             Ein ambitioniertes Maßnahmenpaket gegen den Fachkräftemangel in der Energiebranche sowie eine entsprechende Überarbeitung der Ausbildungspläne sowie

•             Die Schaffung von 15A Vereinbarungen mit den Bundesländern um


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 60

o            Widmungsprozesse für den Ausbau von Erneuerbaren zu beschleunigen und zu unterstützen,

o            die Energieraumplanung voranzutreiben,

o            verbindliche Ausbauziele für Erneuerbare festzulegen,

o            verbindliche Sanierungsziele festzulegen

o            Bauordnungen anzupassen um die Installation von PV-Anlagen und Wärme­pumpen sowie thermische Sanierungen zu forcieren sowie

o            den Gasausstieg bei Neubauten auf 2023 vorzuziehen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesministerin Gewessler. – Bitte sehr.


10.41.51

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Lieber Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher online und auch hier im Saal! Zuerst noch einmal eine herzliche Entschuldigung für meine kurze Verspätung.

Wir beschäftigen uns heute mit dem Gaswirtschaftsgesetz. Schon wieder!, sind jetzt manche vielleicht versucht zu sagen. Wir haben das Gesetz in den letzten Monaten so oft angegriffen wie in den letzten Jahren, Jahrzehnten davor wohl nicht, aber es geht eben schon wieder darum, sich auf eine neue strategische Situation einzustellen, uns gut für den kommenden Winter zu rüsten.

Frau Abgeordnete Doppelbauer hat es angesprochen: Wir stehen vor Herausforde­rungen, die wir uns vor wenigen Jahren, vor Monaten noch kaum vorstellen hätten können, weil Selbstverständlichkeiten in der Energieversorgung, auf die wir Jahre und Jahrzehnte gebaut haben, eben plötzlich nicht mehr selbstverständlich sind, weil Russland Energielieferungen als Waffe verwendet, weil Putin uns mit Preisen unter Druck setzt. Wir spüren sehr deutlich – und das ist in der Debatte jetzt ja auch schon öfter herausgekommen –, wie verletzlich wir sind, wie angewiesen unsere Wirtschaft ist. Wir haben alle vor Augen, wie viele Wohnungen mit Erdgas geheizt werden.

Auch wenn es Jahre dauern wird – und das ist eine bittere Wahrheit, der müssen wir ins Auge sehen –, uns aus dieser Abhängigkeit zu befreien, müssen wir jetzt damit begin­nen: Kein Spaziergang, ein Kraftakt, auch das habe ich an dieser Stelle schon einmal gesagt, und dieser Kraftakt wird uns alle miteinander noch sehr fordern.

Gleichzeitig – ich werde jetzt nicht alles wiederholen – haben wir in den vergangenen Monaten schon Maßnahmen gesetzt, damit die Versorgung gesichert ist, damit die Resilienz unserer Volkswirtschaft steigt. Der zentrale Puffer, den wir haben – Abge­ordnete Graf hat auch schon darauf hingewiesen –, ist die Speicherbefüllung, deswegen liegt auch alle Kraft in unserer Arbeit zuerst auf der Frage: Wie bekommen wir volle Speicher?, weil das unser Puffer im Krisenfall ist.

Heute diskutieren wir auch zwei Anträge, die genau dem Ziel dienen, nämlich uns einerseits Schritt für Schritt aus der Abhängigkeit zu befreien und uns andererseits dadurch resilienter zu machen.


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Der erste ist die Novelle zum Gaswirtschaftsgesetz, zum GWG 2011. Da geht es vor allem um drei Anliegen: Erstens geht es um das Ziel – ganz klar –, alle Erdgasspeicher an das österreichische Netz anzuschließen und uns für die Versorgungssicherheit in Österreich so aufzustellen, dass damit alle Erdgasspeicher auch für Österreich einen Beitrag leisten können. Deswegen gibt es in der GWG-Novelle den Vorschlag einer Verpflichtung, alle Speicheranlagen auf dem österreichischen Hoheitsgebiet auch an das Marktgebiet anzuschließen.

Speicherbetreiber haben alle baulichen Maßnahmen für einen Netzanschluss zu treffen, vorrangig für den Anschluss an das Verteilernetz – das geht schneller. Sobald der physische Netzanschluss hergestellt ist, haben dann Speicherunternehmen auch den Antrag auf Netzzugang und Netzzutritt zu stellen. Das betrifft natürlich vor allem den Speicher, von dem heute schon oft die Rede war, nämlich Haidach, der bislang nur über den Umweg über das deutsche Marktgebiet an Österreich ausspeichern konnte.

Auch die zweite Maßnahme – auch das ist schon erwähnt worden – betrifft den Speicher Haidach. Wie Sie wissen und wie heute auch schon angesprochen wurde, wird ein Teil des Speichers – nicht der ganze, aber Teil des Speichers – von einem Tochterunter­nehmen der russischen Gazprom vermarktet. Es wird in allen Speichern derzeit massiv eingespeichert, teilweise am technischen Maximum, das ist gut. In Haidach sehen wir – Stand heute – keine Aktivitäten. Wir sind momentan mit über 37 Terawattstunden Erdgas in unseren Speichern ausgestattet, aber ein Speicher ist leer: Der Gazprom-Teil im Speicher Haidach ist leer, und das können wir uns in dieser Situation schlicht und ergreifend nicht leisten.

Wir brauchen alle verfügbaren Speicher, um uns bestmöglich für den Winter zu rüsten. Deswegen ist der Vorschlag in der GWG-Novelle eben genau so: Speichernutzer, die ihre Kapazitäten systematisch nicht nützen, müssen diese auf einer Sekundärplattform anbieten oder sie eben dem physischen Speicherunternehmen wieder zurückgeben. Also ganz einfach: Wer den Speicher nicht nutzt, soll ihn anderen zur Verfügung stellen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weidinger.)

Was passiert, wenn der Speichernutzer dieser Verpflichtung nicht nachkommt? – Dann entzieht das Speicherunternehmen dem Speichernutzer eben genau diese systematisch ungenutzten Speicherkapazitäten: Use it or lose it, oft schon in diesem Zusammenhang als Name für diese Regelung verwendet.

Wir haben mit der Regelung Use it or lose it vor, das gelindeste Mittel einzusetzen, aber ein Ziel effektiv zu erreichen, nämlich dass der Speicher Haidach befüllt wird. Das ist das Ziel und die oberste Priorität.

Die dritte Maßnahme in dieser GWG-Novelle ist eine Ermächtigung an mich, ein Ressort­übereinkommen über die gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen abzuschließen. Da geht es insbesondere darum: Wir haben auf europäischer Ebene die Verpflichtung beschlossen, dass die Speicher zu 80 Prozent gefüllt werden. Das haben wir auch in Österreich als Bundesregierung beschlossen. Diese Speicherbefüllung betrifft auch den Speicher Haidach – siehe die zuvor genannten Maßnahmen –, dessen Befüllung insbe­sondere auf europäischer Ebene eine gemeinsame Verantwortung Deutschlands und Österreichs ist.

Dieses unionsrechtliche Befüllungsziel können wir nur in einem Abkommen mit Deutsch­land gemeinsam angehen, und deswegen geht es eben in dieser Novelle auch darum, mich dazu zu ermächtigen, ein Ressortübereinkommen mit Deutschland zu diesem Zweck zu machen. Auf Fachebene wird bereits daran gearbeitet, das ist ein sehr konstruktiver Dialog, den wir mit Deutschland führen, zu all den Themen, auch den Themen, die Frau Doppelbauer vorhin angesprochen hat, denn das ist wichtig: Wir als


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Europa sind gemeinsam in dieser Situation und wir sind in dieser Situation auch solidarisch. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte noch kurz auf das Gasdiversifizierungsgesetz eingehen, weil ich gesagt habe: Volle Speicher sind eine Versicherung für den nächsten Winter. – Ja, gut, wichtig, aber es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass es echte Unabhängigkeit und damit auch echte Sicherheit nur dann gibt, wenn wir nicht mehr so abhängig sind. Das heißt, deswegen müssen wir die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren und schlussendlich beenden, indem wir jetzt Schritt für Schritt die Erdgasimporte reduzieren.

Dazu gehört weniger Gasverbrauch, etwa durch die Umstellung von Gasheizungen auf erneuerbare Alternativen. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist heute schon gefallen. Ich bin wirklich sehr, sehr froh, dass wir mit diesem Gesetz jetzt in Begutachtung gehen können, nach mehr als 100 Arbeitsgruppensitzungen mit den Bundesländern, lieber Alois Schroll, drei politischen Steuerungsgremien mit den Landesräten, nach zwei Be­schlüssen in der Landeshauptleutekonferenz – ein wirklich gut vorbereitetes, intensiv diskutiertes Gesetz, das vor allem eines tut, nämlich das Übel an der Wurzel zu packen, die Abhängigkeit von Gas in einem Bereich, in dem wir ein Viertel unseres Gas­verbrauchs haben, nämlich im Wärmebereich, zu reduzieren. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu gehören aber natürlich auch andere Lieferländer, und gerade weil unsere Ab­hängigkeit von russischem Erdgas so groß ist, ist dieser Bereich für Österreich be­sonders schwierig. Wie Sie wissen, ist die Pipelineinfrastruktur historisch in Richtung Russland ausgerichtet. Österreich war das erste westliche Land, das an das russische Gasnetz angeschlossen wurde. Wir sind ein Binnenland und haben keine Seehäfen für den eigenen Import. Trotzdem haben wir keine Zeit zu verlieren. Wir haben erste Schritte gemacht: Mit der Aufstockung der strategischen Gasreserve mit nicht russischem Gas – diese Ausschreibung startet in Kürze – werden wir heuer die Abhängigkeit von 80 auf 70 Prozent drücken. Es gibt einzelne Unternehmen, bei denen da und dort schon Gas aus nicht russischen Quellen zusätzlich fließt. Das ist aber nicht genug. Wir brauchen weitere Schritte, und genau deshalb wollen wir mit dem Gasdiversifizierungsgesetz die notwendigen Maßnahmen ergreifen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Von heuer bis 2025 stehen in Summe jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung, damit Unternehmen die Mehrkosten für den Import von nicht russischem Erdgas gefördert bekommen können. Das können etwa erhöhte Kosten für die Anlieferung nach Öster­reich sein – Leitungsrechte, längere Wege – oder Mehrkosten für die Unternehmen für den Einsatz von Erdgas aus nicht russischen Quellen. Wir fördern das bewusst so und anders als in Deutschland; in Deutschland werden die Kosten auf die Netzgebühren umgelegt, damit aber auch direkt an die Endkunden und Endkundinnen weiterver­rech­net. Das wollten wir in Österreich bewusst nicht machen, deswegen der Vorschlag, der Ihnen heute hier vorliegt, um direkt zu fördern, damit das eben nicht an die EndkundIn­nen weitergegeben wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schließlich wollen wir als zweite Maßnahme im Rahmen dieses Gesetzes jene Unter­nehmen unterstützen, die die Anlagen, die sie jetzt haben, die ausschließlich mit Gas betrieben werden können, derart umrüsten, dass sie alternativ zu Erdgas auch noch mit anderen Energieträgern betrieben werden können. Das ist eine wichtige Maßnahme hinsichtlich Krisenresilienz. Ich bin aber überzeugt, dass auch das ein wichtiger Schritt zu mehr Unabhängigkeit ist und uns helfen wird, in Summe den Anteil unserer Gas­importe aus Russland deutlich zu reduzieren.

Zusammenfassend: Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist unbestritten groß. Es ist gut, sich das trotzdem immer wieder vor Augen zu führen. Diese Anstrengung ist noch lange nicht zu Ende. Die ersten Maßnahmen, die wir getroffen haben, wirken bereits,


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das ist gut. Die Gasspeicher füllen sich schnell. Mit heutigem Stand liegt mehr als ein Drittel unseres Jahresverbrauchs in den österreichischen Speichern. Im europäischen Vergleich sind wir damit Zweiter, hinsichtlich der Menge, die wir gespeichert haben, bezogen auf den Anteil unseres Jahresverbrauchs: mehr als ein Drittel unseres Jahres­verbrauchs.

Mit der heutigen GWG-Novelle wird die Grundlage dafür geschaffen, dass der Speicher Haidach angeschlossen wird, dass wir Speicherkapazitäten, die systematisch nicht genutzt werden, dann auch im Sinne der Versorgungssicherheit unseres Landes als kritische Infrastruktur nützen können. Wir fördern die Diversifizierung der Gasversor­gung.

All das sind wichtige Schritte auf dem Weg, bis 2027 unabhängig von russischem Erdgas zu sein. Das ist ein gutes und wichtiges Ziel für unsere Republik, deswegen sage ich herzlichen Dank für die Unterstützung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Litschauer ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


10.53.29

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren, auch via Livestream! Frau Ministerin, zunächst gleich einmal vielen Dank für die Ausführungen zu diesem Gesetzesvorhaben. Das ermöglicht es mir, nun den Blick sozusagen ein bissel anderswohin zu lenken, weil das bereits sehr gut erklärt worden ist.

Ich bin Energieberater und habe mich seit vielen Jahren auch damit beschäftigt, die Leute entsprechend zu beraten und zu den erneuerbaren Energien hinzuführen. Ich habe allerdings festgestellt, dass es in den letzten Jahren sehr oft nicht gelungen ist, Unternehmen, aber auch Personen vom Erdgas wegzubringen. Gerade in den letzten Tagen habe ich mir deshalb sehr oft die Frage gestellt: Warum ist das so? – Die Antwort war: Nun ja, das Gas war halt billiger! Das war die Motivation, nichts zu tun. Die gute Nachricht ist: Ein Großteil der Leute, die ich jetzt gefragt habe, ändern das jetzt. Sie steigen aus Erdgas aus und tun etwas, weil sie erkannt haben, dass das erstens grundsätzlich sinnvoll ist und zweitens jede Menge Geld spart. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das bringt mich allerdings zu dem Punkt beziehungsweise zu der Frage: Warum ist sonst so wenig passiert? – Ich habe bei meinen Energieberatungen schon lange vor 2014 davor gewarnt, wie problematisch diese Abhängigkeit ist. Wenn jemand das Buch „Blut für Öl“ kennt, dann weiß er: Russland führt Krieg mit Öl, Russland führt Krieg mit Gas. Das war vor 2014 schon bekannt, und als dann 2014 durch die Annektierung der Krim von Russland das Völkerrecht gebrochen wurde, war es erst recht eindeutig, dass Russland diese Dinge als Waffe einsetzt und sich auch um das Völkerrecht nicht kümmert (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), und spätestens da hätte man einen Kurswechsel machen müssen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja!)

Herr Kollege Angerer, Ihr Minister hat 2018 stillschweigend zugesehen, als man die Verträge mit der Gazprom abgeschlossen hat. Man hat diese bis 2040 abgeschlossen. Da gab es keinen Aufschrei, keinen Kurswechsel, es gab auch keine Maßnahmen vonseiten Ihrer Fraktion für einen Kurswechsel in Richtung weniger Abhängigkeit von Russland und für mehr Autarkie Österreichs. (Abg. Lukas Hammer: Die waren eh in Moskau!) Es gab keine Initiativen, Sie wollten sich nur weiter von Russland abhängig machen. Jetzt wollen Sie diesen Fehler nicht zugeben, und weil Sie ihn nicht zugeben,


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können Sie auch sagen: Wir brauchen kein Geld zu investieren, damit wir in Zukunft vom Gas unabhängiger werden! Das sagen Sie, weil Sie es nicht über sich bringen, zu sagen: Wir haben da einen Fehler gemacht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich blicke jetzt zur SPÖ hinüber: Auch 2014 – ich habe es gesagt – war das bekannt. Da gab es Einladungen. Da hat man zugesehen, da hat man Herrn Seele bei der OMV installiert. Es gab Abschreibungen in Höhe von 2 Milliarden Euro für Nord Stream 2, wovor wir immer gewarnt haben. Was hätten wir um diese 2 Milliarden Euro bauen können? – Grünen Wasserstoff! Wir wären schon wesentlich weiter in Österreich, wenn wir diese 2 Milliarden Euro für Nord Stream 2 in diesem Bereich investiert hätten; dann würden wir viel weniger darüber reden, dass es jetzt solche Abhängigkeiten gibt. (Zwischenruf des Abg. Schroll.) Wir könnten das allein mit der OMV schon haben.

Ihr redet euch immer darauf aus, dass euch die Gesetze fehlen. Wo müssen wir euch mit den Gesetzen bei der Hand nehmen, dass eure SPÖ-Funktionäre endlich tätig werden, den Erdgasanteil in der Fernwärme zu reduzieren? – Ich schaue mir da bei­spielsweise meine Landeshauptstadt Sankt Pölten an: Wir haben bei der Fernwärme in Sankt Pölten 0 Prozent Anteil erneuerbarer Energie! Wo muss man den SPÖ-Bürger­meister denn bei der Hand nehmen, damit endlich etwas passiert? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schroll.)

Große thermische Solaranlagen sind Stand der Technik, in Graz seit 2014 – es passiert halt nichts! Geothermie ist aktueller Stand der Technik – ihr habt das nicht eingebaut! Wärmepumpen gibt es seit Jahren – ihr habt sie nicht integriert! Ihr wartet immer auf den Bund, und wenn nichts passiert, dann ist der Bund schuld. So kann das nicht weitergehen! Redet euch nicht aus! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Angerer wünscht eine tat­sächliche Berichtigung. – Bitte sehr.


10.58.05

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Litschauer hat gerade in seiner Rede behauptet, dass während unserer Regierungszeit der Vertrag mit Gazprom verlängert wurde.

Ich berichtige tatsächlich, dass das unter Frau Minister Köstinger und Bundeskanzler Kurz passiert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

10.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte.


10.58.28

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler! Werte Lehrkräfte! Diese sollen auch einmal begrüßt werden. Zu Kollegen Hammer und zu Kollegen Litschauer: Ihr sagt sinngemäß, dass sich die Sozialdemokratie gegen den Ausstieg aus Gas wehrt, weil wir uns nicht vorstellen können, dass es Alternativen dazu gibt. – Da möchte ich euch erinnern: Schaut einmal ins Burgenland! Dort wird mehr alternative Energie erzeugt, als die Burgenländer verbrauchen können! (Beifall bei der SPÖ.) Dort hingegen, wo ihr in der Landesregierung seid, nämlich in Tirol, gibt es sicherlich mehr Gipfelkreuze als Windräder! Da gehe ich jede Wette ein. (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dort seid ihr in der Landesregierung!


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Sehr geehrte Frau Ministerin! Zum Gasdiversifizierungsgesetz – das ist ein kompliziertes Wort –: Sie haben diesen Entwurf am Abend vor dem letzten Energie- und Wirt­schaftsausschuss an die Energiesprecher geschickt. Genauer gesagt hat ihn unser Energiesprecher Alois Schroll am 6.6. um 22 Uhr bekommen. Dieser Entwurf umfasst genau eineinhalb Seiten. Kollege Hammer und Sie haben sich im Ausschuss ent­schuldigt und haben gesagt, dass das Gesetz so komplex ist und so weiter, weswegen es so lange gedauert hat. – Aus meiner Sicht sind die eineinhalb Seiten nicht sehr komplex.

Ich bin völlig Ihrer Meinung, dass wir die Unabhängigkeit vom russischen Gas brauchen. Ich bin der Meinung, dass man sich Alternativen überlegen muss, suchen muss, dass wir für die Übergangszeit andere Gaslieferanten brauchen – alles klar –, dass man Unternehmen fördern soll, dass sie vom Gas auf alternative Energie umsteigen können, wie zum Beispiel die Stahlindustrie oder die Baustoffindustrie, vielleicht die eine oder andere Bäckerei, die noch mit Gas betrieben wird. Das ist im Grunde ein richtiger Ansatz. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Was wir aber überhaupt nicht einsehen, ist, dass die Energieversorger jetzt mit Steuer­geld versorgt werden sollen, gefördert werden sollen – jene Energieversorger, die Milliar­dengewinne, Übergewinne, Zufallsgewinne machen, die Rekorddividenden ausschüt­ten. Jetzt sollen diese Energieversorger mit Steuergeld gefördert werden? – Nicht mit der Sozialdemokratie, liebe Genossinnen und Genossen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Lukas Hammer: Ah, nicht! – Abg. Leichtfried: ... haben keine Milliardengewinne!)

Es fehlt in diesem Gesetz auch – was wir gefordert haben – eine Verpflichtung, dass durch dieses Gesetz die Endverbraucher nicht noch weiter belastet werden. Das steht auch nicht drinnen. (Ruf bei der ÖVP: ... § 8!) Was uns sehr aufstößt, Kollegin Graf – weil Sie das jetzt sagen –, ist, dass man wieder einmal die Richtlinien nicht im Gesetz hat. Man hat in den § 5 hineingeschrieben, dass die Frau Minister für Umwelt und Energie und der Finanzminister dann im Einvernehmen die Richtlinien erarbeiten wer­den, wer diese 400 Millionen Euro an Steuergeld bekommen soll, wie und wann das ausgeschüttet werden soll. Das gehört aber ins Gesetz, und deswegen werden wir – wir kennen diese Vorgangsweise von der Cofag und von anderen Gesetzen – nicht zustim­men. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringen wir auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Übergewinne in Anti-Teuerungsmaßnahmen und Ausbau von erneuerbaren Energien umleiten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmen­paket zuzuleiten, welches die Übergewinne von Energiekonzernen in Österreich ab­schöpft. Die Steuereinnahmen sind hierbei für die Finanzierung von Anti-Teuerungs­maß­nahmen sowie zum Ausbau von erneuerbaren Energien zweckzuwidmen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.02

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 66

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Dr. Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen

betreffend: Übergewinne in Anti-Teuerungsmaßnahmen und Ausbau von erneuerbaren Energien umleiten.

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 2600/A der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschafts­gesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1501 d.B.)

Durch das Marktdesign des Strommarktes führen die extrem hohen Großhandelspreise bei einer Reihe von Energieerzeugern zu starken Übergewinnen. So geht beispielsweise die Verbund AG davon aus, dass sich der Gewinn im heurigen Jahr auf bis zu 2 Mrd. Euro verdoppeln wird. Im Wesentlichen passiert das deshalb, weil an den Strombörsen das jeweils teuerste noch für die Versorgung benötigte Kraftwerk den Preis auch für alle anderen Kraftwerke setzt, egal was deren Erzeugungskosten sind. Derzeit setzen Gaskraftwerke, die auf Grund des hohen Gaspreises sehr teuer produzieren, den Preis. Bei z.B. Windkraftanlagen oder Wasserkraftwerken haben sich aber die Erzeugungs­kosten de facto nicht verändert, dennoch bekommen sie den sehr hohen Börsepreis für den produzierten Strom.

Wer sind die Kriegsgewinnler?

In Österreich ist die Verbund AG einer der Hauptprofiteure, aber auch die Ener­gie­versorger mit hohem Wasserkraftanteil wie z.B. in Vorarlberg sind auf Grund ihrer Erzeugungsstruktur wohl Nutznießer dieser Entwicklung. Neben den Energieversorgern in öffentlicher Hand profitieren auch die privaten und bisher mit öffentlichen Mitteln geförderten (Ökostrom-)Erzeuger wie z.B. die Ökostrom AG, die WEB Windenergie AG, etc. So hat z.B. die Windkraft Simonsfeld AG ihren Gewinn nach Steuern im vergan­genen Jahr verdoppelt1.

Der Verbund wird heuer durchschnittlich 120 Euro/Megawattstunde (MWh) erlösen, statt „nur“ 55 Euro/MWh wie im Jahr 2021. Der aktuelle Preis an den Börsen liegt bei 210 Euro/MWh. Marktdesign und Unternehmensrecht führen zu der kuriosen Situation, dass aber selbst der Verbund seine EndkundInnenpreise stark erhöht (bei stabilen Erzeu­gungskosten), weil er den Strom nicht unter Marktwert abgeben darf.

Aber nicht nur im Strombereich sprudeln die Gewinne, auch die OMV vermeldet für das 1. Quartal 2022 eine Vervierfachung des Gewinns (vor Sondereffekten) auf 2,6 Mrd. Euro. Gegenüber dem Jahr 2021 konnte der realisierte Gaspreis von 16,5 Euro/MWh auf 45 Euro/MWh gesteigert werden, während die Erzeugungskosten nur gering (8%) gestiegen sind. Die Gewinnmargen der großen Mineralölkonzerne wie Shell haben sich seit Beginn der Ukraine-Krise verdoppelt – den Preis dafür zahlen die KonsumentInnen an den Zapfsäulen.

Vorschlag der EU-Kommission

Die EU-Kommission geht – basierend auf Zahlen der Internationalen Energieagentur – davon aus, dass die Übergewinne in der EU im Energiesektor rund 200 Mrd. Euro (!) ausmachen. Die EU-Kommission schlägt daher in ihrer jüngsten Mitteilung „REPowerEU“2 vor, diese Übergewinne zu besteuern und die Einnahmen für die Bekämpfung der Teuerung und der Energiearmut zu verwenden. Ein konkretes System wird nicht vor­geschlagen, sondern lediglich Eckpunkte festgelegt (Befristung, Art des Nachweises der


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Übergewinne, kein negativer Einfluss auf den Emissionshandel, etc.). Auf Österreich umgelegt, würde eine solche Steuer rund 4 Mrd. Euro ins Budget spülen.

Was machen andere Länder?

•             Italien setzt eine Übergewinnsteuer in der Höhe von 25 % um und besteuert dabei nicht nur die Energieversorger, die Strom und Gas liefern, sondern eben auch die Mineralölkonzerne.

•             Großbritannien besteuert Übergewinne ebenfalls mit 25 %, allerdings nur für Öl- und Gasunternehmen und nicht für Strom. Ein Teil der abgeführten Übergewinne ist wiederum steuerlich absetzbar, um Investitionen in die Energiewende zu stützen.

•             In Griechenland wird eine Übergewinnsteuer in der Höhe von 90 % eingeführt.

•             In Deutschland fordern sowohl die Grünen als auch die CDU/CSU eine Übergewinnsteuer für jene Unternehmen, die von der aktuellen Krise profitieren.

•             Andere Länder (u.a. Frankreich, Spanien, Portugal) greifen bereits in die Preis­bildung oder EndkundInnenpreise ein, damit Übergewinne erst gar nicht entstehen.

•             Das Burgenland erhöht künftig die Abgaben ab Wind- und Photovoltaikanlagen (auch im Bestand) und speist damit einen Sozial- und Klimafonds.3

Zumindest bis die strukturellen bzw. krisenbedingten Probleme des Energiemarktes gelöst werden, sollen die Übergewinne abgeschöpft werden. Der „normale“ Gewinn wird dabei weiterhin mit 25% besteuert. Zum Vergleich: In den USA wurden während des Zweiten Weltkriegs ebenso Übergewinnsteuern eingeführt. Der Steuersatz dafür betrug bis zu 90%.

Dabei ist auch zu bedenken, dass teilweise die gleichen Unternehmen, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg mit Steuermittel subventioniert wurden, nun diejenigen sind, die auf Kosten derselben SteuerzahlerInnen heute Rekordgewinne schreiben. Dieser Vorgang treibt die Privatisierung von Gewinnen und die Sozialisierung von Verlusten in – selbst für marktwirtschaftliche Verhältnisse – bisher komplett unbekannte Höhen.

Diese Übergewinne zu besteuern und den Menschen zurückzugeben, ist nicht nur eine Frage der ökonomischen Zweckmäßigkeit. Es ist vielmehr noch eine Frage der politi­schen Moral und des viel zitierten „Anstands“.

Das Volumen von rund 4 Mrd. Euro soll zur Hälfte in Anti-Teuerungsmaßnahmen im Energiebereich fließen – etwa in die befristete Aussetzung der Umsatzsteuer auf Energie. Die andere Hälfte sollen jene Unternehmen über eine Investitionsprämie in Höhe von 30 Prozent zurückerhalten, die in den Ausbau von erneuerbaren Energien investieren. Dadurch erfolgt auch eine Umverteilung von jenen Unternehmen, die wenig zur Energiewende beitragen (zum Beispiel Shell) hin zu Unternehmen, die in erneuerbare Energien investieren – wie etwa teilstaatliche Energieversorger.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein Maßnahmen­paket zuzuleiten, welches die Übergewinne von Energiekonzernen in Österreich ab­schöpft. Die Steuereinnahmen sind hierbei für die Finanzierung von Anti-Teuerungs­maßnahmen sowie zum Ausbau von erneuerbaren Energien zweckzuwidmen“.

1 https://www.wksimonsfeld.at/investieren/geschaeftsbericht-2021/kennzahlen-2021/


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 68

2 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1511

3 https://www.burgenland.at/service/medienservice/aktuelle-meldungen/detail/neuer-sozial-und-klimafonds-land-will-sozial-schwache-von-teuerung-entlasten/

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Das ist aber nicht der Hörl! Wo ist der Hörl? Ich verstehe das nicht!)


11.02.35

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste hier und im virtuellen Raum! Use it or lose it ist ein Prinzip, das in den letzten Wochen geprägt wurde und das dem Gaswirtschafts­gesetz zugrunde liegt. Ausgangspunkt ist aber – das darf man nie vergessen – der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Dieser Angriffskrieg zeigt die Unzulänglichkeiten und die Zustände der heimischen Energiewirtschaft.

Gleichzeitig muss man aber anmerken, dass wir uns – das sage ich in vollem Be­wusstsein – mit dem damals noch günstigen russischen Gas sehr gut entwickelt haben, dass sich die österreichische Industrie und das Gewerbe gut entwickelt haben und dass der Standort damit auch entwickelt wurde. Das darf man nicht vergessen. Das hängt nicht mit irgendwelchen Politikern, sondern mit der gesamtwirtschaftlichen Situation zusammen.

Nun aber haben wir das Gaswirtschaftsgesetz vor uns, und dieses Gesetz ist eine – ich würde einmal sagen – intensivmedizinische Maßnahme. Diese Novelle ist eine Not­maßnahme und eine energietechnische Notwehr zur Sicherung der heimischen Bedürf­nisse, der Bedürfnisse der privaten Haushalte, der Bedürfnisse von Gewerbe und Industrie, des Standorts Österreich, denn – auch das sage ich in vollem Bewusstsein – ohne Gas wird es finster. Ohne Gas wird es in Österreich momentan sehr finster. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine zukunftsfähige Lösung als Nachfolge­lösung für das Gas. Dazu gehört auch, dass sämtliche Speicheranlagen auf österreichi­schem Hoheitsgebiet an das Gasnetz angeschlossen werden müssen. Use it or lose it richtet sich an diese Speicherbetreiber. Die Novelle erzwingt, dass die ungenutzten Speicherkapazitäten eben einer Nutzung zugeführt werden. Ich verwende jetzt aber einen weiteren Begriff und der heißt für mich: Make it or lose – machen wir es jetzt oder wir verlieren. Diese Aufforderung richtet sich nicht nur an die Speichernutzer, sondern diese Aufforderung richtet sich an uns alle, an den Gesetzgeber, an das Gewerbe, an die Industrie, an die Bevölkerung, an alle, denn wir brauchen heute und nicht morgen jede Erschließung von Alternativen, um die Klimawende zu schaffen und um aus dem russischen Gas auszusteigen. Dazu gehören Wind, Wasser, Biomasse, Fotovoltaik und, Frau Ministerin, der Ausbau der heimischen Stromnetze.

Die heimischen Netzbetreiber brauchen in jedem Fall geeignete Rahmenbedingungen, damit wir die Netze für die Zukunft ausbauen können, denn ohne Netze keine Foto­voltaik, ohne Fotovoltaik keine echte Stromalternative, ohne Netz und ohne Fotovoltaik kein Erreichen der Klimaziele. Das muss ganz klar gesagt werden: Wir brauchen da Rahmenbedingungen für die österreichischen Netzbetreiber. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)


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Meine Damen und Herren! Das Gaswirtschaftsgesetz und das Gasdiversifizierungs­gesetz sind wichtig, ohne Frage, aber die Zukunft von Österreich, die Zukunft der österreichischen Energiewirtschaft liegt in den Netzen, und die müssen ausgebaut werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

11.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


11.06.19

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Herr Kollege Hammer schmunzelt schon (Heiterkeit des Abg. Lukas Hammer), wenn ich ans Rednerpult komme. Ja, ohne Gas wird es finster, aber auch kalt in Österreich. Ich glaube, das ist die wesentliche Botschaft, die wir verkünden müssen. Diese Maßnahmen, dieses Sanktionsauswirkungsgesetz, das jetzt hier vorliegt, das Sie vorbereitet haben, auch in Bezug auf Haidach, zielt darauf ab, dass Gasspeicher in Österreich angeschlossen werden müssen und die Versorgungssicherheit für Österreich gegeben sein muss. Das unterstützen wir natürlich. Es ist ein wesentlicher Punkt, dass wir den Österreichern auch die Sicherheit geben und dementsprechend Versorgungssicherheit bieten.

Frau Bundesminister und auch der eine oder andere von den Grünen, von Ihrer Fraktion! Die Fantasien, die von sich gegeben werden: Es fehlt ja im Endeffekt das Leadership, es fehlt das Programm, und nicht nur das Programm, sondern die Führungsqualität in diesem Bereich. Das sagen ja viele. Die ÖVP schaut natürlich sehr tief in ihre Reihen nach unten, wenn es darum geht; Sie schickt dann immer die Wirtschaftskammer aus, wenn es in Ihre Richtung geht: Herrn Kollegen Mahrer von der WKO, der Ihnen dann alle Möglichkeiten ausrichtet und was Ihnen nicht alles fehlt; aber auch Herr Felbermayr hat es Ihnen erklärt: Wo sind die Energiepläne? Wo sind die Energiepläne in Österreich für die nächsten Jahre und Jahrzehnte? – Das fehlt komplett.

Um noch einmal auf die grünen Fantasien zurückzukommen: Kollege Litschauer, Sie stehen hier vorne und glauben, die große neue Welt zu erfinden, aber Kollege Schroll hat es Ihnen auch erklärt: Sie haben in den letzten 530 Tagen bis jetzt nichts zusam­mengebracht, das muss man auf den Punkt bringen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Schroll. – Abg. Litschauer: Ihr habt es gar nicht versucht!)

Sie haben in den letzten 530 Tagen nichts zustande gebracht. So ehrlich muss man sein. Darüber können Sie jetzt auch lachen, aber das sind die wesentlichen Faktoren. Wenn Sie den Gasvertrag bis 2040 erwähnen, der mit Putin oder der Gazprom abgeschlossen wurde: Was ist die Alternative? Wie kommen wir heraus? (Abg. Litschauer: Paris war euch wurscht, nicht!) Wie kommen wir heraus? – 96 Prozent des Vertrages müssen eingehalten werden, das heißt, wir müssen es doppelt zahlen. Wie kommt man aus bestehenden Verträgen heraus? Jetzt geht man im Zusammenhang mit Haidach her und sagt: Okay, jetzt greifen wir in die Eigentumsrechte ein – warum auch immer die zu­stande gekommen sind. (Abg. Litschauer: Warum habt ihr denn beim Abschluss zugeschaut? Hättet ihr es verhindert!) – „Zugeschaut“ – ja genau, das waren aber andere Fraktionen in dem Bereich, wie auch immer. (Abg. Litschauer: 2018?)

Das Entscheidende: Es gibt in Österreich ja noch einen wesentlichen Punkt, auf den man jetzt genau eingehen muss, und das ist die OMV. In der OMV ist im April, also in den letzten Tagen, ein technischer Defekt in der Revision passiert. Jetzt geht es natürlich an die Staatsreserven.

Frau Bundesminister, ich erwarte mir von Ihnen heute noch eine Antwort hier im Plenum in Bezug auf die Staatsreserven: Wie lange haben wir diese noch betreffend die Ener­gieversorgung, das heißt Treibstoff, Diesel und Benzin? Ein wesentlicher Punkt: Wer hat


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Zugang zu den Staatsreserven? Haben auch die anderen, die Privattankstellenbesitzer oder Privattankstellenbetreiber, einen Zugang zu diesen Staatsreserven? Ist es aus­schließlich nur die OMV? Wie lange dauert es, bis die OMV raffinieren kann? Wie lange reichen die Kapazitäten diesbezüglich?

Wesentlich werden für uns in Österreich natürlich die nächsten Tage, und das ist ja im Endeffekt Zündstoff für die Preistreiberei an den Tankstellen! Wenn es so weitergeht, werden wir bei Benzin und Diesel bald das teuerste Land in ganz Europa sein, wenn die Tankstellen nicht entsprechende Versorgungssicherheit im Energiebereich, also im Treibstoffbereich bekommen. Dazu konkret noch einmal die Fragen, Frau Bundes­minister: Haben die Privaten verhältnismäßig den gleichen Zugang wie die OMV? Gibt es auch Bestrebungen, Tankstellen in Österreich zu schließen? Es gab einmal einen kurzen Bericht, dass die OMV auch in Ungarn die Tankstellen schließen möchte. Ist ein solches Szenario auch in Österreich geplant? Was ist der konkrete Anlassfall? (Beifall bei der FPÖ.)

11.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Herr Landeshauptmann!)


11.10.59

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Energie ist das Fundament unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens, egal in welcher Form. Wer den Klimaschutz für den Planeten ernst nimmt, muss vor allem schauen, dass wir aus dem Karbonzeitalter aussteigen. Darüber, glaube ich, sind wir uns hier einig. Wir sind zwar in Europa führend, was erneuerbare Energien, vor allem Wasserkraft, betrifft, aber wir haben immer noch einen großen Anteil an fossilen Brennstoffen, auf die wir angewiesen sind, und wir haben in den letzten Jahrzehnten natürlich auf das russische Gas zurückgegriffen, weil es aufgrund der Kosten Wohlstand und Konkurrenzvorteile im internationalen Wettbewerb gegeben hat. Kollege Litschauer, was wäre denn die Alternative dazu gewesen? Kohle oder Atomkraft, oder was wäre die Alternative ge­wesen? (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: ... Wind?!)

Dieser furchtbare Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt aber, wie verletzlich unsere Ener­gieversorgung ist, und wir müssen jetzt natürlich schauen, dass wir so schnell wie möglich diesen Ausstieg aus dem russischen Gas oder zumindest eine Reduktion erreichen. Viele Betriebe sind nach wie vor auf Gas ausgerichtet: die Papierindustrie, die chemische Industrie, die Voest kann ihre Brennöfen nicht mit Pellets betreiben, und 910 000 Haushalte hängen auch am Gasnetz.

Neben Energieeffizienz setzen wir künftig auf Diversifizierung. Sparen ist immer gut, aber wir müssen natürlich auch schauen, dass wir unser Risiko streuen, natürlich auch beim Gas. Woher allerdings die fehlende Gasmenge kommen wird, das wird noch eine spannende Frage, Frau Bundesminister. (Zwischenruf des Abg. Schroll.) Ich bin deshalb dankbar für dieses Gesetz, und wir unterstützen nun vor allem jene Unter­nehmer, die ihre Anlagen ab sofort auf alternative Energieträger umrüsten. Bis 2025 werden 100 Millionen Euro jährlich für entstehende Mehrkosten bereitgestellt: Kosten, die etwa für Leitungsrechte beim Transport von Erdgas nicht russischer Herkunft nach Österreich entstehen und so weiter. Diese für die umstellenden Unternehmen wichtige Unterstützung wird von der Austria Wirtschaftsservice GmbH abgewickelt.

Für Tirol stellt Wasserkraft das Rückgrat der Stromerzeugung dar. Als Tiroler Abge­ordneter bin ich stolz, dass wir 100 Prozent des benötigten Stroms in Tirol selber erzeu­gen. 6 400 Gigawattstunden wurden 2019 an Energie benötigt, und 6 800 Gigawattstunden


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wurden erzeugt. Mehr Strom durch Wasser wäre möglich, Frau Bundesminister, wenn wir die Bewilligungsverfahren straffen würden, verkürzen könnten. Ich gebe Kollegen Stark recht: Als Bürgermeister von Gerlos habe ich den Umbau der 380-kV-Leitung ohne große Schwierigkeiten über die Bühne gebracht, und ich denke, dass der Ausbau des Stromnetzes auch ganz wichtig ist. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Wenn Sie, Frau Bundesminister, uns im Westen dann flapsig mit dem Zitat rügen: Skilifte und Berggipfel sind wichtiger als Windräder!, tut mir das in der Seele weh (Heiterkeit bei der SPÖ), dann muss ich Sie informieren, dass das letzte große Windkraftprojekt am Sattelberg am Brenner vom Alpenverein und vom Umweltschutz umgebracht wurde, obwohl es dort Militärstraßen gibt, auf denen man dieses Projekt entwickeln konnte (Abg. Lukas Hammer: Der Alpenverein ist wirklich kein ...!), was es ja bei Windrädern am Berg nicht oft gibt, denn man muss ja auch Straßen und die vorgelagerte Infrastruktur bauen. (Zwischenruf des Abg. Litschauer.) Auch Ihr Vorhaben, bei der UVP für Windräder die Widmung zu streichen, ist löblich. Das unterstütze ich. Das ist in Tirol aber bereits Realität. Wir in Tirol sind erstens stolz auf unsere Seilbahnen, klar (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen), und zweitens einen Schritt weiter als Ihre UVP-Entwürfe, die ich aus anderen Gründen in der derzeitigen Form sowieso nicht mittragen werde.

Es fehlt also in Tirol nicht an den Möglichkeiten, sondern an den Investoren, die unsere Wetter- und Windsituation für Windräder als wenig oder nicht lukrativ und gewinn­bringend sehen. Außerdem, Frau Bundesminister, wäre ich gespannt, was passiert, wenn auf dem Kahlenberg, hoch über Wien, ein Windrad aufgestellt würde. (Abg. Matznetter: Wien hat Windräder!) Ich rede nicht von Global 2000, aber ich könnte mir vorstellen, dass es viele NGOs geben würde, die etwas dagegen hätten.

Tirol hat also ein Wärmeproblem, kein Stromproblem. Unsere Tiroler Wärme wird groß­teils über den Gasspeicher Haidach versorgt. Jetzt wird es ernst: Diesen unter unsere Kontrolle zu bringen ist richtig – danke dafür! – und ihn auch an das österreichische Netz anzuschließen ist höchst überfällig. Da haben wir aber nach wie vor das Risiko, auch wenn er dann endlich gefüllt ist, dass die Versorgung für die Tiroler Haushalte über bayerisches Gebiet erfolgt. Wenn Sie Energiebewirtschaftung andenken, hoffe ich, dass es Ihnen gelingt, dass die Tiroler Haushalte, auch wenn die bayerische Industrie davon ausgeschlossen wird, nach wie vor versorgt werden. Die dringend notwendige inner­österreichische Gasleitung zwischen Hochfilzen und Saalfelden soll auf der Salzburger Seite erst im Herbst nächsten Jahres bewilligt und gar erst bis 2025 gebaut werden (Zwischenruf des Abg. Schroll – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Wie ist das mit ...?) – keine guten Aussichten für Tirol. Frau Bundesminister, wenn Sie uns helfen, dass es da schneller geht, wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Wasserstoff kann im Übrigen eines der drei großen Probleme der Elektrizität – nämlich Erzeugung, Leitung und Speicherung – lösen. Neben Pumpspeichern und Batterien gibt es eben eine dritte Lösung. Sie wissen, Frau Bundesminister, wir kämpfen im Zillertal seit 2016 für eine CO2-freie Verkehrsregion. Eine Lösung: Zumindest der öffentliche Verkehr im größten Tourismustal der Alpen soll rund um die Wasserstoffbahn mit grünem Wasserstoff aus den Verbund-Staukraftwerken des Zillertals betrieben werden. Wir wollen also dort den Verkehr mit dem Backbone der Zillertalbahn auf CO2-frei umstellen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das Tal hat 8 Millionen Gäste und ist bereit, dieses Projekt mit einer Mobilitätsabgabe von 1,25 Euro zu unterstützen und so jährlich 8 Millionen Euro beizusteuern. Aber Frau Bundesminister, seit Ihre Landeshauptmannstellvertreterin Felipe – sie gehört Ihrer Par­tei an – oder besser deren Beamten, Kollege Weratschnig, dies als gesichert ansehen, dass wir 8 Millionen Euro beisteuern, versuchen sie, das Projekt umzubringen, und


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planen, eine Schmalspurbahn mit einer Elektrooberleitung zu betreiben. (Abg. Schroll: Wasserstoff ...!) Damit bleiben Dieselbusse und die Wasserstoffregion verpufft.

Mit manipulierten Zahlen wird herumgerechnet, verzögert und behindert. Innovation contra Angst vor Risiko (Zwischenruf der Abg. Seidl), CO2-freie Entwicklung contra Beharrung auf alter Technik: Fred Feuerstein lässt aus seiner Steinhöhle grüßen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Auch Sie, Frau Bundesminister, haben nach anfänglichem Zögern dieser Wasser­stoff­bahn zugestimmt. Danke sehr dafür! Sie finanzieren diese Wasserstoffbahn aber über die Verkehrsdiensteverträge nur wie übliche Privatbahnen. Das bedeutet, dass das Risiko dieser innovativen CO2-freien Entwicklung in unserer Region beim Land oder beim Tal bleibt. Ist das gerecht, Frau Bundesminister? – Ich glaube nicht.

Es waren immer die Umweltminister der Republik, die von Kyoto bis Glasgow – mit Zug oder ohne Zug, Entschuldigung – die Klimaverträge und Ziele unterschrieben haben. Glauben Sie nicht, dass es Ihre Verantwortung und fair wäre, erstens einen Teil des Innovationsrisikos zu übernehmen, und zweitens Ihrer Kollegin in Tirol zur Seite zu stehen und sie auf den rechten Weg der Energiewende zurückzubringen, nämlich zum Ausstieg aus dem Karbonzeitalter und zum Klimaschutz zu bewegen? Auf welcher Seite stehen Sie, Frau Bundesminister (Zwischenruf des Abg. Schroll): auf meiner, auf der Seite der Innovation (Heiterkeit des Abg. Lukas Hammer), des CO2-freien Verkehrs, des technischen Fortschritts und des Klimaschutzes oder grüßt bei Felipes Beamten in Tirol Fred Feuerstein aus der Steinhöhle? – Frau Bundesminister, ich zähle auf Ihre Hilfe, als Bekenntnis zum Ausstieg aus dem Karbonzeitalter. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Robert Laimer. (Abg. Leichtfried: So spricht ein zukünftiger Landeshauptmann!)


11.18.41

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Zu den Ausführungen von Kollegen Litschauer, dass die Fernwärme Sankt Pölten 0 Prozent erneuerbare Energie enthält, berichtige ich tatsächlich: Durch den Anschluss an Dürnrohr hat die Fernwärme Sankt Pölten einen rechnerischen Anteil von 33 Prozent erneuerbarer Energie im Wärmeangebot, und zwar durch biogenen Anteil im Müll durch Verbrennung. (Abg. Tanja Graf: Fernwärme ist erneuerbar?! Echt jetzt? Das ist eine Müllverbrennungsanlage!) 2023 wird der Gasanteil auf 20 Prozent gesenkt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.19


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Gerald Loacker zu Wort. – Bitte.


11.19.21

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mich wundert bei Kollegen Hörl ein bisschen, dass ihm die Kontakte zu Investoren in Windräder fehlen, und ich glaube auch, so wie der Föhn vom Süden her durch das Wipptal hinunterpfeift, wäre da genug Wind, dass man diese Windräder auch nicht an den Berggipfeln montieren müsste (Abg. Höfinger: Das ist nicht ein ...! Das ist ein Gefühl!), und dort, wo man die Gipfel wegsprengt, um Skigebiete zu verbinden, könnte man bei der Gelegenheit, wenn man schon oben ist, ein paar Windräder an­bringen, aber das ist eine andere Frage. (Beifall bei den NEOS.)


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Meine Kollegin Karin Doppelbauer hat schon auf zehn Jahre Politik des Versagens und auf die Abhängigkeit von Russland aufmerksam gemacht, in die Österreich von ganz vielen Akteuren manövriert worden ist. Jetzt sind wir in Europa auch ein Stück weit isoliert, weil man natürlich bei der Politik dieser Regierung und der Vorgängerregierung auch herablassend von Staaten gesprochen hat, die in ihren Systemen kaputt sind. Da kann man jetzt natürlich nicht auf die Solidarität dieser Staaten in Südeuropa hoffen.

Das hat man im Wesentlichen der ÖVP und Herrn Kurz zuzuschreiben, aber wenn sich Kollege Litschauer abputzt und so tut, als ob die Grünen mit all dem nichts zu tun hätten, dann muss man sich nur zurückerinnern: Im Jahr 2018 haben wir 50 Jahre Gaslieferverträge mit Russland gefeiert. Das hat nicht nur Sebastian Kurz damals in höchsten Tönen gelobt, sondern Alexander Van der Bellen hat gesagt, es ist besser von russischem Gas abhängig zu sein als vom amerikanischen LNG. – Aha! (Beifall bei den NEOS.)

Es ist dieser latente Antiamerikanismus, der bei den Grünen immer mitschwingt. Der ist halt auch nicht hilfreich in der Politik. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Litschauer: Ich glaube, die Begründung war eine andere!)

Es ist von meiner Kollegin Doppelbauer auch darauf hingewiesen worden: Wir müssen die Gasversorgung diversifizieren. Es wird neue Verträge brauchen, aber da hilft es natürlich nichts, wenn Regierungsmitglieder eine Vergnügungsreise in die Vereinigten Arabischen Emirate machen, wobei Sie sogar in einer Anfragebeantwortung bestätigt haben, dass diese Reise in die Emirate nichts mit Gaslieferungen zu tun hatte.

Dann muss man sich anschauen, wie es die Deutschen machen. Es ist ja auch Ihr grüner Kollege Habeck, von dem Sie sich einige Scheiben, wenn nicht ein ganzes Stück abschneiden könnten, der nach Katar gereist ist – nicht in die Emirate, sondern in ein Gasland, nach Katar – und dorthin Unternehmer mitgenommen hat, eine Energie­part­nerschaft vereinbart hat, und die Unternehmer, die mitgereist sind, vereinbaren jetzt Gaslieferverträge mit Katar. Habeck hat etwas gemacht, nicht nur schöne Reden gehalten und nur nett gelächelt. Das genügt nämlich nicht.

Und dieses Zögern, dieses Nichthandeln, dieses: Ja, da müssen die Unternehmen halt schauen, wo sie ihr Gas herbekommen!, schürt Unsicherheit, Unsicherheit in der Wirtschaft und Unsicherheit in der Bevölkerung. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Sie bieten nichts an, kein Handeln und auch keine Szenarien. Was wird in Ihrem Ministerium erarbeitet? Arbeiten Sie mit Szenarien? Szenario eins: Russland dreht das Gas ab; Szenario zwei: Die EU beschließt ein Gasembargo; Szenario drei: Wir bekommen zwar Gas, aber nicht genug, und es entsteht eine Knappheit. Haben Sie Szenarien ausge­arbeitet und Schritte daran geknüpft, die dann zu setzen sind? – Wenn Sie es gemacht haben, haben Sie es gut geheim gehalten. Es sind sehr schöne, sehr nette Reden, die Sie halten, aber es fehlt das Handeln. Wir haben seit dem 24. Februar die Abhängigkeit vom russischen Gas nicht reduziert. (Beifall bei den NEOS.)

Die Deutschen haben das geschafft, von 50 Prozent Abhängigkeit auf 35, und wir waren bei 80 Prozent und stehen bei 80. Das ist eine sehr schlechte Bilanz für die letzten Monate Ihrer Arbeit. (Beifall bei den NEOS.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Höfinger. – Bitte. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff – in Richtung Abg. Hörl –: Franz, wie ist das mit den Investoren?)


11.23.46

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und


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Herren! Liebe Freunde! Zwei große Komplexe sind es, die wir jetzt am Vormittag zu diesem Thema diskutieren. Das eine ist, die Abhängigkeit zu verringern, was die Gas­versorgung betrifft, aber auch die Speicher anzufüllen, um die Versorgung in den nächs­ten Monaten zu garantieren, und das andere ist der Umbau der Energieversorgung für unser Land.

Ich habe mir diese Diskussion über weite Strecken angehört, sie war zwar phasenweise sehr amüsant, aber die Beiträge, die von manchen meiner Vorredner geliefert wurden, waren alles andere als konstruktiv. Bei manchen habe ich das Gefühl, sie haben wirklich vergessen, was sie in den letzten Jahren oder Monaten – oder auch als sie noch Minis­terposten hatten – gefordert haben. Ich denke an die SPÖ, die entweder ganz ver­gesslich ist oder es nie gewusst hat. Ich kann mich erinnern: 2015 haben wir in Paris den Klimavertrag unterschrieben, Österreich ist dazu gestanden, und da draußen am Heldenplatz sind die Vertreter der österreichischen Biogasanlagen gestanden und haben darum gebeten, auch weiterhin garantierte Einspeisetarife zu bekommen. Es war der damals überheblich wirkende Bundeskanzler Kern, der gesagt hat: Liebe Freunde! Ja, ihr bräuchtet mehr Geld, damit wir das finanzieren können, das bekommt ihr von mir aber nicht!

Jedes Mal, wenn es darum gegangen ist, die Energieversorgung umzubauen, war die Arbeiterkammer die Erste, die gesagt hat, das können wir nicht tun. Tut also bitte nicht so, als wäret ihr damals nicht offensiv dagegen aufgetreten! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Das Zweite ist: Bei den freiheitlichen Vertretern, die heute hier gesprochen haben, war zwar viel – verzeihen Sie den Ausdruck! – Mimimi, aber kein einziger konstruktiver Lösungsansatz dabei. Es bringt uns auch nichts, wenn bundesländerübergreifend einer dem anderen ausrichtet, was er denn schon alles macht und dass er sich nicht mehr bewegen muss. So funktioniert es auch nicht, liebe Freunde.

Wir sind jetzt in der Situation, dass wir unsere Kapazitäten, die wir aufbringen können – und ich rede jetzt von einem Versorgungsmix –, entsprechend ausnützen müssen. (Abg. Rauch: Das ist eine falsche ... Herr Kollege! Das ist Ihr Problem! Sie verstehen es einfach nicht!) Und wenn sich jetzt Wien, Kärnten und Burgenland und Sankt Pölten gegenseitig ausrichten, was der andere nicht macht, dann, denke ich, sollten wir einfach die Situation erfassen und schauen: Was habe ich denn noch an Möglichkeiten? – Nur dann kommen wir mit diesem Thema wirklich voran, und das brauchen wir, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Rauch.)

Nicht nur schicken wir zum einen in den letzten Jahren schon weit über 11 Milliarden Euro ins Ausland, wenn es um die Energieversorgung geht, und dieser Betrag steigt laufend, wir könnten zum anderen dieses Geld auch wirklich in unserer Kreislauf­wirt­schaft behalten. (Abg. Schroll: Wer hat das unterschrieben?!) Wir könnten damit Arbeitsplätze sichern, die Wertschöpfung im Land lassen und wir könnten die Energieversorgung – weg von Karbon – umbauen. Wir könnten sie umweltfreundlich gestalten. Dabei nützt es uns eben nichts, wenn einer dem anderen etwas ausrichtet oder mit dem Finger auf ihn zeigt, sondern es ist jetzt an der Zeit, diese Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde! Wir sind ein Land, wir haben viele verschiedene Möglichkeiten, Energien zu nutzen, und wir brauchen diesen Mix, damit wir einen wesentlichen Anteil dieser Gasnotwendigkeiten abbauen können. Und der Mix, den wir haben, sollte wirklich optimiert werden. Es nutzt ja nichts, wenn ein Wiener sagt: Stellt ein Radl in Tirol auf dem Berg auf!, und der andere sagt: Macht in Wien mehr Fotovoltaik oder sonstige Flächen!, sondern jeder muss wirklich für sich erkennen, dass nicht überall jede Energieform geeignet ist. Dort, wo es in die Landschaft passt, dort, wo


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sie die besten Voraussetzungen hat, dort soll sie auch errichtet und gefördert werden. Das wäre mein Wunsch, nämlich mehr Ernst und mehr Sachlichkeit in die Debatte zu bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.27


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte.


11.27.57

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ganz kurz zu den Aus­führungen des Kollegen Hammer zurückkommen. Du hast offenbar ein Problem mit der Realität, aber wir helfen dir gerne auf die Sprünge – Rudi Silvan hat es schon skizziert. Weil du das Burgenland angesprochen hast (Abg. Lukas Hammer: Das habe ich nicht angesprochen!) – die SPÖ-Bundesländer hast du angesprochen, da zähle ich auch das Burgenland dazu (Abg. Lukas Hammer: Kärnten habe ich angesprochen!) –: Das Burgenland produziert bereits seit knapp zehn Jahren mehr Strom, als es selbst verbrauchen kann. (Abg. Litschauer: Deswegen hat er auch Kärnten angesprochen! Zuhören!) Und heute stehen wir bei 150 Prozent des eigenen Strombedarfs, die wir aus erneuerbaren Energiequellen decken. So schaut es nämlich aus! (Beifall bei der SPÖ.) So viel zur Energiewende und zur SPÖ. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) – Also bitte, lieber Kollege Zarits, du kannst auch zuhören. Das ist nämlich ein SPÖ-geführtes Bundesland: Da siehst du, was da drinnen ist. Kehrt bitte vor eurer eigenen Haustüre und spart euch hier die moralischen Oberweisheiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin! Es will Ihnen, glaube ich, keiner absprechen, das Richtige tun zu wollen – das sicher nicht. Natürlich wollen wir alle, dass die Abhängigkeit vom russischen Gas sinkt, dass es eine Diversifizierung beim Erdgasbezug gibt. Sie tun aber wieder einmal das Falsche, denn Sie schmeißen das Geld in einer Nacht-und-Nebel-Aktion unkontrolliert aus dem Fenster raus. Immerhin geht es da, zusätzlich zu den bereits budgetierten 5 Milliarden für die Gasversorgung, um 400 Millionen Euro, die ohne konkrete gesetzliche Vorgaben an Unternehmen ausgeschüttet werden sollen. Es bleibt unklar, was denn nun wirklich genau gefördert werden soll, welche Kosten und Mehr­kosten, weil Sie wesentliche Fragen in die Förderrichtlinien auslagern.

Es bleibt sogar unklar, wo die 400 Millionen Euro herkommen, denn im Bundesfinanz­rahmengesetz sind nur das Gaswirtschafts- und das Energielenkungsgesetz drin, aber nicht das Gasdiversifizierungsgesetz. Wo nehmen Sie dieses Geld also her? Kommt es aus Ihrem Ressort? Geht das jetzt zulasten anderer Energieprojekte? – Auf die Antwort wären wir sehr gespannt.

Frau Ministerin, bitte nicht falsch verstehen! Es ist in Ordnung, wenn für die Unter­nehmen wieder einmal Geld ausgeschüttet wird, sofern da auch etwas Vernünftiges passiert. Ich frage mich aber schon: Was haben am Ende des Tages die Gaskundinnen und Gaskunden davon? Wo ist der Preisdeckel, der schon lange gefordert wird? Was tun Sie als Regierung, um die explodierenden Kosten bei Strom, Gas und Sprit zu reduzieren? (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Sie als Bundesregierung gestern mit großem Tamtam präsentiert haben, ist etwas, was Sie auch schon während der Coronapandemie gemacht haben: Sie degra­dieren die Menschen in Österreich zu Bittstellern und wollen sie mit Trostpflastern und Almosen abspeisen. Sie haben keinen Plan, wie Sie strukturell die Preise für Energie und an den Zapfsäulen senken können oder wie Sie die Übergewinne der großen Konzerne abschöpfen könnten. Das bräuchte es aber endlich, da bräuchte es einen konkreten Plan. (Beifall bei der SPÖ.)


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Die bittere Wahrheit ist, dass sich die Bevölkerung Ihr sogenanntes Antiteuerungspaket wieder einmal selbst bezahlen darf, denn 85 Prozent des Pakets zahlen sich die Steuerzahler aus der eigenen Tasche. Das ist – da muss ich wirklich aufpassen, was ich sage – ein Witz. Versetzen Sie sich doch bitte einfach nur einmal in die Lage der einfachen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht wissen, wie sie sich das Leben noch leisten sollen! Zeigen Sie wenigstens einmal einen Funken Empathie, denn das, was in Österreich aktuell abgeht, hat sich die Bevölkerung sicher nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Julia Herr. – Bitte.


11.32.04

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Wir sprechen heute wieder davon, dass wir unabhängig von fossiler Energie und natürlich allem voran unabhängig von russischem Gas werden müssen, weil es unsicher ist – jetzt, in Kriegszeiten, noch mehr –, weil es klimaschädlich ist, weil es teuer, extrem teuer ist.

Diese aktuelle Teuerung, diese Preisexplosion, spüren wir alle. Ich will mir doch auch noch einmal kurz die Zeit nehmen, zu diesem Paket, das Sie gestern präsentiert haben, um gegen die Teuerung vorzugehen, etwas zu sagen, denn billiger wird aufgrund dieses Pakets nichts. Einen Preisdeckel lehnen Sie ab, so wie viele andere Forderungen von uns, beispielsweise das Einfrieren von Mieten, das jetzt so wichtig wäre. Wir nehmen das alles zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Das ist ja kommunistisch!)

Nur führt das auch dazu, dass sich – wir haben es gerade gehört – die arbeitenden Menschen dieses Paket selber zahlen. Sie nehmen das Geld, von dem der Finanz­minister jetzt aufgrund der Teuerung viel mehr einnimmt, geben es teilweise zurück, und das nicht einmal treffsicher und vor allem auch nicht jetzt, sondern irgendwann im Herbst. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Die Krisengewinner und Krisengewinnerinnen greifen Sie aber nicht an. Die arbeitenden Menschen zahlen es sich selbst, und ich frage Sie ehrlich, Frau Ministerin: Wieso greifen wir die KrisengewinnerInnen – gerade im Bereich der Energie – nicht an? (Beifall bei der SPÖ.) – Selbst die EU-Kommission, die nicht gerade der Hort des Sozialismus ist, empfiehlt das mittlerweile.

Ich erkläre vielleicht auch noch einmal kurz für die Zuschauer und Zuschauerinnen zu Hause, wie das funktioniert: Aufgrund des Marktdesigns des Strommarkts legt nämlich immer das zum jeweiligen Zeitpunkt teuerste Kraftwerk den Preis fest, und das ist – na no na net! – aktuell das Gaskraftwerk. Das heißt, das Gas wird jetzt teurer, das Gaskraftwerk legt den Preis fest, und das gilt aber dann genauso für die Windkraft oder für die Wasserkraft, obwohl die ja gar nicht teurer werden. Dieser Marktmechanismus ist vollkommen untragbar und gehört schleunigst reformiert. Das haben wir jetzt von der sogenannten – unter Anführungszeichen – „Liberalisierung“, von der – unter Anfüh­rungszeichen – „Entfesselung des Marktes“ (Beifall bei der SPÖ): vollkommen absurde Preise, die nichts mit der Realität zu tun haben und durch die jetzt einige fette Gewinne machen. Das ist einfach der Punkt. (Abg. Haubner: Thema verfehlt!)

Nicht alle Energieunternehmen, aber einige, wie zum Beispiel jene, die einen großen Anteil an Wasserkraft haben, cashen jetzt ab. Die verdienen sich, mundartlich ge­sprochen, dumm und deppert. Da müssen wir hinschauen, und das ist schon ein sehr konkreter Vorschlag. Vorhin hat irgendjemand gesagt, wir bringen keine Vorschläge ein. (Beifall bei der SPÖ.) Kollege Rudi Silvan hat einen Antrag eingebracht, dem könnten Sie auch einfach zustimmen.


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Manche Energieunternehmen gehen davon aus, dass sie ihre Gewinne heuer verdop­peln – verdoppeln! (Abg. Zarits: Burgenland!) Allein die OMV hat im ersten Quartal 2022 gesagt, dass die Gewinne vervierfacht werden. Von solchen Gewinnen sprechen wir da, von einer Vervierfachung. Diese Übergewinne gehören jetzt abgeschöpft, das ist klar. (Beifall bei der SPÖ.)

Italien hat es schon gemacht, Großbritannien macht es, Griechenland macht es, und sogar unser eigener Bundeskanzler, Nehammer, hat schon angekündigt, dass man darüber sprechen muss, Übergewinne abzuschöpfen. Man hat dann eh gesehen, wie durchsetzungsfähig er ist – da haben die Wirtschaftskammer und die Industriellen­vereinigung den Herrn Bundeskanzler sehr schnell zurückgepfiffen.

Unser Antrag liegt aber vor. Stimmen Sie diesem einfach zu!

Liebe Frau Ministerin, dieses Geld könnten wir dann eben auch sinnvoll für den Ausstieg aus der fossilen Energie, für die Bekämpfung der Teuerung oder auch der Energiearmut einsetzen. Lassen Sie die arbeitenden Menschen nicht hängen! Sorgen wir für echte Entlastung und für faire Preise! Punkt! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.36.17

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Besucher auf der Galerie und Zuschauer zu Hause! Nach dieser berechtigten und wirklich korrekten Kopfwäsche, die Julia Herr hier gemacht hat (Ruf bei der ÖVP: Sehr korrekt!), möchte ich als letzter Redner zu diesem Punkt versuchen, auch ein bisschen Lob für grüne Politiker ein­zubringen. Keine Angst, die grünen Fundamentalisten Lukas Hammer und Litschauer werden nicht mit diesem Lob belohnt. (Zwischenruf bei den Grünen. – Heiterkeit des Abg. Litschauer.)

Kommen wir aber zur grundsätzlichen Bereitschaft, zu lernen: Jetzt gibt es seit gestern die Revision dieses unsinnigen Systems, dass der Ökobonus nach der Postleitzahl ausgezahlt wird. Wir haben uns über die Narreteien in der Ketzergasse schon unter­halten, ebenso über den Unsinn, dass man im Waldviertel, wo man leicht dem CO2 ent­kommen kann, indem man mit Holz heizt und eine Fahrgemeinschaft bildet, am höchsten gefördert wird und in der Stadt, nur weil die ÖVP die Stadtbewohner nicht mag, am niedrigsten. – Sie haben gelernt, Frau Bundesministerin.

Mein Problem ist nur: Diese Lernkurve ist so flach wie die pannonische Tiefebene, und das ist in Zeiten der Krise ärgerlich, aber manchmal auch gefährlich. Das heutige Thema fällt genau da hinein. Wir sind zu spät dran, Frau Bundesministerin. Wieso liegt diese Frage, wie wir die Speicher füllen, nicht bereits seit April vor? Wieso? Wieso haben wir die Zeit, seit es wärmer ist und man daher einlagern kann, nicht genützt? Warum verlieren wir diese Zeit? Warum dauert alles wochenlang?

Mein zweites Lob gilt einem grünen Regierungspolitiker, nämlich dem deutschen Wirt­schaftsminister Habeck. Der hat nämlich gestern erkannt: Es bleibt gar nichts anderes übrig, als das Kartellgesetz zu ändern und Übergewinne abzuschöpfen. Wo sind Sie, Frau Bundesministerin? – Wir haben einen Antrag hier liegen. Da können Sie von den grünen Kollegen in Deutschland lernen. Stimmen Sie zu, dass wir die Übergewinne abschöpfen, und schon tun wir uns um einiges leichter! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne: Wahrscheinlich ist mit einer Regierung unter roter Führung die Krise besser zu bewältigen als unter unserem zähnefletschenden Karl Nehammer.


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(Abg. Ottenschläger: Das glaube ich nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das verstehe ich, das konzediere ich den grünen Freunden, und ich ignoriere die aufgeregten ÖVP-Abgeordneten. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück zum Thema: Es muss klar sein, wie ernst diese Geschichte mit der Einlagerung ist. Wir werden daher zustimmen, dass es dieses Prinzip gibt und Haidach gefüllt wird. Eines muss uns aber auch klar sein – und da schaue ich unsere Oppositionskolleginnen und -kollegen von den NEOS an –: Das Versagen ist auch ein Versagen völlig libera­lisierter Märkte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Das hat nicht funktioniert, da muss reguliert werden, weil das Leben, die Wirtschaft gefährdet ist. Daher: Ajatollahs und Fundamentalisten aller Art (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), Kollegin Meinl-Reisinger, das geht auf der Ökoseite nicht und das geht auf der neoliberalen Seite auch nicht.

In diesem Sinne: Dazulernen, so wie die Frau Bundesministerin! Eine steilere Lernkurve als die pannonische Tiefebene wünsche ich Leonore Gewessler und auch Kollegin Meinl-Reisinger. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Lukas Hammer ist ein zweites Mal zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.40.05

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Matznetter! Ich gebe den Kolleginnen und Kollegen von den NEOS nicht gerne und nicht oft recht (Abg. Meinl-Reisinger: Kartellrecht! Politische Entscheidung!), aber die Abhängigkeit von russi­schem Erdgas hat uns nicht der Markt eingebrockt (Abg. Meinl-Reisinger: Sondern Politiker von euch!), sondern die Politik, Politikerinnen und Politiker, bei denen welche von euch dabei waren. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Ganz ehrlich, diese Lehrmeisterei von der SPÖ (Abg. Stöger: Hör auf! Hör auf ...!), was die Mieten betrifft: Schaut euch einmal Wien an! Habt ihr da eine Mietpreisbremse eingeführt? – Nein, habt ihr nicht. (Beifall bei Grünen und NEOS. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wenn ich mir anschaue – ganz, ganz ehrlich –: Die Wiener Stadtwerke haben ange­kündigt, sie müssen die Fernwärmepreise um 92 Prozent erhöhen. (Abg. Matznetter: EVN ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist schlimm, aber es war erwartbar, und ich mache darüber überhaupt keine Polemik. (Ruf bei der SPÖ: Ah geh!) Sie müssen es wahrscheinlich tun, weil der Gaspreis so hoch ist, und die Wiener Stadtwerke haben auch sehr klar kommuniziert: Der einzige Ausweg ist raus aus Öl und Gas! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Tun Sie aber bitte nicht so, als ob die hohen Preise irgendetwas mit jetzigen politischen Entscheidungen zu tun hätten – dass wir die Preise politisch runterdrücken können, wie Sie das oft sagen! In Wien können Sie es auch nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Leichtfried: Weil die Länder keine steuerpolitische Kompetenz haben!)

Was mich aber an der Debatte – ich möchte auch etwas Positives sagen – jetzt durch­aus – und das meine ich ernst – freut, ist: Wenn ich zehn, 20 oder 30 Jahre zurückdenke, dann war die Energiewende – dass wir raus aus Öl und Gas gehen, dass wir ins solare Zeitalter einsteigen – ein Traum von einigen wenigen. Da war auch ein FPÖler dabei: der leider viel zu früh verstorbene Hans Kronberger, der das Buch „Blut für Öl“ ge­schrieben hat. Da waren SozialdemokratInnen dabei, zum Beispiel aus Deutschland


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Hermann Scheer. Da waren viele einzelne Personen aus verschiedenen Fraktionen dabei, die diesen Traum gehabt haben, dass wir endlich unabhängig von Öl und Gas werden, dass wir ins solare Zeitalter gehen. Jetzt ist das nicht ein Traum von einigen wenigen, sondern jetzt ist das Staatsräson. Jetzt sind wir uns – vielleicht bis auf die FPÖ – eigentlich ziemlich einig, dass wir diesen Weg gehen müssen und dass wir diesen Weg gehen werden.

Wir haben die gute Nachricht beim Öl gehört: Wir sind beim Erdöl – Russland war unser drittgrößter Erdölimporteur – mittlerweile von russischem Öl unabhängig. Beim Gas haben wir uns eine ganze Latte an Aufgaben auferlegt, einen Plan gemacht, was wir jetzt zu tun haben. Das Dringendste war, die Gasspeicher zu füllen, da sind wir sehr gut unterwegs. Wir füllen mit dem GWG heute auch den zweitgrößten Speicher, die meisten Speicher sind schon mehr als zur Hälfte gefüllt. Mit dem heutigen Gesetz schaffen wir es auch, dass wir unsere Gasversorgung diversifizieren, dass wir aus anderen Ländern Gas beziehen.

Mit dem EWG, das wir diese Woche in Begutachtung geschickt haben, werden wir beim Heizen und beim Warmwasser aus Gas und Öl langfristig aussteigen. Das ist eine wesentliche Maßnahme. Wir haben auch für die Industrie viele Förderungen, damit die Industrie diese Transformation schaffen kann, und wir haben letztes Jahr das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz beschlossen, mit dem wir unser Stromsystem auf 100 Prozent Erneuerbare umstellen.

Es freut mich sehr, dass heute so viel über die Windkraft gesprochen wurde. Heute ist nämlich Tag des Windes, an dem wir die Windkraft und das ganze Potenzial der Wind­energie feiern. Auch in Österreich – vom Burgenland bis nach Vorarlberg – gibt es noch zusätzliches Potenzial, und ich glaube, das ist keine parteipolitische Geschichte, son­dern ich glaube, wir sollten auch unter den neuen Rahmenbedingungen – in dieser Krise, die wir haben – schauen, dass wir die Windenergie, die einfach noch sehr, sehr viel Potenzial hat – in Niederösterreich, in Oberösterreich, aber auch in Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten, wo noch sehr wenige Windräder stehen –, ausbauen. (Zwischen­ruf des Abg. Einwallner.)

Wir brauchen da zuallererst die Flächen, bevor wir noch über irgendwelche Verfahren diskutieren können. Wenn sich eine Landesregierung hinstellt und sagt: Na, bei mir gibt es kein neues Windradl, es gibt keine neuen Windparks, es gibt nur noch Repowering!, dann brauchen wir über keine Verfahren zu diskutieren. Das ist also der erste Punkt: Wir brauchen Flächen.

Die Ministerin hat auch ein Paket vorgestellt, wie wir da weiterkommen, aber ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir da gemeinsam an einem Strang ziehen: die Windenergie ausbauen, die Fotovoltaik ausbauen sowie auch grünen Wasserstoff für die Industrie produzieren. (Abg. Hörl: Wasserkraft!) – Auch die Wasserkraft, Kollege Hörl!

Wir haben da gemeinsam ein umfangreiches Förderpaket beschlossen, und so werden wir das auch schaffen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.45


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Christoph Matznetter zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.45.09

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordneter Lukas Hammer hat in seiner zweiten Rede behauptet, dass es Politikerinnen und Politiker waren beziehungsweise die Politik war, die diese Abhängigkeit durch die Gasverträge hergestellt hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja bitte!)


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Ich berichtige tatsächlich: Bereits der erste Bezugsvertrag mit der damaligen Sowjet­union im September 1968 wurde durch die OMV und nicht durch die Politik abgeschlos­sen. (Abg. Disoski: Geh bitte ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte! – Weitere Zwi­schen­rufe bei Grünen und NEOS.)

Des Weiteren hat derselbe Abgeordnete Lukas Hammer behauptet, es gäbe keine Möglichkeit, die Preise zu regulieren.

Ich berichtige tatsächlich (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer): Seit 1999 haben wir die bundesgesetzliche Möglichkeit, die Preise zu regulieren. (Abg. Gabriela Schwarz: Und warum tun Sie dann nichts? Warum macht es Wien dann nicht?) So viel zum Wahrheitsgehalt, Kollege Hammer! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja peinlich, bitte ...! – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

11.46 11.46.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage, ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang eintreten können. – Mir wird Zustim­mung signalisiert.

Damit kommen wir zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz geändert wird, in 1501 der Beilagen.

Hiezu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher sogleich über den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte gesamtändernde Abänderungs­antrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1501 der Beilagen in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Graf, Hammer, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch da um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung wiederum mit der verfassungsmäßig erforderlichen Zweidrittelmehrheit be­schlos­sen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausstieg aus russischem Gas end­lich umsetzen!“

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Übergewinne in Anti-Teuerungsmaß­nah­men und Ausbau von erneuerbaren Energien umleiten“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betref­fend ein Gasdiversifizierungsgesetz 2022 samt Titel und Eingang in 1502 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

11.49.183. Punkt

Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 45. Bericht der Volksan­waltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2021) (III-531/1516 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 3. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße ausdrücklich und sehr herzlich die Herren Volksanwälte im Hohen Haus und erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Martina Diesner-Wais das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.50.08

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Volksanwälte! Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Die Volksanwaltschaft hat sich im Laufe der Jahre zu einem unverzichtbaren Element der Kontrolle entwickelt. Daher darf ich heute gleich in dreifacher Form gratulieren: Erstens zu 45 Jahren Volksan­walt­schaft, 45 Jahren für die Menschen. Seit 1977 ist die Volksanwaltschaft für alle Menschen da, unabhängig von Alter, Geschlecht, Wohnort und Nationalität. Die Anfänge der Volksanwaltschaft waren bescheiden. Zunächst war es ein zeitlich befristetes Pro­visorium mit 18 Planstellen, das sich durch die dazugekommenen Aufgaben bis heute auf 92 Planstellen erweitert hat. Ich darf auch zu einer wirklich gelungenen Feier gratulieren, bei der ein Redner sehr passend sagte: Wenn die Volksanwaltschaft noch nicht erfunden wäre, dann müsste man sie erfinden! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koza.)

Im Jahr 2021 haben sich rund 23 600 Menschen mit ihren Beschwerden an die Volks­anwaltschaft gewendet – das sind um 32 Prozent mehr als im Berichtsjahr 2020 –, und in 11 516 Fällen wurden Prüfungsverfahren eingeleitet. Die Prüfungsergebnisse liegen uns jetzt im Bericht vor. Ich möchte nur ein Beispiel herausgreifen, damit man sieht, wie effizient die Volksanwaltschaft arbeitet: Ein junger Mann hat sich an die Volksanwalt­schaft gewandt, weil er aufgrund seiner Transsexualität bei der Stellungskommission beim Bundesheer automatisch für untauglich erklärt wurde. Die Volksanwaltschaft hat ihm im Einvernehmen mit dem Ministerium geholfen, und nun leistet der junge Mann mit Freude seinen Präsenzdienst ab.

Zweitens darf ich zu zehn Jahren Opcat-Mandat gratulieren – das ist die Umsetzung des Fakultativprotokolls zum UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, un­menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, mit der die Volksanwaltschaft


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seit 1. Juli 2012 betraut ist. Dabei geht es eben um den Schutz vor Verstößen gegen die Menschenrechte. Hierfür gibt es sieben Kommissionen, die auch im Zeitraum 2021 gearbeitet haben. Es gab 570 Einsätze in Pflegeheimen, Anhaltezentren, Justizanstal­ten, und dabei wurde präventiv gute Arbeit geleistet.

Ich darf aber auch noch zu einer dritten Sache gratulieren, und zwar befindet sich seit 2009 das Sekretariat des IOI in Österreich. Da ist die Volksanwaltschaft auch im Sinne der Menschenrechte tätig. Das IOI ist eine internationale Vereinigung, die den Rechts­status internationale Einrichtung auf Basis des Amtssitzgesetzes bekommen hat. Zusätzlich bekam die Volksanwaltschaft den A-Status der Vereinten Nationen zuge­sprochen. Dazu möchte ich gratulieren und mich dafür wirklich herzlich bedanken, ebenso auch für die internationale Arbeit. Das betonte auch der IOI-Präsident Chris Field. Herr Volksanwalt Amon, du stehst da vorne und bist auch Generalsekretär des IOI. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch noch ein Beispiel für einen Fall bringen, in dem wir als Parlament die Anregungen der Volksanwaltschaft sofort umsetzen: Der letzte Volksanwaltschafts­be­richt zur Menschenrechtskontrolle zeigt auf, dass gerade über Menschen mit Behin­derung aussagekräftige Daten in der Statistik fehlen. Diese sind aber oft wichtig, um die Grundlage für ihre Lebenssituation verbessern zu können. Aus diesem Grund wollen die Regierungsparteien heute auch einen entsprechenden Entschließungsantrag einbrin­gen. Wir handeln also sofort und setzen Dinge gleich um.

In diesem Sinne möchte ich noch einmal allen drei Volksanwälten und auch all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Dank aussprechen, denn sie leisten Hervor­ragendes. Danke für den Bericht, aber auch für Ihren Einsatz und Ihr Engagement für unsere Bürgerinnen und Bürger und für die gute Zusammenarbeit mit dem Parlament. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Grebien.)

11.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte.


11.55.17

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Sehr geehrte Volksanwälte! Gratulation zum 45-jährigen Jubiläum! Wir debattieren heute den 45. Bericht der Volksanwaltschaft. Darin ist aus meiner Sicht auf mehreren Hundert Seiten das Versagen der Regierung doku­mentiert, ob das bei der inneren Sicherheit ist, ob das bei der Justiz oder in anderen Bereichen ist.

Nehmen wir den Bereich der Pflege heraus! Da ist die Rede von den Kommissionen, die die Alten- und Pflegeheime besucht haben und dort mit den Beschäftigten und natürlich auch mit den Patientinnen und Patienten gesprochen haben. Es ist die Rede davon, dass es für 75 Prozent der in der Altenpflege Beschäftigten unwahrscheinlich ist, dass sie diesen Beruf bis zur Pension ausüben. Es ist die Rede davon, dass für die in der Pflege Beschäftigten vor allem die emotionale Belastung sehr groß ist. Im Bericht ist dokumentiert, dass quer durch Österreich Pflegebetten aufgrund von Personalmangel gesperrt sind – waren und noch immer sind. Eine Mitarbeiterin in einem niederöste­reichischen Heim äußert sich dazu wie folgt: „Am schlimmsten ist die“ viel „zu geringe Kopfanzahl des Personals.“ Wir können den BewohnerInnen die nötige Körperpflege und die nötige Unterstützung beim Essen nicht mehr vollends gewähren. – „Eine befragte Pflegekraft gab an“ – ich zitiere wieder –, dass Sie seit Monaten „psychisch und physisch ,am Limit‘“ arbeitet.

Die Einrichtungen teilten den Kommissionen der Volksanwaltschaft allesamt mit, dass die Pflege vor einem Kollaps steht und teilweise bereits kollabiert ist. Volksanwalt Achitz


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hat bei der letzten Sitzung des Volksanwaltschaftsausschusses die Ausschussmitglieder darüber informiert, dass in diesem Jahr bei einem Kommissionsbesuch in einem Alten- und Pflegeheim der Kommission ein stinkender und beißender Geruch aufgefallen ist. Es wurde eine Frau entdeckt, die mit unvorstellbaren Schmerzen bis auf den Knochen wund gelegen war – in Österreich im Jahr 2022.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, warum es wieder Patientinnen und Patienten gibt, die wund liegen, etwas, von dem wir schon geglaubt haben, das sei ein Phänomen oder ein Problem der Vergangenheit? – Weil man und weil die Bundesländer die Verantwortung an gewinnorientierte und börsennotierte Einrichtungen und Unterneh­men ausgelagert haben, wie zum Beispiel die Firma Senecura, die in Niederösterreich sehr viele Pflegeheime betreibt.

Wissen Sie, warum die Beschäftigten im Gesundheitsbereich physisch und psychisch am Ende sind? – Weil man jahrelang gesagt hat: mehr privat, weniger Staat!, und weil die ÖVP der Meinung ist, der Markt regelt eh alles – der Markt regelt gar nichts, der Markt regelt alles für die Aktionärinnen und Aktionäre! –, und man jahrzehntelang geist­lose Sätze, Werbesätze formuliert hat wie: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Men­schen gut.“ – Der Wirtschaft geht’s blendend, und den Menschen geht’s immer schlech­ter! (Beifall bei der SPÖ.)

Geht’s den Menschen gut, geht’s der Wirtschaft gut!

Abschließend: Wir brauchen in diesem Land nicht nur im Bereich der Pflege, aber vor allem auch im Gesundheitsbereich und in der Pflege einen Systemwechsel, denn dieses System ist mehr als krank. Wir brauchen eine Politik für die vielen und nicht für die wenigen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.58


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


11.58.49

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Volksanwälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwei Bereiche im Bericht der Volksanwaltschaft betreffen wieder Menschen, die hilflos ausgeliefert sind, zum einen der Bereich der Pflege und zum anderen der Bereich der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen.

Einerseits wurden bauliche Mängel festgestellt, die es bei uns einfach nicht mehr geben darf: kleine, abgenutzte Räume, spärlich eingerichtet, der Putz bröckelt, der Boden ist rissig, es ist schmutzig. Es gibt keine Gartenanlagen, es gibt keine Pflegebäder, es gibt keine Plätze zum freien Bewegen. Wer möchte so wohnen, wenn er sich das selbst nicht aussuchen kann?

Andererseits wird auch berichtet, dass in dieser Einrichtung zum Beispiel nur eine einzige diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft anwesend war, ergänzend nur 24-Stunden-Personenbetreuung. Es gibt immer wieder sexuelle Übergriffe, teils durch das Pflegepersonal, teils durch Bewohner selbst, weil sexualpädagogische Konzepte fehlen oder einfach nicht umgesetzt werden.

Schlimm waren auch die Erfahrungen der Pflegebedürftigen in der Coronazeit. Sie wurden aufgrund von Quarantäne oftmals quasi umquartiert – ohne persönliche Gegen­stände. Wir alle wissen, dass es gerade für ältere Menschen sehr wichtig ist, dass sie in der gewohnten Umgebung sind und dass sie die Menschen, die sie betreuen, auch kennen. Das hat zu Schockerlebnissen geführt, die wirklich tief sitzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Volksanwaltschaft stellt genau das fest, was wir Oppositionsparteien auch regelmäßig feststellen: Quer durch das ganze Land ste­hen Pflegebetten frei, sie sind gesperrt, weil das Personal zur Betreuung dafür fehlt.


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Gleichzeitig gibt es Wartelisten, weil Menschen dringend auf einen stationären Betreu­ungsplatz warten.

Das Personal leidet, es versucht trotzdem sein Bestes. Im angekündigten Pflegepaket, zu dem es noch immer keine Gesetze gibt, ist der Pflegeschlüssel aber nicht enthalten, er dürfte nicht erhöht werden. Schuld ist dann letztendlich immer das Personal. Das Personal aber ist ausgelaugt, es steht machtlos mittendrin. Macht es eine Gefährdungs­meldung – das habe ich jetzt schon öfters gehört –, muss es später auch darunter leiden; kein Wunder, dass diese Menschen aus dem Beruf regelrecht flüchten. Wenn die Volksanwaltschaft mit dem Satz: Gut, dass ihr kommt!, begrüßt wird, weil das Personal am Limit ist und den Hut draufhauen will, dann ist das schon sehr, sehr bedenklich. Wenn man hört, dass bei einer geistig fitten Patientin beim Verbandwechsel Dekubitus bis zum Knochen festgestellt wird, dann möchte man weinen, weil man weiß, was das für Schmerzen sind. Diese Frau liegt hilflos und machtlos da und kann sich selbst nicht helfen. Es ist leider vorstellbar, dass das auch in anderen Einrichtungen passiert, weil der Pflegemangel eklatant ist.

Es ist eine Schande für Österreich, in einem Bericht lesen zu müssen, dass Kinder und Jugendliche, für die der Staat die Verantwortung übernommen hat, in Einrichtungen mit Gewalt konfrontiert werden; dass in der Steiermark ein kleines Volksschulmädchen in einer Jugendlichen-WG untergebracht und dort mit Mord und mit Folter bedroht wird und die Einrichtung die Sicherheit des Schützlings nicht mehr gewährleisten kann und man das dort auch sagt. Die Verantwortung dafür tragen sicher die Landesverwaltung und die Einrichtung, aber die Folgen dieser Vorfälle tragen die Kinder und Jugendlichen.

Es gibt systematische Probleme, wenn wir in verschiedenen Bundesländern zu wenige Krisenplätze und in manchen Bundesländern gar keine Krisenplätze haben, wenn wir Eltern Kinder abnehmen und diese in Einrichtungen unterbringen, in denen sie geschützt und sicher sein, in denen sie sich wohlfühlen sollen und in denen sie dann auf Matratzen auf dem Boden schlafen müssen. Die Volksanwaltschaft fordert seit Jahren, dass diese Kinder und Jugendlichen in kleinen, familienähnlichen Wohngruppen betreut werden sollen.

Es hat eine große Enquete – „Kinder- und Jugendhilfe quo vadis?“ – im Hohen Haus gegeben, es wurde ein Entschließungsantrag eingebracht, es wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Volksanwaltschaft hat dort ihre Expertise eingebracht – es gibt bis heute keine gesetzliche Änderung. Wahnsinn, dass das tatsächlich in Österreich möglich ist! Wahnsinn, dass die Volksanwaltschaft immer wieder dieselben Missstände aufzeigen muss, und Wahnsinn, dass diese nicht aufgearbeitet oder lieblos umgesetzt werden!

Ich bedanke mich sehr herzlich für die gute Arbeit der Volksanwaltschaft, auch dafür, dass sie das immer wieder aufzeigt und nicht aufgibt.

Die Regierung ist dringend gefordert, in ihrem Aufgabenbereich tätig zu werden und auf die Länder einzuwirken, damit diese ihrer Verantwortung nachkommen. Wie sagen wir doch immer? – Wie wir mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft umgehen, Punkt, Punkt, Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger, Sie gelangen als Nächste zu Wort. – Bitte.


12.03.58

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und auch vor den Bildschirmen! Lassen Sie mich zu Beginn etwas zusammenfassen: 45 Jahre Volksanwaltschaft. Wir hatten vorige Woche hier eine sehr


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eindrucksvolle Feier, auch mit den ehemaligen Volksanwältinnen und Volksanwälten. In diesem Zusammenhang darf ich vielleicht – Sie finden es abgedruckt im „Standard“ – auf die Festrede von Judith Kohlenberger verweisen, die in sehr eindrücklicher Weise auf den Zusammenhang von Demokratie und Menschenrechten und auf die Rolle und Bedeutung der Volksanwaltschaft verwiesen hat. Ich glaube, die zentrale Aufgabe der Volksanwaltschaft im Sinne ihres Aufgabenspektrums ist es, letztendlich die Bürger und Bürgerinnen gegenüber dem Staat, seinen Behörden, seinen Einrichtungen bei Fällen, bei Ungerechtigkeiten, bei was auch immer zu unterstützen – und das tut sie kostenlos.

An dieser Stelle darf ich sagen, dass man immer erwähnen sollte, dass die Meldung an die Volksanwaltschaft, die Unterstützung durch die Volksanwaltschaft eine kostenlose ist. Vielleicht wäre das ein guter Ceterum-censeo-Satz in der Fernsehsendung „Bür­geranwalt“. Ich weiß, ihr (in Richtung Volksanwälte Achitz und Amon) habt Angst, dass dann vielleicht zu viele kommen, aber ich glaube, es ist ganz zentral, den Menschen zu vermitteln, dass eine Beschwerde an die Volksanwaltschaft kostenlos ist, weil es ja oft heißt: Ja, wende dich an einen Anwalt!, und die Leute dann sagen: Das kann ich mir nicht leisten. – Bitte sich also an die Volksanwaltschaft zu wenden, es ist kostenlos, und zwar für alle Bürger und Bürgerinnen, unabhängig von ihrer Nationalität oder davon, wo sie sich aufhalten, wenn es um österreichische Behörden, sei es im Bund oder in den Ländern, geht! Es ist also ganz egal, wo der Aufenthaltsort ist, welches Geschlecht man hat, welche Nationalität man hat, die Volksanwaltschaft ist dazu da, diese Beschwerden entgegenzunehmen.

Im letzten Jahr ist es zu einem Anstieg der Beschwerden um circa 32 Prozent gekom­men, es sind rund 23 700 Beschwerden gewesen; 2020 waren es noch 17 914. Ich würde jetzt aber nicht unbedingt sagen, dass das heißt, dass die österreichische Ver­waltung immer schlechter wird, sondern es gibt eine höhere Aufmerksamkeit und man muss sozusagen in den Blick nehmen, dass natürlich auch im Rahmen von Corona die Anzahl der Beschwerden gestiegen ist. Es ist aber auch so, dass natürlich – ich habe das schon erwähnt – bei den Ländern geprüft wird und die Beschwerden insgesamt geprüft werden. Da ist die MA 35 – Sie kennen die Probleme –, also die Einwande­rungsbehörde der Stadt Wien, absoluter Spitzenreiter. Es bessert sich zwar gerade, aber im Wesentlichen gab es da wirklich grobe Missstände. Daran sieht man auch, dass sich alle an die Volksanwaltschaft wenden können.

Erlauben Sie mir, an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwalt­schaft, die, wie ich meine, großartige Arbeit leisten, sehr, sehr herzlich zu danken. Es gibt ein wunderbares Video und ich würde darum bitten, dass das eine größere Verbrei­tung findet, dass man dieses vielleicht einmal als Einspieler beim „Bürgeranwalt“ nimmt; damit holt man, wie man so schön sagt, die Kuh vom Eis. Es wäre gut, wenn das noch einmal propagiert werden würde.

Im Übrigen – ich werde mich in dieser Angelegenheit nicht an die Volksanwaltschaft wenden – bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf: Zustimmung!)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte.


12.08.20

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volks­anwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst wollen auch wir der Volksanwaltschaft danken, und zwar allen Mitarbeiterinnen und


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Mitarbeitern, die täglich wirklich großartige Arbeit leisten. Ich habe selber mehrere Jahre für eine Kommission der Volksanwaltschaft gearbeitet und weiß daher, was da an Engagement jeden Tag wahrzunehmen ist. Danke aber auch an die Volksanwälte, denn auch Ihr Engagement kann man im Ausschuss und in den Diskussionen dort wirklich merkbar mitverfolgen.

Dennoch – Sie wissen, was jetzt kommt – gehört etwas an dem Modus, wie die Volksanwälte bestellt werden, geändert. Ich weiß, Sie sind dafür nicht zuständig, sehr geehrte Herren Amon und Achitz, aber Ihre Parteien werden sehr wohl bei den Dis­kussionen rund um die Bestellung hier im Haus gehört werden. Ich habe „Ihre Parteien“ gesagt, denn unbestritten ist, dass man Sie drei ja ganz klar jeweils einer Partei zuordnen kann. Das haben wir schon oft als Problem diskutiert, denn in der Verfassung steht nicht, dass parteinahe Personen Volksanwälte werden sollen, sondern Personen, die über Kenntnisse auf dem Gebiet der Menschenrechte verfügen, und wohl von allen Bewerberinnen und Bewerbern die Besten, also jene, die am meisten Kompetenz im Bereich der Menschenrechte mitbringen.

In der österreichischen Wirklichkeit ist es kaum vorstellbar, aber in Wahrheit kann jeder, der zum Nationalrat wählbar ist, auch wirklich Volksanwalt, Volksanwältin werden, wenn er/sie ein ausgewiesener Experte, eine ausgewiesene Expertin im Bereich der Men­schenrechte ist.

Irgendwie kommt es aber immer dazu, dass die drei mandatsstärksten Parteien, ÖVP, SPÖ, FPÖ, drei Personen vorschlagen, die parteinah sind, oft eben Ex-Abgeordnete. (Abg. Scherak: Zufall!) Wahrscheinlich suchen Sie nur in Ihrem Loyalitätskreis, und dadurch werden sicher nicht – Pardon: sicher nicht! – die Allerbesten Volksanwälte. (Zwischenruf des Abg. Lausch.)

So, jetzt werden Sie sicher noch stolz ausführen, dass die Volksanwaltschaft von der internationalen Global Alliance of National Human Rights Institutions mit dem A-Status akkreditiert wurde – jedoch nicht ohne ein Aber: Ganhri sprach Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Bestellmodus aus, damit in Zukunft nämlich wirklich die Besten Volksanwälte werden können. Und zwar soll der Bestellmodus transparenter werden, die Zivilgesellschaft soll einbezogen werden, das Ergebnis soll dadurch pluralistischer werden. Das sind die strengen Empfehlungen nicht nur von Ganhri, sondern auch vom Unterkomitee zur Folterprävention der UNO.

Der Witz ist, wir haben schon viele Anträge in diese Richtung gestellt, aber in Wahrheit bräuchte es gar keine Verfassungsänderung. Es wäre möglich, dass die drei großen Parteien, SPÖ, FPÖ, ÖVP, einfach ein öffentliches Hearing abhalten oder Qualitäts­kriterien öffentlich machen, öffentlich ausschreiben, Transparenz reinbringen; das geht einfach so.

Das passierte jedoch auch bei Ihrer Bestellung nicht. Die drei Parteien konnten im Haupt­ausschuss nicht einmal die einfache Frage beantworten, welche Qualifikationskriterien sie für ihre KandidatInnen herangezogen haben und inwiefern Sie dadurch die Finalisten waren, inwiefern Sie sie am besten erfüllt haben. Sie wurden uns im Hauptausschuss vorgesetzt – ein Vorgang, den Verfassungsjuristen schon lange als ein Entsendungs­recht der drei mandatsstärksten Parteien ausweisen, der explizit keine Wahl ist.

Weil die Parteien aber nicht von selbst auf die Idee kommen, hier mehr Transparenz reinzubringen, werden wir weiterhin unsere Anträge stellen und in Diskussion bleiben. Ich weiß, dass Sie sich im Ausschuss positiv dafür ausgesprochen haben, in diese Richtung mitzudenken, nicht nur was die Transparenz, sondern auch was die Einbe­ziehung der Zivilgesellschaft und die Pluralität betrifft. Ich glaube nicht, dass es bei der Pluralität nur um das Geschlecht ging, weil jetzt hier drei Volksanwälte sitzen sollten,


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sondern es geht in erster Linie darum, dass Volksanwälte und -innen jene werden, die nicht Politiker sind, sondern Expertinnen und Experten im Bereich der Menschenrechte.

Das würde der Reputation der Volksanwaltschaft, die sehr gut ist, guttun, würde ihr noch besser zu Gesicht stehen, würde helfen, zukünftige Fehlentwicklungen in dem Bereich der Bestellung zu verhindern, und wäre einfach im Sinne von Transparenz und Objek­tivität. Demnach hoffe ich, Sie werden hier die Diskussion auch mit den Parteien, Ihren Parteien, die leicht zuordenbar sind, führen. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Nun haben sich die Herren Volksanwälte zu Wort gemeldet. Als Erstem erteile ich Herrn Volksanwalt Bernhard Achitz das Wort. – Bitte.


12.12.45

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zuerst unseren derzeitigen Vorsitzenden Walter Rosenkranz entschuldigen. Es gibt zwar keinen wich­tigeren Termin als die Diskussion mit dem Parlament, wir haben aber sehr wichtige Kooperationen, unter anderem mit dem ORF und der Sendung „Bürgeranwalt“. Das ist für die Volksanwaltschaft ein sehr, sehr wichtiges Mittel, an die Menschen heranzukom­men und den niederschwelligen Zugang zur Volksanwaltschaft zu fördern. Daher haben wir uns heute aufgeteilt: Kollege Rosenkranz nimmt die Termine beim ORF wahr, wir stehen dem Hohen Haus Rede und Antwort.

Ich darf in seiner Vertretung sozusagen ein paar allgemeine Dinge über die Berichte, die heute zur Diskussion stehen, sagen. Es wurde schon erwähnt, der Zulauf zur Volks­anwaltschaft hat sich erhöht. Wir haben über 23 000 Beschwerden gehabt, und, Kollegin Blimlinger, wir fürchten uns nicht vor den Menschen. Wenn mehr kommen, dann werden auch sie offene Türen und ein offenes Ohr finden. Wir freuen uns, wenn wir Menschen unterstützen können, die Probleme mit der österreichischen Verwaltung haben oder die von uns verlangen, dass wir Einrichtungen kontrollieren, in denen potenziell Freiheits­entziehungen, Menschenrechtsverletzungen stattfinden könnten.

Besonders gern gebe ich dieses Jahr aber das Lob, das manche RednerInnen geäußert haben, an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter, denn sie müssen diesen erhöhten Anfall ja bewältigen und tun das mit Bravour. Nur damit Sie sich das vorstellen können: Von diesen 23 000 Beschwerden, die im Jahr 2021 bei uns eingelangt sind, führen mehr als die Hälfte zu einem aufwendigen Prüfverfahren. Das heißt, da kommt es dann zu ziemlich intensivem Schriftverkehr mit Behörden, zu ziemlich intensiven rechtlichen Beurteilungen, zu Versuchen, das Problem zwischen der Bürgerin, dem Bürger und der Behörde im Rahmen der Gesetze zu lösen, und sehr oft auch zu befriedigenden Lösungen.

Der Umkehrschluss, dass die anderen 11 000, 12 000 Beschwerden, die bei uns ein­langen, deshalb ignoriert werden, ist nicht zulässig. Auch Beschwerden, bei denen wir nicht unmittelbar ein Prüfverfahren einleiten oder mit Behörden in Kontakt treten, sind natürlich von uns zu bearbeiten, werden von uns bearbeitet, und jede Person, die sich an die Volksanwaltschaft wendet, bekommt eine Antwort – hoffentlich, wenn wir nicht unmittelbar helfen können, weil es sich um kein Problem mit der Verwaltung handelt, auch mit einem entsprechenden Tipp, an wen man sich wenden kann.

Neben der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung haben wir bei unseren Über­prüfungen im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle 570 Besuche durchge­führt. Das heißt, während uns 2020 die Pandemie noch ein bisschen behindert hat, haben wir 2021 die Besuche in vollem Umfang, wie in den Jahren davor, durchgeführt. Wir waren persönlich dort, wir haben alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten. Soweit ich


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weiß, ist durch einen Besuch der Volksanwaltschaft kein Cluster entstanden. Auf der anderen Seite haben sich ein paar Menschen, die in den Kommissionen arbeiten, angesteckt, daher mussten wir sehr flexibel agieren, aber das hat im Großen und Gan­zen gut funktioniert.

Nun zu meinem Geschäftsbereich, ich möchte aus meinem Geschäftsbereich vier Dinge hervorheben: Das eine ist das Coronamanagement. Es wurde schon gesagt, der Anstieg bei den Beschwerden ist nicht nur Corona geschuldet, aber natürlich auch. Es ist eine neue Situation, wir haben 2020 einen Extrabericht über diese Situation verfasst, in der Hoffnung, dass man durch diesen Sonderbericht besser auf die Dinge reagieren kann. Diese Hoffnung, muss ich leider sagen, hat sich nur teilweise erfüllt. Auch im Jahr 2021 war das Coronamanagement nicht optimal. Das hat zu Jahresbeginn mit einem relativen Chaos bei der Impfung, bei der Priorisierung, wer zuerst drankommt, begonnen. Es haben bundesweite Vorgaben gefehlt. Hochrisikogruppen sind in manchen Bundes­ländern vorgezogen worden, in anderen Bundesländern nicht vorgezogen worden, was zu großem Unmut geführt hat. Die Beschwerden darüber waren zahlreich. Wir konnten natürlich schauen, dass Hochrisikogruppen vorgezogen werden, aber die Verbitterung darüber, dass die Unterschiede zwischen den Bundesländern doch merkbar waren, war in der Bevölkerung groß.

Ein Fehler, der 2020 gemacht wurde, hat sich 2021 leider wiederholt: Es ist zu sehr kurzfristigen Änderungen der Rechtslage gekommen. Das ist im Allgemeinen in der Verwaltung immer ein Problem, wenn die Behörden eine Ankündigung der Politik hören, sich schon darauf einstellen sollen, den Verordnungstext erst in letzter Sekunde bekommen und dann in der Woche darauf, im Extremfall sogar am Tag darauf, eine Verordnung, die sie vorher nicht zu Gesicht bekommen haben, anwenden sollen. Das führt natürlich zu Verunsicherung in der Behörde, das führt zu Verunsicherung bei den Normunterworfenen, das führt zu falschen Entscheidungen, und das war leider auch 2021 zu beobachten.

Probleme hat es mit der Ausstellung von Genesungszertifikaten, mit der Erfassung im grünen Pass gegeben. Da wurde teilweise eine dritte Impfung, die empfohlen wurde, im Pass nur als zweite Impfung ausgewiesen, was natürlich auch zu Problemen geführt hat. Auch dieses Problem konnten wir lösen. Probleme mit dem Contacttracing, mit Absonderungsbescheiden gibt es noch immer und gab es damals. Diese haben für Einzelpersonen teilweise natürlich sehr unangenehme Auswirkungen – denken Sie daran, dass für Leute, die in Quarantäne waren, die Gehaltsrefundierung am Absonde­rungsbescheid hängt.

Das zweite Problem, das ich ansprechen will, ist ein Problem mit dem Familien­minis­terium betreffend die Auszahlung der Kinderbeihilfe und des Kinderbetreuungsgelds. Während das mit der Kinderbeihilfe ein Fall war, der 2021 durch die gleichzeitige Umstellung auf Finanzamt Österreich und einen Rückstau, der durch Nichtnachweise in der Coronazeit entstanden ist, eher singulär aufgetreten ist, ist das Problem mit dem Kinderbetreuungsgeld leider ein dauerndes. Wir haben, um es kurz zu machen, zig Fälle, bei denen Eltern jahrelang auf das Kinderbetreuungsgeld warten, teilweise bis die Kinder in die Schule kommen. Das ist nicht Sinn des Kinderbetreuungsgeldes, das gehört unbedingt behoben.

In der präventiven Menschenrechtskontrolle möchte ich darauf hinweisen, dass das, was schon von Debattenrednern gesagt wurde, sehr, sehr ernst zu nehmen ist. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Personalmangel in verschiedenen Ein­richtungen und der Qualität der Betreuung sowie der Häufigkeit der Verletzung oder Gefährdung von Menschenrechten. Das betrifft nicht nur Alten- und Pflegeheime – dort sind die Beispiele im Moment besonders tragisch –, das betrifft natürlich genauso Behin­derteneinrichtungen, das betrifft in gleicher Weise Einrichtungen der Jugendhilfe, das


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betrifft Psychiatrien, aber auch Spitäler. Dort ist unbedingt gegenzusteuern, dort muss man sich etwas überlegen, denn zu wenig Personal führt dazu, dass Menschen einge­sperrt, medikamentös ruhiggestellt, schlecht behandelt werden – und das darf in einem modernen Sozialstaat nicht passieren. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Mein letzter Punkt betrifft die Heimopferrente, Aufarbeitung des Unrechts der Vergan­genheit: Auch da hatten wir wieder 350 Fälle zu beurteilen, in denen sich Menschen bei uns gemeldet haben, die zwischen 1945 und 1999 in einem Kinderheim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht waren und dort Gewalt erfahren haben. Wir sind dabei auf eine Gesetzeslücke gestoßen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will: An sich sollten Menschen, die nicht mehr arbeitsfähig sind und aufgrund dieser nicht mehr bestehenden Arbeitsfähigkeit eine Rente oder Mindestsicherung beziehen, diese Heimopferrente bekommen, wenn sie untergebracht waren und Gewalt erfahren haben. Wir haben meh­rere Fälle entdeckt, bei denen das trotzdem nicht der Fall ist. Wenn nämlich die betrof­fene Person in einer Partnerschaft lebt und der Partner, die Partnerin so viel verdient, dass man eben keine Mindestsicherung bekommt, und keinen eigenen Pensions­anspruch hat, dann bekommt man auch die Rente nicht. Das ist sicher nicht beabsichtigt. Ich ersuche Sie, darauf ein Auge zu werfen und die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu treffen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.23


Präsidentin Doris Bures: Nun erteile ich Herrn Volksanwalt Werner Amon das Wort. – Bitte.


12.23.23

Volksanwalt Werner Amon, MBA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Achitz! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte damit beginnen, dass ich mich zunächst bei den Abgeordneten sehr herzlich für die ausgesprochen wert­schätzende und inhaltsreiche Ausschussberatung bedanke, in der wir an einem Vormittag die nachprüfende Kontrolle der Volksanwaltschaft und am zweiten Vormittag den Menschenrechtsbericht diskutiert haben. Ich glaube, das war insgesamt eine ausgezeichnete Debatte, eine ausgezeichnete Diskussion, und ich möchte mich dafür auch herzlich bedanken. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Abg. Krisper.)

Die Tatsache, dass wir im Berichtszeitraum 2021 bei den Beschwerdefällen eine Stei­gerung von über 30 Prozent hatten, deren Anzahl also auf 23 600 hinaufgegangen ist, ist – und da möchte ich mich den Ausführungen der Frau Abgeordneten Dr. Blimlinger anschließen, die das so gesagt hat – nicht Ausdruck dessen, dass die Verwaltung immer schlechter und immer schlechter wird. Wir, alle drei Volksanwälte, sind eigentlich der Meinung, dass Österreich ein hervorragend verwaltetes Land ist. Ich sage ganz gerne dazu, manchmal hat man eher den Eindruck, dass es vielleicht ein überverwaltetes Land ist, aber sicherlich nicht ein schlecht verwaltetes, sondern ein ausgezeichnet verwalte­tes.

Was die Volksanwaltschaft aber schon ist: Sie ist so ein bisschen ein Seismograf für Entwicklungen in der Gesellschaft – und wir haben schon den Eindruck, dass die Kritik gegenüber der Verwaltung, auch die Aggressivität gegenüber der Verwaltung am Zunehmen ist. Es sind nicht ausschließlich Beschwerden über Coronamaßnahmen, die zu diesem Anstieg geführt haben, aber die gesamte Coronasituation hat meiner Meinung nach doch auch einen Beitrag dazu geleistet, dass sozusagen dieses Aggressions­potenzial, auch das Kritikpotenzial ein wenig zugenommen hat. Das müssen wir, glaube ich, insgesamt sehr, sehr ernst nehmen.


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Zu meinem Geschäftsbereich möchte ich sagen, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Beschwerden das Bundesministerium für Finanzen betroffen hat. Das gehört zu meinem Geschäftsbereich. Die Zahl der Beschwerdefälle ging da von 259 im Jahr 2020 auf 357 Beschwerden im Jahr 2021 hinauf. Natürlich war ein großer Teil den Covid-Maß­nahmen geschuldet: Härtefallfonds, Fixkostenzuschuss. Da gab es natürlich gerade am Beginn einige Probleme, die dann mit der Zeit auch gelöst werden konnten, aber am Anfang gab es da doch erhebliche Probleme.

Wirklich sehr viel Kritik hat es an der Neustrukturierung, dem Finanzamt Österreich, gegeben, im Zuge derer sozusagen die regionalen Finanzämter abgeschafft worden sind, weil ganz viele Menschen plötzlich keinen Sachbearbeiter mehr gehabt haben und nicht die Möglichkeit hatten, sich mit dem Sachbearbeiter der jeweiligen Steuererklärung und dergleichen auseinanderzusetzen, und die telefonische Hotline halt am Anfang auch nicht wirklich gut funktioniert hat. Die Menschen sind da sehr, sehr lange in der Warteschlange gehangen und waren daher auch sehr unzufrieden, weil sie keinen Kontakt aufnehmen konnten. Ich darf sagen, mittlerweile nimmt das deutlich ab, aber wie gesagt, das war doch ein erheblicher Teil der Beschwerden im Berichts­zeit­raum 2021.

Die Anzahl der Beschwerden im Außenministerium, das auch zu meinem Prüfbereich gehört, ist zurückgegangen. Da haben wir an sich nicht sehr viele Beschwerden. Die Rückläufigkeit der Zahl der Beschwerden hat insbesondere damit zu tun, dass es ja im Jahr 2020 am Beginn der Pandemie sehr viele Rückholaktionen gab, als über 7 000 Ös­terreicherinnen und Österreicher aus dem Ausland mit Repatriierungsflügen zurück­geholt worden sind. Da gab es am Anfang auch einige Missverständnisse, weil viele geglaubt haben, das wäre kostenlos, obwohl jeder, der geholt wurde, auch ein Formular unterschreiben musste, in dem ausdrücklich stand, dass das eben nur mit einem Selbst­kostenbeitrag möglich ist.

Der Hotspot sozusagen der Beschwerden betrifft den Straf- und Maßnahmenvollzug. Im Berichtszeitraum haben wir alleine in diesem Bereich 778 Beschwerden. Und ich muss sagen, obwohl es eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für den Straf­vollzug gibt, ist der Maßnahmenvollzug tatsächlich das größte Problem, das wir haben. Wie Sie wissen, haben wir nur eine wirkliche Anstalt für den Maßnahmenvollzug, jene in Asten. Es bräuchte dringend eine weitere Anstalt für den Maßnahmenvollzug. Es gab in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent mehr Einweisungen in den Maßnahmenvollzug. Das ist eine beträchtliche Zahl, die natürlich auch zu einer Überforderung der Beleg­schaft führt. Wir haben dort auch viel zu wenig medizinisches Personal, Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten. Es gibt zu wenig Maßnahmen im Maßnahmenvollzug, und da ist ganz dringender Handlungsbedarf gegeben, meine Damen und Herren.

Auch wenn das Hohe Haus vor eineinhalb Jahren mit ersten Reformen in rechtlicher Hinsicht begonnen hat: Es fehlen da offensichtlich die budgetären Mittel und es fehlen sozusagen die entsprechenden Notwendigkeiten aufseiten des Justizressorts, da ganz dringend entsprechende Reformen durchzuführen. Wir haben uns mit unserer Bundes­kommission, die für den Maßnahmenvollzug zuständig ist, insbesondere dem Thema Suizidprävention gewidmet, weil wir auch bei den Suiziden einen entsprechenden Anstieg zu verzeichnen haben.

Ich darf zum internationalen Bereich kommen. Dass es in der Landesverteidigung nur sehr, sehr wenige Beschwerdefälle gibt, hängt auch damit zusammen, dass ja ein Groß­teil der Beschwerden, die es im Bereich der Landesverteidigung gibt, von der Parlamen­tarischen Bundesheerkommission bearbeitet werden, die da sehr erfolgreich ist. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass die Zusammenarbeit mit dem Verteidigungs­ressort und die Bereitschaft, Fehler einzusehen und sofort darauf zu reagieren, im Ver­teidigungsressort besonders hervorzuheben sind.


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Der internationale Bereich ist, glaube ich, ein Bereich, über den man doch den einen oder anderen Erfolg berichten kann. Es ist uns gelungen – Sie wissen, Österreich ist Sitzstaat des International Ombudsman Institute, also der globalen Organisation aller Volksanwaltschaften –, mit Jänner dieses Jahres unter dem österreichischen Amtssitz­gesetz zu einer internationalen Einrichtung zu werden. Dieser Status ermöglicht es uns jetzt auch – und wir verhandeln seit November des vergangenen Jahres bei den Ver­einten Nationen –, als International Ombudsman Institute bei den Vereinten Nationen über einen Ständigen-Beobachter-Status bei der Generalversammlung zu verhandeln, weil immerhin gut die Hälfte der Mitgliedsorganisationen auch dieses Menschenrechts­mandat – ein so wichtiges Mandat – innehat. Wir glauben, dass wir als Volksanwalt­schaften, als Ombudseinrichtungen auch bei den Vereinten Nationen einiges einbringen können und dort tatsächlich ein guter Partner sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Es freut mich auch, dass wir, die österreichische Volksanwaltschaft, die ja gemeinsam mit den Opcat-Kommissionen dieses wichtige Menschenrechtsmandat wahrnimmt, von Ganhri, der globalen Organisation aller Menschenrechtsinstitutionen, die in enger Ko­operation mit dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen arbeitet und von der UNO als solche eben auch anerkannt ist, bei unserer Reakkreditierung, nachdem wir nun zehn Jahre dieses wichtige Mandat innehaben, einen A-Status erhalten haben. Damit wurde eigentlich ausgewiesen, dass wir die Pariser Prinzipien, also jene Prinzipien, die für eine solche Einrichtung erforderlich sind, erfüllen.

Korrekt ist, was gesagt wurde: dass da auch Auflagen erteilt worden sind – ich möchte nicht sagen, Auflagen, aber Empfehlungen. Diese Empfehlungen sagen, dass das Ver­fahren zur Bestellung – Frau Abgeordnete Dr. Krisper hat darauf verwiesen – trans­parenter werden soll und dass die Diversität in der Volksanwaltschaft sich vergrößern soll. Das nehmen wir natürlich zur Kenntnis. Wir haben auch schon mehrfach ausgeführt, dass wir selbstverständlich als Volksanwaltschaft jede Regelung, die das Hohe Haus trifft, anerkennen und dass das für uns selbstverständlich ist.

Ich möchte aber doch sagen, nachdem Sie hier doch auch die persönliche Qualifikation ein wenig kritisch hinterfragt haben – und ich kann das natürlich nur für meine Person sagen –: Ich nehme für mich nicht in Anspruch, der Beste in Sachen Menschen­rechtsfragen zu sein; diese Überheblichkeit habe ich nicht, das möchte ich ausdrücklich betonen. Es ist aber, glaube ich, auch nicht die einzige Voraussetzung, die ein Volks­anwalt haben soll.

Gerade weil Sie den Menschenrechtsbereich angesprochen haben, möchte ich aber zumindest darauf hinweisen, dass ich immerhin sechs Jahre lang Menschenrechts­sprecher hier in diesem Haus war, dass ich sieben Jahre lang Mitglied der Parlamenta­rischen Versammlung des Europarates war, die bekanntlich gemeinsam mit dem Euro­päischen Gerichtshof für Menschenrechte der Hüter über die Menschenrechts­konven­tion und auch dafür entscheidend ist, wer Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird. Ich war auch zwei Jahre Vizepräsident dieser Versammlung. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich der Beste bin, offenbar war es aber für die nominie­rende Partei in diesem Haus ausreichend, um mich für diese Funktion zu nominieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Insgesamt bedanke ich mich für den Diskurs. Ich bin ja ein langgedienter Parlamentarier, ich halte es für wichtig, dass der Diskurs mit dem Hohen Haus stattfindet. Ich glaube, dass wir insgesamt mit allen Fraktionen eine sehr gute Zusammenarbeit haben und dass wir deshalb auch diesen überparteilichen, unparteiischen Auftrag, den wir als Volks­anwaltschaft haben, sehr wohl erfüllen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Bei­fall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Grebien.)

12.34



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 92

Präsidentin Doris Bures: Ich bedanke mich bei den beiden Volksanwälten für ihre Ausführungen und erteile als nächstem Debattenredner Herrn Abgeordneten Peter Weidinger das Wort. – Bitte.


12.34.45

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Volks­anwälte! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die hier leben! Und vor allem: Alle Schülerinnen und Schüler, die ich bei uns im Plenarsaal auch herzlich willkommen heißen darf! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) – Genau!

Die Volksanwaltschaft leistet einen wertvollen Beitrag, um Österreich und die Verwaltung sowie die Nöte und die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und Österreich damit besser zu machen, deswegen möchte ich zu Beginn der Ausführungen allen drei Volks­anwälten, an der Spitze dieser wertvollen Institution stehend, und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz, ganz herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Holzleitner.)

Es wurde ja schon ausgeführt, dass jedes Jahr Tausende Beschwerdefälle an die Volksanwaltschaft herangetragen werden, dass es aufgrund der bekannten Ereignisse mehr werden, ich möchte hier aber auch einen ganz grundsätzlichen Gedanken zur Volksanwaltschaft und der Bedeutung einer internationalen Ombudsstelle anführen: Wir leben in dynamischen, in bewegten Zeiten, und es herrscht auch wieder Krieg auf unse­rem Kontinent, und daher ist es noch mehr notwendig, das Vertrauen in den Rechtsstaat und in Institutionen zu haben, die ihren Beitrag dazu leisten, dass wir ein friedliches, gutes Zusammenleben haben.

Daher ein wirklich ausdrückliches Danke und herzliche Gratulation dazu, dass es gelun­gen ist, dass Wien – neben den besonders wichtigen Institutionen, die hier beheimatet sind und die einen Beitrag zur Verbreitung von Frieden und Freiheit in der Welt leisten – auch Sitz der internationalen Ombudsmannschaft ist, denn damit werden Kontakte gepflegt, werden Kräfte in vielen Ländern auf dieser Welt gestärkt, wo das Miteinan­derreden keine Selbstverständlichkeit ist. Dadurch wird ein Beitrag dazu geleistet, dass das Verbreiten von Wertschätzung und eines guten Miteinanders auch in andere Länder exportiert wird. Ein Danke dafür und herzliche Gratulation dazu, dass der A-Status erreicht wurde! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zorba.)

Ein Beispiel aus dem Bericht möchte ich jetzt herausnehmen, das genau das zum Ausdruck bringt: Es war nämlich in diesem Fall eine Person, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hat, aus einem Drittstaat kommt, die ein Anliegen an die Volks­anwaltschaft herangetragen hat, und zwar eine Persönlichkeit, die wir heute als eine qualifizierte Fachkraft bezeichnen würden, die hier in Österreich tätig war und dann ein Thema hatte, die Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen.

Sie müssen sich vorstellen, die Regelung hat in der Vergangenheit so ausgesehen, dass man, wenn man eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen wollte, nach einem Punktesystem Punkte erhalten musste. Wenn jemand weniger als ein Jahr beschäftigt war oder ver­schiedene Arbeitgeber hatte, war es in diesem Punktesystem nicht vorgesehen, eine volle Bewertung zu bekommen. Das entspricht natürlich nicht der Lebensrealität von Persönlichkeiten, die rund um den Globus arbeiten können, dass nur der Umstand, dass man nicht ein volles Jahr in Österreich tätig war, dazu führt, dass man schlechtergestellt wird, wenn es darum geht, auf dem österreichischen Arbeitsmarkt tätig sein zu können.

Dieses Thema wurde auf eine moderierende und sachliche Art und Weise von der Volks­anwaltschaft an das zuständige Ministerium herangetragen, das in diesem Fall als Oberbehörde natürlich sofort mit dem AMS Kontakt aufgenommen hat, und ich kann


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Ihnen hier vermelden, dass nicht nur der parallel stattfindende Prozess am Verwaltungs­gerichtshof zum gleichen Ergebnis gekommen ist, wie es die Volksanwaltschaft auch angeregt hat, sondern dass der Erlass des zuständigen Ministeriums auf dem Weg ist, dass es da zu einer Anpassung kommt, um qualifizierten Fachkräften in Mangelberufen einen schnelleren Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Ich glaube, das ist eine wertvolle, eine wichtige Errungenschaft. Deswegen möchte ich abschließend meinen Dank noch einmal unterstreichen: Sie leisten mit Ihrer Arbeit einen Beitrag dazu, dass Nöte, Sorgen und Problemstellungen sachlich an das Hohe Haus, die gesetzgebende Körperschaft, herangetragen werden und wir dann gemeinsam mit Ihnen Lösungen zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher umsetzen können.

Letzter Satz von mir – und da möchte ich den Gedanken der geschätzten Kollegin Eva Blimlinger aufgreifen, die das ja zum Schluss gesagt hat –: Bitte, liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die in diesem Land leben, wenn Sie ein Thema, wenn Sie Nöte und Sorgen haben, wenden Sie sich auch an die Volksanwaltschaft! Diese Dienstleistung ist kostenlos, aber nicht umsonst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte.


12.40.01

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Ich darf mich bei Ihnen und Ihren Kollegen, aber vor allem auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volksanwaltschaft für diese großartige Arbeit, die Sie das ganze Jahr über leisten, wirklich bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wie wichtig diese Einrichtung ist, an die sich Bürgerinnen und Bürger wenden können, wenn sie sich von Behörden ungerecht behandelt fühlen, wie wichtig diese Einrichtung der präventiven Menschenrechtskontrolle tatsächlich ist, das zeigt auch dieser enorme, heute schon mehrfach angesprochene Anstieg der Zahl der Beschwerden, die im vergangenen Jahr bei Ihnen, bei der Volksanwaltschaft, eingelangt sind. Ein Großteil davon hat mit den Maßnahmen, die im Rahmen der Coronapandemie getroffen worden sind, zu tun. Ich möchte jetzt konkret ein Beispiel herausnehmen, weil das tatsächlich viele Familien, vor allem Alleinerziehende, vor große existenzielle Herausforderungen gestellt hat, nämlich die verzögerte Auszahlung der Familienbeihilfe; Sie haben es schon angesprochen.

Es hat ja eine krisenbedingte Sonderregelung gegeben, wonach bis Ende März 2021 die Familienbeihilfe ausgezahlt wurde, ohne dass man spezielle Nachweise liefern musste. Ab 1. April 2021 müssen diese Nachweise wieder erbracht werden, was dazu geführt hat, dass es zu einem extremen Rückstau bei der Bearbeitung dieser Ansuchen gekommen ist. Das hat letztlich dazu geführt, dass teilweise bis zu neun Monate, wie Sie berichtet haben, die Familienbeihilfe nicht ausgezahlt wurde. Das trifft natürlich Familien, das trifft Alleinerziehende, die monatlich mehrere Hundert Euro nicht bekommen, extrem hart. Daher müssen künftig diese Anregungen auch entsprechend aufgenommen wer­den, damit Derartiges nicht wieder passiert, denn das stellt Familien tatsächlich vor existenzielle Probleme. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Krisper.)

Ich möchte aber noch einen weiteren Punkt aufgreifen – Sie haben es schon ange­sprochen –: die Heimopferrente, die bei der Volksanwaltschaft angesiedelt ist. Seit 2017 haben Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in Heimen oder Krankenanstalten fremd untergebracht wurden und dort Opfer von Gewalt oder Missbrauch wurden, die


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Möglichkeit, eine Heimopferrente zu beantragen. Sie haben es erwähnt und auch im Bericht aufgezeigt, dass sich in der Praxis tatsächlich eine Lücke im Gesetz zeigt, nämlich insofern, dass Menschen, die arbeitsunfähig und nicht beim AMS gemeldet sind, keine Heimopferrente beantragen können, weil sie das Pensionsalter noch nicht erreicht haben, weil sie zu wenige Beitragsmonate haben oder weil das Gesamthaushalts­einkommen aufgrund des Partnereinkommens so hoch ist, dass man keine Bezüge aus der Mindestsicherung bekommen kann. In solch einem Fall fällt man durch das Heim­opferrentengesetz.

Ich habe diese Anregung, die Sie uns sozusagen mitgegeben haben, aufgenommen und schon einen Selbständigen Antrag in den Sozialausschuss mit eingebracht. Ich wollte auch heute einen Antrag hierzu einbringen, dass wir diese Lücke schließen, und ich freue mich, dass jetzt auch von den Regierungsparteien sozusagen zurückgespiegelt wird, dass wir diese Lücke im Heimopferrentengesetz gemeinsam schließen wollen. Wir werden das hoffentlich in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses über die Bühne bekommen, damit wir auch diesen Menschen die entsprechende Hilfe zukommen lassen können.

In diesem Sinne: Wir werden dranbleiben. Danke für das Entgegenkommen und danke für Ihre Arbeit!

Ich nehme abschließend noch einen Satz von Ihnen auf, den Sie im Ausschuss oder bei der Jubiläumsfeier gebracht haben: Als Sozialdemokratin bin ich natürlich der Meinung, dass 45 Jahre genug sind, aber bei der Volksanwaltschaft sind 45 Jahre noch lange nicht genug. Herzlichen Dank und alles, alles Gute! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

12.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


12.43.53

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Lieber Herr Volksanwalt! Der zweite Volksanwalt ist jetzt leider abhandengekommen, trotzdem möchte ich es mir nicht nehmen lassen, ebenfalls zu gratulieren und Danke zu sagen, einerseits zu den 45 Jahren der Volksanwaltschaft zu gratulieren, andererseits nicht nur Ihnen als Volksanwalt zu danken, sondern auch – und das gehört dazugesagt – Ihrem gesamten Team, das dahintersteht. Diese Beschwerdefälle müssen ja auch sukzessive abgearbeitet werden. Damit möchte ich einsteigen und vielleicht auch für die jungen Menschen, die heute hier auf unserer Galerie sitzen, skizzieren, welchen Stellenwert die Volksanwaltschaft bei uns hat, nicht nur in Österreich, sondern auch international.

Deswegen bedaure ich sehr, dass Herr Volksanwalt Amon jetzt hinausgegangen ist, weil auch ihm Dank gebührt, denn er hat diesen internationalen Aufbau mit New York und dass die präventive Menschenrechtskontrolle als eine wesentliche Stelle nun bei der Volksanwaltschaft angesiedelt ist, erwirkt und umgesetzt, sodass dort eine ganz klare Kontrolle der Menschenrechte stattfindet.

Das ist nämlich nicht selbstverständlich, denn wenn wir uns die Berichte der einzelnen Gremien und Kommissionen anschauen, sehen wir, vor allem jetzt zwei Jahre nach Ausbruch von Covid, dass es zu einer massiven Beschwerdeflut gekommen ist, wenn es um die Versammlungsfreiheit gegangen ist.

Man hat im Regierungsprogramm versucht, einen neuen Ansatz zu finden, und ange­kündigt, eine Misshandlungsstelle einzurichten. Die lässt noch auf sich warten, aber ich glaube, dass es zweckmäßig, notwendig und sinnvoll wäre, eine unabhängige Miss­handlungsstelle deswegen einzurichten, weil sie weg und abgelöst vom Innenministerium


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sein sollte, um nicht immer die Polizisten, wenn sie eine Übertretung begangen haben, gleich dem Verdacht auszusetzen, dass sie etwas Verbotenes oder vielleicht Miss­bräuch­liches gemacht haben. Aber auch umgekehrt würde damit sichergestellt werden, dass man, wenn Missbräuche begangen wurden, wenn polizeiliche Gewalt vonstat­ten­gegangen ist, das objektiv überprüft, und das wünsche ich mir von einer unabhängigen Kommission.

Das Zweite war, ja, wenn man es vielleicht liest, eine recht lustige Geschichte: In Oberösterreich hat man eine neue Überprüfung der Verkehrszuverlässigkeit eingeführt. Man nimmt jetzt Haarproben, wenn jemand alkoholisiert mit dem Auto gefahren ist, um das anhand von Haaranalysen zu überprüfen. Also dass das ein bisschen über­schießend ist und ein bisschen zu weit gegriffen ist, ist klar, weshalb das die Volksanwaltschaft auch aufgreifen musste.

Weiters geht es mir aber auch darum, dass wir hinsichtlich der Entwicklung der Pflege langsam auch die Warnsignale sehen und verstehen müssen. 75 Prozent des Pflege­personals sagen – das ist auch der Einleitungssatz der Volksanwaltschaft gewesen –, dass sie in der Pflege verbleiben werden. Das ist das Positive. Das Negative ist aber: 25 Prozent wollen weggehen, und das führt letztendlich dazu, dass die Pflege hinkünftig wirklich schwer zu handeln sein wird und wir sehenden Auges in einen Pflegenotstand laufen werden. Da muss es adaptierte und ganz neue Konzepte geben, und wenn wir das hier im Plenum nicht erkennen, werden wir auch in den nächsten Jahren noch über dieses Thema eingehender diskutieren müssen.

Und der letzte Punkt, den ich noch aufgreifen möchte – dann bin ich aber fertig –, ist, dass man unseren Jugendlichen in unseren psychiatrischen Einrichtungen das Geld belässt, das ihnen auch zusteht. Da gibt es einen Fall aus Niederösterreich, wo man eine Drittelregelung gehabt hat. Das heißt, Kindern und Jugendlichen, die eine psychiatrische Erkrankung haben, wurde die Möglichkeit eines Übergangswohnens eingeräumt, und man hat ihnen, obwohl es gesetzlich nicht nachvollziehbar gewesen ist, quasi ihr Taschengeld weggenommen. Das kann nicht sein, das darf nicht sein und das sollte auch ganz klar geregelt sein. Da muss der Gesetzgeber eine dementsprechende län­derübergreifende Regelung einführen.

Das sind Fälle, die die Volksanwaltschaft klar aufgezeigt hat, und daher kann ich abschließend nur noch einmal der Volksanwaltschaft dafür Dank aussprechen, dass sie diese Fälle auch klar skizziert hat. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.


12.48.22

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Volksan­walt! Sehr geehrte KollegInnen und wertgeschätzte ZuseherInnen hier auf der Galerie, aber auch zu Hause! Die Berichte der Volksanwälte sind wie immer sehr umfangreich und zeigen auf, dass es im Bereich der Menschen mit Behinderungen nach wie vor einiges zu tun gibt.

Sie haben jetzt schon gehört: Was macht die Institution Volksanwaltschaft? – Sie besucht einerseits Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderungen arbeiten, wohnen, leben, und prüft andererseits Beschwerden von BürgerInnen mit Behinde­run­gen, zum Beispiel wenn Behördenvorgänge ungerecht sind beziehungsweise Behörden­vorgänge Menschen mit Behinderungen besonders betreffen.

In beiden Fällen sehen wir immer wieder, dass Menschen mit Behinderungen erweiterte Unterstützungsmaßnahmen oder andere Angebote bräuchten. Oft weiß man aber nicht


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genau: Sind das Einzelfälle? Sind das ein paar wenige? Oder haben wir es wirklich mit strukturellen Problemen zu tun?

Fakt ist, genau das wissen wir oftmals nicht, da uns die Daten nicht umfassend, nämlich im Sinne eines Gesamtüberblicks, einer Gesamtschau über Österreich, vorliegen, weil zum Teil die Daten zur Lebenssituation, zur Wohnsituation oder auch zur Arbeitsmarkt­situation von Menschen mit Behinderungen in unterschiedlichsten Quellen liegen.

Auch im Bereich des Katastrophenschutzes fehlt eine zentrale Übersicht, ebenso zu geschlechtsspezifischen Aspekten.

Hier ein paar Beispiele, um ein bisschen verständlicher zu machen, was ich meine: Wir können also zum Beispiel derzeit nicht sagen, wie viele Menschen mit Behinderungen gerne am Ersten Arbeitsmarkt arbeiten würden, weil wir nicht genau wissen, wie viele Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten sind, die zum Beispiel gar keine Arbeit suchen würden oder die sich eine Arbeit zutrauen.

Die Caritas hat dazu eine Umfrage gemacht: Über 60 Prozent ihrer zu betreuenden KundIn­nen in den Werkstätten würden sich eine Arbeit am Ersten Arbeitsmarkt zutrauen, aller­dings – und das macht mich als Mitmensch, als Politikerin schon betroffen – haben diese Menschen Angst, dass sie den Ansprüchen der ArbeitgeberInnen, also den An­sprüchen der Wirtschaft, nicht gewachsen sind. Das möchte ich hier ganz klar sagen, weil mich das eben betroffen macht: Natürlich sind Menschen mit Behinderung dem Arbeitsmarkt gewach­sen! Das ist ein Stereotyp, das ist ein Mythos, der sich da negativ auf die betroffene Person, auf ihr Selbstwertgefühl, aber natürlich auch auf unsere Wirtschaft auswirkt.

Aber zurück zu den Daten, die eigentlich der Inhalt meiner Rede sein sollten. Es fehlt also der Überblick darüber, wie viele Menschen mit Behinderung insgesamt Werkstätten besuchen, über die Wohnsituation, aber auch darüber, welche Arbeitsmarktchancen und Potenziale es da noch gibt. Natürlich ist es aber zentral, einen Überblick zu haben, um zum Beispiel die Unterstützungsleistungen wirklich effizient und passgenau ausbauen zu können, um es zum Beispiel auch ermöglichen zu können, in den eigenen Wohnungen zu leben oder in Wohngemeinschaften zu sein, in die eigene Wohnung zu ziehen, entsprechende Unterstützungsmaßnahmen dafür zu setzen, wie auf dem Weg in den Ersten Arbeitsmarkt, oder auch auf Krisen- und Katastrophensituationen wirklich vorbereitet zu sein. Ich möchte da nur das Beispiel aus Deutschland erwähnen – falls Sie das kennen –, wo aufgrund der Überschwemmung einige Menschen mit Behin­derungen leider verstorben sind, weil der Katastrophenschutz nicht zeitgerecht bei den Menschen war, weil er die Daten nicht hatte. Ich glaube, niemand von uns möchte so etwas in Österreich erleben.

Ohne diese Daten und Informationen wird es auch bei Finanzverhandlungen immer schwierig bleiben, ein Budget zum Beispiel für die Deinstitutionalisierung zur Verfügung zu stellen. Das, glaube ich, sagen mir alle Finanzler: Daumen-mal-Pi-Schätzungen ha­ben sie nicht so gerne.

Auch die Volksanwaltschaft hat in ihrem Bericht kritisiert, dass die Statistik Austria zwar über die Befugnis verfügt, die Daten von Lebensfeldern von Menschen mit Behinderung zusammenzutragen, aber der politische Auftrag fehlt. Deshalb freue ich mich, dass ich heute den schon von Kollegin Martina Diesner-Wais angekündigten Entschließungs­antrag einbringen darf:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Datenerhebung im Bereich Menschen mit Behinderungen“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 97

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, die Erhebung und das Zusammentragen bereits vorhandener Daten in Auftrag zu geben, um die statistischen Datengrundlagen zu Planungszwecken im Bereich Men­schen mit Behinderungen zu verbessern. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Arbeitsmarkt, Deinstitutionalisierung – Aufbau gemeindenaher Unterstützungsleis­tun­gen und Katastrophenschutz. Geschlechts- und genderspezifische Auswertungen sollen berücksichtigt werden.“

*****

Zum Schluss möchte ich mich bei der Volksanwaltschaft aufrichtig bedanken für ihre Berichte, für ihre Hinweise, ihre Besuche in den Einrichtungen, das Ernstnehmen von Belangen der BürgerInnen mit Behinderungen und besonders – als kleiner Hinweis, Sie (in Richtung Volksanwalt Achitz) haben ja heuer einen Schwerpunkt gesetzt – zur sexu­ellen Selbstbestimmung in Institutionen, wozu wir im Hohen Haus hoffentlich auch noch sprechen dürfen, sobald weitere Ergebnisse vorliegen. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Heike Grebien, Kira Grünberg, David Stögmüller

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Datenerhebung im Bereich Menschen mit Behinderungen“

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 3. 45. Bericht der Volksanwaltschaft (01. Jänner bis 31. Dezember 2021) (III-531/1516 d.B.)

Begründung

Mit dem OPCAT-Durchführungsgesetz wurde die Volksanwaltschaft zum Schutz und der Förderung der Menschrechte mit den Aufgaben als Nationaler Präventionsmechanismus entsprechend betraut. Zusätzlich wurde das Mandat der Volksanwaltschaft in Ent­sprechung der UN-Behindertenrechtskonvention um die Prüfung der Einrichtungen und Programme für Menschen mit Behinderungen und der Beobachtung und begleitenden Überprüfung verwaltungsbehördlicher Zwangsakte erweitert.

Die Volksanwaltschaft weist in ihrem aktuellen Bericht „Präventive Menschenrechts­kon­trolle“1 auf das Problem hin, dass aussagekräftige Daten und Statistiken zu vielen Lebensbereichen von Menschen mit Behinderungen in Österreich fehlen. So stellt das Volksanwaltschaftskollegium fest, dass die Statistik Austria zwar über die Befugnis verfüge, Daten zu Lebensfeldern von Menschen mit Behinderungen zusammen­zutra­gen, ein diesbezüglicher Auftrag jedoch fehle.

Die Volksanwaltschaft ist einerseits beauftragt, in Umsetzung von Art. 16 der UN-Behin­dertenrechtskonvention durch die Prüfung von Einrichtungen und Programmen präventiv gegen Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch von Menschen mit Behinderungen vorzu­gehen. Andererseits stellen Beschwerden von Menschen mit Behinderungen einen we­sentlichen Teil ihrer Kontrolltätigkeit der Verwaltung dar. In beiden Arbeitsfeldern zeigt sich, dass fehlende Daten ein wesentliches Hindernis sind, um die Lebenssituation von


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Menschen mit Behinderungen zu verbessern – eine Beobachtung, die auch der öster­reichische Monitoringausschuss immer wieder geteilt hat.2 Aus diesem Grund sollte die wichtige Anregung der Volksanwaltschaft aufgegriffen und eine Verbesserung der Datenlage angestrebt werden.

Um wirksame Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen in den ver­schiedenen Lebensbereichen anbieten zu können, sind im ersten Schritt eine gute Bedarfserhebung und Angebotsplanung erforderlich. Dafür braucht es umfassende statistische Daten über die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in Österreich. Darauf verweist auch Art. 31 der UN-Behindertenrechtskonvention3, weshalb die Vertragsstaaten aufgefordert werden, geeignete statistische Daten zu erheben, um Konzepte zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention zu erarbeiten.

In Österreich fehlen diese statistische Daten häufig in der erforderlichen Quantität und Qualität. Auf diesen Umstand wird (mit Fokus auf Frauen und Mädchen mit Behin­derungen) bereits in den „Abschließenden Bemerkungen“ (Concluding Observations)4 des UN Ausschusses über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach der letzten Staatenprüfung Österreichs zur Umsetzung der UN-Behindertenrechts­konven­tion hingewiesen.

Um diesem Defizit Rechnung zu tragen, sollte die Empfehlung der Volksanwaltschaft umgesetzt werden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, die Erhebung und das Zusammentragen bereits vorhandener Daten in Auftrag zu geben, um die statistischen Datengrundlagen zu Planungszwecken im Bereich Men­schen mit Behinderungen zu verbessern. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Arbeitsmarkt, Deinstitutionalisierung – Aufbau gemeindenaher Unterstützungsleis­tun­gen und Katastrophenschutz. Geschlechts- und genderspezifische Auswertungen sollen berücksichtigt werden.“

1 https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/32cb0/pb-45-praeventiv_2021_bf-1.pdf.

2 Monitoringausschuss (2016): Stellungnahme De-Institutionalisierung, Wien S. 9f (https://www.monitoringausschuss.at/download/stellungnahmen/de-institutionalisierung/MA_SN_DeInstitutionalisierung_final.pdf).

3 BMSGPK (2016): UN-Behindertenrechtskonvention. Deutsche Übersetzung der Kon­vention und des Fakultativprotokolls, Wien.

4 BMASGK (2013): Abschließende Bemerkungen zum ersten Bericht Österreichs des Ausschusses der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderun­gen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Ich erteile Ihnen das Wort.



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12.53.38

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Hohes Haus! Während wir hier den Bericht der Volksanwaltschaft diskutieren und debattieren – auch den Bereich der präventiven Menschenrechtskontrolle, der ein eigener Berichtsteil ist –, werden in Österreich über 1 400 Menschen im Maßnah­men­vollzug festgehalten – gerade jetzt.

Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, eigentlich ihrer Freiheit beraubt sind. Sie werden festgehalten wie Strafgefangene, obwohl sie keine Strafgefangenen sind, weil sie, was den Maßnahmenvollzug betrifft, in Behandlung sind – sei es, weil sie überhaupt unzurechnungsfähig waren, als sie eine Straftat begangen haben, und daher nicht als Straftäter gelten, oder sei es, weil sie aufgrund besonderer persönlicher Disposition, psychischer Erkrankung, Suchterkran­kung behandlungsbedürftig sind. Das sind also Patienten, und sie werden in Österreich wie Strafgefangene behandelt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits in zwei Urteilen – eines im Jahr 2015 und eines im Jahr 2017 –, in denen Österreich verurteilt worden ist, aus­gesprochen, dass Österreich die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich im Verfassungsrang. Mit anderen Worten: Österreich verletzt immer noch tagtäglich hinsichtlich der im Maßnah­menvollzug festgehaltenen Personen die eigene Verfassung. Das ist ein vollkommen unhaltbarer Zustand, meine Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

Ich bin sehr dankbar, dass die Volksanwaltschaft das auch sehr deutlich ausspricht. Auch heute hat Volksanwalt Amon darauf hingewiesen, dass im Bereich des Maß­nahmen­vollzuges dringendster Handlungsbedarf besteht, und zwar auf drei Ebenen.

Erstens auf der gesetzlichen Ebene: In zwei Jahren habe ich bereits sieben parla­men­tarische Anfragen an die Justizministerin gerichtet: Wie schaut’s aus mit den Verbesse­rungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Maßnahmenvollzug? – Wir werden nur vertröstet: irgendwelche Diskussionen, irgendwelche Abstimmungen würden noch fehlen. Das ist nicht akzeptabel!

Das zweite Thema ist: Wie sind die Anstalten ausgestaltet, wie sind diese Kranken­einrichtungen ausgestattet und ausgestaltet, in denen diese Behandlungen stattfinden sollen? – Auch das entspricht bei Weitem nicht menschenrechtlichen Standards.

Das Dritte ist, dass die Feststellung, ob und inwieweit jemand überhaupt in den Maß­nahmenvollzug zu übernehmen ist, auf der Basis von Gutachten zu erfolgen hat und wir da riesigen Handlungsbedarf haben, was die Qualität der Gutachten betrifft. – Das heißt also: eine Riesenbaustelle für das Justizministerium!

Ich würde meinen – das Justizministerium hat gestern wieder sein Sommerfest gefeiert –, dass das Justizministerium eigentlich überhaupt nichts zu feiern hat, solange dieser Miss­stand im Bereich des Maßnahmenvollzugs nicht behoben wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte.


12.57.19

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Volksanwalt! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 100

auf der Galerie und zu Hause! Österreich hat eine gut funktionierende Verwaltung, aber wo gehobelt wird, da fallen bekannterweise auch Späne. So ist es gut, dass wir mit der Volksanwaltschaft eine kompetente Einrichtung haben, an die sich Menschen, welche sich von der Verwaltung mangelhaft oder gar ungerecht behandelt fühlen, wenden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Rund 23 000 Menschen haben sich im Jahre 2021 mit einem Anliegen an die Volks­anwaltschaft gewandt, und daraus resultierte die Einleitung von insgesamt 11 500 Prüf­verfahren. Mit dem vorliegenden Bericht legt die Volksanwaltschaft nun umfassend Rechenschaft über ihre Tätigkeit im vergangenen Jahr ab. Als Mitglied des Unter­richtsausschusses, Pädagogin und Leiterin einer Mittelschule interessieren mich natür­lich vordergründig jene Inhalte des Berichts, die sich mit Bildung befassen.

Wir wissen, dass gerade im Bildungsbereich seit Beginn der Pandemie enorm viel geleis­tet wurde. Um den Präsenzunterricht über weite Strecken hinweg aufrechterhalten zu können, mussten zahlreiche Maßnahmen gesetzt werden. Dementsprechend standen von den insgesamt 152 Fällen, die die Volksanwaltschaft dem Bildungsbereich zuordnet, 90 Fälle in Zusammenhang mit der Pandemie. Fast alle dieser Beschwerden betrafen die schulischen Schutzmaßnahmen gegen Covid-19, aber gerade diese Maßnahmen waren richtig, wichtig und auch erforderlich (Abg. Loacker: Das kann man doch nicht ernsthaft behaupten!), um die Krise auch an unseren Schulen gut bewältigen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Schulbereich für den enormen Einsatz und für die vielen zusätzlichen Leistungen, die sie coronabedingt erbringen mussten. (Beifall bei der ÖVP.)

Eine besonders einschneidende schulische Schutzmaßnahme gegen Covid-19, und auch das steht im Bericht der Volksanwaltschaft, war die zeitweise Umstellung des Unterrichts auf Distancelearning. Sie stellte viele Lehrkräfte, aber auch Schülerinnen und Schüler vor die Frage, wie sie den Fernunterricht bewältigen sollen.

Umso mehr freut es mich, dass es dem Bundesminister für Bildung gelungen ist, sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten auszustatten. Es wurden überdies viele Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich geschaffen. So wird die Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen an unseren Schulen erleichtert. Auch die Einführung administrativer Assistenzen an unseren Pflichtschulen ist ein weiterer wichtiger und großer Meilenstein. Im Zuge dieser Aufstockung werden nun 700 Assistenzstellen zur Unterstützung der Schulleitungen und Lehrkräfte an den Pflichtschulen im Bereich der Schulverwaltung zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, trotz Mehrfachbelastungen gab es zahlreiche Innovationen im Bildungsbereich, die erfolgreich umgesetzt wurden. Dafür bedanke ich mich noch einmal in erster Linie bei allen Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch bei den Schul­leitungen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

Ich bedanke mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Volks­anwaltschaft und bei den Volksanwälten für ihren großartigen Einsatz, die Verbes­serungsvorschläge und den umfassenden Bericht. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

13.01


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße nun Herrn Volksanwalt Rosenkranz sehr herzlich im Hohen Haus und erteile Abgeordnetem Mario Lindner das Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 101

13.01.18

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Herren Volksanwälte! Vorweg darf ich mich im Namen meiner Frak­tion ganz herzlich bei Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihre wirklich wertvolle Tätigkeit bedanken.

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, mich in meinem Namen, als persönlich Betroffener, ganz, ganz herzlich bei der Volksanwaltschaft zu bedanken. Ich hatte als Mann, der Sex mit Männern hat, selbst eine Beschwerde bei der Volksanwaltschaft eingebracht – genauso wie Transmenschen eine Beschwerde eingebracht haben –, nämlich aufgrund der Blutspendediskriminierung, die noch vorliegt. Aufgrund dieser Be­schwerde ist es jetzt auch, glaube ich, dazu gekommen, dass mittlerweile eine Verord­nung des Gesundheitsministeriums vorliegt. Das ist ein großer Erfolg der Volksan­walt­schaft, aber es ist auch ein großer Erfolg der unzähligen Aktivistinnen und Aktivisten der Community. In diesem Sinne: vielen herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren, die Verordnung liegt vor. Dr. Helmut Graupner, der Präsident des Rechtskomitees Lambda, hat dazu Folgendes gesagt – ich zitiere –: „Auch nach der Novelle der Blutspenderverordnung (BSV) ist es irrelevant, ob Blutspender•innen ge­schützt oder ungeschützt Sex haben. Solange man nicht mehr als drei Sexpartner•innen in den letzten drei Monaten hatte, darf man Blut spenden. Ob Kondome verwendet wur­den oder nicht: völlig egal!“

Das ist eine sehr bemerkenswerte Aussage. Herr Volksanwalt Achitz als dafür Zustän­diger: Es könnte sein, dass wir uns wieder an Sie wenden, um diese Tatsache zu prüfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum es aber so wichtig ist, dass dieses – unter Anführungszeichen – scheinbar kleine Ding wie die diskriminierungsfreie Blut­spende jetzt umgesetzt wird, möchte ich Ihnen mit der folgenden Nachricht – eine, wie sie unzählige queere Menschen in Österreich tagtäglich bekommen – anschaulich machen. Ich möchte diese Zeilen dem Hohen Haus nicht vorenthalten.

Liebe Frau Präsidentin, ich zitiere – darauf lege ich wirklich sehr, sehr viel Wert –: „Das war wieder ein Tag. Die ganze Ringstrasse gesperrt, wegen euch schwulen, miesen Scheißfiguren. Ist ja unglaublich; gibt es wirklich so viele Warme, Schwule, Lesben, bisexuelle, transgender ( weis nicht was das sein sollte, jedenfalls fürn Arsch ) inter­geschlechtlich ( was ist das? ) queeren ( was ist das? ) Habe die Bilder gesehen und musste kotzen gehen. Die verkleideten warmen Arschlöcher geht alle miteinander scheißen.“


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich kann sehr gut verstehen, wieso Sie das zitieren wollen, und ich teile Ihre Empörung. Wir haben aber die Vereinbarung getroffen, dass wir solche Dinge nicht zitieren. Da wir solche Worte nicht verwenden, weil sie die Würde des Hauses verletzen würden, zitieren wir sie auch nicht. Ich würde Sie bitten, darauf Rücksicht zu nehmen – bei jedem Verständnis für die Emotion und Empörung, die ich zweifelsohne nachvollziehen kann.


Abgeordneter Mario Lindner (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Präsidentin, Zitatende. Wissen Sie, da geht es nicht um mich. Ich bin mittlerweile 40 Jahre alt, 1,95 Meter groß und bringe 120 Kilo auf die Waage. Was mir aber wirklich wehtut: wenn jugendliche queere Menschen in Österreich und darüber hinaus so etwas lesen müssen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, das geht nicht! Wir haben in Österreich im Bereich der LGBTIQ-Bewegung noch viel zu tun. In diesem Sinne: Happy Pride! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

13.05


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Christian Lausch, bitte, Sie gelangen zu Wort.


13.05.40

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwälte! Auch wir sind der Meinung, dass die Volksanwaltschaft in Zeiten wie diesen eine ganz, ganz wichtige Institution ist. Ich habe – das muss ich dazusagen – in meinem politischen Leben die Erfahrung gemacht, dass Sie, meine Herren, oft die letzte Hoffnung für Menschen, die mit der öffentlichen Verwaltung nicht so gute Erfahrungen gemacht haben, sind. Da hört man immer: Soll ich mich an die Volksanwaltschaft wenden? Ich glaube auch, dass die Sprechtage bei den Bezirksverwaltungsbehörden eine gute Idee sind, damit zeigt man Bürgernähe.

Ich bedanke mich wirklich aufrichtig. Vorredner und Vorrednerinnen haben vom poli­tischen Bild der Volksanwaltschaft gesprochen: Ich kann das überhaupt nicht nach­vollziehen. Ich glaube, man kann sich mit jedem Anliegen an jeden Volksanwalt wenden und man wird dort – das sind meine Erfahrungen – sehr, sehr gut behandelt. Das soll auch so bleiben.

Ganz kurz zum Bericht: Volksanwalt Amon ist jetzt leider nicht da. Er hat das sehr gut ausgeführt. Es gibt mit der Bauordnung – man braucht sich ja nur die Sendung „Bür­geranwalt“ anzuschauen – österreichweit immer mehr Probleme, immer größere Prob­leme. BürgerInnen fühlen sich schlecht behandelt, man hat oft auch das Gefühl, dass die Bürgermeister kleiner Gemeinden ein bisschen überfordert sind. Da sollte man sich etwas einfallen lassen, damit die Volksanwaltschaft hinkünftig nicht so oft mit Bauord­nungsthemen beansprucht wird. Da muss sich etwas ändern, damit auch kleine Gemeinden, die nicht so viel Budget haben, sich Bausachverständige, die ja gutes Geld verdienen, leisten können. Vielleicht können sie auch mehr von den Bezirksver­wal­tungs­behörden unterstützt werden. Das eine oder andere Bundesland zeigt das ja schon vor.

Zweites Thema, Polizeianhaltezentren: Es wundert mich – einen Menschen, der aus dem Strafvollzug kommt – auch immer, dass Besuche der Angehaltenen in Polizei­anhaltezentren nahezu gar nicht in Form von Tischbesuchen erfolgen. Man versperrt sich da sehr vonseiten des Innenministeriums, den Polizeianhaltevollzug, der ja kein Strafvollzug in diesem Sinne ist, mehr an den Strafvollzug anzupassen.

Polizeiamtsärzte sind auch ein großes Thema. Die Stadt Wien zum Beispiel hat 33 Planstellen. Das klingt nach sehr viel, ist aber in der Praxis sehr, sehr wenig. Es gibt die größten Probleme, da nicht ausreichend Polizeiamtsärzte zur Verfügung stehen. In Österreich muss jeder Angehaltene – und das ist gut so – von Amtsärzten gesundheitlich begutachtet werden. Es könnte ein großes Problem auf uns zukommen, wenn man Polizeiamtsärzte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung hat. Auch da gibt es viel zu tun, weil man natürlich, wenn am Ende des Tages kein Polizeiamtsarzt zur Verfügung steht, im Endeffekt die Anhaltung im Polizeianhaltezentrum beenden müsste, denn: Wer übernimmt die Verantwortung, wenn der Angehaltene gesundheitlichen Schaden nimmt?

In diesem Sinne noch einmal herzlichen Dank an die Volksanwälte. Danke für die gute Zusammenarbeit. Danke dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger jederzeit an euch wenden können und dann auch vorzüglich behandelt werden. Herzlichen Dank dafür! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

13.09



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 103

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Rausch. – Bitte.


13.09.47

Abgeordnete Mag. Bettina Rausch (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Volksanwälte! Liebe Gäste hier im Hohen Haus und vor den Bildschirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind beinahe am Ende dieser Debatte, deswegen vielleicht noch einmal für alle, die die Debatte verfolgen: Wir diskutieren hier heute vielfältige Themen, weil wir den Bericht der Volksanwaltschaft diskutieren. Die Volks­anwaltschaft ist ein Gremium, an das sich alle Menschen in Österreich wenden können, und deshalb möchte ich vielleicht auch noch einmal erklären, für all diejenigen, die ein entsprechendes Anliegen haben, was die Volksanwaltschaft eigentlich genau ist:

Sie ist ein parlamentarischer Ombudsrat, also wenn man so will ein Vertretungsrat der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Behörden. Sie dient der Kontrolle der öffent­lichen Verwaltung, was in einem komplexen Rechtsstaat und – wir erleben es hier jeden Tag – einem Rechtsstaat, der immer komplexer wird, angesichts der Gemengelage, der wir uns gegenübersehen, einfach notwendig ist. Die Volksanwaltschaft ist eine Erfolgs­geschichte seit über 40 Jahren.

Es waren über 23 600 Menschen, die sich letztes Jahr mit Anliegen an die Volks­an­waltschaft gewandt haben. In der Hälfte der Fälle gab es dann ein formelles Prüf­ver­fahren. Daran können wir sehen, wie beschäftigt auch unsere drei Volksanwälte – und ich kann unsere sagen, weil sie ja vom Parlament bestellt und auch uns hier gegenüber berichtspflichtig sind – und ihre Teams heuer waren. Das ist großartig, dafür kann man nur – und damit schließe ich mich dem Dank der Kolleginnen und Kollegen an – ein großes Danke sagen, ein Danke für diese engagierte Arbeit im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte es vielleicht deutlich machen – das kann man sich als Parlamen­tarier/Par­lamentarierin, als der/die man natürlich auch Ansprechperson für Bürgeranliegen und Bürgerfragen ist, auch vorstellen –: Das entspricht im Schnitt 95 Anliegen pro Arbeitstag. Das ist keine Kleinigkeit.

Seit 2012 erfüllt die Volksanwaltschaft zusätzlich die Aufgabe als nationaler Präven­tionsmechanismus für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte. Im Zusam­menhang mit diesem Thema wurden in Österreich Justizanstalten, Polizeiinspektionen, psychiatrische Einrichtungen und Pflegeheime besucht und beobachtet. Es gab 570 Kom­missionseinsätze, 13 Round-Table-Gespräche. Ganz viel Herzblut und Hirnschmalz fließen in diese Arbeit, um – und das ist das Wichtige – die Arbeit der Behörden auch entsprechend zu verbessern.

Ich möchte das noch einmal einordnen. Gerade wenn wir den Blick Richtung Osten wenden, erkennen wir sehr gut, wie schnell es gehen kann, dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden, und dass wir diese nicht für garantiert hinnehmen dürfen. Wenn ich Osten sage, meine ich ganz besonders die Ukraine und den Angriffskrieg, den wir dort erleben. Wir haben gestern ja mit Ausnahme der Kolleginnen und Kollegen der FPÖ die Ausführungen von Präsident Stefantschuk verfolgt, und die haben mich sehr, sehr betroffen gemacht. Ich glaube, auch in diesem Zusammenhang kann man froh sein, dass es diese Behörden in Österreich gibt, dass diese Behörden überprüft werden und dass die Volksanwaltschaft auch ein Garant für die Einhaltung der Menschenrechte ist.

Auf zwei Punkte möchte ich noch einmal explizit eingehen, weil sie heute auch ent­sprechend diskutiert wurden und weil sie, denke ich, auch zeigen, wie gut das Zusam­menwirken zwischen den Prüfbehörden, der Volksanwaltschaft und letztlich dann auch dem Parlament und der Regierung bei der Umsetzung ist.


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Zum einen: Das Blutspendeverbot für homosexuelle Personen findet endlich ein Ende. Diese pauschale Diskriminierung ist abgeschafft und durch eine sehr konkrete, verhal­tensorientierte Regel ersetzt worden. Ich möchte mich da auch ausdrücklich bei Staats­sekretärin Claudia Plakolm für ihre Bemühungen bedanken. Sie hat da viel Über­zeugungsarbeit geleistet und das vonseiten der Regierung in Umsetzung gebracht. Zum anderen möchte ich die Studienbeihilfe ansprechen. Auch diesbezüglich finde ich es sehr gut, dass wir eine sehr praxisnahe Möglichkeit der einfacheren Zugänglichkeit gefunden haben.

Zum Abschluss sage ich noch einmal ein Danke für die guten Gespräche und das Zusammenwirken von Volksanwaltschaft und Parlament. Ich denke, es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass wir auch guten Mutes in die Zukunft gehen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

13.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


13.14.01

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Volksanwälte! Ja, natürlich schließe ich mich auch dem Dank meiner Vorrednerinnen und Vorredner an die Volksanwaltschaft an, weil die Volksanwaltschaft Jahr für Jahr beweist, wie angesehen und wie akzeptiert sie in der Bevölkerung ist. Das sieht man natürlich an den Fallzahlen und an der Entwicklung der Fallzahlen, und das ist ein Indiz für die hohe Qualität der Arbeit, die die Volksanwaltschaft leistet.

Ein Faktor ist natürlich auch, wie man die Leistungen der Volksanwaltschaft der breiten Öffentlichkeit bekannt machen kann, und da – wir haben es im Ausschuss auch wieder besprochen – ist natürlich die Fernsehsendung „Bürgeranwalt“, durch die sie eine starke Medienpräsenz erfährt, sehr, sehr hilfreich. Diese Sendung ist natürlich auch ein Treiber für die Fallzahlen, die Menschen kommen auf Sie (in Richtung Volksanwälte) zu. Ich glaube, dass das gut und richtig ist – nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir uns bemühen sollten beziehungsweise die Volksanwaltschaft sich durchaus bemühen sollte, auch andere Medienkanäle zu nutzen. Wir haben heute schon von dem Youtube-Video, das es gibt, gehört und dieses auch schon im Ausschuss besprochen. Das ist schon ein sehr, sehr gutes Beispiel, ich glaube nur, dass da noch Luft nach oben ist, und ich weiß, dass Sie in der Volksanwaltschaft daran arbeiten, das auch weiter zu verbessern.

Im Ausschuss habe ich mich am meisten auf den Themenkomplex Inneres konzentriert, weil im Vollzugsbereich Inneres in diesem Berichtsjahr doch wieder knapp 2 000 Be­schwerden eingegangen sind, und fast zwei Drittel davon betreffen den Bereich Asyl- und Niederlassungsrecht. Die Zahlen in diesem Bereich sind zwar rückläufig – sie erreichten einmal einen Höhepunkt im 2017er-Jahr, im Vergleich dazu gehen die Zahlen jetzt natürlich schon ein bisschen nach unten –, nichtsdestotrotz sind es trotzdem noch relativ viele Beschwerden, die in diesem Bereich aufkommen und angenommen werden.

Ich glaube, wir müssen als Anregung oder als Qualitätskriterien zwei Themen, zwei Aspekte betrachten: zum einen die Verfahrensdauer, die in vielen Fällen zu lange ist, zum anderen natürlich auch die Verfahrensqualität. Auf beide Aspekte weist die Volks­anwaltschaft hin, und das ist gut und richtig so. Ich glaube, es muss natürlich auch immer die dementsprechende personelle Ausstattung vorhanden sein.

Ein Thema wurde schon angesprochen, ich erwähne es trotzdem noch einmal, weil es mich seit 2017, seit ich im Volksanwaltschaftsausschuss bin und seit ich hier im Natio­nalrat bin, begleitet: das Thema Maßnahmenvollzug. Da geht halt einfach ganz, ganz wenig weiter. Jetzt gibt es zwar erste Ankündigungen, aber wenn sich solche Themen


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so lange ziehen und uns so lange in Volksanwaltschaftsberichten begleiten, ist das schon auch ein klarer Handlungsauftrag an die Regierung, dass in diesem Themen­bereich endlich etwas getan werden muss. Darum richte ich hier noch einmal einen Appell an die Bundesregierung, diese leidigen Themen, die uns schon so lange be­glei­ten, endlich anzupacken.

In diesem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön an die Volksanwälte und alles Gute. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte.


13.17.10

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Österreich ist ein funktionierender Rechts­staat, wir haben die Gewaltentrennung, und das ist gut so. – Frau Präsidentin! Werte Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aber auch geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen und auch hier auf der Galerie! Wir diskutieren unter diesem Tagesordnungspunkt nun den Bericht der Volksanwaltschaft für das abgelaufene Jahr 2021. Mit der Volksanwaltschaft haben wir eine ganz besondere Ein­richtung. Die Volksanwaltschaft bietet eine wichtige Hilfsfunktion für jene Bürgerinnen und Bürger, die sich von der Verwaltung einerseits mangelhaft oder andererseits ungerecht behandelt fühlen.

Rund 23 600 Menschen wandten sich im Jahre 2021 mit einem Anliegen an die Volks­anwaltschaft. Dies entspricht einer Steigerung von sage und schreibe 32 Prozent gegen­über dem Jahr 2020. Dazu wird sicher auch die Pandemie das eine oder andere bei­getragen haben. Über 11 500 Prüfverfahren wurden dann schließlich eingeleitet. Als unabhängige Kontrolleinrichtung hat die Volksanwaltschaft die Aufgabe, behauptete oder vermutete Missstände in der Verwaltung zu prüfen und aufzuklären. Oft hilft sie aber auch dabei, Missverständnisse ganz einfach aufzuklären und auf diese Art und Weise bereits einer Lösung zuzuführen.

Der nun vorliegende Bericht legt aber nicht nur Zeugnis über Missstände ab, sondern man kann sehr oft durchaus auch einiges Positive herauslesen und dann weiterver­wenden. Wenn man den Bericht der Volksanwaltschaft liest, stellt man bald auch fest: Es gibt Probleme, die einige wenige Personen betreffen, aber es gibt auch Probleme, die viele Menschen betreffen. Das Spektrum ist somit ein sehr breites.

Ich möchte ein positives Beispiel herausgreifen. In den Jahren 2018 und 2019 kam es in Österreich, das ist durchaus bekannt, zu großflächig auftretenden Waldschäden, verur­sacht durch Schnee, Sturm, aber auch Borkenkäfer. Zur Abfederung der damals auf­getretenen und damit verbundenen Verluste für die bäuerlichen Betriebe und auch die großen Forstbetriebe beschloss der Nationalrat am 7. Juli 2020 mit dem Waldfonds­gesetz die Einrichtung des Waldfonds.

Mit dem Waldfonds wurde ein großes Zukunftspaket für unsere Wälder geschnürt: 350 Millionen Euro für zehn Maßnahmen, von denen letztendlich wir alle – auch wir, die wir hier herinnen sitzen – profitieren. Es ist ja bekannt: Der Wald schützt vor Natur­gefahren, er speichert CO2, er produziert den lebensnotwendigen Sauerstoff, er filtert das Wasser, das wir alle so sehr in unserem Leben schätzen. Er ist Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen, bietet den Menschen den nötigen Erholungsraum und versorgt uns mit dem nachhaltigen Rohstoff Holz.

Die Einrichtung des Waldfonds war somit ein Erfolgsmodell. Die Volksanwaltschaft trug bei der Umsetzung dieses Waldfonds Lösungsvorschläge aus den Problemen in der Praxis, die an sie herangetragen worden sind, mit bei. So soll es auch sein, denn man muss sich ja weiterentwickeln.


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In diesem Sinne: Vielen Dank für die Arbeit, die die Volksanwaltschaft bei vielen Ter­minen online oder auch vor Ort geleistet hat! Jedes gelöste Problem, ob klein, ob groß, macht unsere Heimat noch schöner und noch lebenswerter. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.21 13.21.21


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Gut, dann gehe ich auch so vor. Wir brauchen keine Unterbrechung, sondern kommen zu den Abstim­mun­gen.

Abstimmung über den Antrag des Volksanwaltschaftsausschusses, den vorliegenden Bericht III-531 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen:

Wer sich für die Kenntnisnahme des Berichts ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Heike Grebien, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Daten­erhebung im Bereich Menschen mit Behinderungen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Auch der ist einstimmig angenommen. (253/E)

13.22.224. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2597/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (1489 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler im Hohen Haus und erteile Frau Abgeordneter Andrea Kuntzl als Erster das Wort. – Bitte.


13.23.04

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Durch die letzte Regierungsumbildung vor wenigen Wochen und die neue Kompetenzverteilung, die dabei vorgenommen wurde, ist es notwendig, das Bundesministeriengesetz zu ändern, was wir jetzt unter diesem Tages­ordnungspunkt vornehmen.

Dazu muss man sagen, dass dies, seit diese Regierung besteht, seit Jänner 2020 – also noch nicht so lange –, bereits die sage und schreibe 14. Regierungsumbildung war. Das ist also nicht gerade ein stabiles Bild, das diese Bundesregierung abgibt. Bei den diversen Geschichten, die in der ÖVP in letzter Zeit immer wieder aufpoppen, hat man nicht den Eindruck, als ob sich das in Richtung stabilere Verhältnisse entwickeln würde.

Zu dieser Regierungsumbildung ist zu sagen, dass aus unserer Sicht einer der Punkte, die durchaus schmerzen, jener ist, das nach dem Rücktritt von zwei ÖVP-Ministerinnen, also von zwei Frauen in der Regierung, diese durch zwei Männer und eine Frau ersetzt


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wurden, durch einen Minister, einen Staatssekretär und eine Staatssekretärin. Das ist schade. Ich hoffe, dass man bei der nächsten Regierungsumbildung – die wahr­schein­lich ansteht – wieder mehr darauf schaut, dass der Frauenanteil entsprechend ausge­glichen bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, der in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung findet, ist, dass durch das Wechseln von Kompetenzen, durch deren Hin- und Herschieben zwischen den Ministerien, ja auch die Bediensteten sehr betroffen sind, sich da Konsequenzen ergeben, zum Beispiel was die Personalvertretung betrifft. Wenn man die diversen Kompetenzen hin- und herschiebt, sollte man auch darauf achten, was das für die Leute, die dort arbeiten, und deren Arbeitsbedingungen bedeutet. Darauf möchten wir aus­drücklich hinweisen.

Ein Punkt, der aus unserer Sicht auf besondere Kritik gestoßen ist, ist die Zusam­men­legung von Arbeit und Wirtschaft in einem Ressort, denn es liegt ja auf der Hand, dass bei Materien, bei denen ein Interessenausgleich stattfinden soll und muss, bei denen oft gegensätzliche Interessen zu verhandeln und zu behandeln sind und bei denen man dann miteinander einen Ausgleich und eine ausgewogene Sicht der Dinge entwickeln soll, das schwer in einem Ministerium möglich ist. Das ist dieses: Wer ist stärker, ich oder ich?, und in diesem Fall, bei dem beide Materien in einem Ministerium von einer Partei geführt werden, die sich als Wirtschaftspartei begreift, liegt auf der Hand, welche Interessen da eher auf der Strecke bleiben werden: Das sind die Interessen der Arbeitnehmer. Halten Sie sich als Beispiel nur die Verschlechterungen vor Augen, die im Zuge des Arbeitslosengeldes diskutiert werden!

Das heißt, aus unserer Sicht ist diese Novelle unausgewogen. Wir werden ihr nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl. – Bitte.


13.26.48

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Kanzleramtsministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Zuallererst, bevor ich auf das Ministeriengesetz eingehe, möchte ich hier von diesem Rednerpult aus meinen besonderen Dank an Margarete Schramböck und Elli Köstinger richten, für die Arbeit, die sie in der öster­reichischen Bundesregierung geleistet haben. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scherak: War einzigartig! – Abg. Loacker: Das Schließen der Bundes­gärten!) Gerade in krisenhaften Zeiten ist es ganz wichtig, dass wir ganz viele Personen in Österreich gewinnen, die stets den Dienst an der Gemeinschaft leisten. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) In dem Sinne vielen Dank an alle, die hier für Österreich arbeiten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Meine Damen und Herren, der Herr Bundespräsident hat zu Beginn der Pandemie im März 2020 gesagt: „Wir müssen jetzt gemeinsam durch diese Situation durch.“ Und: Je mehr wir zusammenhelfen, je besser wir jetzt zusammenarbeiten, desto schneller werden wir diese Situation gemeinsam meistern. Meine Damen und Herren! Die Ängste waren groß, die Ungewissheit war groß. Viele von uns haben nicht gewusst, wie sie ihr privates Leben, Familie und Arbeit miteinander verbinden können, wie ein Ge­schäft am Laufen gehalten werden kann. Wir haben all diese Sorgen aufgenommen und wir – alle, die hier sitzen – haben versucht, den Menschen immer Antworten zu geben, auch Ängste zu mildern. Unsere Vision damals – ich glaube, da spreche ich für alle hier


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im Hohen Haus – war: Achten wir auf uns und auf andere! Helfen wir zusammen! Arbeiten wir zusammen und meistern wir die Situation gemeinsam!

Heute ist die Situation leider nicht besser, sondern, im Gegenteil, es hat sich noch mehr getan. (Abg. Yildirim: Mehr Chaos!) Neben einer Pandemie, die noch immer nicht zum Stillstand gekommen ist, gibt es heute einen Krieg in Europa und eine aktuelle Teuerung (Abg. Yildirim: Mehr Chaos!), die quer über viele Teile der Welt feststellbar ist. Die Sorgen haben sich nicht aufgelöst, sondern die Herausforderungen sind eigentlich noch größer geworden.

Was wäre also das Gebot der Stunde? – Meine Antwort: Wir müssen weiter zusam­menrücken und miteinander leben. Das ist für die Menschen in unserem Land wichtig. (Ruf bei der SPÖ: Hat das mit dem Bundesministeriengesetz zu tun?! – Weiterer Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Ich glaube, wir schaffen es schon, zusammenzustehen, wenn eine Krise aufpoppt, Frau Kollegin – da Sie hier gerade einen Zwischenruf machen! (Abg. Heinisch-Hosek: Die Krise der Regierung!) Wir haben am Beginn der Pandemie sehr gut zusammengeholfen. Wir haben das auch zu Beginn des Eindringens der Putin’schen Truppen in die Ukraine gemacht, dass wir zusammengestanden sind.

Doch das, was wir als Politik, glaube ich, noch nicht so wirklich können, ist, diesen Zu­sammenhalt dann auch weiter aufrechtzuerhalten (Zwischenruf des Abg. Einwallner – Zwischenruf bei der FPÖ), denn zu verlockend ist es oft, dass wir uns nach dem medialen Echo richten; und die Sorge der Opposition ist oft eher die (Abg. Heinisch-Hosek: Was reden Sie da?!), ihrer Rolle gerecht zu werden. Daher, meine Damen und Herren, glaube ich: In Zeiten wie diesen ist es ganz besonders wichtig, zusammenzustehen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Die Opposition braucht sich keine Sorgen zu machen, dass sie zu wenig Berücksich­tigung findet. Im Gegenteil: Mit Bundeskanzler Nehammer, Finanzminister Brunner, Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher, aber auch Vizekanzler Kogler und gerade mit unserer Kanzleramtsministerin, die heute diese Vorlage hier vertritt, ist es so, dass der Austausch mit der Opposition immer ein wesentlicher ist (Abg. Scherak: Das stimmt, das war früher nicht so!), um die besten Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. (Zwi­schenruf der Abg. Greiner.)

Das ist uns wichtig, meine Damen und Herren, und daher geht es jetzt darum, dass wir in einer Welt, in der wir wirklich vor Umbrüchen stehen – in der Wirtschaft durch unter­brochene Lieferketten (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), am Arbeitsmarkt durch nicht vorhandene Arbeitskräfte –, an einem Strang ziehen. (Abg. Kuntzl: ... eine Krise in der Regierung!)

Franz Josef Strauß hat einst gesagt: „Politik wird mit dem Kopf, nicht mit dem Kehlkopf gemacht“, Frau Kollegin Kuntzl! Es ist daher wichtig, dass wir hier mehr zusam­men­stehen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) und nicht gegeneinander reden. Das ist das, was sich die Menschen in unserem Land erwarten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Yılmaz.)

Wir haben daher genau so, Frau Kollegin Kuntzl, wie das schon Bundeskanzler Gusenbauer, der Ihrer Fraktion angehört hat, gemacht hat, auch die Themen Arbeit und Wirtschaft zusammengelegt (Abg. Heinisch-Hosek: Bartenstein ist ein gutes Beispiel!), weil es uns wichtig ist, dass man die unterschiedlichen Interessen nicht gegeneinander ausspielt (Abg. Heinisch-Hosek: Bartenstein war das!), sondern gemeinsam an Lösungen arbeitet. Mit Minister Kocher haben wir einen Experten an der Hand, der genau diese Agenden in Einklang bringt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Der Tourismus ist einer unserer wichtigsten Wirtschaftszweige, bald 15 Prozent des BIP macht er aus. So freue ich mich auch, dass wir mit Susanne Kraus-Winkler nun eine


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Staatssekretärin für Tourismus haben, die den Tourismusstandort Österreich ent­sprechend weiterentwickelt.

Mit Florian Tursky haben wir einen ausgewiesenen Kenner von digitalen Verände­run­gen, der als Staatssekretär für Digitalisierung diese wichtigen Agenden in die Hand nimmt.

Meine Damen und Herren, mit der Neuaufstellung der Regierung (Abg. Heinisch-Hosek: Wird das die letzte sein?) sichern wir, dass die unterschiedlichen Interessen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern dass wir alle Interessen gemeinsam betrachten und den größten gemeinsamen Nenner finden. (Beifall bei der ÖVP.) Ich möchte daher die Opposition abschließend ganz besonders dazu einladen, gemeinsam mit uns an der Zukunft Österreichs zu bauen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte.


13.32.38

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren hier eine Novelle des Bundesminis­teriengesetzes, welche in Zusammenhang mit den Rücktritten der Ministerinnen Köstinger und Schramböck steht.

Das Herzstück ist die Zusammenlegung des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums, wobei man anmerken muss, dass solche Kompetenzverschiebungen nicht unbedingt notwen­dig wären, sondern – im Gegenteil – eigentlich immer nur zu Beginn einer Legislatur­periode gemacht werden, weil so eine Verschiebung mit einem hohen organisatorischen, bürokratischen und finanziellen Aufwand verbunden ist. Es ist die Frage, ob man die Beamtenschaft in den beiden Ministerien in diesen Zeiten mit Dingen wie Änderung der Logos, der Türschilder, der Visitenkarten, mit dem Anlegen neuer E-Mail-Adressen, dem Einstampfen von Kuverts, Briefpapier und vor allen Dingen auch mit der Zusammen­legung, Konsolidierung der IT beschäftigen soll. – Das hört sich jetzt nach Kleinigkeiten an, das ist es aber nicht. Das führt zu vielen Nachtschichten, die Beamten rotieren jetzt, das kostet Unsummen. Es stellt sich die Frage, ob die Beamten, die ja ohnehin schon die Defizite dieser Bundesregierung und die vielen Rücktritte verkraften und abfedern müssen, jetzt noch mit solchen Dingen überfrachtet werden müssen. Das halte ich für sehr problematisch.

Aber gut, die Kompetenzverteilung ist eines und die Zusammenlegung des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums etwas anderes. Ob das organisatorisch sinnvoll ist oder nicht – entscheidend ist, denke ich, die inhaltliche Ausrichtung. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Regierung dieser Devise von Franz Josef Strauß, Politik werde mit dem Kopf gemacht, die Abgeordneter Gerstl hier zitiert hat, wirklich immer folgt, denn auf den neuen Superminister Kocher kommt natürlich jetzt eine weitere Riesenaufgabe zu: „It’s the economy“ – das ist auch das, was derzeit Präsident Biden in den USA schwer beschäftigt.

Ja, es ist die Wirtschaft, die uns Freiheit, Sicherheit und Wohlstand bringt, wenn man sie lässt. Die ÖVP singt ja immer das Hohelied der freien Marktwirtschaft, hat das aber gerade in den letzten beiden Jahren überhaupt nicht berücksichtigt, wenn man die überschießenden Coronamaßnahmen und jetzt die leider zum Großteil irrationale Sanktions- und Klimapolitik betrachtet.

Wenn man sich nämlich anschaut, wie jetzt vorgegangen wird, sollte man das mit der Situation in der Schweiz vergleichen, die ja irgendwie in einer vergleichbaren Situation wie Österreich ist. Ich empfehle dem neuen Minister Kocher, der jetzt auch das Wirt­schaftsministerium übernimmt, einen Blick in die Schweiz, bevor er losstartet, denn die


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äußeren Umstände, die ja von der Regierung immer für unsere derzeitige schwierige Situation verantwortlich gemacht werden – zum einen eben Corona, zum anderen jetzt der Krieg – gelten für die Schweiz genauso.

Nun, die Schweiz verfolgte in den beiden letzten Jahren eine wesentlich gemäßigtere, maßvollere Coronapolitik, also viel kürzere Lockdowns, Betriebsschließungen, Schul­schließungen, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Sie behielt auch immer – von Beginn an – die wirtschaftlichen Auswirkungen mit allen Folgen im Auge und nimmt übrigens jetzt auch eine echte Evaluierung vor.

Zum Krieg: Sie sieht von diesem Kriegsgebietstourismus und von den leeren Betrof­fenheits- und Moralisierungsfloskeln ab, von denen niemand etwas hat, auch nicht die Ukraine, sondern diskutiert auch in den schweizerischen Medien alle Sanktionen durch, in sachlicher Weise, mit allen wirtschaftlichen Auswirkungen, nämlich einerseits auf Russland, das man bestrafen möchte, und andererseits aber auch auf diejenigen, die die Sanktionen verhängen, wie in diesem Fall eben auch die Schweiz.

Nur ganz kurz am Beispiel Ölembargo: Die Schweiz hat sich jetzt angeschlossen – sie hat gesagt, die EU habe so gedrängt –, ist selbst aber kaum davon betroffen, weil sie nur 0,3 Prozent Öl aus Russland bekommt. Sie hat aber von Anfang an darauf hinge­wiesen, dass das Ölembargo Unsinn ist, denn schon allein die Diskussion darüber wird den Preis sehr stark treiben. Genau das ist eingetroffen und das trifft nicht Russland – ganz im Gegenteil: Russland profitiert von diesen höheren Preisen –, sondern es trifft die EU, es trifft uns ins Mark. Genau so sieht es jetzt aus.

Das heißt, die Schweiz hatte in den letzten beiden Jahren weniger Lockdowns, weniger Tote, weniger Schwerkranke, weniger Inflation – diese liegt dort jetzt bei 2,8/2,9 Pro­zent – und auch eine harte Währung wie den Schweizer Franken. Da könnten wir uns einiges abschauen!

Was ein Schweizer Professor, der in Linz lehrt, auch gesagt hat: Die Österreicher müssen endlich einmal beherzigen, dass die Wirtschaft eine Perspektive braucht, Zuver­sicht braucht. Wenn man heute schon wieder in den News liest: Doppelt so viele Neuinfektionen wie letzte Woche. – Das wird uns nicht weiterbringen. Wir müssen trotz allem optimistisch sein, denn nur so kann Wirtschaft funktionieren und nur so können wir Wohlstand, Sicherheit und Freiheit erhalten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


13.38.08

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Wir beschließen heute eine Novelle zum Bundesministeriengesetz, die durch die Regierungsumbildung, durch den Wechsel innerhalb der Bundesregierung und der unterschiedlichen Bereiche notwendig wurde.

Die Bundesregierung hat sich entschlossen, eine Neuaufstellung nicht nur personeller Art, sondern auch inhaltlicher Art zu machen. Das bedeutet im Wesentlichen immer, dass Sektionen, die für diesen Bereich zuständig sind, in andere Ministerien integriert werden beziehungsweise Staatssekretäre und Staatssekretärinnen damit betraut wer­den.

Vielleicht sage ich auch etwas zu den StaatssekretärInnen – durchaus auch für die Öffentlichkeit –: Diese sind im Grunde keine Mitglieder der Bundesregierung und werden von den jeweils zuständigen Ministern und Ministerinnen in ihrem Ressort durch eine


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Verordnung mit dem Gebiet betraut, für das sie dann zuständig sind. Das haben wir jetzt zusätzlich zur Kunst für den Tourismus und den Digitalbereich.

Der Digitalbereich ist im Gegensatz zum Tourismus eine Querschnittsmaterie, das gibt es in vielen Sektionen und in vielen Ministerien. Wir haben uns darauf verständigt und auch dazu verpflichtet, die Digitalisierung voranzutreiben, aber dort wird das dann alles zusammenlaufen. Dazu ist diese Novelle eben auch notwendig.

Vielleicht noch ein Wort zur Telekom, weil im Vorfeld ja immer wieder darüber diskutiert wurde, ob es eine Unvereinbarkeit gibt, wenn der Finanzminister gleichzeitig Eigen­tümervertreter ist, aber auch hoheitliche Funktionen ausübt. Das wurde auch irgendwie gelöst: Ja, Finanzminister als Eigentümervertreter – aber um die Trennung zu wahren und Interessenkonflikte zwischen Eigentümerstellung und behördlicher Tätigkeit zu ver­meiden, wird in derartigen Fällen der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ent­scheiden, ihm wird die Kompetenz übertragen. Das ist vielleicht noch nicht die letzte Entscheidung dazu. Wir basteln auch an einer Veränderung der Berufung der Ge­schäftsführer im Bereich der Telekom, aber das können wir erst auf Basis dieser Situ­ation machen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Antrag stellen!)

13.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


13.41.10

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Wir haben es schon gehört: Wir müssen das Bundesministeriengesetz än­dern, weil die Bundesregierung zum wiederholten Male ihre Aufstellung geändert hat. Frau Kollegin Blimlinger hat von „Neuaufstellung“ gesprochen. Eine solche Neuauf­stellung macht man ja dann, wenn man mit der ursprünglichen Aufstellung nicht zufrie­den war und glaubt, etwas verbessern zu müssen.

Ein bisschen ähnlich ist es jetzt auch beim Bundesministeriengesetz, man erkennt daran nämlich, dass Änderungen auch deshalb notwendig sind, weil die ursprüngliche Kon­zeption vielleicht nicht ganz logisch war. Mir hat bis heute niemand erklären können, wieso die Landwirtschaftsministerin auch für den Zivildienst und für die Telekom zuständig war. Das versuchen wir jetzt zu ändern, und das ist ja etwas Positives.

Dennoch löst so etwas – da hat Frau Kollegin Fürst recht – natürlich Kosten aus. Vielleicht sollte man sich in Zukunft vorher überlegen, was denn Sinn macht, um nicht mitten in einer Legislaturperiode die Zuständigkeiten zu ändern. Grundsätzlich bin ich ja der Meinung, dass die Bundesregierungen sich selbst aussuchen sollten, wie sie Zuständigkeiten machen. Es sollte aus meiner Sicht logisch sein, und das war es nicht immer.

Kollege Gerstl hat gegenüber der Opposition angesprochen – das fand ich jetzt sehr nett –, dass unter Bundeskanzler Nehammer, Vizekanzler Kogler, Minister Kocher et cetera und der Frau Bundesministerin der Austausch mit der Opposition ein sehr guter ist. Ich kann dem zustimmen. Es ist ein Eingeständnis, dass Sebastian Kurz offen­sichtlich wenig Interesse an diesem Haus hatte und der neue Bundeskanzler hier mehr Interesse zeigt. Das stimmt, das ist offenkundig so. Bundeskanzler Nehammer antwortet im Ausschuss auf Fragen, er diskutiert mit den Abgeordneten. Die Frau Bundes­minis­terin hat das immer schon getan. Es gibt aber, wie wir gestern diskutiert haben, immer noch Negativbeispiele wie Bundesminister Karner, der eher glaubt, er ist zum Vergnügen und nicht zur Aussprache mit den Abgeordneten hier.


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Wir ändern jetzt das BMG. Kollegin Blimlinger hat es schon angesprochen: Es gibt eine Sache, die aus unserer Sicht sehr problematisch und wohl auch europarechtswidrig ist, weswegen wir dem nicht zustimmen werden. Es ist so, dass der Finanzminister als Eigentümervertreter in der Öbag an und für sich die Eigentümervertretung in Bezug auf die Telekom ausübt. Nur ist er gleichzeitig Aufsichtsorgan, und das ist europarechtlich nicht erlaubt.

Jetzt hat man eine skurrile Konstruktion gefunden: Wenn der Finanzminister in der Öbag-Hauptversammlung ist und es plötzlich zum Thema Telekom kommt, dann muss der Finanzminister rausrennen, den Herrn Arbeitsminister reinbitten und sagen: Du, lieber Martin Kocher, übernimm du das jetzt! Ob so etwas europarechtskonform ist, wage ich schwer zu bezweifeln. Das Bundesministeriengesetz hatscht wieder, wie früher teilweise auch. Ich glaube, das hätte man besser machen können. Dementsprechend werden wir, weil wir überzeugt davon sind, dass wir hier sehenden Auges in eine europarechts­widrige Situation kommen, dem hier nicht zustimmen. (Beifall bei den NEOS.)

13.44


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


13.44.05

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich will hier keine Redundanzen von mir geben. Es ist vielfach angesprochen worden: Aufgrund der Änderungen in der Konstellation und Zusammensetzung in der Regierung war es notwendig, nun auch das Bundesministeriengesetz zu ändern.

Es wundert mich auch nicht, dass hier vonseiten der Opposition, insbesondere der SPÖ, mit Kritik nicht gespart wird, aber ich muss Ihnen auch sagen: Ich bin ganz gegenteiliger Meinung als jener, die hier geäußert worden ist.

Der Herr Bundeskanzler, in dem Fall auch Bundesparteiobmann, ist mit Lebensrealitäten konfrontiert worden. Er hat, im Gegensatz zu dem, was hier vorgetragen worden ist, sehr rasch reagiert. Er hat sehr schnell die personelle Situation gelöst, und er hat noch mehr gemacht: Er hat nämlich diese Regierungsumbildung auch genutzt, um Entflechtungen vorzunehmen und entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Das will ich Ihnen ganz kurz darlegen, denn ich glaube, es ist gerade in Zeiten, wie wir sie jetzt erleben, ganz wesentlich.

Das eine ist, dass Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft wieder komprimiert beisammen sind und die Schwerpunktsetzung auf diese Themen zukünftig durch Bundesminister Norbert Totschnig ausgeübt werden soll.

Ich bin auch der Meinung, dass gerade die Bereiche Arbeit und Wirtschaft zusam­men­gehören. Es ist daher aus meiner Sicht gut und richtig, dass man das zusammenführt – im Übrigen war es auch früher immer wieder der Fall, dass das beisammen war –, auch den Tourismus mitnimmt und eine sehr kompetente Frau, auch eine Staatssekretärin, nämlich Susanne Kraus-Winkler, installiert. Sie wird ganz besonders auf diesen Bereich schauen, der ja gerade nach dem Leiden aufgrund der Pandemie aus meiner Sicht eines besonderen Fokus bedarf. Wir wissen nicht, wie es im Herbst weitergeht. Wir müssen aber alles tun, damit dieser für Österreich sehr wichtige Zweig entsprechend gestützt wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Weiters werden die Bereiche Digitalisierung, Post- und Telekommunikationswesen so­wie Bergwesen im Bereich Finanzen zusammengeführt. Auch da ist es wirklich wichtig, diesen Schwerpunkt zu setzen, indem ein Staatssekretär installiert wird, der einschlägige


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Erfahrungen hat. Ich darf auch aus meinem Bereich, dem Europaministerium, anführen, dass gerade die Digitalisierung eine Riesenrolle beim Next-Generation-EU-Budget spielt, das die Europäische Union auf den Weg gebracht hat, nämlich, Sie erinnern sich, im Juli 2020. Wir haben dafür gekämpft, dass es klare Vorgaben für die einzelnen Länder geben muss, wenn sie die Gelder abfragen, damit diese Green and Digital Trans­formation passieren kann. Daher finde ich es auch richtig, dass ein Staatssekretär dem Finanzminister gerade für diesen Bereich zur Verfügung steht.

Da hier auch Kritik geäußert wurde, was Frauen betrifft, möchte ich schon festhalten, dass Staatssekretärin Claudia Plakolm aufgewertet worden ist, dass der Bereich Zivildienst ihr zugekommen ist. Sie verstehen vielleicht meine sehr positive Emotion in diesem Zusammenhang, ich war selbst als Staatssekretärin, damals im Innenminis­terium, für den Bereich Zivildienst zuständig; und ich denke, gerade für Jugendliche ist es so wesentlich, eine Leitfigur zu haben, die Verständnis für die Anliegen der jungen Menschen hat, die in diesem Bereich ihre eigentlich ersten Schritte im Berufsleben gehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.  Abg. Scherak: Junge Männer!) Man kann auch sagen, dass da einmal eine Frau Leitbild ist für Männer, die im Zivildienst sind. Das ist ja vielleicht sogar ein gutes Zeichen, dass man da eine Mischung zusammenbringt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Sie haben nun natürlich recht, Herr Abgeordneter Scherak, dass wir auch unions­recht­liche Vorgaben hinsichtlich der Telekommunikationsangelegenheiten zu wahren hatten. Konkret geht es dabei um Artikel 6 der Richtlinie über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation. Ich darf vielleicht noch ein bisschen ausführen, was Frau Abgeordnete Blimlinger angesprochen hat, nämlich dass es „irgendwie gelöst“ worden ist. Die Richtlinie verlangt eine strukturelle Trennung zwischen Eigentümerstellung in Bezug auf die Unternehmen, die Kommunikationsdienste anbieten, und der hoheitlichen Funktion des Staates – dass man das eben trennt.

Wir haben uns natürlich unsere Gedanken gemacht. Ich darf da auch explizit wieder einmal den Verfassungsdienst hervorheben, der seine Expertise eingebracht hat, als wir uns das überlegt haben. Es ist zukünftig so – um das noch einmal ganz klarzustellen –, dass der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft die Eigentümerrechte in den Fällen ausüben wird, in denen sonst Interessenkonflikte aufgrund dieser Kommunikations­tech­nologien stattfinden könnten, weil das BMF zuständig ist, um da Regularien und Regu­lierungen vorzunehmen.

Die Einflussmöglichkeit, die Sie angesprochen haben – und ich bin sehr sicher, dass das auch unionsrechtlich in Ordnung ist –, ist damit nicht mehr gegeben, denn die einzige Einflussmöglichkeit über die Öbag ist ausschließlich in der Wahrnehmung der Eigentü­merrechte in der Hauptversammlung, und diese wird zukünftig eben nicht durch den Bundesminister für Finanzen, sondern durch den Arbeits- und Wirtschaftsminister wahrgenommen.

Insofern bin ich guter Dinge, dass das auch unionsrechtlich hält. Es wäre schade, wenn wir hier keine Zustimmung bekommen, aber ich denke – und das darf ich noch einmal an den Schluss stellen –, dass die Lebensnotwendigkeiten, die sich durch die Rücktritte von Elli Köstinger und Margarete Schramböck ergeben haben, wirklich hervorragend und schnellstmöglich gelöst worden sind und die Kompetenz all dieser Personen, die jetzt für die neuen und auseinandergeflochtenen Dinge zuständig sind, herausragend gegeben ist.

Natürlich hoffe ich in diesem Sinne, dass ich auch noch Überzeugungsarbeit leisten konnte, und bitte um breite Zustimmung für dieses Gesetz. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.49



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 114

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.


13.50.01

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir verhandeln die Novelle des Bundesministeriengesetzes. Bevor ich aber inhaltlich darauf eingehe, blicken wir zurück auf den 10. Jänner 2020: Damals gab die neu gebildete türkis-grüne Regierung ihre Regierungserklärung ab. In dieser Regierungserklärung war der Satz zu hören: „Regieren heißt Verantwortung übernehmen“. – Wenn wir die letzten zweieinhalb Jahre Revue passieren lassen, dann können wir zu dem Schluss kommen, dass diese Regierung Verantwortung übernom­men hat und in schwierigen Zeiten schwierige Entscheidungen getroffen hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im März 2020 ist die Coronapandemie über uns hereingebrochen, mit Lockdowns und all den anderen Maßnahmen, die notwendig waren und die darauf folgten. Seit mehr als zwei Jahren macht diese Bundesregierung nichts anderes, als diese Krise zu bewältigen. Wenn man die Republik mit einem Schiff vergleichen würde, dann kommt einem das Bild in den Sinn, dass dieses Schiff in einen heftigen Sturm geraten ist, aber dank seiner Mannschaft, dank dieser Bundesregierung Kurs hält. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Die Frage stellt sich allerdings: Wie beurteilt man die Arbeit einer Bundesregierung? Unter gewöhnlichen Umständen sind die Arbeitslosenzahlen, das Wirtschaftswachstum, die Reduktion von Schulden relevant. (Abg. Heinisch-Hosek: Teuerung!) Wenn man das hernimmt, dann arbeitet diese Regierung trotz Krise hervorragend, denn die Arbeits­losenzahlen sind niedriger als vor der Krise, das Wirtschaftswachstum ist höher als vor Corona, nur mit der Schuldenreduktion hat es nicht ganz so geklappt. Aber warum? – Weil wir Milliarden von Euro investieren, um die Folgen dieser Coronakrise abzufedern.

Seit dem Februar 2022 sind wir mit einer neuerlichen Herausforderung, nämlich dem Krieg in der Ukraine, der Unterbrechung von Lieferketten, der Verknappung von Ange­boten, Inflation und Teuerung konfrontiert. Auch da setzt diese Bundesregierung die richtigen Maßnahmen. Erst gestern ist ein Antiteuerungspaket beschlossen worden, zu dem ich nur drei Beispiele nennen darf: 300 Euro für besonders betroffene Gruppen wie Arbeitslose, MindestpensionistInnen; 500 Euro für jeden und jede, bestehend aus 250 Euro Klimabonus und 250 Euro Bonus für alle Erwachsenen; 180 Euro als Einmal­zahlung zur Familienbeihilfe im August.

Darüber hinaus wird die kalte Progression abgeschafft und Sozialleistungen werden valorisiert. Unter gewöhnlichen Umständen wäre das schon ein hervorragender Erfolg, und in dieser Krise ist es ein umso größerer Erfolg, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nach dem Wechsel der Regierungsmannschaft haben wir mit der hier vorliegenden No­velle des Bundesministeriengesetzes nun ein Bundesministerium für Arbeit und Wirt­schaft unter Bundesminister Martin Kocher. Das ist auch eine Botschaft, denn ohne funktionierende Wirtschaft gibt es keine Arbeitsplätze und ohne Mitarbeiter und Mitarbei­terinnen in unseren Unternehmen funktioniert die Wirtschaft nicht. Das heißt, es ist ein Miteinander notwendig, um auch diese Krise zu bewältigen.

Im Landwirtschaftsministerium unter Bundesminister Norbert Totschnig liegt die Kon­zentration auf dem Kernbereich des Ministeriums, den Regionen und der Wasser­wirtschaft. Der Tourismus, der so wichtig für unser Land ist, bekommt mit Susanne Kraus-Winkler eine eigene Staatssekretärin. Gerade in der Coronapandemie haben wir


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aber gemerkt, wie wichtig die Digitalisierung und der Breitbandausbau sind. Auch diese Angelegenheiten werden in einem eigenen Staatssekretariat unter Florian Tursky gebündelt. Nicht zuletzt kommen die Agenden des Zivildienstes, des Ehrenamtes und der Lehre zu Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm. Auch das stellt eine besondere Wertschätzung dieser Angelegenheiten dar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Alles in allem ist diese Änderung des Bundesministerien­gesetzes die Grundlage dafür, dass diese Bundesregierung das Regierungsprogramm abarbeitet und arbeiten kann. (Abg. Heinisch-Hosek: Bis zur nächsten Umbildung!) Wir sind am Ende der ersten Halbzeit angelangt. (Abg. Einwallner: Ihr seid am Ende, ja! – Abg. Heinisch-Hosek: Ihr seid am Ende!) Wir sind aber wild entschlossen, diese zweite Halbzeit zu Ende zu bringen und erfolgreich zu Ende zu bringen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


13.54.56

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal müssen wir über ein Gesetz abstimmen, das nicht notwendig wäre, wenn diese Regierung funktionieren würde. Seit 20. Jänner 2020: 14 Regierungsumbildungen, drei Bundeskanzler. Käme es nicht laufend zu Rücktritten von Ministerinnen oder Ministern, käme es nicht dauernd zu Regierungsumbildungen, die Regierung müsste sich nicht laufend mit sich selbst beschäftigen, sondern könnte sich um wirklich wichtige Dinge kümmern (Beifall bei der SPÖ) wie: der Bevölkerung unseres Landes Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln, wirkungsvolle und nachhaltige Maßnahmen gegen die enorme Teuerung auch wirklich umzusetzen und nicht nur anzukündigen, Förderungen zu konzipieren, die wirklich nur von jenen beansprucht werden können, für die sie gedacht sind, und nicht ein Bedienen von ÖVP-Vereinen an unser aller Geld sind (Beifall bei der SPÖ), konkrete Maßnahmen für die Menschen umzusetzen, die keine Arbeit finden, weil sie vielleicht nicht oder nicht mehr so perfekt funktionieren, wie sich das die Wirtschaftsbosse vorstellen: gesund, jederzeit voll belastbar und billig – der Markt regelt eben nicht alles! –, endlich eine Möglichkeit zu schaffen, dass diejenigen, die es wollen, Kinderbetreuung auch wirklich so nützen können, dass sie eine Vollzeitbeschäftigung ausüben können, was insbe­son­dere Frauen enorm helfen würde.

Was mich aber bei dieser Umbildung und bei dem vorliegenden Gesetz ganz besonders stört: Frau Ministerin, Sie hatten jetzt die Chance, Korruption aktiv zu bekämpfen. Sie hätten eine unabhängige Bundeswettbewerbsbehörde ermöglichen können, so wie es der mittlerweile im Ruhestand befindliche engagierte Geschäftsführer gesagt hat, nämlich weg mit der Bundeswettbewerbsbehörde aus dem Zuständigkeitsbereich des Wirtschaftsministeriums hinüber zum Justizministerium, in dem Sie ohne Einschränkung und furchtlos gegen Monopolisten vorgehen können. Das haben Sie verabsäumt, Frau Ministerin, das hätten wir uns erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Da geht es nämlich um Rechte der Konsumentinnen und Konsumenten. Das spüren wir jetzt gerade, weil Monopolisten von Ihren Ressorts nicht kontrolliert werden, weil Preis­entwicklungen, Teuerungen nicht kontrolliert werden. (Abg. Wurm: Die Grünen haben mitgestimmt, die Grünen waren mit im Boot! Wieder einmal! Schuld sind die Grünen!) Anstatt zu sagen, Sie beobachten – was wollen Sie denn noch beobachten?, die Preise schießen durch die Decke, die Menschen können sich ihr Leben nicht mehr leisten –: Hören Sie auf, zu beobachten! Greifen Sie jetzt endlich effektiv in die Preisgestaltung mit Preisobergrenzen und ‑deckelungen ein und ermöglichen Sie Konsumentinnen und


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Konsumenten leistbare Preise! Da geht es nicht nur um Mindestsicherungsempfänger, da geht es nicht nur um Langzeitarbeitslose, sondern es geht mittlerweile um den Mittelstand, der jetzt wirklich Existenzängste hat. Das haben Sie verabsäumt und des­wegen bekommen Sie von uns zu diesem vorliegenden Gesetzentwurf keine Zustim­mung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.58


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger ist die nächste Rednerin. – Bitte.


13.58.29

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir behandeln die von den Koalitionsparteien vorgelegte Novelle zum Bundesminis­terien­gesetz. Wie bereits viele meiner Vorredner und Vorrednerinnen erwähnt haben, regelt diese Novelle die Kompetenzverschiebungen in der Regierung und ist letztlich not­wendig, damit die Neuaufstellung der Ministerien auch wirksam werden kann.

Als Bundesbäuerin freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Herrn Landwirt­schafts­minister Norbert Totschnig im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, künftig kurz BML genannt. Als ehemaliger Direktor des Österreichi­schen Bauernbundes kennt er die Anliegen unserer Bäuerinnen und Bauern sehr genau. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das ist der mit den Vollspaltböden, oder?)

Seine weitreichende Expertise, seine Erfahrung sind angesichts gravierender Herausfor­derungen, auch ausgelöst durch den Konflikt in der Ukraine, im Hinblick auf die Lebens­mittelversorgungssicherheit von größter Bedeutung. Seine volle Aufmerksamkeit wird auch die landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion, nämlich im Einklang mit der Er­reichung und Adaptierung der Klima- und Umweltziele, verlangen, und letztlich die massive Teuerung – immer wieder deutlich angesprochen – auch der landwirtschaft­lichen Betriebsmittel und der ewige Preiskampf um jeden Cent für unsere Produkte, was letztlich auch bald zur Existenzbedrohung für unsere bäuerlichen Betriebe führen wird. Es ist ein breites Feld, das seinen exklusiven Einsatz für uns Bäuerinnen und Bauern im neuen BML erforderlich macht.

Neuaufstellungen, geschätzte SPÖ, Anpassungen an die Herausforderungen der Zeit, Neudenken von Zuständigkeiten und sinnvolle Zusammenführungen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) sind aus meiner Sicht legitim (Zwischenruf der Abg. Greiner), ermöglichen erfolgreiches Arbeiten, und das tut diese Bundesregierung! (Beifall bei der ÖVP.)

Mit dem präsentierten Paket gegen die Teuerung gibt die Bundesregierung den Men­schen Geld zurück, das durch die hohe Inflation fehlt. Diese Maßnahmen unterstützen auch unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Wir müssen die Lebensmittelversorgung in unserem Land gewährleisten. (Abg. Leichtfried: Was ist mit den Vollspaltenböden inzwischen?) Der noch nie dagewesene Kostendruck durch die extrem teuren Betriebs­mittel gefährdet dies aber. Deshalb soll ein zusätzliches Versorgungs­sicherheitspaket kommen, das die Liquidität unserer Betriebe etwas stärken wird. – Vielen Dank auch dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Angelegenheiten des Tourismus wandern aus dem Landwirtschaftsministerium in das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Dabei möchte ich unseren Bun­deskanzler Karl Nehammer zitieren – ich bin auch seiner Meinung –: „Jede Veränderung bringt auch neue Chancen.“  Gerade der Tourismus hat in den letzten zwei Jahren eine schwierige Phase durchlaufen. Dazu kommt die derzeitige Arbeitsmarktsituation im


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Tourismus: Der Fachkräftemangel und auch die fehlenden Saisonniers sind das größte Problem.

Mit Susanne Kraus-Winkler haben wir eine erfahrene Expertin aus der Praxis gewinnen können, die als neue Staatssekretärin für Tourismus strategische Weichen stellen und gezielte wirtschaftliche Impulse setzen wird. Sie wird eine starke Stimme für den Tourismus und die Freizeitwirtschaft sein. Ich erachte die neue Ressortaufteilung, die wir hier im Ministeriengesetz beschließen, als äußerst sinnhaft und bin überzeugt, dass die Arbeit der Bundesregierung mit dieser Umstrukturierung erfolgreich fortgesetzt wird.

Ich wünsche allen Regierungsmitgliedern viel Freude und Erfolg bei ihrer Arbeit! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Disoski.)

14.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


14.02.51

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede anders angehen als die Vorredner und Vorrednerinnen.

Frau Bundesminister, ich gratuliere Ihnen zu Ihrem heldenhaften Kampf für das Infor­mationsfreiheitsgesetz, wo Sie immer wieder gegen Windmühlen kämpfen (Oh-Rufe bei der ÖVP) und uns bis heute eigentlich keine Regierungsvorlage vorlegen konnten. Gleichzeitig ist es anscheinend Routine, dass die Bundesregierung infolge mehrfacher Regierungsumbildungen sehr routinehaft und schnell Bundesministeriengesetze verän­dert.

Heute haben wir wieder eine angekündigte Veränderung dieses Gesetzes, da Bundes­kanzler Nehammer vor einigen Monaten gesagt hat: Wir brauchen neue Kompetenz­er­wei­terungen. Gott sei Dank gibt es einen kleinen Partner, die Grünen, der die soge­nannte grüne Linie mit verwirklicht. Früher hätten die Grünen nie Arbeit und Wirtschaft als Kompetenz zusammengegeben. Nunmehr ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die grüne Partei als kleiner Partner sehr wohl ein Monsterressort – so bezeichne ich es –, welches momentan von der ÖVP geführt wird, akzeptiert und legitimiert.

Dieses Ressort Arbeit und Wirtschaft umfasst vieles. Wenn der Präsident der Wirt­schaftskammer hier herinnen ist, weiß er, was es bedeutet, dass die Wirtschaftsinter­essen und die Arbeitnehmerinteressieren in einem gemeinsamen Ressort vertreten werden. Es bedarf dann sicherlich einer guten Sozialpartnerschaft, und es bedarf auch eines Ministers, der die Sozialpartnerschaft einbindet, sonst sehe ich schwarz – und türkis. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage es offen und ehrlich: Es ist eine Zusammenführung, das merkt man bereits beim Antiteuerungspaket. Heute wurde von Kollegen Ofenauer gesagt, es sei positiv, dass Arbeitslose 300 Euro als Einmalzahlung bekommen, es sei positiv, wenn Pen­sionistinnen und Pensionisten etwas bekommen. Ich behaupte: Heute sind in diesem Antiteuerungspaket bereits die Vorboten der Politik des Arbeits- und Wirtschafts­minis­ters erkennbar, nämlich: Die Arbeitslosen erhalten kein höheres Arbeitslosengeld und die Pensionistinnen und Pensionisten erhalten keine vorgezogene Pensionserhöhung. – Das ist die Wahrheit und die Wirklichkeit, und das erkennt man bereits jetzt!

Kollege Gerstl hat erwähnt, dass die Zukunftspartei ÖVP im Bereich Digitalisierung bereits alles getan hat. Ich behaupte, dass man gerade dort erkennt, wo die Zukunft hingeht. Italien und andere Länder haben einen Digitalisierungsminister. Wir haben es geschafft, dass dieser wichtige Bereich, das Zukunftsressort Digitalisierung, in ein


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Staatssekretariat eingegliedert ist, das wiederum zum Finanzministerium gehört. Das bedeutet für mich: Wir setzen nicht auf die Zukunft, wir setzen auf die Vergangenheit. Deshalb meine ich, dass diese Kompetenzverschiebungen durchaus in die Vergangen­heit gehören und nicht in die Zukunft.

Von unserer Seite wird es also keine Zustimmung geben, aber auch deshalb, weil der ÖIAG-Bereich, dieses Gesetz, wie ich bereits im Ausschuss erwähnt habe, auf einer Expertise des Bundeskanzleramts und nicht auf einem Rechtsgutachten beruht. Ich habe die Frau Bundesminister gefragt, ob ein Rechtsgutachten vorliegt. Sie hat verneint, und deshalb denke ich mir, genauso wie Kollege Scherak, dass die EU-Rechtswidrigkeit durchaus gegeben sein kann. Wir werden diesem Gesetz keinesfalls zustimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesministerin Edtstadler: Schade!)

14.06


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte.


14.06.38

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ganz zu Beginn möchte ich auf Herrn Kollegen Gerstl replizieren. Sie haben die Zusammenarbeit beschworen und sie auch von der Opposition eingefordert. – Sehr geehrter Herr Kollege, wir sind natürlich inhaltlich an einer Zu­sammenarbeit interessiert, aber bitte auf Augenhöhe und nicht von oben herab! Dann können wir auch gemeinsam etwas durchführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die vorliegende Gesetzesänderung – das haben wir auch schon mehrfach gehört – ist ja notwendig geworden, weil wir mittlerweile unter Türkis-Grün die x-te Regierungs­umbildung haben, weil wir den x-ten MinisterInnenwechsel haben, und ja, Kollege Scherak, ich bin auch der Meinung, dass jede Regierung das Recht haben soll, die Arbeitsfelder so aufzuteilen, wie sie es für richtig und wichtig und notwendig hält, aber das macht man im Normalfall am Beginn einer Regierungsperiode und nicht ständig und mittendrin. So funktioniert Arbeit in einer Regierung nämlich nicht. (Beifall bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Was ich besonders problematisch finde – da bin ich komplett konträrer Meinung zu Ihnen, Frau Bundesministerin –, das ist eben diese Zusammenlegung der Agenden Arbeit und Wirtschaft im Superministerium von Minister Kocher. Da sind die Interessen einfach komplett unterschiedlich, und das geht sich in einem gemeinsamen Ministerium, in diesem Superministerium, nicht aus. Es macht schon auch ganz deutlich, wo die Prioritäten dieser Regierung liegen, wenn vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer kein eigenes Ministerium zugestanden wird, das ausschließlich ihre Interessen vertritt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da muss ich schon auch sagen, weil immer wieder erwähnt wird, dass das auch unter Rot-Schwarz, sozusagen unter Gusenbauer und Minister Bartenstein, der Fall war: Ja, das ist auf Druck der ÖVP so passiert. Wir haben erkannt, dass das so nicht gut funktioniert, und genau aus dieser Erfahrung heraus wollen wir diese Trennung von Arbeit und Wirtschaft und ein eigenes Arbeitsministerium. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber insgesamt problematisch ist – und das ist ja auch schon angesprochen worden –: Wir befinden uns seit zwei Jahren in einer riesengroßen Gesundheitskrise. Wir sind mit dem Krieg in der Ukraine und mit der riesengroßen Teuerungswelle kon­frontiert, die die Menschen täglich überrollt und in allen Bereichen des täglichen Lebens trifft. Was sich die Bevölkerung in Österreich in dieser Situation verdient hat, ist eine handlungsfähige Regierung, eine Regierung, die vertrauensbildend ist (Beifall des Abg. Leichtfried), und das kann nicht mit einer Regierung, die sozusagen im Monatstakt die MinisterInnenämter wechselt und die mehr mit sich selbst beschäftigt ist – vor allem die


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Kanzlerpartei ÖVP –, in der quasi jeden Tag etwas Neues aufpoppt, in der es Schwie­rigkeiten gibt, passieren. Wir brauchen eine Regierung, die für die Menschen arbeitet, die die Interessen der Menschen wahrnimmt und nicht mit sich selbst beschäftigt ist. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne, glaube ich, wäre es an der Zeit, endlich auch über Neuwahlen nach­zudenken. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.09


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt verlege ich wie vereinbart an den Schluss der Vorlagen des Verfassungsausschusses.

14.10.015. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2499/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Gesetz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (1490 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2500/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Ver­waltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Ver­gabe geändert werden (1491 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


14.10.59

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir sind jetzt seit mehr als zwei Jahren in einer Pandemie und wir werden mit den Auswirkungen dieser Krise noch lange zu tun haben. Der Gesundheitsminister hat vor Kurzem gemeinsam mit Expertinnen und Experten präsentiert, dass wir unterschiedliche Szenarien zeichnen und dement­sprechend unterschiedliche Maßnahmen setzen können.

Was uns die Pandemie auch gelehrt hat – ich vertraue der Wissenschaft voll und ganz –, ist, dass auch Expertinnen und Experten mit der Einschätzung, was noch alles auf uns zukommen könnte, nicht immer ganz treffsicher waren – keine Frage, denn wir alle kannten diese Pandemie nicht. Deshalb müssen wir möglichst flexibel reagieren und möglichst viel vorausschauend tun. Dazu gehört es auch, dass wir Sonderregelungen verlängern, um zum Beispiel die Beschlussfähigkeit von Gremien aufrechtzuerhalten. Das betrifft das Parteien- und das Mediengesetz – deshalb diese Verlängerung bis Ende des Jahres 2022.


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Ich möchte, weil es ja sicher spätestens beim nächsten Tagesordnungspunkt zur Sprache kommen wird, kurz auf den Rechnungshofbericht zur Pandemiebekämpfung eingehen. Es ist ja auch schon bei der Volksanwaltschaft angeklungen: Ja, es ist sehr vieles gut, aber es ist auch einiges nicht gelungen. Und das Wichtige ist, dass wir aus diesen Fehlern lernen und für die Zukunft besser agieren können.

Nun hat der Gesundheitsminister auch etwas angekündigt – Stichwort Pandemieplan. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe es nicht so mit der Vergangenheitsbewältigung, außer wenn es darum geht, aus Fehlern zu lernen, aber es gibt ja andere in diesem Haus, die das sehr gut tun. Wir wären höchst erfreut gewesen, wenn es eine große Lade gegeben hätte, wo Pandemieplan draufsteht. Die macht man auf, drinnen liegen zum Beispiel Verordnungen, die man anwenden kann, Kommunikationswege, Organigram­me, alles was dazugehört. Das hätte uns viel erspart. (Abg. Loacker: Gibt es das heute?) Der letzte Pandemieplan war sehr alt. Ich sage jetzt nicht, wer damals dafür zuständig war. Wie gesagt, mit der Vergangenheitsbewältigung beschäftigt sich lieber die Oppo­sition.

Der Gesundheitsminister hat angekündigt, dass er all das, was im Rechnungshofbericht kritisiert wird, dazu verwenden wird, um gemeinsam mit uns, mit dem Hohen Haus einen tauglichen Pandemieplan zu erarbeiten. Ich glaube, dass das eine wichtige Erkenntnis aus der Vergangenheit ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, aber ich bleibe dabei – und das sage ich seit Anfang der Pandemie –: Jeder von uns trägt auch Verantwortung. Und wenn es jetzt vielleicht gerade vis-à-vis von mir ein bisschen lauter werden wird, bin ich nach wie vor dafür: Nützen Sie die Zeit, informieren Sie sich und bitte gehen Sie impfen! Das ist nach wie vor das Mittel schlechthin, um schwere Erkrankungen und einen Aufenthalt auf der Intensivstation zu vermeiden. Bitte nützen Sie die Möglichkeit der Impfung! Gerade jetzt auch im Sommer ist dazu wirklich genügend Zeit. Vor allem die niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzte sind da eine große Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eine Auswirkung von Covid – gestern war Weltblutspendetag – ist auch, dass es äußerst knapp um die Blutkonserven bestellt ist. Ich möchte Sie wirklich eindringlich bitten: Gehen Sie Blut spenden! Ich freue mich sehr, dass es uns mit der Blutspen­der­verord­nung endlich gelungen ist, die Diskriminierung von homosexuellen Männern der Ver­gangenheit angehören zu lassen. Das ist ein ganz wichtiger und wesentlicher Schritt. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Lindner.)

Wir sind ja mitten im Pridemonth und das sollten wir auch bei einem weiteren Thema nützen, das wir schon lange behandeln und das jetzt wirklich im Justizministerium und im Gesundheitsministerium hoffentlich einer Lösung zugeführt wird, das ist das Verbot der Konversionstherapie. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Abg. Scherak: Das wäre ganz einfach!)

Ich halte es mit sehr vielen in diesem Haus: Homosexualität ist keine Krankheit. Zu meinen Bekannten und Freunden und zu meinen ehemaligen Mitarbeitern gehören sehr viele Homosexuelle, und ich halte es auch mit einem sehr wichtigen Menschen in meinem Leben, der immer sagt: Überall, wo es Liebe gibt und wo Menschen Sorge füreinander tragen, dort ist auch Familie. (Abg. Loacker: Um welchen Tagesord­nungs­punkt geht es eigentlich?)

Unsere Familie und Freunde sind bunt und vielfältig. Ich lade Sie herzlich zur Pride am 25. Juni ein, die erstmals auch im Burgenland stattfindet. Kommen Sie hin, es zahlt sich aus! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

14.15



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 121

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte. (Abg. Loacker: Das war nicht zur Sache, Frau Kollegin! Kein Satz! – Abg. Gabriela Schwarz: Aber wesentlich!)


14.15.43

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es geht um den gemeinsamen Antrag mit meiner Vorrednerin Gaby Schwarz, bei dem es im Prinzip um die Verlängerung von Fristen geht, um Konferenzen online durchzuführen.

Im Wesentlichen geht es hier um den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat, den wir immer wieder brauchen, die KommAustria-Vollversammlung, die KommAustria-Se­nate, den RTR-Fachbeirat, die Presseförderungskommission, den Publizistikbeirat, den ORF-Stiftungsrat und den Publikumsrat. Das sind zum Teil sehr große Gremien, und da ist es natürlich notwendig, hie und da dennoch zu tagen, auch wenn dort 30, 40 Per­sonen sitzen. Da ist es dann sozusagen notwendig, das auch gesetzlich zu verankern.

Es geht nicht darum, das für immer zu machen, sondern wirklich nur dann, wenn es im Rahmen einer Pandemie notwendig ist, weil Gremien dieser Größenordnung sicherlich besser funktionieren, wenn sie ad personam zusammenkommen. Wenn das nicht der Fall sein kann, weil es eine Pandemie gibt, dann muss es aber möglich sein, dass sie sich per Videokonferenz treffen. Ich muss schon sagen, es ist keine generelle Lösung, das für immer anzustreben, denn in so großen Gremien sollen die Leute schon miteinander reden und sich nicht nur über kleine Videokacheln austauschen.

Ich darf mich meiner Vorrednerin anschließen, wiewohl das jetzt nicht unbedingt dem Antrag entspricht, da es diese Not an Blutkonserven gibt: Bitte gehen Sie Blut spenden! Verbreiten Sie das auch weiter! Auch die Kolleginnen und Kollegen an den Bildschirmen, Freunde und Freundinnen: Bitte Blut spenden! Wir brauchen das vielleicht einmal selber, und es ist einfach notwendig, um zu garantieren, dass die Gesundheitsversorgung gesichert ist.

In diesem Sinne bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte.


14.18.20

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Mit heutigem Tag um 9.30 Uhr hatten wir 6 869 Neuinfektionen, eine Siebentageinzidenz von 308,3. Das heißt also, die Pandemie schläft nicht. Corona schläft nicht, und daher ist es gut und begrüßenswert, dass jene Maßnahmen, die den Organen diese Möglichkeit bieten, über die üblichen Fristsetzun­gen und Beschlüsse im Verfassungsrang verlängert werden.

Als Bürgermeister der Stadtgemeinde Mödling kann ich stellvertretend für viele Bürger­meisterinnen und Bürgermeister der Republik sagen, dass uns diese Maßnahmen sehr, sehr geholfen haben, Videokonferenzen, Stadtratssitzungen, Gemeinderatsitzungen über Internet, über den Bildschirm durchführen zu können. Ich darf mich auch allgemein bedanken, was diese Zusammenarbeit zwischen und innerhalb der Fraktionen anbe­langt. Ich darf vielleicht Mödling als Beispiel nennen. Wir haben insgesamt sechs


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Fraktionen, es ist im Mödlinger Gemeinderat ebenfalls so ein buntes Bild wie im Natio­nalrat vertreten.

Ich darf mich bei allen bedanken, die auch in dieser Zeit äußerst diszipliniert, kame­radschaftlich miteinander umgegangen sind, wobei wir eines immer versucht haben, nämlich den direkten Kontakt, das direkte Gespräch zu pflegen. So haben wir auch versucht, die Ausschüsse in größerem Rahmen abzuhalten. Auch Gemeinde­ratssitzun­gen haben in Dreifachturnhallen stattgefunden, weil ich ganz einfach auch der Ansicht war: Was Hansi Hintner als Nationalrat mit euch zumutbar ist, muss auch einem Kollegen im Mödlinger Gemeinderat zumutbar sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Scherak.)

14.20


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

14.20.43Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 4 bis 6


Präsidentin Doris Bures: Ich würde nun zu den verlegten Abstimmungen kommen. Herr Abgeordneter (in Richtung des mit Bundesminister Rauch sprechenden Abg. Schallmeiner), wir sind in einem Abstimmungsvorgang.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich beginnen können. Wir haben ein erhöhtes Quorum. Ja? – Gut, dann gehe ich auch so vor.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend eine Bundesministeriengesetz-Novelle 2022 samt Titel und Eingang in 1489 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Parteiengesetz, das KommAustria-Gesetz, das Presseför­derungsgesetz sowie weitere Gesetze geändert werden, samt Titel und Eingang in 1490 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, den ersuche ich auch um ein zustim­mendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz und das COVID-19 Begleitgesetz Vergabe geändert werden, samt Titel und Eingang in 1491 der Beilagen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der ver­fassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten ausdrücklich fest.


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Ich bitte nun jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustim­mung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Die Zustimmung ist auch in dritter Lesung gegeben, und auch da stelle ich ausdrücklich wiederum die verfassungsmäßig erforder­liche Zweidrittelmehrheit fest.

14.23.257. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2591/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnah­men­gesetz geändert werden (1503 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2589/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird (1504 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2493/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (1505 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den nächsten Punkten der Tagesord­nung. Es sind dies die Punkte 7 bis 9, über welche die Debatten unter einem durch­geführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Rauch im Hohen Haus und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Philip Kucher das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.24.41

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte gar nicht auf die Kritikpunkte bezüglich Corona und Coronakrisenmanagement eingehen, aber Frau Kollegin Schwarz hat sehr beein­druckend einige Punkte ausgeführt, bei denen ich ihr gar nicht oft genug recht geben kann.

Sie hat ausgeführt, dass sie sehr ungern in die Vergangenheit blickt, weil wir schon viel zu oft über das Krisenmanagement, darüber, was im Coronabereich alles nicht funk­tioniert, diskutiert haben. Ich wäre der Erste, der hier im Parlament sagen würde – ich weiß nicht, ob es jemanden hier in diesem Hohen Haus gibt, der das anders sieht, denn in Wahrheit wären wir doch alle glücklich, wenn das Krisenmanagement funktionieren würde und wir das sagen könnten –: Arbeiten wir die Vergangenheit auf! Es hat genug Punkte gegeben, die nicht funktioniert haben! Ein paar Punkte haben funktioniert! In Summe waren wir leider deutlich schlechter als andere Staaten in Europa, aber wir können sagen, jetzt ist das halbwegs auf Schiene!


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Wir können alle miteinander nicht das Virus, die Mutationen beeinflussen, aber wir können dafür sorgen, dass das Krisenmanagement funktioniert und dass wir sagen können, nach zwei Jahren haben wir das miteinander auf Basis all der Erfahrungen des Krisenmanagements bisher in den Griff gebracht.

Das Problem ist nur, Frau Kollegin Schwarz: Wenn sich immer dieselben Probleme und Pannen wiederholen, dann bleibt mir als Oppositionspolitiker gar nichts anderes übrig als zu kritisieren. Wir hätten genug Punkte, glaube ich, die wir kritisieren könnten, mit denen wir auch genug Themen hätten, bei denen wir jetzt für die Bevölkerung da sind, Stichwort Teuerung. Die Schwierigkeit ist wirklich – und da bitte ich um Verständnis –: Immer und immer wieder dieselben Fehler im Krisenmanagement zu wiederholen, rächt sich halt irgendwann.

Vielleicht wird die SPÖ für die ÖVP nicht so glaubwürdig sein, daher möchte ich hier nur zwei Berichte ins Treffen führen. Das eine ist der Bericht des Rechnungshofes. In der Analyse wurde gefragt: Was waren denn die größten Probleme der Bezirksver­waltungs­behörden im Krisenmanagement? Ausgeführt wird: Das waren „Unklare Rechts­vor­schriften, deren kurzfristiges Inkrafttreten und unkoordiniert angekündigte Maßnahmen“ (Abg. Belakowitsch: Juristische ...!), also unklare Rechtsvorschriften und kurzfristiges Inkrafttreten. – Daraus könnte man doch lernen und sagen: nicht mehr husch, pfusch, sondern ordentlich!

Was erleben wir aber heute? – Acht Seiten Epidemiegesetz sind als Trägerrakete irgendwie in den Gesundheitsausschuss hineingeschwindelt worden. 24 Stunden vor der Gesundheitsausschusssitzung kriegen wir umfangreiche Abänderungsanträge – da werden acht Seiten geändert –, und gestern wird das Ganze (ein Schriftstück in die Höhe haltend) mit einem sogenannten gesamtändernden Abänderungsantrag noch einmal geändert.

Wir haben nur noch versucht, mit dem Textmarker zu skizzieren, was alles geändert worden ist. So kann man doch bitte nicht vorgehen, dass man sagt: Wir brauchen keine Begutachtung! Das, was uns die Expertinnen und Experten sagen, ist eigentlich völlig egal! Wir sind als Regierung ohnehin die Weltmeister! – Das ist doch kein Zugang, wenn man in Wahrheit beim Großteil der Gesetze irgendwie durchgestolpert ist, der Verfas­sungsgerichtshof Rekordüberstunden hat machen müssen, weil alles aufgehoben worden ist, wenn man dieselben Fehler immer und immer wieder wiederholt.

Frau Kollegin Schwarz, meine größte Befürchtung ist, dass so etwas einreißt und wir alle im Parlament glauben, es ist normal, dass wir uns Begutachtungsverfahren ersparen, dass wir Sachen einfach durchpeitschen. Da haben wir doch alle miteinander die Auf­gabe, dafür zu sorgen, dass in Österreich das Krisenmanagement besser wird und wir uns alle miteinander auch selber ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend im Sinne der Lösungsorientierung – weil es immer wieder geheißen hat: Schauen wir, dass das Krisenmanagement besser wird! –: Wir können das Virus, die Mutationen persönlich nicht beeinflussen, aber die Vorbereitung hätten wir in der Hand.

Da genügt es halt nicht, dass der Gesundheitsminister sich immer wieder hinstellt und prophetisch ankündigt: Es gibt mehrere Szenarien! Entweder es wird gut oder es wird schlecht oder es gibt etwas dazwischen! Das ist die Antwort des Gesundheitsministers auf die ganz einfache Frage: Was sind denn die konkreten Maßnahmen außer dieser Prophezeiung, dass es gut wird oder schlecht wird? Bis heute gibt es keine konkreten Maßnahmen. (Abg. Deimek: Er kennt sich noch nicht recht aus!)

Das Schlimme ist: Die Maßnahmen, die von den eigenen Regierungsbehörden emp­fohlen werden, hat man rückgängig gemacht. Ich rede nur von der Testinfrastruktur, da ist man in Wahrheit zurückgefahren. Bis heute funktioniert das Datenmanagement nicht,


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es gibt ein Riesenthema bei den Impfungen. Es gibt also Baustellen, Baustellen, Baustellen.

Der wichtigste Punkt: Vertrauen und Kommunikation, Kongruenz im Bereich der Maßnahmen, sodass man die Nachvollziehbarkeit unterstützt, all das ist leider bis heute nicht passiert. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf also wirklich auch heute noch einmal wiederholen: Das Epidemiegesetz wird im Ausschuss einfach ohne Begutachtung durchgepeitscht. Man interessiert sich nicht dafür, was Expertinnen und Experten beizutragen haben. Es gibt eine Pannenserie nach der anderen und man lernt nichts daraus.

Wenn die Opposition dann kritisiert, heißt es irgendwie, das ist negativ. Kollege Schallmeiner – weil du jetzt so charmant den Kopf schüttelst –, mir wäre es wirklich lieber, wenn wir über andere Themen diskutieren könnten, wenn wir miteinander reden könnten, darüber, was wir rund um die Teuerung machen. Du weißt ganz genau, dass Armut auch für den Gesundheitszustand von Menschen eine zentrale Determinante ist. Da wäre genug zu tun, da hätten wir genug Themen, um miteinander zu diskutieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schallmeiner und Jakob Schwarz.)

Kommen wir aber endlich einmal in die Gänge, damit wir nicht dauernd so hatschert über das Krisenmanagement im Coronabereich reden müssen, darüber, dass diese Pan­nenserie weitergeht und ihr irgendwelche Gesetze durchpeitschen müsst, bei denen in Wahrheit – und jetzt kommt es – das Gesundheitsministerium einen Tag nach der Aus­schusssitzung selber nicht einmal weiß, was beschlossen worden ist.

Da ist es darum gegangen, dass wir sogenannte Verkehrsbeschränkungen einführen – superspannend, ohne Information dazu. Das heißt, dass dann jemand, der leicht er­krankt ist, eine Maske aufgesetzt kriegt und vielleicht trotzdem arbeiten gehen soll. Da wünsche ich allen Menschen viel Spaß, wenn das so abläuft.

Das Gesundheitsministerium sagt dazu: Nein, nein, das betrifft keine leicht erkrankten Menschen! Da geht es nicht um kranke Menschen, da geht es rein um Kontakt­per­sonen! – Einen Tag später, wenn man den eigenen Gesetzesantrag gelesen hat, kommt man drauf, dass es in Wahrheit selbstverständlich um Menschen geht, die an Corona erkrankt sind. Also absurd: Teilweise weiß nicht einmal das Gesundheitsministerium selber, was im Ausschuss eingebracht worden ist.

Durchwurschteln, dahinlavieren – das ist kein Krisenmanagement. Deswegen bin ich bei Kollegin Schwarz, ich bin der Erste, der sagt: Wir sparen uns die Kritik, wenn man nicht immer wieder die gleichen Fehler wiederholt! – Leider wäre da auch die ÖVP gefordert, wenn sie wieder vollständig anwesend ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek.)

14.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. (Abg. Deimek: Er erzählt uns jetzt, wie es wirklich ist: Alles gut, alles schön, ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


14.30.54

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Nach den Ausführungen von Philip Kucher muss ich kurz anschließen. – Also, lieber Kollege, durchpeitschen tun wir gleich einmal gar nichts, sondern wir verlassen uns eben auch auf das, was Expertinnen und Experten sagen, weil diese heutigen Abänderungen ja durchaus auf den Learnings der letzten


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Jahre fußen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Wurm.)

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema: Wie schon gesagt, eines der zentralen Lear­nings der letzten zweieinhalb Jahre ist sicher, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten müssen und unter denen wir arbeiten, ständig ändern. Ich meine, da brauchen wir uns nichts vorzumachen: Das Virus mutiert, stellt uns vor neue Heraus­forderungen, verändert damit auch die Voraussetzungen für die Pandemiebekämpfung. Dazu kommen auch neue Erkenntnisse: die Impfung bekanntermaßen als zentrales Werkzeug, Medikamente, die im Falle des Falles helfen können.

Was wir aber nicht können, ist, in die Zukunft zu schauen. Niemand von uns hat eine funktionierende Kristallkugel, das habe ich schon mehrere Male hier heraußen erwähnt, das möchte ich jetzt noch einmal unterstreichen. Daher müssen wir uns eben in der Bewältigung der Pandemie auf gut ausgearbeitete, möglicherweise eintretende Szena­rien stützen: Szenarien, die alle Eventualitäten abdecken sollen und als Blaupause dann für die jeweils eintretenden Entwicklungen dienen sollen.

Diese Szenarien, eben vier verschiedene, realistische Szenarien, wurden ja im Virus­variantenmanagementplan zusammengeführt. – Kollege Kucher, du hast gesagt, du weißt nicht, was da konkret drinnen steht. Dann frag bitte bei deinen Kolleginnen und Kollegen in Kärnten, in der Kärntner Landesregierung nach, weil die an diesem Virus­variantenmanagementplan mit beteiligt waren. (Beifall bei den Grünen.)

Damit wir das Ganze aber auch machen können, braucht es einen rechtlichen Rahmen, Rahmenbedingungen: Das ist eben das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnah­mengesetz, und das muss so ausgestaltet sein, dass wir auch möglichst flexibel und schnell auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren können. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Eine der heute zu beschließenden Änderungen stellt beispielsweise die Flexibilisierung im Contacttracing dar. (Abg. Wurm: Stümper seid ihr! Stümper! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Durch Priorisierung soll in Zukunft dieses Instrument besser und zielgerichteter eingesetzt werden. Ein anderes Thema sind die Erinnerungsschreiben an eine mögliche Auffrischungsimpfung, die wir verankern wollen. Impfzertifikate bleiben auch länger im System abrufbar, sodass man beispielsweise, wenn man eine Auslands­reise unternehmen möchte, bei der man vielleicht alle Impfzertifikate vorlegen muss – wie es beispielsweise aktuell bei den USA der Fall ist –, diese Auslandsreise dann eben auch antreten kann. (Abg. Belakowitsch: Der Minister schaut schon traurig ...!)

Auch der Verdienstentgang ist nochmals konkretisiert worden, damit Betroffene leichter zu Entschädigungsleistungen kommen. Und wir wollen zukünftig auch nicht mehr alle einfach absondern, sondern wir wollen dort, wo es möglich ist, weil eben die Virus­varianten das vielleicht so in einem möglichen neuen Szenario auch hergeben, nur mehr noch mit sogenannten Verkehrsbeschränkungen arbeiten. Eine Person, die als Kontakt­person jetzt abgesondert werden müsste, könnte beispielsweise in Zukunft, wenn es die epidemiologische Lage hergibt, wenn es die Virusvariante hergibt, eben beispielsweise mit einer Maske weiterhin am gesellschaftlichen Leben, am Alltagsleben teilnehmen.

Es hat im Gesundheitsausschuss Kritik gegeben, das ist richtig, und der sind wir in ein­zelnen Aspekten auch nachgekommen. Wir haben eine Reihe von Adaptionen vorge­nommen, so zum Beispiel auch die automatisierten Absonderungen nach positivem Testergebnis nochmals zur Prüfung zurückgestellt.

Deshalb – er ist jetzt auch gerade eben verteilt worden – möchte ich hiermit einen gesamtändernden Abänderungsantrag zu Tagesordnungspunkt 7 einbringen. Dieser


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ist auch gestern am Vormittag an die Klubs ergangen, und, wie schon gesagt, sollte er in der Zwischenzeit auch hier dementsprechend verteilt worden sein.

Zusätzlich möchte ich noch einen Abänderungsantrag zu Tagesordnungspunkt 9 ein­bringen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), der noch ein redaktionelles Versehen ausbessern soll, und zwar:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Werner Saxinger, MSc, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts wird wie folgt geändert:

- Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Die Z 5 lautet:

„5. Nach § 769 wird folgender § 770 samt Überschrift angefügt:

‚Schlussbestimmung zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022

§ 770. (1) § 742c erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. xx/2022 tritt rückwirkend mit 21. März 2022 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.

(2) § 718 Abs. 7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. xx/2022 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 in Kraft.‘“

*****

(Abg. Wurm: Ihr seid Stümper! Stümperhaft! Stümper! – Abg. Belakowitsch: Was glauben Sie, verstehen ...?)

Begründung: Wie schon gesagt, es handelt sich da um ein redaktionelles Versehen, das wir damit ausbügeln. (Abg. Belakowitsch: Ja, genau, das war ...! – Abg. Wurm: Stümper!)

Abschließend: Die Abänderungen stellen in Summe keine inhaltlichen Neuerungen dar. Es sind sinnvolle Adaptierungen aus der Erfahrung der letzten Monate. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Vieles davon – vieles davon! – kam insbesondere aus den Erfah­rungen der Bundesländer, aus den Verwaltungen direkt heraus, die ja wirklich selber am besten wissen, was sich in den letzten zweieinhalb Jahren da abgespielt hat, wo es eben Nachbesserungen braucht und wo man vor allem mit den Learnings, insbesondere durch die Omikronvariante, dann entsprechende Abänderungen braucht. (Abg. Belakowitsch: Learning ...! ... Dann nennen wir’s halt Learning!) Noch immer nach dem Motto: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Frau Kollegin Belakowitsch, man hört Sie hier heraußen nicht, wenn Sie einfach nur die ganze Zeit brüllen. (Beifall bei den Grünen.)

14.36

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 128

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Werner Saxinger, MSc, Ralph Schallmeiner,

Kolleginnen und Kollegen,

zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2591/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1503 d.B.) (TOP 7)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmen­gesetz geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Epidemiegesetzes 1950

Das Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundes­gesetz BGBl. I Nr. 80/2022, wird wie folgt geändert:

1. In § 4 erhält der bisherige Abs. 3a die Absatzbezeichnung „(3b)“ und wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Die Bezirksverwaltungsbehörden haben auf Antrag der betroffenen Personen eine überstandene Infektion mit SARS-CoV-2, die molekularbiologisch bestätigt wurde, nach­träglich im Register zu speichern.“

2. In § 4a Abs. 1 wird die Zeichenfolge „Abs. 3a“ durch die Zeichenfolge „Abs. 3b“ ersetzt.

3. In § 4e Abs. 7 wird die Wortfolge „ein Jahr nach Übermittlung des Impfzertifikats an das zentrale Impfregister“ durch die Wort- und Zeichenfolge „bis zum 30. Juni 2023“ ersetzt.

4. Nach § 4f wird folgender § 4g samt Überschrift eingefügt:

„Erinnerungen an Auffrischungsimpfungen gegen COVID-19

§ 4g. (1) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister ist als datenschutz­rechtlich Verantwortlicher (Art. 4 Z 7 DSGVO) ermächtigt, Personen, für die gemäß den jeweils aktuellen Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums für COVID-19-Impfungen eine Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 empfohlen wird, an diese Auffrischungsimpfung zu erinnern. Eine Auffrischungsimpfung ist eine erneute Impfung nach Abschluss der Grundimmunisierung, um eine nachlassende Immunantwort wieder zu erhöhen und den Impfschutz aufrechtzuerhalten.

(2) Zum Zweck der Versendung von Erinnerungsschreiben an Auffrischungsimpfungen gegen COVID-19 hat die ELGA GmbH als Auftragsverarbeiterin (Art. 4 Z 8 DSGVO) des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers

              1.          auf Basis der jeweils aktuellen Anwendungsempfehlungen des Natio­nalen Impfgremiums für COVID-19-Impfungen aus den im zentralen Impfregister gespeicherten COVID-19-bezogenen Angaben (§ 24c Abs. 2 Z 2 GTelG 2012) jene Personen zu ermitteln, für die eine Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 empfohlen wird und zwar unabhängig davon, ob eine Impfung zum Zeitpunkt der Erinnerung aufgrund einer aktuellen Genesung oder einer Kontraindikation nicht empfohlen wird, und


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              2.          den gemäß Z 1 ermittelten Personen ein Erinnerungsschreiben an die empfohlene Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 zu übermitteln.

Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat der ELGA GmbH jeweils die sich aus der jeweiligen Anwendungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums ergebenden Anforderungen an die Ermittlung gemäß Z 1 sowie den Zeitpunkt für die Versendung der Erinnerungsschreiben bekannt zu geben und hat zum Zweck der Versendung der Erinnerungsschreiben eine spezifische Zugriffsberechtigung gemäß § 24f Abs. 4 GTelG 2012 auf die im zentralen Impfregister gespeicherten Angaben.

(3) Das Erinnerungsschreiben hat zumindest Folgendes zu enthalten:

              1.          eine Datenschutzinformation gemäß Art. 14 DSGVO,

              2.          fachliche Informationen über die empfohlene Auffrischungsimpfung gegen COVID-19,

              3.          den Hinweis, dass die Information unabhängig davon erfolgt, ob eine Impfung zum Zeitpunkt der Erinnerung aufgrund einer aktuellen Genesung oder einer Kontraindikation nicht empfohlen wird, und eine Aufklärung durch einen Arzt nicht ersetzt wird, sowie

              4.          die Informationen gemäß Abs. 4 und 5.

(4) Die gemäß § 4b Abs. 8 benannte Stelle hat Anfragen und Beschwerden der betroffenen Personen im Zusammenhang mit dem Erinnerungsschreiben entgegen­zuneh­men, gegebenenfalls die Art des Fehlers zu erheben sowie für die Behebung des Fehlers zu sorgen. Die betroffenen Personen sind darüber zu informieren.

(5) Für die Zurverfügungstellung von Informationen über die auf Antrag der betroffenen Personen gemäß den Art. 15 bis Art. 22 DSGVO ergriffenen Maßnahmen zu im Zusammenhang mit dem Erinnerungsschreiben stehenden Verarbeitungstätigkeiten steht dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. e DSGVO eine Frist von drei Monaten zu. Die betroffenen Personen sind über diese Beschränkung des Art. 12 Abs. 3 DSGVO in geeigneter Weise zu informieren.

(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister hat geeignete Daten­sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere

              1.          ist eine Weiterverarbeitung der aus dem zentralen Impfregister erhobenen personenbezogenen Daten zu anderen Zwecken als der gegenständlichen Versendung von Erinnerungsschreiben unzulässig, soweit in diesem und anderen Bundesgesetzen nicht anderes bestimmt ist,

              2.          sind die Zugriffe auf das zentrale Impfregister zum Zweck der Versendung der Erinnerungsschreiben zu protokollieren.“

5. In § 5 Abs. 1 wird im ersten Satz nach dem Wort „Behörden“ die Wortfolge „nach Möglichkeit und Tunlichkeit“ eingefügt.

6. In § 5 Abs. 1 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

„Die Erhebungen sind insoweit durchzuführen, als sie zur Verhinderung der Verbreitung der betreffenden Krankheit erforderlich sind.“

7. In der Überschrift zum zweiten Hauptstück entfällt nach dem Wort „Krankheiten“ der Punkt.

8. In § 7 Abs. 1a werden nach dem ersten Satz folgende Sätze eingefügt:

„In Fällen unmittelbar drohender Gefahr der Weiterverbreitung kann die Absonderung auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides erfolgen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 130

Hierüber ist innerhalb von 48 Stunden ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigen­falls die Absonderung endet.“

9. Dem § 7a wird folgender § 7b samt Überschrift angefügt:

„Verkehrsbeschränkungen

§ 7b. (1) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann bei Auftreten einer in einer Verordnung nach § 7 Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit durch Verordnung Verkehrsbeschränkungen für kranke, krankheitsverdächtige oder an­steckungsverdächtige Personen festlegen.

(2) Verkehrsbeschränkungen nach Abs. 1 dürfen nur erlassen werden, wenn Art und Ausmaß der Krankheit keine Absonderung gemäß § 7 Abs. 1a erfordern und die Verkehrsbeschränkungen erforderlich sind, um die Weiterverbreitung der in einer Ver­ordnung nach § 7 Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit zu verhindern.

(3) Verkehrsbeschränkungen gemäß Abs. 1 sind insbesondere:

              1.          Voraussetzungen und Auflagen für das Betreten und Befahren von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrich­tungen der Behindertenhilfe, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamt­heit, für das Benutzen von Verkehrsmitteln und für Zusammenkünfte.

              2.          die Untersagung des Betretens und Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe und bestimmten Orten, des Benutzens von Verkehrsmitteln und von Zusammenkünften, sofern Maßnahmen nach Z 1 nicht ausreichen, wobei solche Maß­nahmen erforderlichenfalls nebeneinander zu ergreifen sind.

(4) Voraussetzungen gemäß Abs. 3 Z 1 sind insbesondere bestimmte Arten oder Zwecke der Nutzung von Orten und Verkehrsmitteln.

(5) Als Auflagen gemäß Abs. 3 Z 1 kommen insbesondere in Betracht:

              1.          das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epide­miologische Gefahr,

              2.          die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich ab­deckenden mechanischen Schutzvorrichtung und

              3.          Abstandsregeln.

(6) Bestimmte Orte gemäß Abs. 3 sind bestimmte öffentliche und bestimmte private Orte mit Ausnahme des privaten Wohnbereichs.

(7) Öffentliche Orte gemäß Abs. 3 sind solche, die von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis betreten oder befahren werden können.“

10. In § 28a Abs. 1 wird nach der Zeichenfolge „7,“ die Zeichenfolge „ 7b,“ eingefügt.

11. Nach § 32 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Abweichend von Abs. 1 Z 1 und Z 3 ist für die Dauer der Pandemie mit COVID-19 eine Vergütung nach Abs. 1 auch dann zu leisten, wenn bei einer natürlichen Person der Nachweis einer befugten Stelle über ein positives Ergebnis eines molekularbiologischen Tests auf SARS-CoV-2 vorliegt. Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, für den eine Maßnahme gemäß § 7 oder § 17 angeordnet worden wäre. Ebenso ist eine Vergütung zu leisten, wenn einer Person aufgrund einer Verordnung nach § 7b Abs. 1 Verkehrs­beschränkungen auferlegt wurden und ihr deshalb durch die Behinderung ihres Erwer­bes ein Vermögensnachteil entstanden ist.“

12. Nach § 32 Abs. 3 wird folgender Abs. 3a eingefügt:


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„(3a) Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund gemäß Abs. 3 besteht un­geachtet privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zur Fortzahlung des Entgelts beziehungsweise der Bezüge.“

13. Dem § 32 Abs. 5 wird folgender Satz angefügt:

„Dies gilt nicht im Falle der Fortzahlung des Entgelts bzw. der Bezüge gemäß Abs. 3a.“

14. Nach § 47 wird folgender § 47a samt Überschrift eingefügt:

„Amtsrevision

§ 47a. Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann gegen Ent­scheidungen der Verwaltungsgerichte in Verfahren nach diesem Bundesgesetz Revision wegen Rechtswidrigkeit beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Die Verwaltungsgerichte haben Ausfertigungen solcher Entscheidungen unverzüglich dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu übermitteln.“

15. Dem § 50 wird folgender Abs. 31 angefügt:

„(31) § 4 Abs. 3a und 3b, § 4a Abs. 1, § 4e Abs. 7, § 4g samt Überschrift, § 5 Abs. 1, die Überschrift zum zweiten Hauptstück, § 7 Abs. 1a, § 7b, § 28a Abs. 1, § 32 Abs. 1a, 3a und 5 sowie § 47a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft; § 4 Abs. 3a und 3b sowie § 4g samt Überschrift treten mit Ablauf des 30. Juni 2023 außer Kraft.“

Artikel 2

Änderung des COVID-19-Maßnahmengesetzes

Das COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl. I Nr. 12/2020, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 64/2022, wird wie folgt geändert:

1. In § 4a Abs. 1 wird die Wort- und Zeichenfolge „COVID19-erforderlich durch die Wort- und Zeichenfolge COVID19 erforderlich ersetzt.

2. Nach § 7 wird folgender § 7a samt Überschrift eingefügt:

„Amtsrevision

§ 7a. Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann gegen Ent­scheidungen der Verwaltungsgerichte in Verfahren nach diesem Bundesgesetz Revision wegen Rechtswidrigkeit beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Die Verwaltungsgerichte haben Ausfertigungen solcher Entscheidungen unverzüglich dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu übermitteln.“

3. Dem § 13 wird folgender Abs. 18 angefügt:

„(18) § 4a Abs. 1 und § 7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.““

Begründung

Allgemein

Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist SARS-CoV-2 ein Virus, das schnell und oft mutiert. Dadurch entstehen Virusvarianten, die unterschiedliche Eigen­schaften aufweisen. So kann die Infektiosität erhöht sein und/oder es können auch mehr oder weniger schwere Krankheitsverläufe ausgelöst werden. Vor diesem Hintergrund muss das Maßnahmenregime zur Bekämpfung der Verbreitung von SARS-CoV-2 auf die jeweils vorherrschende Virusvariante angepasst werden. Dafür braucht es flexible rechtliche Instrumentarien. Insbesondere Verordnungen haben sich im Laufe der


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COVID-19-Pandemie als geeignetes Instrument erwiesen, um schnell auf geänderte epidemiologische Rahmenbedingungen reagieren zu können.

Besonders während der Omikron-Infektionswelle im Frühjahr 2022 waren sehr hohe Infektionszahlen, zum Teil über 50.000 bestätigte Infektionen pro Tag, zu verzeichnen. Derart hohe Fallzahlen haben die Belastungsgrenzen der Gesundheitsbehörden aufge­zeigt. Selbst bei einer Ressourcenaufstockung wäre der mit diesen Fallzahlen verbun­dene Verwaltungsaufwand nicht bewältigbar gewesen. In Zusammenschau mit den sich immer wieder ändernden Eigenschaften des Virus scheint auch deshalb eine Anpassung des Rechtsrahmens erforderlich.

Da im Laufe des Jahres 2022 nach bisherigem Kenntnisstand eine weitere Infektions­welle zu erwarten ist beziehungsweise die Entwicklungen der Pandemie ungewiss sind, sollen vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen die gesetzlichen Grundlagen angepasst werden. Noch nicht abschätzbar ist, ob und in welcher Form SARS-CoV-2 mutieren wird. Daher soll sowohl für Mutationen, die leichte als auch für jene, die schwere Krankheitsverläufe auslösen, vorgesorgt werden, indem für beide Fälle flexible Handlungsmöglichkeiten auf Vollzugsebene geschaffen werden. Darüber hinaus dient die Novelle der Verwaltungsvereinfachung und damit der Entlastung der Gesundheits­behörden.

Schließlich werden mit dieser Novelle weitere Anpassungen vorgenommen, die unions­rechtlichen Hintergrund haben beziehungsweise die Einheitlichkeit der Vollziehung sicher­stellen sollen.

Zu Artikel 1 (Epidemiegesetz 1950 – EpiG):

Zu Z 1 (§ 4 Abs. 3a [neu]):

§ 3 Abs. 5 S 2 COVID-19-IG soll nunmehr an systematisch passender Stelle verankert werden.

Zu Z 2 (§ 4 Abs. 3b) und (§ 4a Abs. 1):

Die vorgeschlagenen Änderungen sind der Änderung der Systematik in § 4 EpiG geschuldet und bewirken keine inhaltliche Änderung.

Zu Z 3 (§ 4e Abs. 7):

Der derzeit geltende § 4e Abs. 7 EpiG enthält die Verpflichtung, alle Daten aus dem EPI-Service ein Jahr nach Übermittlung des Impfzertifikats an das Zentrale Impfregister zu löschen. Die Löschung der Daten hätte zur Folge, dass Impfzertifikate, die eine über ein Jahr zurückliegende Impfung bescheinigen, nicht mehr ausgestellt werden dürfen. Für die Bürgerinnen und Bürger würde dies bedeuten, dass sie bei Verlust des Impfzertifi­kates über eine Impfung, die über ein Jahr zurückliegt, dieses Zertifikat nicht erneut erhalten können.

Problematisch ist diese Situation insbesondere aufgrund der nach wie vor andauernden COVID-19-Pandemie: Bürgerinnen und Bürger könnten dadurch Hindernisse bei der Ausstellung des Grünen Passes erfahren. Dies könnte als Folge zu Komplikationen im Alltag führen, sowohl im Inland als auch im (EU)-Ausland, da in manchen Ländern die Vorlage sämtlicher Impfzertifikate insbesondere Voraussetzung für die Einreise ist.

Außerdem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/953 über einen Rahmen für die Ausstellung, Überprüfung und Anerkennung interoperabler Zertifikate zur Bescheinigung von COVID-19-Impfungen und -Tests sowie der Genesung von einer COVID-19-Infektion [digitales COVID-Zertifikat der EU] mit der Zielsetzung der Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie dazu verpflichtet, Impfzertifikate an die Bürgerinnen und Bürger auszustellen. Diese Verordnung soll bis


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30. Juni 2023 verlängert werden (s. Bericht der Kommission nach Artikel 16 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/953, COM[2022] 123 final 30), womit eine Anpassung des Löschungszeitpunktes ebenfalls erforderlich erscheint. Die längere Speicherung der Daten wird zur oben angeführten Zweckerreichung sohin noch länger benötigt, jedenfalls bis zum 30. Juni 2023.

Zu Z 4 (§ 4g):

In der aktuellen Anwendungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums für COVID-19-Impfungen („NIG Empfehlung“) werden Auffrischungsimpfungen für COVID-19-Impfun­gen für bestimmte Personengruppen empfohlen. Um diese Personen für die Auffri­schungsimpfung zu sensibilisieren bzw. die Bereitschaft für die Impfung zu erhöhen, soll mit der vorgeschlagenen Bestimmung der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister als datenschutzrechtlich Verantwortlicher (Art. 4 Z 7 DSGVO) auf Basis des Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO berechtigt werden, an diese Personen ein personalisiertes Erinnerungsschreiben auf dem Postweg zu versenden (Abs. 1). Der Versand von Erinnerungsschreiben knüpft an den Erfolg von Reminder- und Recall-Systemen zur Steigerung von Durchimpfungsraten an, der schon mehrfach wissenschaftlich bestätigt wurde (vgl. Jacobson Vann et al., Patient reminder and recall interventions to improve immunization rates, Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 1; Dini et al., The impact of computer-generated messages on childhood immunization coverage, American Journal of Preventive Medicine 2000, 18[2], 132-139; Shultz et al., A Systems Approach to Improving Tdap Immunization Within 5 Community-Based Family Practice Settings: Working Differently (and Better) by Transforming the Structure and Process of Care, American Journal of Public Health 2015, 105[10], 1990-1997). Diese Reminder- und Recall-Systeme werden regelmäßig als eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Impfversorgung beschrieben und gefordert (American Academy of Pediatrics, Immunization Reminder & Recall Systems aap.org/en-us/Documents/immunization_reminderrecall.pdf; Gesundheit Österreich GmbH, Quick Assessment: Maßnahmen zur Erhöhung der MMR-Durchimpfungsrate – Übersicht aus Literatur und Länderrecherchen 2013) sowie von der WHO ausdrücklich empfohlen. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen keine Studien zur Effektivität von personalisierten Erinnerungsschreiben speziell für COVID-19-Impfungen vor, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass die Studienergebnisse betreffend andere Impfstoffe auch für die Impfungen gegen COVID-19 Relevanz aufweisen. Anhand der absoluten Impf­zahlen lassen sich merkbare Zunahmen an Erst- und Folgeimpfungen in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Versendung von Erinnerungsschreiben feststellen, wobei diese Zahlen nicht im Rahmen von Studien ausgewertet wurden, weshalb sonstige Faktoren und vor allem Beweggründe für die Impfung nicht festgestellt werden können.

Der dynamische Verweis auf die jeweils aktuelle NIG-Empfehlung ist notwendig um auf Änderungen der Anwendungsempfehlung aufgrund des dynamischen Mutations-Ge­schehens von SARS-CoV-2 zeitnah reagieren zu können und das Erinnerungsschreiben sowie den Adressatenkreis entsprechend anzupassen. Die Feststellung der konkret betroffenen Personen ist jederzeit möglich, da die NIG-Empfehlungen auf der Home­page des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers jederzeit abrufbar sind. Insbesondere zielt der dynamische Verweis primär nicht auf den Adressatenkreis, sondern auf die inhaltlichen Feststellungen der NIG-Empfehlung, insbesondere zur Anzahl der empfohlenen Dosen. Durch den dynamischen Verweis wird ebenso im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gewährleistet, dass so weit als möglich nur jene Personen ein Erinnerungsschreiben erhalten, für die aktuell eine Auf­frischungsimpfung gegen COVID-19 empfohlen wird. Nicht ausgeschlossen werden kann eine Zustellung an jene Personen, für die aufgrund einer fortgeschrittenen Schwan­gerschaft, einer aktuellen Erkrankung an COVID-19 oder sonstiger Kontraindikationen


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eine Impfung temporär oder dauerhaft nicht empfohlen wird, da hierfür Verschneidungen mit anderen Datenbanken notwendig wären, welche vor allem aufgrund des großteils nur temporären Ausschlusses von der Empfehlung nicht verhältnismäßig erscheint.

Die ELGA GmbH soll gemäß Abs. 2 verpflichtet werden, als Auftragsverarbeiterin des für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesministers auf Basis der jeweils aktuellen Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums für COVID-19-Impfungen jene Personen zu eruieren, für die eine Auffrischungsimpfung gegen COVID-19 emp­fohlen wird und diesen Personen ein Erinnerungsschreiben zu übermitteln. Zum Zwecke der Feststellung des Adressatenkreises hat der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister der ELGA GmbH die dafür notwendigen Anforderungen auf Grundlage der jeweils aktuellen NIG-Empfehlung zu übermitteln, wodurch sich der Kreis der Adres­saten verkleinern oder vergrößern kann, etwa bei Impfempfehlungen nur ab erreichen einer gewissen Altersgrenze versus einer Empfehlung für alle impfbaren Personen. Ein­schränkungen auf Grundlage von Kontraindikationen können, wie bereits beschrieben, aufgrund der dafür notwendigen Registerverschneidungen zumindest nicht auf Grund­lage dieses Bundesgesetzes vorgegeben werden.

Als Grundlage für die Ermittlung dieser Personen soll primär das zentrale Impfregister dienen, da in diesem gemäß § 4 Abs. 1 eHealth-Verordnung alle in Österreich verab­reichten COVID-19-Impfungen einzutragen sind. Da im zentralen Impfregister keine Genesungsdaten gespeichert werden, sollen jene Personen, für die zwar grundsätzlich, aber aufgrund ihrer Genesung nicht zum Zeitpunkt des Erinnerungsschreibens eine Auffrischungsimpfung empfohlen wird, ebenfalls über die Auffrischungsimpfung informiert werden. Um diese Personen auszufiltern, wäre eine Datenverschneidung mit dem Register anzeigepflichtiger Krankheiten (§ 4 EpiG) erforderlich, wodurch daten­schutz­rechtlich ein intensiverer Eingriff erfolgen würde, als diese Personen ebenfalls zu informieren, zumal auch für diese Personen eine Auffrischungsimpfung – nach Ablauf einer gewissen Frist nach der Infektion – grundsätzlich empfohlen wird.

Als geeignete Garantien zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Per­sonen im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG sieht Abs. 6 nicht nur ein Weiterverarbeitungsverbot zu anderen Zwecken als in diesem oder anderen Bundesgesetzen (COVID-19-IG, GTelG 2012) vorgesehenen Zwecken und eine Protokollierungspflicht für die Zugriffe vor, sondern es soll gemäß Abs. 4 auch die im Rahmen des Grünen Passes benannte Stelle für Beschwerden und Informationen (§ 4b Abs. 8 2. Satz EpiG) rund um das Erinnerungsschreiben zuständig sein. Dadurch können sich die betroffenen Personen beispielsweise für Berichtigungen ihrer im zentralen Impfregister gespeicherten Daten nicht nur an den Gesundheitsdiensteanbieter wenden, der die Impfung gespeichert hat, sondern auch an die benannte Stelle, die die Art des Fehlers zu erheben und erfor­derlichenfalls seine Berichtigung zu veranlassen hat. Zusätzlich ermöglicht die Benen­nung dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister die Beauftragung zur Entgegennahme von Anfragen und Beschwerden in seinem Namen und seiner Verant­wortung. Die Geltendmachung von Betroffenenrechte soll daher primär gegenüber dieser Stelle erfolgen, welche entsprechend in der Datenschutzinformation angeführt werden soll. Anfragen, welche dennoch direkt gegenüber dem Verantwortlichen geltend gemacht werden, gelten ebenso als fristwahrend eingebracht, weshalb die Betroffe­nenrechte hierdurch nicht geschmälert werden Die rechtzeitige Übermittlung dieser Anfragen an die benannte Stelle obliegt dem Verantwortlichen.

Mit dem vorgeschlagenen Abs. 5 wird gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. e DSGVO der Art. 12 Abs. 3 DSGVO beschränkt: Diese Bestimmung sieht vor, dass der Verantwortliche der betroffenen Person Informationen über die auf Antrag gemäß den Art. 15 bis 22 DSGVO ergriffenen Maßnahmen unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags zur Verfügung zu stellen hat. Diese Frist kann um weitere zwei


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Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags über eine Fristverlängerung zusammen mit den Gründen für die Verzögerung.

Vergangene ähnliche Maßnahmen wie diese (Erinnerungsschreiben an die 3. Teilimp­fung, Erinnerungsschreiben an Ungeimpfte) haben zu einer sehr hohen Zahl an Aus­kunftsbegehren oder ähnlichen Anträgen geführt, unabhängig davon, ob derjenige, an den das Auskunftsbegehren gerichtet war, auch der Verantwortliche für die Datenver­arbeitung war oder nicht. Um die Wahrnehmung der sonstigen Verwaltungsaufgaben der Adressaten dieser Auskunftsbegehren zu garantieren, soll, insbesondere aufgrund der Auslastung durch die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie seit dem Frühjahr 2020, mit der vorgeschlagenen Änderung eine zeitliche Ressource geschaffen und eine längere Frist für die Beantwortung der Anträge der betroffenen Personen vorgesehen werden. Bei der Sicherstellung der Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben handelt es sich um den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses im Sinne des Art. 23 Abs. 1 lit. e DSGVO. Die Verlängerung der Frist führt – insbesondere im Gegensatz zum Ausschluss von (bestimmten) Betroffenenrechten – zu einer nur tem­porären Schwächung der Betroffenenrechte, da die Beantwortung der Anfragen dann womöglich erst später erfolgt, dieser aber dennoch entsprochen wird. In Bezug auf die einzelnen Betroffenenrechte ist dazu Folgendes auszuführen: Das Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO ist erfahrungsgemäß das am häufigsten genutzte Betroffe­nen­recht, welches jedoch – je nach Einschränkung durch den Betroffenen selbst – einer sehr umfangreichen und arbeitsintensiven Beantwortung bedarf. Das Recht auf Be­richtigung gemäß Art. 16 DSGVO erscheint im vorliegenden Kontext nicht zielführend, da die erforderlichen Daten für jedes Schreiben direkt dem eImpfpass entnommen werden, für welchen § 24c Abs. 3 GTelG 2012 eigene Bedingungen vorsieht. Die verlängerte Frist dienst in diesem Fall auch zur zielführenden Beantwortung der Anfrage, um für den Betroffenen den zuständigen Verantwortlichen ausfindig zu machen. Das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO wird gemäß dessen Abs. 3 lit. c regelmäßig nicht anwendbar sein, wobei die endgültige Prüfung jedenfalls dem Verantwortlichen obliegt. Das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung gemäß Art. 18 DSGVO wird ebenso regelmäßig nicht zustehen, da gemäß der geschaffenen Rechtsgrundlage eine Weiterverarbeitung ausgeschlossen ist. Das Recht auf Datenübertragbarkeit gemäß Art. 20 DSGVO ist gemäß dessen Abs. 1 nicht anwendbar, da die Verarbeitung nicht auf einer Einwilligung beruht. Das Recht auf Widerspruch gemäß Art. 21 DSGVO setzt eine eingehende Prüfung der Gründe, welche in der besonderen Situation des Betroffenen ergeben, welche angesichts der zu erwartenden Anzahl an Anfragen nicht innerhalb der gemäß Art. 12 DSGVO vorgesehenen Frist erfolgen kann. Eine automatisierte Entschei­dungsfindung gemäß Art. 22 DSGVO erfolgt im vorliegenden Kontext regelmäßig nicht.

Aufgrund der bereits erwähnten ähnlichen vergangenen Maßnahmen wurde von den betroffenen Personen auch sehr viele Beschwerden bei der Datenschutzbehörde einge­bracht, viele davon betreffen die nicht fristgerechte Beantwortung von Auskunfts­begehren gemäß Art. 15 DSGVO. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt auch das Hintanhalten einer Überlastung der Datenschutzbehörde gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. e DSGVO eine Beschränkung des Art. 12 Abs. 3 DSGVO im Zusammenhang mit dem Erinnerungsschreiben.

Die betroffenen Personen sind über diese Beschränkung zu informieren, wodurch die spezifische Maßnahme im Sinne des Art. 23 Abs. 2 lit. h DSGVO erfüllt wird.

Da die Erfahrungen der vergangenen Monate gezeigt haben, dass sich die betroffenen Personen nicht zwangsläufig an den tatsächlichen Verantwortlichen für die Datenver­ar­beitung wenden, soll die mit Abs. 5 vorgenommene Beschränkung für alle Verantwortlichen


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gelten, die mit Anträgen konfrontiert sind, die im augenscheinlichen Zusammenhang mit der Versendung der Erinnerungsschreiben stehen. Es handelt sich daher um Anfragen zu jenen Verarbeitungen, die die Selektion des Adressatenkreises aus dem eImpfpass sowie den Druck, die Kuvertierung und Versendung des Schreibens betreffen. Dies sind etwa der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister, die ELGA GmbH sowie die ELGA-Ombudsstelle, aber auch der Dachverband der Sozialversicherungsträger, die einzelnen Ämter der Landesregierung sowie die Datenschutzbehörde (vgl. deren Disclaimer auf www.dsb.gv.at).

Zu Z 5 und 6 (§ 5 Abs. 1):

Insbesondere die Omikron-Welle im Frühjahr 2022 hat deutlich gemacht, dass bei sehr hohen Infektionszahlen die Fallabklärung bei den Gesundheitsbehörden an Grenzen stößt. Eine durchgängige Kontaktpersonennachverfolgung bei derart hohen Fallzahlen wie während der Omikron-Welle wäre für die Gesundheitsbehörden selbst durch eine Aufstockung ihrer Ressourcen nicht bewältigbar. Die vorgenommene Anpassung soll klarstellen, dass bei Infektionsspitzen die Reichweite der Fallabklärung angepasst wer­den kann, falls die vorhandenen Ressourcen nicht für eine umfassende Fallabklärung ausreichen. Es sollen insbesondere bei Kapazitätsengpässen Priorisierungen ent­sprechend den epidemiologischen Erfordernissen möglich sein. In diesem Zusammen­hang ist darauf hinzuweisen, dass bereits das Epidemiegesetz 1913, RGBl. Nr. 67/1913, das mit dem Epidemiegesetz 1950 wiederverlautbart wurde, Regelungen enthielt, die auf die Schonung der finanziellen Mittel und Kräfte der Verwaltung Rücksicht nahmen (vgl. RV 22 BlgHH 21. Sess. 1911 20). Selbstredend gilt dennoch, dass die Gesund­heitsbehörden nur bei objektiv unbewältigbarem Aufwand – wie etwa während der Spitzen der Infektionswellen – die Fallabklärung einschränken dürfen. Bei einer allfäl­ligen Einschränkung haben die Gesundheitsbehörden nach Prioritäten vorzugehen, die per Erlass vorgegeben werden können.

Zu Z 7 (Überschrift zum zweiten Hauptstück):

Es handelt sich um redaktionelle Anpassungen, die auf Grund der Neugestaltung von § 7 Abs. 1a EpiG durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 183/2021 erforderlich sind.

Zu Z 8 (§ 7 Abs. 1a):

Dient der Klarstellung und soll die zwischen Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof bestehende Judikaturdivergenz (s. zB. VfGH 06.10.2021, E 4201/2020 ua und VwGH 15.04.2022, Ra 2022/09/0026) beseitigen. Absonderungen können wie nach bisherigem Verständnis mittels Absonderungsbescheid oder aufgrund eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verfügt werden (s. AB 1067 BlgNR 27. GP 1).

Dass aus dem Fehlen einer expliziten Ermächtigung zum Setzen von Akten unmit­telbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht auf deren Unzuläs­sigkeit nach dem Epidemiegesetz 1950 geschlossen werden kann, zeigt auch eine historische Interpretation: Das Epidemiegesetz 1913, RGBl. Nr. 67/1913, das mit dem Epidemiegesetz 1950 wiederverlautbart wurde, sollte weder die bestehende Organi­sation noch bestehende Aufgaben der Sanitätsorgane ändern. Die Festschreibung be­hördlicher Befugnisse im Epidemiegesetz 1913 diente vielmehr der Klarstellung oder, wie etwa im Fall von § 42 Abs. 3 EpiG, dazu, eine gesetzliche Grundlage für eine bereits gelebte Praxis der Sanitätsorgane zu schaffen (s. dazu RV 22 BlgHH 21. Sess. 1911 31 f).

Klargestellt wird auch, dass die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur zulässig ist, wenn sie aufgrund der Dringlichkeit der Situation not­wendig ist, also eine Absonderung mittels Bescheid nicht rechtzeitig erfolgen kann. Außerdem soll die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nur


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provisorischen Charakter haben. Eine Absonderung in Ausübung verwaltungs­behörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt ist sohin nur in Ausnahmefällen denkbar. In Frage kommt sie etwa dann, wenn eine Person offensichtlich Symptome einer anzeige­pflich­tigen übertragbaren Krankheit zeigt und sich weigert, sich in Quarantäne zu begeben. Die Bestimmung betrifft im Übrigen nicht nur (und nicht primär) COVID-19, sondern alle anzeigepflichtigen Krankheiten.

Die Formulierung orientiert sich an vielfach in anderen Gesetzen vorkommenden Bestim­mungen, etwa § 69 Arzneimittelgesetz, BGBl. Nr. 185/1983, und § 360 Gewerbe­ord­nung, BGBl. Nr. 194/1994.

Eine telefonische Aufforderung zur Absonderung stellt im Übrigen grundsätzlich keinen Befehlsakt dar (vgl. VfGH 06.10.2021, E 221/2021).

Zu Z 9 (§ 7b):

Bisher bestand mit § 7 EpiG nur die gesetzliche Grundlage dafür, Personen individuell konkret im Verkehr zu beschränken oder abzusondern. Der verfassungsrechtliche Rah­men erlaubt es jedoch auch, Verkehrsbeschränkungen mittels Verordnung und damit allgemein abstrakt zu verfügen (s. dazu im Detail unten).

Die Erfahrungen mit der Omikron-Variante haben gezeigt, dass bei vorwiegend milden Krankheitsverläufen auch Verkehrsbeschränkungen ein taugliches Mittel sein können, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen (vgl. Empfehlung des BMSGPK für die Gesundheitsbehörden zur Entlassung von bestätigten Fällen aus der Absonderung vom 21.04.2022). Auch bei künftigen Virusvarianten, die mit Omikron vergleichbare Eigenschaften aufweisen, könnten Absonderungen entbehrlich sein und bloße Verkehrs­beschränkungen ausreichen. Die vorgesehene Verordnungsermächtigung erlaubt in diesem Fall eine schnelle Anpassung an die Eigenschaften der vorherrschenden Virus­variante.

Bei besonders hohen Infektionszahlen mit SARS-CoV-2 traten bei den Gesundheits­behörden Probleme auf, entsprechende Maßnahmen bei jedem Infektionsfall einzeln bescheidmäßig anzuordnen. Ohne entsprechende bescheidmäßig vorgeschriebene Maß­nahmen sind die betroffenen, infizierten Personen nicht konkret in ihrer Bewe­gungsfreiheit eingeschränkt. Dies läuft Ziel und Zweck des Epidemiegesetzes 1950 diametral entgegen.

§§ 178 und 179 StGB sind zwar bei einer Infektion mit COVID-19 anwendbar, jedoch lassen sich aus diesen Delikten nur abstrakte Handlungsvorgaben für infizierte Personen ableiten: Bei beiden Delikten handelt es sich um abstrakte Gefährdungsdelikte, deren objektiver Tatbestand bereits erfüllt ist, wenn die Handlung der infizierten Person die Gefahr einer Verbreitung der übertragbaren Krankheit bewirkt (Birklbauer in Resch, Corona-HB1.00 Kap 16 [Stand 10.4.2020, rdb.at] Rz 18; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 178 [Stand 1.10.2016, rdb.at] Rz 2; s. auch OGH 16.02.2022, 13Os130/21y). Welche Handlungen konkret von den Tatbeständen erfasst sind, kann im Einzelfall schwierige Auslegungsfragen aufwerfen und lässt sich dementsprechend nicht allge­mein beantworten. Infizierte Personen dürfen mangels Absonderung aber ihren per­sön­lichen Wohnbereich verlassen und sich (in den Grenzen der §§ 178 und 179) frei bewegen. Damit geht von den infizierten Personen – trotz der möglichen strafrechtlichen Konsequenzen – aufgrund ihres entsprechend großen Bewegungsradius potentiell eine hohe Ansteckungsgefahr aus. Mit Verkehrsbeschränkungen können im Gegensatz dazu punktuelle Verhaltensanordnungen getroffen werden, die konkret gefährdendes Verhal­ten verbieten. Um insbesondere bei hohen Infektionszahlen ein schnelles und effizientes Vorgehen zu garantieren, werden mit dem neuen § 7b EpiG Verkehrsbeschränkungen per Verordnung ermöglicht.


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Abs. 2 enthält die Voraussetzungen, die für die Verordnungserlassung vorliegen müs­sen. Zum einen muss davon auszugehen sein, dass die Eigenschaften des betroffenen Krankheitserregers keine Absonderung nach § 7 Abs. 1a EpiG erfordern. Nur bei Krankheitserregern, die in der Regel einen milden Krankheitsverlauf auslösen, erscheint das Entfallen von bescheidmäßig angeordneten Maßnahmen vertretbar und sach­gerecht. Die Verkehrsbeschränkungen müssen zum anderen verhältnismäßig sein, das heißt zur Verhinderung der Verbreitung der betroffenen anzeigepflichtigen Krankheit im Sinne einer Verordnung nach § 7 Abs. 1 erforderlich.

Mit Abs. 3 wird abstrakt festgelegt, welche Verkehrsbeschränkungen in einer Verord­nung gemäß Abs. 1 angeordnet werden können. Die anschließenden Abs. 4 bis 7 en­thalten die entsprechenden Legaldefinitionen. Grundsätzlich orientieren sich die Ver­kehrsbeschränkungen und Definitionen am COVID-19-Maßnahmengesetz.

Auf der Grundlage des § 7b EpiG kann der für das Gesundheitswesen zuständige Bun­desminister das Betreten bestimmter Orte untersagen; er darf jedoch Menschen nicht dazu verhalten, an einem bestimmten Ort, insbesondere auch in ihrer Wohnung, zu verbleiben. Damit ermächtigt § 7b EpiG zu – wenngleich weitreichenden – Eingriffen in die durch Art. 4 Abs. 1 StGG und Art. 2 Abs. 1 4. ZPEMRK gewährleistete Freizügigkeit. Der Schutzbereich des Rechts auf persönliche Freiheit gemäß Art. 1 Abs. 1 PersFrBVG und Art. 5 EMRK ist jedoch nicht berührt (vgl. VfSlg. 20.398/2020), da die Beschränkung der Bewegungsfreiheit in ihrer Art und Intensität nicht mit jener eines Freiheitsentzuges vergleichbar ist (vgl. die Rsp bei Kopetzki, in Korinek/Holoubek ua, Bundesverfas­sungsrecht 5. Lfg. [2002], Art. 1 PersFrG, Rz 26).

Einschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit sind verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn sie gesetzlich zum Zwecke eines legitimen öffentlichen Interesses vorgesehen und zur Zielerreichung geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinn sind. § 7b EpiG dient dem Schutz der Gesundheit; Abs. 2 konkretisiert dieses Ziel dahingehend, dass die Verkehrsbeschränkungen auf die Verhinderung der Verbreitung einer anzeige­pflichtigen Krankheit im Sinne einer Verordnung des § 7 Abs. 1 EpiG gerichtet sein müssen. Mit den Verkehrsbeschränkungen soll der persönliche Kontakt einer Vielzahl von Menschen und die damit verbundene Ansteckungsgefahr verhindert werden. Schon dadurch enthält die gesetzliche Verordnungsermächtigung Leitlinien für den Verord­nungsgeber. Darüber hinaus ist in der Wendung „die Verkehrsbeschränkungen erfor­derlich ist, um die Verbreitung der in einer Verordnung nach § 7 Abs. 1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit zu verhindern“ der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesetz­lich umfassend verankert. Daraus folgt auch, dass der Verordnungsgeber die Verord­nung zeitlich zu befristen und auf entsprechend fundierter wissenschaftlicher Basis vorzugehen beziehungsweise die Verkehrsbeschränkung entsprechend zu evaluieren hat. Darüber hinaus sind die Anforderungen an die aktenmäßige Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen und eine ausreichende Begründung der ergriffenen Maß­nahmen einzuhalten (s. insbesondere VfSlg. 20.399/2020).

Zu Z 10 (§ 28a Abs. 1):

Durch die Aufnahme des § 7b EpiG wird sichergestellt, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch bei der Kontrolle und Durchsetzung von Verkehrsbeschrän­kungen unterstützend tätig werden können.

Zu Z 11 (§ 32 Abs. 1a):

Der neu eingefügte Abs. 1a stellt eine Sonderregelung für Entschädigungen dar, die als Vergütung wegen der durch die Behinderung des Erwerbes aufgrund einer Infektion mit SARS-CoV-2 entstandenen Vermögensnachteile zu leisten sind. Als Vorbild für diese Regelung dient § 54 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000, dBGBl. I S. 1045, das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. März 2022 (BGBl. I S. 473) geändert


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worden ist. Anders als bisher entsteht der Entschädigungsanspruch bereits, wenn der Nachweis über ein positives Testergebnis auf SARS-CoV-2 vorliegt und damit unabhän­gig von einer gemäß § 7 erfolgten Absonderung.

Durch diese Regelung soll jedoch kein Anspruch auf Verdienstentgang geschaffen werde, der für einen längeren Zeitraum zusteht als bei einer Absonderung nach § 7 EpiG. Deshalb wird klargestellt, dass der Anspruch nur für die Dauer besteht, für die auch eine Absonderung verfügt worden wäre, sohin bis zum Ende der Infektiosität.

Diese Sonderregelung ist wiederum insbesondere den Erfahrungen während der Omikron-Welle geschuldet. Entstehen bei der Erlassung von Absonderungsbescheiden Probleme, etwa, weil telefonische Bescheide nicht rechtzeitig schriftlich erlassen werden können, so wirkt sich dies automatisch auf Entschädigungsansprüche nach § 32 EpiG aus. Im Interesse der Betroffenen soll mit der Sonderregelung ein einfacherer Zugang zu Entschädigungsleistungen gesichert werden.

Zu Z 12 (§ 32 Abs. 3a):

Mit Beschluss vom 21. März 2022, Zl. Ra 2021/09/0235-4, hat der Verwaltungs­ge­richtshof hervorgehoben, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 32 Abs. 3 EpiG von einem Dienstnehmer ausgegangen ist, dem durch eine Maßnahme nach dem EpiG ein Verdienstentgang entstanden ist, der in der Folge durch eine Vergütung ausge­glichen werden soll (Rz 32). Ist jedoch beim Arbeitnehmer kein Verdienstentgang – aus welchen Gründen auch immer – eingetreten, hat dieser keinen Anspruch auf Verdienst­entgang (Rz 34). Soweit bei einem Beamten mangels gesetzlicher Anordnung für den Fall einer Maßnahme nach §§ 7, 17 EpiG kein Entgeltausfall entsteht, gibt es auch keinen Anspruch des Beamten, der in weiterer Folge durch vorschussweise Liquidierung durch den Dienstgeber auf diesen übergehen könnte und den dieser wiederum gegen­über dem Bund gelten machen könnte (Rz 35). Hat der Arbeitnehmer [aber] einen Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts trotz Absonderung aufgrund anderer Bestim­mungen, gibt es keinen Anspruch des Arbeitnehmers nach dem EpiG; dies gilt ebenso für privatrechtliche Dienstverhältnisse (Rz 37). Der VwGH hat im Anlassfall festgehalten, dass Beamte gemäß § 12c des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54/1956, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 34/2022, auch während einer Absonderung gemäß den §§ 7 oder 17 EpiG weiterhin Anspruch auf ihre Bezüge haben, wenn bei ihnen deswegen kein Verdienstentgang eintritt und daher auch kein Anspruch nach § 32 EpiG besteht.

Die überwiegende arbeitsrechtliche Lehre geht davon aus, dass der Vergütungs­anspruch nach dem EpiG nur subsidiär zu anderen arbeitsrechtlichen Entgeltfort­zah­lungsregelungen zum Tragen kommt. Ungeachtet dessen besteht zur Frage, ob an COVID-19 erkrankten Arbeitnehmern, die nach den §§ 7 oder 17 EpiG abgesondert wurden, ein Vergütungsanspruch nach dem EpiG oder Entgeltfortzahlung aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen zusteht, keine Judikatur (auch der zuvor genannte Beschluss des VwGH lässt dies offen). Es handelt es sich somit um eine „rechtliche Grauzone“ (Mischka, Kranke Arbeitnehmer in Quarantäne – wer trägt die Kosten?, CuRe 2020/82 = GRAU 2020, 54 [56]). Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist bisher davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Vergütung nach § 32 Abs. 3 EpiG als lex specialis vorgeht. Durch den nun eingefügten § 32 Abs. 3a EpiG wird im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit angeordnet, dass der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund unabhängig davon gegeben ist, ob privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zur Fortzahlung des Ent­gelts oder des Bezugs bestehen. Zur Vermeidung etwaiger Ungleichheiten gilt dies auch für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse. In Hinkunft besteht ein Anspruch auf Vergütung von Verdienstentgang somit auch dann, wenn z.B. kein Entfall der Bezüge (s. § 12c GehG) vorgesehen ist.


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Zu Z 13 (§ 32 Abs. 5):

Hier wird lediglich klargestellt, dass fortgezahltes Entgelt beziehungsweise Bezüge nicht der Anrechnung nach § 32 Abs. 5 EpiG unterliegen.

Zu Z 14 (§ 47a):

Gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG kann auch in anderen Angelegenheiten als jenen in Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 sowie 14a Abs. 3 und 4 B-VG festgelegt werden, dass der Bun­desminister Revision gegen Beschlüsse und Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten erheben kann. Von dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung wird Gebrauch ge­macht, um die Einheitlichkeit der Vollziehung sicherstellen zu können. Die Notwendigkeit hierfür besteht, da in der Vergangenheit einzelne verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse ergangen sind, die der Rechtsansicht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz diametral entgegenstehen (s. insbesondere Verwal­tungs­gericht Wien 24.3.2021, VGW-103/048/3227/2021).

Zu Artikel 2 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG):

Zu Z 1 (§ 4a Abs. 1):

Redaktionelle Anpassung, mit der ein Tippfehler bereinigt wird.

Zu Z 2 (§ 7a):

S. hierzu die Erläuterungen zu Artikel 1 Z 14.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Werner Saxinger, MSc, Ralph Schallmeiner

und Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Gesundheitsausschusses 1505 der Beilagen über den Antrag 2493/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialver­siche­rungsgesetz geändert werden (TOP 9)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geändert:

Die Z 5 lautet:

»5. Nach § 769 wird folgender § 770 samt Überschrift angefügt:

„Schlussbestimmung zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022

§ 770. (1) § 742c erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt rückwirkend mit 21. März 2022 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft.

(2) § 718 Abs. 7a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2022 in Kraft.“«


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 141

Begründung

Mit der vorgesehenen Abänderung in § 770 Abs. 2 ASVG kommt es zu einer Berich­tigung eines redaktionellen Versehens.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sowohl der Abänderungsantrag zu Tagesord­nungspunkt 9 als auch jener zu Punkt 7 ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. (Abg. Martin Graf: ... Learning by doing!)

Zu Wort gemeldet ist Kollege Kaniak. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort.


14.36.40

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wer meinem Vorredner gerade zugehört hat und sich die Auflistung der auch jetzt gerade eben wieder erneut eingebrachten Abänderungsanträge gegeben hat, der wird verwirrt zurückbleiben. So ähnlich geht es auch den Mitgliedern des Gesund­heitsausschusses, wenn sie innerhalb von drei Tagen eine Änderung nach der anderen kurzfristig vor die Füße geworfen bekommen, wenn keine Zeit ist, das Ganze fachlich zu diskutieren, wenn offensichtlich schon gar keine Zeit war, das auch ordentlich verfas­sungsrechtlich begutachten zu lassen. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Dann passieren natürlich auch grobe Fehler, die dann korrigiert werden müssen – wie zum Beispiel mit diesen automatischen Absonderungen, die, glaube ich, juristisch höchst problematisch sind: wenn durch das Computersystem – nach irgendeinem Testergebnis aus irgendeinem Labor, das dort schon keinen Menschen gesehen hat, das auf der Behörde dann keinen Menschen mehr sieht – dann per E-Mail ein Absonderungs­be­scheid ausgeschickt werden soll, durch den die Menschen dann auf einmal sozusagen rechtlich in ihren Freiheiten eingeschränkt sind, ohne dass irgendein Mensch sie tat­sächlich behandelt oder sie beamtshandelt hat.

Gott sei Dank ist dieser Passus wieder gestrichen worden. Ich glaube, da hätten Sie eine massive Protestwelle geerntet, wenn Sie das so wie geplant umgesetzt hätten. Ich bin froh, dass zumindest in diesem Punkt Vernunft eingekehrt ist.

Sie haben aber aus den Versäumnissen der Vergangenheit nicht gelernt und Kollegin Schwarz hat das, finde ich, sehr, sehr gut angeführt. Sie wollen jetzt den Rechnungs­hofbericht zum Krisenmanagement 2020 Punkt für Punkt umsetzen und endlich anfan­gen, gemeinsam mit dem Parlament einen Pandemieplan zu erstellen. – Ja, Herr Bun­desminister – ich weiß schon, Sie sind jetzt der dritte Gesundheitsminister in dieser Krise –: Der Rechnungshofrohbericht, der jetzt in der Endversion vorliegt, war schon im Spätsommer 2020 verfügbar, den hätten Ihre Vorgänger schon längst heranziehen können. Im Gesundheitsministerium ist dieser Rohbericht sicherlich vorgelegen, nur sind offensichtlich in den vergangenen eineinhalb Jahren keine Lehren aus diesem Roh­bericht gezogen worden. Denn was machen Sie hier die ganze Zeit? Sie verlängern Notstandsgesetze, anstatt das Normsystem an die Herausforderungen einer mittlerweile endemisch gewordenen Pandemie anzupassen.

Sie haben vollkommen recht: Die Pandemie ist nicht vorbei, und auch die Coronaviren werden nicht verschwinden. Die Coronaviren sind aber schon, wahrscheinlich seit es die Menschheit gibt, ständige Wegbegleiter von uns und es wird – ähnlich wie bei den Grippeviren – schlimmere Infektionswellen und harmlosere Infektionswellen geben. Die gesamte österreichische Bevölkerung aber als Präventionsmaßnahme in einem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 142

gesundheitspolitischen Notstand, in einem Ausnahmezustand zu halten, weil man nicht weiß, was kommen könnte: Ich glaube, das ist selbst dem Laien einleuchtend, dass das ein vollkommener Wahnsinn ist. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Ich würde mich ja wirklich freuen, wenn wir tatsächlich gemeinsam einen gesundheits­politischen Pandemieplan und auch einen betrieblichen Pandemieplan erarbeiten wür­den, denn sowohl die Menschen als auch die Behörden als auch die Wirtschaft brauchen Planungssicherheit für den Herbst; aber was ist denn aus allen strukturierten Maßnah­men geworden, die ein vorhersehbares, ein kalkulierbares Vorgehen für die Bevölkerung bedeuten würden?

Was ist denn aus der Coronaampel geworden? Was ist denn aus den Stufenplänen geworden? Wo ist denn überhaupt eine klare Klassifizierung des aktuellen Coronavirus, der aktuellen Varianten?

Seit einem halben Jahr zirkuliert Omikron in den verschiedenen Untervarianten, der Großteil der europäischen Staaten hat quasi alle einschränkenden Maßnahmen aufge­hoben und hat den Ausnahmezustand bereits wieder verlassen. Nur bei uns in Öster­reich müssen wir uns Tag für Tag anhören, dass wir im Dauerausnahmezustand bleiben müssen, weil wir ja nicht wissen, was uns der Herbst bringen wird. Das kann doch nicht Ihr Lösungsvorschlag sein! Das kann doch nicht die einzige Lösung sein, Herr Bundesminister, da müssen wir doch andere Lösungen finden.

Die Lage hat sich doch grundlegend geändert, nicht nur durch Omikron, sondern auch durch die Impfungen, durch die Therapeutika, durch die deutlich geringere Morbidität und Mortalität aus dem Ganzen. Wo sind die anderen Maßnahmen? Sie kennen das, wir hatten im Gesundheitsausschuss letzte Woche mehrere Anträge, wie man Österreich tatsächlich auf den Herbst, auf eine neue Infektionswelle vorbereiten könnte: Stärkung des niedergelassenen Bereichs, Etablierung von funktionierenden Visitendiensten für Abgesonderte oder Erkrankte, die Stärkung der Gesundheitsbehörden – das alles wurde von den Regierungsfraktionen im Gesundheitsausschuss letzte Woche vertagt. Das wären die Vorbereitungsmaßnahmen auf den Herbst gewesen, Herr Bundesminister, und nicht die Verlängerung des Ausnahmezustands.

Lassen Sie mich nun im Detail auf die zum Beschluss stehenden Änderungen im Epidemiegesetz und im Covid-19-Maßnahmengesetz eingehen. Ein ganz wesentlicher Punkt ist: Die automatisierte Bescheiderstellung ist Gott sei Dank vom Tisch geräumt. Ein anderer Punkt ist das Aussenden von Erinnerungsschreiben, wobei Sie als Daten­schutzbeauftragter oder -bevollmächtigter erneut auf die Elga-Daten zugreifen wollen, um an unsere Bürger Erinnerungsschreiben zu schicken, die sie zur Impfung bringen sollen.

Abgesehen davon, dass Sie da wieder einmal Daten aus dem Gesundheitsbereich abgreifen, die Ihnen eigentlich gar nicht zustehen, die eigentlich die sensibelsten Daten überhaupt sind, wird dieses Erinnerungsschreiben auch nichts bringen. Sie schreiben selber hinein, dass keine individuelle Prüfung erfolgen kann, ob eine Impfung für die einzelne Person tatsächlich empfohlen ist oder nicht, aber trotzdem werden die Österreicher dieses Schreiben bekommen. Sie setzen da wieder Millionen Euro für eine PR-Aktion in den Sand, die für die Impfquote nichts bringen wird. Dieses Geld wäre an­derswo, zum Beispiel direkt bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen, sicherlich besser eingesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage gleich an dieser Stelle dazu, wenn Sie tatsächlich der Impfbereitschaft von Herrn und Frau Österreicher etwas Gutes tun wollen, dann schaffen Sie das Impf­pflichtgesetz ab. Das ist nämlich ein Bumerang sondergleichen gewesen, der nicht nur die Impfquote bei der Covid-Impfung, sondern auch für alle anderen sinnvollen Impfungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 143

massiv reduziert hat. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Belakowitsch: Aber der Schaden ist schon angerichtet!)

Es sind aber nicht nur diese Erinnerungsschreiben, die datenschutzrechtlich sehr bedenklich sind, Sie haben noch ein paar andere Änderungen in das Epidemiegesetz hineingeschrieben, so zum Beispiel auch die Möglichkeit einer Amtsrevision gegen unliebsame Entscheide von Landesverwaltungsgerichtshöfen. Jetzt weiß ich schon, dass eine Amtsrevision in manchen Bereichen durchaus zulässig ist, aber wenn man das ad hoc und kurzfristig und ohne Begutachtung einführt, nur weil es ein paar unliebsame Urteile zum Beispiel vom Wiener Landesverwaltungsgerichtshof gegeben hat, und Sie da volles Durchgriffsrecht haben wollen, dass diese Urteile nicht rechts­kräftig werden können, dann hat das schon, wie man in Österreich sagt, so ein bissel ein G’rücherl, ja. Das ist aus meiner Sicht demokratiepolitisch nicht ganz sauber. Man sollte sich die Frage stellen, wie man überhaupt dazu kommt, sich diese Möglichkeiten zu schaffen.

Der wesentliche Punkt, die größte Änderung, die ich auch in den vergangenen Tagen bereits mehrfach thematisiert habe, sind die nun geplanten Verkehrsbeschränkungen im § 7b, die Sie einführen wollen. Es ist ja unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit diese neuen Verkehrsbeschränkungen als Erleichterungen verkauft werden. Was machen Sie denn jetzt neu?  Sie schaffen eine Möglichkeit, Personen, die eigentlich eben nicht abzusondern sind, die nach der ursprünglichen Definition  wie Sie es geschrieben haben, bevor Sie es gestern wieder korrigiert haben  für andere eben gar keine Gefahr darstellen, in Ihren Grund- und Freiheitsrechten zu beschränken, und zwar bis in den privaten Bereich hinein. (Abg. Deimek: Es hört eh keiner mehr auf die Kasperl in der Regierung!)

Sie wollen festschreiben, wie bestimmte Personengruppen am sozialen Leben teilhaben können, ob sie zur Geburtstagsfeier vom Nachbarn gehen dürfen oder nicht, ob sie zu Fuß in die Arbeit gehen müssen oder mit dem privaten Auto fahren oder doch die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen sollen  das wollen Sie mit diesen Verkehrsbe­schrän­kungen am Parlament vorbei per Verordnungsermächtigung in Zukunft festlegen kön­nen. Da hört sich bei mir einfach jegliches Verständnis auf. (Abg. Martin Graf: Unglaub­lich! Rufe bei der FPÖ: Unfassbar!) Wenn ein Mensch keine Gefahr für andere darstellt, dann gibt es auch überhaupt keinen Grund, ihn in seinen Grund- und Freiheits­rechten einzuschränken, ihn verkehrszubeschränken, und wenn eine Erkrankung wenig Gefahr für die anderen darstellt und nicht leicht übertragbar ist, dann hat sie auch im Epidemiegesetz an sich gar nichts verloren.

Beides sind Punkte, die von Ihnen mit den letzten Verordnungen und auch mit dieser Gesetzesnovelle einfach ignoriert werden. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen nur eines anbieten (Zwischenruf des Abg. Wurm): Setzen wir uns einmal zusam­men, überarbeiten wir das Epidemiegesetz komplett neu und schauen wir, dass solche Unsinnigkeiten daraus wieder verschwinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte noch einen Aufruf an die Zuseherinnen und Zuseher richten: Nächste Woche findet die Eintragungsfrist für das nächste Volksbegehren gegen Impfzwang statt. Vom 20. bis 26. Juni haben Sie die Möglichkeit, auf Ihren Gemeindeämtern und auch über das digitale Bürgerservice dieses Volksbegehren zu unterschreiben. Wenn Sie so wie ich der Meinung sind, dass es keinen Zwang zu einer Impfung jeglicher Art in Österreich geben sollte, sondern dass das immer auf Freiwilligkeit beruhen muss, dann nutzen Sie bitte diese Gelegenheit, dieses Volksbegehren zu unterstützen.

Wenn Sie der Meinung sind, dass diese Bundesregierung genug Schaden angerichtet hat, haben Sie in derselben Woche die Möglichkeit, ein Volksbegehren zur Absetzung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 144

der Bundesregierung zu unterschreiben. Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Wurm: Gute Rede!)

14.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Saxinger. – Bitte.


14.46.15

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich werde manchmal gefragt: Wie hält man denn das nach zwei Jahren Pandemie über­haupt noch aus? Ich habe für mich im Umgang miteinander eine Pandemieformel gefun­den, die aus drei Worten besteht: Hausverstand, Gelassenheit und Wissenschaftlichkeit. In mancher Diskussion muss ein Schuss Humor dabei sein, damit man es aushält und so kann man es manchmal aushalten. (Beifall bei der ÖVP.  Abg. Wurm: Das ist die FPÖ-Linie! Bravo!)

Ein Patient hat mich vorige Woche gefragt: Herr Doktor, Sie sind ja Arzt und Politiker, wie geht denn das mit Covid überhaupt weiter? Ich mag einfach nicht mehr. Dann sage ich: Glauben Sie wirklich, dass es irgendwen gibt, der noch mag? Alle wollen nicht mehr, wir haben genug davon, aber leider ist das Virus da, um zu bleiben, es wird wohl nicht so schnell verschwinden. Dann hat der Patient gesagt: Ja was heißt denn das jetzt? Müssen wir auf ewig damit rechnen? Dann habe ich ihm gesagt: Wir müssen jetzt nach zwei Jahren einen neuen Weg, einen neuen Umgang mit der Pandemie finden. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Wir müssen raus aus diesem Krisenmodus, der aber durchaus ein, zwei Jahre seine Berechtigung hatte, und wir müssen auch raus aus der Eskalation der Worte, raus aus der Aggression. Es kann auch sein, dass wir ein dauerhaft hohes Niveau haben. (Beifall des Abg. Wurm.)

Dann hat mich der Patient gefragt: Was kann man denn jetzt eigentlich tun? Dann sage ich: Obwohl es selten funktioniert hat, bin ich ein Optimist und gebe nicht auf. Wir brauchen ein Miteinander in Verantwortung und Solidarität. Ich habe mit ihm dann eben diese Worte betreffend Pandemie diskutiert, habe gesagt: Hausverstand schadet nie, nötig ist ein bisschen mehr Gelassenheit, aber ganz wichtig ist Wissenschaftlichkeit, davon sollen wir uns nicht verabschieden. Ich habe ihm auch gesagt, dass wir gut gerüstet sind, wir haben ein Rüstzeug bestehend aus vielen Sachen: Wir haben Impfungen, wir haben Testungen, wir haben Maskentragen und wir haben Gott sei Dank jetzt zusätzlich auch Medikamente gegen schwere Verläufe, die wir vorher nicht hatten.

Das hilft uns, gut, besser als früher, mit der Pandemie umzugehen. Wir sind gut und besser vorbereitet, unsere Aufgabe ist es aber weiterhin, eine Überlastung des Gesund­heitssystems zu verhindern. Ich sage es immer wieder, auch wenn es niemand hören will: Impfen ist für mich auch ein Akt der Solidarität, nicht nur den Mitmenschen gegen­über, sondern auch dem Spitalspersonal, das in den letzten zwei Jahren extrem über­lastet war.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt auch einen Variantenmanagementplan, von 80 Experten erarbeitet, darin sind verschiedene Szenarien beleuchtet, und man kann daraus Maßnahmen ableiten. Die Szenarien sind eine Vorlage für künftige Realitäten. Was mittlerweile aber auch klar ist: Eine Null-Covid-Strategie ist sinnlos und unrealis­tisch. Für mich ist auch unverständlich, bitter und schmerzhaft, dass es nach zwei Jahren noch immer eine Gruppe von Menschen gibt, die von der Notwendigkeit von Maßnah­men, wie dem Tragen von Masken und der Impfung, unter keinen Umständen zu über­zeugen sind. Das ist für mich sehr, sehr traurig.


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Meine Pandemieformel nach zwei Jahren, die ich wirklich allen nahelege: Hausverstand, Gelassenheit, Wissenschaftlichkeit und ein Schuss Humor. (Beifall des Abg. Wurm. Abg. Steger: Warum macht’s das nicht?) Das ist die Formel für mich, wie ich mit Skeptikern, Verschwörern und auch Leugnern umgehe. (Abg. Wurm: ... Hausver­stand ...!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden heute hoffentlich eine Sammelnovelle beschließen, die wir letzten Mittwoch im Gesundheitsausschuss beraten haben und die zur Vorbereitung eventueller Maßnahmen dient. Dazu gehört die Ausweitung des Kostenersatzes für Covid-Mittel für Apotheken und ärztliche Hausapotheken, dazu gehört auch die Finanzierung von Coronaimpfungen. Dazu gehört auch die Flexibilisie­rung von Contacttracing – es hat keinen Sinn mehr, das bei 50 000, 60 000 Neuinfek­tionen weiterzuverfolgen. Dazu gehört auch die sogenannte Verkehrsbeschränkung, die wir heute schon diskutiert haben. Bei moderaten Verläufen kann man statt einer Quarantäne Auflagen für das Betreten gewisser Orte geben, zum Beispiel Masken oder Abstand. Lieber Kollege Kucher, lieber Kollege Kaniak, lieber Kollege Loacker, das sind genau Maßnahmen, um die Pandemiesituation lebbarer zu machen und in den Alltag zu integrieren, also genau das, was Sie eigentlich schon länger fordern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit meiner Pandemieformel schließen. Diese Pandemieformel ist auch zur Nachahmung für alle empfehlenswert: Hausver­stand, Gelassenheit, Wissenschaftlichkeit und ein Schuss Humor. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wurm: Das sind genau unsere For­derungen!)

14.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


14.50.55

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Den Murmeltierwitz mit der Pandemie und dem ständigen Verlängern der Gesetze kann man schon nicht mehr hören, aber ich knüpfe gern bei den Ausführungen des Kollegen Saxinger an, der gemeint hat, dass wir aus dem Krisen­modus herauskommen müssen. Das Verlängern der Krisengesetze ist aber natürlich das Gegenteil vom Herauskommen aus dem Krisenmodus, es ist das Verlängern des Krisenmodus.

Wenn Sie in einer Firma so arbeiten müssten, wie wir hier im Parlament arbeiten, dann würden Sie das den Leuten hinschmeißen. Kurz bevor Sie in den Ausschuss gehen, bekommen Sie noch einen Abänderungsantrag, Sie konnten ihn nicht gescheit an­schauen, und heute bekommen Sie schon wieder einen Abänderungsantrag, und es ist schon wieder alles anders. So arbeiten die seit über zwei Jahren in dem Ministerium! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Um etwas Positives an der Novelle festzuhalten: Man kann künftig auch Infektionen aus dem Ausland in Österreich in den grünen Pass eintragen lassen, sollte es ihn dann wieder geben. Damit bin ich Ihren beiden Vorgängern schon auf die Nerven gegangen. Jetzt ist es da, das ist einmal das Positive. Es bleibt aber bei Absonderungen, es bleibt bei Kostenersätzen. Statt Covid als normale Krankheit zu behandeln, werden die Möglichkeiten für Verkehrsbeschränkungen erweitert. Wir schaffen eine Rechtsgrund­lage für ein Erinnerungsschreiben für eine vierte Impfung, obwohl diese vierte Impfung gar nicht empfohlen ist beziehungsweise nur für über 80-Jährige und für Risikopatienten. Dieses Erinnerungsschreiben bekommen aber alle, die dreimal geimpft sind. Wir wissen, dass die bisherigen Schreiben dieser Art zu einem Rückgang der Impfbereitschaft


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geführt haben. Das wird also wieder einen Millionenbetrag kosten und nichts bringen. Und Sie werden zu einer Impfung einladen, die nicht empfohlen ist.

Der Minister muss auf die Gesundheitsdaten zugreifen, damit er weiß, ob Sie dreimal geimpft sind, denn sonst kann er Ihnen den Brief nicht schreiben. Früher gab es eine Chinese Wall zwischen den Gesundheitsdaten und der Regierung; die Regierung sollte nicht auf Gesundheitsdaten zugreifen dürfen. (Abg. Belakowitsch: Und er greift auf unsere Daten!) Und für die Impfpflicht hat man diese Chinesische Mauer aufgehoben. Damals hat es geheißen, das sei einmalig. Und jetzt macht man es für ein läppisches Schreiben wieder. Das ist erledigt. Künftig wird die Regierung auf Ihre Gesundheitsdaten zugreifen, und es wird nicht immer ein grüner Minister sein, es kann auch wieder einmal ein freiheitlicher Gesundheitsminister sein. Ich weiß nicht, ob Sie das dann wollen, dass die auf Ihre Gesundheitsdaten zugreifen. (Beifall bei den NEOS.)

Dann hat Kollege Saxinger zu Recht auf die Covid-Medikamente hingewiesen, die um ein Heidengeld eingekauft und an die Bundesländer ausgeliefert worden sind und so gut wie gar nicht zur Anwendung kommen. Wir haben zwar die Risikopatienten gefiltert, aber es gibt keine Logik, dass, wenn ein Risikopatient positiv ist, der dann automatisch solch ein Medikament zugewiesen bekommt. Es funktioniert nicht. Das teure Zeug liegt in den Ländern und läuft ab. Sie bekommen es nicht hin!

Ich kann nur sagen: Hören Sie auf mit Ausnahmen, hören Sie auf mit Sonderregeln und lassen Sie uns zu einer Normalität zurückkehren! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

14.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. – Bitte sehr.


14.54.17

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Vielleicht kann ich jetzt die Gelegen­heit nützen, um ein paar Dinge in dieser Debatte einzuordnen, nämlich im Hinblick darauf, wie wir gedenken im Herbst und in Zukunft mit der Situation umzugehen und was mein Zugang dazu ist.

Wir werden vermutlich, das ist unschwer abzulesen, in zwei bis drei Wochen deutlich höhere Ansteckungszahlen haben, als wir sie in den letzten beiden Wochen hatten. Das ist prognostiziert, das ist absehbar und wird auch so sein. Die Zahlen werden deutlich über 10 000 pro Tag liegen, vielleicht sogar darüber. Wir werden, auch das ist von den Rechnern prognostiziert, im Herbst und weiterfolgend Wellen haben, die noch deutlich darüber hinausgehen. Wir werden dann wieder Stimmen haben, die viel rigidere Maß­nahmen verlangen, die die Wiedereinführung von Verkehrsbeschränkungen verlangen, all das. Das ist sozusagen die eine Fraktion. Und die andere, das haben wir gehört, ist die, die sagt, wir sollen es überhaupt beenden. Es ist zu Ende, und wir brauchen gar nichts mehr, keine Vorsichtsmaßnahmen. Zwischen diesen beiden Polen bewegen wir uns.

Wenn Sie mir in den letzten Wochen aufmerksam zugehört haben, dann wissen Sie, ich bin jemand, der die Haltung vertritt, dass wir im dritten Jahr der Pandemie einen Weg finden werden müssen, mit dem Virus zu leben. Das heißt aber nicht, dass wir jegliche Vorsicht aufgeben. Das heißt nicht, dass wir Maßnahmen für alle Zeit beseitigen, etwa die Maske. Das heißt, dass wir versuchen, mit möglichst gelinden Mitteln das zu verhin­dern, worum es geht, nämlich eine Überlastung des Spitalssystems. (Abg. Kickl: Das hat man bei der Impfpflicht auch gesagt!) Das ist genau der Punkt, an dem wir uns bewegen: Lernen, mit dem Virus zu leben, Vorsicht walten lassen und so wenig


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Einschränkungen wie möglich verhängen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das betrifft im Übrigen auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen. Und nein, mir ist nicht daran gelegen, mit irgendwelchen Verordnungsermächtigungen nach Belieben tun und lassen zu können, was ich gerade will. (Abg. Belakowitsch: Nein!) Nein, Frau Kollegin Belakowitsch, ist es nicht. Ich habe mich auf der Grundlage der Verfassung zu bewegen, das habe ich schon mehrfach ausgeführt. Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, sie müssen auf dem Boden der Verfassung stattfinden und sie müssen fachlich argumentiert sein. Genau das ist der Rahmen, in dem ich mich bewege, und das tue ich. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sind im Austausch mit allen anderen europäischen Staaten darüber, wie das dort gestaltet wird, welche Maßnahmen ergriffen werden und wie das mit dem erweiterten Instrumentenkoffer funktioniert, den wir jetzt beispielsweise mit den Medikamenten haben. Und nein, die Zahlen weisen nicht darauf hin, dass wir alle Vorsichtsmaßnahmen aufgeben können, das geht sich schlicht und einfach nicht aus. Und ja, wir werden uns Mitte des Sommers, zu Beginn des Schuljahres zusammensetzen müssen, eine Be­wertung der Lage vornehmen müssen, und dann entscheiden müssen, ob es angezeigt ist, im Herbst wieder eine Maskenpflicht einzuführen oder eben nicht.

Klar ist, das ist die Aussage und leider die schlechte Nachricht: Wir werden weiterhin mit Coronawellen leben müssen. Wir werden auch weiterhin Wellen haben, die hohe Ansteckungszahlen mit sich bringen, aber wir werden aufgrund der Instrumente, die wir haben, unsere Maßnahmen anpassen und jedenfalls einen Weg gehen, der weniger darauf setzt, Einschränkungen zu verhängen, sondern auf Solidarität und Eigenver­antwortung. Nichts anderes ist jetzt angesagt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. – (Erheitert:) Frau Abgeordnete, Sie dürfen dann zweimal reden.


14.58.20

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Ich weiß nicht, ob ich jetzt über die Begrüßung hinauskomme. Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, zu dem, was hier diskutiert wurde: Philip Kucher, wir reagieren genau mit dieser Novelle, mit den vorgelegten Maßnahmen auf die Erfahrungen aus der Omikronwelle. Wir beziehen die Erkenntnisse aus dieser Omikronwelle im Frühjahr 2022 mit ein. Das soll eben auch zu einer Entlastung der Gesundheitsbehörden führen, wie es der Herr Bundesminister ja schon ausgeführt hat. Wir wollen verhindern, dass es zu einer Überforderung des Gesundheitssystems kommt.

Ich teile auch die Meinung, dass wir lernen werden müssen, mit dem Virus zu leben. Denn die Pandemie schläft nicht, hat Kollege Hintner vorhin gesagt. Das stimmt, die Pan­demie schläft nicht. Wir müssen uns jetzt vorbereiten. Das ist immer kritisiert worden. Herr Kollege Kucher, du hast immer gesagt, wir reagieren nicht schnell genug. Jetzt setzen wir Maßnahmen, um flexibler reagieren zu können, und es passt auch wieder nicht – leider, schade!

Die Flexibilisierung des Contacttracing in Hochphasen halte ich für sehr wichtig. Ich halte Priorisierungen überhaupt für sehr wichtig. Auch die Verkehrsbeschränkungen wurden schon angesprochen, die jetzt bei milden Verläufen – Dr. Saxinger hat darauf hinge­wiesen – auch per allgemeiner Verordnung möglich sein sollen.


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Es geht eben einfach darum, Möglichkeiten dahin gehend zu schaffen, dass keine gänz­liche Absonderung mehr notwendig ist, sondern eben mit Maske oder durch Abstand­halten gewisse Orte betreten werden können.

15.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete, ich darf Sie unterbrechen: Es ist 15 Uhr, wir kommen zum Aufruf der Dringlichen Anfrage.

(Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen für die das Rednerpult verlas­sende Abg. Scheucher-Pichler.)

Zuerst darf ich abermals eine Klasse aus dem Stiftsgymnasium Melk recht herzlich bei uns willkommen heißen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich darf nun die Verhandlungen zu den Punkten 7 bis 9 der Tagesordnung unterbrechen, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.51Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „die aktuellen ÖVP-Finanzskandale“ (11286/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 11286/J. (Abg. Leichtfried hebt die Hand.)

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Seit der Angelobung der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wird ebendiese in immer kürzeren Abständen mit Skandalen, Personalrochaden und Streit konfrontiert. Insgesamt 14-mal wurden Mitglieder dieser Regierung ausgewechselt – ein einsamer Rekord in der Geschichte der Zweiten Republik. Was den Menschen als „das Beste aus beiden Welten“ verkauft wurde, steht heute vor einem Trümmerhaufen. Versierte Beob­achter sind sich sicher: Das Einzige, was diese Regierung noch zusammenhält, ist die Angst vor Neuwahlen. In den letzten knapp zweieinhalb Jahren hat diese Bundesregie­rung immer mehr an Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Mehreren aktuellen Um­fragen zufolge kommen die beiden Regierungsparteien in der Sonntagsfrage zusammen nur noch auf rund ein Drittel der Stimmen.

Besonders schwerwiegend ist der Umstand, dass diese Regierung auch bereits drei Bundeskanzler „verbraucht“ hat. Am 6. Oktober 2021 werden die Büroräumlichkeiten des Kabinetts des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz auf Anordnung der Ermitt­lungsbehörden untersucht. Auslöser dafür war das bekannt gewordene „Beinschab-Tool“, mit dem offenbar das Finanzministerium (unter dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid) Umfragen in Auftrag gegeben hat, um damit Stimmung für Sebastian Kurz zu machen. Neben dem damaligen Kanzler selbst sollen auch seine damaligen Presse-Mitarbeiter in dieses abgekartete Spiel involviert gewesen sein. Nur zwei Tage später, am 8. Oktober 2021, kommen die Grünen unter dem Eindruck der Hausdurch­suchung im Bundeskanzleramt zur Auffassung, dass Sebastian Kurz nicht mehr amts­fähig ist. Um die Regierung nicht zu sprengen, dankt Kurz ab und wird durch den da­maligen Außenminister Schallenberg ersetzt, der wiederum Wochen später Karl Nehammer Platz machen muss, welcher auch den Vorsitz der ÖVP übernimmt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 149

Mit der letzten Rochade im Kanzleramt ist in dieser Regierung allerdings keine Stabilität eingekehrt. Das Gesundheitsministerium wurde im März 2022 neu besetzt, im Mai 2022 traten die ÖVP-Ministerinnen Schramböck und Köstinger zurück. Gleichzeitig wurde das Kabinett um zwei Staatssekretäre noch vergrößert.

Die Liste der Skandale rund um die ÖVP ging munter weiter. Die Affäre rund um den Personenschutz von Kanzlergattin und „Nehammer-Chefberaterin“ Katharina Nehammer ist bis heute nicht aufgeklärt. Es stehen nach wie vor schwere Vorwürfe im Raum, dass dieser Vorfall vertuscht werden sollte – und zwar von allerhöchster Stelle.

Die Abgründe aus dem aktuellen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ziehen sich ebenfalls wie ein schwarzer Faden durch das ganze Land – und tagtäglich werden es mehr: Inseratenkorruption, Steuerhinterziehung, brutalster Postenschacher und das Lukrieren von Steuergeldern durch dubiose Umgehungskonstruktionen.

Die Akten liefern immer neue erschreckende Einblicke in das "System ÖVP", das auf der langjährigen Kontrolle der drei Säulen Innen-, Justiz- und Finanzministerium fußt. Die aktuelle Rücktrittswelle innerhalb der ÖVP legt nahe, dass gerade in den Bundes­länderorganisationen der ÖVP einige noch unaufgedeckte Skandale schlummern und sich die Handlungsunfähigkeit der Partei bis in die Länder zieht.

In der Corona-Pandemie hat die ÖVP einen weiteren Versuch unternommen, um die leeren Parteikassen aufzufüllen. Aus dem NPO-Corona-Fonds, der beim Vizekanzler angesiedelt ist, haben sich die schwarzen Seniorenbund-Organisationen in Oberöster­reich und Tirol Förderungen in Millionenhöhe mutmaßlich erschlichen; und auch die Politische Akademie der ÖVP ließ sich rund 400.000 Euro aus diesem Fonds überwei­sen. Eine entsprechende Überprüfung durch das Vizekanzleramt wurde in die Wege geleitet.

Vorläufiger Höhepunkt der ÖVP-Skandal-Liste ist der in der Vorwoche veröffentlichte Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Jahr 2019, den der damalige Generalsekretär und nunmehrige Bundeskanzler Karl Nehammer zu verantworten hat. Nicht nur, dass dieser insgesamt gleich dreimal eingereicht wurde – es ist der ÖVP auch nicht gelungen, die Fragen der Rechnungshof-Prüfer zu zweifelhaften oder mutmaßlich falschen An­gaben entsprechend auszuräumen, sodass sich der Rechnungshof veranlasst sah, zur Veröffentlichung des Berichtes am 10. Juni 2021 folgende Presseaussendung mitzu­schicken:

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Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei

(ÖVP) 2019 veröffentlicht

Der Rechnungshof hat am heutigen Tag den Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) 2019 veröffentlicht.

Z U M   A B L A U F   D E S   V E R F A H R E N S

Politische Parteien mussten dem Rechnungshof ihre Rechenschaftsberichte 2019 bis Ende September 2020 übermitteln. Im Verfahren kontrolliert der Rechnungshof dann die Richtigkeit der Angaben – Einblick in die Unterlagen der Parteien kann er dazu aber nicht nehmen. Bei Zweifeln an den Angaben in einem Rechenschaftsbericht ersucht der Rechnungshof die Partei um Aufklärung. Diese Zweifel können sich aus dem Kontroll­verfahren selbst, aus bekanntgewordenen Umständen oder etwa auch aus Unterlagen, die dem Rechnungshof von dritter Seite übermittelt werden, ergeben. Der Rechnungshof muss sich bei seinem Kontrollverfahren auf die Angaben der Partei verlassen. Bleiben Zweifel an der Richtigkeit des Rechenschaftsberichts bestehen, erfolgen zu diesen Be­denken des Rechnungshofes Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-


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Senat (UPTS). Dieser entscheidet dann, ob eine Verletzung des Parteiengesetzes tatsächlich vorliegt.

Das Verfahren zur Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019 war außer­gewöhnlich. Die neue Rechtslage ab 9. Juli 2019 – erstmalige Einbeziehung der nicht-territorialen Teilorganisationen – sowie das umfangreiche Bekanntwerden über mutmaß­liche Aktivitäten der Partei hatten direkte Auswirkung auf das Kontrollverfahren. Es machte mehrere Frage-runden an die ÖVP notwendig.  

Im Sinne der Transparenz hier eine zeitliche Darstellung des Kontrollverfahrens:

Erstes Ersuchen der ÖVP

um Fristverlängerung für die Abgabe des Rechenschaftsberichts:               28. 09. 2020

Erneutes Ersuchen um Fristverlängerung:                                                            28. 10. 2020

Erste Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                                  22. 12. 2020

Erste Aufforderung des Rechnungshofes

an die ÖVP zur Stellungnahme:                                                                                  04. 05. 2021

Zweite Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                                  28. 05. 2021

Stellungnahme der ÖVP zur ersten Aufforderung eingelangt:                       28. 05. 2021

Zweite Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                                           06. 10. 2021

Auskunftsverlangen des Rechnungshofes

an das Bundesministerium für Finanzen betreffend Studien:                         15. 10. 2021

Stellungnahme der ÖVP zur zweiten Aufforderung eingelangt:                    06. 12. 2021

Dritte Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                                           25. 01. 2022

Vierte Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                                           18. 02. 2022

Stellungnahme der ÖVP zur vierten Aufforderung eingelangt:                       07. 03. 2022

Stellungnahme der ÖVP zur dritten Aufforderung eingelangt:                       23. 03. 2022

Mitteilung der ÖVP an den Rechnungshof, dass eine dritte

Fassung des Rechenschaftsberichts 2019 übermittelt wird:                            23. 03. 2022

Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP, die angekündigte

dritte Fassung des Rechenschaftsberichts auch zu übermitteln:                  26. 04. 2022

Abänderung der Stellungnahme zur dritten Aufforderung

durch die ÖVP:                                                                                                                   28. 04. 2022

Dritte Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                                   29. 04. 2022

Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019


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durch den Rechnungshof:                                                                                              10. 06. 2022

Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Wahlkampfkosten:

EU-Wahl (26. Mai 2019):                                                                                 6.915.401,37 Euro

Nationalratswahl (29. September 2019):                                                  5.602.512,40 Euro

Spenden über das gesamte Jahr:                                                              2.115.512,19 Euro

Die ÖVP erklärt im Rechenschaftsbericht 2019, die Wahlkampfkosten-Obergrenze für die Nationalratswahl (7 Millionen Euro) eingehalten zu haben. Für den Rechnungshof ergibt sich dazu zusammengefasst folgendes Bild:

•             Der Oberste Gerichtshof (OGH) hält in einer Entscheidung fest, dass er nicht widerspricht, wenn Gerichte die Behauptung zulassen, dass Wahlkampfkosten nicht als solche verbucht worden seien.

•             Dem Rechnungshof wurden von unbekannter dritter Seite Unterlagen zu den Wahlkampfkosten übermittelt. Der Rechnungshof schätzt diese Unterlagen, die Inhalte und Zahlen aus der Buchhaltung der ÖVP enthalten, als authentisch ein. Die Dokumente lassen die Angaben, die Wahlkampfkosten-Obergrenze wurde eingehalten, zweifelhaft erscheinen.

•             Es ist mit der politischen Lebenswirklichkeit für den Rechnungshof schwer in Einklang zu bringen, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl.

Die ÖVP konnte in ihren Stellungnahmen an den Rechnungshof die Bedenken nicht ausräumen. Die Unterlagen, die der Rechnungshof von dritter Seite erhielt, können wohl ein internes Dokument für eine Planung sein, so die ÖVP. Konkrete Fragen des Rech­nungshofes zu diesen Unterlagen beantwortete die ÖVP aber teilweise nicht (etwa, warum bestimmte Kosten laut dieser Unterlagen nicht in die Kosten für den Wahlkampf eingerechnet wurden).

Der Rechnungshof sieht in der Zusammenschau genügend Anhaltspunkte für eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS), dass ein Verstoß gegen das Parteiengesetz (Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze) vorliegt.

Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat hat im Sommer 2021 allerdings erstmals Folgendes zu Zahlenangaben in einem Rechenschaftsbericht entschieden (GZ 2021-0.394.557):

Selbst wenn der UPTS dem Rechnungshof zustimmt, dass er zutreffend konkrete Anhaltspunkte für unrichtige Zahlenangaben in einem Rechenschaftsbericht hat und selbst wenn der UPTS ebenfalls zustimmt, dass die Partei Zweifel nicht ausräumen konnte, muss der Rechnungshof dennoch vorher eine Wirtschaftsprüferin beziehungs- weise einen Wirtschaftsprüfer beauftragen, der im Auftrag des Rechnungshofes diese Zahlenangaben der Partei prüft. Erst danach kann der Rechnungshof eine Mitteilung an den UPTS erstatten.

Der Rechnungshof setzt daher – der Entscheidung des UPTS vom 12. Juli 2021 folgend – erstmals eine Wirtschaftsprüferin beziehungsweise einen Wirtschaftsprüfer ein, die oder der den Auftrag erhält, die Angaben der ÖVP zu den Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl zu prüfen. Die ÖVP hat vollen Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege zu gewähren.

Das Gesetz sieht vor, dass der Rechnungshof die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nunmehr um die Erstellung einer Liste mit in Frage kommenden


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Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfern ersucht. Danach entscheidet der Rech­nungshof durch Los, wer aus dieser Liste beauftragt wird. Die Kosten für dieses Ver­fahren sind aus den Budgetmitteln des Rechnungshofes zu tragen.

Zu folgenden Punkten erfolgen direkt Mitteilungen des Rechnungshofes an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS):

•             Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen

Im Zusammenhang mit der bekanntgewordenen Verdachtslage, Meinungsumfragen im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen wären parteipolitisch und zugunsten der ÖVP durchgeführt worden, ersuchte der Rechnungshof das Finanzministerium um Infor­mationen, ob beziehungsweise welche Umfragen im Jahr 2019 beauftragt wurden.

Eine Auswertung des Rechnungshofes ergab Folgendes:

Bei zwei Umfragen, die unmittelbar vor der EU-Wahl 2019 durchgeführt wurden, sind die Kosten pro Fragestellung ohne ersichtlichen Grund in einem Vergleich zu den anderen Studien in diesem Jahr einmal 50 Prozent und einmal 100 Prozent höher.

Der Rechnungshof sieht – vor dem Hintergrund des Gesamteindrucks – darin einen Anhaltspunkt dafür, dass es im Zusammenhang mit diesen beiden Umfragen zu unzu­lässigen Spenden in der Höhe von zumindest 26.208 Euro zugunsten der ÖVP gekom­men sein könnte.

•             Österreichischer Seniorenbund

Der Rechnungshof hatte bereits bei seiner Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2016 Bedenken, dass im Zusammenhang mit dem Österreichischen Senioren­bundeine Verletzung des Parteiengesetzes vorliegenkönnte und erstattete deshalb eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS). Konkret ging es darum, dass der Seniorenbund Wolkersdorf eine Spende der Stadtgemeinde Wolkersdorf erhalten hat. Der Rechnungshof war der Ansicht, dass der Seniorenbund Wolkersdorf der ÖVP zuzurechnen ist (und nicht etwa ein gleichnamiger Verein ist, der keine Verbindung zur ÖVP hat). Daher sei eine Spende einer Gemeinde an den Senio­renbund unzulässig. 2018 bestätigte der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) diese Annahme des Rechnungshofes. Das Bundesverwaltungsgericht bestä­tigte diesbezüglich den Verstoß gegen das Parteiengesetz, ging jedoch nicht auf die Grundsatzfrage ein.

Nach umfangreichen Recherchen im Zuge des Kontrollverfahrens für den Rechen­schaftsbericht 2019 vertritt der Rechnungshof die Ansicht, dass jedenfalls für das Jahr 2019 die Vereine „Österreichischer Seniorenbund“ der Teilorganisation der ÖVP zuzu­rechnen sind.

So beschreibt sich der Seniorenbund selbst noch in von ihm veröffentlichten Presse­unterlagen im Juni 2021 mit: „Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Inter­essensvertretung in einem.“

Dazu kommen oftmals deckungsgleiche Vereinssitze (ident am Ort der Bundes- bezie­hungsweise der jeweiligen Landespartei), die Präsentation der Vereine des Senioren­bundes im Internet (weitgehend unklar, ob von einem Verein oder von der Teilorga­nisation die Rede ist), sowie die Formulierungen in den Beitrittserklärungen (in Ober­österreich findet damit etwa ein Beitritt zur Teilorganisation statt).

Der Rechenschaftsbericht der ÖVP 2019 ist nach Auffassung des Rechnungshofes vor diesem Hintergrund unrichtig und unvollständig, weil bei der Teilorganisation „Öster­reichischer Seniorenbund“ sämtliche Einnahmen und Ausgaben aus den Vereinen „Öster­reichischer Seniorenbund“ fehlen.


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Die ÖVP bestreitet in ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof, dass die Vereine Seniorenbund Teil der Partei seien. Sie seien auch keine nahestehenden Organi­sa­tionen. Es gebe grundsätzliche Unterschiede hinsichtlich Rechtsform, Organisation, Gebarung und Rechnungswesen.

Selbst für den Fall, dass die Vereine nicht der Teilorganisation zugerechnet werden, liegt nach Ansicht des Rechnungshofes ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vor:

Die ÖVP gibt Einnahmen aus „Mitgliedsbeiträgen“ für die Teilorganisation Seniorenbund von 896.448,04 Euro an. In ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof führt die ÖVP jedoch selbst aus, dass in (nur) drei Bundesländern zwischen 5 und 12 Prozent des von den Vereinen eingehobenen Mitgliedsbeitrags pro Mitglied an die Teilorganisation weitergeleitet werden. In Niederösterreich funktioniere es umgekehrt: Hier behalte die Teilorganisation Seniorenbund 5 bis 12 Prozent ein und leite die verbleibenden Mit­gliedsbeiträge an den Verein Seniorenbund weiter. All dies ergibt nach Berechnungen des Rechnungshofes einen Betrag von maximal 342.204 Euro. Eine Erklärung für die erhebliche Abweichung zu den ausgewiesenen „Mitgliedsbeiträgen“ für die Teilorgani­sation Seniorenbund gab die ÖVP nicht. Der Rechnungshof sieht Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben.

Überdies recherchierte der Rechnungshof inseratenähnliche Einschaltungen im Jahr 2019 in Medien, deren Medieninhaber oder Herausgeber der Verein Österreichischer Seniorenbund war. Der Rechnungshof qualifiziert dies als Wahlwerbung zugunsten der ÖVP, die in der Spendenliste aufscheinen muss. Dies aber ist nicht der Fall.

Abschließend zu diesem Thema folgender Hinweis: Diese Mitteilung an den Unabhän­gigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) erfolgt unabhängig von den jüngst bekannt­gewordenen Umständen zu Förderungen aus Corona-Hilfen. Diese werden im Kontroll­verfahren für den Rechenschaftsbericht der ÖVP 2020 beziehungsweise 2021 eine Rolle spielen.

•             Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“

Der Wirtschaftsbund Landesgruppe Vorarlberg – und somit eine Teilorganisation der ÖVP – war zumindest im Jahr 2019 Medieninhaber des Magazins „Vorarlberger Wirt­schaft“.

Die Zeitung erschien im Jahr 2019 neun Mal. Sie enthielt zwischen 47 Prozent und 82 Prozent Inserate – ein im Vergleich zu anderen Printmedien durchaus hoher Anteil. Laut Tarif zuzüglich 5 Prozent Werbeabgabe und 20 Prozent Umsatzsteuer betrug dafür der Inseratenpreis zusammengefasst über 1.600.000 Euro.

Berechnungen und Vergleiche des Rechnungshofes mit den Inseratentarifen eines in Aufmachung, Umfang und Druckqualität ähnlichen Blattes („Gemeindeblatt für die Lan­des­hauptstatt Bregenz sowie für die Gemeinden des Bezirks Bregenz“) ergeben fol­gendes Bild:

Selbst wenn man einräumt, dass das Gemeindeblatt eine niedrigere Auflage hat, bleibt für den Rechnungshof zweifelhaft, wie sich der Anzeigenpreis von über 1.600.000 Euro beim Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ darstellen lässt. Die entsprechende Anzahl an gleichartigen Inseraten würde beim Gemeindeblatt insgesamt nämlich nur rund 268.000 Euro kosten.

Der Rechnungshof vertritt somit die Auffassung, die Differenz, nämlich rund 1.332.000 Euro, sei im Sinne des Parteiengesetzes als Spende zu qualifizieren. In diesem Betrag sind unzulässige Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und von Unter­nehmungen mit mindestens 25 Prozent öffentlicher Beteiligung in der Höhe von rund


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232.000 Euro enthalten. Naturgemäß wird auch die ab 9. Juli 2019 geltende Spen­denobergrenze von 7.500 Euro je Spenderin oder Spender zu beachten sein.

•             Ausweis von Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes an die Vorarlberger Volkspartei

Im Rechenschaftsbericht 2019 der ÖVP ist unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ein Betrag von 500.000 Euro vermerkt.

Die ÖVP teilte dem Rechnungshof auf entsprechende Fragen mit, dass es sich dabei um eine Zahlung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes aufgrund parteiinterner Ver­pflichtungen handle.

Es sind jedoch – auch aufgrund einer Finanzprüfung – Umstände bekanntgeworden, die nahelegen, dass es abseits dieser „parteiinternenVerpflichtung“ weitere Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes im Jahr 2019 an die Vorarlberger Volkspartei gegeben hat, wie etwa Übernahme von Kosten für Veranstaltungen mit ÖVP-Politikerinnen und ÖVP-Politikern. Dies zeige sich aus den Unterlagen im Zuge der Finanzprüfung.

Dazu findet sich jedoch unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ nichts. Für den Rechnungshof ergeben sich daraus Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben.

•             „Niederösterreich Zeitung“

Die „Niederösterreich Zeitung“ erschien im Jahr 2019 ein Mal, und zwar im Mai 2019, im Vorfeld der EU-Wahl. Medieninhaber war die INNOVA Verlag GmbH. Herausgeber war die Volkspartei Niederösterreich.

Der Rechnungshof sieht auf mehreren Seiten dieser Ausgabe eindeutige Wahlwerbung für zwei ÖVP-Kandidaten und für die Partei.

Der Rechnungshof sieht Gratis-Werbung (inseratenähnliche Beiträge) zugunsten einer Partei oder ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten als Spende im Sinne des Parteien­gesetzes.

Die ÖVP meint dazu gegenüber dem Rechnungshof, dass die Bewertung solch einer Berichterstattung als Spende eine unzumutbare Einschränkung des verfassungs­recht­lich geschützten Rechts auf freie Meinungsäußerung ist.

Legt man den gängigen Inseratentarif für die „Niederösterreich Zeitung“ zugrunde und addiert dazu anteilig die Produktions- sowie Versandkosten, kommt der Rechnungshof auf eine Summe von rund 64.000 Euro, die als Spende ausgewiesen (und sofort gemeldet) hätte werden müssen.

Zusammengefasst erfolgen weitere Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) betreffend:

•             mögliche unzulässige Spende im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauern­bundball (Werbung für den Bauernbundball aus öffentlichen Mitteln des Landwirt­schafts­ministeriums in der Höhe von 43.200 Euro)

•             Spenden von IGO Industries GmbH und Heide Margarethe Goëss-Horten (Frage des Zeitpunkts der Spenden und allfällige unverzügliche Meldepflicht)

•             möglicherweise fehlender Ausweis von Spenden: Inserate im „NÖGemeinde-Fachjournal für Gemeindepolitik“ (Medieninhaber: Österreichischer Kommunal-Verlag GmbH) als Wahlwerbung zugunsten der ÖVP (und damit als auszuweisende Spenden in der Höhe von rund 29.000 Euro)


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•             unklarer Ausweis der Kärntner Volkspartei betreffend Kreditaufnahme und der Kreditrückzahlungen (unterschiedliche Angaben in der zweiten Fassung und der dritten Fassung des eingereichten Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019)

•             vermutete, teilweise unrichtige Zuordnung von Mitgliedsbeiträgen (Mitglieds­bei­träge des Wirtschaftsbundes fallweise als Mitgliedsbeitrag, fallweise als „Beiträge inner­halb der Parteiorganisation“ ausgewiesen)

•             möglicher unrichtiger Ausweis der Vorarlberger Volkspartei betreffend einen Betrag von 175.422,85 Euro, der in dem im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 50/2020 veröffentlichten Rechenschaftsbericht der ÖVP Vorarlberg unter „Zahlungen an nahestehende Organisationen“, in dem Rechnungshof über-mittelten Rechenschafts­bericht allerdings unter „Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ausgewiesen ist

Auffälligkeiten im Kontrollverfahren:

Der Rechnungshof macht auf zwei Punkte aufmerksam, die auffällig sind (allerdings aufgrund seiner derzeit bestehenden Möglichkeiten nicht hinreichend für eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat aufbereitet werden können):

•             Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers durch das Bundes­kanzler­amt

Der Rechnungshof nahm Berichte und eine parlamentarische Anfrage zum Anlass, die Partei zur Stellungnahme aufzufordern, wie es sich mit den Kosten für die Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers verhält. Das Bundeskanzleramt, so die Beant­wortung der parlamentarischen Anfrage, betreibe einen BKA-Account und betreue außerdem den „persönlichen Twitter-Account des Bundeskanzlers“. Die ÖVP teilte dem Rechnungshof mit, dass im Jahr 2019 der Medieninhaber des persönlichen Twitter-Accounts des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz die ÖVP gewesen sei. Der Account sei ausschließlich von der Partei betreut worden. Soweit Leistungen bezie­hungsweise Services des Bundeskanzleramts dafür verwendet worden seien(etwa Videos oder Fotos) wären diese allen Medien (Fotoservice des Bundeskanzleramtes) zur Verfügung gestanden.

In diesem Zusammenhang wird der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern“ auf seinen Prüfplan setzen.

•             Niederösterreichischer Gemeindebund

Die ÖVP Niederösterreich erhielt laut Rechenschaftsbericht 2019 einen Betrag von 3.030.431,51 Euro aus „Zahlungen von nahestehenden Organisationen“.

Laut dem Rechnungshof vorliegenden Informationen dürfte darunter der „Niederöster­reichische Gemeindebund“ sein. Für jede ÖVP-Gemeindemandatarin beziehungsweise für jeden ÖVP-Gemeindemandatar bezahlt die jeweilige Gemeinde einen Beitrag an den „Niederösterreichischen Gemeindebund“. Zumindest einen Teil davon erhält die Niederösterreichische Volkspartei nämlich dafür, dass sie Schulungen für die Gemeindeverteterinnen und -vertreter ermöglicht, Räumlichkeiten zur Verfügung stellt etc.. Recherchen des Rechnungshofes – unter anderem Inhalte aus einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten – legen nahe, dass für die Schulung („Wei­terbildung und Schulung der Gemeindemandatare aus Gemeindemitteln“) der nieder­öster­reichischen ÖVP-Gemeinderäte 2019 ein Anteil von rund zwei Millionen Euro vorgesehen war, der aus Gemeindemitteln ausbezahlt wurde.


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In diesem Zusammenhang wird der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Öffentliche Schulungsgelder für Gemeindemandatare in Niederösterreich“ auf seinen Prüfplan set­zen.

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Österreich braucht in politisch herausfordernden Zeiten (Teuerung, Corona, Ukraine) eine Bundesregierung, die mit voller Kraft und ohne parteipolitische Ablenkungen und Einschränkungen für die Menschen in unserem Land arbeitet. Die in erster Linie rund um die ÖVP aufgetretenen und wohl auch in Zukunft auftretenden Korruptions- und Machtmissbrauchsvorwürfe sind keinesfalls geeignet, der aktuellen österreichischen Bundesregierung diese notwendige Stabilität zu geben. Welche Rolle dem von Journalist Martin Thür aufgedeckten Netzwerk von knapp 900 Vereinen im „Parteiumfeld“ der ÖVP zukommt, wird aufzuklären sein.1 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes­kanzler folgende

Dringliche Anfrage

1.          Wie wirken sich die permanent aufschlagenden ÖVP-Finanzskandale auf die Arbeit der Bundesregierung aus?

2.          Inwieweit beeinträchtigen diese Skandale Ihre Amtsführung?

3.          Wie beurteilen Sie den Umstand, dass Sie den vom Rechnungshof bean­standeten Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Jahr 2019 als damaliger General­sekretär der ÖVP unterfertigt haben, in rechtlicher und in politischer Hinsicht?

4.          Halten Sie die Bundesregierung vor dem Hintergrund der stabil schlechten Umfragewerte von rund 30 Prozent für hinreichend legitimiert im Amt zu verbleiben?

5.          Haben Sie die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage oder andere Maßnahmen in Aussicht genommen, um unerlaubte Geld- und Sachspenden von Ministerien an Parteien grundsätzlich zu verhindern, zumal nach Ansicht des Rechnungshofes Mei­nungsumfragen im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen parteipolitisch und zugunsten der ÖVP durchgeführt worden seien?

6.          Wenn ja, welche Maßnahmen sind in Aussicht genommen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern“ auf seinen Prüfplan setze?

7.          Haben Sie oder Ihre Amtsvorgänger, beziehungsweise die jeweiligen Kabinetts­mitarbeiter, beim UPTS zugunsten der ÖVP zu intervenieren versucht, zumal der Rech­nungshof bereits bei seiner Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2016 Beden­ken, dass im Zusammenhang mit dem Österreichischen Seniorenbund eine Verletzung des Parteiengesetzes vorliegen könnte, hatte, und deshalb eine Mitteilung an den UPTS erstattete, in der es konkret darum ging, dass der Seniorenbund Wolkersdorf eine Spende der Stadtgemeinde Wolkersdorf erhalten habe, zumal der Rechnungshof der Ansicht war, der Seniorenbund Wolkersdorf sei der ÖVP zuzurechnen und nicht etwa ein gleichnamiger Verein?

8.          Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen schlagen Sie vor, um sicherzu­stellen, dass die Doppelnatur des Österreichischen Seniorenbundes als Partei und Verein in Zukunft nicht mehr rechtsmissbräuchlich verwendet werden kann, zumal der Rechnungshof die Ansicht vertritt, dass jedenfalls für das Jahr 2019 die Vereine „Österreichischer Seniorenbund“ der Teilorganisation der ÖVP zuzurechnen sind?


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9.          Gibt es Initiativen der Bundesregierung um die, vermeintlich dolos vom Österreichischen Seniorenbund ergatterten Steuergelder zurückzuerhalten beziehungs­weise unterstützen Sie solche Bemühungen?

10.        Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, dass inseratenähnliche Einschaltungen im Jahr 2019 in Medien, deren Medieninhaber oder Herausgeber der Verein Österreichischer Seniorenbund war, vom Rechnungshof als Wahlwerbung, die in der Spendenliste aufscheinen müsste, zugunsten der ÖVP quali­fiziert wurde?

11.        Können Sie ausschließen, dass durch ÖVP-nahe oder öffentliche Institutionen Geldmittel in die maroden Parteikassen der Volkspartei geflossen sind, zumal diese laut Berichten der Wochenzeitung Falter im Jahr 2017 einen Schuldenstand von rund 21,5 Millionen Euro hatte, dieser jedoch im Jahr 2019 – nach öffentlichen Aussagen – bereits reduziert werden konnte?

12.        Wieviel umgeleitetes Steuergeld aus grauen Quellen wurde für die Umsetzung des Projekts Ballhausplatz verwendet, zumal vielfach davon berichtet wird, dass die Amtsübernahme von Sebastian Kurz der Volkspartei viel Geld gekostet hat, weil sein Stab und seine Mitarbeiter massive Aufwendungen für die Abwicklung des „Projekts Ballhausplatz“ aufgewendet haben und davon auszugehen ist, dass dieser Übernah­meplan der ÖVP auch durch Sie in ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär unterstützt wurde. 

13.        Sind Anzeigen beim UPTS, der Ihrem Ressort zugeordneten ist, betreffend eine von der ÖVP parallel geführte Buchhaltung, von welcher die Wochenzeitung Falter im Jahr 2019 berichtete, eingegangen, was darauf schließen lassen würde, dass Sie in Ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär involviert gewesen wären?

14.        Haben Sie die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage oder andere Maßnahmen in Aussicht genommen, um die mutmaßlich von der ÖVP praktizierte Praxis der doppelten oder mehrfachen Buchführung besser ahnden zu können?

15.        Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen nehmen Sie in Aussicht, um eine Umgehung des Parteiengesetzes, wie im Falle der „Vorarlberger Wirtschaft“ vom Rech­nungshof aufgezeigt, in Zukunft zu verhindern?

16.        Sind Ihnen weitere ähnliche Beispiele aus Ihrer Partei bekannt, die diesbezüglich für eine Novelle des Parteiengesetzes von Interesse sind, zumal alleine im Fall der „Vorarlberger Wirtschaft“ ein Anzeigenpreis von über 1.600.000 Euro verrechnet wurde, obgleich lediglich 268.000 Euro fremdüblich gewesen wären?

17.        Sind Sie, vor dem Hintergrund, dass der Rechenschaftsbericht 2019 der ÖVP unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Partei­organisation“ einen nach Ansicht des Rechnungshofes offenkundig falsch ausgewie­senen Betrag von 500.000 Euro vermerkt, dafür, dass die Strafen für unrichtige Angaben in Rechenschaftsberichten angehoben werden?

18.        Überlegen Sie, vor dem Hintergrund der Causa „INNOVA“ legistische Maß­nahmen, um Gratis-Werbung (inseratenähnliche Beiträge) zugunsten einer Partei oder ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten als Spende im Sinne des Parteiengesetzes künftig gänzlich zu vermeiden, zumal alleine in diesem Fall 64.000 Euro, als Spende aus­gewiesen und sofort gemeldet hätte werden müssen?

19.        Welche ähnlichen Fälle sind Ihnen aus Ihrer Partei bekannt, die für die Novel­lierung des Parteiengesetzes hinsichtlich inseratenähnlicher Beiträge spricht?

20.        Können Sie bestätigen, dass es sich bei dem großzügigen ÖVP-Spender – die ÖVP Niederösterreich erhielt laut Rechenschaftsbericht 2019 einen Betrag von


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3.030.431,51 Euro aus „Zahlungen von nahestehenden Organisationen“ – wie vom Rechnungshof vermutet, um den „Niederösterreichischen Gemeindebund“ handelt?

21.        Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um den vom Rechnungshof aufgrund des Rechenschaftsberichts 2019 aufgeworfenen Vorwurf einer möglichen unzulässigen Spende aus dem Landwirtschaftsministerium im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauernbundball in der Höhe von 43.200 Euro unter der damals verantwortlichen Minis­terin Elisabeth Köstinger aufzuklären?

22.        Kam es zu ähnlichen Spenden aus anderen ÖVP-geführten Ministerien? 

23.        Wie erklären Sie die Ungereimtheiten zwischen der zweiten und dritten Fassung des eingereichten Rechenschaftsberichts 2019 betreffend Kreditaufnahme und Kredit­rückzahlung der Kärntner Volkspartei, zumal Sie selbst als Bundesparteiobmann der ÖVP die dritte Fassung erst am 27.4.2022 – zu dem Zeitpunkt waren Sie bereits Bundeskanzler – gezeichnet haben?

24.        Ist in diesem Lichte eine Verschärfung der Strafbestimmungen des Parteien­gesetzes hinsichtlich falscher Angaben gegenüber dem Rechnungshof angezeigt?

25.        Können Sie vor dem Hintergrund dessen, dass der Journalist Martin Thür vorläufig bereits knapp 900 Vereine im „Parteiumfeld“ der ÖVP ausfindig machen konnte, ausschließen, dass diesen Vereinen aus den ÖVP-geführten Ministerien bzw. insbe­sondere Ihrem Ressort in den Jahren 2012 bis 2022 finanzielle Mittel zugeflossen sind?

26.        Wenn nein, welchem der österreichweit hunderten ÖVP-Vereinen auf der Liste von Martin Thür wurden welche finanziellen Mittel jeweils in den Jahren 2012 bis 2022 zuteil?

27.        Haben Sie Zuwendungen aus dem NPO-Coronafonds an Ihre Partei, bezie­hungsweise deren Teilorganisationen oder Vereine im „Parteiumfeld“ der Liste von Martin Thür, mit dem Vizekanzler erörtert?

28.        Wenn ja, was war der Inhalt des Gespräches und inwiefern wurde die Zulässigkeit solcher Zuwendungen aus dem NPO-Coronafonds in rechtlicher und politi­scher Hinsicht beurteilt?

29.        Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen, sind daraus zu ziehen, dass der Ihnen als Generalsekretär der ÖVP im Jahr 2019 unmittelbar als Bundesgeschäftsführer der Partei unterstellte Nationalratsabgeordnete Alexander Melchior zwar in seiner Befragung im Untersuchungsausschuss vom 5. März 2021 bestätigte, dass ihm jede Spende im Untersuchungszeitraum 2017 – 2019, bekannt war (wörtlich meinte er: „Jede Spende, die wir erhalten haben, finden Sie auch im Rechenschaftsbericht, und die Rechenschaftsberichte, auch im Untersuchungsausschuss, sind mir bekannt.“), Spen­den von IGO Industries GmbH an die ÖVP nunmehr jedoch dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) vom Rechnungshof gemeldet wurden, um Fragen betreffend den Zeitpunkt der Spenden und einer allfälligen unverzüglichen Meldepflicht zu klären – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Alexander Melchior sein Amt als ÖVP-Generalsekretär im Februar 2022 zurücklegte und beruflich zu besagter IGO Industries GmbH wechselte?

30.        Welche Konsequenzen betreffend die nunmehr aufgetauchten Spenden von der IGO Industries GmbH an die ÖVP ziehen Sie, zumal der Abgeordnete Melchior von diesem im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss nichts wissen wollte?

31.        Haben Sie oder Mitarbeiter Ihres Kabinetts die diesbezügliche Aussage des Abgeordneten Melchior im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss abgesprochen?


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32.        Wann haben Sie erstmals von der Spende der IGO Industries GmbH an die ÖVP erfahren?

33.        Welche Konsequenzen werden Sie ziehen, falls der UPTS rechtswidriges Han­deln in Ihrem Verantwortungsbereich feststellt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 1 GOG-NR

zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

[1] https://twitter.com/MartinThuer/status/1535972874502168576?cxt=HHwWgICzlaDM79AqAAAA 

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung: Bitte, Herr Abgeordneter Leichtfried.

*****


15.01.11

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Diese Dringliche Anfrage gilt dem Bundeskanzler. Selbstverständlich gilt der Staatssekretärin mein vollster Respekt, und ich weiß auch, dass sie in der Lage und willens ist, den Herrn Bundeskanzler zu vertreten. In diesem Fall aber, meine ich, würde es dem Herrn Bundeskanzler gut anstehen, wenn er sich selbst in das Parlament, in den Nationalrat begibt, denn das, was er jetzt macht, ist Flucht vor Verantwortung, ist politische Feigheit und ist überhaupt mangelnder Respekt vor dem Nationalrat. Das geht so nicht, Herr Präsident! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich muss auch anmerken, dass ich mehr enttäuscht bin als bei anderen. Herr Kurz und Herr Schallenberg haben dieses Parlament nie wirklich geschätzt, Herr Nehammer aber war Abgeordneter, deshalb ist es ein noch größeres Trauerspiel.

Ich beantrage daher nach § 18 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Herbeischaffung des Bundeskanzlers. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Kickl hebt die Hand.)

15.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es zur Geschäftsbehandlung noch Wort­meldungen? – Abgeordneter Klubobmann Kickl. – Bitte.


15.02.39

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich kann mich dem Antrag von Abgeordnetem Leichtfried nur anschließen. Es ist inter­essant: Ein gewisser Karl Nehammer ist ja nicht nur Bundeskanzler der Republik, son­dern auch Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei mit einem Ergebnis von 100 Prozent. Was wir heute erleben, ist die 100-prozentige Distanzierung des 100-Prozent-Parteiobmanns von seiner eigenen Partei.

Wir wissen jetzt im Übrigen auch – ich will der Frau Staatssekretärin auch nicht zu nahe treten, aber es ist ein Faktum und es wird jetzt schön langsam zu einer Mode –, wofür dieses Staatssekretariat eigentlich geschaffen wurde: Das ist nichts anderes als eine Fluchtvariante für den Herrn Bundeskanzler, dem zunehmend der Mut fehlt, sich hier für


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die Malversationen seiner Österreichischen Volkspartei, der korruptesten Partei in diesem Land, zu rechtfertigen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Wenn er also schon selber nicht den Mut hat, hierherzukommen, dann wollen wir einmal ein bisschen nachhelfen. Ich glaube, es müsste doch im Interesse der Österreichischen Volkspartei liegen, von ihrem zu 100 Prozent sehr geschätzten Parteiobmann auch hier im Parlament zu hören, was er denn zu all diesen Vorwürfen, die ja nur seine Partei und sonst niemanden betreffen, zu sagen hat. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Leichtfried.)

15.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine Wortmeldung zur Ge­schäfts­ordnung? – Das ist nicht der Fall.

Können wir über den Antrag abstimmen? – ÖVP? NEOS? Grüne? – Gut.

Wer für den von Abgeordnetem Leichtfried gestellten Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Leichtfried: Herr Präsident, das ist schon ein bissl knapp heute! Das ist schon ein bissl knapp!)

*****

Ich darf Abgeordnetem Hafenecker als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


15.04.49

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Herr Innenminister! Ja, es ist schon bemerkenswert: Der Herr Bundeskanzler entzieht sich dem Parlament, er schickt seine Staatssekretärin, er schickt noch den flankierenden Innenminister dazu. Ich bin aber froh, dass Minister Karner heute da ist, denn vielleicht können wir dann endlich einmal direkt mit Ihnen über die Cobra-Libre-Affäre sprechen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Und die Grünen machen das, was sie immer tun: Sie lassen den Anstand im Eck stehen und machen den Schwarzen die Räuberleiter und die Mauer. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler Nehammer weilt heute übrigens bei einer TV-Sendung, um so seinen Entlastungsschabernack, der im Prinzip keiner ist, irgendwie zu verkaufen. Das ist in Wahrheit der Grund, warum er heute das Parlament vor den Kopf stößt. Das möchte ich nur nebenbei noch sagen. Der Herr Bundeskanzler ist ja auch immer sehr stolz darauf, dass er das Image des Berufsoffiziers und des Boxers hat. Beides gehört ihm aus meiner Sicht aberkannt, denn das ist einfach nur Feigheit vor dem Feind, wenn man es so sagen möchte. (Beifall bei der FPÖ.)

Gehen wir aber in die Debatte ein! Schauen wir uns an, was seit der Angelobung dieser unglückseligen Regierung passiert ist: Ein Skandal hat den anderen abgelöst. Es waren immer kürzere Abstände. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Es hat Personalrochaden ge­geben, es hat Streit gegeben, und eigentlich war das insgesamt bis jetzt (neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP) ein sehr, sehr erbärmlicher Auftritt, Herr Kollege. 14 Mal haben Sie Regierungsmitglieder ausgetauscht, und kürzlich haben Sie sogar noch einen Staatssekretär dazuerfunden, damit der Büroleiter von Herrn Platter auch noch irgendeinen Job hat. Das haben Sie gemacht – Gratulation dazu. Das Staatssekretärs­wesen floriert bei Ihnen offenbar.

Einer ist auch noch immer dabei, der auch irgendwann einmal etwas von Anstand gefaselt hat: der Herr Bundespräsident. Der nickt das immer alles ab, was Sie da


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personell umstellen, gelobt alles an, ist der Angelobungsroboter und ist mittendrin statt nur dabei.

Als Sie mit Ihrer Regierung begonnen haben, haben Sie davon gesprochen, dass Sie das Beste aus zwei Welten darstellen wollen. Jetzt muss man sich grundsätzlich die Frage stellen: Was waren das eigentlich für Welten, die Sie da verbessert und kombiniert haben? Waren das die Welt der Korruption auf der einen Seite und die Welt des Ökomarxismus auf der anderen Seite? – Na da haben wir es schön ausgefasst. Das ist das, wie es sich momentan darstellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierung, vielleicht haben Sie es noch nicht mitbekommen, aber wenn Sie einmal nicht gefakte Umfragen lesen, schauen Sie einmal, wo Sie mit Ihrer Bundesregierung stehen, wie die Bevölkerung Ihre Arbeit noch schätzt: Miteinander bringen Sie nicht einmal 30 Prozent zustande. Da muss man schon die Frage stellen, wie die Legitimation Ihrer Regierung mittlerweile ausschaut. Das muss man wirklich fragen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben für sich eine Legitimation, das ist eine Schicksalsgemeinschaft: Die einen wollen weiter vertuschen und weiter kassieren, und die anderen wollen ihre NGOs mit Geld füttern, das sie dem Steuerzahler vorher weggenommen haben, und ihn dann vielleicht noch mit irgendwelchen Steuermaßnahmen quälen. Das ist das, was Sie zusammenhält, und das ist der einzige Grund, warum Sie noch dasitzen und noch nicht in Neuwahlen gegangen sind. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn man sich Ihre kurze Regierungszeit anschaut, dann muss man sich einmal anschauen, wie viele Vorfälle da stattgefunden haben, die es in der Zweiten Republik bis dato noch gar nicht gegeben hat. Das muss man sich einmal vorstellen! Was ist passiert? – In wenigen Monaten haben wir drei Bundeskanzler verschlissen. Es gab beschlagnahmte Kommunikationsgeräte von Ministern. Es gab Hausdurchsuchungen bei Ministern, verschwundene Laptops – alles das. Es hat Hausdurchsuchungen bei Ministern gegeben, wie gesagt, Laptops habe ich gerade erwähnt, und auch im VfGH – das muss man sich einmal vorstellen – haben Sie es zuwege gebracht, dass dort noch die Bude umgeräumt worden ist, weil auch dort nicht mehr auszuschließen war, dass Ihr korruptives Netzwerk bis in den Verfassungsgerichtshof hinein reicht. Die Krönung des Ganzen war dann auch noch eine Hausdurchsuchung im Kanzleramt.

Das ist also eine Bilanz, auf die man wirklich stolz sein kann. Im Prinzip müssten Sie jetzt alle miteinander aufstehen, müssten Ihre Demission einreichen und sagen: Bitte, lieber Wähler, erlöse uns von diesem Elend, machen wir eine neue Mehrheitsbildung in diesem Haus! – Was die ÖVP in den letzten zwei Jahren aus dieser Republik gemacht hat, ist wirklich eine Schande. Das gehört hier auch einmal ganz klar gesagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Land wird durch Skandale gebeutelt, wie es in den besten Zeiten Italiens nicht besser gegangen wäre. Dort gab es auch eine Partei – vielleicht schauen Sie einmal auf Wikipedia nach –, die hat Democrazia Cristiana geheißen und die hat ein ähnliches Schicksal erlitten, wie es Ihnen jetzt gerade geht. Die sind auch über Korruption drü­bergeflogen, über einen Sumpf drübergeflogen, schlussendlich an der eigenen Gier erstickt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich glaube, das sollte man sich nicht zum Vorbild nehmen. Vielleicht können wir dabei helfen, die ÖVP auch davor zu bewahren.

Die Korruption war es damals in Italien, und heute ist es ebenso das Problem der ÖVP. Es gibt getürkte Umfragen, die Sie über das Finanzministerium von Frau Beinschab bestellen (Zwischenruf bei der ÖVP – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), damit haben Sie die ganze Bevölkerung angeschwindelt – jetzt muss ich aufpassen, dass ich keinen Ordnungsruf kriege –, Sie haben die Bevölkerung getäuscht und Sie


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haben eigene, parteiinterne Konflikte mit Steuergeldern ausgetragen. Das haben Sie gemacht, Herr Kollege. Ich würde mir also überlegen, ob ich hereinschreie.

Es gibt die Cobra-Libre-Affäre: Herr Bundesminister, es wäre echt einmal interessant, wenn Sie uns sagen, wie die Weisungskette in diesem Fall ausgeschaut hat und warum es mittlerweile drei verschiedene Gschichtln dazu gibt, nämlich vom Herrn Bundes­kanzler selbst erzählt. – Die Aufklärung steht da noch immer aus.

Es gibt einen Untersuchungsausschuss, der eine ganze Reihe von Verfehlungen aufgedeckt hat – ich würde sagen, der erfolgreichste, wenn man da von Erfolg sprechen kann –, was diese ganzen Skandale betrifft. Wir haben Inseratenkorruption aufgezeigt, wir haben Steuerhinterziehung aufgezeigt, wir haben Postenschacher aufgezeigt (Zwischenruf des Abg. Höfinger), und wir haben abenteuerliche Umgehungs­konstruk­tionen der ÖVP aufgezeigt, die atemberaubend sind. (Abg. Höfinger: Das ist unglaub­lich!) Wir haben gesehen, dass Sie sich einen tiefen Staat zusammengebastelt haben – Sie haben einen tiefen Staat über das Innenministerium, einen tiefen Staat über das Justizministerium und einen tiefen Staat über das Finanzministerium gesponnen. Das haben Sie gemacht, das liegt mittlerweile am Tisch, das bestreitet auch niemand mehr. Und Sie haben es sogar geschafft, den Herrn Bundespräsidenten zu korrumpieren, denn der macht bei all diesen Theaterstücken auch noch mit.

Was passiert in der ÖVP? – Eine Rücktrittswelle der Sonderklasse: Sie verlieren laufend Mitglieder, hochrangige Mitglieder, hochrangige Amtsträger. Die Wirtschaftsministerin hat sich schon mit Schrecken von Ihnen abgewandt, die Landwirtschaftsministerin ist Ihnen davongelaufen, Landeshauptmann Schützenhöfer ist draufgekommen, dass Pen­sion auch nicht schlecht ist, Landeshauptmann Platter hat zuerst noch seinen Büroleiter zum Staatssekretär gemacht und vertschüsst sich jetzt auch in die Pension, und Herr Haslauer soll Gerüchten zufolge auch gehen. Ich würde sagen, die Westachse, von der Sie früher immer so stolz gesprochen haben, hat sich also gerade selber atomisiert. Und Sie kriegen das nicht mit, dass da bei Ihnen in der Partei irgendetwas schiefläuft? Also ich weiß nicht, wie viele Stupser Sie noch brauchen, um das zu bemerken.

Einer fehlt übrigens noch beim Rücktrittsreigen, das ist der Landeshauptmann von Vorarlberg, Landeshauptmann Wallner. Der wäre an sich rücktrittsreif, aber er ist der Einzige, der es nicht macht. Irgendwie ist das ja komisch, was da alles passiert. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Künsberg Sarre und Loacker.)

Warum brechen diese Herrschaften alle weg? – Na ganz einfach, weil eine perfide Form von Inseratenkorruption, Fördergeldmissbrauch bekannt geworden ist. Seniorenbund Oberösterreich: 2 Millionen Euro aus Coronageldern; Seniorenbund Tirol: 180 000 Euro aus Coronageldern; Seniorenbund Kärnten: 51 000 Euro aus Coronageldern; sogar in Vorarlberg hat man sich bemüht, einen Antrag zu stellen – auch dort hat man für den Seniorenbund 22 000 Euro von den Coronahilfen abgeholt.

Die ÖVP hat es aber noch weiter auf die Spitze getrieben: Man hat die Politische Akademie hergenommen, hat da dieses Hotel vorgeschoben, hat sich dort 400 000 Euro Coronahilfen auszahlen lassen. Und dann gibt es einen Verein, den ich bis dato gar nicht kannte, die Jungbauern in Tirol – na die haben es auch geschafft, dass sie sich noch 853 000 Euro gegönnt haben. Wenn man jetzt noch davon spricht, dass sich der Bauernbund in der Steiermark für den Bauernbundball auch noch 43 000 Euro direkt aus dem Landwirtschaftsministerium geholt hat, na ja, dann verwundert das auch nicht mehr besonders.

Rechnet man das alles ein bisschen zusammen, dann ist man bei rund 4 Millionen Euro, die Sie sich irgendwo aus irgendwelchen Töpfen herausgezogen haben – und das sind die 4 Millionen Euro, von denen wir bis jetzt wissen. Es werden Ihnen 900 Vereine


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zugerechnet – das ist mittlerweile ausrecherchiert –, und aufgrund dieses Umstandes bin ich schon gespannt darauf, wie viele Leichen wir in Ihren Kellern noch finden werden.

Eines sage ich Ihnen auch, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP: Morgen ist Fronleichnam, nutzen Sie die Gelegenheit, gehen Sie vielleicht nach dem Umzug dann auch noch beichten! (Ruf bei der ÖVP: Das ist kein Umzug!) Stellen Sie sich aber darauf ein, dass Sie, wenn Sie alles zugeben müssen, was Sie auf dem Kerbholz haben, erst am Sonntag wieder aus dem Beichtstuhl herauskommen! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall des Abg. Loacker.)

Eine neue Dynamik hat die ganze Geschichte bekommen, als jetzt auch noch ein Rechnungshofbericht zutage getreten ist. Da kann man, glaube ich, nicht mehr davon sprechen, dass das parteipolitische Agitation ist, die hier gemacht wird, denn der Rechnungshof hat Ihnen ein zutiefst korruptives Verhalten nachgewiesen. Sie haben den Rechnungshof mit Ihrer Parteientransparenzmeldung drei Jahre an der Nase herumgeführt. Sie haben drei Mal nachgebessert. Das verstehe ich ja nicht, denn wenn das ein Schüler macht, kann er sich niedersetzen und geht mit einem Fünfer heim. Das ist das, was Sie machen: Sie haben den Rechnungshof drei Jahre an der Nase herumgeführt.

Es gibt wieder einmal ein Novum in der Republik: Es wird erstmals in der Zweiten Republik ein Wirtschaftsprüfer in eine Partei hineingeschickt, um diese ganzen Dinge aufzuklären – also auch das höchst interessant. Und Sie genieren sich weiterhin nicht. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Was waren die Vorwürfe? – Na ganz einfach, man glaubt Ihnen die Zahlen nicht. Man glaubt Ihnen nicht, dass die Nationalratswahl billiger als die Europawahl war. Es weiß doch jeder, dass das nicht so sein kann und dass das nicht der politischen Realität entspricht. Der Rechnungshof hat Ihnen nachgewiesen, dass diese Beinschab-Studien, die Sie aus dem Finanzministerium für parteiinterne Zwecke ausgeleitet haben, illegale Parteispenden waren. Das ist auch mit 36 000 Euro beziffert worden.

Der Seniorenbund: Es ist Ihnen bereits 2016 gesagt worden, dass dieser zu Ihnen dazugehört, Sie wollten es nur nicht wahrhaben. 2018 hat man es noch einmal wie­derholt und 2019 gehen Sie her und schreiben in Ihr Papierl sinngemäß hinein, dass Sie mit dem Seniorenbund nichts zu tun haben. Ich weiß nicht, wie schmerzbefreit man eigentlich sein muss, um das zu tun, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP, das glaubt Ihnen niemand mehr! (Beifall bei der FPÖ.)

Der Seniorenbund und der Verein Seniorenbund sind Vereine mit gleichen Vereins­sitzen, gleichen Internetauftritten, gleichen Telefonnummern, gleichen Postadressen, und es sitzt, wenn Sie sich noch an Landeshauptmann Pühringer erinnern können, dort sogar dieselbe Person jeweils an der Spitze. Das glaubt Ihnen also niemand mehr. Ich weiß nicht, in welchem Paralleluniversum Sie leben, dass Sie davon ausgehen, dass wir Ihnen diese Geschichten alle noch abnehmen. Vielleicht wäre es einmal wirklich an der Zeit, ein bisschen in die Selbstreflexion zu gehen.

Sie haben also die Republik überall dort, wo Sie können, über den Tisch gezogen. Ich bin jetzt gespannt, es sind nämlich die Coronahilfen, die Sie zu Unrecht bezogen haben, in diesem Rechnungshofbericht noch gar nicht enthalten, und wenn Sie in dem Tempo weitermachen, wie Sie Ihre Berichte abgeben, dann werden wir spätestens 2025 wissen, ob diese Hilfen zu Recht bezogen worden sind oder nicht. Es würde Ihnen gut anstehen, den nächsten Bericht rasch einzureichen und komplett einzureichen und nicht drei Mal umzubauen, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP.

Was ich Ihnen aber tatsächlich vorwerfe, ist das, was Sie mit dem Verein gerade machen, das haben sich die Leute draußen nicht verdient. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)


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Die Funktionäre – mein Großvater, ich habe es gestern schon gesagt, hat jahrzehntelang einen Seniorenbund geleitet, war ehrenamtlich unterwegs und hat viel gemacht – und die Mitglieder des Seniorenbundes haben sich das nicht verdient. Sie haben den Verein dazu missbraucht, Ihre angeschlagenen Parteifinanzen zu sanieren. Sie nehmen dafür einen ganzen Seniorenbund in Geiselhaft und genieren sich nicht einmal dafür! Ich verstehe das nicht. Warum sagen Sie nicht einfach: Wir haben einen Fehler gemacht, wir entschuldigen uns dafür und wir machen den Schaden wieder gut!? – Nehmen Sie doch die 4 Millionen Euro und geben Sie sie dorthin, wo sie hingehören, dem Steuer­zahler retour und in den Topf hinein, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dazu braucht man aber Einsicht, Einsicht hat die ÖVP aber nicht, im Gegenteil, die ÖVP wirkt machttrunken, ist im Paralleluniversum unterwegs. Manchmal entsteht vor meinem geistigen Auge ein Bild von Dagobert Duck, der in seinem Geldspeicher herumhüpft und nicht mitkriegt, was draußen passiert.

Die Liste der Vorwürfe geht aber noch weiter: Die Vorarlberger Wirtschaft hat eine dermaßen unwichtige Zeitung gehabt, sodass sie eh niemand angeschaut hat. Trotzdem war es ein reiner Inseratenfriedhof mit 86 Prozent Anteil an Inseraten – 86 Prozent! –; ein reiner Inseratenfriedhof, der da verteilt worden ist. Und jetzt wollen Sie uns erklären, dass das Gschichtl irgendeinen informativen Charakter hat?! – Nein, das war ein Instrument der Inseratenkorruption und das muss man ganz klar herausarbeiten. Im Übrigen hat sich rein zufällig das Inseratenaufkommen in der „Vorarlberger Wirtschaft“, einer Wirtschaftszeitung, von 400 000 auf 1,2 Millionen erhöht, als Sebastian Kurz Bundeskanzler war – ein Schelm also, wer Böses dabei denkt.

Dann gibt es bitte die eidesstattliche Erklärung von einem Handwerker, der gesagt hat, dass sogar der Landeshauptmann selbst als Inseratenkeiler durch die Lande gezogen ist und bessere behördliche Behandlung versprochen hat.

Der Rechnungshof stellt massive Überteuerung der Inserate fest, ungekennzeichnete Parteienwerbung, Sachleistungen an die Partei und am Ende auch noch Steuer­hinterziehung – das kommt dann auch noch aus Vorarlberg, denn dass man Steuern zahlen muss, weiß man dort auch nur fakultativ. Hoch interessant! Und Sie sind eine Wirtschaftspartei, nicht?! Ich würde mich ja schämen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ und Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Das gleiche Modell gibt es aus der NÖ-Zeitung: auch das eine Zeitung, die es nur einmal im Jahr gibt und immer nur dann, wenn eine Wahl ist. Da haben Sie auch ungekenn­zeichnet Kandidaten beworben, haben gegen alles verstoßen, was es gibt, haben es auch nicht angegeben – wieder 56 000 Euro zack, prack auf dem Guthaben der ÖVP! Sie haben nur vergessen, es anzugeben.

Da stelle ich mir schon die Frage: Glauben Sie wirklich, dass der Rest des Nationalrates und sogar die Grünen und der Rest der Bevölkerung dumm sind und Ihnen das ab­nehmen, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP? Ehrlich zu sein wäre an der Zeit, Ehrlichkeit wäre wichtig! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Matznetter.)

Es gibt eine ganze Reihe von ungustiösen Feststellungen des Rechnungshofes: den Bauernbundball mit 43 000 Euro habe ich schon erklärt; Gefälligkeitsartikel im nieder­öster­reichischen Gemeindefachjournal für Gemeindepolitik – nicht angegebener Gegen­wert: 29 000 Euro; unklarer Ausweis der ÖVP Kärnten im Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme; unrichtige Zuordnung von Mitgliedsbeiträgen – ja, am Ende sieht man Tarnen und Täuschen an allen Ecken und Enden.


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Eine Frage sollten wir übrigens auch noch diskutieren: Was geschieht eigentlich mit Ihren ausgeschiedenen Politikern? Was passiert mit den Social-Media-Profilen Face­book, Twitter und so weiter? Warum kann sich Sebastian Kurz diese Profile, die in seiner Zeit als Außenminister und als Bundeskanzler aufgebaut worden sind, mit nach Hause nehmen (Ruf bei der ÖVP: Wie ist das mit Strache und der FPÖ?) und warum kann er diese jetzt privatwirtschaftlich verwerten? Haben Sie dafür gesorgt, dass das abgelöst wird? Gibt es da einen Wertersatz für die Republik, für den Steuerzahler, der diese Auftritte bezahlt hat? – Ich glaube nicht, ich habe davon noch nicht gehört. Sie wären also dazu aufgerufen, das möglichst rasch zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Zeiten wie diesen – drei Krisen: Corona, Ukraine und Finanzen – bräuchten wir eine Regierung, die handlungsfähig ist. Das sind Sie aber nicht. Der Bundeskanzler ist nicht einmal so handlungsfähig, dass er den Weg ins Parlament findet. Das ist die Realität. Sie sind nur damit beschäftigt, die eigenen Skandale irgendwie zuzudecken und davon abzulenken. Das halte ich für ein Problem und das hat sich die Bevölkerung in Zeiten wie diesen auch nicht verdient.

Wir haben deshalb 33 Fragen an den Herrn Bundeskanzler gerichtet. Er möchte sie nicht beantworten. Das verstehe ich, weil sie mitunter heikel sind, aber trotzdem: Vielleicht können Sie es beantworten, Frau Staatssekretärin! Sind Sie der Meinung, dass die Bundesregierung aufgrund dieser skandalträchtigen Zeiten, die ausschließlich von der ÖVP produziert worden sind, handlungsfähig ist? Können Sie dieses Land regieren oder haben Sie vielleicht eher andere Sachen zu tun? – Da würde ich mir eine ehrliche Antwort von Ihnen erwarten!

Welche konkreten Maßnahmen für Gesetzentwürfe gibt es, damit diese Abflüsse von Geldern aus den Ministerien in Richtung einer Partei, die da drüben (in Richtung ÖVP deutend) sitzt, unterbunden werden? Welche Gesetzesvorschläge gibt es dazu? Welche Gesetzesvorschläge gibt es im Zusammenhang mit Parteientransparenz? Wo ist das, was Kollege Hanger gestern auf Puls 4 versprochen hat: dass wir gemeinsam einmal darüber reden werden, wie wir transparenter werden? Gibt es schon irgendwelche Vor­schläge in der Schublade? (Abg. Wöginger: Ja, liegt im Parlament! – Abg. Lindinger: ...gesetz!)  Das würde uns interessieren.

Wie können wir einen Fall Beinschab in Zukunft verhindern? (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Na ja, das ist euch aber wurscht, denn ihr haltet euch ja nicht daran. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei der SPÖ.) Das Gesetz ist da, aber es ist euch egal. Stimmt – ich verbessere meine Fragestellung, machen wir es so –: Wie bringen wir die ÖVP dazu, Kollege Hanger, Gesetze, die schon da sind, auch einzu­halten? Vielleicht ist das ein Zugang, den wir wählen könnten, also auch das wäre interessant!

Wie schaut es mit den 900 Vereinen aus, die jetzt rund um die ÖVP identifiziert worden sind? Können Sie ausschließen, dass da auch schon Gelder geflossen sind? Der Herr Innenminister schaut gerade ganz kritisch zu mir herüber. (Bundesminister Karner schüttelt den Kopf.) – Sie kennen das Werkel Niederösterreich ganz gut, Sie waren dort lange genug Landesgeschäftsführer. Hinten sitzt Herr Präsident Sobotka. Tut gut, schmeckt gut, alles gut. Ich bin gespannt, wohin Sie da Ihre Gelder verschoben haben. Auch das sollten wir uns einmal genauer anschauen, und genau deswegen müssen wir auch ausfindig machen, wohin unsere Gelder gekommen sind! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Dann habe ich noch eine Frage: Wie ist die ÖVP eigentlich strukturell aufgestellt, ich meine jetzt, so vom Organisationsgrad? – Gestern habe ich mir die Mühe gemacht und habe mir das Interview mit dem Herrn Bundeskanzler – für die „ZIB 2“ hat er Zeit gehabt,


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um da seine Geschichten zu verbreiten – angehört, und da hat es ja trotzdem auch eine kritische Auseinandersetzung mit diesen ganzen ÖVP-Korruptionsskandalen gegeben.

Ganz ehrlich, da stelle ich mir schon die Frage: Wie schaut die Organisation der ÖVP aus? – Den Bundesgeschäftsführer hat er aus meiner Sicht kameradschaftlich-schänd­lich weggelegt. Den kennt er gar nicht, mit dem hat er nichts zu tun gehabt, gar nichts, auch wenn er Generalsekretär gewesen ist. Da stelle ich mir schon die Frage – vielleicht kann mir das dann irgendjemand erklären –: Gibt es in der Bundes-ÖVP keine Sitzun­gen? Gibt es da keine Präsidien, gibt es keine Wahlkampfplanungen, hat man keine strategischen Besprechungen, gibt es keine Finanzberichte? Sind das alles Dinge, die an einem Generalsekretär spurlos vorübergehen können? (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: ... Messias Kurz!) Also ich weiß nicht, ich bin auch schon längere Zeit in einer Partei, bei uns gibt es schon Gremien und da erfährt man auch gewisse Dinge. Ich verstehe das nicht, warum das bei der ÖVP so ist – aber bitte!

Interessant ist auch, wie der Herr Bundeskanzler darauf reagiert, aber das dürfte in der ÖVP ein Motto sein: Man legt ja immer irgendjemanden weg. Zuerst haben sie Kurz weggelegt, jetzt legt man den einen oder anderen Minister weg, dann legt man ganze Ortsgruppen des Seniorenbundes weg. Das sind ja lauter eigenständige Truppenkörper, die alle irgendetwas ohne Befehl machen, die immer irgendetwas anstellen und anrichten. Auch der Schredder-Arno hat das ja aus eigenem Antrieb heraus gemacht, das hat ja auch keiner angeschafft, dass er zehn Festplatten schreddern muss.

Also: Mich interessiert die Organisation der ÖVP. Wie kann es sein, dass ein General­sekretär nichts davon mitbekommt, dass Sie eigentlich eine massive Wahlkampfkosten­überschreitung haben und sehr, sehr korruptiv handeln?

Eines noch, weil der Herr Bundeskanzler – ich habe es eingangs schon gesagt – stolz darauf ist, dass er Boxer und Bundesheeroffizier ist: Wenn man die Offiziersehre heran­zieht und wenn man heranzieht, wie ein Offizier eigentlich mit so etwas umgehen müsste, dann ist es wiederum nicht das, was Herr Nehammer gestern gemacht hat, denn Offiziere übernehmen bekanntermaßen Verantwortung und putzen sich nicht an ihren Chargen ab. Und wenn der Herr Bundeskanzler vielleicht irgendwann einmal wieder zu Ihnen kommt und auch mit Ihnen spricht, bitte richten Sie ihm aus: Das ist eine ganz, ganz schlechte Optik, die er da gemacht hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend: Es wird jetzt sicher demnächst jemand von der ÖVP hier herauskommen und wird sagen: Das ist ein politisches Scherbengericht, was da stattfindet. – Ich sage Ihnen eines: Das könnte man vielleicht noch sagen, wenn es da nur um Parteien gehen würde. Fakt ist aber, dass es um den Rechnungshof geht, der Kritik erhebt – ich bin schon gespannt, wie Sie diesen jetzt unter Druck setzen werden –, dass es um die WKStA geht, die Sie jetzt gerade ausspionieren wollen. Kollege Hanger hat einen Antrag gestellt: Sie wollen Handys und Computer von Staatsanwälten auslesen, das ist, finde ich, ein sehr demokratischer Zugang, es zeigt ein bisschen Ihr Weltbild. (Abg. Hanger: Du hast den Antrag nicht verstanden!)

In diesem Zusammenhang, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mittlerweile unser aller Pflicht als Abgeordnete, diesem Treiben ein Ende zu setzen, endlich einmal klarzumachen, wie die ÖVP eigentlich gestrickt ist. Und vor allem eines: Auch als Steuer­zahler ist es unsere Pflicht, gegen dieses Treiben vorzugehen und sicherzustellen, dass nicht ständig unser Geld in den Taschen der ÖVP verschwindet. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die ÖVP steht mit dem Rücken zur Wand! Es wäre das Gebot der Stunde, Fehler zuzugeben, sich zu entschuldigen, den Schaden wiedergutzumachen und damit auch die ÖVP davor zu bewahren, dass sie ein ähnliches


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Schicksal wie die Democrazia Cristiana erleidet und am Ende des Tages nur mehr als Geschichtseintrag auf Wikipedia zu finden ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.24

15.24.58*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für die Formulierung: Sie haben den Bundes­präsidenten korrumpiert – Sie haben damit das Staatsoberhaupt beleidigt –, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Abg. Deimek: Das hat er verdient!)

*****

Zu Wort gemeldet ist Frau Claudia Plakolm. – Bitte.


15.25.12

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: Der vorherrschende Ton ist weder vertrauenserweckend noch professionell, und da müssen sich alle miteinander an der Nase nehmen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scherak: ... nicht beim Senioren­bund!)

Da werden Vorwürfe aufgebracht, wird sich gegenseitig öffentlich beschimpft und stän­dig der Eindruck erweckt, dass nicht gearbeitet wird, sondern nur überlegt wird, wie man dem anderen am besten schaden kann (Abg. Kickl: Das macht ihr schon selber! – Zwi­schenrufe bei der SPÖ), und wir sollten uns bei jeder einzelnen dieser - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Entschuldigung, darf ich vielleicht verlangen, dieselbe Contenance, die man gegenüber dem Antragsteller hat, auch der Staatssekre­tärin gegenüber zu wahren? (Abg. Scherak: ... eh! Schwierig heute! – Abg. Leichtfried: Wir versuchen das eh, Herr Präsident! Aber Belehrungen brauchen wir da auch nicht!)


Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm (fortsetzend): Wir sollten uns bei jeder einzelnen dieser Handlungen sehr genau überlegen, wem es am Ende nützt, und vor allem, was es dann am Ende des Tages auch bringt und wie es schadet. Ein gutes Beispiel dafür ist das gerade erst gestern präsentierte Entlastungspaket. (Abg. Belakowitsch: Das ist aber nicht das Thema! – Abg. Wöginger: Hat er aber angesprochen, also wird sie auch replizieren dürfen!)

Ich weiß nicht, wer von Ihnen in letzter Zeit draußen bei den Menschen unterwegs war und mit ihnen auch gesprochen hat; gerade auch in meinem Bereich, bei den jungen Menschen, ist enorm Feuer am Dach. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe erst am Wochenende mit einem Lehrling gesprochen, der darauf angewiesen ist, tagtäglich mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Matznetter: Zur Sache!) Beinahe die Hälfte seines Lehrlingseinkommens geht mittler­weile für den Sprit drauf. (Abg. Kickl: Macht nur weiter so! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Auch eine junge Studentin hat mir am Wochenende erzählt (Rufe: Zur Sache! Was soll denn das jetzt? Herr Präsident! Was ist denn das für eine Beant­wortung?), dass mittlerweile fast die Hälfte ihrer Wohnkosten - - (Anhaltende Zwischen­rufe bei SPÖ und FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Betriebskosten für Strom, Gas machen mittlerweile die Hälfte aus, und vieles mehr.  Das ist das Thema, das die Öster­reicherinnen und Österreicher interessiert! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Falsches Manuskript!)


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Was machen die Politikerinnen und Politiker (Abg. Matznetter: Sie hat das falsche Redemanuskript, ... wurde vertauscht!), die meine Vertretung sind, genau in dieser Situation, um die Menschen in Österreich zu unterstützen? (Ruf bei der FPÖ: Der Seniorenbund müsste ...! – Abg. Belakowitsch: Falsche Rede!) Wer in der Politik sieht meine Sorgen und kümmert sich darum? (Ruf: Die ÖVP!) Und vor allem: Wer bringt die Dinge gemeinsam auf den Boden? – Das sind die Dinge, die in Wahrheit die Öster­reicherinnen und Österreicher beschäftigen, und nicht Ihre Dringliche Anfrage. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Als Bundesregierung haben wir gestern ein Paket vorgestellt, um genau das abzufan­gen, was bei den Menschen aktuell am meisten wehtut, um sie zu unterstützen. (Abg. Kickl: Hat die die falschen Zetteln mit? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Wir haben ein Paket vorgestellt, das selbst von kritischen Expertinnen und Experten und auch von ehemaligen Politikerinnen und Politikern, besonders auch aus Ihren Reihen, mit den Worten kommentiert wurde: Einiges richtig gemacht!, oder: Das ist gelungen! (Abg. Lausch: Falsche Rede!) Jetzt frage ich mich schon, ob es da mit dem Spiel, das die Opposition betreibt, nicht einmal genug ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Hat man nicht auch als Opposition die Verantwortung, in diesen mehr als bescheidenen Zeiten auch einmal zu sagen: Ja, mit diesem Entlastungspaket kommt etwas, das es auch euch leichter machen wird! (Ruf bei der SPÖ: Kann ihr jemand die Anfrage brin­gen? Anscheinend hat sie sie nicht zur Hand! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Das ist eine Verhöhnung des Parlaments!) Als Opposition hat man auch die Verantwortung, nicht politisches Kleingeld zu schlagen (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), sondern stattdessen einmal zu sagen: Ja, mit diesem Entlastungs­paket wird vielen Menschen mehr zum Leben bleiben! (Rufe bei SPÖ und FPÖ: Zur Sache! Herr Präsident!)

In meinen Augen befinden wir uns aktuell auf einem sehr, sehr schmalen Grat, was das betrifft (Abg. Belakowitsch: Falsche Antwort! – Abg. Kickl: Herr Präsident! Kann man da alles machen? Es gibt schon ein Thema, oder?), das Vertrauen in die Politik bricht links und rechts weg, und genau dieser Ton hier herinnen ist bezeichnend für diese Situation. (Beifall bei der ÖVP. – Unruhe im Saal.)

Wir befinden uns auf einem immens schmalen Grat des Vertrauens in die Politik und besonders in Politikerinnen und Politiker – ja, auch der Oppositionsparteien –, es bricht links und rechts weg (Ruf bei der FPÖ: Herr Präsident, schreiten Sie ein! Zur Sache!), und jeder von uns hier herinnen, egal ob Regierungsfraktion oder Oppositionsfraktion, hat – so hoffe ich zumindest – die Verantwortung und vor allem auch die Leidenschaft, Politik mit Herzblut zu machen und für die Österreicherinnen und Österreicher etwas weiterzubringen. Das muss gemeinsam in unser aller Interesse stehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für das eingebüßte Vertrauen haben viele hier Verantwortung. (Abg. Krainer: 4 Minuten und kein Wort zur Sache! Herr Präsident, wie lange schauen Sie noch zu?) Herr Klubobmann Kickl, wir können es nur mit harter Sacharbeit auch zurückgewinnen. Da werden wir uns alle miteinander massiv anstrengen müssen und – eines sage ich auch ganz klar – einen Weg der Zusammenarbeit auch wieder neu finden müssen. (Unruhe im Saal.) Wir werden beweisen müssen, dass es anders geht, dass Gerichte klären, was eben zu klären ist, und dass wir Politikerinnen und Politiker in unserem jeweiligen Wir­kungsbereich von Herzen nur das Beste für die Menschen (Abg. Belakowitsch: Geh bitte, das ist ja eine Verhöhnung des Parlaments!), die in unserem Land leben, ganz einfach tun. (Abg. Krainer: Herr Präsident, wie lange schauen Sie noch zu? – Abg. Kickl: Da geniert sich schon der Wöginger!) Da gehört auch einmal dazu – und da hören Sie jetzt ganz besonders zu, liebe Oppositionspolitikerinnen und Oppositionspolitiker –,


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dass man wechselseitig gute Initiativen und Anträge auch anerkennt und unterstützt. (Abg. Hafenecker: Das ist Themenverfehlung!) Und da zähle ich auf Sie, werte Kolle­ginnen und Kollegen, für das Vertrauen der Österreicherinnen und Österreicher in die Politik. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei SPÖ und FPÖ: Zur Sache!)

Nun darf ich in Vertretung unseres Bundeskanzlers Ihre Dringliche Anfrage beantworten. (Ruf bei der SPÖ: Na jetzt sind wir gespannt! - Ruf bei der FPÖ: Keinen Genierer!)

Zu den Fragen 1 bis 4:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Abg. Hafenecker: Volkspartie!)

Zur Frage 5:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Zum Parteiengesetz sind Änderungen geplant, insbesondere eine verstärkte Transparenz und stärkere Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes. Zu einem entsprechenden Initiativantrag fand vor Kurzem eine umfassende Ausschussbegutachtung statt, die am 10. Juni geen­det hat. Dazu finden derzeit Gespräche innerhalb der Koalition beziehungsweise der Klubs statt. (Abg. Matznetter: Und da wunderst du dich, dass die Leute kein Vertrauen in die Politik haben!)

Zur Frage 6:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Zwischenruf des Abg. Stöger.)

Zur Frage 7:

Nein, die Mitglieder des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats sind in der Aus­übung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden, das ist verfassungs­rechtlich abgesichert. Auch die im Bundeskanzleramt eingerichtete Geschäftsstelle des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats agiert unbeeinflusst (Abg. Matznetter: Das ist aber nicht die Frage! Die Frage war, ob interveniert wurde!) und ausschließlich im Auftrag der unabhängigen Mitglieder des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats.

Zu den Fragen 8 bis 12:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Ruf: Danke!)

Zur Frage 13:

Die Mitglieder des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats sind in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden, die Mitglieder sind keinem Regierungsmitglied berichtspflichtig.

Zu den Fragen 14 bis 18:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Frechheit!) Zum Parteiengesetz sind Änderungen geplant (Abg. Hafenecker: Ein Witz!), insbeson­dere eine verstärkte Transparenz und stärkere Kontrollmöglichkeiten des Rechnungs­hofes. (Ruf: Heute schon einen Baum gepflanzt?) Zu einem entsprechenden Initiativ­antrag fand vor Kurzem eine umfassende Ausschussbegutachtung statt, die am 10. Juni geendet hat. Dazu finden derzeit Gespräche innerhalb der Koalition beziehungsweise mit den Klubs statt.


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Zu den Fragen 19 bis 23:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung.

Zur Frage 24:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Zwischenruf der Abg. Becher. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Heftiger Widerspruch bei der FPÖ.) Zum Parteiengesetz sind Änderungen geplant, insbesondere eine verstärkte Transparenz und stärkere Kon­trollmöglichkeiten des Rechnungshofes. Zu einem entsprechenden Initiativantrag fand vor Kurzem eine umfassende Ausschussbegutachtung statt, die am 10. Juni geendet hat. Die Gespräche innerhalb der Koalition beziehungsweise mit den Klubs laufen.

Zu den Fragen 25 und 26:

Es ist weder vom Umfang des Interpellationsrechtes umfasst noch faktisch möglich, in der Zeit, die für die Vorbereitung der Beantwortung der hier gestellten Fragen zur Verfügung stand, Zahlungen an knapp 900 Vereine einer Liste zu überprüfen. (Abg. Belakowitsch: ... soweit sie halt gekommen wären ...!) Sofern diese Zahlungen im Vollzugsbereich des Bundeskanzleramtes (Abg. Leichtfried: Ja, ihr rechnet ja noch händisch im Bundeskanzleramt!) bereits im Rahmen der parlamentarischen Interpel­lation zulässig abgefragt wurden, wurden die entsprechenden Informationen auch be­reits erteilt. (Abg. Belakowitsch: ... die ersten 100 ...! Sie könnten es auch schriftlich nachreichen!) Dies gilt auch für zukünftige Anfragen und deren Beantwortung.

Zu den Fragen 27 und 28:

Dazu hat der Vizekanzler bereits öffentlich Stellung genommen. (Abg. Belakowitsch: Der Vizekanzler ist aber nicht gefragt! – Rufe bei der SPÖ: Hallo! Aber hallo!)

Zu den Fragen 29 bis 31:

Dazu ist mir nichts bekannt. (Unruhe im Saal.)

Und zu den Fragen 32 und 33:

Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker. – Abg. Kollross: Da hat ja der Kurz mehr Respekt vor dem Parlament gehabt, und der hat schon gar keinen gehabt! – Heftiger Widerspruch bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Hafenecker: Eine Verhöhnung des Parlaments ist das, eine Verhöhnung! ... den Saal verlassen! – Abg. Scherak hebt die Hand.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fürst. (Rufe bei SPÖ, FPÖ und NEOS: Zur Geschäftsordnung!)

Zur Geschäftsbehandlung: Abgeordneter Scherak. – Bitte.

*****


15.34.18

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Dringliche Anfragen in diesem Haus sind dazu da, dass Abgeordnete An­fragen an Regierungsmitglieder stellen können und stellen dürfen, die auch zu beant­worten sind. Jetzt kann es sein, dass einzelne Fragen nicht im Zusammenhang mit der Vollziehung stehen. Ich habe aber versucht, in der Geschwindigkeit mitzulesen. Wenn


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es die Frage gibt, ob es Initiativen der Bundesregierung zu etwas gibt, und die Frau Staatssekretärin sagt: Das ist nicht im Vollziehungsbereich der Bundesregierung!, dann frage ich mich, was wir hier überhaupt machen (Abg. Michael Hammer: Sie hat eh gesagt ...!) – natürlich ist das dort. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Und genauso - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Auf welche Frage beziehen Sie sich? (Abg. Krainer: Neun! Neun!)


Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (fortsetzend): Frage Nummer 9. Darüber hinaus war bei Frage Nummer 7 gefragt, ob es Interventionen vom Bundeskanzler beziehungsweise seinem Amtsvorgänger beim UPTS gab, und da darauf zu verweisen, dass der UPTS weisungsungebunden ist, ist auch keine Antwort auf die Frage. Die Frage ist, ob es Weisungen oder Interventionsversuche gab.

Ich würde wirklich bitten, dass wir das sehr ernst nehmen und diese Fragen beantwortet be­kommen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Was tun wir jetzt, Herr Präsident? Sind wir jetzt Parlamentspräsident oder sind wir ÖVP ...? – Abg. Loacker: Unglaublicher Skandal! – Abg. Leichtfried hebt die Hand.)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.


15.35.49

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich möchte mich dem Kollegen Scherak anschließen: Das, was uns hier geboten wird, ist eine einzige Farce! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Beispielsweise auf die Fragen 25 und 26 zu antworten: Es ist nicht möglich, das zu beantworten!, oder auf die Fragen 29, 30 und 31: Ist nichts bekannt!, ist eine Frechheit und ein Skandal! Ich frage mich jetzt langsam, Herr Präsident, was da Ihre Aufgabe und Ihre Rolle ist! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Es ist nämlich Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Fragen des Parlaments auch beantwortet werden, und Sie sitzen da oben und tun nichts – das ist unerhört! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Michael Hammer: Jetzt ist er wieder da, der künstliche Aufreger! – Unruhe im Saal.)

Ich verlange jetzt, Herr Präsident, dass diese Sitzung unterbrochen wird und geklärt wird, wie wir zu unseren Antworten kommen können, denn so geht das sicher nicht! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Loacker: Das ist ja nicht der Niederösterreichische Landtag da! Das ist eine Frotzelei! – Abg. Kickl hebt die Hand.)

15.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie wissen, Herr Klubobmann, dass es nicht im Ermessen des Präsidenten liegt, die Anfragebeantwortungen zu estimieren. Wir haben das ad notam - - (Abg. Leichtfried: Es wäre schon ein Ruf zur Sache angebracht! – Heftiger Widerspruch bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim, Deimek, Hoyos-Trauttmansdorff, Krainer und Rauch. – Unruhe im Saal.)

Die Beantwortung erfolgt durch die zuständige Stelle. (Ruf: Sie können es kritisie­ren!) Sie liegt in der Verantwortung letzten Endes der Ministerien beziehungsweise der


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beanfragten Stelle – ad Nummer eins. (Abg. Belakowitsch: Ja, aber Sie müssen darauf hinweisen, dass sie zu beantworten sind!)

Wünschen Sie eine Unterbrechung? – Ich mache gerne eine Stehung. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Ich unterbreche die Sitzung zu einer Stehung.

15.38.03*****

(Die Sitzung wird um 15.38 Uhr unterbrochen und um 15.56 Uhr wieder aufge­nom­men.)

15.56.07*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder auf­nehmen.

Es wird erwartet, dass die Frau Staatssekretärin im Laufe der Diskussion zu den Fragen 7 und 9 noch einmal eine ausreichendere Beantwortung gibt. Betreffend die Fragen, die nach der Meinung des Kanzleramts nicht vom Interpellationsrecht umfasst sind, wird vom Rechts- und Wissenschaftlichen Dienst beurteilt, ob das korrekt ist oder nicht, und das Ergebnis wird dann den Parteien zugestellt.

Zur Geschäftsordnung vor der Unterbrechung war noch Klubobmann Kickl gemeldet. – Nicht mehr, gut.

Damit können wir in der Diskussion fortfahren, und zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Fürst. – Bitte sehr.


15.57.07

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sek­retärin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Also ich habe großes Verständ­nis für die Frau Staatssekretärin, dass sie die 33 Fragen der Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei nicht beantworten kann oder will, denn es heißt zwar immer, die Wahrheit sei zumutbar, aber in diesem Fall ist die Wahrheit wirklich nicht zumutbar, also nicht für die ÖVP (Beifall bei FPÖ und NEOS), denn wenn die Fragen des Kollegen Hafenecker hier umfangreich beantwortet würden, dann würde das wahrscheinlich zum Beschuldigtenstatus von diversen Funktionären führen. Insofern habe ich da wirklich Verständnis.

Auch dass man sagt, das fällt nicht in die Vollziehung der Bundesregierung, sehe ich ein, denn was in die Vollziehung der Bundesregierung fällt, haben wir heute schon ge­hört: Das sind Rücktritte und Regierungsumbildungen – das reicht! Das ist der Gegen­stand dieser Bundesregierung. Das können Sie, hat uns heute zwei Tagesordnungs­punkte früher Verfassungsministerin Edtstadler schon erklärt. Sie war stolz darauf, wie schnell und professionell die Rücktritte der Ministerinnen Köstinger und Schramböck über die Bühne gegangen sind: Es waren sofort neue Minister da, die Regierungsarbeit ist nicht gestanden. – Also das ist das, was man hier unter Regierungsarbeit versteht.

Ich habe auch Verständnis dafür, dass Bundeskanzler Nehammer die heutige Auseinan­dersetzung hier scheut. Er betont zwar immer, dass es nichts Anregenderes gebe als die Diskussion hier im Parlament, der er sich so gerne stellt, aber heute hat er dann der Versuchung doch widerstehen können, denn wenn das Thema ÖVP-Finanzskandale und die Handlungsfähigkeit dieser Regierung sind, dann gilt eben dasselbe wie für die


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Frau Staatssekretärin: Was soll er denn sagen? – Er kann diese Fragen eben nicht beantworten.

Ich habe mich aber besonders gefreut, dass wir heute den Herrn Innenminister hier be­grüßen dürfen. Vielleicht verrät er uns heute irgendetwas. Er war ja gestern einige Stun­den im Plenum. Kollege Amesbauer wollte ihm einige Antworten zu den umfangreichen Tagesordnungspunkten aus dem Innenausschuss entlocken. Nichts, niente, keine Antwort! Also Inneres, Asyl, Migration, all die diesbezüglich anstehenden Fragen fallen offensichtlich auch nicht in den Vollzugsbereich des Innenministeriums. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Brandstötter.) Vielleicht verraten Sie uns aber heute etwas.

Ihr Schweigen ist offensichtlich auch schon Ihrer Generalsekretärin aufgefallen, die ge­meint hat, es gebe derartig hohe Asylzahlen, Österreich leide unter den explodierenden Asylzahlen. Also vielleicht äußern Sie sich! Sie ist dann natürlich gleich von den Grünen gerügt worden, das sei rassistisch. Wir müssen offensichtlich sagen: Wir genießen besonders hohe Asylzahlen. Auf jeden Fall würden wir uns ein paar Antworten dazu erwarten. (Abg. Tomaselli: Das ist jetzt aber auch eine Themenverfehlung!)

Heute hat Abgeordneter Gerstl wirklich Mut bewiesen. Ich habe dafür vollen Respekt. Er hat das bayerische Urgestein Franz Josef Strauß zitiert, er hat gemeint, dieser habe gesagt – was zutreffend ist –: „Politik wird mit dem Kopf, nicht mit dem Kehlkopf ge­macht“. Franz Josef Strauß war übrigens auch der, der angesichts der aufkommenden Grünbewegung vorausgesagt hat: Wenn diese Grünpolitiker mal in die Regierung kommen, dann ist es aus mit uns! – Man kann sich das derzeit in Deutschland ansehen. Wir sind auch auf einem guten Weg dorthin.

Das mit Kopf und Kehlkopf finde ich wirklich super. Ich würde dieser Bundesregierung nicht wirklich eine schwere Kopflastigkeit im Sinne tieferer Intellektualität, Sachverstand und so weiter vorwerfen, gerade auch Bundeskanzler Nehammer nicht. Er geht vielmehr in Richtung Kehlkopf. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich habe Ihren Spruch eh ver­standen, er war ironisch gemeint, eh klar, und ein Appell an die eigene Partei. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie müssen auch lachen. In der Kehlkopfpolitik sind wir super: Bundeskanzler Nehammer schon als Innen­minister mit seiner Aussage über die Lebensgefährder, dann als frischer Bundeskanzler mit der Aussage: Die Neutralität wurde uns von den Sowjets aufgezwungen! Zehn Jahre vorher, 1945, sind wir von der Ukraine befreit worden!

Er stellt eigentlich alles in einen völlig neuen Rahmen. Er fährt nach Russland, um Putin in die Augen zu sehen, aber nicht etwa mit einem Konzept. Was ich auch sehr inter­es­siert zur Kenntnis genommen habe, ist, dass der ukrainische Parlamentspräsident ges­tern hier im Parlament Österreich, die österreichische Bundesregierung dafür, dass sie bei den EU-Sanktionen der Treiber war, dass sie da ein ganz wesentliches Element war, sehr gelobt hat. Das finde ich punkto Kopflastigkeit und Sachverstand echt sinnvoll und toll.

Wie schaut es betreffend EU-Sanktionen aus? – Die russische Währung, der Rubel, war noch nie so viel wert, er ist jetzt am Weg zu einer wirklich tollen Währung, in Russland sprudeln die Einnahmen. Die Nachteile aufgrund der Sanktionen werden durch die steigenden Energiepreise mehr als wettgemacht. Der Sprit kostet in Russland übrigens gerade ungefähr 1 Euro pro Liter, so wie es bei uns immer gewesen ist. Wie schaut es im Vergleich dazu bei uns aus? – Der Sprit kostet das Doppelte, die Energiepreise sind raufgegangen, die Währung hinunter. Super, also wirklich durchdacht, sinnvoll und logisch! Tolle Regierungsarbeit! (Beifall bei der FPÖ.)

Insofern verstehe ich die Umschiffung aller Antworten auf unsere dringenden Fragen. Für Österreich ist das natürlich alles andere als gut. Wir hoffen daher, dass Sie einmal in sich gehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.02



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 174

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Ottenschläger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.02.59

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Normalerweise repliziere ich gerne auf meine Vorredner – Vorrednerin in dem Fall. (Abg. Fürst: Nicht notwendig!) Das ist jetzt ein bisschen schwierig (Ruf bei der ÖVP: Nicht möglich!), weil Sie inhaltlich eigentlich nicht zur Dringlichen Anfrage gesprochen haben. (Abg. Lausch: Sie können sie ja beantworten!) Deswegen vielleicht ganz kurz zu Kollegen Hafenecker: Herr Kollege, bemerkenswert bei dieser Debatte ist, dass Sie den amtierenden Bundespräsidenten in dieses partei­politische Hickhack hineinziehen. (Abg. Hafenecker: Na ja klar, da gehört er ja hin!)

Das zeigt vielleicht auch die Rednerliste: Frau Kollegin Fürst hat gerade gesprochen, das zeigt, dass Sie das vielleicht auch schon für den Bundespräsidentenwahlkampf nut­zen wollen. (Abg. Hafenecker: Ich trete nicht an!) Ich finde das respektlos gegenüber dem Bundespräsidenten, also ihm gegenüber und vor allem auch dem Amt gegenüber (Abg. Belakowitsch: Bitte reden Sie doch nicht von Respekt! – Zwischenruf des Abg. Wurm), dass Sie versuchen, ihn da hineinzuziehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Der Arme, wenn er Sie braucht! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ich finde es auch bemerkenswert, meine Damen und Herren – die Frau Staatssekretärin hat mit ihrer Einleitung sehr wohl auf Ihre Dringliche Anfrage reagiert (Abg. Deimek: Ja, aber nur für die Landjugend! Alle anderen haben gewusst, dass ...!) –, dass Sie in Ihrer Begründung der Bundesregierung die Handlungsfähigkeit absprechen. (Abg. Hafenecker: 14 Umbildungen! Gratuliere!) Der Gegenbeweis ist da, sie hat ihn skizziert. Ich kann es wiederholen. (Ruf bei der FPÖ: Keinen Genierer! – Abg. Belakowitsch: Das ist der Nächste mit einer Themenverfehlung!) Es gibt ein umfangreiches Entlastungspaket, um die Menschen in Österreich durch diese Teuerung zu begleiten. Die kalte Progression wird abgeschafft und viele weitere Maßnahmen für die Menschen in Österreich sind auf den Weg gebracht worden. (Abg. Kickl: Wart ihr gemeinsam bei der Hypnose?) Das zeigt die Handlungsfähigkeit der österreichischen Bundesregierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich versuche, auf ein paar Punkte dieser Dringlichen Anfrage einzugehen. (Abg. Hafenecker: Korruption wäre interessant!) Sie haben zum Beispiel die Rücktritte von zwei sehr verdienten Landeshauptleuten erwähnt, nämlich dem Landeshauptmann der Steier­mark, Hermann Schützenhöfer, und dem Landeshauptmann von Tirol, Günther Platter. Der eine ist 68, der andere ist 70. Ich denke, viele in der Bevölkerung sind der Meinung, dass man in diesem Alter in Pension gehen darf. (Abg. Belakowitsch: Billige Ausrede! – Abg. Hafenecker: Das ist gegenüber Herrn Sobotka nicht in Ordnung, was Sie da sagen! – Heiterkeit bei der FPÖ.) Beide sind sehr verdiente Politiker – an dieser Stelle auch ein Dank für ihren Einsatz. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker – in Richtung Präsident Sobotka –: Der Herr Ottenschläger will Sie loswerden!)

Für die Zuseherinnen und Zuseher, die die Debatte gestern nicht verfolgt haben: Es spielen sich ein paar Wiederholungen ab, ich habe das gestern auch schon erwähnt. Wir haben großen Respekt vor den Kontrollinstanzen und Institutionen in diesem Land (Ruf bei der FPÖ: Genau!), wie zum Beispiel dem Rechnungshof. (Abg. Kickl: Genau, vor allem vor dem Rechnungshof!) – Ich versuche, hier einen sachlichen Beitrag abzugeben. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Wenn das für Sie zum Lachen ist: Die Zuseherinnen und Zuseher sollen das für sich bewerten. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Ja, machen sie eh!)


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Aufgrund des Respekts vor diesen Institutionen, den wir alle, glaube ich, haben sollten, gibt es jetzt teilweise Prüfungen und dann wird es Ergebnisse geben. Das, was sich hier aber teilweise abspielt, ist, dass Sie Richter spielen und Vorurteile fällen. Das ist, glaube ich, nicht unser Job als Parlamentarier. Sie können Kritik üben, aber es liegt ein Unter­schied darin, Kritik zu üben oder zu verurteilen. Vielleicht können Sie das einmal nachlesen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Das haben wir 2019 gesehen, wie ihr mit so etwas umgeht!)

Um ein konkretes Beispiel aus Ihrer Dringlichen Anfrage ein wenig zu beleuchten – wir haben es auch schon mehrfach erklärt und es war auch nie ein Geheimnis, es ist trans­parent –: Nicht die Politische Akademie der ÖVP hat eine Coronaunterstützung be­kommen (Abg. Hafenecker: Sondern das Hotel!), sondern ein aufgrund einer Rech­nungshofempfehlung ausgelagerter kleiner Hotelbetrieb in Wien Meidling hat Unterstüt­zungsmaßnahmen bekommen. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Wäre das nicht passiert, hätten über 20 Leute ihren Job verloren, und das Hotel hätte zusperren müs­sen. Wenn das Ihre Alternative ist – für uns war es keine. (Beifall bei der ÖVP. – Neuer­licher Zwi­schenruf der Abg. Seidl.)

Darüber hinaus muss man dazu auch sagen, dass die Politische Akademie dort kein Geld hätte hineinstecken können, weil das nämlich verboten ist. Daran halten wir uns. (Abg. Hafenecker: Das ist ein tolles Zitat!)

Meine Damen und Herren, wenn wir schon bei politischen Akademien und Spenden sind, sollten wir, glaube ich – wir haben es gestern schon kurz andiskutiert, das NEOS-Lab hat eine Spende von 100 000 Euro erhalten, und Spenden in dieser Höhe dürfen die Parteien nicht mehr lukrieren –, gemeinsam darüber nachdenken, wie wir in Zukunft damit umgehen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Akademien sollten auch keine Partei­arbeit machen dürfen!) Wir sollten vielleicht auch über ein Spendenverbot für politische Akademien nachdenken.

Zur Prüfung des Rechenschaftsberichts 2019 durch den Rechnungshof: Bemerkenswert ist zunächst, dass wir im Moment über einen Bericht reden, den es noch nicht gibt. Nach unseren Informationen ist beim UPTS, das ist der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat, noch kein Bericht eingelangt. Das heißt, er ist noch nicht fertig. Wir reden also über mediale Berichterstattung. – Das einmal zur Klarstellung.

Sie als Anfragesteller haben die Chronologie dieses Prüfungsvorgangs, den ja grund­sätzlich alle Parteien durchlaufen müssen, selber skizziert. Wir haben diesen Bericht Ende 2020 abgegeben. (Abg. Belakowitsch: ... spät!) Die erste Nachfrage kam nach sechs Monaten. Daraufhin haben wir in der vorgegebenen Frist unsere Antworten geliefert. Nach weiteren fünf Monaten kam eine weitere Anfrage, und so weiter und so fort. Ich will damit nur dokumentieren, dass das ein Prüfvorgang ist und dass es entge­gen vieler Behauptungen nicht so ist, dass die ÖVP den Bericht nicht abgegeben hätte, sondern: Es gab Nachfragen. (Abg. Rauch: Weil Sie nicht ehrlich sind!) Vielleicht bei der Gelegenheit eine Gegenfrage: Hat es bei allen anderen nie Nachfragen gegeben? – Das denke ich nicht. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Aber keine Wirtschaftsprüfer! – Abg. Belakowitsch: Die haben wir beantwortet!) Man könnte sich auch hinstellen und sagen: Ja, auch bei uns hat es Nachfragen gegeben!

Ich denke, man sollte auch ehrlich sein und hier sagen, auch andere haben Verfehlungen und Verstöße begangen und wurden bestraft. Ich glaube, in den nächsten Tagen sind bei SPÖ und bei FPÖ auch dementsprechend Strafzahlungen fällig. (Abg. Kickl: Gar nichts!) Auch das sollte man einmal gesagt haben. (Beifall und Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Aber vielleicht für unsere Zuseherinnen und Zuseher nur in aller Kürze: Vergleichen Sie das mit einem Prüfvorgang beim Finanzamt. Wenn Sie einen Betrieb haben oder Ihre Einkommensteuererklärung abgeben, dann gibt es vielleicht auch den einen oder anderen


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Klärungsbedarf, und der Steuerberater versucht dann, das mit dem Finanzbeamten zu klären, und wenn man sich nicht einig ist, dann gibt es Instanzen, wo man das klärt. Wenn dann ein Urteil da ist, hat man das zu respektieren. Das sollte für alle gleich gelten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Ein Letztes noch zu einem Punkt, den Sie in Ihrer Anfrage angesprochen haben, zu den Wahlkampfkosten – Sie haben es in Ihrer Rede erwähnt –: Warum waren die Wahl­kampfkosten bei der für uns sehr wichtigen Wahl zum Europäischen Parlament höher als jene bei den Nationalratswahlen? – Es gibt auf jeden Fall einmal einen ganz klaren Punkt: Wir haben bei den Wahlen zum Europäischen Parlament einen sehr intensiven Vorzugsstimmenwahlkampf unserer Kandidatinnen und Kandidaten gehabt. Das wissen Sie, das war öffentlich. Und das hat dazu geführt, dass es höhere Aufwendungen gegeben hat, die natürlich in die Wahlkampfkosten insgesamt eingerechnet wurden. Bei den Nationalratswahlen 2019 haben wir aus unseren Fehlern aus dem Jahr 2017, für die wir uns auch entschuldigt haben, gelernt – das nennt man Fehlerkultur – und haben ex­trem darauf geachtet, und das ist uns auch gelungen, dass wir die Wahlkampfkosten­obergrenze nicht überschreiten.

Das ist der Punkt, um den es geht. Das werden wir gerne mit dem Wirtschaftsprüfer oder der -prüferin, die jetzt zusätzlich noch prüfen wird – neben den zweien, die das ja schon geprüft haben –, besprechen. Vielleicht für die Zuseherinnen und Zuseher, die das inter­essiert: Es gibt ja zwei Wirtschaftsprüfer – Prüfer, die vom Rechnungshof beauftragt sind beziehungsweise genannt werden –, die diese Berichte schon geprüft haben. Jetzt kommt ein dritter, und ich bin sehr zuversichtlich und hoffe auch darauf, dass wir das rasch aufklären können, dass vor allem auch dieser Bericht dann endlich rasch auf dem Tisch liegt, damit wir die Gelegenheit bekommen, auch diesen Sachverhalt restlos aufzuklären. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt ein kurzer Blick in die Zukunft: Es wurde ja schon erwähnt, Kollegin Maurer und ich haben ein, glaube ich, sehr gutes Paket zu einem neuen Parteiengesetz vor­gelegt, um mehr Transparenz und Klarheit, aber auch um ein Einschaurecht des Rech­nungshofes in die Parteifinanzen zu ermöglichen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Andreas Ottenschläger (fortsetzend): Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren, vor allem auch von den Oppositionsparteien – bei den NEOS bin ich sehr zu­versichtlich –, dass Sie diesem Gesetz auch zustimmen, damit in Zukunft der Rech­nungshof gleich in die Parteifinanzen Einschau halten kann. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

16.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.


16.13.27

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir erleben hier heute ein denkwürdiges Sittenbild, und dieses Sittenbild kann man so beschreiben: Frau Staatssekretärin, höchs­ter Respekt, Sie gehen dorthin, wo der Herr Bundeskanzler sich offenbar nicht mehr hintraut. Wenn Sie jetzt noch ein paar Fragen beantworten, dann ist es gut so.

Herr Innenminister, Frage an Sie: Kommen Sie jetzt zum dritten Mal, um nichts zu sagen, oder hören wir heute irgendetwas von Ihnen? (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Abg. Hafenecker: Er ist gekommen, um zu gehen!)


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Dann frage ich mich, was mit Herrn Abgeordneten Melchior ist. Ich glaube, er ist ge­gangen, weil er es satt hat, dass er immer an allem schuld sein muss in diesem Land, geschätzte Damen und Herren. Das ist das Sittenbild, das sich heute präsentiert. (Abg. Baumgartner: Schaut euch einmal euer Sittenbild an!)

Wenn man von dem heute aktuellen Thema weggeht, weiß man gar nicht, womit man anfangen mag, was die ÖVP betrifft: Eine Finanzaffäre nach der anderen, die ÖVP ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, kaum eine Woche, in der die ÖVP nicht in den Negativschlagzeilen ist – und dann kommt der Rechnungshof und stellt der ÖVP ein wirklich vernichtendes Zeugnis aus: eine Partei des Tarnens, Täuschens und Tricksens, was Parteiengelder und Finanzvermögen betrifft. Das hat der Rechnungshof in Wahrheit gesagt. Er hat gesagt, die ÖVP hat offenkundig die Unwahrheit gesagt. So etwas hat es in diesem Land wirklich noch nie gegeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ein einmaliger Vorgang, der einer Regierungspartei unwürdig ist, der eines Par­teiobmannes der ÖVP unwürdig ist und der eines Bundeskanzlers unwürdig ist. Wahr­scheinlich deshalb ist er auch heute nicht gekommen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wurden viele Dinge festgestellt, aber eines hat mich besonders getroffen: Wenn wir über das Parteiengesetz diskutieren, so geht es meistens um legale Förderungen für Parteien und darum, wie damit umgegangen wird, aber jetzt ist es offenbar ein Faktum, dass die ÖVP Ministerien dazu missbraucht hat, Steuergelder missbräuchlich dazu verwendet hat, für die ÖVP Leistungen zu erbringen. Man kann ja über Leistungen reden, wenn Umfragen gemacht werden, welche Tiergestalt dem Bundeskanzler oder sonst jemandem entspricht – ich weiß nicht, wofür Sie das gebraucht haben –, aber es ist Steuergeld, mit dem das bezahlt worden ist.

Es geht einfach nicht, so etwas zu machen, geschätzte Damen und Herren! Das geht in unserer Republik nicht, das geht in Österreich nicht. Anstatt sich um die Bürgerinnen und Bürger zu kümmern, denen es jetzt eh nicht gut geht, die unter der Teuerung leiden, schauen Sie nur, wie viel Geld man möglichst schnell zur ÖVP schaffen kann. Das ist das, was Sie in den letzten Monaten getan haben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Ich möchte da schon auch die KollegInnen von den Grünen fragen: Nach all diesen Skandalen – Wirtschaftsbund, Coronagelder, Seniorenbund, Chatverläufe, Beinschab-Tool, zwei Bundeskanzler zurückgetreten, noch, ich weiß nicht, wie lange das beim dritten dauert, 14 Minister zurückgetreten –, was muss noch passieren, dass ihr Kon­sequenzen zieht? Sagt mir: Was muss noch passieren? Vielleicht macht ihr es eh, dann ist endlich einmal Schluss mit diesem Treiben in Österreich, dann können die Menschen dafür sorgen, dass dieses Land auf einen anderen Kurs kommt und sicher in die Zukunft kommen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wollte jetzt zu Herrn Nehammer, wenn er dagewesen wäre, sagen: Herr Nehammer, Sie waren im fraglichen Jahr 2019 der zuständige Generalsekretär, alles auf Herrn Melchior abzuschieben wird nicht funktionieren. Sie waren und sind der Parteivorsitzende, der den letzten Bericht an den Rechnungshof eigenhändig unterschrieben hat. Ich frage Sie – und vielleicht, Frau Staatssekretärin (Staatssekretärin Plakolm liest in ihrem Smartphone), wenn Sie das mit dem Candy Crush beendet haben, können Sie das dem Herrn Bundeskanzler ausrichten –: Wie lange wollen Sie diese Showregierung noch fortführen? Wir bräuchten jetzt eine Regierung, die die Teuerung wirklich bekämpft, die für Stabilität sorgt, die sich nicht ausschließlich mit ihren Finanzaffären beschäftigt, die auf der Seite der Menschen in diesem Land steht. Ziehen Sie endlich die Konsequenzen und machen Sie den Weg frei für eine bessere Zukunft in Österreich! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.18



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der Rudolf-Steiner-Schule aus Wien – zwei Klassen, die uns besucht haben – recht herzlich bei uns begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte. (Rufe bei der FPÖ: Anstand! Anstand! Ein Balanceakt!)


16.18.42

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auch auf der Galerie – gerade auf der Galerie. (Abg. Hafenecker: Da haben Sie früher Ihre Blätter runtergeworfen, von der Galerie!) Das war jetzt eine besondere parlamentarische Situation (Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), Stehungen während einer Debatte sind nicht so häufig. Eine Stehung heißt, dass sich die Fraktionschefs und -chefinnen hier im Par­lament zusammenstellen und darüber debattieren, wie in der Sitzung weiter vorge­gangen wird. (Abg. Belakowitsch: Vielleicht wollen Sie inhaltlich auch etwas sagen!)

An dieser Stelle muss ich schon sagen, dass es legitim war, diese Stehung zu machen, und auch von der Opposition, diese Einwände vorzubringen. Wir als Abgeordnete haben hier im Parlament die Gelegenheit, zu debattieren, zu beschließen, zu reden, und die Regierungsmitglieder haben die Aufgabe, Rede und Antwort zu stehen, darüber zu informieren, was in der Regierung passiert. (Abg. Belakowitsch: Sie stehen nicht vor einer Volksschulklasse!)

Die Dringliche Anfrage - - (Das Mikrofon fällt aus. – Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS. – Abg. Hafenecker: Das interessiert nicht einmal den Herrn Präsidenten!) Die Dringliche Anfrage ist ja eigentlich das zentralste Instrument der Opposition (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), mit dem man an einem Tag ein Thema setzen kann und eben auch Antworten, die innerhalb von 3 Stunden vom jeweiligen Kabinett erarbeitet werden müssen (Abg. Belakowitsch: Wem erzählen Sie das eigentlich?!), erhalten kann. (Abg. Hafenecker: Das ist nicht die Demokratiewerkstatt!) An dieser Stelle muss ich sagen, dass die Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage leider wirklich ungenügend war. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.)

Jetzt ist das grundsätzlich auch nichts Neues. Ich war von 2013 bis 2017 Abgeordnete, in einer anderen Regierungskonstellation, und mangelnder Respekt gegenüber dem Parlament ist nichts, was hier zum ersten Mal auftreten würde, und ich glaube nicht, dass das Ihre Absicht war, Frau Staatssekretärin. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich glaube auch, dass Sie es in Zukunft wieder besser machen werden – oder ich hoffe es jedenfalls; ich erwarte es mir eigentlich.

Zum eigentlichen Inhalt der Debatte: Ich glaube, das, was man hier eigentlich diskutieren wollte, ist der Beweis für das, woran wir alle hier im Parlament, nämlich alle Fraktionen gemeinsam, konstruktiv – Kollege Ottenschläger hat es vorhin gerade gesagt –, gerade mit Nachdruck arbeiten, nämlich ein neues Parteiengesetz, und zwar ein Parteiengesetz, das es in Zukunft ermöglicht, dass wir gläserne Parteikassen haben, dass der Rech­nungshof direkt Einschaurechte erhält, ein Gesetz, das schärfere Sanktionen bei Verstößen vorsieht, ein Gesetz, das viel umfassendere Berichtspflichten zu Wahlkampf­kosten et cetera vorsieht, ein Gesetz, das letztlich dazu beitragen soll und muss, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder steigt.

Es ist die Verantwortung von uns Abgeordneten hier in diesem Haus – von uns allen –, es ist auch die Aufgabe der Regierungsmitglieder, um dieses Vertrauen zu werben. Wir haben extrem herausfordernde Zeiten hinter uns, die letzten zweieinhalb Jahre. An die­ser Stelle muss ich schon auch zurückweisen, was Herr Kollege Leichtfried jetzt gerade


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gesagt hat, und sagen: Diese Regierung ist stabil. Dafür, dass sie stabil ist, sorgen auch wir Grüne konsequent seit zwei Jahren. (Rufe bei der FPÖ: Geh bitte! – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) Das große, das riesengroße Antiteuerungspaket (Abg. Belakowitsch: Drei Gesundheitsminister!), das wir die letzten Tage präsentiert haben (Abg. Kickl: ... heißt nicht gesund und gut! – Zwischenruf bei der SPÖ), ist ein Ausdruck der Stabilität dieser Regierung und ihrer Arbeitswilligkeit (Ruf bei der SPÖ: Eine Inszenierung!) und auch der Arbeitsfähigkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist letztlich die Aufgabe, die wir hier zu bewältigen haben. Klar, die Opposition kann Anfragen stellen, die die Partei betreffen, aber man kann hier im Parlament nicht die Regierenden fragen, was die Parteien tun. Die Regierenden sind hier, um Auskunft zum Vollzug zu geben. Das wissen alle Beteiligten hier auch. Dringliche Anfragen, Dringliche Anträge (Zwischenruf der Abg. Yılmaz) sind auch ein Stück weit natürlich Teil der dynamischen Debatte und Show im Parlament – auch das gehört alles dazu. (Abg. Belakowitsch: Ich glaube, die Einzige, die Show macht, sind Sie! – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube aber, wir alle täten gut daran, insbesondere die Freiheitliche Partei, die hier wieder besonders stark zwischenruft, wir alle sollten uns darauf konzentrieren, möglichst sachorientiert und seriös zu fragen. Würden Sie Ihre Fragen anders formulieren, dann hätten Sie auch ein paar Fragen mehr beantwortet bekommen. (Abg. Wurm: Man zahlt immer einen Preis für die Macht, Frau Kollegin Maurer!)

An dieser Stelle muss ich auch noch sagen, dass gerade die Freiheitliche Partei (Abg. Wurm: Man zahlt einen Preis!), die diese Dringliche Anfrage gestellt hat – durchaus mit Berechtigung, was den Ursprungsgrund betrifft, nämlich den Bericht des Rechnungs­hofes – seit 2018, ich habe vorhin nachgeschaut, sieben Verurteilungen durch den UPTS und Strafen über eine halbe Million Euro bekommen hat. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal darauf verweisen, wie viele Verurteilungen der Freiheitliche Partei (Abg. Hafenecker: ... ihr wart ja gar nicht da!) es in Fragen von Parteienfinanzierung schon gab. Ich erinnere an Ihren Goldschatz, den Sie irgendwo liegen haben, et cetera. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Das Gesetz, das wir beschließen werden (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ), das Parteiengesetz, damit der Rechnungshof besser kontrollieren kann (Abg. Belakowitsch: Sind Sie wirklich ..., dass Sie glauben, ...?! – Präsident Sobotka gibt das Glocken­zeichen), dient auch dazu, die Freiheitliche Partei besser durchleuchten zu können, denn wir wissen aus der Geschichte und dieser - - (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, ich verstehe schon, dass Sie das jetzt ein bisschen aufregt, weil es nämlich die Wahrheit und sehr unangenehm ist. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Die Freiheitliche Partei hat Spesenskandale, gerade Graz zum Beispiel, Strache steht ständig vor Gericht (Abg. Lausch: Chorherr kennen Sie nicht?!): All das sind Dinge, von denen Sie gerne ablenken würden. (Abg. Hafenecker: Wer ist der Herr Chorherr? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Krainer. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich sage das nicht (Ruf bei der FPÖ: Chorherr! – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen), weil ich damit in irgendeiner Weise die möglichen Verfehlungen anderer Parteien schmälern möchte (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ), aber Sie machen es sich schon ein bisschen sehr einfach, wenn Sie Ihre eigene Korruptionsverurteilungsvergangenheit so einfach unter den Tisch kehren wollen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff ist zu Wort gemeldet. – Bitte sehr. (Abg. Hafenecker: Das war eine ... Rede! – Abg. Wurm: Das


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war eine schwache Rede! – Abg. Martin Graf: Die Regierung macht nur noch TV ...! – Abg. Belakowitsch: Frau Staatssekretärin, wann melden Sie sich denn? – Der Prä­sident gibt das Glockenzeichen.)


16.25.30

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Herr Innenminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie und auch zu Hause! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir hätten alle gerne den Herrn Bundeskanzler hier gehabt, der ja auch für vieles Ver­antwortung trägt, was aktuell in den Medien ist. Es ist sehr traurig, denn angeblich ist er bei Puls 4 und präsentiert dort das, was uns die Staatssekretärin jetzt hier präsentiert hat, nämlich das sogenannte größte Entlastungspaket aller Zeiten. Ich hoffe, Frau Staats­sekre­tärin, der Herr Bundeskanzler hat jetzt nicht Ihre Zettel und Sie die seinen, weil er dann bei Puls 4 ein bisschen aufgeschmissen ist. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Sie haben Ihre Ausführungen, zu einem anderen Thema – aber trotzdem, ich finde das sehr bezeichnend –, mit der Frage begonnen: Man sollte sich überlegen, wem das nutzt! – Das ist eigentlich die gesamte Debatte des heutigen Tages in einem Satz sehr gut zusammengefasst, dementsprechend waren Sie gar nicht so weit weg, denn eigent­lich dreht es sich ja darum: Was haben wir in den letzten Jahren alles erlebt, nur weil es der ÖVP nutzt? – Das ist ja eigentlich der Inhalt der Debatte der Dringlichen Anfrage, die wir heute hier führen. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie des Abg. Leichtfried.)

Der Bundeskanzler hat vor wenigen Wochen ganz groß, laut gesagt: „Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem“. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Hafenecker: Ja, darum erklärt er es heute auch gleich gar nicht!) – Ja, ich glaube, auch das belegen die heutige Dringliche und die Debatten der letzten Wochen, dass das anders ist. Wir sehen über die letzten Wochen und Monate tagtäglich neue Enthüllungen, dass die ÖVP ein massives Korruptionsproblem hat (Zwischenruf bei der ÖVP), dass die ÖVP massive andere Probleme hat, dass diese Partei kaputt ist, und das betrifft die Bundes- und die Landesebene.

Wir würden jetzt in der Zeit gar nicht alles unterbringen, was da alles auf dem Tisch liegt. Ein paar Dinge sind aber schon wichtig, und stellen Sie sich bitte immer die Frage: Wem hat denn das genutzt, was da stattgefunden hat?! (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Es gab also dieses große Beinschab-Tool, die Erfindung von Sebastian Kurz, womit im Finanz­ministerium mit Steuergeld – es waren knapp über 150 000 Euro – Umfragen bezahlt worden sind: Welches Tier ist Sebastian Kurz? Ist er der hinterfotzige Pfau? – Da frage ich mich, wem das nutzt, dem Steuerzahler? – Ich glaube nicht. Ich weiß auch nicht, ob es am Ende Sebastian Kurz genutzt hat, aber darüber können wir uns an anderer Stelle einmal unterhalten.

Frau Maurer ist leider nicht mehr im Saal, sie hat davon erzählt, wie großartig stabil die Regierung ist (Zwischenrufe bei der FPÖ): eine stabile Regierung mit 14 Minister­wechseln (Abg. Hafenecker: Die Frau Maurer entschuldigt sich gerade beim Anstand!), zwei davon jetzt hier auf der Regierungsbank. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ist das die stabile Regierung, die den Österreicherinnen und Österreichern nutzt? Das ist die Frage, die man sich stellen muss. Wem nutzt das? – Ich glaube auch nicht, dass es der ÖVP nutzt, by the way, bei den Umfragen (Abg. Ottenschläger: Der Inhalt zählt!), aber sicher nicht den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, und denen seid ihr ver­pflichtet. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Abschaffung der kalten Progression! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben dann erlebt, dass die ÖVP, zwei Mal nachgewiesen, das dritte Mal sind wir gerade dabei – danke dem Rechnungshof an dieser Stelle – nachzuweisen, 2013, 2017


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und 2019 die Wahlkampfkostenobergrenze überschritten hat – von der ÖVP. Die Frage, die ich mir da wieder stelle, ist: Wem nutzt das? In dem Fall muss man sagen, ein bisschen nutzt es dem Steuerzahler – leider zu wenig –, weil ihr immerhin Strafe dafür habt zahlen müssen. (Abg. Belakowitsch: Ja, aber das ist auch Steuergeld!)

Die weitere Frage, die der Rechnungshof aufgeworfen hat: Was ist das eigentlich für ein Chaos, das ihr in eurer Partei in den Finanzen habt? – Ich selber bin Generalsekretär und auch bei uns gibt es einen Bundesgeschäftsführer, und wir sind in enger Abstim­mung – das ist anscheinend bei der ÖVP nicht so –, wir haben heute erst eine Budget­besprechung gehabt. Ich glaube also, da wird schon sehr viel mehr, was der – mittler­weile – Bundeskanzler und damalige Generalsekretär über die Finanzen der ÖVP weiß, da sein. (Zwischenruf des Abg. Weidinger.) Es ist aber ein reines Chaos. Der Rech­nungshof listet das auf.

Ich frage mich auch da: Was ist das eigentlich für eine Partei? – Die ÖVP hat sich einmal Wirtschaftspartei Österreich genannt. Das war das, was ihr in den Mittelpunkt gestellt habt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ganz ehrlich, wenn ich beim Wirtschaftsbund wäre, nicht nur in Vorarlberg, sondern in ganz Österreich, dann würde ich euch mit einem nassen Fetzen davonjagen, dafür, wie ihr damit umgeht - - (Abg. Weidinger: ... Aus­drucksweise mäßigen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nicht so eine Unruhe! Herr Kollege Weidinger, ein sinkendes Schiff sinkt nicht weniger schnell, wenn man so laut ist wie Sie; das ändert leider genau gar nichts. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Lausch.)

Wenn ich als Unternehmer oder als Unternehmerin erlebe, wie da in dieser ÖVP ge­wirtschaftet wird, muss ich mich schon fragen, ob die ÖVP noch eine Wirtschaftspartei ist oder nicht. Ich sage es Ihnen: schon sehr, sehr lange nicht! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Schauen wir aber in die Länder! Auch in den Ländern hat die ÖVP wirklich ein massives Problem: Vorarlberger Wirtschaftsbund – die Debatte hatten wir, glaube ich, hier schon vor einem Monat. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir haben gesehen: Hm, ist nicht so toll, wie das da geht. Dass man Unternehmer – jetzt sind wir wieder bei diesem Begriff Wirt­schaftspartei ÖVP – dazu bringt, dass sie ein Inserat in einem Medium schalten, damit die Gesetzeslage geändert wird oder damit Umwidmungen so stattfinden, wie es für den Unternehmer gut ist, ist doch das Allerletzte, was man sich von einer Wirtschaftspartei erwarten kann. (Beifall bei den NEOS.)

Auch da die Frage: Wem nutzt das? – Den Wirtschaftstreibenden in Österreich hundert­prozentig nicht.

Dann sind wir beim Lieblingsthema Covid-Hilfen: Es wurde ein NPO-Fonds aufgesetzt. Ich halte das für eine gute Sache. Ehrenamt – das war ja auch gestern Teil der Dis­kussion – ist etwas sehr Wichtiges und etwas, das, glaube ich, in diesem Parlament auf breiter Basis geschätzt wird, anders, als es die ÖVP hier manchmal verkaufen will. Wenn man aber ehrenamtliche Organisationen wie das Rote Kreuz, wie beispielsweise Feuer­wehren, freiwillige Feuerwehren unterstützen will und sich dann lauter ÖVP-Organi­sationen, ÖVP-Vorfeldorganisationen – und das wissen wir, dass es so ist, auch das hat der Rechnungshof klargestellt – hier bedienen, dann stellt man sich schon die Frage: Wem nutzt dieser NPO-Fonds? Wurde dieser NPO-Fonds wirklich dafür eingesetzt, damit diese Non-Profit-Organisationen, also die Ehrenamtlichen, profitieren, oder soll wieder die ÖVP profitieren? – Diese Frage muss gestellt werden.

Wir haben da unzählige Millionen Euro – Kollege Hafenecker hat es netterweise zusam­mengerechnet –, 4 Millionen Euro, die an ÖVP-Vorfeldorganisationen gegangen sind.


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Jetzt kommt der einzige Punkt, bei dem ich es spannend finde, dass die Frau Staats­sekretärin heute hier ist und nicht der Herr Bundeskanzler und ehemalige General­sekretär: Es gab nämlich auch eine Zahlung an die Junge ÖVP Oberösterreich. Ich glaube, bis vor dem letzten Wochenende war die Frau Staatssekretärin dort noch Ob­frau. Das waren, glaube ich, knappe 10 000 Euro, ein bisschen mehr. Die wurden zu­rückgezahlt. Das ist das Einzige, das zurückgezahlt wurde. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Jetzt habe ich eine direkte Frage an die Frau Staatssekretärin, die sie vielleicht beant­worten könnte (Abg. Deimek: Sie schaut ja gar nicht hin!), nämlich: Warum, Frau Staats­sekretärin, üben Sie nicht innerhalb der ÖVP Druck aus, dass zumindest ein bisschen Anstand da ist und auch der Rest der 4 Millionen Euro an den Steuerzahler und die Steuerzahlerin zurückgezahlt wird? Genau denen gehört dieses Geld und niemand anderem! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

All diese Konstruktionen, die wir über die letzten Jahre gesehen haben, wurden ja angekündigt – leider angekündigt –, das muss man H.-C. Strache ja lassen: Er war der, der auf Ibiza genau das erzählt hat, was die ÖVP macht. Wir haben jetzt schwarz auf weiß, dass all das, was H.-C. Strache auf Ibiza erzählt hat, die ÖVP macht: Vereins­konstruktionen, irgendwelche Tools in Ministerien, um Umfragen zu zahlen, und so weiter. (Abg. Lausch: „Kronen Zeitung“! – Abg. Hafenecker: „Kronen Zeitung“!) All das ist wahr. All das, was dort gesagt wurde, ist wahr. Das muss man sich schon auch auf der Zunge zergehen lassen, dass der ehemalige Vizekanzler – bei allem, was er auch falsch gemacht hat, gar keine Frage (Zwischenrufe bei der FPÖ), ich bin bei Weitem kein H.-C.-Strache-Fan, aber in diesem Punkt hatte er recht – gesagt hat, die Korruption sei in Österreich viel weiter verbreitet, als man glauben mag. Die ÖVP beweist das tag­täglich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Traurigste – da sind wir noch einmal bei der Frage –: Wem nutzt das Ganze? Wem nutzt es, wenn unsere Republik gelähmt ist? (Ruf bei der ÖVP: Den NEOS!) – Wir profitieren vielleicht bei Wahlen, aber das ist doch nicht das Ziel, Herr Kollege. Es muss doch darum gehen, dass diese Republik weiterkommt, dass wir in Österreich etwas weiterbringen und uns nicht nur die ganze Zeit mit Ihrem Korruptionssumpf beschäftigen müssen. Das kann es doch nicht sein, dass das der Anspruch einer Regierungspartei ist! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Wissen Sie, Herr Kollege, ich komme selbst aus einem christlich-sozialen Haushalt. Ich bin mit gewissen Werten aufgewachsen. Anstand war einer der Werte, die wichtig waren, die in der Erziehung wichtig waren. Den habt ihr schon lange verloren. Den habt ihr wirklich schon lange verloren! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Es ist eigentlich unerhört, dass wir hier überhaupt noch sitzen müssen. Man kann sich für dieses Land eigentlich nur eines wünschen, weil das das Einzige ist, das diesem Land noch nutzt: dass wir endlich aus der Geiselhaft dieser ÖVP entlassen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lausch: Er hat ein blaues Herz!)

16.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


16.34.30

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bringen wir es gleich zu Beginn auf den Punkt, sehr geehrte Damen und Herren: Sie sind als Bundesregierung für diese Republik einfach nicht mehr tragbar. Dieses Schauspiel, das Sie heute hier abliefern, ist nur noch beschämend. Andere Worte, sehr


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geehrte Damen und Herren, kann man dafür nicht mehr finden. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da tritt ein ÖVP-Abgeordneter hier ans Rednerpult und sagt: Sie können uns kritisieren, aber Sie können uns nicht verurteilen. – Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem zu Hause: Die Österreichische Volkspartei hat Millionen Euro von Ihrem Steuergeld einge­steckt, während die Bevölkerung nicht mehr weiß, wie sie über die Runden kommen soll, und dafür verurteile ich sie. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Zu verantworten hat das Ganze Bundeskanzler Nehammer. Die Dringliche Anfrage richtet sich an den Bundeskanzler, nur: Wo ist er? – Er traut sich nicht hierher. Der, der als Generalsekretär 2019 den Wahlkampf und als Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei einen Rechenschaftsbericht zu verantworten hat – bei dem man nur mutmaßen kann, dass das Einzige, das stimmt, das Datum und die Seitennummerierung ist –, traut sich heute nicht hierher, sondern schickt seine Jugendstaatssekretärin vor, um für ihn einzustecken und auszubaden, was er unter seiner Verantwortung aufgeführt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie rückt gleich zur Selbstanklage aus, weil sie zu den Fragen keine Antworten geben kann oder geben will, trotz des Salärs, das die junge Dame kassiert. Also ich habe eher wenig Mitleid mit Ihnen, wenn Sie bei Ihrem Gehalt dazu nicht in der Lage sind. (Rufe bei der ÖVP: Wahnsinn! Also so was! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei, ich wäre auch nervös, wenn jeder Zweite nach den nächsten Wahlen nicht mehr hier sitzt, aber nach dem, was Sie aufführen, haben Sie auch nichts anderes verdient! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn Sie Ihre Jugendstaatssekretärin hierherschicken, damit sie ausbadet, was Ihr Kanzler angerichtet hat, weil er sich nicht hereintraut, dann haben wir wenigstens ver­dient, dass sie Antworten auf die Fragen dieses Parlaments gibt. Wenn sie dazu nicht in der Lage ist, dann ist sie auch hier auf dieser Regierungsbank eine Fehlbesetzung, sehr geehrte Damen und Herren, in aller Deutlichkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Sie rückt dann noch zur Selbstanklage aus und sagt, dass sich die Menschen in diesem Land nichts mehr leisten können – ja, weil Sie als Österreichische Volkspartei in der Bundesregierung gemeinsam mit den Grünen versagen. Uns kann das politisch recht sein, aber die Menschen draußen, die armen Teufel im Land, zahlen drauf, weil Sie es Tag für Tag schlimmer für die Bevölkerung machen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn sich Ihr Parteiobmann nicht hierhertraut, verstehe ich schon, dass das peinlich und ärgerlich für Sie ist. Er ist ja sonst der starke Mann in der Partei, mit dem Abklatschen und mit seinem Habitus, der starke Parteiführer, der Mister 100 Prozent. Dann schickt er seine Frau Kollegin vor, die für ihn all die politischen Schläge für das einsteckt, was er aufgeführt hat. Sie müssen ganz stolz auf Ihren Herrn Nehammer, auf Ihren Herrn 100 Prozent sein, dass er Sie alle hier herinnen so im Stich lässt und ausbaden lässt, was er unter seiner Verantwortung aufgeführt hat. Gratuliere zu so einem Parteiobmann, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Das Problem ist, dass nicht nur die Österreichische Volkspartei Tag für Tag mehr Scha­den nimmt, sondern dass die Österreicherinnen und Österreicher Tag für Tag mehr Schaden nehmen, weil Sie nur noch mit sich selbst beschäftigt sind und sich um die Anliegen der Bevölkerung schon lange nicht mehr kümmern.

Und mittendrin die Grünen (Abg. Jakob Schwarz: Jawohl!): Das ist der Anstand der Grünen, sehr geehrte Damen und Herren, die ganz offensichtlich ein Korruptionsproblem haben – (in Richtung ÖVP weisend) da sitzt es –, aber nicht nur, weil Sie mit der


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Österreichischen Volkspartei gemeinsam koalieren, Sie machen ihnen nicht nur die Mauer, Ihr Vizekanzler war es, der bei den Millionen Euro an Steuergeld, das Sie der ÖVP und den Vorfeldorganisationen überwiesen haben, den Überweisungsknopf ge­drückt hat. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Das ist Ihr Anstand. So gehen Sie mit Milli­onen Euro an Steuergeld um, während die Bevölkerung nicht mehr weiterweiß. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es auch eine Majestätsbeleidigung Ihrem Herrn Bundespräsidenten gegenüber ist: Ja, auch er macht dieser Korruptionsregierung, dieser Versagerregierung seit Jahren die Mauer. Auch das ist nicht mehr tragbar und auch das muss hier offen angesprochen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Schwarz und Grün finden sich da aber, wenn es darum geht, Millionen der Steuerzahler untereinander für die Parteiapparate aufzubauen. Und sie finden sich auch, dass sie Neuwahlen ablehnen – weil sie beide mittlerweile durchschaut haben, dass die Öster­reichische Volkspartei und auch die Grünen für die österreichische Bevölkerung nicht mehr wählbar sind, nach all den Korruptionsskandalen und nach all dem Versagen.

Auch wenn Ihr Kanzler, der Mister 100 Prozent, nicht den Mut aufbringt, herzukommen, sich nicht hierhertraut, sondern das letzte Verteidigungsaufgebot der Österreichischen Volkspartei vorausschickt – Gratulation, wenn das Ihre letzte Verteidigungslinie ist (Zwischenruf des Abg. Zarits) –, darf ich trotzdem einen Misstrauensantrag einbringen – dies deshalb, weil Herr Nehammer, der dieser Debatte ganz sicher über den Handy­bildschirm oder wie und wo auch immer folgt, als Bundeskanzler für diese Republik nicht mehr tragbar ist. Nach all dem, was Sie als Österreichische Volkspartei dem Steuer­zahler und der österreichischen Bevölkerung angetan haben, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sind nicht mehr tragbar für diese Republik! Geben Sie endlich den Weg frei für Neuwahlen, damit der Scherbenhaufen nicht Tag für Tag größer wird und damit die österreichische Bevölkerung endlich wieder aufatmen kann! (Beifall bei der FPÖ.)

16.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

Gem. § 26 iVm § 55 GOG-NR

des Abgeordneten Schnedlitz

und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundeskanzler


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 185

eingebracht in der 162. Sitzung des Nationalrates am 15. Juni 2022 im Zuge der Debatte zur dringlichen Anfrage des Abgeordneten Hafenecker, MA und weiterer Abgeordneter an den Bundeskanzler betreffend die aktuellen ÖVP-Finanzskandale.

Seit der Angelobung der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wird ebendiese in immer kürzeren Abständen mit Skandalen, Personalrochaden und Streit konfrontiert. Insgesamt 14-mal wurden Mitglieder dieser Regierung ausgewechselt – ein einsamer Rekord in der Geschichte der Zweiten Republik. Was den Menschen als „das Beste aus beiden Welten“ verkauft wurde, steht heute vor einem Trümmerhaufen. Versierte Be­obachter sind sich sicher: Das Einzige, was diese Regierung noch zusammenhält, ist die Angst vor Neuwahlen. In den letzten knapp zweieinhalb Jahren hat diese Bundes­regie­rung immer mehr an Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Mehreren aktuellen Um­fragen zufolge kommen die beiden Regierungsparteien in der Sonntagsfrage zusammen nur noch auf rund ein Drittel der Stimmen.

Besonders schwerwiegend ist der Umstand, dass diese Regierung auch bereits drei Bundeskanzler „verbraucht“ hat. Am 6. Oktober 2021 werden die Büroräumlichkeiten des Kabinetts des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz auf Anordnung der Ermitt­lungsbehörden untersucht. Auslöser dafür war das bekannt gewordene „Beinschab-Tool“, mit dem offenbar das Finanzministerium (unter dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid) Umfragen in Auftrag gegeben hat, um damit Stimmung für Sebastian Kurz zu machen. Neben dem damaligen Kanzler selbst sollen auch seine damaligen Presse-Mitarbeiter in dieses abgekartete Spiel involviert gewesen sein. Nur zwei Tage später, am 8. Oktober 2021, kommen die Grünen unter dem Eindruck der Hausdurch­suchung im Bundeskanzleramt zur Auffassung, dass Sebastian Kurz nicht mehr amts­fähig ist. Um die Regierung nicht zu sprengen, dankt Kurz ab und wird durch den dama­ligen Außenminister Schallenberg ersetzt, der wiederum Wochen später Karl Nehammer Platz machen muss, welcher auch den Vorsitz der ÖVP übernimmt.

Mit der letzten Rochade im Kanzleramt ist in dieser Regierung allerdings keine Stabilität eingekehrt. Das Gesundheitsministerium wurde im März 2022 neu besetzt, im Mai 2022 traten die ÖVP-Ministerinnen Schramböck und Köstinger zurück. Gleichzeitig wurde das Kabinett um zwei Staatssekretäre noch vergrößert.

Die Liste der Skandale rund um die ÖVP ging munter weiter. Die Affäre rund um den Personenschutz von Kanzlergattin und „Nehammer-Chefberaterin“ Katharina Nehammer ist bis heute nicht aufgeklärt. Es stehen nach wie vor schwere Vorwürfe im Raum, dass dieser Vorfall vertuscht werden sollte – und zwar von allerhöchster Stelle.

Die Abgründe aus dem aktuellen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ziehen sich ebenfalls wie ein schwarzer Faden durch das ganze Land – und tagtäglich werden es mehr: Inseratenkorruption, Steuerhinterziehung, brutalster Postenschacher und das Lukrieren von Steuergeldern durch dubiose Umgehungskonstruktionen.

Die Akten liefern immer neue erschreckende Einblicke in das "System ÖVP", das auf der langjährigen Kontrolle der drei Säulen Innen-, Justiz- und Finanzministerium fußt. Die aktuelle Rücktrittswelle innerhalb der ÖVP legt nahe, dass gerade in den Bundes­län­derorganisationen der ÖVP einige noch unaufgedeckte Skandale schlummern und sich die Handlungsunfähigkeit der Partei bis in die Länder zieht.

In der Corona-Pandemie hat die ÖVP einen weiteren Versuch unternommen, um die leeren Parteikassen aufzufüllen. Aus dem NPO-Corona-Fonds, der beim Vizekanzler angesiedelt ist, haben sich die schwarzen Seniorenbund-Organisationen in Oberöster­reich und Tirol Förderungen in Millionenhöhe mutmaßlich erschlichen; und auch die Politische Akademie der ÖVP ließ sich rund 400.000 Euro aus diesem Fonds über­weisen. Eine entsprechende Überprüfung durch das Vizekanzleramt wurde in die Wege geleitet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 186

Vorläufiger Höhepunkt der ÖVP-Skandal-Liste ist der in der Vorwoche veröffentlichte Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Jahr 2019, den der damalige Generalsekretär und nunmehrige Bundeskanzler Karl Nehammer zu verantworten hat. Nicht nur, dass dieser insgesamt gleich dreimal eingereicht wurde – es ist der ÖVP auch nicht gelungen, die Fragen der Rechnungshof-Prüfer zu zweifelhaften oder mutmaßlich falschen Anga­ben entsprechend auszuräumen, sodass sich der Rechnungshof veranlasst sah, zur Veröffentlichung des Berichtes am 10. Juni 2021 folgende Presseaussendung mitzu­schicken:

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Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei

(ÖVP) 2019 veröffentlicht

Der Rechnungshof hat am heutigen Tag den Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) 2019 veröffentlicht.

Z U M   A B L A U F   D E S   V E R F A H R E N S

Politische Parteien mussten dem Rechnungshof ihre Rechenschaftsberichte 2019 bis Ende September 2020 übermitteln. Im Verfahren kontrolliert der Rechnungshof dann die Richtigkeit der Angaben – Einblick in die Unterlagen der Parteien kann er dazu aber nicht nehmen. Bei Zweifeln an den Angaben in einem Rechenschaftsbericht ersucht der Rech­nungshof die Partei um Aufklärung. Diese Zweifel können sich aus dem Kontroll­verfahren selbst, aus bekanntgewordenen Umständen oder etwa auch aus Unterlagen, die dem Rechnungshof von dritter Seite übermittelt werden, ergeben. Der Rechnungshof muss sich bei seinem Kontrollverfahren auf die Angaben der Partei verlassen. Bleiben Zweifel an der Richtigkeit des Rechenschaftsberichts bestehen, erfolgen zu diesen Bedenken des Rechnungshofes Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transpa­renz-Senat (UPTS). Dieser entscheidet dann, ob eine Verletzung des Parteiengesetzes tatsächlich vorliegt.

Das Verfahren zur Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019 war außer­gewöhnlich. Die neue Rechtslage ab 9. Juli 2019 – erstmalige Einbeziehung der nicht-territorialen Teilorganisationen – sowie das umfangreiche Bekanntwerden über mutmaß­liche Aktivitäten der Partei hatten direkte Auswirkung auf das Kontrollverfahren. Es machte mehrere Frage-runden an die ÖVP notwendig.

Im Sinne der Transparenz hier eine zeitliche Darstellung des Kontrollverfahrens:

Erstes Ersuchen der ÖVP

um Fristverlängerung für die Abgabe des Rechenschaftsberichts:               28. 09. 2020

Erneutes Ersuchen um Fristverlängerung:                                              28. 10. 2020

Erste Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                                   22. 12. 2020

Erste Aufforderung des Rechnungshofes

an die ÖVP zur Stellungnahme:                                                                                   04. 05. 2021

Zweite Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                                   28. 05. 2021

Stellungnahme der ÖVP zur ersten Aufforderung eingelangt:         28. 05. 2021

Zweite Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                                          06. 10. 2021


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 187

Auskunftsverlangen des Rechnungshofes

an das Bundesministerium für Finanzen betreffend Studien:                          15. 10. 2021

Stellungnahme der ÖVP zur zweiten Aufforderung eingelangt:      06. 12. 2021

Dritte Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                                          25. 01. 2022

Vierte Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                                          18. 02. 2022

Stellungnahme der ÖVP zur vierten Aufforderung eingelangt:         07. 03. 2022

Stellungnahme der ÖVP zur dritten Aufforderung eingelangt:         23. 03. 2022

Mitteilung der ÖVP an den Rechnungshof, dass eine dritte

Fassung des Rechenschaftsberichts 2019 übermittelt wird:                            23. 03. 2022

Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP, die angekündigte

dritte Fassung des Rechenschaftsberichts auch zu übermitteln:    26. 04. 2022

Abänderung der Stellungnahme zur dritten Aufforderung

durch die ÖVP:                                                                                                                   28. 04. 2022

Dritte Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                                   29. 04. 2022

Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

durch den Rechnungshof:                                                                                              10. 06. 2022

Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Wahlkampfkosten:

EU-Wahl (26. Mai 2019):                                                                                 6.915.401,37 Euro

Nationalratswahl (29. September 2019):                                                  5.602.512,40 Euro

Spenden über das gesamte Jahr:                                                 2.115.512,19 Euro

Die ÖVP erklärt im Rechenschaftsbericht 2019, die Wahlkampfkosten-Obergrenze für die Nationalratswahl (7 Millionen Euro) eingehalten zu haben. Für den Rechnungshof ergibt sich dazu zusammengefasst folgendes Bild:

•             Der Oberste Gerichtshof (OGH) hält in einer Entscheidung fest, dass er nicht widerspricht, wenn Gerichte die Behauptung zulassen, dass Wahlkampfkosten nicht als solche verbucht worden seien.

•             Dem Rechnungshof wurden von unbekannter dritter Seite Unterlagen zu den Wahlkampfkosten übermittelt. Der Rechnungshof schätzt diese Unterlagen, die Inhalte und Zahlen aus der Buchhaltung der ÖVP enthalten, als authentisch ein. Die Dokumente lassen die Angaben, die Wahlkampfkosten-Obergrenze wurde eingehalten, zweifelhaft erscheinen.

•             Es ist mit der politischen Lebenswirklichkeit für den Rechnungshof schwer in Einklang zu bringen, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl.

Die ÖVP konnte in ihren Stellungnahmen an den Rechnungshof die Bedenken nicht aus­räumen. Die Unterlagen, die der Rechnungshof von dritter Seite erhielt, können wohl ein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 188

internes Dokument für eine Planung sein, so die ÖVP. Konkrete Fragen des Rech­nungshofes zu diesen Unterlagen beantwortete die ÖVP aber teilweise nicht (etwa, warum bestimmte Kosten laut dieser Unterlagen nicht in die Kosten für den Wahlkampf eingerechnet wurden).

Der Rechnungshof sieht in der Zusammenschau genügend Anhaltspunkte für eine Mit­teilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS), dass ein Verstoß gegen das Parteiengesetz (Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze) vorliegt.

Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat hat im Sommer 2021 allerdings erstmals Folgendes zu Zahlenangaben in einem Rechenschaftsbericht entschieden (GZ 2021-0.394.557): Selbst wenn der UPTS dem Rechnungshof zustimmt, dass er zutreffend konkrete Anhaltspunkte für unrichtige Zahlenangaben in einem Rechenschaftsbericht hat und selbst wenn der UPTS ebenfalls zustimmt, dass die Partei Zweifel nicht aus­räumen konnte, muss der Rechnungshof dennoch vorher eine Wirtschaftsprüferin bezie­hungs- weise einen Wirtschaftsprüfer beauftragen, der im Auftrag des Rechnungshofes diese Zahlenangaben der Partei prüft. Erst danach kann der Rechnungshof eine Mittei­lung an den UPTS erstatten.

Der Rechnungshof setzt daher – der Entscheidung des UPTS vom 12. Juli 2021 folgend – erstmals eine Wirtschaftsprüferin beziehungsweise einen Wirtschaftsprüfer ein, die oder der den Auftrag erhält, die Angaben der ÖVP zu den Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl zu prüfen. Die ÖVP hat vollen Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege zu gewähren.

Das Gesetz sieht vor, dass der Rechnungshof die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nunmehr um die Erstellung einer Liste mit in Frage kommenden Wirt­schaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfern ersucht. Danach entscheidet der Rechnungs­hof durch Los, wer aus dieser Liste beauftragt wird. Die Kosten für dieses Verfahren sind aus den Budgetmitteln des Rechnungshofes zu tragen.

Zu folgenden Punkten erfolgen direkt Mitteilungen des Rechnungshofes an den Unab­hängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS):

•             Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen

Im Zusammenhang mit der bekanntgewordenen Verdachtslage, Meinungsumfragen im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen wären parteipolitisch und zugunsten der ÖVP durchgeführt worden, ersuchte der Rechnungshof das Finanzministerium um Infor­mationen, ob beziehungsweise welche Umfragen im Jahr 2019 beauftragt wurden.

Eine Auswertung des Rechnungshofes ergab Folgendes:

Bei zwei Umfragen, die unmittelbar vor der EU-Wahl 2019 durchgeführt wurden, sind die Kosten pro Fragestellung ohne ersichtlichen Grund in einem Vergleich zu den anderen Studien in diesem Jahr einmal 50 Prozent und einmal 100 Prozent höher.

Der Rechnungshof sieht – vor dem Hintergrund des Gesamteindrucks – darin einen Anhaltspunkt dafür, dass es im Zusammenhang mit diesen beiden Umfragen zu unzulässigen Spenden in der Höhe von zumindest 26.208 Euro zugunsten der ÖVP gekommen sein könnte.

•             Österreichischer Seniorenbund

Der Rechnungshof hatte bereits bei seiner Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2016 Bedenken, dass im Zusammenhang mit dem Österreichischen Senio­ren­bundeine Verletzung des Parteiengesetzes vorliegenkönnte und erstattete deshalb eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS). Konkret ging es darum, dass der Seniorenbund Wolkersdorf eine Spende der Stadtgemeinde Wolkersdorf


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erhalten hat. Der Rechnungshof war der Ansicht, dass der Seniorenbund Wolkersdorf der ÖVP zuzurechnen ist (und nicht etwa ein gleichnamiger Verein ist, der keine Ver­bindung zur ÖVP hat). Daher sei eine Spende einer Gemeinde an den Seniorenbund unzulässig. 2018 bestätigte der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) die­se Annahme des Rechnungshofes. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diesbe­züglich den Verstoß gegen das Parteiengesetz, ging jedoch nicht auf die Grundsatzfrage ein.

Nach umfangreichen Recherchen im Zuge des Kontrollverfahrens für den Rechen­schaftsbericht 2019 vertritt der Rechnungshof die Ansicht, dass jedenfalls für das Jahr 2019 die Vereine „Österreichischer Seniorenbund“ der Teilorganisation der ÖVP zuzu­rechnen sind.

So beschreibt sich der Seniorenbund selbst noch in von ihm veröffentlichten Presse­unterlagen im Juni 2021 mit: „Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Inter­essensvertretung in einem.“

Dazu kommen oftmals deckungsgleiche Vereinssitze (ident am Ort der Bundes- bezie­hungsweise der jeweiligen Landespartei), die Präsentation der Vereine des Senioren­bundes im Internet (weitgehend unklar, ob von einem Verein oder von der Teilorgani­sation die Rede ist), sowie die Formulierungen in den Beitrittserklärungen (in Oberöster­reich findet damit etwa ein Beitritt zur Teilorganisation statt).

Der Rechenschaftsbericht der ÖVP 2019 ist nach Auffassung des Rechnungshofes vor diesem Hintergrund unrichtig und unvollständig, weil bei der Teilorganisation „Öster­reichischer Seniorenbund“ sämtliche Einnahmen und Ausgaben aus den Vereinen „Österreichischer Seniorenbund“ fehlen.

Die ÖVP bestreitet in ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof, dass die Vereine Seniorenbund Teil der Partei seien. Sie seien auch keine nahestehenden Organi­sa­tionen. Es gebe grundsätzliche Unterschiede hinsichtlich Rechtsform, Organisation, Gebarung und Rechnungswesen.

Selbst für den Fall, dass die Vereine nicht der Teilorganisation zugerechnet werden, liegt nach Ansicht des Rechnungshofes ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vor:

Die ÖVP gibt Einnahmen aus „Mitgliedsbeiträgen“ für die Teilorganisation Seniorenbund von 896.448,04 Euro an. In ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof führt die ÖVP jedoch selbst aus, dass in (nur) drei Bundesländern zwischen 5 und 12 Prozent des von den Vereinen eingehobenen Mitgliedsbeitrags pro Mitglied an die Teilorganisation weitergeleitet werden. In Niederösterreich funktioniere es umgekehrt: Hier behalte die Teilorganisation Seniorenbund 5 bis 12 Prozent ein und leite die verbleibenden Mitgliedsbeiträge an den Verein Seniorenbund weiter. All dies ergibt nach Berechnungen des Rechnungshofes einen Betrag von maximal 342.204 Euro. Eine Erklärung für die erhebliche Abweichung zu den ausgewiesenen „Mitgliedsbeiträgen“ für die Teilorgani­sation Seniorenbund gab die ÖVP nicht. Der Rechnungshof sieht Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben.

Überdies recherchierte der Rechnungshof inseratenähnliche Einschaltungen im Jahr 2019 in Medien, deren Medieninhaber oder Herausgeber der Verein Österreichischer Seniorenbund war. Der Rechnungshof qualifiziert dies als Wahlwerbung zugunsten der ÖVP, die in der Spendenliste aufscheinen muss. Dies aber ist nicht der Fall.

Abschließend zu diesem Thema folgender Hinweis: Diese Mitteilung an den Unab­hängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) erfolgt unabhängig von den jüngst be­kanntgewordenen Umständen zu Förderungen aus Corona-Hilfen. Diese werden im Kontrollverfahren für den Rechenschaftsbericht der ÖVP 2020 beziehungsweise 2021 eine Rolle spielen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 190

•             Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“

Der Wirtschaftsbund Landesgruppe Vorarlberg – und somit eine Teilorganisation der ÖVP – war zumindest im Jahr 2019 Medieninhaber des Magazins „Vorarlberger Wirt­schaft“.

Die Zeitung erschien im Jahr 2019 neun Mal. Sie enthielt zwischen 47 Prozent und 82 Prozent Inserate – ein im Vergleich zu anderen Printmedien durchaus hoher Anteil. Laut Tarif zuzüglich 5 Prozent Werbeabgabe und 20 Prozent Umsatzsteuer betrug dafür der Inseratenpreis zusammengefasst über 1.600.000 Euro.

Berechnungen und Vergleiche des Rechnungshofes mit den Inseratentarifen eines in Aufmachung, Umfang und Druckqualität ähnlichen Blattes („Gemeindeblatt für die Lan­deshauptstatt Bregenz sowie für die Gemeinden des Bezirks Bregenz“) ergeben fol­gendes Bild:

Selbst wenn man einräumt, dass das Gemeindeblatt eine niedrigere Auflage hat, bleibt für den Rechnungshof zweifelhaft, wie sich der Anzeigenpreis von über 1.600.000 Euro beim Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ darstellen lässt. Die entsprechende Anzahl an gleichartigen Inseraten würde beim Gemeindeblatt insgesamt nämlich nur rund 268.000 Euro kosten.

Der Rechnungshof vertritt somit die Auffassung, die Differenz, nämlich rund 1.332.000 Euro, sei im Sinne des Parteiengesetzes als Spende zu qualifizieren. In diesem Betrag sind unzulässige Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und von Unter­nehmungen mit mindestens 25 Prozent öffentlicher Beteiligung in der Höhe von rund 232.000 Euro enthalten. Naturgemäß wird auch die ab 9. Juli 2019 geltende Spendenobergrenze von 7.500 Euro je Spenderin oder Spender zu beachten sein.

•             Ausweis von Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes an die Vorarlberger Volkspartei

Im Rechenschaftsbericht 2019 der ÖVP ist unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ein Betrag von 500.000 Euro vermerkt.

Die ÖVP teilte dem Rechnungshof auf entsprechende Fragen mit, dass es sich dabei um eine Zahlung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes aufgrund parteiinterner Verpflich­tungen handle.

Es sind jedoch – auch aufgrund einer Finanzprüfung – Umstände bekanntgeworden, die nahelegen, dass es abseits dieser „parteiinternenVerpflichtung“ weitere Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes im Jahr 2019 an die Vorarlberger Volkspartei gegeben hat, wie etwa Übernahme von Kosten für Veranstaltungen mit ÖVP-Politikerinnen und ÖVP-Politikern. Dies zeige sich aus den Unterlagen im Zuge der Finanzprüfung.

Dazu findet sich jedoch unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ nichts. Für den Rechnungshof ergeben sich daraus Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben.

•             „Niederösterreich Zeitung“

Die „Niederösterreich Zeitung“ erschien im Jahr 2019 ein Mal, und zwar im Mai 2019, im Vorfeld der EU-Wahl. Medieninhaber war die INNOVA Verlag GmbH. Herausgeber war die Volkspartei Niederösterreich.

Der Rechnungshof sieht auf mehreren Seiten dieser Ausgabe eindeutige Wahlwerbung für zwei ÖVP-Kandidaten und für die Partei.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 191

Der Rechnungshof sieht Gratis-Werbung (inseratenähnliche Beiträge) zugunsten einer Partei oder ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten als Spende im Sinne des Parteien­gesetzes.

Die ÖVP meint dazu gegenüber dem Rechnungshof, dass die Bewertung solch einer Berichterstattung als Spende eine unzumutbare Einschränkung des verfassungs­recht­lich geschützten Rechts auf freie Meinungsäußerung ist.

Legt man den gängigen Inseratentarif für die „Niederösterreich Zeitung“ zugrunde und addiert dazu anteilig die Produktions- sowie Versandkosten, kommt der Rechnungshof auf eine Summe von rund 64.000 Euro, die als Spende ausgewiesen (und sofort gemeldet) hätte werden müssen.

Zusammengefasst erfolgen weitere Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) betreffend:

•             mögliche unzulässige Spende im Zusammenhang mit dem Steirischen Bau­ernbundball (Werbung für den Bauernbundball aus öffentlichen Mitteln des Land­wirt­schaftsministeriums in der Höhe von 43.200 Euro)

•             Spenden von IGO Industries GmbH und Heide Margarethe Goëss-Horten (Frage des Zeitpunkts der Spenden und allfällige unverzügliche Meldepflicht)

•             möglicherweise fehlender Ausweis von Spenden: Inserate im „NÖGemeinde-Fachjournal für Gemeindepolitik“ (Medieninhaber: Österreichischer Kommunal-Verlag GmbH) als Wahlwerbung zugunsten der ÖVP (und damit als auszuweisende Spenden in der Höhe von rund 29.000 Euro)

•             unklarer Ausweis der Kärntner Volkspartei betreffend Kreditaufnahme und der Kreditrückzahlungen (unterschiedliche Angaben in der zweiten Fassung und der dritten Fassung des eingereichten Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019)

•             vermutete, teilweise unrichtige Zuordnung von Mitgliedsbeiträgen (Mitglieds­bei­träge des Wirtschaftsbundes fallweise als Mitgliedsbeitrag, fallweise als „Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ausgewiesen)

•             möglicher unrichtiger Ausweis der Vorarlberger Volkspartei betreffend einen Betrag von 175.422,85 Euro, der in dem im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 50/2020 veröffentlichten Rechenschaftsbericht der ÖVP Vorarlberg unter „Zahlungen an nahestehende Organisationen“, in dem Rechnungshof über-mittelten Rechenschafts­bericht allerdings unter „Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ausgewiesen ist

Auffälligkeiten im Kontrollverfahren:

Der Rechnungshof macht auf zwei Punkte aufmerksam, die auffällig sind (allerdings aufgrund seiner derzeit bestehenden Möglichkeiten nicht hinreichend für eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat aufbereitet werden können):

•             Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers durch das Bundeskanz­ler­amt

Der Rechnungshof nahm Berichte und eine parlamentarische Anfrage zum Anlass, die Partei zur Stellungnahme aufzufordern, wie es sich mit den Kosten für die Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers verhält. Das Bundeskanzleramt, so die Be­antwortung der parlamentarischen Anfrage, betreibe einen BKA-Account und betreue außerdem den „persönlichen Twitter-Account des Bundeskanzlers“. Die ÖVP teilte dem Rechnungshof mit, dass im Jahr 2019 der Medieninhaber des persönlichen Twitter-Accounts des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz die ÖVP gewesen sei. Der Account sei ausschließlich von der Partei betreut worden. Soweit Leistungen bezie­hungsweise Services des Bundeskanzleramts dafür verwendet worden seien(etwa Videos


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 192

oder Fotos) wären diese allen Medien (Fotoservice des Bundeskanzleramtes) zur Ver­fügung gestanden.

In diesem Zusammenhang wird der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern“ auf seinen Prüfplan setzen.

•             Niederösterreichischer Gemeindebund

Die ÖVP Niederösterreich erhielt laut Rechenschaftsbericht 2019 einen Betrag von 3.030.431,51 Euro aus „Zahlungen von nahestehenden Organisationen“.

Laut dem Rechnungshof vorliegenden Informationen dürfte darunter der „Niederöster­reichische Gemeindebund“ sein. Für jede ÖVP-Gemeindemandatarin beziehungsweise für jeden ÖVP-Gemeindemandatar bezahlt die jeweilige Gemeinde einen Beitrag an den „Niederösterreichischen Gemeindebund“. Zumindest einen Teil davon erhält die Nieder­österreichische Volkspartei nämlich dafür, dass sie Schulungen für die Gemeinde­verteterinnen und -vertreter ermöglicht, Räumlichkeiten zur Verfügung stellt etc.. Recherchen des Rechnungshofes – unter anderem Inhalte aus einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten – legen nahe, dass für die Schulung („Weiterbildung und Schulung der Gemeindemandatare aus Gemeindemitteln“) der niederöster­reichi­schen ÖVP-Gemeinderäte 2019 ein Anteil von rund zwei Millionen Euro vorgesehen war, der aus Gemeindemitteln ausbezahlt wurde.

In diesem Zusammenhang wird der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Öffentliche Schulungsgelder für Gemeindemandatare in Niederösterreich“ auf seinen Prüfplan setzen.

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Österreich braucht in politisch herausfordernden Zeiten (Teuerung, Corona, Ukraine) eine Bundesregierung, die mit voller Kraft und ohne parteipolitische Ablenkungen und Einschränkungen für die Menschen in unserem Land arbeitet. Die in erster Linie rund um die ÖVP aufgetretenen und wohl auch in Zukunft auftretenden Korruptions- und Machtmissbrauchsvorwürfe sind keinesfalls geeignet, der aktuellen österreichischen Bundesregierung diese notwendige Stabilität zu geben. Welche Rolle dem von Journalist Martin Thür aufgedeckten Netzwerk von knapp 900 Vereinen im „Parteiumfeld“ der ÖVP zukommt, wird aufzuklären sein.1

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundeskanzler wird gemäß Art. 74 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

1  https://twitter.com/MartinThuer/status/1535972874502168576?cxt=HHwWgICzlaDM79AqAAAA 

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordnete Tomaselli zu Wort ge­meldet. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 193

16.41.42

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Abgeordneter Schnedlitz! Sie haben gerade gesagt, dass Herr Vizekanzler Kogler „Millionen Euro an Steuergeld [...] der ÖVP und den Vorfeldorganisationen überwiesen“ beziehungsweise „den Überweisungsknopf gedrückt hat.“ – Das ist falsch. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf. – Abg. Belakowitsch: Er hat Sie drücken lassen!) – Bitte hören Sie mir zu! Bitte nicht aufgeregt dreinschreien! Einfach zuhören, Herr Kollege Graf!

Ich berichtige tatsächlich: Die Förderabwicklung ist ausgelagert im AWS, im Austria Wirtschaftsservice. Dort sind Formulare der Förderungsantragsteller eingelangt. Im Fall des Seniorenbunds ist angeführt worden, dass man eben keine Partei ist. Deshalb sind die Gelder ausbezahlt worden. (Abg. Lausch: Oje, oje, ...! – Zwischenrufe der Abge­ordneten Steger und Martin Graf.)

Zur Frage, ob das rechtens war oder nicht, haben Sie gestern gehört, Vizekanzler Kogler hat versprochen, er werde das Ganze prüfen lassen. Falls die Zahlung unrechtmäßig erfolgt ist, wird eine Rückforderung eingeleitet. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Martin Graf: ... hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Egger. – Bitte.


16.42.57

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und via Livestream! (Abg. Belakowitsch: Es gibt noch Fern­sehgeräte! Die haben Sie vergessen!) Herr Klubobmann Leichtfried hat vorhin von einer Farce gesprochen. So ist es, aber wissen Sie, was wirklich eine Farce ist? – Wie man mit einer jungen Staatssekretärin umgeht, mit welcher Respektlosigkeit dieses Hohe Haus ihr gegenübertritt! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Zu Recht! – Zwi­schenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Matznetter: Das ist unerträglich, ...!)

Herr Klubobmann, dass die SPÖ-Herren dem durchaus nicht abgeneigt sind, verstehe ich. Was mich aber wirklich nachdenklich stimmt (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Ist die ÖVP!), ist, dass die SPÖ-Frauen mitbrüllen und mitklatschen. Das stimmt mich wirklich nachdenklich und ist dieses Hauses nicht würdig. (Beifall bei der ÖVP.)

Was ist das Problem? (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Die ÖVP ist das Problem!) Jung? Frau? Junge Frau? Wir haben eine großartige Staatssekretärin, die das ausgezeichnet macht, und daher kann man ihr den notwendigen Respekt entgegenbringen. Ganz ein­fach, unemotional, ganz einfach. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das überfordert sie jetzt!)

Zum Antragsteller Hafenecker: Er hat gestern schon geübt, heute hat er noch einmal das Gleiche gebracht, und ich bin überzeugt davon, dass er nächste Woche im U-Ausschuss noch einmal das Gleiche sagen wird. Das ist ziemlich einfach, da braucht man die Redeunterlage nicht zu wechseln, aber wenn man es wiederholt – und ich habe es gestern schon gesagt –, wird es nicht besser. Es wird nicht besser. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ich verstehe schon insgesamt die Aufregungen bei den Oppositionsparteien. Es ist ganz einfach, auf andere hinzuzeigen, ohne sich selbst in der eigenen Organisation gewisse Fragen zu stellen. Herr Generalsekretär Hoyos hat davon gesprochen, welche Verant­wortung er hat. Die NEOS wussten sehr genau, dass mit 1.7., Anfang Juli 2019, ein neues Parteiengesetz in Kraft tritt. Was ist davor passiert? – Eine oder mehrere Spenden


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von Haselsteiner in der Höhe von 400 000 Euro. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Und? Auf unserer Website ist alles ...! Alles deklariert!) Es war eine Spende, alles deklariert, das ist gut so. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Was passiert, nachdem man die Spenden für die Parteien verboten hat? – Man spen­det an die NEOS-Parteiakademie, 100 000 Euro. Das ist kein Problem. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Das ist der Unterschied! Das ist gesetzlich gedeckt! – Abg. Belakowitsch: Ist alles transparent!) – Nein, ist eh okay. Die Menschen sollen das ja auch wissen. Es ist ja gut so, passt eh alles. (Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Alles okay, Sie brauchen sich nicht so aufzuregen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Ich rege mich nicht auf!) – Anscheinend doch.

Im Gegensatz zu den ÖVP-Bünden gibt es andere Teilgliederungen einer Partei wie zum Beispiel die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter – oder Sozialdemokratischer Ge­werkschafter, Entschuldigung –, die natürlich nichts mit der Partei zu tun haben. Die haben Sozialdemokratie im Namen, aber haben natürlich nichts mit der Partei zu tun. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Tomaselli: Wie bei eurer FCG halt!)

Die Vertreter der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter sitzen zufällig im SPÖ-Parlamentsklub, haben aber nichts mit der Partei zu tun. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Es ist wirklich erbärmlich, ...!) Ich könnte mir aber schon vorstellen, warum sie keine Partei sein wollen; nämlich deswegen, weil man sich nicht den Transparenzregeln des Parteiengesetzes unterwerfen will, weil man nicht vom Rechnungshof geprüft werden will. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Die Aufregung ist groß, ich kann das nachvollziehen. Sie können das aber gerne ändern, wenn das so super ist. Sie werden das schaffen, ich vertraue Ihnen. (Abg. Loacker: Tuts ihr einmal zu eurem Dreck was sagen, ned zu anderen!)

Es kann nicht sein, dass immer nur mit dem Finger woanders hingezeigt wird, ohne es in den eigenen Reihen sauber zu machen. Sie können noch so viel hineinschreien, es wird nicht besser.

In diesem Sinne: Eigene Haustür! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann schick ich den Egger!)

16.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.


16.48.28

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, jetzt ist schon wieder etwas passiert. Ein Skandal der ÖVP jagt den nächsten. Es ist fast wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“, nur, dass dieser Film lustig ist. Ich meine, Ihre Skandale wären auch unterhaltsam, wären sie nicht so traurig. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was man sagen muss, ist nämlich, dass die Partei, die ÖVP, die es nicht schafft, einen korrekten Finanzbericht an den Rechnungshof zu schicken, seit Jahren für das Finanz­ministerium, für unser aller Steuergeld zuständig ist, sehr geehrte ZuschauerInnen auch zu Hause.

Selbst der unabhängige Rechnungshof glaubt nicht mehr daran, dass eben diese ÖVP-Rechenschaftsberichte korrekt sind, und schickt jetzt den Wirtschaftsprüfer. Das hat es überhaupt noch nie gegeben, das ist ein erneuter historischer Tiefschlag. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.) Da jagt ja einer den nächsten. Wenn ich jetzt anfange, aufzuzählen, werde ich gar nicht mehr fertig.


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Was wir in dieser Regierungsperiode schon alles hatten! Dass das erste Mal gegen den amtierenden Kanzler ermittelt wird – ÖVP-Kanzler, muss man dazusagen –; dass es zum ersten Mal Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt und auch im Finanz­ministerium gibt; dass zum ersten Mal der Bundespräsident einen Minister de facto dazu zwingen muss, seine Arbeit zu machen, weil er sich weigert, dem Untersuchungs­ausschuss Akten zu schicken, und die Aufklärung verhindert – auch historisch einmalig –; dass zum ersten Mal mit Steuergeld aus dem Finanzministerium de facto Parteiumfragen finanziert worden sind – unser Steuergeld für Parteizwecke, auch historisch einmalig!

Die Liste geht weiter und weiter und weiter: So sind jetzt in Vorarlberg wahrscheinlich ebenfalls Millionen Euro nicht rechtmäßig versteuert worden, sondern in die Taschen der ÖVP gewandert. Ja, Wirtschaftspartei: In die eigenen Taschen wirtschaften Sie mit unse­rem Steuergeld! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sich jetzt ÖVP-Organisationen auch noch aus einem Topf für Coronagelder für Organisationen bereichern (Zwischenruf des Abg. Höfinger), dann versteht das nie­mand mehr. (Abg. Ottenschläger: Hätten wir das Hotel zusperren sollen und die Leute auf die Straße setzen?) Während auf der einen Seite die Menschen nicht mehr wissen, wie sie sich die Energie und die Mieten und so weiter leisten können, bereichern Sie sich in Millionenhöhe! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ottenschläger: Hätten wir das Hotel zusperren sollen? Wollen Sie, dass die Leute auf der Straße sitzen? Gratuliere, SPÖ!)

Es geht weiter und weiter, und ich habe deswegen auch etwas mitgebracht, denn ich will letztlich auf zwei Punkte hinweisen, dass die in dieser Debatte nicht untergehen.

Erstens: Das ist alles schon lange kein Einzelfall mehr, das hat System in der ÖVP. Sie sagen dann immer, Sie haben auch jetzt wieder erklärt: Nein, das ist alles gar nicht so, da gibt es immer Ausreden und Hin und Her. (Beifall bei der SPÖ.) Allein von den letzten Finanzministern wird gegen fünf ermittelt. Was heißt da Einzelfall? Ich habe etwas mitgebracht: die Truppe der ÖVP. (Die Rednerin hält eine Tafel in die Höhe, auf der Sebastian Kurz, Gernot Blümel, August Wöginger, Thomas Schmid und weitere Per­sonen abgebildet sind.) All das sind Personen, die entweder Mandatare, Mandatarinnen oder MitarbeiterInnen der ÖVP sind, gegen die gerade ermittelt wird (Ruf bei der FPÖ: Grauslich!) – und ehrlich, wir waren froh, dass alle auf das Plakat gepasst haben, denn wenn es so weitergeht, brauchen wir demnächst ein 16-Bogen-Plakat, weil die Truppe oder die Familie, wie es Thomas Schmid genannt hat, so groß ist. (Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin lässt die Tafel wieder sinken. – Abg. Kickl: Das muss man länger halten!)

Ich habe mir aufgeschrieben, weswegen denn da überall ermittelt wird: wegen Amts­missbrauchs, Verdachts der Anstiftung zum Amtsmissbrauch, Untreue, unerlaubter Vorteilsnahme, Falschaussage, Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses. (Abg. Gahr: Alles eingestellt!) Die Liste ist unglaublich lang, übrigens ist auch der Herr Natio­nalratspräsident mit drauf, der sieht da aber auch überall kein Problem – also Einzelfall ist schon lange vorbei!

Der zweite Punkt, den man in dieser Geschichte betonen muss, vor allem für die Zu­schauerinnen und Zuschauer, ist eigentlich der zentralste: Für wen wird da Politik gemacht? – Erstens: für die ÖVP, für die eigenen Taschen, das haben wir schon gehört; aber zweitens: für die befreundeten Sponsoren und Sponsorinnen natürlich. Jetzt prüft eben auch der Rechnungshof, ob da alle Spenden, alle Sponsorings korrekt gemeldet wurden und so weiter. Na, wessen Sponsoring wird denn das sein? Geht es da um das Sponsoring der alleinerziehenden Bürokauffrau, der am Ende des Monats so viel überbleibt, dass sie sich denkt, sie spendet es jetzt an die ÖVP? (Heiterkeit bei Abge­ordneten der SPÖ.) 30 Prozent der Menschen müssen gerade Schulden machen, um


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sich das Leben leisten zu können. Nein, da geht es um die Sponsorings der befreun­deten Millionäre, Millionärinnen, der Erben und Erbinnen, der befreundeten Unternehmen und so weiter – und die erwarten sich natürlich etwas im Gegenzug für diese Spende.

Das ist ja der demokratiepolitische Skandal an dieser ganzen Geschichte: wenn gegen Spende dann Politik gemacht wird, wenn in der Politik auf einmal der entscheidet, der das dickste Geldbörsl hat! Wir können das durch den Untersuchungsausschuss auch mittlerweile schon klar sagen, wir können belegen, dass in der Republik eine Spende geflossen ist und danach für den Sponsor Politik gemacht wurde. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist ja das Problem!

Damit komme ich schon zum Abschluss: Deshalb muss die ÖVP ganz klar in Opposition geschickt werden, und immer mehr Menschen begreifen das auch, weil niemand will, dass so mit dem eigenen Steuergeld umgegangen wird. Da haben wir uns etwas Bes­seres verdient. – Vielen Dank. (Die Rednerin stellt die Tafel erneut auf das Rednerpult. – Anhaltender Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

16.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Tun Sie das bitte runter! (Die Tafel wird von einer Bediensteten der Parlamentsdirektion entfernt. – Unruhe im Saal.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Ruhe, der Anstand spricht!)


16.54.34

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Was wir heute hier besprechen, ist ein absolut wichtiges Thema. In dieser Anfrage wurde mittlerweile schon mehrfach eine lange Liste an Anschul­digungen vorgetragen, und natürlich ist es notwendig, sich damit auseinanderzusetzen und das auch im Detail zu prüfen, keine Frage! Alles das, was hier schon ausgeführt wurde, zeigt ja, wie wichtig und wie dringend die Durchführung von Reformen bei der Parteienfinanzierung und im Bereich Transparenz und Kontrolle ist. (Beifall bei den Grünen.)

Vergessen wir aber auch nicht, wie es dazu gekommen ist, zu dieser Dringlichkeit, dass da so dringend etwas geändert und verbessert werden muss! (Ruf bei der SPÖ: Sehr bemüht!) Wir haben das ja damals im Regierungsprogramm nicht aufgrund dieser Vor­fälle vereinbart.

Wir haben es im Regierungsprogramm deshalb drinnen, weil es vorher schon derartige Vorfälle gab (Abg. Schnedlitz: Deshalb lasst die Personenkomitees und die Spen­denmöglichkeiten ...!), und da möchte ich nur sagen, Herr Kollege Hafenecker: Die Stichworte Glashaus, Steine, könnten sich vielleicht ein bissel gefährlich auswirken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: ... Chorherr erzählen! Chorherr! Der war ein grüner Politiker! Chorherr!)

Was auch schon erwähnt wurde: Es gibt eine Reihe von Verurteilungen vor dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat gegen Ihre Partei, gegen die FPÖ. Ich möchte sie nur kurz skizzieren, zum Beispiel: Nichtausweisung von Spenden im Rechen­schaftsbericht, Strafe 15 000 Euro; unzulässige Spende Innenministerium an die Partei; Facebook-Posting Kickl, Strafe 500 Euro (Abg. Kickl: Wahnsinn! – Oh-Rufe bei der FPÖ); unzulässige Spenden vom Parlamentsklub an die Partei (Abg. Belakowitsch: Das habt ihr auch gehabt!), Strafe 185 000 Euro; unzulässige Spende von der Partei­akademie an die Partei, Strafe 103 000 Euro; fehlende Ausweisung von Inseraten­ein­nahmen (Zwischenruf des Abg. Deimek); Überschreitung der Wahlkampfkosten­ober­grenze


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bei der Nationalratswahl 2017; Nichtausweisung einer Spende im Rechenschaftsbericht. Erkennen Sie ein Muster? (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich freue mich nicht darüber, dass das bei Ihnen auch so war, keinesfalls, natürlich nicht, ganz im Gegenteil. (Abg. Deimek: Aber die Frau Maurer ...!) Es zeigt nur einfach auf, wie tief und wie dringend das Bedürfnis ist, dass man endlich klare Verhältnisse schafft. (Beifall bei den Grünen.)

Sich jetzt hierherzustellen, das alles mit dem Argument beiseitezuschieben, das sei ja schon so lange her, und jetzt die große Aufdecker- und Transparenz- und Sauber­keits­partei zu spielen, finde ich schon sehr gewagt, muss ich wirklich sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Sie schützen die Korruption in der Republik, Sie sind verantwortlich!)

Natürlich, keine Frage, es ist total wichtig, sich diese Causa Seniorenbund auch gut anzuschauen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: ... 200 Millionen Euro!) Das ist keine Frage, denn es geht da um ein Projekt, das auch mir sehr wichtig ist, es geht um den NPO-Fonds (Ruf bei der FPÖ: Ihr werdet wieder aus dem Parlament fliegen!), und der NPO-Fonds, das muss man auch sagen, ist ein absolutes Erfolgsprojekt, auch deshalb, weil er bestimmte Voraussetzungen für die Auszahlung hat, und zwar geht es darum, dass zuerst eine automatische Vorprüfung gemacht wird – Abgleich Finanzamt, Ver­einsregister –, ob Gemeinnützigkeit vorliegt. Und wenn diese Vorprüfung positiv ist und ein paar andere formale Voraussetzungen gegeben sind, dann gibt es eine rasche Aus­zahlung – und diese rasche Auszahlung war so extrem wichtig dafür, dass ganz, ganz viele gemeinnützige Vereine und Organisationen jetzt überhaupt noch existieren. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Das darf man nicht vergessen. Dafür ist dieser Modus geschaffen worden (Ruf: Früher wird nicht geprüft!), und dazu gehört natürlich die nachprüfende Kontrolle. Die nach­prüfende Kontrolle erfolgt logischerweise nach der Auszahlung, und zwar sehr, sehr genau, und das wird auch da jetzt gemacht. Der Herr Vizekanzler hat gestern ganz deut­lich ausgeführt, wie es genau funktioniert: Auf diese Art und Weise, wie diese Vereine kon­trolliert werden, werden jetzt auch diese Vereine geprüft, die zufällig den gleichen Namen wie Teilorganisationen der ÖVP haben. Die werden ganz genau geprüft, und zwar geht es darum, dass die Prüfung auch wiederum anhand einer Einschätzung des Unab­hängigen Parteien-Transparenz-Senates erfolgt, und wenn sich herausstellt, dass diese Vereine in ihrer Rechtsnatur keine gemeinnützigen Vereine, sondern tat­sächlich wie Par­teien zu betrachten sind, dann ist die Konsequenz, dass diese Zahlun­gen zurückge­for­dert werden müssen. (Beifall bei den Grünen.) Das ist eine Tatsache. So funktioniert dieser Mechanismus. So funktioniert der Fonds, und das ist gut und richtig so. Im Moment läuft ganz genau dieses Verfahren. Es läuft, und wir werden das Ergebnis sehen.

Das Ergebnis, das wir dann haben werden, wird entweder Rückzahlung oder eben nicht lauten. (Abg. Lausch: Das ist das Finanzielle! Was macht ihr politisch daraus?) Dazu muss ich schon noch einmal anmerken – ich habe es hier gestern schon gesagt und ich sage es sehr gerne an jeder Stelle und immer wieder –: Selbst wenn sich herausstellt, dass diese Zahlungen gerade noch rechtmäßig gewesen sein sollten, war diese Be­antragung definitiv nicht anständig. (Beifall bei den Grünen.)

17.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


17.00.43

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Als einer meiner Vorredner, nämlich Kurt Egger, der Generalsekretär vom Wirtschaftsbund, herausgekommen ist, um in dieser


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Debatte das Wort zu ergreifen, habe ich kurz gedacht, das ist jetzt der Moment der großen Entschuldigung. (Abg. Lukas Hammer: Das hast du nicht gedacht! Jetzt lügt er!) Sie kommen jetzt heraus und sagen: Es tut uns leid, ihr wisst ja, wir sind die einzige Vorfeldorganisation, die nicht Geld vom Steuerzahler genommen hat. Wir haben es aus der Wirtschaftskammer herausgenommen, wir haben es quasi den UnternehmerInnen in Vorarlberg weggenommen. Wir geloben Besserung!

Wir haben aber dann sehr schnell herausgefunden, warum sich der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes nicht entschuldigt hat, nämlich aus dem einfachen Grund, weil er ganz offensichtlich nicht erfassen konnte, was richtig, was falsch ist, was gegen das Gesetz ist und was das Gesetz ist. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!)

Woran war das erkennbar? – Das Hohe Haus in seiner Mehrheit, glaube ich, ist der Auffassung, dass die ÖVP ein echtes Korruptionsproblem hat, dass es auch der Wirt­schaftsbund hat. Es wird unterstellt und ist teilweise schon festgestellt, dass man die Wahlkampfkostenobergrenze überschritten hat, dass man Spenden illegalerweise gestückelt hat, dass man Dinge auch entsprechend falsch gemeldet hat. Er vergleicht das bei anderen Parteien damit, dass die sich an das Gesetz gehalten haben und sich über das Gesetz hinaus eigene Transparenzregeln gegeben haben und deswegen Spenden zu einem Zeitpunkt gemeldet haben, zu dem sie sie gar nicht melden hätten müssen, denn man hätte gar nicht auf die Webseite schauen können, hätten wir als NEOS nicht strengere Transparenzregeln. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt ist das Problem des Wirtschaftsbundes aber, dass der Wirtschaftsbund an­scheinend von Menschen geführt wird, die nicht dazu befähigt sind, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Da kommen wir jetzt zu folgendem Punkt: Wir haben in Vorarlberg die Situation gesehen, dass dort tatsächlich – es wird ja auch strafrechtlich entsprechend ermittelt – sogar die Frage der Steuerhinterziehung, der Veruntreuung und anderer schwerer Delikte im Raum stehen. Wir haben deswegen als Unos, als Wirtschaftskammerfraktion der NEOS, verschiedene Anträge eingebracht. Wir haben einen Antrag beim Kontrollausschuss eingebracht, damit sich dieser als interne Revision entsprechend darum bemüht, dass die letzten Jahre österreichweit aufgearbeitet werden, um sicherzustellen, dass das nicht auch in anderen Bundesländern passiert ist.

Der Wirtschaftsbund hat es mit seinen Stimmen niedergestimmt. Der Wirtschaftsbund hat dafür gesorgt, dass wir nicht herausfinden, was in den letzten Jahren in der Wirt­schaftskammer an Inseraten stattgefunden hat. Wir haben auch in den Wirtschafts­par­lamenten – die gibt es in allen neun Bundesländern – in Oberösterreich und in Wien Anträge eingebracht, dass man auf der Landesebene kontrolliert, ob eine systemische Korruption durch die ÖVP, durch den Wirtschaftsbund stattgefunden hat. Das wurde mit den Stimmen der Mandatare des Wirtschaftsbundes wieder niedergestimmt.

Überall, wo sich in irgendeiner Form politische Menschen mit einem Mandat – egal ob hier im Hohen Haus, in einem Landtag, in der Wirtschaftskammer, wo auch immer – für Transparenz und gegen Korruption einsetzen, kämpfen sie in ganz Österreich gegen die ÖVP. Das ist das große Problem dieser Republik! (Beifall bei den NEOS.)

Daher ist es so dringend notwendig, dass wir diese ÖVP aus jeder Form der Regierung verabschieden, dass sie keinerlei Macht mehr in unserem Land hat, am besten auch auf keiner Landesebene. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist einfach zu viel, und sie miss­braucht die Macht, wo sie nur kann. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Auf Bundesebene haben sie es schon aufgegeben!) Sie kann nicht zwischen Dein und Mein unterscheiden.

Ich bleibe jetzt noch einmal bei der Wirtschaftskammer, denn wir Unos bekommen mitt­lerweile täglich Zuschriften von Unternehmerinnen und Unternehmern, an denen wir se­hen, welche neuen Machenschaften es gibt, wo nicht mehr zwischen dem unterschieden


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wird, wer Wirtschaftskammer und wer Wirtschaftsbund ist. Wir haben zuletzt wiederum etwas gekriegt – ich habe heute eine Anfrage an das Präsidium der Wirtschaftskammer auf Bundesebene gerichtet –, das Thema war: Es gab eine Telefonumfrage. Der Unternehmer wurde angerufen, wurde gefragt: Wie, denkst du, ist das Image von Unternehmen in der Öffentlichkeit? Was hältst du von den Leistungen der Wirtschafts­kammer? Wen würdest du am nächsten Sonntag wählen, wenn eine Wahl wäre? Was hältst du vom Wirtschaftsbund? Könntest du dir vorstellen, Wirtschaftsbundmitglied zu werden? Vorgestellt wurde das als Umfrage der Wirtschaftskammer.

Es gibt in solchen Situationen, die tagtäglich passieren, eigentlich nur zwei Möglich­keiten: Entweder glaubt die ÖVP, sie sei der Staat, dann muss tatsächlich etwas ge­ändert werden, oder der Staat glaubt, er sei die ÖVP. Auch dann braucht es deutlich eine Änderung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Genau das erleben wir in der Wirtschaftskammer und wir erleben es auch im Nationalrat. Es ist dringend Zeit für eine Veränderung. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ist unseriös!)

17.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.


17.05.53

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Staats­sekre­tärin! Herr Kollege Egger, Sie haben zuvor gesagt, es sei respektlos, wie sich das Parlament gegenüber der Staatssekretärin verhält. Wissen Sie, was richtig respektlos ist? – Respektlos ist vom ehemaligen Generalsekretär und jetzigen Bundeskanzler, dass er exakt diese Person, diese Staatssekretärin hierherschickt, die aus der JVP Ober­österreich kommt. Das ist nämlich die einzige Organisation, die die zu Unrecht bezogene Förderung bereits zurückbezahlt hat. Das muss man auch einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vor etwas mehr als einem Jahr hat die Abgeordnete Großbauer hier ein Lied von Rainhard Fendrich zum Besten gegeben: „I am from Austria“. Wenn ich mir die aktuelle Debatte betrachte, dann drängt sich auch mir ein Lied von Rainhard Fendrich auf, und Sie wissen sicher, was ich meine. Ich werde es aber mit Sicherheit nicht singen, keine Angst. (Ruf bei der FPÖ: „Go, Karli go!“) Die Textzeilen kann man aber schon zitieren: „Tango Korrupti / Wenn einer draufkommt und entpuppt di / Nimmst du dir einfach einen Anwalt / Der was kann halt / Und bist schwuppti-wupp davon“. – Aber das gibt es halt nur im Lied, werte Damen und Herren der ÖVP!

Genau dieses Lied wird vielen Zusehern der Sendung „Im Zentrum“ am Sonntag auch durch den Kopf gegangen sein, denn es war ein ÖVP-Politiker angefragt und gekommen ist der Parteianwalt und hat seine rein juristische Sicht der Dinge dort zum Besten gegeben. Damit haben Sie sich auch wieder einen Bärendienst erwiesen, denn diese juristischen Spitzfindigkeiten interessieren keinen Menschen. Es wäre Zeit gewesen, dort eine Ansage zu machen, und die Ansage wäre gewesen: Wir entschuldigen uns bei Ihnen, werte Steuerzahler, und wir zahlen die zu Unrecht bezogenen Förderungen in den NPO-Topf zurück, so wie es die JVP Oberösterreich getan hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Warum sollten Sie es zurückzahlen? – Wenn wir auf die Internetseite des NPO-Unter­stützungsfonds gehen, dann sehen wir, wer diese Förderung nicht bekommt: Parteien bekommen sie nicht. Anstatt das zu tun, ist sich aber der ÖVP-Parteianwalt in wüsten Erklärungen ergangen, die kaum mehr zu fassen waren, und hat dann sogar behauptet, der Seniorenbund sei gar kein Teil der ÖVP.


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Es ist im Grunde genommen aber ganz einfach. Wenn wir wissen wollen, wer oder was eine Partei ist, dann sehen wir uns das Organisationsstatut der Partei an. Wir schauen uns an, wer im Landesparteivorstand sitzt. Und wenn wir uns das ansehen, dann sehen wir, dass neben anderen Persönlichkeiten auch die Obmänner der Teilorganisationen einen Sitz im Landesparteivorstand haben. Unter § 4 finden wir dann eine taxative Aufzählung. Siehe da, eine davon ist der Seniorenbund. Das finden wir bei der ÖVP Tirol und auch bei anderen Landesorganisationen. Was eine Teilorganisation in der ÖVP zu tun hat, steht auch gleich dort – ich zitiere –: „Die Teilorganisationen betreuen in der Tiroler Volkspartei ihre Mitglieder und Bevölkerungsgruppen und vertreten sie sowohl in der Volkspartei, in den jeweiligen Interessensvertretungen als auch in beruflichen Belangen.“

Wenn daher der Seniorenbund in Oberösterreich fast 2 Millionen Euro, in Tirol 185 000, in Vorarlberg 22 000, in Kärnten 51 000 Euro bezogen hat, dann hat er diese Förderung zu Unrecht bezogen. Da helfen auch keine juristische Spitzfindigkeit und die Fest­stellung, dass es quasi zur Tarnung auch gleichlautende Vereine in den Bundesländern gibt.

Man kann sich nicht einfach einmal dieses Kapperl aufsetzen und dann jenes. Einmal hat man das politische Kapperl auf und dann wieder das Vereinskapperl, immer so, wie es gerade passt: Eventuell geht das noch juristisch hinein, doch moralisch geht das nicht mehr. Wer das nicht versteht, der hat wirklich ein Problem. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Österreichische Seniorenbund ist eine Teilorganisation der ÖVP und aus ihr auch kaum wegzudenken. Der Seniorenbund vertritt die ÖVP auch im Österreichischen Senio­renrat und macht dort im Sinne der ÖVP und für die ÖVP Politik, und weil er das tut, ist er eben ein Teil der ÖVP und kein karitativer Verein. Wenn Sie meinen: Nein, so sind wir nicht!, dann tun Sie das, was zu tun ist, und zahlen Sie die Förderungen zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

17.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lindinger. – Bitte. (Abg. Hafenecker: Sie können ja ...!)


17.10.54

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Werter Herr Innenminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Jahr 2017: ein voller Wahlerfolg für die Volkspartei (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Die gekaufte Wahl!), und die SPÖ stellt den Kanzler nicht mehr – das ist das wahre Problem hier herinnen. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Seitdem gab es zwei gute Regierungsprogramme, viele Steuerentlastungen, das größte Steuerentlastungspaket in der Zweiten Republik (Zwischenrufe bei der SPÖ), viele Unterstützungsmaßnahmen wegen Corona für Arbeitnehmer, für die Wirtschaft, für Bauern, für Junge (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Und für die ÖVP!), für Familien, Herr Kollege, und jetzt gibt es die Antiteuerungspakete, die den Menschen in diesem Land helfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind Sofortmaßnahmen für Leute, die ein geringeres Einkommen haben, und das sind strukturelle Maßnahmen, die nachhaltig helfen. Wir als Volkspartei stehen dazu. Diese Bundesregierung, diese Koalition, steht zu den Familien und zu den Ehrenamt­lichen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Und zu sich selbst!)

Jetzt sage ich euch eines: In der Volkspartei haben wir nach dem Parteiengesetz rund 16 000 Meldepunkte, angefangen bei den kleinen Ortsparteien. Es sind unzählige ehrenamtliche Funktionäre, die die Meldungen machen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei 16 000 Meldepunkten jedes Jahr kann vielleicht irgendwo einmal ein


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kleiner Fehler passieren (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff), aber wer hier herinnen ohne Schuld ist, der möge den ersten Stein werfen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Es gibt über 2 000 Gemeinden, meine sehr geehrten Damen und Herren, Zigtausende, die sich ehrenamtlich in den Gemeinden engagieren. Es gibt hier herinnen fünf Parteien, und ich glaube, ich kann zumindest für jene Parteien reden, die auf Ortsebene Funk­tionäre haben: Die können stolz sein, dass es Leute gibt, die sich in politischen Parteien, egal welcher Farbe, ehrenamtlich engagieren, sich für ihre Mitmenschen und für die Demokratie in diesem Land einsetzen. Zu denen sage ich: Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese müssen Meldungen über die Partei machen, und dann gibt es diesen Rechen­schaftsbericht, und dann kommt die Opposition und schlägt diesen Ehrenamtlichen mitten ins Gesicht. (Abg. Schroll: Nein!) Man fällt fast ein Urteil, bevor es überhaupt einen Bericht gibt, es kommen Falschbehauptungen, ständige Vorverurteilungen heraus. Wieso machen Sie das? – Meine sehr geehrten Damen und Herren, da schließt sich der Kreis, da zieht sich der rote Faden durch: Weil die SPÖ seit 2017 nicht mehr den Kanzler stellt und sie wenige inhaltliche Programme, keine sachlichen Meinungen hat, muss man da mit Falschbehauptungen, mit ständigen Vorverurteilungen dagegenfahren.

Was machen die NEOS, abgesehen davon, dass sie einen Haufen Parteienförderung und Spenden von Haselsteiner kriegen? Was macht die FPÖ? – Die spielen den Steigbügelhalter für die SPÖ. Die gesammelte Opposition ist gegen die ÖVP, weil sie für die Menschen in diesem Land arbeitet, sich für die Menschen einsetzt und tolle Pro­gramme macht. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Der Umgang mit der Staatssekretärin, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat es gezeigt: Sie können nicht sachlich argumentieren, sondern Sie schreien heraus, schaf­fen einen Lärmpegel, weil Sie sich mit sachlichen Argumenten nicht helfen können. Das ist Politik auf unterstem Niveau, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie diese Bundesregierung, die Koalition, arbeiten, denn wir arbeiten für die Menschen in diesem Land! (Beifall bei der ÖVP.)

17.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Krainer zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.14.54

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Lindinger hat soeben behauptet, dass es, nachdem die ÖVP 2017 den Kanzler gestellt hat, in Österreich zu Steuersenkungen gekommen wäre.

Ich berichtige tatsächlich: Die Höhe der Steuern und Abgaben wird nicht nur in Öster­reich, sondern in der gesamten zivilisierten Welt mit der sogenannten Steuer- und Abga­benquote gemessen. Sie ist 2018, 2019, 2020, 2021 höher als 2017 gewesen. Sie ist de facto jedes Jahr gestiegen, seit die ÖVP den Kanzler stellt, und kein einziges Mal ge­sunken. Das ist leider die Wahrheit. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

17.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Greiner. – Bitte.


17.15.51

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! (Die Rednerin stellt eine Tafel, auf der der frühere Bundes­kanzler Sebastian Kurz und Personen aus seinem politischen Umfeld sowie weitere


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Vertreter der ÖVP in Form einer Fotomontage zu sehen sind, auf das Rednerpult. – Abg. Kickl: Das muss eh ein bisschen länger stehen, weil da sehr viele drauf sind!) Herr Kollege Lindinger von der ÖVP hat vorhin behauptet, das Problem hier herinnen ist, dass die SPÖ den Kanzler nicht mehr stellt. – Wissen Sie, was das Problem ist? Das ist nicht nur Ihr Problem, sondern es ist ein Problem für Gesamtösterreich. (Abg. Höfinger: Für uns ist es eh kein Problem! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das (auf die Tafel auf dem Rednerpult weisend) ist das Problem (Beifall bei der SPÖ), das ist der Personenkreis aus der ÖVP. Gegen all jene wird ermittelt: ein Bundeskanzler, drei Finanzminister, ein Justizminister. (Abg. Michael Hammer: Wieder so hysterisch!) – Da muss man sich schon aufregen. (Abg. Michael Hammer: Ja, da muss man sich ...! Ja, da muss man auch hysterisch werden!) Sie ignorieren das ja. Die Wählerinnen und Wähler werden sich bei Ihnen dafür bedanken, wie ignorant Sie mit dieser Tatsache umgehen – genau! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ja, genau! Genau! Da muss man sich aufregen!)

Kollege Lindinger, Sie arbeiten nicht für die Regierung, und das (auf die Tafel auf dem Rednerpult weisend) hat kein Niveau. Ich versuche, angesichts dieses Plakates und angesichts der schrecklichen Tatsachen, was der ÖVP an Skandalen zuzuordnen ist und die wir schon gehört haben, sachlich zu bleiben. (Ruf bei der ÖVP: Das merkt man, ja!) – Bemühen Sie sich vielleicht auch! Vielleicht lernen Sie noch etwas.

Wir sprechen vom Rechenschaftsbericht, den die ÖVP für das Jahr 2019 vorzulegen gehabt hat. Sie (in Richtung ÖVP) glauben selber nicht, was Sie da (auf die Tafel auf dem Rednerpult weisend) sehen. Gell, das stimmt, ja. (Abg. Michael Hammer: Wieso sind Sie jetzt so leise? Können Sie sich nicht mehr aufregen?)

Ein ÖVP-Vorredner, Herr Ottenschläger, hat behauptet, es ist eigentlich ganz normal, dass man nach einem Rechnungshofbericht Nachfragen bekommt. Da hat er sogar recht, aber man bekommt vielleicht einmal Nachfragen, und Nachfragen – also so sehen es wir – beantwortet man für gewöhnlich (Abg. Gabriela Schwarz: Haben wir auch!), aber es braucht nur bei Ihnen eine Aufforderung, zwei Aufforderungen, drei Auffor­de­rungen und eine vierte Aufforderung.

Was erkennen wir aus dem Rechnungshofbericht? – Sie haben überhaupt keine Ordnung in Ihren Finanzen. (Abg. Michael Hammer: Das können Sie ja gar nicht beur­teilen! Da muss man sich auskennen, dass man so etwas sagen kann! Da muss man Zahlen lesen können!) – Ja, aber Sie auch nicht. Sie können gar nichts beurteilen. Der Rechnungshof wagt es zu fragen: Wie sind Spenden geflossen? Wie sind Wahlkampf­kosten überhaupt beglichen worden?

All diese Fragen tun Ihnen so weh. Sie haben Angst: Um Gottes Willen, Kontrolle, Fragen des Rechnungshofes! (Rufe bei der ÖVP: Nein, hat niemand! Niemand!) Ich würde mich auch fürchten, weil der Rechnungshof unser Hilfsorgan in der Kontrolle ist, in der Kon­trolle darüber, wie Steuergelder eingesetzt werden. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Es spricht ja für sich, wie Sie sich aufführen. Sie finden das auch noch lustig. Na ja, erklären Sie den Österreicherinnen und Österreichern, wie lustig es ist, dass wir zum Beispiel – abgesehen von diesem Skandal – nicht überprüfen dürfen, wo 19 Milliarden Euro an Steuergeldern ausbezahlt werden (Abg. Höfinger: Es war auch nicht lustig, als der ÖGB 4,5 Milliarden versenkt hat, in der Karibik!), ob die vielleicht auch wieder an Großspender gehen, an Ihre Gönner, die Sie ja immer gut bedient haben, die Sie durch Ihre gesamte Politik schützen! (Abg. Höfinger: Wie lustig war das, als der ÖGB 4,5 Milliarden versenkt hat, mit der Bawag? Vielleicht könnten Sie das erklären!)


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Bitte, meine Damen und Herren, vielleicht kann die Kamera einmal zeigen, wie aufgeregt die ÖVP-Kollegen sind. Ich verstehe das ja überhaupt nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höfinger: Nein, ich wollte nur etwas wissen!)

Sie verweigern die Kontrolle. Sie behandeln die Cofag wie eine Blackbox. Wir dürfen nicht wissen, was die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erwarten dürfen, was mit ihrem Geld passiert. Das ist ein Skandal. Sie haben Angst vor parlamentarischer Kon­trolle (Abg. Michael Hammer: Im Steuergeldversenken sind die Sozialisten Meister, ja!), Sie haben Angst vor Transparenz. Wozu hat das in diesem einen Punkt, den wir hier debattieren, geführt? – Das hat dazu geführt, dass der Rechnungshof sagt: Na ja, wir brauchen einen Wirtschaftsprüfer, der das objektiv beurteilt! Es ist einmalig in der Geschichte, dass der Rechnungshof aufgrund mangelnder Angaben zusätzlich einen Prüfer beauftragen muss, weil Sie nicht imstande waren, die Fragen zu beantworten. Das ist ja ein Skandal der Sonderklasse. Danke, ÖVP, dass das das erste Mal stattfinden konnte. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Jetzt gebe ich Ihnen noch ein kurzes Feedback, weil es geheißen hat: Die Frau Staats­sekretärin tut mir ja leid!

Sie tut mir leid, sie muss den nicht anwesenden Bundeskanzler vertreten. Der hat aber die Unterschrift unter diesen Bericht gesetzt und ist nicht da. Das ist ja wieder ein Skandal, ein eigener Skandal. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich gebe Ihnen ein Feedback: Sie sagen, Sie arbeiten für die Bevölkerung - - (Ruf bei der ÖVP: Sie sind eine Skan­dalnudel!) – Sie sind die Skandalnudel, da sind mehrere Skandalnudeln drauf (auf die Tafel auf dem Rednerpult weisend), und das ist ja wirklich verwerflich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hatte gestern eine Besuchergruppe im Parlament, im Herzen der Demokratie zu Gast. Sie haben gefragt: Was passiert jetzt eigentlich hinsichtlich der Teuerung? – Sie sagen, Sie arbeiten für die Bevölkerung, Sie entlasten die Bevölkerung. – Das stimmt nicht, Sie haben ja gar keine Zeit, dass Sie irgendwelche Maßnahmen setzen, weil Sie Abwehrmechanismen aktivieren müssen. Gegen Ihre Leute wird ermittelt, Sie haben ja überhaupt keine Zeit mehr.

Sie können nicht mehr seriös arbeiten, und wenn Sie von stabiler Regierung sprechen – seien Sie mir nicht böse –: 14 neue Minister, der dritte Bundeskanzler in dieser Gesetz­gebungsperiode! Wenn Sie das unter Stabilität verstehen - - (Heiterkeit des Abg. Weidinger.) – Der Kollege grinst, das ist wahnsinnig lustig. Ist das Stabilität? – Ich glaube nicht. Machen Sie besser den Weg frei für Neuwahlen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

17.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Können Sie das Bild wieder mitnehmen, Frau Abgeordnete Greiner? Können Sie das Bild wieder mitnehmen? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) – Dann muss ich es wegräumen lassen – bitte. (Abg. Greiner geht zum Red­nerpult und nimmt die Tafel an sich.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.


17.21.47

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Wir haben heute schon gehört: Vorarlberg ist überall. Überall dort, wo die ÖVP an der Macht ist, werden nach Gutsherrenart Inserate in Millionenhöhe verteilt und wird Gefälligkeitsjournalismus erwartet. Wir haben von Agenturen gehört, die gegründet werden, um Kick-back-Zahlungen zu erhalten und Geldflüsse zu verschleiern. Es ist eine sehr lange Liste und sie lässt sich auch noch sehr lange weiterführen.


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Ich komme jetzt zu einem ganz aktuellen Punkt, nämlich dem Postenschacher und der Unterbringung von eigenem Personal an den Schalthebeln der Republik, in dem Fall bei der RTR. – Was ist die RTR?, fragt sich vielleicht der eine oder andere hier. – Die RTR ist die Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH, das ist eine staatliche Einrichtung. Sie erfüllt gesetzliche Aufträge im Zusammenhang mit der Regulierung, der Entwicklung und der Förderung von Märkten für Medien, Telekommunikation und Post. In dieser RTR ist auch der Fachbereich Medien angesiedelt. Dort werden in einer sehr großen Eigen­verantwortung Medienförderungen verwaltet. Wir sprechen von 90 Millionen Euro pro Jahr, die quasi freihändig vergeben werden können.

Jetzt braucht dieser Bereich Medien einen neuen Geschäftsführer oder eine neue Ge­schäftsführerin, und es braucht auch ganz dringend in dieser Behörde eine Person an der Spitze, die die großen Herausforderungen der Medienpolitik kennt, die auch einen kompetenten Sparringpartner für Politik und Medien darstellt, die die RTR als echtes Dienstleistungsunternehmen positioniert. Was sie nicht braucht, ist eine Person, die aufgrund einer Postenbesetzung der ÖVP an die Spitze kommt.

Die ÖVP sieht diese Jobdescription ein bisschen anders – übrigens aber auch wie die SPÖ vor fünf Jahren, auch damals wurde der Erstgereihte übergangen. Diesmal wurde übrigens diese Person, die sich wieder beworben hat, nicht einmal zum kommissionellen Hearing eingeladen, man hat sie vorher schon aussortiert.

Diese Kommission, die dann darüber entscheidet, wer diesen wirklich wichtigen medien­politischen Posten bekommt, ist geheim. Mir liegt die Liste vor, sie liest sich wie das Who’s who der Wiener ÖVP. Wir hätten als Leiter der Kommission Albert Posch vom Verfassungsdienst; er war zuvor Kabinettschef bei Blümel. Wir haben Sektionschef Brünner, ebenfalls mit einem beruflichen Werdegang in diversen ÖVP-Ministerien. Wir haben Sektionschefin Humer, sie leitet die Sektion VI im BKA, das ist Familie und Jugend.

Sie fragen sich vielleicht, was die Sektionsleiterin für Familie und Jugend mit der Besetzung der Geschäftsführung einer Medienbehörde zu tun hat. Ich frage mich das auch. Ich weiß es nicht. Die einzige Qualifikation, die man bei Humer feststellen kann, ist, dass sie ÖVP-Bezirksrätin war und es übrigens damals bei ihrer Ernennung als Sektionschefin auch schon große Aufregung darüber im Familienministerium gab und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses auch einen Brief an Van der Bellen geschrieben haben. – Meine Damen und Herren, das ist die Kommission, die diesen wichtigen Posten besetzt.

Parallel dazu werden auch die Beiräte für die RTR ernannt. Die Aufgabe der Beiräte ist, dass sie Empfehlungen für diverse Förderungen abgeben. Diese Empfehlungen sind nicht bindend. Die Geschäftsführung kann dann trotzdem ganz alleine entscheiden, wie die 90 Millionen Euro pro Jahr vergeben werden.

Ja, wer sitzt denn jetzt und auch zukünftig in den Beiräten für die Empfehlungen für Medienförderungen? – Da hätten wir Sophie Ernest, sie leitet das Friedrich Funder-Institut – das ist die Journalistenausbildung der Parteiakademie der ÖVP –, in dem der Nachwuchs für die eigenen Parteimedien gezüchtet wird. Sie war auch schon Sprecherin von Blümel, als dieser Medienminister war. Wir haben Amra Ducic, sie ist Leiterin der Abteilung Digitale Kommunikation im BKA, zuvor war sie ebenfalls Sprecherin einiger ÖVP-Minister. Ebenfalls Mitglied des Beirats: Michael Ulrich, Pressesprecher von Finanzminister Brunner, früher auch Pressesprecher der ÖVP. – Meine Damen und Herren, was hat der Pressesprecher des Finanzministers im Beirat für Medienförderung zu suchen? – Ich weiß es nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich meine, das Finanzministerium ist in letzter Zeit ja auch nicht gerade elegant auf­gefallen – Stichwort Beinschab-Tool, Stichwort Fakeumfragen, Stichwort sinnentleerte


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Kampagnen für noch nicht beschlossene Steuerreformen. Auch die Grünen bekommen übrigens ihre zwei Beiräte – da bleibt nur: sehr koalitionär und auch sideletterisch.

Statt also endlich wichtige medienpolitische Weichenstellungen vorzunehmen, statt sich endlich um ein neues ORF-Gesetz zu kümmern, statt endlich einen Plan für die Zukunft der „Wiener Zeitung“ vorzulegen, statt sich endlich um eine ordentliche Presse- und Medienförderung zu kümmern, statt endlich dieser Inseratenpolitik einen Riegel vorzu­schieben, macht man die gleiche, alte Politik. – Und es ist euch völlig egal, was die Menschen sagen. Das ist euch doch völlig egal! (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Es ist euch wurscht, ob Österreich in diversen Rankings und Indizes immer weiter zurückgereiht wird (Abg. Meinl-Reisinger: In Richtung Ungarn!), es ist wurscht, ob es sich um das Ranking der Pressefreiheit handelt, um den Demokratieindex, um den Korruptionsindex – es ist euch völlig wurscht. Ihr benehmt euch wie diese Band auf der Titanic, die fröhlich ihrem Untergang entgegenfidelt, aber was ihr nicht seht: Ihr nehmt Österreich, die Demokratie und die Medienfreiheit mit in diesen Untergang, und das ist dramatisch. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Bravo!)

Zu guter Letzt: Wenn noch ein Funken Restanstand, meinetwegen auch bei ÖVPlern, auf Gemeinde- oder Landesebene anklopft, dann folgt ihm! Es ist auch noch im hohen Alter möglich, ein anständiges Leben zu führen. (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit bei Abgeordneten von NEOS, SPÖ und FPÖ.)

Dieser Appell gilt auch Ex-Landeshauptmann Pühringer, der – das möchte ich ab­schließend schon noch mitgeben – ein bemerkenswertes Interview in der „Oberöster­reichischen Rundschau“ gegeben hat. Er meinte nämlich darin allen Ernstes, der Seniorenbund hätte das Geld gar nicht gebraucht. Man hätte nämlich noch aus den vorigen Jahren Rücklagen gehabt, weil man weniger ausgegeben hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Wirtschaftspartei!) Das ist unfair, das ist unsolidarisch. Was heißt denn das für all die NPOs, die keine gut ausgestattete Partei im Rücken haben? Das ist eine Schande und eine Frechheit!

Merkt euch: Man kann auch noch im hohen Alter ein anständiges Leben führen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Staatssekretärin Plakolm. – Bitte.


17.28.41

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Herr Präsident! Ich darf ergänzend zu den Fragen 7 und 9 in Vertretung des Bundeskanzlers wie folgt Stellung nehmen.

Zur Frage 7:

Für die aktuelle Bundesregierung kann ich die in der Anfrage erwähnten Interventions­versuche ausschließen. Auch für Vorgängerregierungen sind mir keinerlei derartigen Interventionen bekannt.

Zur Frage 9:

Da möchte ich darauf hinweisen, dass wir in einem Rechtsstaat leben und die zustän­digen Behörden die in der Frage angesprochenen Förderungen derzeit prüfen. Diese Prüfung gilt es abzuwarten. Anders als in der Frage unterstellt, gibt es bis dato keine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 206

Feststellung, dass die erwähnte Auszahlung unrechtmäßig erfolgt ist. (Beifall bei der ÖVP.)

17.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte.


17.29.36

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Geschätzte ZuschauerInnen auf der Galerie, die diese Sitzung verfolgen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die von zu Hause aus zusehen! Das, was Sie hier erleben, ist wirklich keine Sternstunde von Oppositionsarbeit.

Es setzt sich das traurige Spiel aus dem Untersuchungsausschuss hier fort. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar!) Die Taferl, die da stehen, sind der Beweis, dass in Wirklichkeit etwas passiert, das eines Rechtsstaates unwürdig ist. Wir reden über Ermittlungsverfahren, wir reden über Prüfverfahren, und da werden Per­sonen vor den Vorhang gebeten, öffentlich an den Pranger gestellt und als verurteilt dargestellt. Ich halte das wirklich für schändlich und nicht akzeptabel. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Wie machen Sie das? Sie gehen her und nehmen ein Ermittlungsverfahren zum Anlass, dass Hausdurchsuchungen, Sicherstellungen, Vernehmungsprotokolle eins zu eins in Echtzeit in den Medien erscheinen. Aus der Unschuldsvermutung wird so eine Schuldgewissheit. Ich sage Ihnen eines: Sie sind nicht mehr in der Lage, ein Verfahren abzuwarten und abschließende Ergebnisse zu bewerten. Weil Sie wissen, dass die abschließenden Ergebnisse Ihre Erzählung nicht bestätigen werden, erfolgt die Verur­teilung mit Beginn der Ermittlung. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek. Abg. Greiner: Geben Sie die Hand aus der Hosentasche, wenn Sie reden!)

Ich sage Ihnen noch etwas: Die Personen, die Sie da vor den Vorhang bitten, und die Personen, die Sie öffentlich an den Pranger stellen (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), haben durch Ihr Verhalten finanzielle Nachteile, wirtschaftliche Nach­teile, berufliche, auch politische, das kann bis zum Ruin gehen. Ich halte das für rechtsstaatlich unmöglich. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Die Grund- und Freiheitsrechte, die Sie vor sich hertragen, die gelten nur dann, wenn sie nicht jene treffen, die Sie treffen wollen. Da ist Ihnen jedes Mittel recht – auch der Rechtsbruch. (Beifall bei der ÖVP.)

Wo sind wir jetzt?  Der Rechnungshof hat ein Prüfverfahren eingeleitet (Abg. Krainer: Ordnungsruf!), ein Prüfverfahren, das Sie zum Anlass nehmen, diese Schuldgewissheit wieder über die Medien zu transportieren. (Abg. Krainer: Ordnungsruf!) Wir reden von Finanzskandal, von Korruption bei einem Prüfverfahren ohne Ergebnis. Ich sage Ihnen etwas: Das Ziel ist ja ganz klar, das ist heute in der Anfrage auch zu sehen (Abg. Krainer: Ordnungsruf!), es geht um den Bundeskanzler. Sie wollen, dass die ÖVP auch diesen Bundeskanzler verlieren soll, so wie Sie es bei Kurz gemacht haben, unredlich, und das wird sich auch noch herausstellen. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Krainer: Ord­nungsruf!)

Ein Wort zu den Anfragen: Herr Kollege Hafenecker hat sich ja hier ausführlich aus­gebreitet, wie furchtbar das alles ist und wie das mit dem Rechenschaftsbericht sein soll. Ich darf Ihnen eines sagen: Ihr Rechenschaftsbericht 2019 ist zu spät geliefert worden. (Abg. Hafenecker: ... drei Jahre ...!) – Zu spät! Das ist wurscht! Einen Monat zu spät, aber zu spät! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 207

Ich sage Ihnen noch etwas: Er wurde wegen einer Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer überarbeitet. Wissen Sie, was der gefunden hat? (Abg. Hafenecker: ...! Ihr habt vier Mal ...!) – Ich sage Ihnen, was der gefunden hat. In Kärnten gibt es Probleme mit den Landtagserträgen, also den Kluberträgen: 180 000 Euro. In Oberösterreich haben Sie 800 000 Euro falsch dargestellt (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), und, oh Wunder, Inserate im Umfang von 100 000 Euro sind zu ergänzen gewesen. Sie haben auch ein Inseratenproblem, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen eines sagen, auch wenn Sie mit der Vergesslichkeit spekulieren (Abg. Loacker: Vergesslich sind ... im U-Ausschuss!): Reden Sie vielleicht auch mit Ihrem Klubobmann darüber, wie das mit dem Generalsekretär ist! Der hat nämlich, glaube ich, im Untersuchungsausschuss erklärt, dass der Generalsekretär keinen Einblick und keinen Überblick hat. (Abg. Kickl: Bei uns ist es anders!) – Ja, da ist es anders. Das heißt, die Strukturen, die Sie bei uns suchen, finden Sie bei der FPÖ selber nicht. Der Generalsekretär der FPÖ hat keinen Einblick in die Finanzen, unserer soll es schon haben. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir erinnern uns schon noch an Graz. Ihr ehemaliger Par­teichef, Ihr Klubobmann hat sich durch Steuergeld bereichert. Ihr Finanzreferent hat eine halbe Million Euro veruntreut, Sie verstecken Gold in der alten Pension. (Abg. Hauser: Das stimmt ja nicht!) Na klar stimmt es! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gold verstecken Sie in der alten Pension, ein Mandatskauf durch einen Oligarchen wurde berichtet und das Bargeld haben Sie im Kofferraum. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen eines: Alles, was ich Ihnen zum Thema Korruption glaube, ist, dass Sie wissen, worüber Sie reden. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

17.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. – Bitte.


17.34.34

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Bevor ich zur Begrüßung komme: Herr Präsident, Kollege Stocker hat der gesamten Opposition und Einzelnen persönlich Rechtsbruch vorgeworfen. Wieso schreiten Sie nicht ein, dahin gehend, was man ande­ren vorwerfen kann? Der ist Anwalt – wenn auch in Wiener Neustadt, was kein Nachteil sein muss –, der weiß, was er sagt, und er macht es absichtlich. Das ist Methode in der ÖVP, leider. Schade, dass das notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Gleich weitermachen, Frau Kollegin, das passt dazu!

Vielleicht fangen wir bei der unfairen Vorgangsweise an: Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Das war ja ein unglaubliches Schauspiel. (Abg. Michael Hammer: Ihr habt schlechte Schauspieler aufgeboten!) Eine junge Politikerin, die frisch bestellt wird, darf hier für Karl Nehammer – weil er sich nicht traut, hier der Wahrheit offen ins Auge zu schauen – auftreten (Zwischenrufe bei der ÖVP), kriegt einen Spickzettel mit einer Rede, die nichts mit der Anfrage zu tun hat, und einer Beantwortung, die für sich spricht, da sie nämlich keine ist. Was wirklich unangenehm ist: Warum tun Sie das dieser jungen Dame an?

Die Krönung ist aber dann ein Abgeordneter Egger, der da herauskommt und sagt: Welche Unverfrorenheit, dass der Präsident die Sitzung unterbricht, welche Unverfroren­heit, dass man eine Nichtbeantwortung kritisiert! – Die Unverfrorenheit ist, dass man das mit jungen Frauen macht und dass Sie das verwenden, weil die Partei heilig ist. Die Menschen sind Ihnen egal, daher finden Sie auch nichts dabei, wenn man Ihnen 20 Personen, gegen die ermittelt wird, vorhält, Sie haben kein Problem damit. Herr Stocker stellt sich her und sagt: Das Verfahren ist ja noch nicht fertig, das ist ja eine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 208

Vorverurteilung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – In welchem Land gibt es denn das, dass 20 Regierungsmitglieder unter Ermittlungen stehen? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Sie sagen? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.) Haben Sie jemals eine Sekunde darüber nachgedacht?

Es gäbe die Möglichkeit einer grundlegenden Verschwörung, das hat Sebastian Kurz versucht, uns klarzumachen. Dann hat er im Hintergrund Gespräche geführt: eine politi­sche Verschwörung, die roten Staatsanwälte verfolgen! (Ruf bei der ÖVP: Silberstein!) Damit war es dann aber bald vorbei, denn als die Dokumente in der Öffentlichkeit waren, war klar: Kein Staatsanwalt dieser Welt, außer er ist gefesselt und geknebelt, kann das nicht untersuchen.

Was wir betreffend Laptop des Herrn Gernot Blümel, immerhin Finanzminister und Alter Ego des Sebastian Kurz, gehört haben: Er kann sich nicht erinnern, ob er einen Laptop hat. (Abg. Gabriela Schwarz: Das war der seiner Frau, und das ist erwiesen!) Gefunden wird er in der Wickeltasche, da er weggeführt wurde, bevor die Hausdurchsuchung gekommen ist, von der er offenbar gewusst hat. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren, die Story passt nicht mehr. (Abg. Gabriela Schwarz: Das war der Laptop seiner Frau, das haben die Ermittlungen ergeben!)

Ich bin total freundlich, Frau Kollegin. Die Unterstellung – schon wieder –, dass die Frau­en nicht wissen, wo sie ihre Laptops hingeben, ist bösartig. Ich würde das nicht machen. (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Ich bin aber ganz nett und mache Ihnen einen Ideenvorschlag, wie man das bereinigt. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Als wir 2006 das Problem der Bawag hatten, welche Freude war das damals bei der ÖVP: Das kann man ja der Oppositionspartei voll anlasten.

Haben wir uns in Sachen Elsner und Co so verhalten?  Nein, wir haben lückenlose Aufklärung verlangt, wir haben die Inhaftierung verlangt. Wir haben verlangt, dass alle Schuldigen und Verantwortlichen gesucht werden. So macht man das (Beifall bei der SPÖ), aber doch nicht so, dass man erklärt, die anderen haben vielleicht auch Dreck am Stecken (Abg. Michael Hammer: Vor allem ihr!), und da kommt halt einfach der Prüfer, weil das so üblich ist, dass der dritte Prüfer kommt. Haben Sie je darüber nachgedacht, in welcher Situation Sie sind?

In Wahrheit gab es ja ganz am Anfang den Vorhalt: Seht euch das Schicksal der Democrazia Cristiana an! Das ist ja ein richtiger Hinweis, da kommt man nur heraus, indem man den Augiasstall lückenlos sauber macht. Da wir alle Parteien im demo­kratischen Zentrum brauchen, empfehle ich der ÖVP dringend: Bitte mistet aus! (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Frau Staatssekretärin, lassen Sie sich nie mehr in so eine Rolle drängen! Stellen Sie sich hin und sagen Sie: Es tut mir leid, ich war Vorsitzende der Organisation, die hat zurückgezahlt. Ich will Aufklärung, ich lasse mich von den älteren Herren nicht mehr dirigieren und hierherstellen. Ich bin ich! Machen Sie das, Sie werden Karriere machen, die anderen wird es eh nicht mehr geben. Danke. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Michael Hammer: Willst auch noch einmal Staatssekretär werden?)

17.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kickl. – Bitte.


17.39.49

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich weiß nicht, was sich die österreichische Bevölkerung denkt, wenn sie dieses Schauspiel von der Regierungsbank heute mitverfolgt hat. Ganz Österreich schüttelt angesichts der Tatsache den Kopf, dass nicht im Wochentakt, nicht im Tagestakt, sondern eigentlich schon fast im Stundentakt immer neue Stinkbomben


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aus dem Bereich der Österreichischen Volkspartei aufschlagen, dass man schon gar nicht mehr weiß, worüber man sich zuerst aufregen soll, weil es eine korruptive Reiz­überflutung in diesem Land gibt. Und Sie sind das Epizentrum davon und niemand anders, die Österreichische Volkspartei. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann macht das Parlament, im konkreten Fall die Freiheitliche Partei das, was ihre ureigenste Aufgabe ist. Sie übt Kontrolle aus, und dafür gibt es das Instrument der Dringlichen Anfrage. Und dann schauen wir uns an, wie die Österreichische Volkspartei in Gestalt des Bundeskanzlers und 100-Prozent-Parteiobmannes Karl Nehammer damit umgeht.

Der Held von Kiew kneift. Der Held von Kiew und Moskau kneift in der Zwischenzeit das zweite Mal bei einer Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei. Das ist auch etwas, was System hat. Er ist zu feige, sich hier der Wahrheit zu stellen und die Konfrontation mit uns aufzunehmen. Na, Sie haben einen schönen Fleanzi als Parteiobmann gewählt, das muss ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu feig ist er, um hier der Auseinandersetzung standzuhalten. Und dann schickt er eine Staatssekretärin hierher. Ich habe ohnehin vorher schon gesagt: Jetzt wissen wir wenigstens, wofür es diese Staatssekretariate gibt, nämlich um den feigen Bundes­kanzler zu vertreten Und er gibt ihr einen Auftrag mit, und der Auftrag an die Frau Staats­sekretärin lautet: Also, du musst das heute so machen, dass du das Parlament sehr, sehr schnell wissen lässt, dass du ihm die Botschaft mitgibst: Ihr könnt uns eigentlich alle den Buckel hinunterrutschen.

Das war doch heute der Sukkus der Antwort auf die Anfragen, die wir gestellt haben. Es ist doch inhaltlich auf überhaupt nichts eingegangen worden, sondern man hat gesagt: Was erdreistet ihr euch eigentlich, so blöde Fragen zu stellen? Ihr belästigt uns mit eurer Kontrolltätigkeit, und wir, die Österreichische Volkspartei, wir wissen, was gut für das Land ist. Und seien wir auch noch so korruptiv: Haltet doch alle die Klappe! Das war heute die große Metabotschaft der Frau Staatssekretärin. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Jakob Schwarz: So waren Sie als Innenminister!)

Und dann gibt es Widerstand. Ja, selbstverständlich, das lässt man sich als mündiges Parlament ja nicht gefallen. Und dann kommt eine Debatte in Gang, und dann kommt die ÖVP in die Rückwärtsbewegung und dann werden Sie weinerlich, so wie immer, weinerlich-trotzig, muss man fast sagen, weinerlich-trotzig. Die Fragen sind so gemein. Das ist das eine. Die Fragen sind falsch, die Fragen sind nicht zulässig. – Ja, liebe Freunde von der Volkspartei, kennt ihr euch in der Geschäftsordnung nicht aus? Die Fragen werden von einem einzigen Mann zugelassen. Der sitzt da oben hinter mir. Und wenn die Fragen alle falsch wären, dann dürfte es diese Dringlich hier gar nicht geben. Den Sanctus haben Sie von Wolfgang Sobotka bekommen. Die Ausrede zählt nicht, meine Damen und Herren von der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann kommt das Selbstmitleid. Abgeordneter Stocker hat sich regelrecht in Selbst­mitleid gesuhlt. Die Unschuldsvermutung, die Unschuldsvermutung, die Unschulds­ver­mutung! Die Österreichische Volkspartei hat diese Unschuldsvermutung just zu dem Zeitpunkt entdeckt, als es den ersten aus ihren Reihen erwischt hat. Vorher war der Österreichischen Volkspartei die Unschuldsvermutung das Allerwurschteste auf dieser Welt. Die Unschuldsvermutung.

Und dann kommen Sie vonseiten der ÖVP mit FPÖ-Beispielen daher. Da sage ich Ihnen eines: Ja, es hat in der Vergangenheit Dinge gegeben, die waren nicht in Ordnung. Aber die Herrschaften haben sich alle aus ihren Ämtern verabschiedet, die sind alle zurück­getreten, die haben trotz ihrer Unschuldsvermutung die Konsequenzen gezogen. Und Ihre ganzen Pappenheimer, die sitzen noch in Amt und Würden. (Beifall bei der FPÖ.)


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Deswegen ist es ja so, dass tatsächlich stimmt, was der Bundeskanzler in seinem Interview am 29.12. des letzten Jahres, also beim Jahresrückblick und beim Jahres­ausblick gesagt hat. Er hat ja gesagt, die ÖVP hat kein Korruptionsproblem. Das stimmt! Der Satz ist falsch, so macht er keinen Sinn. Er muss richtig lauten: Die Österreichische Volkspartei ist ein Korruptionsproblem. So stimmt dieser Satz! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich glaube, dass sich draußen Abertausende Funktionäre und Mitglieder für ihre Spit­zenfunktionäre genieren, weil sie mit dem Erklären nicht mehr fertig werden, weil sie gar nicht mehr wissen, was sie zu all den Vorwürfen sagen sollen, weil sie selber unter dieser Reizüberflutung leiden. Aber auf Ihren Spitzenebenen sind Sie die Verkörperung von Machtmissbrauch und Selbstbedienungsmentalität.

Sie instrumentalisieren ein Ministerium nach dem anderen. Weil gerade der Innen­minis­ter dasitzt: Das ist schwärzer als jeder Kübel Ruß, dieses Innenministerium, und das ist nur deshalb so schwarz, damit Sie sich da drinnen austoben können. (Beifall bei der FPÖ.)

Finanzministerium, Justizministerium, wo Sie alle Positionen unter Kontrolle haben und einen Staat im Staat gebildet haben. Sie missbrauchen Einrichtungen der Republik wie Staatsanwaltschaften oder Finanzämter zur Servicierung Ihrer Spender. Also, wenn man den VIP-Beitrag für die Österreichische Volkspartei zahlt, dann wird man bei der Justiz oder bei der Finanz hofiert.

Wir müssten uns eigentlich einmal alle Postenbesetzungen bei Finanzämtern in der letzten Zeit anschauen und dann die Spenderliste der ÖVP drüberlegen. Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden da etliche inhaltliche Überschneidungen finden.

Dann designen Sie sich Fördertöpfe so zurecht, dass sie erstens der Kontrolle entzogen sind, dass ja niemand eine parlamentarische Kontrolltätigkeit ausüben kann, dass, zwei­tens, das Management in Ihren Händen ist und dass, drittens, Ihre eigenen Partien sich bedienen können. Das ist das Fördersystem Cofag der Österreichischen Volkspartei im Kern. Das ist das, was Sie mitzuverantworten haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann benutzen Sie Ämter wie das des Landeshauptmannes, um von dort aus ein Inkassobüro für Parteiinserate zu betreiben. Das sollte man sich im Übrigen auch noch einmal genauer anschauen, die Parallelstrukturen zwischen dem Wirtschaftsbund und der Wirtschaftskammer. Ich bin mir ja ziemlich sicher, dass dort auch vieles deckungs­gleich ist, dass das, wo Wirtschaftskammer draufsteht, in Wahrheit Wirtschaftsbund ist, dass die gleichen Leute, die sagen, sie arbeiten eigentlich für die Wirtschaftskammer, in Wahrheit nichts anderes tun, als dort Wirtschaftsbundarbeit und damit ÖVP-Parteiarbeit auf Kosten der Steuerzahler zu verrichten und so weiter und so weiter. Und das ist das System, das Ihnen jetzt um die Ohren fliegt. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! All das passiert, wenn eine Partei viel zu lange an der Macht ist. Das ist eine Erscheinung, die jetzt zutage tritt, weil man sich offensichtlich unbe­obachtet und sicher fühlt und weil man glaubt, dass man die Justiz und die Ermitt­lungsbehörden, dass man das alles ohnehin unter Kontrolle hat: Uns kann nichts pas­sieren!, und dann kommt so etwas heraus.

Es braucht aber noch etwas dazu. Es braucht noch eine andere, eine zweite Partei, denn allein haben Sie keine 50 - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz! Ihre Redezeit ist zur Gänze er­schöpft.


Abgeordneter Herbert Kickl (fortsetzend): - - eine zweite Partei dazu, die mitmacht und die sagt: Korruption ist wurscht, Hauptsache ist, sie ist stabil. Und das sind die Grünen, und das ist ihr Teil der Schuld. (Beifall bei der FPÖ.)

17.48



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


17.48.21

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Regie­rungs­mitglieder! Frau Staatssekretärin! Als man Ihnen diese Antwort in die Hand ge­drückt hat, hätten Sie natürlich als erwachsene Frau sagen können: Bitte, seid ihr deppert? Mit dem könnt ihr mich nicht ins Parlament schicken! (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Belakowitsch und Fürst.)

Das haben Sie nicht gemacht. Sie haben als erwachsene Frau entschieden, dass Sie dem Parlament ins Gesicht spucken und diese 33 Nichtantworten hier vortragen. Das war Ihre persönliche Entscheidung.

Zu den Redebeiträgen der Kollegen Stocker, Egger und wie sie alle heißen: Sie können zwei Dinge nicht unterscheiden, wissen Sie? Es kann schon sein, dass die FPÖ einmal etwas falsch verbucht hat. Und es entspricht auch den Tatsachen, dass meine Partei Spenden bekommen hat; diese sind alle ausgewiesen und legal. Das entspricht den Tatsachen. Was Sie aber nicht verstehen, ist, dass Ihre Partei in den Steuertopf gegriffen hat, und das ist nicht legal. Das, was Sie machen, ist illegal. Das ist der Unterschied, und den verstehen Sie nicht. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Die Teilorganisationen der ÖVP sind ja wie Schrödingers Katze. Manchmal sind sie eine Teilorganisation und sind drinnen, und es ist alles ein Teil des Ganzen. Und manchmal sind sie ein Verein, der mit der ÖVP gar nichts zu tun hat, und der Parteichef hat überhaupt keinen Einfluss. Und das wechselt, ja. So kann Pühringer sagen: Ja, natürlich, ich meine, wir haben das gemacht! Er sagt im Fernsehen, dass sie das Geld für Gehälter verwendet haben, obwohl man das nicht einmal dürfte, wenn man keine Partei­orga­nisation wäre. Kein schlechtes Gewissen! Weil Pühringer einfach 50 Jahre in dem System gearbeitet hat, ist das für ihn normal.

Der Seniorenbundobmann von Vorarlberg, Werner Huber, stellt sich ins Fernsehen und sagt: Ich weiß gar nicht, was Sie haben, wir machen das seit 1976 so. (Heiterkeit der Abgeordneten Belakowitsch und Scherak.) – Ja, 50 Jahre in diesem System: Sie kennen es nur korrumpiert, Sie kennen es nicht anders! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Die Koro, an sich eine liebe Frau, aber halt auch vom System geprägt, sagt: Wir zahlen nichts zurück, der Seniorenbund zahlt nichts zurück. – Man hat kein schlechtes Ge­wissen, nicht eine Sekunde geht man in sich und sagt: Das war vielleicht nicht super, dass wir das gemacht haben, es tut mir leid, wir zahlen das zurück. Das kommt in Ihrer Welt nicht vor! Der Staat bin ich, denkt sich der ÖVPler, und ich habe mich an keine Regeln zu halten, Regeln gelten für (in Richtung SPÖ, Grüne, NEOS und FPÖ weisend) die da, aber nicht für (in Richtung ÖVP weisend) die. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Der Wirtschaftsbund Vorarlberg hat eine Zeitung herausgegeben und hat mit Inseraten Millionen an Umsätzen gemacht und dafür keine Umsatzsteuer bezahlt. Der jetzige Chef des Vorarlberger Wirtschaftsbundes sagt: Der Rechnungshof hat von Steuern keine Ahnung!, wenn er sich den Bericht ansieht. Er sagt: Die haben keine Ahnung! – Selber keine Umsatzsteuer zahlen und anderen sagen, dass sie keine Ahnung haben! Man hat kein schlechtes Gewissen, kein bisschen Gespür!

Der Landeshauptmann von Vorarlberg, gleichzeitig ÖVP-Parteichef, sagt den Menschen zweimal die Unwahrheit. Er sagt, die ÖVP hat vom Wirtschaftsbund 900 000 Euro be­kommen; nachweislich waren es 1,3 Millionen. Damit hat er schriftlich in einer Landtags­anfragebeantwortung die Unwahrheit gesagt. Er ist immer noch da. Er hat wieder die


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Unwahrheit gesagt, indem er sagte: Ja, meine Handylöschung war ein Routinetausch. – Eine Anfragebeantwortung des sehr souveränen grünen Landesrates Zadra hat hervor­gebracht: Es gibt gar keine Handytauschroutine in der Vorarlberger Landesregierung. (Beifall bei den NEOS.)

Aber wie der damalige Staatssekretär Lopatka gesagt hat: Wir Katholiken können ja beichten gehen, ist ja wurscht, wenn wir nicht die Wahrheit sagen!

Zur Frage, was legal und was illegal ist: Der Rechnungshof hat gesagt: Diese Inserate in diesen Wirtschaftsbundmedien sind Spenden, weil ihnen keine Werbewirkung gegen­übersteht. Im Parteiengesetz steht im § 6 Abs. 6: Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft darf keine Parteispenden machen. Das bedeutet wieder: Jedes Wirtschaftskammer­inse­rat in einer Wirtschaftsbundzeitung war illegal, war eine illegale Parteispende. (Beifall bei den NEOS.)

Immer wenn die Fachgruppe der Tischler inseriert hat, war es eine illegale Parteispende, und wenn die Vorarlberger Elektro- und Metallindustrie inseriert hat, war es eine illegale Parteispende. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und den anderen: Bei Ihnen ist es immer ein Griff in fremde Kassen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Da muss man sich fragen: Wer ist dafür verantwortlich? Kollege Melchior – jetzt ist er da – war heute lange Zeit nicht da, und ich habe Verständnis, dass er sich hier kurzzeitig verabschiedet hat, denn jetzt putzen sich alle an ihm ab. Wenn man sich aber das ÖVP-Parteistatut anschaut, dann sieht man, wer verantwortlich ist, nämlich der General­sekretär – und das war Herr Nehammer! (Der Redner hält eine ausgedruckte Kopie des Bundespartei-Organisationsstatuts der Österreichischen Volkspartei in die Höhe.) Da steht in § 45 des Volkspartei-Bundesparteiorganisationsstatus: „Der (die) Generalsekre­tär(e) leitet (leiten) das Generalsekretariat, das für die Durchführung aller in den Tätigkeitsbereich der Bundesparteiorganisation fallenden Aufgaben allein zuständig ist.“ (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Die Verantwortung liegt bei Herrn Nehammer!

Zum Abschluss noch einmal zur Frau Staatssekretärin: Ich weiß, die ÖVP ist länger in der Regierung, als Sie auf der Welt sind. Stellen Sie sich aber vor, es könnte sein, dass die ÖVP einmal in Opposition ist, und dann - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte den Schlusssatz, Ihre Gesamtredezeit  ist ebenfalls erschöpft!


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (fortsetzend): ... dann hätten Sie auch gerne eine gescheite Antwort, wenn Sie in Opposition wären, und nicht so ein Ins-Gesicht-Spucken wie das heute. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


17.53.40

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Sie kennen mich und auch meine Emotionalität, die ich gerade bei so einem Thema immer mitbringe, vielleicht schon. Es ist auch schwer, mich da zurückzuhalten, aber ich möchte trotzdem ver­suchen, die Problematik mit weniger Lautstärke und weniger Aggression aufzuzeigen.

Was wir derzeit erleben, ist, dass etwas aufgeflogen ist, nämlich die große Täuschung von Sebastian Kurz. Sie hat damals, 2017 – wir haben es gehört –, mit der fast doppelten Überschreitung des Wahlkampfkostenbudgets begonnen. Nach dem Ibizaskandal ist


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man immer mehr ins Rampenlicht gerückt. Denken Sie nur an die Beinschab-Studien, bei denen es im Kern darum gegangen ist, dass man ebenfalls täuschen wollte: das Land, aber sogar auch die eigene Partei!

Jetzt wird alles – und da sind wir mittendrin – in seine Einzelteile zerlegt und aufge­arbeitet. Den vorläufigen Höhepunkt erleben wir jetzt gerade mit dem mehrfach einge­reichten, nachgebesserten, aber immer noch schwer mangelhaften Rechenschafts­be­richt.

Was wir auch gerade erleben, ist ein politischer Selbstreinigungsprozess. Ich habe Ihnen, liebe Kollegen von der ÖVP, aufmerksam zugehört. Was ich heute vermisst habe, war ein Wort des Bedauerns. Was ich heute außerdem vermisst habe, sind Ihre Pläne, dass Sie etwas gutmachen wollen. Ein kleiner Vorschlag: Der Rechnungshof hat testiert, dass das Inseratengeschäft des Vorarlberger Wirtschaftsbundes selbstverständlich so nicht in Ordnung war, sondern dass es im Kern verdeckte Parteispenden waren. Es wäre also angebracht, dass man dieses Geld – Sie haben genug auf dem Konto: 6 Millionen Euro in Aktiendepots – wieder zurücküberweist. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich sage das deshalb, weil die Menschen da draußen das nicht mehr wollen, die möchten wissen, wie sich Ihre Politik finanziert, wer sie finanziert und wieso. So ein Selbst­reinigungsprozess ist schmerzhaft, vor allem für jene integren Personen in der ÖVP, die nie mit von der Partie waren – die gibt es auch, das wissen wir! Noch einmal: Der Selbstreinigungsprozess ist notwendig. In aller Klarheit: Ein Weiter-wie-bisher kann es und wird es nicht geben! (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Mir ist es auch wichtig, ein Wort an die Bevölkerung zu richten: Es gibt in der ganzen wirklich schwerwiegenden Causa auch gute Nachrichten, bei all dem – und da muss man sich auch entschuldigen –, was ihr zugemutet wird, weil gefühlt jede Woche wieder irgendwo eine neue Geschichte auftaucht. Von all dem, was Sie heute gehört haben – und Sie haben wahnsinnig viel gehört: da geht es um Systematiken beim Seniorenbund, beim Inseratengeschäft des Vorarlberger Wirtschaftsbundes –, ist nichts freiwillig offen­gelegt worden. Wieso kennen wir dann all diese Fakten? – Weil wir im Land robuste Kontrollinstitutionen haben!

Wir erleben derzeit wirklich echte Heldengeschichten: Diese Helden sind die Jour­nalis­tinnen und Journalisten, die tagtäglich hinschauen, das sind die Korruptionsermittler, die unabhängige Justiz, die unabhängig vom Ansehen der Person ermittelt. Und – auch das zu erwähnen ist ganz wichtig –: Das unbeirrbare Beamtenethos erlebt ein echtes Comeback. Ich denke da an die Finanzprüfer in Vorarlberg, die das Inseratengeschäft des Wirtschaftsbundes entlarvt haben. Wir haben aber auch eine Präsidentin des Rech­nungshofes, die ohne Rücksicht auf ehemalige Parteikollegen wirklich den Finger in die Wunde legt. Sie alle zusammen beweisen: Unser Land Österreich hat ein Rückgrat! Da gibt es Menschen, die schauen auf die Republik und die lassen sich auch nicht von so einem kleinen Machtzirkel unterkriegen, sondern die machen ihre Jobs, und das ist auch gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Vielleicht ist es auch noch wichtig, Folgendes zu erwähnen: Kontrolle ist nie Selbst­zweck. Nein, es geht darum, dass wir schauen, wo die Schlupflöcher sind. Wir müssen sie verorten und wir müssen sie stopfen. Es geht darum, die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit das im System nicht mehr passiert, damit sich die Österreicherinnen und Österreicher darauf verlassen können, dass es das war.

Ich bin deshalb froh, dass wir ein wirklich brandneues Parteiengesetz auf den Weg schicken. Gerade die lange Mängelliste beim ÖVP-Rechenschaftsbericht zeigt, wie


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wichtig es ist, dass wir das jetzt mit einer richtigen Transparenzinitiative beschließen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da zähle ich auch auf die Abgeordneten vor allem der sozialdemokratischen Fraktion, die leider öffentlich immer noch kein Go gegeben haben.

Dennoch ist klar – dies sei abschließend gesagt –: Dieses Parteiengesetz, das uns europäisch – in der Fußballersprache – von den Abstiegsplätzen wirklich in die Euro­pacupplätze hinaufkatapultiert (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja absurd!), kann nur die Zukunft regeln. Mit der Vergangenheit muss trotzdem aufgeräumt werden. Das kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, niemand anderer abnehmen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

17.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Krainer. – Bitte.


17.59.41

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf besonderen Wunsch des Präsidenten kehrt das Familienfoto zurück. (Der Redner stellt eine Tafel, auf der der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz und Personen aus seinem politischen Umfeld sowie weitere Vertreter der ÖVP in Form einer Fotomontage zu sehen sind, auf das Rednerpult.)

Ich möchte noch auf zwei Aspekte aufmerksam machen, die, wie ich glaube, in der heutigen Debatte gar nicht erwähnt wurden oder zu kurz gekommen sind. Der eine ist, dass nicht nur gegen diese Familienmitglieder (auf das Bild vor sich weisend) ermittelt wird, sondern dass ja auch gegen die ÖVP als Ganzes ermittelt wird – auch einmalig in der Republik. Was macht die ÖVP im Untersuchungsausschuss? Sie beantragt, dass die Mailboxen und die Handys der Staatsanwälte, die gegen die ÖVP ermitteln, konfis­ziert werden, ausgewertet werden und der ÖVP zur Verfügung gestellt werden. Das ist ein echter Skandal! Das ist ein echter Skandal! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Das muss man sich einmal überlegen, dass die ÖVP von jenen Staatsanwälten, die gegen sie ermitteln, ohne irgendeinen Hinweis die Handys konfiszieren lassen will und deren E-Mail-Boxen. (Abg. Hanger: Das stimmt in der Form nicht, nur das, was abstrakt relevant für den Untersuchungsgegenstand ist!) Das ist in einer Art und Weise einmalig in dieser Republik. Jetzt wollen Sie zum VfGH gehen, weil alle anderen Fraktionen im Haus gesagt haben: sicher nicht! (Abg. Hanger: Erkläre es mir! Warum bist du denn jetzt so nervös?) Jetzt wollen Sie zum Verfassungsgerichtshof gehen und das durchsetzen. Sie sollten den Antrag zurückziehen und darüber schweigen (Abg. Hanger: Was ab­strakt relevant für den Untersuchungsgegenstand und unser Recht ist, lieber Kollege!), dass Sie einen derartig perversen Schritt gesetzt haben, der in einem Rechtsstaat gar nichts verloren hat. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Hanger: Genau das ist das Recht, das Sie permanent einfordern, das sprechen Sie uns ab?! So kann es ja nicht gehen in der Demokratie!) – Beruhigen Sie sich, Herr Hanger! (Abg. Hanger: Ja, aber Ihre falschen Vorhalte sind eine Beleidigung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Sie können sich ja zu Wort melden.

Das zweite wirklich Bemerkenswerte, das gestern und heute passiert ist (eine Tafel mit der Aufschrift „Rechenschaftsbericht gemäß § 5 PartG 2012 für das Kalenderjahr 2019 der Österreichischen Volkspartei Bundespartei“ und einem Datum sowie einer Unter­schrift darunter auf das Rednerpult stellend): Der Bundeskanzler, der auch nicht hierherkommt, der nirgends öffentlich Stellung nehmen wollte, hat gestern und heute seine Tour gemacht, um das Nichtteuerungspaket irgendwie zu propagieren, und die


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Journalistinnen und Journalisten haben die Gelegenheit wahrgenommen, ihn zum ÖVP-Rechenschaftsbericht zu befragen, ob das alles stimmt, was dort steht. Was hat er gemacht? – Er hat gesagt: Ach, ich habe es ja nur unterschrieben, aber verantwortlich bin ich nicht, verantwortlich ist Axel Melchior! – Er hat sich hinter seinem Mitarbeiter versteckt. (Abg. Zarits: Das hat er so nicht gesagt! Das hat er so nicht gesagt, das weißt du!) – Das ist aber seine Unterschrift. Ehrlich gesagt ist er nicht verantwortlich dafür, weil ich das sage, er ist verantwortlich, weil die ÖVP in ihr Statut reingeschrieben hat, dass Nehammer verantwortlich ist für das, was im Rechenschaftsbericht drinsteht, und zwar für 2017, für 2018, für 2019 und für 2020. Dafür ist er verantwortlich.

Ich stelle mir folgende Frage: Wenn hier jemand sagt, er unterschreibt etwas, aber seine Unterschrift ist nichts wert, kann so eine Person dann Bundeskanzler sein? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits: Hat er nicht gesagt, das weißt du genau!)

Ich sage Ihnen eines: Österreich hat sich einen Bundeskanzler verdient, dessen Wort und dessen Unterschrift zählt, und keinen, der sagt: Ich unterschreibe es wie eine Auto­grammkarte, aber verantwortlich sind andere! – Nein, er hat die politische Verantwortung und seine Unterschrift hat zu gelten! Wenn dieser Rechenschaftsbericht falsch ist, und der Rechnungshof sagt, dass er kein Wort glaubt – der Rechnungshof sagt, dass er Nehammer kein Wort glaubt –, wenn der Rechenschaftsbericht falsch ist, dann muss er zurücktreten, nicht nur als Parteichef, sondern auch als Bundeskanzler! (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Krainer nimmt die zuletzt genannte Tafel, lässt das Bild mit der Fotomontage auf dem Rednerpult stehen und geht zu seinem Sitzplatz.)

18.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. 2 Minuten ist das Limit. (Abg. Angerer: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident!)

Zur Geschäftsordnung, Abgeordneter Angerer. – Bitte.

*****


18.03.38

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wie kann es sein, dass die ÖVP jetzt auf einmal noch 2 Minuten hat, wenn sie vor einer gewissen Zeit – ich habe einen Screenshot gemacht – auf null war? Wie kann das sein, Herr Präsident? (Rufe bei der ÖVP: Stimmt nicht! Hör auf mit solchen Unterstellungen! – Ruf bei der FPÖ: Unfassbar!) Das müssen Sie mir jetzt erklären! Ich habe einen Screenshot, dass die ÖVP keine Redezeit mehr hat, und jetzt werden 2 Minuten für Herrn Stocker eingemeldet. Das ist ein Skandal, Herr Präsident! (Beifall bei der FPÖ.)

18.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Noch einmal: Welche Screenshots Sie sehen, weiß ich nicht. Ich habe hier eine Redezeitverwaltung, und da stehen 2 Minuten drauf. Ich habe sonst nichts anderes zur Verfügung. Wir werden das aufklären. (Unruhe im Saal.)


18.05.01

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich muss mich entschuldigen. Ich habe mich vertan. Ich muss mich entschuldigen. Sie haben recht, Sie haben noch 2 Minuten. Da habe ich mich vertan, da habe ich mich verschaut. (Beifall bei


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der FPÖ. – Ah-Rufe bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

18.05

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um Ruhe. Ich sage das für alle klar: Ich gehe hier nur so vor, wie es hier meine offizielle Anzeigetafel vorgibt. Sollte da ein Fehler sein, können wir das nachher noch besprechen. Ich bitte Sie aber – denn das ist ein Misstrauen, das Sie dem ganzen Präsidium aussprechen, nicht mir, sondern allen, die hier arbeiten –: Wir haben das nicht gehabt, und darum habe ich - - (Unruhe im Saal.)  Noch einmal – lassen Sie mich vielleicht ausreden! –: Wir haben die 2 Minuten nicht aus irgendeiner Sache hergezaubert. Sie können schauen, hier sind diese Redezeiten noch übrig, und daher hat Herr Stocker jetzt das Wort. – Bitte sehr.


18.06.08

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Vorweg: Herr Kollege Krainer, Sie dürfen sich das Bild wieder abholen, damit Sie es übers Bett hängen können.

Ich darf Ihnen zum Untersuchungsausschuss eines sagen: Wir werden keinen Antrag zurückziehen, und ich sage Ihnen auch, warum: Es geht um Einflussnahme auf die Ermittlungen der Justiz, und da ist es eben so, dass wir alle Beweismittel, die auch nur abstrakt relevant sein könnten, haben wollen. Ich verstehe aber, dass Sie das nervös macht. Dafür habe ich Verständnis, das sage ich Ihnen schon. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Schamlos!)

Wenn Sie sich beschweren, dass wir den Verfassungsgerichtshof anrufen, dann spricht das auch für Ihr Rechtsverständnis, denn Sie haben kein Problem damit gehabt, den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Wenn es aber die anderen machen und es Ihnen nicht mehr passt, dann endet auch der Rechtsstaat. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Sie haben die Methoden aus dem Untersuchungsausschuss hier in dieses Plenum getragen. Es ist gut, dass die Leute vor den Fernsehschirmen sehen, mit welchen Methoden Sie hier arbeiten. Ich darf Ihnen jetzt das Foto fürs Schlafzimmer wieder überreichen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stocker nimmt das genannte Bild vom Red­nerpult, geht zu Abg. Krainer und überreicht es ihm.)

18.07 18.07.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich werde sämtliche Debattenbeiträge durchlesen, auch noch einmal darauf prüfen, ob sie ordnungsrufwürdig sind. Bei der Schnelligkeit kann man das hier nicht – letzten Endes auch deshalb, weil es jedes Mal grenzwertig ist. Die Debatte hat insgesamt eine hohe Emotionalität gehabt. Ich glaube, wir tun gut daran, dass wir das wieder auf eine sachliche Ebene zurückführen. Daher werde ich es auch von dort aus noch einmal beurteilen.

*****

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens ge­genüber dem Bundeskanzler“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsge­setzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Ver­fassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, und damit ist er abgelehnt.

18.08.44Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme nun die Verhandlungen über die Punkte 7 bis 9 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte.


18.09.11

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Meine Damen und Herren am Präsidium! Herr Präsident! Frau Präsidentin! Herr Minister! Wir sind wieder in der Tagesordnung und da wieder beim Epidemiegesetz. Mein Kollege Kucher hat es heute schon einmal gesagt: wieder ein Gesetz, das durchgepeitscht wird.

Wenn Kollege Schallmeiner sagt, Sie peitschen nichts durch, dann frage ich mich, Kol­lege Schallmeiner, wieso keine Begutachtung erfolgte, wenn es nicht durchgepeitscht wird. Einen Gesetzesvorschlag schickt man in die Begutachtung, man holt Stellung­nahmen ein, man arbeitet diese Stellungnahmen ein, dann geht man damit in den Ausschuss, beschließt es im Ausschuss oder auch nicht. Das kommt dann hier ins Plenum, und dann ist das Gesetz wirklich seinen Weg gegangen, wie es gehört.

Wie hat es aber beim Epidemiegesetz ausgeschaut, meine Damen und Herren? – Wir haben 24 Stunden, bevor der Ausschuss stattgefunden hat, einen Abänderungsantrag erhalten; einen Abänderungsantrag, den man in dieser Schnelle, nämlich bis zum Beginn des Ausschusses, gar nicht hat durcharbeiten können. Und was ist dann passiert? – Weil Sie gesagt haben, Kollege Schallmeiner, man höre auf die Experten: Im Ausschuss ist dieser Abänderungsantrag dann zwar beschlossen worden, er hat aber nicht einmal bis zur zweiten Lesung, jetzt hier herinnen, gehalten, denn bei der zweiten Lesung gibt es schon wieder einen Abänderungsantrag zu diesem Gesetz. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.  Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß nicht, wo Ihre Experten waren, Kollege Schallmeiner, denn dieser Abände­rungs­antrag ist dann von acht auf zwölf Seiten verlängert worden, und anscheinend ist das der Stil gerade jenes Ausschusses, dessen Vorsitzender Sie sind, Kollege Schallmeiner, denn das hat System.

Das hat man das letzte Mal auch beim Tierschutzgesetz gesehen, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Auch da wurde etwas auf die Tagesordnung gesetzt, was nicht den normalen Lauf genommen hat: Da ist ein Initiativantrag auf die Tagesordnung gekommen, bevor überhaupt eine Regierungs­vorlage da war. Dann hat man einstimmig vertagt, weil man gesagt hat, man will im Juni noch einen Ausschuss machen. Aber anscheinend gibt es kein Interesse mehr, einen Ausschuss zum Schutz der Tiere zu machen und die Öffentlichkeit zu diesem Ausschuss dazuzunehmen, weil wir ja ein öffentliches Hearing haben wollen.

Der Öffentlichkeit verschweigt man aber tunlichst, was hier in diesem Haus diskutiert wird. Man verschweigt es der Öffentlichkeit tunlichst, wenn Probleme da sind, von denen man nicht will, dass sie an die Öffentlichkeit gelangen. Das Tierschutzvolksbegehren und das Lebendtiertransportvolksbegehren haben insgesamt 850 000 Unterschriften erhalten, meine Damen und Herren, und genau diese 850 000 Menschen wollen wissen, was mit ihrer Stimme passiert! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)


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Anscheinend ist das aber nicht im Interesse der Grünen und schon gar nicht im Interesse der ÖVP, da die Öffentlichkeit zu informieren und einen Ausschuss zu machen, bei dem ein öffentliches Hearing zum Wohl der Tiere und zur Information der Öffentlichkeit stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

18.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


18.12.06

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Vielleicht noch einmal zur Erklärung, weil es jetzt eine Unterbrechung gab: Worum geht es hier? – Es geht um eine ganz massive Veränderung des Epidemie­gesetzes. In den ersten Redebeiträgen der Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, ist schon klar herausgekommen, dass das, was sich da abgespielt hat, auch im Gesund­heitsausschuss, das, was wir heute diskutieren – und ich muss es sehr deutlich sagen, ich hoffe, ich bekomme keinen Ordnungsruf –, ein einfach stümperhaftes, wirklich stüm­perhaftes Vorgehen dieser Bundesregierung und klarerweise auch des verantwortlichen Ministers ist.

Sie verteilen diesen Abänderungsantrag heute an uns, quasi vor Sitzungsbeginn! Ich zeige das ein bisschen her, das sind ja einige Seiten. (Der Redner hält ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe und blättert darin.) Es geht um das Epidemiegesetz, das einen ganz, ganz massiven Einfluss auf unser aller Leben hat.

Ich sage es noch einmal oder versuche, zu erklären, was da jetzt alles passiert – teil­weise hat man es in den Medien ja schon lesen können –: Das, was der Minister, die Grünen und die ÖVP im Ausschuss wollten, hat er jetzt, kurz vor der Sitzung, zurück­gezogen, nämlich diese quasi automatisierten Bescheide via E-Mail, so à la China. Das wurde zurückgezogen, weil sie selbst offensichtlich jetzt das Gefühl haben, dass das vielleicht ein Schritt zu viel ist oder verfassungsmäßig aufgehoben wird. Aber das wollten sie im Ausschuss noch, die Grünen, der Minister und die ÖVP. Das wurde noch verteidigt und ist jetzt gestrichen worden. – Frau Kollegin Schwarz, die zuständige Gesundheits­sprecherin der ÖVP, ist ja gar nicht mehr da – das ist eh ein Wahnsinn bei so einem Punkt; sie ist nicht einmal mehr da, eigentlich unverständlich, aber der Schallmeiner ist ja zumindest noch da.

Ich sage Ihnen ganz kurz, was noch drinnen bleibt: Das sind Verkehrsbeschränkungen. Das heißt, im Zuge dieses Epidemiegesetzes kann der Minister, wer auch immer das ist – aktuell haben wir eben einen Minister, aber wir erleben ja jetzt schon den dritten Minister, vielleicht kommt, ich weiß nicht, im Sommer der vierte oder der fünfte –, irgend­ein zuständiger Gesundheitsminister, das selber veranlassen, ohne das Parlament einzubinden, und kann dann sagen: Ich mache diese oder jene Verkehrsbeschrän­kungen!, und er kann sie sogar bis in den Privatbereich hinein machen.

Und an alle, die sich engagiert haben: Aufgepasst! Er kann es offensichtlich auch bei Demonstrationen machen. So interpretieren wir das. Das heißt, er könnte auf diesem Weg das, was Sie, was diese Regierung ja immer schon wollte, tun: alle Coronademos in Österreich auf diesem Weg untersagen. Ich bin gespannt, ob heute nur mehr die Grünen und die ÖVP mit Mehrheit dafürstimmen oder ob da auch wieder der Sündenfall passiert, dass die Sozialdemokratie dabei ist und die NEOS dabei sind. Wir werden unsere Linie selbstverständlich beibehalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Was passiert? – Ja, es ist eh erklärt worden: Das Erinnerungsschreiben zur vierten Impfung und so weiter, und auch das Contacttracing, das ja immer die große Geschichte war, wird darin klar definiert. Das kann man quasi machen, wie der Minister gerade lustig ist. Was aber auch interessant ist: Es genügt der reine Verdacht. Verdacht kann auch


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sein: ein Ungeimpfter. Dieser wird einfach pro forma verdächtigt, das genügt. Man muss nicht mehr erkrankt sein, man muss es nicht durch einen Test nachweisen, sondern der Minister entscheidet für sich selber, ob er quasi jemanden verdächtigt. – Also dass das in Österreich im Jahr 2022 durchgeht, darüber kann ich nur mehr den Kopf schütteln.

Kollege Saxinger von der ÖVP hat aber in seinem Redebeitrag die neue Linie vor­gestellt – jetzt weiß ich nicht, ob das nur die von der ÖVP ist oder auch von der Regierung, ob der Minister das auch so sieht –, und er hat drei Dinge gesagt: Haus­verstand, Gelassenheit und Wissenschaft. – Das sind die Regeln, die neuen Corona­regeln. (Abg. Saxinger nickt.)

Der Minister wird sagen, ob er das auch so sieht. Ich habe bei seiner Rede ja geklatscht, denn das ist das, Kollege Saxinger, was wir als Freiheitliche seit Anfang 2020 dem Parla­ment, der Regierung klarzumachen versuchen und was sehr, sehr viele in der Bevöl­kerung jetzt mittlerweile auch verstanden haben.

Kollege Saxinger oder die ÖVP als Verantwortliche – immer die Grünen im Beiboot oder vorneweg –, ich sage Ihnen etwas zum Thema Hausverstand: Sie haben die Kinder­spielplätze zugesperrt! – Hausverstand, okay, so verstehen die ÖVP und die Grünen Hausverstand! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Sie haben das Bergwandern verboten! In Tirol – Bürgermeister Willi, der Obergrüne – war Joggen am Innufer verboten sowie auf den Berg, auf die Alm hinaufzugehen. – So viel zum Thema Hausverstand. So, was haben wir da noch alles drinnen gehabt? – Ja, Skihütten! Sie erinnern sich: Ich habe mir meinen Jägertee kaufen können, dann habe ich 50 Meter wegsprinten müssen, damit ich den Jägertee dort konsumiere. – Haus­verstand – ÖVP, Grüne und, leider Gottes auch immer im Boot, die Sozialdemokratie in Geiselhaft ihrer Vorsitzenden sowie Teile der NEOS! Es sind ja nicht alle bei den NEOS, muss man sagen. Wie hat Frau Kollegin Meinl-Reisinger gesagt? – Copyright –: „fetzen­deppert“! Aber das ist Hausverstand! Oder: Teilnahme beim Osterfest. – Das, was ich gerade erwähnt habe, ist nur ein kleiner Auszug aus den Hausverstandsgeschichten.

Der zweite Punkt: Gelassenheit. Was ist mir aufgefallen bei Gelassenheit? – Lockdowns, bumm, alles zugesperrt, Punkt; Lockdowns.

Dann aktuell: Affenpocken. Das verstehen Sie unter Gelassenheit, Herr Kollege? Affen­pocken. Was haben wir noch gehabt? – Den Vergleich der Maskenpflicht, die ja jetzt nach dem Sommer wieder kommt, mit den Winterreifen, auch für Kinder. Das ist Gelas­senheit für Sie, Herr Kollege? Oder die ganzen 1G-, 2G-, 3G-Regeln; und natürlich die Impfpflicht! Das versteht ihr unter Gelassenheit? Das sind die neuen Regeln.

Der dritte Punkt ist Wissenschaft, und bei Wissenschaft haben wir natürlich die Dis­kussion: Welchen Wissenschaftlern glauben wir jetzt? Jenen Experten, die uns im März die Welt erklärt haben, die sich bis heute für ihre Falschaussagen nicht entschuldigt haben?, oder den aktuellen Ergebnissen, durch die wir halt feststellen müssen, dass eine Impfung nicht vor einer Ansteckung schützt – Punkt –, und durch die wir feststellen müssen, dass die Impfung selbstverständlich auch Impfschäden nach sich ziehen kann? Das können wir alles diskutieren, aber das alles waren Ihre drei Regeln.

Es gibt ja noch viel zu erzählen, nur: Es wiederholt sich ja. Aber ich sage es nur noch einmal: Das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) ist jetzt zum Beispiel die Einladung der Uni Innsbruck, „Department für Hygiene, Mikrobiologie und Public Health“, „Einla­dung zum 17. Tiroler Impftag“. Da steht, ganz interessant: „In den beiden Pausen wird zu einem Buffet eingeladen!“, und drunter stehen dann die Sponsoren. Da gibt es die „Platin­sponsoren“: „Pfizer Corporation“, dann gibt es die „Goldsponsoren“: „Glaxo­Smith­Kline“, dann haben wir natürlich „AstraZeneca“, „Johnsson/Johnsson“ und so weiter. – Das sind die Sponsoren.


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Interessant wird es dann ganz unten – das ist ja offensichtlich Wissenschaft –, wo Folgendes steht: „Voraussetzung ist die Einhaltung der [...] gültigen Coronaregeln.“ Diese Veranstaltung ist am 9. Juli, also demnächst! Und darunter steht der hochwis­senschaftliche Satz: Ungeimpften ist der Zutritt untersagt. – So, da reden wir jetzt von Wissenschaft. Es ist in Wahrheit nur mehr zum Schreien, was sich da für ein Irrsinn abspielt.

Kollege Saxinger, ich wäre erleichtert – ein bisschen kenne ich dich ja mittlerweile –, wenn sich zumindest bei der ÖVP jetzt ein bisschen eine andere Vorgehensweise durch­setzen würde. Das würde mich total freuen. Ich bin ein bisschen skeptisch, was den Minister und die Grünen betrifft, aber das, worüber wir heute abstimmen – ich habe es gerade erklärt –, die Änderung des Epidemiegesetzes, ist diametral zu dem, was Sie jetzt gerade gesagt haben, was die Linie der ÖVP ist. Das muss man der Bevölkerung sagen. Es ist schade, dass es bald halb sieben ist und es vielleicht viele nicht mehr mitbekommen, aber wir werden es über alle Kanäle, die wir haben, noch einmal weiterverbreiten.

Ich kann nur alle auffordern – von der Opposition sowieso, aber, ich hoffe, auch von der Regierung, von der ÖVP –, dem heute bitte nicht zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


18.21.20

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, es geht weiter so wie bisher: nichts dazugelernt. Durch die heutige Beschlussfassung der Änderungen des Epidemiegesetzes wird es für die Bevölkerung nur noch schlimmer. Das ist die Wahrheit. Schenken wir der Bevöl­kerung doch reinen Wein ein und sagen wir ihr die Wahrheit!

Am Montag, 13. Juni, ist das offizielle Schreiben vom Land Tirol, von Dr. Theresa Geley, der für Gesundheit Zuständigen im Land Tirol, an sämtliche Gemeinden ergangen, mit einem Inhalt, der es in sich hat. Das ist nämlich die Politik, die Sie betreiben! Es sind nicht die schönen Worte heute hier, weil die Bevölkerung von der Impferei die Schnauze voll hat, sondern das (auf seine Unterlagen weisend) ist die Wahrheit, Herr Minister! Sie können ohne Weiteres in meine Richtung schauen, ich werde Ihnen aus diesem Schreiben mit dem Betreff „Schwerpunktimpfaktion im Spätsommer/Herbst 2022“ zitieren. Sie erwarten sich jetzt schon sehnlichst weitere Infektionswellen herbei. Sie sagen in dem Schreiben: Dagegen gibt es die bekannten guten Covid-19-Impfungen, die vor dem Virus schützen – und jetzt kommt es, eine Unwahrheit – „und das Risiko von schweren Krankheitsverläufen“ verhindern. Das ist schon einmal eine glatte Unwahrheit in diesem Schreiben.

Die Schwerpunktaktionen beginnen im Spätsommer/Herbst 2022, nämlich am 27. Au­gust. In diesem Schreiben fordert das Land Tirol offiziell mit Ihrer Unterstützung die Tiroler Gemeinden auf, darauf zu schauen, dass Kinder bereits ab fünf Jahren geimpft werden. Sie wissen ganz genau, dass Kinder nicht an Corona versterben, wenn sie keine schweren Vorerkrankungen haben. Trotzdem schreiben Sie die Empfehlung des Nationalen Impfgremiums in dieses Schreiben hinein und fordern die Gemeinden auf, darauf zu achten, dass Kinder ab fünf Jahren geimpft werden.

Herr Minister, das ist nicht nur unwissenschaftlich, das ist auch eine glatte Falsch­information, die Sie da über das Land Tirol verbreiten lassen. Und Sie fordern die Eltern auf, darauf zu schauen, wenn die Kinder bereits zwei Impfungen haben, dass sie geboostert


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werden, dass sie bereits ab fünf Jahren die dritte Impfung bekommen. Und in dieser Tonalität geht es weiter.

Sie sagen, eine vierte Impfung ist zumindest für die über 80-Jährigen und wahrscheinlich für die über 65-Jährigen erforderlich – eine vierte Impfung, wissend, dass Impfungen grundsätzlich Nebenwirkungen haben und vor allem die vierte Impfung nicht nur keine Wirkung hat, sondern viele Personen aufgrund derer massivste Probleme haben.

Das Ganze wird mit Ihrem Budget unterstützt. Mit der heutigen Beschlussfassung, Ände­rungen des Epidemiegesetzes, wird auch ein Budget genau für solche Sachen reserviert. Das heißt, die Tiroler Gemeinden, die dies aufgrund dieser unwissenschaftlichen Fakten umsetzen, bekommen Bundesgelder, um bereits fünfjährige Kinder in die Impfungen hineinzudrängen.

Herr Minister, so etwas ist wirklich abträglich, so etwas ist maximal unredlich – schauen Sie sich die Wissenschaft an! Ihnen sind die Impfnebenwirkungen vollkommen egal! Ich habe Ihnen das bereits x-mal mitgeteilt. Stand 14. Mai, Meldungen an die EMA: 24 712 Todesfälle, Nebenwirkungen: 1 776 000, und das bei einer Meldequote von 6 Prozent! Das sind mehr als 27 Millionen Nebenwirkungen, zum Teil schwerste Neben­wirkungen. Die Menschen wollen sich nicht mehr impfen lassen, weil jeder in seinem Umfeld Personen hat, die Nebenwirkungen haben.

Sie sind mir auch noch Antworten schuldig, und ich versuche es jetzt ein drittes Mal, Herr Minister: Die Wirksamkeit und die Sicherheit der Coronaimpfstoffe sind nicht gegeben. Die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes von Biontech/Pfizer werden erst im Juli 2024 bestätigt, von Moderna im März 2024. Und Sie kennen die Mitteilung von Biontech an die Börsenaufsichtsbehörde in Amerika, in der Biontech selber mitgeteilt hat – ich zitiere Ihnen das noch einmal –: Wir sind möglicherweise „nicht in der Lage“, „eine ausreichende Wirksamkeit oder Sicherheit unseres Covid-19-Impfstoffes nachzu­weisen“. Herr Minister, das sagt der Produzent selber! Derzeit sind diese Impfstoffe nur bedingt zugelassen, weil die Wirksamkeit und die Sicherheit über Studien nicht bestätigt sind – und Sie nehmen öffentliche Mittel her, um Kinder ab fünf Jahren in diese Impfungen hineinzudrängen. Herr Minister, gehen Sie einmal in sich! Was Sie hier machen, ist maximal unredlich.

Sie wissen auch, die britische Gesundheitsbehörde hat mit Ende März 2022 ihre Statis­tiken eingestellt, aus denen ich hier im Parlament immer wieder zitiert habe. Ich mache das noch einmal: In den Kalenderwochen 9 bis 12 sind in England – Daten der britischen Gesundheitsbehörde – 4 057 Personen an Corona verstorben. Davon waren 3 736 geimpft, das sind 92,09 Prozent. (Bundesminister Rauch schüttelt den Kopf.) Sie kön­nen ruhig den Kopf schütteln, Herr Minister, Sie wissen das, und wenn Sie es nicht wissen, schauen Sie sich die Statistiken an! 92,09 Prozent waren vollimmunisiert, und davon hatten 3 054 Personen bereits die dritte Impfung. Das heißt: Je öfter man sich impfen lässt, desto höher ist das tatsächliche Risiko, auch an Covid-19 zu versterben. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie wollen die Impfquote in Österreich erhöhen, aber Sie wissen ganz genau, dass es keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen einer Erhöhung der Impfquote und einem Rückgang der Infektionen, der schweren Erkrankungen und auch der Todesfälle gibt. Den gibt es nicht, das ist wissenschaftlich erwiesen! Ich habe Ihnen den Vergleich zwischen Europa und Afrika mehrmals gebracht. Nur ein Beispiel: Portugal, aktueller Stand, 5. Juni 2022: 23 243 Todesfälle, 87 Prozent Impfquote. Das ist eine maximal hohe Impfquote, und trotzdem steigen jetzt auch wieder die Covid-19-Todesfälle an. 3. Juni 2022: 37,43 Prozent. (Zwischenruf der Abg. Tomaselli.)


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Herr Minister, abschließend: Verzichten Sie auf die Beschlussfassung dieser Änderun­gen des Epidemiegesetzes, die nur Verschärfungen inkludieren und Ihnen eine Ver­ordnungsallmacht geben, um zukünftig Österreicherinnen und Österreicher auch vom täglichen Leben wegsperren zu können. Setzen Sie endlich unseren Plan B um: recht­zeitige medizinische Behandlung!

Wissen Sie, was uns und mich im Besonderen wirklich schockiert? – Dass Sie diesen Entschließungsantrag (ein Exemplar in die Höhe haltend), den wir als Freiheitliche Partei im letzten Ausschuss gestellt haben, vertagt haben. In diesem Antrag fordern wir, dass Sie statt der Polizei endlich Ärzte, medizinisches Personal zu den Covid-19-Erkrankten schicken. Wir wollten haben, dass ein mobiler Visitendienst für die Covid-19-Pandemie auf Grundlage des Epidemiegesetzes eingerichtet wird. Das ist die Alternative: recht­zeitige medizinische Behandlung; Personen, die an Covid-19 erkrankt sind, müssen von einem Arzt, von ärztlichem Personal aufgesucht und rechtzeitig behandelt werden. Damit ersparen wir uns menschliches Leid und ersparen wir uns eine Überlastung der Krankenhäuser.

Diese Initiative haben Sie aber vertagt, nicht angenommen, und das ist ein großer, ein maximaler Fehler. (Beifall bei der FPÖ.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordneter Ralph Schallmeiner zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.30.17

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Ich möchte Kollegen Keck tatsächlich berichtigen, der in seiner Rede wortwörtlich gesagt hat: Anscheinend ist das der Stil in jenen Ausschüssen, in denen Sie Vorsitzender sind! – Damit war ich gemeint, also meine Wenigkeit.

Ich möchte berichtigen: Ich bin nicht der Ausschussobmann des Gesundheits­ausschus­ses, so wie es mir Kollege Keck eben unterstellt hat, sondern das ist immer noch Kollege Kaniak.

Ich bin stellvertretender Obmann, und bis heute wurden alle Sitzungen in dieser GP entweder von Kollegen Kaniak oder von Kollegen Kucher geleitet. – Also wenn, dann sollte man schon korrekt bleiben, Kollege Keck! (Beifall bei den Grünen.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Danke.

Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


18.31.00

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte noch auf zwei andere Punkte, die hier in der Debatte zusammengefasst sind, eingehen. Heute soll auch eine Verlängerung in der Betreuung von Substitutions­patien­ten beschlossen werden, gegen die wir uns im Ausschuss vehement ausgesprochen haben, weil damit ein Ausnahmezustand verlängert und die Normversorgung der Substi­tutionspatienten, die einfach auch diesen persönlichen Kontakt sowohl mit dem verord­nenden Arzt als auch mit dem Amtsarzt zwingend vorsieht – was natürlich äußerst sinnvoll ist –, weiterhin außer Kraft gesetzt wird, sodass diese Patienten de facto ohne persönliche Betreuung mit Dreimonatsverordnungen unter Umständen sogar alleinge­lassen werden.

Ebenso auf der Tagesordnung ist eine Weitervergütung der Covid-Arzneimittelabgabe, die beschlossen werden soll. Auch da wird dieses Sondersystem, dieses Parallelsystem


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im Arzneimittelvertrieb, weiter aufrechterhalten, bei dem wir schon lange dafür plädieren, dass das ins Regelsystem hineingeht. Wir haben heute auch schon gehört, dass die Verteilung nicht ordentlich funktioniert, weil dieses System eben parallel und mit beson­deren Maßnahmen und Abrechnungsmodalitäten neben dem Regelversorgungssystem besteht. Da wäre eine Überführung ins Normsystem sicherlich auch hilfreich, damit das schneller und effektiver bei den Patienten, die es auch benötigen, ankommt.

Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen, bei dem die Bundesregierung leider Gottes untätig geblieben ist, obwohl es auch da einer Verlängerung bedurft hätte: Das ist die Ausnahmeregelung für die Verordnung über die Elga-Medikation. Sie wissen vielleicht, dass es seit 1. Jänner dieses Jahres das elektronische Rezept hätte geben sollen. Da gab es technische Probleme, wie bei den meisten Digitalisierungsprojekten im Gesundheitswesen. Das ist nicht fertig geworden, es funktioniert noch nicht ausreichend. Dann gab es eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni. Diese Frist läuft nun ab, und das Problem ist, dass das System E-Rezept noch immer nicht störungsfrei funktioniert.

Viele Ärzte können nicht entsprechend einmelden. Viele Apotheken haben die not­wendigen Lesegeräte nicht bekommen, Stichwort Chipmangel. Jetzt soll das Ganze mit 1. Juli scharf geschalten werden. Nicht nur ich persönlich, sondern auch die Oberöster­reichische Ärztekammer, die Österreichische Apothekerkammer und viele andere sehen hier ein riesiges Problem auf uns zukommen, und ich habe auch in meiner Funktion als Obmann des Gesundheitsausschusses in den letzten zwei Tagen versucht, da noch einen Initiativantrag, eine gesetzliche Lösung herbeizuführen, damit es hier im Gesund­heitstelematikgesetz eine notwendige Verlängerung gibt.

Leider Gottes ist das – offensichtlich vor allem von ÖVP-Seite – blockiert worden. Der Herr Bundesminister hat das heute in der Nacht dankenswerterweise extra noch einmal angeschaut. Abgeordneter Schallmeiner hat mir gesagt, dass vonseiten des Gesund­heits­ministeriums eine Lösung jetzt tatsächlich angedacht wird. Es ist schade, dass wir sie nicht heute rechtzeitig beschließen können, damit dieser Übergang in den 1. Juli keine Probleme verursacht. Wahrscheinlich werden wir es jetzt erst in der nächsten Plenarsitzung oder nächsten Plenarwoche beschließen können, aber besser spät als nie.

Ich sage nur eines: Auf der einen Seite diese vollkommen unkritische Verlängerung von Ausnahmeregelungen, die de facto gar nicht notwendig sind, und auf der anderen Seite die Versuche, sich dann im politischen Hickhack und in Klein-Klein-Spielchen gegen­einander auf dem Rücken der Patienten und Versicherten in Österreich zu profilieren, das ist klar abzulehnen. Beides hat, glaube ich, in der Gesundheitspolitik nichts verloren. (Beifall bei der FPÖ.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich wie vereinbart an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Gesundheitsausschusses.

18.34.35 10. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 2485/A(E) der Abgeord­neten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenerstattung von Wahlarztkosten (1508 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Kaniak, Sie gelangen wieder zu Wort. – Bitte.


18.35.08

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Wir haben im Gesundheitsausschuss einen sehr interessanten Antrag von Abgeordneter Fiedler von den NEOS diskutiert. Es geht dabei um die Kostenerstattung für Arztbesuche beim Wahlarzt.

Konkret geht es um jene Besuche beim Wahlarzt, die notwendig sind, weil es schlicht und ergreifend keinen Kassenarzt gibt. Dieses Problem oder Phänomen ist mittlerweile österreichweit sehr verbreitet. Während nämlich die Zahl der Kassenärzte in Österreich seit Jahren stagniert oder sogar leicht rückläufig ist, und das trotz steigender Bevöl­kerungszahlen – wir haben in Österreich gut 8 000 Kassenärzte –, steigt die Zahl der Wahlärzte überproportional. Mittlerweile gibt es um 30 Prozent mehr Wahlärzte als Kas­senärzte, nämlich ungefähr 10 500 Wahlärzte.

In vielen Regionen haben wir das Problem, dass einfach nur mehr Wahlärzte für die Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung stehen, und deshalb muss man sich etwas überlegen.

Gerade in Zeiten der Teuerungswelle, in denen die Menschen jeden Euro zweimal um­drehen müssen, ist es natürlich ein Problem, wenn der Kostenersatz für diesen Wahl­arztbesuch gerade einmal 80 Prozent des Kassentarifes entspricht, das heißt, die Menschen nicht einmal 80 Prozent von dem, was sie bezahlen, sondern nur 80 Prozent von dem, was die Krankenkasse hypothetisch an einen Kassenarzt gezahlt hätte, zu­rückbekommen.

Damit bleiben die Menschen aus der Not heraus auf diesen Gesundheitskosten sitzen, und es ist gleichzeitig für die Sozialversicherung natürlich eine sehr angenehme Situ­ation, weil man damit einfach Kosten sparen kann – denn wäre es ein Kassenarzt, dann wäre die Behandlung um mindestens 20 Prozent teurer.

Herr Minister, wir haben bereits mehrere Anträge für die Stärkung der Gesundheits­versorgung im niedergelassenen Bereich eingebracht. Sie wissen, dass wir auch in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses mehrere Vorschläge diskutiert haben, wie das Berufsbild des Kassenarztes und des Hausarztes attraktiviert werden können, unter anderem auch durch die Schaffung eines Facharztes für Allgemeinmedizin, durch Ausbildungsstipendien, die an eine Praktizierungspflicht geknüpft sind, und ähnliche Dinge.

Es ist einfach höchst an der Zeit, dass Sie als Minister Verantwortung übernehmen und den Strukturplan Gesundheit, der in Österreich rechtsgültig in Kraft ist und flächig in ganz Österreich verteilt eine entsprechende Stellenanzahl zur Gesundheitsversorgung vor­sieht, einmahnen, damit diese Stellen auch tatsächlich mit Ärzten besetzt werden.

Zu beurteilen, was dafür notwendig ist und wie Sie das machen, obliegt Ihnen in Ihrer Funktion als Gesundheitsminister, aber untätig zuschauen wie Ihre Vorgänger können Sie definitiv nicht! – Bis dahin braucht es gerade in Zeiten einer Teuerungswelle Maß­nahmen, und deshalb unterstützen wir den Antrag der Kollegin Fiedler. (Beifall bei der FPÖ.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.



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18.37.52

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich komme aus Thalheim bei Wels; das ist im oberösterreichischen Zentralraum; wir haben laut Statistik Austria 5 511 Einwohnerinnen und Einwohner. Uns trennt von der Stadt Wels wiederum nur die Traun; das ist ein Fluss, der bei uns eine Breite von 140 Metern hat; die Stadt Wels hat circa 60 000 Ein­wohnerinnen und Einwohner – nur damit man das Ganze sozusagen ein bisschen einordnen kann.

Wir haben bei uns in Thalheim drei Hausärztinnen und Hausärzte mit Kassenvertrag. Diese nehmen aktuell aber keine neuen Patientinnen und Patienten mehr auf, weil sie auch die Versorgungslöcher der Stadt Wels mitzustopfen haben.

Der bei uns im Ort niedergelassene Gynäkologe ist, genauso wie der Augenarzt und genauso wie die Kinderärztin bei uns, Wahlarzt. Warum diese drei wiederum keinen Kassenvertrag aufweisen, hat unterschiedliche Gründe: Zweimal handelt es sich dabei um Ärzte in einem Krankenhaus, die nebenbei noch eine Ordination mit wenigen Stun­den pro Woche betreiben, und einmal handelt es sich um eine Ärztin, die keinen Vertrag mit der Kasse annehmen wollte, weil sie sich ausreichend Zeit für ihre Patientinnen und Patienten nehmen will.

Auch bei anderen Wahlärztinnen und Wahlärzten, mit denen ich in den letzten Wochen und Monaten gesprochen habe, gibt es diverse Gründe – meistens eben: Man möchte sich die Bürokratie nicht antun. Man kann eben gar keine Stelle annehmen, weil man vielleicht sozusagen hauptamtlich in einem Krankenhaus beschäftigt ist.

Da gibt es also Gründe en masse, warum man keinen Kassenvertrag nehmen möchte – oder warum man eben auch keinen bekommt: weil es schlicht und ergreifend für diese Stelle vielleicht auch keinen vorgesehenen Kassenvertrag gibt.

Der vorgelegte Vorschlag der NEOS wird aber keinen dieser Gründe beseitigen; da bin ich mir ganz sicher.

Ich glaube, es muss ja unser gemeinsames Anliegen sein, dass wir diese Gründe be­seitigen, dass wir dafür sorgen, dass es eben auf der einen Seite mehr Kassenverträge gibt, dass es aber auf der anderen Seite auch Lösungen für Situationen gibt, wenn beispielsweise eine Kassenstelle oder was auch immer geteilt werden soll.

Also herzugehen und zu sagen: Wir übernehmen alle Wahlarztrechnungen zu 100 Pro­zent, wenn kein niedergelassener Arzt vorhanden ist!, wird uns in Wirklichkeit keine niedergelassene Ärztin, keinen niedergelassenen Arzt zusätzlich bescheren, sondern es wäre im Gegenteil ja eigentlich ein ziemlicher Anreiz, dass ich, wenn ich Medizinerin oder Mediziner bin, eben meinen Kassenvertrag zurücklege und sage: Ich bin versor­gungswirksam!, weil die Leute dann die erhöhte Honorarrechnung – weil ich dann ja auch mehr verlangen kann – sowieso zu 100 Prozent von der ÖGK rückverrechnet bekommen.

Dass das am Ende des Tages eigentlich nichts anderes bedeutet, als entweder gerin­gere Leistungen durch die Sozialversicherung, also durch die Krankenversicherungen zu übernehmen oder dann eben auf der anderen Seite erhöhte Beiträge zu benötigen, um das, was da an Mehrausgaben auf die Sozialversicherung zukommt, zu kompen­sieren, versteht sich von selbst. Ich glaube, das wollen weder die NEOS, noch will das sonst irgendjemand.

Dass es eine Misere im niedergelassenen Bereich gibt, da bin ich 100 Prozent d’accord, insbesondere dann, wenn die großen Pensionierungswellen kommen. Deshalb ist es


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auch gut, dass beispielsweise die ÖGK jetzt eben endlich hergegangen ist und der Ärztekammer ein entsprechendes neues Vertragswerk, ein flexibleres Vertragswerk vorgelegt hat. Da ist jetzt aus meiner Sicht die Ärztekammer am Zug, dass sie dement­sprechend nachbessert und auch auf diese Angebote eingeht, genauso wie wir uns nochmals den rechtlichen Rahmen für die Primärversorgung in Österreich ansehen müssen. Da gibt es aus meiner Sicht immer noch sehr, sehr viele Punkte, bei denen es sehr, sehr stark hakt, bei denen wir mit Primärversorgungseinheiten, Primärversor­gungszentren auch durchaus entsprechend nachbessern können.

Das, glaube ich, bringt in Summe mehr als der vorliegende Vorschlag, deswegen werden wir ihn auch – so wie im Ausschuss – ablehnen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


18.41.52

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Unser Antrag hat im Ausschuss für verhältnismäßig heftige Debatten gesorgt, die aber ehrlich gesagt nicht neu sind, und auch die Argumentationen waren es nicht – kreativ ja, aber inhaltlich nicht richtig –: Wir sehen überall den Kassenarztmangel, wirklich etwas dage­gen machen kann aber angeblich sowieso niemand, weil über die Stellenpläne ja in den Verhandlungen zwischen Kasse und Kammer entschieden wird, und da ist die Politik wegen der Selbstverwaltung hilflos. – Ganz so ist es aber auch nicht, weil wir ja doch gewisse Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Form der Versicherung, vorge­ben. Und fragen Sie einmal herum, ob Sie jemanden kennen, der sich Kassenbeiträgen entziehen kann. Lassen Sie mich raten: Nein!

Wir sehen nicht ein, warum jeder die vollen Beiträge zahlen soll und einige einfach keine Leistung dafür bekommen sollen. Was können die Versicherungsnehmer dafür, dass die Kassenverträge nach jahrelangen Diskussionen noch nicht attraktiv gemacht wurden? Wie kommen die Bürger dazu, ihren Arzt aus eigener Tasche zahlen zu müssen, weil die Kasse das nicht schafft?

Jetzt haben wir NEOS diesen Antrag vor über zwei Jahren schon einmal eingebracht, und wenn man sich das Protokoll der damaligen Diskussion ansieht, findet man auch keine großen Unterschiede zur Diskussion der vergangenen Woche im Ausschuss: verstärkt den Kassenarztmangel, würde die Beiträge erhöhen, geht sich gerade aus irgendwelchen anderen Gründen nicht aus! Was Sie dabei aber vergessen haben: Mit Ausredensuchen passiert auch nichts. Das macht gerade die ÖVP als Hauptberuf, aber das hat im Parlament nichts zu suchen. (Beifall bei den NEOS.)

Die Kassen heben die Versicherungsbeiträge ein, und im Gegenzug dazu sind sie ver­pflichtet, ihren Versicherten medizinische Versorgung zu bieten. Wo es keine Kassen­ärzte gibt, darf das nicht zum Nachteil der Patienten sein. Natürlich wäre das in erster Instanz teuer für die Kassen, aber überlegen Sie doch, wie man Politik betreibt: Man versucht, positive Anreize zu setzen, und wenn das nicht geht, gibt es Strafen, wenn jemand seine Aufgabe nicht erfüllt. Nichts anderes stellt unser Vorschlag dar: Die Kassen brauchen Anreize, um die Stellen attraktiver zu machen. Dieser Aufgabe kommen sie nicht nach, also brauchen sie offensichtlich so etwas wie Strafzahlungen.

Hören Sie auf, jedem die Schuld zu geben und die Probleme so zu diskutieren, als ob es sowieso keine Lösungen geben würde! Es gibt Wege, das System wieder attraktiv zu machen, und es gibt Wege, unseren Bürgern nachhaltig eine – vor allem gute – Versorgung


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zu bieten. Hören Sie auf, immer nur Überbrückungslösungen zu suchen! Gehen wir bitte richtige Reformen an, und zwar bitte ordentlich und so, dass alle eingebunden sind – nicht so wie bei der Pflege. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mario Lindner. – Bitte.


18.45.01

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollegin Fiedler spricht mit ihrem Antrag ein wichtiges Problem an: Die Zahl der niedergelassenen KassenärztInnen sinkt, die Zahl der Privat­ärztInnen nimmt zu. Gerade im ländlichen Raum wirft das die Frage auf, wie unser Gesundheitssystem langfristig dem Anspruch gerecht wird, alle Menschen bestmöglich zu versorgen.

Ich komme aus einer Region, die das ganz besonders trifft, die Obersteiermark. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vor zwei Wochen, über Pfingsten, gab es im größten Bezirk Öster­reichs, im Bezirk Liezen, keine VisitenärztInnen in drei zentralen Versorgungsregionen. In Schladming, in Bad Aussee und im Großraum Liezen war damit über ein Feier­tagswochenende kein Kassenarzt im Einsatz. (Abg. Meinl-Reisinger – erheitert –: Gott sei Dank war ich nicht krank!) – Kollegin Meinl-Reisinger kennt das Problem. (Heiterkeit des Redners.) Zusätzlich war am Pfingstsonntag sowie am vergangenen Samstag am NEF Rottenmann, also am Notarzteinsatzfahrzeug, kein Notarzt im Dienst, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Zustand ist für unsere Region inakzeptabel. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Das glaube ich!)

Diese Situation tritt nicht nur an den Wochenenden und in großen Bezirken auf, der KassenärztInnenmangel ist eine ausgewachsene Krise in vielen Teilen unseres Landes. Das sehen wir nicht zuletzt auch im Bereich der psychosozialen Versorgung: Nieder­gelassene Kinder- und JugendpsychiaterInnen mit Kassenverträgen werden immer mehr zur Ausnahmeerscheinung. Gerade sie würden wir nach zwei Jahren pandemie­bedingter Krise für unsere Jugend aber ganz dringend brauchen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Eh, aber ... müsste man fragen, warum!)

So sehr ich Kollegin Fiedler beim Aufzeigen des Problems zustimme, so wenig kann ich das bei der angebotenen Lösung tun. Die Politik kann sich nicht zurücklehnen und sagen: Wir finden keine niedergelassenen KassenärztInnen, deswegen geben wir unse­ren Versorgungsauftrag auf! – Fakt ist: Es ist eine soziale Frage, wer sich einen Wahlarzt leisten kann und wer nicht. (Beifall bei der SPÖ.) Wir wollen keine Zwei- oder Dreiklas­senmedizin. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, eh, aber Sie haben sie geschaffen!) Zählen muss die E-Card und nicht die Kreditkarte, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Aber genau das haben Sie ja geschaffen!)

Für immer mehr Menschen ist es nicht einmal ansatzweise eine Option, zum Wahl­arzt/zur Wahlärztin zu gehen und auf die Refundierung der Kosten zu warten. Das können sie sich schlicht und einfach nicht leisten, und genau deshalb ist das für uns auch keine Lösung. Wenn wir Gesundheitspolitik ernst nehmen, dann gibt es nur eine einzige Lösung: Wir müssen endlich ausreichend in den niedergelassenen Bereich und in die KassenärztInnen investieren! (Abg. Meinl-Reisinger: In Wien gibt es überhaupt keine Kinderärzte mehr auf ...! Null!)

Die SPÖ hat dazu in den letzten Wochen und Monaten schon eine Reihe von Vor­schlägen vorgelegt; über diese diskutieren wir sehr gerne mit Ihnen. Unser Ziel muss klar sein: Jeder Mensch in unserer Republik hat das Recht auf wohnortnahe, kassen­finanzierte und rasche Gesundheitsversorgung. Genau das müssen wir sicherstellen (Beifall bei der SPÖ): ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 228

Wenn wir schon dasselbe Problem sehen, dann sage ich: Kleben wir kein kleines Pflaster auf die Wunde, sondern packen wir das Problem an der Wurzel! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Bravo! – Abg. Meinl-Reisinger: Aber wie? Das Wie habe ich nicht gehört! – Abg. Leichtfried: Das war eine gute Rede!)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.


18.48.30

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Problemanalyse sind wir uns alle einig: Es gibt massive Engpässe im kassenärztlichen System, es gibt Patientinnen und Patienten, die monatelang auf einen Facharzttermin warten oder gegebenenfalls gar nicht angenommen werden. Das hat verschiedene Gründe: Einer davon ist, dass die Entwicklung der Kassenstellen nicht mit der demografischen Entwicklung entsprechend mitgezogen hat, dazu kommen höhere Leistungsansprüche, breitere Möglichkeiten der Medizin – all das summiert sich.

Dann gibt es auch noch zunehmend die Schwierigkeit, kassenärztliche Stellen zu beset­zen. Laut Rechnungshofbericht waren Ende 2019 gut 320 kassenärztliche Stellen in Österreich nicht besetzt; denen gegenüber stehen aber mehr als 10 000 Wahlärztinnen und Wahlärzte, und damit ist auch klar, um welche Relation es geht und wen man adressieren muss.

Aus Sicht der Kasse ist es jetzt, wie schon vorhin gesagt, so: Die Wahlärztinnen und Wahlärzte stellen ihren Patientinnen und Patienten eine Honorarnote mit einem von ihnen selbst festgelegten Honorar aus. Wenn sie diese bei der Sozialversicherung einreichen, bekommen sie 80 Prozent, aber nicht von dem, was der Wahlarzt verrechnet hat – das ist viel mehr –, sondern 80 Prozent dessen, was die Kasse einem Kassenarzt gezahlt hätte. Da kann man sagen: Hurra, da erspart sich die Kasse etwas! Das ist ja auch die Intention des Antrages, zu sagen: Na dann bitten wir die Sozialversicherung ordentlich zur Kasse! Sie soll den Wahlärzten oder deren Patienten die volle Höhe ersetzen, dann wird sie sich wohl am Riemen reißen und mehr Kassenarztstellen schaf­fen!

So funktioniert es aber nur auf den ersten Blick. Was bedeutet das? Welchen Grund soll dann noch jemand haben, kassenärztlich tätig zu sein? Wenn er/sie den Vertrag zurück­legt, haben wir eine Mangelsituation. Er/sie wird Wahlarzt/Wahlärztin, kann freihändig Honorare festlegen, und die Allgemeinheit zahlt dafür. Zusätzlich haben sie keine Versorgungsverpflichtung und können sich aussuchen, welche medizinische Leistung sie erbringen und welche nicht, ja sogar welche Patientinnen und Patienten sie anneh­men und welche nicht. Dieses Modell würde zu einer weiteren Ausdünnung des kas­senärztlichen Bereichs führen, die verbleibenden Kassenärzte wären noch stärker überlastet und in einer noch schwierigeren Situation.

Man braucht ganz etwas anderes, und da ist vieles schon am Weg: Man braucht eine weitere Attraktivierung, eine neuerliche Attraktivierung des kassenärztlichen Systems, und dazu einen modernisierten Leistungskatalog, eine Honorarhinterlegung, die tat­sächlich dem Aufwand entspricht. Es braucht aber auch sehr viel Flexibilität bei den Verträgen. Vieles ist jetzt schon möglich, ich nenne Gruppenpraxen, die Anstellung von Ärztinnen und Ärzten bei Ärztinnen und Ärzten, Primärversorgungseinheiten, Primärver­sorgungszentren und -netzwerke, aber zum Beispiel auch Teilzeitkassenverträge, die für manche Regionen durchaus eine interessante Sache wären.

Der Punkt ist, die Regierung und der Bundesgesetzgeber, also wir als Parlament, haben schon für viele dieser Flexibilisierungsmöglichkeiten den rechtlichen Rahmen geschaffen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 229

Es liegt jetzt tatsächlich an der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen, an den Gesundheitsfonds und an der Ärztekammer, diese Flexibilität, diesen Rahmen auch entsprechend zu nutzen. Was wir vonseiten der Bundespolitik dazu tun können, werden wir mit aller Kraft tun, das wird der Herr Gesundheitsminister tun. Braucht es noch Ände­rungen für mehr Flexibilität, werden wir uns auch dafür einsetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die nieder­gelassenen Kassenvertragsärztinnen und -ärzte sind das Rückgrat unserer Gesund­heits­versorgung, und sie stehen unter Druck. Ich möchte an dieser Stelle jeder Kassen­vertragsärztin, jedem Kassenvertragsarzt in Österreich ein großes und herzliches Danke sagen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Blimlinger und Jakob Schwarz.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorla­gen des Gesundheitsausschusses.

18.53.3111. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1435 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geändert werden (Fachzahnarzt-Kieferorthopädie-Gesetz – FZA-KFO-G), und über den

Antrag 1837/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Entschließung des Nationalrates vom 20. November 2020 Facharzt­ausbildung für Kieferorthopädie in Österreich (1509 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner, Sie gelangen in dieser Debatte als Erster zu Wort. – Bitte.


18.54.10

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor dem Livestream und vor den Bildschirmen! Was haben Österreich, Spanien, Kroatien und Luxemburg gemeinsam? – In all diesen Ländern gibt es kein nach EU-Richtlinien vereinheitlichtes Berufsbild des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie, das auch in allen anderen EU-Ländern anerkannt ist.

Nach dieser Sitzung und einem entsprechenden Beschluss im Bundesrat stimmt das nicht mehr. Wir werden heute die notwendigen Beschlüsse dazu fällen, damit Österreich endlich die längst notwendige Rechtsgrundlage für Fachzahnärztinnen und Fachzahn­ärzte für Kieferorthopädie bekommt. Damit kommen wir auch in diesem Bereich der Medizin endlich im 21. Jahrhundert an, sichern Qualität und bauen Versorgungssicher­heit aus. Am 20.11.2020 haben wir hier im Nationalrat gemeinsam einen diesbe­züg­lichen Entschließungsantrag beschlossen. Mit diesem gemeinsamen Beschluss wurde das Gesundheitsministerium dazu aufgefordert, dem Nationalrat eine entsprechende


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Regierungsvorlage zu übermitteln. Diese ging Ende 2021 in Begutachtung. Die Rück­meldungen aus dem Begutachtungsverfahren wurden bestmöglich eingearbeitet, zu­sätzlich gab es einen umfangreichen Stakeholderprozess.

Das Ergebnis, das vorliegt, wurde im Ausschuss einstimmig angenommen. Ich gehe daher davon aus, dass wir auch heute einen einstimmigen Beschluss zusammenbringen werden, und das ist ein Aspekt, der mich in dieser Sache wirklich freut. Ein anderer Aspekt, der mich auch freut, ist, dass wir bei der Ausbildung zur Fachzahnärztin beziehungsweise zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie auch auf Lehrpraxen setzen, also dass wird dort eben auch ausbilden. Damit ermöglichen wir ausreichend Aus­bildungskapazitäten in entsprechender Qualität.

Zum Schluss möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Minis­teriums bedanken, die trotz des Drucks der letzten Monate aufgrund der Pandemie diesen Gesetzentwurf – und auch den Stakeholderprozess und die Gespräche rund­herum – gut und zügig erarbeitet haben. Ebenso möchte ich mich bei den Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Interessenvertretungen, die sich in diesen Prozess kooperativ und pragmatisch eingebracht haben, ausdrücklich bedanken.

Mir ist bewusst, dass es durchaus noch offene Fragen und auch durchaus Kritik im Hinblick auf diesen Gesetzentwurf gibt, gerade aus Studierendensicht, und ich gehe davon aus, dass wir auch diese offenen Fragen, diese Kritik in den kommenden Wochen im Zuge der noch zu erlassenden Durchführungsverordnung klären beziehungsweise entkräften können. Heute aber bin ich auf gut Deutsch froh, dass wir – hoffentlich – Einstimmigkeit zusammenbringen und diesen Beschluss gemeinsam fassen werden.

Abschließend – wenn wir schon von „gemeinsam“ reden –: Wir sind uns hier herinnen hoffentlich auch darüber einig, dass Blutspenden wichtig ist. Ich möchte meine Redezeit daher noch dazu nutzen, einen Aufruf zum Blutspenden zu machen. Das hier (einen Blutspendeausweis in die Höhe haltend) ist mein Blutspendeausweis, den bekommt man in Wien, wenn man Blutspenden geht. Darauf ist die Blutgruppe verzeichnet und es stehen noch ein paar andere Daten drauf. Immer wenn ich in mein Geldtascherl schaue, sehe ich diesen Blutspendeausweis und er erinnert mich daran, regelmäßig Blutspenden zu gehen. Das tue ich auch – und in Zukunft endlich auch diskriminierungsfrei. – In diesem Sinn: Holt euch bitte alle einen Blutspendeausweis und geht regelmäßig Blutspenden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


18.57.47

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nun, bei einem Thema, das manch­mal mit Schmerz in Verbindung gebracht wird – speziell wenn es um Kieferorthopädie infolge von Zahnschmerzen geht –, ist es umso wichtiger, dass man auf die Qualität schaut und die Weichen im Hinblick auf den entsprechenden gesetzlichen Rahmen stellt. Ralph Schallmeiner hat erwähnt, dass mehrere Stakeholder mitgearbeitet haben und dass er versucht, die Zustimmung aller Parteien zu erlangen. Meine Fraktion ist dabei, weil die Sache gut ist, weil das ein wichtiges Thema ist und weil das, denke ich, umge­setzt werden muss.

Wir haben uns bereits einige Zeit mit diesem Thema beschäftigt, und seit 2018 liegt auch eine Rechnungshofempfehlung vor, in der es hauptsächlich um die Qualitätssicherung geht. Wir wissen auch, dass es bereits im November 2020 einen politischen Beschluss zur Umsetzung gegeben hat. Es hat eine gewisse Schlafwagenoptik, dass wir erst jetzt


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diese Regierungsvorlage vorgelegt bekommen haben. Das mag vielleicht der Pandemie oder auch den Wechseln im Gesundheitsministerium geschuldet sein.

Heute liegt eine Regierungsvorlage vor, die einerseits dafür sorgt, dass endlich auch Österreich – das, wie bereits vorhin erwähnt worden ist, neben Spanien, Luxemburg und Kroatien hinterhergehinkt ist – diese Qualitätsstandards erfüllen wird. Wir sorgen für ein Zahnärztegesetz, in dem auch die Ausbildung von Fachzahnärzten und -ärztinnen geregelt sein wird. Von unserer Seite gibt es ein klares Bekenntnis zu diesem Gesetz. Wir sind auch dafür, dass das Zahnärztekammergesetz im Sinne der beruflichen Ver­tretung, der Berufsvertretung und Standesvertretung, entsprechend geändert wird.

Ich möchte noch erwähnen, dass der Rechnungshof 2018 nicht umsonst gerügt hat, dass der Fachzahnarzt und die Fachzahnärztin noch nicht installiert worden sind.

Drei Jahre oder fast vier Jahre sind jetzt vorbei, es ist einige Zeit vergangen. Mit 1.9.2022 wird auch Österreich dem EU-Recht entsprechen und diese Richtlinie umsetzen.

In diesem Sinne: ein klares Ja von meiner Fraktion zu diesem Gesetz. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


19.00.18

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Ja, nicht erst seit 2018, seit dem Rechnungshofbericht, sondern de facto eigentlich schon seit der Einführung der Gratiszahnspange in Österreich 2014 ist offen­kundig, dass hier ein entsprechender Facharzt für Kieferorthopädie fehlt. In den Abrech­nungspositionen der Sozialversicherungen war er schon vorgesehen, jetzt, 2022, wird er endlich Realität, und das freut mich ganz außerordentlich, weil es nicht nur zeigt, dass im Gesundheitsbereich wichtige Entscheidungen tatsächlich auch einstimmig getroffen werden können, sondern weil es einfach auch um die Qualitätssicherung in der zahn­medizinischen Versorgung der Österreicher geht, vor allem auch unserer Kinder, die ja von diesen kieferorthopädischen Leistungen am meisten profitieren. Gesunde Zähne bedeuten ja auch Gesundheit bis ins hohe Alter. Die Älteren unter uns, die da schon Probleme haben, werden dem zustimmen.

Wenn ich noch eine Bitte äußern dürfte: Ich hoffe, dass diese Einstimmigkeit, die wir in dieser Materie hier erhalten, eine Motivation und ein Antrieb ist, dass wir in vielen anderen Bereichen im Gesundheitswesen ein ähnliches Vorgehen finden. Da wäre die Allgemeinmedizin, die dringlich attraktiviert werden müsste, da wäre die Apotheken­ge­setz-Novelle, die jetzt mittlerweile schon von drei Gesundheitsministern ungelesen im Ministerium liegt; nicht zu vergessen die Aufwertung der Pflegekräfte, und vielleicht kommt sogar das Impfen in Apotheken zumindest für Auffrischungsimpfungen. (Beifall des Abg. Kucher.)

Es gibt also noch sehr viel zu tun, Herr Bundesminister – wir stehen für konstruktive Sachen gerne zur Verfügung. (Beifall bei der FPÖ.)

19.01


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.


19.02.02

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kiefer­orthopädie ist das, was man landläufig so unter Zahnregulierung subsumiert. Es ist aber


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in Wirklichkeit ein hoch differenziertes Fach mit extrem großer Verantwortung, weil über­wiegend Kinder behandelt werden und die Art und die Qualität dieser Behandlung nicht nur die Ästhetik fürs weitere Leben, sondern auch die Funktionalität und die Zahn- und die Mundgesundheit fürs weitere Leben determinieren, bestimmen. Deshalb bin ich wirklich froh, dass es jetzt gelingt, auch formal eine so hochwertige Ausbildung dafür in Österreich zu etablieren.

Die Berufsgruppe kämpft eigentlich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten um die Ein­führung des Fachzahnarztes Kieferorthopädie. Sie hat in den letzten Jahren glücklicher­weise Schwung aufgenommen. Ich sage, ein Meilenstein gelang durchaus in der Zeit, als wir Gesundheitsminister Stöger gehabt haben, der die Gratiszahnspange eingeführt hat. Damals ist man davon ausgegangen, dass man etwa 180 gut qualifizierte Kiefer­orthopädinnen und ‑orthopäden braucht, es jeweils zumindest 100 neue Patientinnen und Patienten pro Jahr gibt. In Österreich sind jährlich gut 20 000 Kinder betroffen, da ist es wirklich wichtig, dass auf die Qualität geschaut wird.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, wirklich eine international anerkannte, hochwertige Aus­bildung anzubieten. Ich sage dazu, auch die, die bisher tätig sind, haben großteils natürlich eine gute Ausbildung und auf jeden Fall alle schon sehr viel Erfahrung erwor­ben, aber für die Zukunft braucht es diesen international anerkannten Fachzahn­arzt/Fach­zahnärztin Kieferorthopädie.

Ganz wichtig auch bei dieser Regelung – diese FachärztInnen werden ja erst sukzessive heranwachsen –: Es ist kein Exklusivrecht, dass nur die Fachärztinnen und Fachärzte das tun dürfen. Gerade in Standardsituationen dürfen das auch andere Zahnärztinnen und Zahnärzte, die die entsprechende Erfahrung jetzt schon haben. Für diese gibt es gute Übergangsbestimmungen, die werden weiter entsprechend mitwirken, weshalb das wirklich ein rundes Gesetz geworden ist.

Dass sich manches das letzte halbe Jahr, Dreivierteljahr noch hingezogen hat, war nicht, weil irgendjemand geruht hat, sondern weil man sich gerade vonseiten des Ministeriums intensiv bemüht hat, im Detail auf alle Einwendungen, die durchaus logisch nach­vollziehbar waren, die die Komplexität des Ganzen gezeigt haben, einzugehen und das im Gesetzestext zu berücksichtigen.

Ich möchte ein herzliches Danke sagen erstens einmal an die Kolleginnen und Kollegen im Ministerium, die das wirklich akribisch und geduldig gemacht haben. Ich möchte ein herzliches Danke sagen an die politischen Mitstreiterinnen und Mitstreiter von allen Fraktionen hier, namentlich an Ralph Schallmeiner und an Gerhard Kaniak, die das massiv betrieben haben. Wir haben auch einmal einen gemeinsamen Fünfparteienent­schließungsantrag eingebracht, um das so richtig noch weiter in Schwung zu bringen.

Weiters möchte ich ein Danke sagen an Frau Kollegin Silvia Silli, die die Präsidentin des Verbands der österreichischen Kieferorthopäden ist und seit vielen Jahren wirklich ein Motor in dieser ganzen Angelegenheit war, und letztlich auch ein Danke an die Vertre­terinnen und Vertreter der österreichischen Zahnkliniken, weil auf die ja in der Ausbil­dung auch eine entsprechende Herausforderung zukommt.

Ich finde es gut, dass es heißt: dreijährige Ausbildung auf universitärem Niveau, Vollzeit, aber ein Teil der praktischen Ausbildung kann auch in Lehrpraxen absolviert werden. Das ist zeitgemäß und bringt wirklich einen unmittelbaren Bezug zur Routinepraxis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt viel Danke gesagt. Das größte Danke gilt den Kieferorthopädinnen und Kieferorthopäden, die unsere Kinder behandeln, und danke euch allen, wenn wir das heute wirklich einstimmig beschließen. Wir tun etwas


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Gutes für die kleinen Patientinnen und Patienten und für die etwas größeren auch. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

19.06


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte.


19.06.38

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Ein Gesetz für die Fachausbildung zur Kieferorthopädie – klingt nicht sehr spannend, und wenn man ehrlich ist, so spannend ist es auch nicht. Wie so oft ist es aber eine überfällige An­pas­sung, immerhin haben schon fast alle anderen Länder in der EU eine derartige Fachaus­bildung.

Wichtig ist das Gesetz jetzt, damit Patienten sich orientieren können und wissen, welche Ärzte in welchen Bereichen ausreichend Kompetenz vorweisen können. Genau mit diesem Punkt haben wir einige Probleme, deshalb lassen Sie mich kurz von dieser Fach­ausbildung einen großen Bogen zur Zahnmedizin machen. Für viele Menschen hat die Pandemie nämlich das Vertrauen in die Medizin erschüttert – und, noch schlimmer, auch in die Ärzteschaft und alle zugehörigen Gesundheitsberufe. Wenn wir wollen, dass un­sere Bevölkerung Gesundheitskompetenz entwickelt und sich eigenständig und vorsorg­lich um ihre Gesundheit kümmert, müssen wir wieder ganz stark an diesem Vertrauen arbeiten.

Wir wissen alle, dass wir besonders beim Thema Zähne früh ansetzen müssen. Wer als Kind nicht lernt, ordentlich Zähne zu putzen, wird später mehr Probleme damit haben. Wem man als Kind nicht beibringt, dass auch Kieferorthopädie ganz wichtig ist, der wird sein restliches Leben mit den Folgen von Fehlstellungen leben müssen.

Wir haben die Zahnspange auf Krankenkasse eingeführt, wir wissen aber nicht so wirklich, wie gut das genutzt wird, weil wir auch nicht wirklich wissen, wie viele Kinder und Jugendliche regelmäßig zum Zahnarzt gehen. Aber anstatt unsere eigenen Ver­sprechen einzulösen und einen Eltern-Kind-Pass bis 18 einzuführen, redet das Minis­terium von einem Pass bis zum fünften Lebensjahr.

Sosehr wir die Fachausbildung jetzt begrüßen, so klar muss uns sein, dass wir dringend auch an den Rahmenbedingungen arbeiten müssen, damit die Bevölkerung wirklich davon profitieren kann. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

19.08


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


19.08.42

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Hohes Haus! So viel Zeit muss sein, denn ein einstimmiger Beschluss, der sich mutmaßlich abzeichnet, soll auch entsprechend gewürdigt werden.

Ich möchte mich vorab für die Vorarbeiten, die schon mit der politischen Willensbildung aller Parlamentsklubs zur rechtlichen Umsetzung im November 2020 geleistet worden sind, bedanken. Ich darf mich auch bei den Vertreterinnen und Vertretern der österreichi­schen Zahnärztekammer, der medizinischen Universitäten, des Verbandes der öster­reichischen Kieferorthopäden, auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im


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Haus, die sehr viel Sorgfalt und Zeit darauf verwendet haben, das so hinzubekommen, bedanken.

Ich glaube, damit ist eine gute Voraussetzung geschaffen, dass es zu einem verstärkten Angebot kommt. Das wird Zeit brauchen, das ist klar, aber das verstärkte Angebot der Universitäten an fachärztlichen Ausbildungsplätzen in der Kieferorthopädie wird, da bin ich sicher, kommen.

Und das Angebot von mancher Seite, die Einstimmigkeit vielleicht auch dadurch öfter herzustellen, dass die Fraktionen eingebunden werden, nehme ich gerne an. Ich habe ohnehin vorgehabt, die Gesundheitssprecherinnen und -sprecher des Parlaments einzu­laden, diverse gesundheitspolitische Fragen und Reformprojekte zu besprechen. Da wird es allerdings September werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.10


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte.


19.10.19

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren hier im Hohen Haus! Liebe Zuseher! „Die meisten Menschen wollen mehr Arzt und nicht mehr Medizin“, so Ellis Huber. Daher schaffen wir heute einen wichtigen Facharzt.

Österreich regelt mit diesem Gesetz den Facharzt für Kieferorthopädie nach europa­rechtlichen Anforderungen. Wir wissen, der Beruf der Kieferorthopädie ist wichtig bei Zahnfehlstellungen und besonders bei der Zahngesundheit unserer Kinder. Da kann er große Bedeutung haben, denn gut ausgebildete Kieferorthopäden bedeuten für die Kinder Gesundheit und natürlich auch Glück. Bereits 2018 hat der Rechnungshof die Empfehlung für einen Facharzt für Kieferorthopädie abgegeben, denn der Bedarf ist einfach da, und es geht darum, dass wir diesen Bedarf an Spezialisten abdecken können. Wir haben auch einen klaren Willen dahin gehend mit dem Entschließungs­antrag 2020 gezeigt, der einstimmig von diesem Haus beschlossen worden ist.

In dieser Novelle wird die fachärztliche Ausbildung geregelt, aber auch die Anerkennung von erworbenen Rechten und natürlich auch die Aufgaben der Zahnärztekammer. Die fachliche Ausbildung soll universitär erfolgen, mindestens drei Jahre, und es soll einen theoretischen Teil, aber auch einen praktischen Teil geben. Es ist besonders ideal gelöst, dass der praktische Teil auch in anerkannten kieferorthopädischen Lehrpraxen oder Lehrambulatorien absolviert werden kann. Auch die erworbenen Rechte werden berücksichtigt, denn die Berufsbezeichnung kann auch von jenen mit erworbenen Rechten geführt werden.

Mit diesem Gesetz erfüllen wir die europarechtlichen Vorgaben für den Facharzt Kiefer­orthopädie, daher ist es auch möglich, dass diese Ausbildung europaweit anerkannt wird. Wir haben eine Ausbildung mit internationalem Niveau geschaffen.

Zusätzlich zu dieser Spezialisierung haben wir einerseits gesichert, dass eine hohe Qualität in der Ausbildung gegeben ist, aber andererseits auch, dass wir in Zukunft Ver­sorgungssicherheit bei der Kieferorthopädie haben. Wir haben also mit diesem Gesetz einen guten Punkt geschaffen. Ich möchte mich auch recht herzlich bei allen Zahnärzten und Kieferorthopäden bedanken, die jetzt schon für unsere Kinder sorgen, denn es ist ein wichtiger Beitrag.

Herr Bundesminister, weil wir heute schon einen Facharzt schaffen, möchte ich hier auch noch eine Lanze dafür brechen, dass wir in diesem Punkt weitermachen und einen Facharzt für Allgemeinmedizin schaffen, denn gerade der ist wichtig für uns, für den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 235

ländlichen Raum, damit wir die ärztliche Versorgung auch in Zukunft sicherstellen kön­nen. In diesem Sinne freut es mich, dass wir heute hier einen einstimmigen Be­schluss fassen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.13


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wenn alle Fraktionen einverstanden sind, dann würde ich gleich mit den Abstimmungen fortfahren. – Gut, mir wird Zustimmung signalisiert.

19.14.03Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 7 bis 11


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden, in 1503 der Beilagen.

Hierzu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Saxinger, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen vor. Ich werde daher sogleich über den vor­lie­genden Gesetzentwurf in der Fassung des gesamtändernden Abänderungsantrages abstimmen lassen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den vorliegenden Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1503 der Beilagen in der Fassung des gesamtändernden Abänderungs­antrages aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenom­men.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 1504 der Beilagen.

Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz sowie weitere Gesetze geändert wer­den, in 1505 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Saxinger, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Saxinger, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.


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Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Gesundheits­ausschusses, seinen Bericht 1508 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme des Berichtes aus? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Entwurf betreffend Fachzahnarzt-Kiefer­orthopädie-Gesetz samt Titel und Eingang in 1435 der Beilagen.

Auch hier ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig so ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung ein­stimmig angenommen.

19.17.2012. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2527/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betref­fend Bericht über konsument_innenpolitische Maßnahmen (1496 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


19.17.48

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der vorliegende Antrag der NEOS fordert einen Bericht über die konsumentenpolitischen Maßnahmen. Wir haben diesem Antrag unsere Zustimmung erteilt, in der Hoffnung, dass sich die Regierung künftig mehr um die Anliegen der Konsumentinnen und Konsumenten schert. Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass in den Ausschüssen die Anträge der Oppositionsfraktionen immer vertagt werden oder wie in diesem Falle halt einmal abgelehnt werden und dann in den Natio­nalrat kommen.

Dabei gäbe es wirklich wichtige Themen, die wir im Konsumentenschutzausschuss behandeln sollten. Zum einen haben wir das letzte Mal die Deckelung der Zinsen bei Kontoüberziehungen behandelt, damit Menschen in Notsituationen entlastet werden. Faktum ist, in Zeiten wie diesen – Benzinpreise steigen, Lebensmittelpreise steigen, Wohnungspreise steigen – kommt es immer wieder dazu, dass die Leute ihr Konto überziehen müssen, und dann schaut das am Ende des Monats echt schlimm aus, wenn sie 10 bis 14 Prozent dafür zahlen müssen – mehr zahlen müssen, mehr als bei jedem anderen Kredit.

Ein weiteres Thema: Als Mama einer bald dreijährigen Tochter passiert es mir natürlich immer wieder, dass sie, wenn wir in das Lebensmittelgeschäft kommen und sie einen Hund von Paw Patrol auf irgendeinem Lebensmittel sieht, natürlich gleich hinschießt und dieses Produkt kaufen und haben will. Das sind halt natürlich meistens Lebensmittel, die voller Zucker, voller Fett und sehr ungesund sind. Daher bräuchte es verbindliche Vor­gaben für an Kinder gerichtetes Lebensmittelmarketing. Das hat es leider aber auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 237

noch nicht geschafft, dass wir das beschließen und dass das umgesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit wir noch unsere Pensionistinnen und Pensionisten mitnehmen, Generation 60 plus: Es gibt die Situation, dass gerade bei den Banken die Apps immer mehr werden und das E‑Banking immer mehr wird. Da brauchen wir eine Vereinfachung der Apps. Gerade im ländlichen Raum sehen wir, dass immer mehr Banken geschlossen werden und diese Menschen nicht mehr die Möglichkeiten haben, vor Ort mit den Personen persönlich in Kontakt zu treten. Wir dürfen auch diese Menschen nicht vergessen. Auch da braucht es endlich Entscheidungen für die Konsumentinnen und Konsumenten, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

Daher ist es wirklich wünschenswert – das ist an die Grünen und auch an die ÖVP gerichtet –, dass wir hier endlich Entscheidungen treffen, nicht nur davon sprechen, sondern endlich Taten setzen. – Ich bitte darum, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ so­wie des Abg. Wurm.)

19.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte. (Abg. Wurm: Jetzt bin ich gespannt!)


19.20.32

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! In Vorbereitung muss ich sagen: Es hätte jetzt so viele Themen gegeben, was wir umgesetzt haben, was wir an Anträgen eingebracht haben, sei es der Reparaturbonus, ein Aktionsplan zur Lebensmittelverschwendung und wie wir damit umgehen, die Inkassogebühren und vieles mehr, bei diesem Tagesord­nungspunkt geht es aber in Wirklichkeit darum: Wie werden Konsumenten, Konsu­mentinnen informiert?

Kollege Wurm schaut mich jetzt so freundlich an und nickt zustimmend. Es gibt ja für unsere Konsumentinnen und Konsumenten viele, viele Möglichkeiten, sich zu infor­mieren. Da gibt es auf der einen Seite das Konsumentenpolitische Forum, welches jedes Jahr hochkarätig besetzt ist, dann gibt es auf der anderen Seite das Jahrbuch für Kon­sumentenschutz, zu dem man sagen muss: Man erfährt da etwas über die Gerichts­verfahren, über die Tätigkeit des VKI, über die Tätigkeit unseres Ministeriums, und es werden da die wesentlichen Aktivitäten abgebildet.

In Wirklichkeit muss ich sagen, dass unsere Konsumenten, Konsumentinnen gut infor­miert werden, und wenn es Anfragen, wenn es Beschwerden gibt, dann werden 75 Pro­zent – 75 Prozent! – positiv und rasch von den Verbraucherschutzorganisationen erledigt. 25 Prozent entscheiden sich dazu, die Beschwerden wieder zurückzuziehen. Das heißt, es funktioniert, Konsumentenschutz funktioniert und unser Ministerium informiert um­fassend. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


19.22.28

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, ich bin jetzt ein bisschen sprachlos nach dem Auftritt der Frau Kollegin Fischer von den Grünen. Vielleicht noch einmal zur Erklärung: Es ist ein sehr sinnvoller Antrag der Kollegen von den NEOS, den wir auch unterstützt haben, auch die Sozial­demokraten haben ihn unterstützt, und den die Regierung abgelehnt hat. Im Grunde genommen geht es um bessere Zahlen, Daten, Fakten, mehr Information für Konsu­menten. Normalerweise kann man nichts dagegen haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 238

Der Grund, warum das überhaupt heute hier im Plenum behandelt wird, sage ich einmal, ist, dass es natürlich für diese Regierung peinlich ist, wenn sie zum Thema Konsu­mentenschutz im Parlament nichts bringen kann. Die Erklärung – noch einmal für die Nicht-Insider – ist folgendermaßen: Wenn im Ausschuss etwas vertagt wird, dann taucht das hier im Plenum nicht auf, und alles, was die letzten zweieinhalb Jahre an sinnvollen konsumentenschutzpolitischen Maßnahmen vorgeschlagen wurde, wurde mehr oder weniger in einer Vertagungsorgie dieser Regierung mit den Kollegen Weidinger und Fischer vertagt, und deshalb passiert im Konsumentenschutz auch nichts. (Zwischenruf des Abg. Weidinger.)

Jetzt haben Sie quasi einen harmlosen Antrag der NEOS abgelehnt, damit Sie irgend­etwas zum Thema Konsumentenschutz erzählen können. Liebe Zuseher, ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu erklären, dass gerade jetzt, in Zeiten wie diesen, für Konsu­menten der Hut brennt. Konsumentenschutz ist immer wichtig, aber gerade jetzt wäre eigentlich eine Hochzeit des Konsumentenschutzes – und da passiert genau gar nichts, nämlich null.

Wir haben eine Kostenlawine, Herr Minister, Sie wissen das. Von Ihrer Seite aus – Sie sind mittlerweile der Dritte, der dieses Spiel weiterspielt – passiert nichts außer Stillstand und Vertagungsorgien. Vielleicht sollte man es schon für die, die dieser Sitzung noch länger zu Hause zuschauen, erklären: Wenn Sie ein bisschen warten, kommt im Bereich Landwirtschaft ein Antrag. Es war der einzige Antrag von 19 Anträgen im Konsu­mentenschutz, 18 waren von der Opposition – von uns, von den Sozialdemokraten, von den NEOS – und einen Antrag hat die Regierung – ÖVP und Grüne – zum Thema Kon­sumentenschutz eingebracht. Den muss ich Ihnen ein bisschen erklären, und wenn es nicht so traurig wäre, wäre es lustig.

Der Antrag wurde von den Kollegen Fischer und Weidinger zum Thema Haltbarkeit von Eiern eingebracht. Das war ihr großes Thema im Jahre 2022, im Juni – bei 8 Prozent Inflation, Kostenexplosion, bei Tausenden, ja Hunderttausenden Haushalten, die ums Überleben kämpfen, da gibt es Platz genug für Konsumentenschutz. Und was pas­siert? – Sie machen einen Antrag zur Haltbarkeit von Eiern, was ja sowieso die Euro­päische Union entscheiden muss und nicht Kollege Weidinger oder Kollegin Fischer. Das war im Antrag auch so formuliert. Wir haben es als Gockala-Antrag tituliert – ich glaube, Sie kennen diesen Schlager: Der Gockala, der Gockala ist da! –, das ist die Konsumentenschutzpolitik dieser Regierung, und die reiht sich nahtlos in die Stümperei dieser Regierung in anderen Dingen ein. Also ich hoffe, wir müssen das nicht mehr lange ertragen.

Um es nicht ganz so einfach für diese Regierung zu machen, habe ich jetzt vor, einen Antrag zu einem wichtigen Thema einzubringen: Bargeld. Es wird nicht der letzte sein, keine Sorge, weil beim Thema Bargeld nämlich auch überhaupt nichts passiert. Die Sicherung des Bargelds ist nämlich die letzte Freiheit, die wir noch haben, bevor wir einen gläsernen Konsumenten haben, etwas, das in Wahrheit, glaube ich, keiner will – also die Regierung schon, aber wir zumindest nicht.

Ich darf folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Master­plan der Bargeldabschaffung in der EU“

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen folgenden Entschließungsantrag:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 239

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich auf euro­päischer Ebene dafür einzusetzen, dass

- die Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand erhalten bleiben und

- keine Aufrundung von Preisen für Waren und Dienstleistungen im Zuge der Abschaf­fung von Cent- und Euro-Bargeldmünzen erfolgt“

*****

Das Thema Bargeld – noch einmal zur Erklärung – ist leider Gottes in Österreich ge­setzlich ganz, ganz schwach abgesichert. Das ist der Grund, warum mittlerweile ganz, ganz viele Betriebe dazu übergehen, Bargeld nicht mehr zu akzeptieren. Wir werden nicht müde werden, Maßnahmen anzustoßen, damit dieser Stopp des Bargelds endlich ein Ende hat und die Freiheit des Bargelds in Österreich Bestand hat. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.27

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Peter Wurm, Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in der EU

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 12.) Bericht des Ausschusses für Konsu­mentenschutz über den Antrag 2527/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über konsumentinnenpolitische Maß­nahmen (1496 d.B) in der 162. Sitzung des Nationalrats am 15.Juni 2022

Der Masterplan der Bargeldabschaffung schreitet in der Europäischen Union offen­sichtlich weiter voran. Nach der Beseitigung der 500 Euro-Geldscheine geht es jetzt den 1 und 2-Cent-Münzen durch die Eurokraten in Brüssel an den Kragen. Aus der EU-Kommission heraus hört man, die Cent-Münzen seien unbeliebt. In Wahrheit soll im Zuge dieser Cent-Abschaffung dann auch gleich eine Aufrundung bei Preisen und Dienstleistungen erfolgen.

Am Ende des Tages freut sich wieder der EU-Budgetkommissar in Brüssel, dessen Einnahmen ja auf der Grundlage von Steuereinnahmen der Mitgliedsländer beruhen. Steigen die Preise durch Aufrundung wegen Wegfall von 1 und 2-Centmünzen, dann erhöhen sich etwa auch Mehrwertsteuereinnahmen auf Waren und Dienstleistungen.

Alle Preise sollen auf 5-Cent aufgerundet werden

Geht es nach Brüssel, dann sollen alle Preise auf 5-Cent aufgerundet werden. Das bringt in der Masse für den einfachen Mann und die einfache Frau im Volk dann einen ordent­lichen Preisschub nach oben. Bereits seit 2001 gab es immer wieder Vorstöße aus der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank für die Cent-Abschaffung.

Kritiker der EU und ihrer Bargeldpolitik sind sich einig: Am Ende des Tages will man alle Cent-Geldstücke abschaffen, wie aus gewissen Finanzwirtschaftskreisen zu hören ist. Einerseits möchte man Konsumenten und Wirtschaft in den bargeldlosen Zahlungs­verkehr abdrängen, andererseits soll kein Produkt und keine Dienstleistung

mehr billiger als 1 Euro sein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 240

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert sich auf europä­ischer Ebene dafür einzusetzen, dass

-die Cent- und Euro-Bargeldmünzen in ihrem aktuellen Bestand erhalten bleiben und

-keine Aufrundung von Preisen für Waren und Dienstleistungen im Zuge der Abschaf­fung von Cent- und Euro-Bargeldmünzen erfolgt

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maria Smodics-Neumann. – Bitte.


19.27.32

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf auch zum Antrag der NEOS Stellung nehmen, nämlich einen Bericht über die getroffenen Maßnahmen im Bereich Konsumentenschutz zu erstellen, rückwirkend für 2020, 2021, und in weiterer Folge diesen Bericht auch alle zwei Jahre zu erstellen.

Die Begründung, die ich im Antrag der NEOS gelesen habe, ist, dass es sozusagen keine oder zu wenige Daten gibt, um politische Entscheidungen zu treffen. Einige Kolle­gen vor mir, wie Kollegin Fischer, haben es vorhin schon ausgeführt: Es gibt unglaublich viele Informationsportale, nicht nur seitens des Ministeriums, wie das Jahrbuch, die Ombudsstelle, das Konsumentenportal, das tagesaktuell gehalten werden kann, sprich, wo man wirklich ganz kurzfristig die Entwicklungen kommunizieren kann.

Der Konsumentenschutz ist unglaublich vielfältig, und deswegen erfolgt dort, wo das Ministerium vielleicht das Know-how nicht hat, eine sehr enge Zusammenarbeit mit diversen Beratungsstellen, die ich gar nicht alle aufzählen kann, aber denken Sie an diverse Schlichtungsstellen, an die Patientenanwaltschaft, an die Schuldnerberatung et cetera, et cetera.

Es stimmt: Was es nicht gibt, ist eine Nachschau, ein Bericht über alle getroffenen Maßnahmen der letzten zwei Jahre. Jetzt denke ich aber, dass das das verkehrte Instru­ment ist, um politische Entscheidungen zu treffen, denn: Was hilft mir eine Nach­schau, wenn ich tagesaktuelle Beratungsstellen habe, in denen ich mich einem Problem auch ganz kurzfristig widmen kann?

So eine Zusammenschau würde aber auch unglaublich viele Ressourcen binden, und deswegen empfehle ich, diesen Antrag abzulehnen, weil es nicht wirtschaftlich ist, weil es nicht zweckmäßig für genau dieses Problem ist – sprich, politische Entscheidungen für die Konsumentinnen und Konsumenten zu treffen – und weil es auch nicht sparsam ist, weil es extrem viele Ressourcen bindet, Ressourcen, die aber das Gesundheits­ministerium dazu braucht – und auch bitte dazu verwendet –, Konsumenten gut zu informieren und Konsumenten zu schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

19.29


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Katharina Werner. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 241

19.30.04

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Sie kennen alle die Berichte aus den Ministerien, den Grünen Bericht zum Thema Landwirtschaft, den Verkehrsbericht, den Sportbericht, den Tierschutzbericht. Ziel dieser Berichte ist es, einen Überblick darüber zu geben, was in Österreich in einem Politikfeld geleistet wurde.

Ja, Politik muss etwas leisten. Und da wir heute schon die Debatte hatten: Ich denke, die Politik muss etwas für die Menschen leisten und nicht für die Parteien. Politik muss auch Rechenschaft darüber ablegen, was geleistet wurde, und das nicht nur am Wahl­tag.

Im Konsumentenschutz, es wurde schon angesprochen, sind viele Themen eben ressortübergreifend. Ein Beispiel: Letzte Woche wollte ich mit dem Zug fahren, und wie vielen anderen Menschen auch ist es mir passiert, dass ich, obwohl ich ein gültiges Ticket hatte, den Zug verlassen musste, weil ich keine Reservierung hatte. Im Konsu­mentenschutzlatein sprechen wir von Fahrgastrechten. Das ist eine Schnittmenge zwischen Klimaministerium und Konsumentenschutzministerium. Was wird also der Konsumentenschutzminister für die Menschen, die aus dem Zug geworfen werden, leisten?

Mein Anliegen, Frau Fischer hat es schon gesagt, wurde im Ausschuss mit der Be­grün­dung, dass es ja das Konsumentenpolitische Jahrbuch gibt, abgelehnt. Ja, das gibt es, und es gibt auch einen super Überblick auf über 800 Seiten, vor allem über die aktuelle Rechtsprechung. Über den politischen Fortschritt hingegen, darüber, was die Politik leistet, gibt es keine Auskunft.

Warum will man also keinen solchen Bericht? Vielleicht weil er in etwa so (ein leeres Blatt Papier in die Höhe haltend) aussehen würde. (Abg. Wurm: Weil es peinlich wäre!) Wirft man nämlich einen Blick ins Regierungsprogramm, dann stellt man fest, dass nach drei Jahren eigentlich nichts umgesetzt wurde. Dauerhafte Finanzierung des VKI – kein Fortschritt; Evaluierung der Inkassokosten – kein Fortschritt; Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie – kein Fortschritt. Viele andere Punkte sind nur nebulös formu­liert, konkrete Maßnahmen fehlen. Wir stellen uns daher – auch vor dem Hintergrund, dass wir mittlerweile den dritten Konsumentenschutzminister haben – die Frage: Wo ist denn jetzt die Leistung?

Seien wir ehrlich: Konsumentenschutzpolitik ist in Österreich Oppositionspolitik. Wir haben einmal nachgezählt: Seit Jänner 2020 gab es drei Anträge von der Regierung und in etwa 100 von der Opposition. Es ist also höchste Zeit, dass Sie in die Gänge kommen und ein paar Punkte von denen, die Sie versprochen haben, umsetzen. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.32


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte.


19.33.01

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Konsumentenausschuss ist es so wie in vielen anderen Aus­schüssen auch: Es landen viele Anträge in der Schublade. So erging es jenem hin­sichtlich der Blackout-Box, einem wirklich sehr gut durchdachten Leitfaden für die Bevöl­kerung. Er wurde nicht einmal ignoriert, er wurde vertagt.

Meine Damen und Herren, die österreichische Bevölkerung hat neben der Corona­pandemie erneut mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Wir befinden uns mitten in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 242

einer Rekordinflation. Die Teuerungswelle hat ihren Plafond noch lange nicht erreicht. Konsumentinnen und Konsumenten zahlen Höchstpreise für Güter des täglichen Bedarfs. An der Zapfsäule treibt es den Menschen die Zornesröte ins Gesicht, weil sie von den Ölmultis schamlos abgezockt werden. Viele Menschen haben spürbar Angst vor dem Verlust an Lebensqualität beziehungsweise vor dem persönlichen sozialen Abstieg.

Was macht die Regierung? – Sie legt auf Druck der Gewerkschaft und einer großen Betriebsrätekonferenz ein Ankündigungspaket auf den Tisch. Erst im Herbst soll etwas passieren, viel zu spät, und auch das ist letztendlich in die Kategorie Charity einzu­ordnen. Es sind keine strukturellen Verbesserungen vorgesehen, der Teuerung wird nicht ausreichend entgegengewirkt.

Mit dieser Art von Scheckbuchpolitik – die heutige Ausgabe der Tageszeitung „Die Presse“ hat es treffend beschrieben – wird es zu keiner substanziellen Entlastung kom­men. Sämtliche Einmalzahlungen, meine Damen und Herren, werden verpuffen. (Zwi­schenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Natürlich, nicht an allem ist die Regierung schuld. Dennoch ist sie nicht in der Lage, Probleme in den Griff zu bekommen. Anstatt die horrenden Benzin-, Diesel-, Öl- und Gaspreise zu deckeln und die Energie- und Ölkonzerne an die Kandare zu nehmen, wird der Preistreiberei tatenlos zugesehen.

Preisexplosionen auf Grundnahrungsmittel: Die ÖVP rührt kein Ohrwaschel, obwohl sie mit einer befristeten Mehrwertsteuersenkung sofort entgegensteuern müsste.

Thema Wohnen: ÖVP und Grüne sind untätig. Jeder weiß: Je weniger jemand verdient, desto höher ist der Anteil der Wohnkosten. Die Regierung könnte rasch eine Mietpreis­obergrenze umsetzen – tut sie nicht.

Die Folgen der schwarz-grünen Politik sind sinkende Kaufkraft, dahinschmelzende Rücklagen und die Zurückhaltung beim Konsum. Die Leidtragenden sind Familien, Pensionisten und hart arbeitende Menschen.

Was es wirklich brauchen würde, um den Wohlstandsverlust – der nicht nur droht, sondern schon eingetreten ist – der Österreicher zu verhindern, ist, die Krisengewinnler endlich zur Kasse zu bitten. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Rekordgewinne sollten direkt zur Entlastung der Bevölkerung eingesetzt werden. Die Steuern auf Arbeit sollten gesenkt werden. Die Abschaffung der kalten Progression kann nur ein erster Schritt sein. Die Pensionen muss man an die Inflation anpassen und diese Anpassung vorziehen. Auf zwei Millionen Menschen wird derzeit bei der soge­nannten Entlastung völlig vergessen, eine Ausnahme sind die Ausgleichszulagen­bezie­herinnen, denn die Altersarmut ist weiblich.

Die Löhne und Gehälter muss man an die Inflationsrate anpassen, Mieterhöhungen rückgängig machen und die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zumindest be­fristet senken, besser wäre es, sie auszusetzen.

Meine Damen und Herren, die Österreicher haben ein sehr feines Sensorium. Unter­schätzen Sie das nicht! Solange Ihnen von ÖVP und Grünen die Börsenkurse von Energiekonzernen und Ölmultis wichtiger sind als die klammen Geldbörseln der Österreicher, werden Sie unsere Republik nicht aus der Krise steuern können. Besser wäre es, Sie legen Ihre Ruder nieder und machen den Weg frei für einen neuen Kurs für Österreich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 243

19.37.11

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kollegen Abgeordnete! Ja, die Anregung der NEOS zur Vorlage eines periodischen Berichtes über konsumentenschutzpolitische Maßnahmen stößt bei uns auf Gegenliebe und auch Zuspruch, das haben wir schon im Ausschuss gesagt.

Auch andere Ministerien legen solche Berichte vor, um einerseits einen Überblick über die Maßnahmen des Ministeriums zu geben und andererseits auch Entwicklungen aufzuzeigen. Gerade in Zeiten einer nicht schleichenden, sondern galoppierenden Infla­tion wäre es höchst an der Zeit, hier etwas zu tun, um den Konsumenten durch solche Berichte Informationen zukommen zu lassen.

Vergessen wir nicht, die Spritpreise laufen uns davon! Wenn Sie sich die Zeit nehmen und das ausrechnen, dann erkennen Sie, dass sich die Spritpreise für einen Pendler in der Jahresleistung heuer nahezu verdoppeln werden.

Auch die Heizkosten könnten sich verdoppeln, und vielerorts sind die Mieten extrem angestiegen. Freilich sind auch die Strompreise da mitgezogen sowie auch die Preise für Nahrungs- und Grundnahrungsmittel.

Viele dieser Preiserhöhungen scheinen uns wirklich schwer nachvollziehbar. Wenn zum Beispiel ein Stück Gemüsepaprika an die 1,50 Euro kostet, dann wäre es schon interessant zu wissen, wie es zu dieser Preisgestaltung kommt. Ich bezweifle, dass hier beim Erzeuger, also beim Bauern, auch nur 10 Prozent dieses Preises ankommen – und da sind wir in einer gewaltigen Schieflage.

Ein Klima- und Antiteuerungsbonus, so wie er vorgestellt wurde, kann das bis zum Jah­resende nicht einmal annähernd ausgleichen. Wir meinen, dass es ohne regulierende Eingriffe in die soziale Marktwirtschaft jetzt schwer sein wird, den Konsumenten unter die Arme zu greifen.

Wenn wir nämlich die soziale Marktwirtschaft hernehmen, müssen wir nicht nur die marktwirtschaftlichen Aspekte, sondern auch die sozialen Aspekte im Auge behalten. Wir haben den begründeten Verdacht, sage ich hier, dass sich im Zuge dieser Krise einzelne Player in der Wirtschaft tüchtig die Gewinnspanne erhöht haben.

Auch Sie, Herr Bundesminister, und das rechne ich Ihnen hoch an, haben im Ausschuss gesagt, dass Sie diesen Verdacht haben. Ich rechne es Ihnen hoch an, denn ich glaube, Herrn Mückstein wäre es nicht einmal aufgefallen.

Deswegen wäre es gerade jetzt wichtig, den Markt zu beobachten und den Konsu­mentenschutz zu forcieren und einzuschreiten, wenn es notwendig ist. Das erwartet sich die Öffentlichkeit, und die Öffentlichkeit und der Konsument haben es sich auch verdient, dass wirkungsvoll gegen Preistreiberei vorgegangen wird – und zwar nicht irgendwann, sondern möglichst sofort, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

19.40


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Konsumentenschutz.

19.40.2713. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Bericht des Bundes­ministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 244

Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der Ver­braucherInnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 15. Dezember 2021, 227/E XXVII. GP (III-586/1497 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2178/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vertretung der Verbraucherinteressen bei Normungen mit Umsetzungstermin 31. März 2022 (1498 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zur Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


19.41.29

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Es ist ein etwas diffiziles Thema, möglicherweise den Zusehern schwer zu erklären. Es geht eigentlich um den Themenbereich Normung, der für uns alle im täglichen Leben natürlich sehr, sehr wichtig ist.

Um es kurz vorauszuschicken: 90 Prozent aller Normen, mit denen wir als Konsumenten konfrontiert sind, passieren auf europäischer Ebene, und rund 10 Prozent erstellen wir quasi in Österreich autark, selbstständig. Sie sehen schon: Das Verhältnis ist relativ eindeutig. Es ist eine europäische Geschichte, was ja auch im Sinne der Europäischen Union ist, damit wir in den europäischen Staaten idente Normen haben.

Es gibt da schon ein paar Problemstellungen, die wir anders sehen – oder meine Fraktion anders sieht – als die anderen vier Parteien. Grundsätzlich hatten wir im VKI – das ist der einzige funktionierende Konsumentenschutz in Österreich, der Verein für Konsumenteninformation – immer eine Stelle, die sich mit diesem Thema Normen beschäftigt und auch versucht hat, international die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu vertreten. Das war die Organisation Austrian Standards, und diese ist im Zuge der, ich nenne es einmal so, Zerstörung des VKI, also bei der versuchten Zerstörung des VKI – wir haben ja bis heute keine Regelung in diesem Bereich, vielleicht kommt jetzt irgendwann einmal eine, das wäre zumindest ein Highlight –, mehr oder weniger weggebrochen.

Wir diskutieren hier jetzt auch, wie es da weitergehen soll. Der Anstoß kommt ja von der Europäischen Union, und man verbindet das auch mit der Aufforderung, bei dieser Normierung vor allem auch Menschen mit Behinderungen einzubinden beziehungsweise generell halt im Normenbereich die Konsumenten, die es ja betrifft, bei der Entwicklung und Weiterentwicklung der Normen besser ins Boot zu holen. Da stehen wir auf dem Standpunkt, dass wir das gerne wieder dort verankert gehabt hätten, wo es gewesen ist, nämlich im Rahmen des VKI, und die anderen Parteien stehen auf dem Standpunkt, mehr oder weniger eine eigene Fachstelle zu organisieren, die das beobachten soll. Ich halte das für eine bürokratische Krücke, bin auch nicht überzeugt, dass das im Sinne der Konsumenten ist, aber besser so eine Stelle als gar keine Stelle, sage ich jetzt einmal wertfrei, und aus diesem Grund muss man es eh so nehmen, wie es ist.

Grundsätzlich, noch einmal, hängen wir da sehr stark von der Europäischen Union ab, und Sie wissen das, ich habe es mehrmals erwähnt: Leider Gottes passiert in diesem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 245

Bereich Normen sehr, sehr viel vonseiten der Lobbyisten der großen Konzerne, und deshalb sind auch viele Normen nicht konsumentengerecht. Das ist eigentlich das größte Problem, das wir haben, und das können wir in Wahrheit ohnehin nur mit einer starken Vertretung in Brüssel regeln, die also diesen Lobbyisten und Interessen der Großkon­zerne die Stirn bietet. Da sehe ich jetzt wertfrei außer von uns Freiheitlichen auch nicht wahnsinnig viel Widerstand, aber wir werden diesen Widerstand im Sinne der Konsu­menten in Österreich aufrechterhalten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.44


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte.


19.45.00

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben seit Februar 2022 den Bericht „Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der VerbraucherInnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten“.

Wieso ist es wichtig, dass Verbraucherinteressen von einer eigenen Stelle vertreten werden? – Man muss sich das so vorstellen: Eine Norm entsteht nicht über Nacht, egal ob das im Straßenverkehr ist, bei einem Radweg, ob das bei einem technischen Gerät, bei einem Kinderspielgerät oder auch bei einem Desinfektionsmittel ist. Überall braucht es Normen.

Das ist zeitaufwendig, auch was Barrierefreiheit betrifft, und Stakeholder, Konsumenten, Vereine und Organisationen haben dann oft nicht die nötige Zeit. Deswegen ist es wichtig, dass es eine Fachstelle gibt, die weisungsfrei ist, die sich für die Verbraucher­interessen einsetzt. Denn eines ist klar: Vor 1991, bevor der Verbraucherrat eingerichtet wurde, wurden Verbraucherinteressen gar nicht berücksichtigt, und durch das Wirken von Franz Fiala, der der Verbraucherrat war – oder in Wirklichkeit bis Mitte 2022 noch ist –, ist es möglich gewesen, Verbraucherinteressen in Normen hineinzubringen.

An die Kollegen und Kolleginnen der FPÖ: Ich dachte, wir sind da jetzt im Austausch, aber Zuhören war ja noch nie Ihre Stärke. (Zwischenruf des Abg. Rauch. – Abg. Schnedlitz: Weil die Rede so mitreißend ist! – Zwischenruf des Abg. Weidinger.) – Alles gut, alles gut, jeder kann sich entscheiden, wie er will, deswegen gibt es ja die Wahlfreiheit, und das ist auch gut so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Sinne der Verbraucherinteressen ist es nicht unerheblich, wie eine Wasserrutsche gebaut wird, es ist nicht unerheblich, wie eine Fenstersicherung gebaut wird, es braucht Expertisen, es braucht umfassende Studien, und es braucht Zeit und Geld.

Wie vorhin besprochen wurde: Wir bringen im Konsumentenschutzausschuss Anträge ein, das ist richtig, und zu diesem, zum Verbraucherrat, haben wir am 15. Dezember 2021 im Nationalrat folgende Entschließung eingebracht:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, im Sinne des § 24“ Produktsicherheitsgesetz „die Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der VerbraucherInnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten zu prüfen, unter Berücksichtigung einer Kooperation mit dem Aus­schuss für Verbraucherangelegenheiten bei Austrian Standards.“

Sprich: Das, was die FPÖ gefordert hat, haben wir damals eingebracht, und das wird jetzt umgesetzt. Wie das umgesetzt wird, kann man in dem umfassenden Bericht auf der Parlamentshomepage nachlesen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

19.48



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 246

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


19.48.31

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, die Normen – 90 Prozent davon werden auf europäischer Ebene vorge­geben und sollen natürlich auch auf österreichischer Seite da oder dort kontrolliert werden. Und wer wäre dafür prädestiniert? – Der VKI.

Im Endeffekt: Auf europäischer Ebene sind sehr, sehr viele Lobbyisten unterwegs, die natürlich auch ihre Interessen vertreten und versuchen, die globalen Konzerne in den Mittelpunkt zu rücken. Auf der anderen Seite haben wir in Österreich den VKI relativ mundtot gemacht – im Endeffekt hört man gar nichts mehr von ihm – und auch finanziell ausgehöhlt und ausgehungert. Das wäre einmal der erste Schritt, das ist auch in Ihre Richtung gerichtet, Herr Bundesminister: dass man den wieder aufbaut und ihm ein bisschen Leben einhaucht. Das wäre ein wichtiger Punkt.

Ich komme aber noch zu einem anderen Thema, nämlich zur Bundeswettbewerbs­behörde, weil wir ja alle heute schon den ganzen Tag über die Preisentwicklungen hier in Österreich gesprochen haben: Die Bundeswettbewerbsbehörde wäre eigentlich die Behörde, die im Endeffekt die Möglichkeit hätte, auf die Preisentwicklung und auf die Preissteigerungen einzugehen.

Was hört man von der Bundeswettbewerbsbehörde? – Auch nichts. Warum hört man nichts von ihr? – Auch sie wurde mundtot gemacht und auf allen Ebenen ausgehöhlt und als zahnloser Tiger – nur mehr als Überschrift, als Plattitüde – vor den Karren gespannt.

Im Endeffekt, Herr Bundesminister, haben Sie in diesem Bereich sehr, sehr viel Arbeit, auch im Sinne der Konsumenten und aufgrund der Preisentwicklungen, zur Frage, wie man da vorgehen muss. Ich glaube, von Rauch zu Rauch: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Seid ihr verwandt? Wirklich?)

19.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


19.50.21

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Antrag, der einen Bericht des Bundesministers behandelt, sehe ich grundsätzlich die Aufgabe erfüllt, dass eine Prüfung erfolgt ist. Diese Fachstelle für Normung muss meiner Meinung nach nicht beim VKI und auch nicht bei Austrian Standards angesiedelt sein, sondern es kann durchaus eine Fachstelle direkt im Ministerium sein. Es spricht nichts dagegen. Wenn man sich die §§ 8 bis 10 genau durchliest, hat diese Fachstelle doch einen nicht unerheblichen Wirkungsbereich, und man muss auch auf die Effizienz achten.

Ich denke aber trotzdem, dass Folgendes generell gesagt werden muss – und da spreche ich beide Regierungsparteien an –: Ich bin jetzt zweieinhalb Jahre im Hohen Haus, und seitens der Regierungsparteien ist Konsumentenschutzpolitik meiner Mei­nung nach in keinster Weise so betrieben worden, wie man es tun muss.

Ich erinnere an den Bericht des Gesundheitsausschusses zuvor, wo wir einen gemein­samen Antrag zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie gemacht haben. Dort funktioniert es! Im Konsumentenschutz funktioniert es nicht. Unsere Anträge, die gerade jetzt im Zuge der Pandemie und der Teuerung durchaus die Sorgen und Ängste der Menschen darstellen, werden in die Warteschleife geschickt, vertagt. Ich habe einmal von Ihnen, Kollege Weidinger, gehört, es sei eine Wertschätzung, wenn man sie vertagt.  Ich finde,


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das ist keine Wertschätzung. Ich finde, das sind gute Ideen, die einfach in die Warte­schleife gebracht oder versenkt werden.

Gleichzeitig werden aber Anträge abgeschrieben. Ich darf Kollegin Fischer zitieren: Sie hat heute gesagt: Ja, das war der Antrag der Freiheitlichen, der wurde halt jetzt von uns umgesetzt!  Bitte, wieso kann man das nicht gemeinsam machen? Ich würde wirklich bitten, Herr Bundesminister – ich weiß, dass Sie das wollen –, dass wir gerade in dieser Zeit auch gemeinsame Anträge schaffen!

Es liegt einiges am Tisch, das wir gemeinsam machen können. Das ist zum Beispiel die Deckelung der Inkassokosten, wo, glaube ich, ein riesiger Handlungsbedarf besteht, es ist auch die Altersdiskriminierung, zu der Sie gesagt haben, da gehören wirklich klare Ecken und Kanten dargelegt  das sind Anträge, die am Tisch liegen , und auch das Thema der Kontoüberziehungszinsen ist ein wesentliches Thema.

Wir haben gemeinsame Themen, wir haben auf Sorgen und Ängste der Menschen ein­zugehen. Diese Anträge, geschätzter Kollege Weidinger oder auch geschätzte Kollegin Fischer, sind meiner Meinung nach Ablenkungsmanöver dafür, dass man bisher dabei untätig war, gemeinsame Konsumentenschutzpolitik in Österreich zu betreiben.

Meine Hoffnung liegt bei Bundesminister Rauch. Ich denke, er weiß, wo der Hebel anzusetzen ist – auch im Schuldnerbereich. Ich erwarte mir schnellstens die Umsetzung eines Schuldneratlas. Wir sind da im Blindflug unterwegs, haben keine Daten zur Überschuldung. Ich bin überzeugt: Wenn wir gemeinsam alle Hebel und Register ziehen, dann werden wir auch für die Konsumentinnen und Konsumenten in dieser schwierigen Situation eine Lösung finden.

Dieser Antrag hätte schon längst erledigt werden können. Es war eigentlich auch ein Formalfehler, der dazu geführt hat, dass wir heute erst hier stehen und diesen Bericht gemeinsam behandeln. Meine Bitte, die ich heute noch einmal ausspreche – das viel­leicht letztmalig, denn ich bin ein Rufer, der jetzt schon zwei Jahre vor allem in Richtung der ÖVP ruft –, ist: Machen wir gemeinsame Konsumentenschutzpolitik! Das ist unsere Aufgabe, unser Auftrag, gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister, der das will. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

19.53


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller ist die nächste Red­nerin. – Bitte.


19.53.50

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt gerne wieder zum Inhalt des Tagesordnungspunktes zurückkommen, nämlich zu dem Bericht über die Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrnehmung von Interessen der Verbraucher, insbe­sondere auch behinderter Menschen, in der Normung.

Form follows function ist ein wichtiges Kriterium, das im Design und in der Architektur beachtet wird. Genauso wie es eben in der Architektur wichtig ist, dass man für die Funktionen richtig plant und die Funktionen und vor allem den Nutzer im Mittelpunkt hat, sollte es auch bei den Normen sein. Auch Normen sollten also der Funktion folgen und damit den Menschen dienen, die die Dinge, die hergestellt werden, dann auch benutzen.

Ich möchte in meiner Rede jetzt gerne den Fokus auf Menschen mit Behinderung legen. Gerade diese Menschen sind darauf angewiesen, dass wir sie ständig mitdenken, dass wir ihre Bedürfnisse mitdenken, ganz egal, ob Konsumartikel entwickelt werden, ob gebaut wird, egal, ob im öffentlichen Bereich, im Verkehrsbereich, aber natürlich auch im privaten Bereich.


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Es wurde 2015 eine Umfrage gemacht, wie viele Menschen in Österreich sich als behindert einstufen oder auch eingestuft sind. Es waren damals 18,4 Prozent der Befragten über 15 Jahren, das sind circa 1,34 Millionen Personen. Das ist jetzt schon sieben Jahre her, man kann also davon ausgehen, dass es mittlerweile deutlich mehr sind. Genau diese Personen sollten wir auch bei der Erstellung von Normen mehr im Fokus haben.

Behinderungen oder Beeinträchtigungen sind natürlich stark altersabhängig. Von diesen 1,34 Millionen Personen gab damals circa eine Million an, dass sie in der Bewegung eingeschränkt sind, circa 216 000 gaben an, dass sie schlecht sehen, und 157 000, dass sie schlecht hören. Darauf muss man natürlich entsprechende Rücksicht nehmen, und deswegen ist es so wichtig, dass es in Zukunft eine Fachstelle gibt, wo Menschen, die in diesem Bereich Expertise haben, die in einer NGO arbeiten, die sich mit Menschen mit Behinderung auseinandersetzen oder beschäftigen, miteinbezogen werden und ihre Meinungen und ihre Vorschläge gehört und mitaufgenommen werden.

Es gibt aber auch sehr viele gerade ältere Menschen, die nicht klassisch eine Behin­derung oder eine Beeinträchtigung haben. Sie sind aber durch den technischen Fort­schritt der letzten Jahrzehnte sehr stark gefordert, sehr, sehr oft auch überfordert. Ich denke, auch auf diese Menschen müssen wir ganz speziell Rücksicht nehmen.

Ich glaube, viele von Ihnen können das nachvollziehen oder kennen solche Menschen. Ich habe zum Beispiel eine Mutter, die nicht sehr technikaffin ist. Sie tut sich unglaublich schwer, wenn ein Bankomat auf einmal anders ausschaut, als er zuvor ausgeschaut hat, wenn es – keine Ahnung – in einer Stadt fünf verschiedene Arten von Bankomaten gibt oder wenn man mit der Karte im Geschäft zahlt. Jeder von diesen EC-Kartenlesern schaut irgendwie anders aus, funktioniert anders, und das ist speziell für ältere Men­schen auch eine sehr große Herausforderung. Sie sind sehr oft sehr frustriert, wenn sie dann nicht in der Lage sind, die Geräte zu bedienen, beziehungsweise wenn sie um Hilfe fragen müssen.

Es gibt eine Richtlinie der EU aus dem Jahr 2019 über die Barrierefreiheitsan­forde­run­gen für Produkte und Dienstleistungen. Diese muss in den nächsten Jahren auch bei uns umgesetzt werden und dabei geht es genau um diese Dinge. Es geht um Computer, zum Beispiel eben um Bankomaten, um Ticketschalter, um E-Commerce bezie­hungs­weise Möglichkeiten, wie man online einkauft, um E-Books, die nicht jeder bedienen kann, um Zugang zu Onlinefernsehdiensten und ähnlichen Dingen. Es soll darauf ge­schaut wer­den, dass eben auch Menschen, die sich mit der Technik schwertun, besser einbezogen werden, dass es Vereinheitlichungen gibt, damit nicht jedes Gerät anders funktioniert.

Ich bin sehr froh, Herr Minister, dass es diese Fachstelle geben wird, und hoffe natürlich auch, dass entsprechende Expertise eingebracht werden kann und diese dann auch auf europäischer Ebene eingearbeitet und erhört wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.58


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister Rauch.


19.59.00

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Worum geht es bei der Normungsbeteiligung? Die Genese des Berichtes ist erläutert worden. Er kommt zum eindeutigen Ergebnis, dass die Einrichtung einer Fachstelle die Interessen von VerbraucherInnen und Men­schen mit Behinderungen in der Normung effizient wahrnehmen könnte. Dazu ist bereits ein Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der gerade feinabgestimmt und koordiniert wird.


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Das ist auch deshalb notwendig, weil es schlicht und einfach darum geht, die Anliegen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und insbesondere auch die Anliegen von Men­schen mit Behinderungen viel stärker zu berücksichtigen. Das ist die Zielsetzung.

Zur Frage der europäischen Ebene: Es stimmt, was angesprochen wurde, dass sehr viele von den Vorgaben dort ausgearbeitet werden. Es gibt erstaunlicherweise dort einen Fortschritt, auf den viele gewartet haben, der möglicherweise als klein betrachtet wird, den ich aber für gar nicht so unwesentlich halte: Im Bereich der Ladekabel für Handys soll es jetzt so sein, dass das vereinheitlicht wird. Halleluja, kann man da nur sagen. Wir alle kennen das Thema. Es ist übrigens auch eine Ressourcenverschwendung der Sonderklasse, wenn die jeweils weggeschmissen werden müssen. Insgesamt meine ich zur Frage der Normierung, dass da sehr vieles an Synergien gehoben werden könnte, die jetzt nicht genützt werden, weil eine gewisse Einheitlichkeit dann dazu führen würde, Ressourcen einzusparen.

Letzter Punkt, Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern insgesamt, von Konsu­mentinnen und Konsumenten: Ja, dazu stehe ich. Das ist, finde ich, in Zeiten wie diesen ganz besonders wichtig, und die Wettbewerbsbehörde, meine Damen und Herren, ist dabei, jetzt aktuell die Mineralölkonzerne und die Spritpreise einer Überprüfung zu unter­ziehen.

Ich stehe auch nicht an, das hier im Plenum zu sagen: Ja, ich hege den Verdacht, dass in dem einen oder anderen Fall die Inflation beziehungsweise die Teuerung zum Anlass genommen wird, um gewisse Mitnahmeeffekte zu generieren  ich formuliere es jetzt einmal vorsichtig. Das wäre jedenfalls zu unterbinden, weil es nicht sein kann, dass sich unter dem Titel „es ist eh alles teuer“ – und wir haben eine Inflation von 8 oder 10 Pro­zent – dann Preissteigerungen zu Buche schlagen, die sich im Bereich von 30, 40, 50 Prozent und mehr bewegen. Das kann auch nicht mit Lieferkettenschwierigkeiten argumentiert werden. Das mag auf einen Teil zutreffen, aber nicht auf alles. Da hinzu­schauen halte ich jedenfalls für ein Gebot der Stunde.

Den Bankensektor habe ich im Ausschuss angesprochen. Da werde ich Gespräche führen, weil auch da gilt, dass es nicht sein kann, dass eine Art von Altersdiskriminierung Platz greift, die Menschen, die ungefähr so alt wie ich sind, von der Inanspruchnahme von Krediten ausschließt. Das würde ich für nicht angemessen halten. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Weidinger.)

Einen letzten Satz noch zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten oder zur Abfederung der Teuerung: Das größte Paket im Konsumentenschutz, wenn ich es einmal ein bisschen umformulieren darf, wurde gestern verabschiedet: 28 Milliarden Euro für die Abfederung von Inflation und Teuerung. Das hat es in dieser Dimension noch gar nicht gegeben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt kann man schon Kritik daran üben, dass es nicht in allen Bereichen treffsicher ist. Jedenfalls kann man nicht Kritik daran üben, dass es nicht sofort zur Wirkung kommt. Es kommt sofort zur Wirkung, beginnend mit August, mit der Auszahlung einer zusätz­lichen Familienbeihilfe in der Höhe von 180 Euro. Diese ist sofort bei Schulbeginn wirksam, wenn viele Familien vor der Situation stehen, die Kosten nicht bestreiten zu können.

Die nächsten Schritte folgen im September, dann im Oktober, und so geht es weiter. Die 28 Milliarden Euro, zusammen mit den Schritten, die schon auf den Weg gebracht worden sind, haben die Dimension von mehreren Steuerreformen. Dieses Geld kommt bei den Menschen an. Es kommt vor allem dort an, wo es besonders gebraucht wird, nämlich bei den Bezieherinnen und Beziehern von kleinen Einkommen, bei Pensio­nistinnen und Pensionisten, bei AusgleichszulagenbezieherInnen. Und ja, das ist ein


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großer Schritt und das ist, wenn man so will, gelebter KonsumentInnenschutz. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.03


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Heike Grebien zu Wort. – Bitte.


20.03.37

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Wertgeschätzte KollegInnen! Wertgeschätzte ZuseherInnen! Menschen mit Behinderun­gen werden oftmals als BittstellerInnen betrachtet. Dabei wird immer wieder übersehen, dass sie TrägerInnen von Rechten und natürlich auch KonsumentInnen sind. Genau auf diese Rolle von Menschen mit Behinderungen als KonsumentInnen lege ich in meiner heutigen Rede hier den Fokus.

Mit der geplanten Einrichtung, von der Sie jetzt schon mehrfach gehört haben, einer Fachstelle zur Wahrnehmung der Interessen der VerbraucherInnen in der Normung einschließlich Barrierefreiheiten, wird dem Rechnung getragen, dass Menschen mit Behinderungen als KonsumentInnen ernst genommen werden, sie eingebunden werden und so auch ihre Interessen berücksichtigt werden. Damit kommt das Sozialministerium einem Entschließungsantrag im Parlament aus dem Dezember 2021 nach.

Warum ist diese Normung so wichtig für Menschen mit Behinderungen? – Die Bar­rierefreiheit gehört zu den allgemeinen Grundsätzen nach Artikel 3 der UN-Behinderten­rechtskonvention und ist Voraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt leben, vollständig und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben und ihre Rechte ausüben können. Dem Grundgedanken des Designed for All folgend sollen Produkte grundsätzlich für alle NutzerInnen ohne zusätzliche Anpassungen verwendbar sein.

Barrierefreiheit und Universal Design sind daher auch in der UN-Behinderten­rechts­kon­vention als wesentliche Voraussetzungen für die Inklusion von Menschen mit Behinde­rungen verankert. Fast alle Dinge, die wir konsumieren, unterliegen Normen. Das sind Richtlinien, nach denen Produkte und Dienstleistungen gestaltet sind. In der Wirtschaft werden Normen dazu benutzt, Produkte und Dienstleistungen in standardisierter Qualität anzubieten.

In Normungsgremien sitzen ganz große Industrieunternehmen oder Konzerne drinnen, um ihre Interessen bei Produkten und Dienstleistungen zu vertreten, zivilgesell­schaft­liche Organisationen aber und Interessenvertretungen von VerbraucherInnen, auch von Menschen mit Behinderungen, werden selten berücksichtigt oder haben eine zu leise Stimme. Das führt zu einem Ungleichgewicht, und die Interessen werden zu wenig be­rücksichtigt.

Ganz besonders bei Menschen mit Behinderungen führt das dazu, wie wir schon mehr­fach richtig gehört haben, dass sie nicht teilhaben können. Wenn man im Nachhinein etwas ändert, ist das ein extremer Aufwand, wie etwa für die ProgrammiererInnen bei Websites, die nicht barrierefrei sind. Das geht nicht alles so schnell, wie wenn man von vornherein mitdenkt, dass das barrierefrei sein muss, und ist sehr kostenintensiv.

Was planen wir also mit diesem neuen Gesetz, von dem Herr Minister Rauch jetzt schon gesprochen hat? – Wenn VertreterInnen vielfältiger VerbraucherInnen nicht oder nur wenig in Normungsgremien vertreten sind – das habe ich schon erwähnt –, dann werden die Bedürfnisse unzureichend berücksichtigt. Deswegen soll diese eigene Fachstelle zur Normungsbeteiligung geschaffen werden. Diese soll einen Schwerpunkt unter anderem auf Anliegen von Menschen mit Behinderungen und Barrierefreiheit setzen. Das be­deutet konkret, dass das Einbringen von Interessen von Menschen mit Behinderungen


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in die Normung gewährleistet wird. Es gibt die Zusammenarbeit mit dem Öster­reichi­schen Behindertenrat, die Pflege von Kontakten mit Organisationen, deren Zielsetzung Verbraucherschutz oder Barrierefreiheit einschließt.

Kollegin Pfurtscheller hat schon erklärt, was ein Bankomat bedeutet, wenn Sie im Roll­stuhl sitzen. Sie können das auch ausprobieren, wenn Sie nicht im Rollstuhl sitzen. Hockerln Sie sich einmal vor einen Bankomaten: Sie werden nicht sehen, was Sie eingeben oder eintippen. Wenn die Sonne scheint, ist das ganz und gar unmöglich. Das ist ungefähr die Perspektive einer RollstuhlfahrerIn vor einem Bankomaten. Das wird unter anderem da jetzt mitgeregelt: Bankomaten, Bankservices, Streamingdienste, Smartphones – die Kabel wurden schon angesprochen –, E-Book-Reader. Es geht aber auch um die Situation, wenn man ein Ticket für ein Konzert kaufen möchte, also um Onlinedienste.

Für die Zukunft und uns Grüne ist auch wichtig, dass auch Menschen mit Behinderungen E-Autos benutzen können. Diese werden an E-Ladestationen aufgeladen. Schauen Sie sich einmal bewusst um, wie E-Ladestationen derzeit noch verbaut werden! Diese befinden sich ganz oft auf einem Podest. Wenn man zum Beispiel im Rollstuhl sitzt, kommt man, weil die Höhe des Podests, auf dem diese Tanksäule drauf ist, so hoch ist (die Höhe gestisch andeutend), nicht mit dem Arm – so weit reicht der nicht – zur Steckdose.

Wir wollen aber alle mitnehmen, und das heißt, es ist extrem wichtig, dass diese Stelle geschaffen wird und da auch die Interessen der Menschen mit Behinderungen berück­sichtigt werden. Also wie immer: Inklusion tut uns allen gut. – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Drobits.)

20.08


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Peter Weidinger, Sie gelangen jetzt zu Wort. – Bitte.


20.08.33

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die in Österreich leben! Es wurde jetzt schon sehr eindrucksvoll und im Detail geschildert, warum die Einrichtung dieser speziellen Stelle, was Normungen betrifft, für Menschen mit besonderen Beeinträchtigungen und Betroffenheiten eine Notwendigkeit darstellt.

Ich möchte es ganz kurz auf den Punkt bringen. Unser Prinzip ist ganz klar: Die Normen sollen den Menschen dienen, nicht der Mensch der Norm. Deswegen ist es notwendig, dass man inklusiv alle verschiedenen Interessen miteinbezieht, und das wird mit der Umsetzung dieser Stelle auch schaffen.

Wenn wir aber heute hier stehen und noch keine 24 Stunden vergangen sind, seit wir die wesentlichen Beschlüsse für unsere Zeit auf den Weg gebracht haben, was nämlich die Antiteuerungspakete und -maßnahmen betrifft, dann ist es auch notwendig, dass wir das als das erkennen, was es ist, nämlich als das größte Konsumentenschutzprogramm, das Österreich jemals gesehen hat. Ich sage das nicht, weil wir stolz darauf sind, dass es die Notwendigkeit gibt, dass wir solche Pakete beschließen müssen – nein, ganz im Gegenteil –, sondern weil es notwendig ist, in diesen Zeiten den Menschen zur Seite zu stehen und sie so zu unterstützen, wie es notwendig ist. Deswegen nimmt diese Bundesregierung 28 Milliarden Euro in die Hand, um die Menschen zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der SPÖ: Glaubst du das denn selber?)

Dabei bleibt diese Bundesregierung ihren Prinzipien treu. Sie stoppt die Enteignung der Menschen, das war nämlich die kalte Progression. Das wird gestoppt. Das Eigentum


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bleibt den Menschen und es bleibt ein Werterhalt von dem, was sie verdienen. Wir setzen auch einen nächsten Schritt – der Herr Bundesminister hat es dankenswerter­weise auch angesprochen –: Wir helfen jetzt mit zusätzlichen 5 Milliarden Euro, die in den Taschen der Menschen ankommen; 4 Milliarden Euro bis jetzt und noch einmal 5 Milliarden Euro in diesem Kalenderjahr, die in den Brieftaschen der Menschen in Österreich ankommen.

Ich möchte da auch den Unterschied klar herausarbeiten, weil immer so getan wird – vor allem die SPÖ ist der Meinung, sie hat den Gral der Weisen mit einer Maßnahme –, als würde in der Republik Milch und Honig fließen, wenn man das machen würde. Das stimmt ja leider so nicht! Wäre die Idee so gut, dann würden wir sie eh gemeinsam beschließen. Ich möchte da nämlich auf den Preisdeckel eingehen, denn wir haben uns das sehr genau angeschaut. Leider funktioniert der Preisdeckel nicht, weil er zu einer Mangelwirtschaft führt. Wenn man einen Preisdeckel bei Energiepreisen einführt, führt das dazu, dass es zu einer Verlagerung kommt, dass Öl und Gas dorthin transportiert und verkauft werden, wo man einen höheren Ertrag erzielt. Somit schafft man dann auch noch einen Mangel in diesen Ländern. Wenn man zum Beispiel Deutschland hernimmt, wo man mit Unterstützungen für den Benzinpreis nach wenigen Wochen feststellen musste, dass 60 Prozent davon total verpufft sind, weil die Preise wieder gestiegen sind, merkt man, dass man mit dieser Systematik nicht weiterkommt.

Unser Ansatz, geschätzte Frau Präsidentin, ist ein viel klügerer. Unser Ansatz ist der­jenige, dass wir die Konsumenten künftig zu Produzenten machen wollen. Wie schaffen wir das? – Indem wir die Haushalte stärken und sie ermächtigen, dass sie nicht mehr abhängig davon sind, dass autokratische Systeme – sei es in Russland oder in anderen Teilen der Welt – ihre Rohstoffe liefern, sondern dass wir die Rohstoffe, die uns der Herrgott und die Natur schenken, nämlich Wasserkraft und Sonnenenergie, so um­wandeln, dass der Haushalt nicht mehr abhängig ist, ob eine Lieferung aus diesen autokratischen Systemen kommt oder nicht.

Das haben wir mit dem Regierungsprogramm auf den Weg gebracht, da war noch keine Rede von der Pandemie und noch keine Rede vom Krieg, den wir im Osten haben. Das ist vorausschauende, richtige Politik!

Herr Bundesminister, ich möchte mich bei Ihnen stellvertretend für die ganze Bundes­regierung bedanken, und seien Sie sich sicher, die Parlamentsmehrheit wird weiter dafür Sorge tragen, dass die Österreicherinnen und Österreicher ein gutes Auskommen mit ihrem Einkommen finden! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.12


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vor­lagen des Ausschusses für Konsumentenschutz.

20.13.0815. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2455/A(E) der Abgeordneten MMag. Katharina Werner, Bakk., Mag. Christian Drobits, Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bürgschaften als Insolvenzfalle für Frauen – Initiative zur Datenerhebung (1499 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


20.13.38

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, keine Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weil der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung immer noch nicht umgesetzt ist, der enorme Rucksack der unbezahlten Carearbeit: All das trifft Frauen enorm und wirkt sich letztlich als ein geschlechtsbedingter Gehaltsunterschied von etwa 19 Prozent aus. Eklatanter ist dann der Genderpensiongap mit österreichweit knapp 40 Prozent. All das wirkt sich sehr armutsfördernd, vor allem für Frauen, aus.

Verschärft wird die Situation aktuell durch diese Teuerungswelle, die über unser Land rollt und Frauen um ein Vielfaches härter trifft. Sehr geehrte Damen und Herren, Ihre bis jetzt gesetzten Maßnahmen kommen in den Geldbörsen dieser Frauen einfach noch nicht an! (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu kommt aber auch, dass sich viele Frauen heillos überschulden, weil sie Bürg­schaften übernehmen, weil sie Bürgschaften für ihre Ehepartner, für Unternehmen und dergleichen übernehmen; und ja, es ist wahrscheinlich ein kleineres Problem, wenn man Bürgschaften in Partnerschaften übernimmt, die funktionieren, weil man das dann auch entsprechend ausgleichen kann.

Viele Frauen sind sich dieses großen Risikos, dem sie sich finanziell aussetzen, nicht bewusst, wenn sie eine Bürgschaft übernehmen: dass sie bei einer Trennung, bei einer Scheidung diese Bürgschaft mit voller Härte treffen kann. Da gibt es auch ganz klar die Aussagen, dass es da einen eklatanten Informationsgap gibt, dass die Frauen nicht wissen, dass diese Bürgschaften sie, wenn sie sich scheiden lassen, trotzdem mit voller Härte treffen und dass sie diese Bürgschaften auch entsprechend übernehmen müssen.

Die Zahlen der Schuldnerberatung zeigen das auch klar: 10 Prozent der Klientinnen in der Schuldnerberatung sind von solchen Bürgschaften, die sie übernommen haben, betroffen. Das zeigt uns, sehr geehrter Herr Minister, auch einen ganz klaren Handlungs­bedarf auf. Da gibt es ein Problem. Da müssen wir ansetzen, um diesen Frauen auch entsprechend helfen zu können. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir dazu aber brauchen, ist fundiertes Datenmaterial. Wir wollen unsere Maßnah­men ja auch so setzen, dass sie wirken, und deswegen braucht es fundiertes Daten­material, auf dem aufbauend wir auch entsprechend Maßnahmen setzen können. Tat­sächlich ist es so, dass die letzten Daten, die uns da zur Verfügung stehen, einfach heillos überaltert sind. Sie stammen aus dem Jahr 1999. Ich glaube nicht, dass wir uns aktuell auf so alte Daten beziehen sollten.

Deswegen fordern wir in unserem gemeinsamen Dreiparteienoppositionsantrag, auch die Daten für Bürgschaften, für die Auswirkungen dieser Bürgschaften auf Frauen, in den letzten drei Jahren entsprechend zu erheben. Leider, leider: Türkis-Grün wird heute diesen Antrag ablehnen. Wir werden aber dranbleiben. Wir werden weiter konsequent diese Maßnahmen, diese Datenerhebung einfordern, weil wir es einfach als dringend notwendig erachten, dass da gehandelt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend aber auch auf einen anderen Punkt hinweisen: Frauen, die von Trennung und Scheidung und von all diesen Auswirkungen betroffen sind, die dann auf sie einprasseln – ob das jetzt Unterhalt ist, ob das Sorgerecht ist und ob das eben auch diese Verschuldung ist, ob das die finanzielle Absicherung und die Selbst­ständigkeit dieser Frauen ist –, sind Klientinnen unserer Frauen- und Mädchenbera­tungs­stellen. Ihnen muss dort auch die entsprechende Expertise zur Verfügung gestellt


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werden. Sehr geehrte Damen und Herren, diese Frauen- und Mädchenberatungsstellen sind ebenfalls in einer sehr prekären finanziellen Situation. Ich glaube, es ist dringend notwendig, dass wir hier auch die Basisförderung für diese Frauen- und Mädchenbera­tungsstellen entsprechend absichern, weil sie der Garant sind, dass diesen Frauen auch entsprechend geholfen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.17


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


20.17.42

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen und liebe ZuseherInnen, vor allem zu Hause! – Ich glaube, jetzt ist fast niemand mehr da.

Es geht um ein wichtiges Thema, nämlich um Insolvenzen und insbesondere um Insol­venzen aufgrund von Bürgschaften, vor allem bei Frauen. Der Antrag geht also in die Richtung Bürgschaften bei Frauen, und dass die Datenlage ungenügend wäre. Wir haben aber in der vorigen Rede bereits gehört, dass es diese Daten gibt. Daher werden wir diesem Antrag nicht zustimmen, so wichtig wir ihn finden.

Ich möchte da auf den Schuldenreport verweisen, der jedes Jahr veröffentlicht wird. In Papierform liegt er allen hier vor, er ist aber auch online abzurufen. Jeder, der ihn googeln möchte – auch die ZuschauerInnen zu Hause –: gerne unter Schuldenreport googeln und dann findet man diverse Daten und Informationen und Links zu diesem wichtigen Thema, und zwar wirklich sehr gut von der allgemeinen Schuldnerberatung aufbereitet, die auch kostenlose Beratung, also etwas sehr Wichtiges, anbietet.

Dieser Schuldenreport ist eine Grundlage für unsere Arbeit. So wissen wir, dass Frauen eben sehr häufig – 10,5 Prozent sind genannt worden, und das ist auch über die Jahre konstant – aufgrund von Bürgschaften in Insolvenz gehen. Auch die Gründe der Über­schuldung sind genannt und auch prozentual ausgewiesen: von Arbeitslosigkeit über Trennung über Unternehmenstätigkeit. All diese Daten liegen also vor. Leider ist es so, dass diese Bürgschaften viermal häufiger bei Frauen zu Insolvenzen führen als bei Männern. Es ist also ein Frauenthema, da sind wir auch völlig einer Meinung.

Ich möchte aber bei der Gelegenheit erwähnen, dass wir mit der Insolvenzrechtsnovelle, die wir letztes Jahr hier beschlossen haben, genau aus diesem Grund nicht nur die unternehmerische Insolvenz mit drei Jahren Entschuldung geregelt haben, sondern auch die Privatinsolvenzen, weil Frauen sehr häufig für unternehmerische Schulden ihrer Männer mithaften und dann eine längere Entschuldungsdauer hätten – nämlich fünf Jahre –, die Männer wären nach drei Jahren entschuldet. Diese Kultur der zweiten Chance haben wir so also bereits gesetzlich verankert – etwas, das mir persönlich sehr wichtig ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte noch einen weiteren Punkt, der mir auch wichtig ist, ansprechen: Es geht um den Genderpaygap. Es wurde erwähnt, dass Frauen da schlechtergestellt sind. Auch beim Thema Karenz müssen wir nachbessern, ein echtes Halbe-halbe gibt es bei der Karenz nicht. Das ist etwas, das sich dann im Gehalt und auch auf die Pensionen auswirkt. Ich glaube, da haben wir auch ganz dringenden Handlungsbedarf.

Ein letzter Punkt noch: Frauen sind auch in Unternehmensführungen viel zu wenig ver­treten. Da bekommen wir Rückenwind von der EU, die Vorgaben macht; gerade jetzt aktuell in Diskussion sind Vorgaben in Bezug auf Aufsichtsräte  40 Prozent mehr als wir in Österreich haben  und sogar in Vorständen in börsennotierten Unternehmen. Das wenn Frauen Vorbilder haben und wenn sie sozusagen Möglichkeiten haben, sich


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in Unternehmen zu entwickeln  ist etwas, was sich dann auch wirklich auf die Karriere­perspektiven von Frauen auswirkt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ord­neten der ÖVP.)

20.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


20.21.40

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren im Saal – zumindest die, die noch hier sind! „Anna, den Kredit hamma!“ – Viele von Ihnen werden sich noch an diesen Werbeslogan eines renommierten Bankinstitutes erinnern. (Abg. Haubner: Legendär!) Anna, den Kredit hamma!, und vielleicht haben die beiden auch noch darauf angestoßen.

In späteren Jahren wird das dann bitter bereut. Warum? – Weil die Trennung vom Partner oder die Scheidung nicht nur emotionale Folgen hat, sondern sehr oft auch weitreichende finanzielle Auswirkungen. 17 Prozent der Frauen nennen dies als Grund für ihre finanzielle Lage. Im Jahr 2020 haben 12 Prozent der Frauen angegeben, dass sie bei einer Bank für die Absicherung eines Kredites für den jeweiligen Lebensgefährten gutgestanden sind.

Die Frau will den Mann bei der Selbstständigkeit unterstützen, man will vielleicht ein Haus bauen, sich eine Wohnung anschaffen. Der Mann beantragt den Kredit und die Frau bürgt dafür. Damit gehen Frauen ein enormes Risiko ein, welches ihnen meist überhaupt nicht bewusst ist. Ich möchte Ihnen einige Aussagen von betroffenen Frauen zu Gemüte führen, die das wirklich erklären.

Sowohl mein Mann als auch der Bankreferent erklärten mir, die Bürgschaft sei eine reine Formsache, und da ich damals ein geregeltes Einkommen hatte, habe ich mir auch nichts dabei gedacht. Heute weiß ich, dass ich schrecklich blöd und naiv war, aber der Druck, den mein Ex-Mann auf mich ausgeübt hat, war einfach enorm. Dass ich mir in den nächsten Jahren nichts leisten kann, ist noch nicht das Schlimmste, aber eine Zeit lang habe ich mich nicht einmal getraut, auf die Straße zu gehen, weil ich das Gefühl hatte, mir stehen die Schulden ins Gesicht geschrieben. – Zitatende.

An sich haftet ja eine Person nur für die Schulden, für die sie selbst verantwortlich ist und nicht für die Schulden des Lebenspartners oder der Kinder, außer eine Person übernimmt vertraglich die Haftung für diese Schulden. So unterschreiben eben manche Frauen die Kreditverträge des Mannes. Zahlt der Mann nicht, so kann sich der Kreditgeber aussuchen, von wem er die Zahlungen einfordert oder pfändet.

Das gilt übrigens auch für ein gemeinsames Konto, denn für die Kontoüberziehung haften auch beide gegenseitig. Jetzt kann man im Zuge einer Scheidung schon regeln, wer denn was wem zurückzahlt, die Bürgschaft nach außen besteht aber trotzdem. Zahlt der Mann nicht, muss die Frau eben die Schulden abstottern.

Der Privatkonkurs hat sich bei Frauen schon positiv ausgewirkt, weil keine Mindestquote für Rückzahlungen mehr geleistet werden muss. Trotzdem: Bürgschaften für Kredite des Ehepartners oder des Lebensgefährten sind für Frauen die klassischen Stolpersteine in die Verschuldung. Das sagen eben auch die Schuldnerberatungen, wir haben es ja schon gehört. Zehntausende Frauen haben ihre Bürgschaften bitter bereut und haben sie jahrelang abgestottert. Mit der Beziehung ging auch die Existenz zugrunde.

Wir diskutieren in diesem Haus oft Frauenarmut. Armutsgefährdung wird durch das Haushaltseinkommen ermittelt. Frauenarmut hat viele Gründe: niedrige Bildung, feh­lende Kinderbetreuungsplätze, Pflege- und Carearbeit bis hin zu gesundheitlichen


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Problemen. Das bedeutet, dass die Wohnung kalt ist, dass kein Geld für Schulver­anstal­tungen da ist, kein Geld für Erholung, kein Geld für Urlaub.

2021 beantragten 2 700 Frauen Privatkonkurs. Es ist eben eine Tatsache, dass Frauen nach einer Trennung eher pleite sind als Männer. Anstatt für die eigene Zukunft vorzu­sorgen, stottern sie die Schulden ihres Mannes ab. Sogar Frauen, die älter als 60 Jahre sind, geben als Überschuldungsgrund Übernahme von Bürgschaften oder Mithaftungen an. Es ist also wichtig, frauenpolitische Maßnahmen zu bilden, und dafür braucht es valide Daten, denn jedes Jahr schlittern Frauen in Österreich durch Bürgschaften in finanzielle Notlagen, jedes Jahr brauchen Frauen in Österreich für Bürgschaften Schuld­nerberatungen und jedes Jahr schlittern Frauen in Österreich durch Bürgschaften für ihre Ehegatten in Privatkonkurse.

Die schwarz-grünen Regierungsparteien sind der Meinung, eine Datenerhebung sei nicht notwendig. Der heutige Antrag wird nämlich abgelehnt, weil Ihrer Meinung nach genügend aktuelle Daten vorhanden sind.  So, Herr Minister, und jetzt sagen Sie mir: Warum gibt es dann noch keinen Gesetzesansatz, der Frauen da mehr schützt? (Beifall bei der FPÖ.)

20.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler zu Wort. – Bitte.


20.26.24

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag – es wurde ja bereits ausgeführt – geht also in Richtung einer Datenerhebung der Jahre 2019 bis 2021. Wie ja die meisten von Ihnen wissen, gibt es bekanntlich die Insolvenzdatei des Bundesministeriums für Justiz. Es gibt statistische Daten der Schuld­nerberatung, der Schuldnerreport wurde bereits erwähnt. Es gibt fundiertes Zahlen­material, auch der VKI liefert Daten.

Wir wissen, dass beispielsweise 2021 21 000 Frauen Unterstützung von einer Schuld­nerberatung erhalten haben. Bei den Erstberatungen werden auch immer die Hinter­gründe abgefragt. Es gibt also ausreichend Datenmaterial, das ist unser Ansatz, daher ist auch diese Datenerhebung hinfällig. Die hilft uns ja auch nicht wirklich weiter!

Ich glaube, wir liegen ja gar nicht so weit auseinander. Wir haben ohnehin in etwa den gleichen Zugang. Ich bin ganz Ihrer Meinung, der Meinung der Vorrednerinnen, dass es Handlungsbedarf gibt, dass Frauen immer stärker negativ betroffen sind. Ich teile auch die Auffassung, dass wir alles tun müssen, um Aufklärung, Information und Beratung zu verstärken, um eben zu verhindern, dass Frauen in Überschuldung geraten und Bürg­schaften eingehen, dass Frauen Mithaftungen eingehen. Da gibt es auch neue Mög­lichkeiten der Schuldnerberatung, sehr viele Onlinemöglichkeiten, auch das Sozialminis­terium macht da sehr viel.

Ich sage aber auch ganz kritisch und ganz dezidiert, dass meiner Ansicht nach auch die Banken gefordert sind. Die Bonität muss bei Kreditvergaben, bei Bürgschaften einfach stärker berücksichtigt werden. Sehr oft gibt es gerade bei Frauen ein krasses Miss­ver­hältnis zwischen finanzieller Leistungsfähigkeit und der Haftung. Einkommenslose Haus­haltsangehörige sind meiner Ansicht nach überhaupt nicht für Haftungen und Bürg­schaften heranzuziehen.

Wir wissen das aus der Beratungsarbeit, das ist seit Jahrzehnten ein Thema, wir wissen, dass Betroffene oft nur sehr, sehr schwer beziehungsweise gar nicht zu überzeugen sind, Haftungen nicht einzugehen. Sehr oft gibt es – das wurde heute auch schon von einer der Vorrednerinnen erwähnt – auch familiären oder partnerschaftlichen Druck.


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Tatsache ist, dass Frauen speziell nach Trennungen, nach Scheidung häufiger insolvent werden und häufiger von Insolvenz betroffen sind als Männer, und da gilt es anzusetzen!

Natürlich muss die Beratung aufgebaut werden, vor allem die niederschwellige. Da gibt es schon sehr viel, wir brauchen aber noch mehr juristische Beratung. Was aber das Wichtigste ist – das ist unser Ansatz –: Das Thema ist an der Wurzel zu bekämpfen. Frauen müssen in bessere Jobs, Frauen müssen sich mehr zutrauen, Frauen brauchen entsprechende Unterstützung, und da geht es auch um die Kinderbetreuung. Diese bauen wir jetzt erfreulicherweise auch aus, um eben wirklich alles zu machen, sodass Frauen einer Beschäftigung nachgehen können. Das ist das Wichtigste.

Ein weiterer sozialpolitischer Ansatz, der mir aber auch wichtig ist, ist eine gesetzliche Regelung für das Pensionssplitting während der Zeiten der Kinderbetreuung. Das steht ja auch im Regierungsprogramm, es wurde auch schon am Rande erwähnt. Ich denke, auch das würde Frauen finanziell stärker absichern. (Abg. Heinisch-Hosek: Ganz sicher nicht!)

Das und noch viel mehr kann man aus vorliegendem Zahlenmaterial ablesen. Tatsache ist aber – und da schließe ich an die Ausführungen des Herrn Bundesministers an –, dass wir mit den 28 Milliarden Euro zur Abfederung der Teuerung gerade Frauen und gerade Frauen mit Kindern massiv unterstützen. Das ist eine wirklich tolle Maßnahme, die bei den Menschen ankommt, die gerade auch Frauen in dieser schwierigen Zeit, aber auch danach unterstützen wird.

Da müssen wir dranbleiben, das ist wichtig. Vielen Dank, Herr Bundesminister! Vielen Dank der Regierung für diese richtigen Initiativen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

20.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Katharina Werner zu Wort. – Bitte.


20.30.36

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Leben wird momentan teurer, darüber haben wir heute schon gesprochen: das Einkaufen im Supermarkt, das Tanken, die Stromrechnung, und im Juli erhöht die EZB die Leitzinsen. Was bedeutet das? – Auch Kreditraten werden steigen, aber nicht nur diese, sondern es wird auch die Gefahr von Insolvenzen steigen, weil der finanzielle Spielraum in den Familien einfach immer kleiner wird.

Und ja, Frauen sind da eine besonders vulnerable Gruppe. Was, wenn die Beziehung nicht mehr funktioniert, wenn eine Scheidung ins Haus steht? Besonders schlechte Karten hat man, wenn man zu Hause bei den Kindern war, davor vielleicht auch nicht gerade gut verdient hat und kein eigenes Einkommen hat. Ach ja, und dann war ja noch diese Bürgschaft, die man unterschrieben hat, damit man sich das Haus, die Wohnung oder das Auto kaufen konnte.

Wir wissen zwar, dass Frauen überproportional davon betroffen sind, dass Bürgschaften zur Zahlungsunfähigkeit führen, genaue Daten fehlen aber, zum Beispiel über die Arten der Bürgschaften. Diese Daten wären wichtig, damit man die richtigen politischen Maß­nahmen treffen kann, um gegenzusteuern. Das war der Grund, warum wir diesen Antrag eingebracht haben.

Jetzt möchte ich gerne auf die Ausführungen von Frau Götze und auch von der Kollegin von der ÖVP eingehen, weil sie immer wieder auf den aktuellen Schuldenreport ver­weisen: Ja, den gibt es. Wenn man ihn aber wirklich genau liest, dann weiß man, dass


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die darin aufbereiteten Daten nur zwei Drittel aller Schuldenverfahren widerspiegeln. Das heißt, diese Daten sind einfach unvollständig.

Dann gab es im Ausschuss noch dieses methodische Argument, dass man ja nicht in die Vergangenheit zurück recherchieren könnte, welche Arten von Bürgschaften das sind. – Ja, auf Knopfdruck sind die Daten nicht verfügbar, aber zu jeder bewilligten Privatinsolvenz gibt es Ursachen für diese Überschuldung, diese werden erhoben, und es braucht eine entsprechende Auswertung dieser Daten.

Selbst wenn man eine rückwirkende Erhebung nicht für machbar hält, hätten die Regie­rungsparteien die Möglichkeit gehabt, im Ausschuss gemeinsam mit der Opposition vielleicht einen Antrag zu stellen, dass wir die Erhebung für die nächsten drei Jahre durchführen, also in die Zukunft schauen und dafür sorgen, dass wir in den nächsten drei Jahren ordentliches Datenmaterial bekommen. Auch das ist aber nicht geschehen.

Für mich war das deswegen so enttäuschend, weil hier ein Minister sitzt, der Erfahrung in der Schuldnerberatung hat, von dem ich weiß, dass es ihm persönlich ein Anliegen ist, dass da bessere Lösungen kommen, dass man Lösungen findet.

Irgendwie bringt er nicht den Mut auf, auch jetzt im Zusammenhang mit dem Frist­setzungsantrag betreffend Tierschutz. (Abg. Keck: Ein Wahnsinn! Ein Wahnsinn!) – Sie wissen selbst, dass dieses Gesetz nicht gut ist, und lassen sich von dieser Partei da drüben (in Richtung ÖVP weisend) so unter Druck setzen, obwohl Sie jetzt eigentlich am Hebel sein könnten und sagen könnten: He, ihr sitzt heute nur mehr deshalb da, weil wir euch den Rücken frei halten! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Schnedlitz.)

Bringen Sie endlich diesen Mut auf, halten Sie ihnen die Pistole an die Brust und sagen Sie: Wir wollen bessere Gesetze! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

20.33


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vor­lagen des Ausschusses für Konsumentenschutz.

20.34.1616. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 2594/A(E) der Abgeordneten Peter Weidinger, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung einer Haltbarkeitsanalyse und Einsatz für eine Anpas­sung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“ (1500 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Klaus Köchl, Sie haben das Wort.


20.34.47

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Die Frau Präsidentin hat den Tagesordnungspunkt vorgelesen, und für uns stellt sich da ganz einfach die Frage: Nachdem die ÖVP in den letzten zwei Jahren Dutzende Anträge der Opposition, mit denen Anliegen eingebracht wurden, die von der


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AK und von sämtlichen Interessenvertretungen vertreten werden, einfach immer wieder vertagt hat – das ist nämlich der Vertagungsausschuss der ÖVP, da merkt man, da besteht nicht so großes Interesse, da merkt man, das wollen Sie nicht so, und daher werden die Anträge immer wieder vertagt –, war ausgerechnet dieser Antrag, der die Verkaufsfrist für Eier regelt, beim ersten Mal sofort auf der Tagesordnung. Ich frage mich wirklich, Herr Minister: Wieso lassen Sie das auf die Tagesordnung setzen? Das ist doch ganz klar eine Geschichte für den Landwirtschaftsausschuss!

Die Agrarindustrie – und jetzt werden sich manche fragen: was hat Konsumentenschutz mit der Agrarindustrie zu tun? – siegt bei der ÖVP wieder. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Wo fördert ihr da die Regionalität? Wo fördert ihr da den ländlichen Raum? Ihr redet immer vom ländlichen Raum. Der kleine Bauer kann seine Eier so und so verkaufen, und die große Eierindustrie von Europa möchte jetzt eine Ausdehnung von 21 Tagen auf 28 Tage, damit die Konsumenten sieben Tage ältere Eier in die Regale bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ja ganz klar, und das kann es ja nicht sein! Das kann es wirklich nicht sein. Man muss einmal genau nachdenken: Wenn heute so ein Ei vom Datum her ein, zwei Tage abgelaufen ist, dann weiß man: Wenn man ein weichgekochtes Ei macht und das steigt nicht hoch, dann ist es eigentlich kein Problem, man kann es trotzdem essen. – Jetzt wird das aber nicht mehr gehen. Der Konsument ist geschädigt, und ihr wollt den Konsumenten verkaufen, dass das letztendlich dann für den Konsumenten ein Vorteil ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, das ist von dieser Tagesordnung herunterzunehmen. Ihr schützt wieder nur die Eierindustrie – unter dem Deckmantel, dass die EU das einführt. Ich finde das einfach nicht korrekt, und deshalb bin ich der Meinung, dass dem auf keinen Fall zugestimmt werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

20.37


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer, Sie gelangen nun zu Wort.


20.37.11

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist ein Eierland (Heiterkeit), und wir eiern trotzdem hier nicht herum, sondern es geht um ein wichtiges Thema. (Beifall des Abg. Schallmeiner.) – Ich habe mir gedacht, dass euch das gefällt.

Der Antrag stammt nicht von der Agrarlobby der ÖVP, sondern diesen Antrag habe ich geschrieben. Ich habe ihn deswegen geschrieben: Wer immer in einen Mistkübel bei einem Lebensmittelkonzern hineingesehen hat, der hat neben Obst und Gemüse und anderen Abfällen auch Kartons mit Eiern gefunden. Das Problem bei Eiern ist folgendes: Ab dem Legezeitpunkt – dem Zeitpunkt, zu dem die Henne das Ei legt – sind 21 Tage Zeit, um das Ei zu verkaufen. Bei keinem anderen Lebensmittel gibt es eine Verfallsfrist. Bei allen anderen Lebensmitteln gibt es eine Mindesthaltbarkeit, und darüber hinaus können sie an Soma-Märkte, an Tut gut, an all diese Initiativen weitergegeben werden. Das ist bei Eiern verboten – und das ist nicht gerechtfertigt. Wir kennen Studien, wonach Eier viel länger halten. Eier sind Lebensmittel, Eier sind wertvoll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Worum geht es bei diesem Antrag – der wieder ein Antrag des Konsumenten­schutzaus­schusses ist, heute schon der zweite, über den wir hier sprechen, also wir sollten mit dem Zählen anfangen –: Es soll eine Haltbarkeitsanalyse von Eiern durchgeführt werden. Der Herr Bundesminister soll sich im Rahmen der Überarbeitung der Kenn­zeichnung von Lebensmitteln um die Streichung der Verfallsfrist von Eiern bemühen, damit Eier nicht mehr vorzeitig entsorgt werden müssen.


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Ich finde es nicht lustig, wenn Eier von Hendln, die in Käfighaltung Eier legen müssen, nach Österreich importiert werden, weil wir es nicht schaffen, unsere Eier ausreichend zu kennzeichnen. Es braucht eine gescheite Kennzeichnung von Eiern!

Ein österreichisches Ei wird niemals durch Käfighaltung produziert, Österreich ist Vorreiter, was die Haltung von Hühnern betrifft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Wir haben in der EU eine Vorbildfunktion, was die Haltung von Hühnern betrifft, aber durch das Verfallsdatum schmeißen wir in Österreich Bioeier, Freilandeier weg – und importieren Eier.

Damit ihr euch das vorstellen könnt: Wir importieren in Österreich 1,9 Millionen Eier täglich. Gleichzeitig produzieren wir 2,2 Milliarden Eier pro Jahr, brauchen aber nur 2,1 Milliarden Eier. Warum ist es trotzdem nicht so, dass das zusammengeht? – Weil wir Eier wegen des Verfallsdatums wegschmeißen. Das heißt, wir brauchen auf der einen Seite ein Aufheben der Verfallsfrist – dafür setzen wir uns ein und deswegen haben wir auch diesen guten Antrag; vielen Dank daher auch an den Bundesminister und an Kollegen Peter Weidinger, dass wir diesen Antrag zustande gebracht haben –, und auf der anderen Seite brauchen wir eine entsprechende Kennzeichnung. (Abg. Haubner: Gut erklärt!)

Ich habe bei den anderen Anträgen so kurz gesprochen, dass ich jetzt noch ein bisschen Überzeit habe. Schaut euch einmal das Papier an (ein Blatt Papier im DIN-A4-Format in die Höhe haltend): Käfighaltung bedeutet, das Hendl hat weniger Platz als die Größe dieses Papiers. Das wollen wir nicht mehr, das müssen wir ändern. Deswegen ersuche ich euch, bei diesem wichtigen Antrag zuzustimmen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Haubner: Gut erklärt!)

20.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Walter Rauch. – Bitte.


20.41.47

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Man tut sich fast ein bisschen schwer nach dieser Rede, wenn Öster­reich ein Eierland ist.

Frau Kollegin, der Antrag in allen Ehren, Lebensmittel sind auch dementsprechend zu schützen und es ist auch sorgsam mit Lebensmitteln umzugehen – das ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig. Man sieht aber im Endeffekt am ganzen Verlauf der Ausschuss­sitzung, die wir hatten, wie der Zustand zwischen den beiden Regierungsparteien ist, wenn man diesen Antrag, die Haltbarkeitsfrist von 21 Tagen auf 28 Tage zu verlängern, ins Plenum bringen muss. Das müsste man dann ja in vielen anderen Bereichen genauso machen. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.) Das ist ja das Hauptproblem: der Zustand, in dem diese Regierung gerade ist.

Wenn dieser Antrag auch von den Grünen dermaßen propagiert und unterstützt wird: Da geht es rein um Agrarindustrie, das ist nichts anderes, das ist reine Agrarindustrie. (Abg. Kühberger: Was ist Agrarindustrie?) Im Endeffekt geht es nicht um Ihre kleinen Biobauern, die Sie sonst immer hervorheben, da geht es nicht um die kleinen mittelständischen Betriebe, sondern das ist eine reine Agrarindustrie, bei der es, Sie haben es ja gesagt, um ein paar Milliarden Eier geht. – Das ist im Endeffekt das Thema.

Bei aller Wertschätzung muss ich Ihnen sagen, dass ich einen Punkt unterstützen möchte: Den Zettel, den Sie betreffend die Größe hergezeigt haben (ein Blatt Papier im DIN-A4-Format in die Höhe haltend): Das ist auch ein Thema, aber man sollte genau bei den Legebatterien, der Haltung und bei dem Punkt, wie Eier teilweise produziert werden, ansetzen (Abg. Haubner: Sollen wir sie weiter wegschmeißen?) und nicht diesen


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Eierantrag stellen und vor allem nicht den ganzen Konsumentenschutzausschuss darauf reduzieren, wie Sie das heute damit gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

20.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Hechenberger. – Bitte.


20.43.50

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher hier und auch zu Hause! Ich denke, es ist wichtig, eingangs klarzustellen, worum es genau geht, weil meine beiden Vorredner, Kollege Köchl von der SPÖ und auch Kollege Rauch von der FPÖ, haben den Antrag entweder zu wenig genau gelesen oder nicht verstanden.

Es geht darum: Wir haben derzeit die Situation, dass die Abgabefrist 21 Tage und die Mindesthaltbarkeit 28 Tage beträgt, und das anzugleichen hilft nicht nur der Industrie, wie man so gerne sagt, sondern genauso den kleinen Bauern. Es geht uns darum, dass wir Lebensmittel, die absolut noch genusstauglich sind, nicht leichtfertig weg­schmeißen – es geht um nichts anderes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns die Zahlen ein bisschen an: In Österreich werden jährlich 1 Million Tonnen genusstaugliche Lebensmittel – 70 Kilogramm pro Kopf – weggeschmissen. Das macht ungefähr einen realen Wert von 400 Euro aus. Was passiert derzeit am Markt? – Letztes Jahr haben sich die Biolebensmittel gut entwickelt, positiv entwickelt, aber aufgrund der Preissteigerung geht der Absatz bei Bio massiv zurück, und gleichzeitig geht der Absatz bei den Eigenmarken, den No-Name-Produkten nach oben. Unser Ziel in einer Bewusstseinskampagne sollte eigentlich sein, die Menschen aufzuklären, dass sie bewusst einkaufen, hoch qualitativ einkaufen, regional einkaufen. Damit tut man sich selber etwas Gutes und es ist für die Region gut, für die Landwirtschaft gut. Ich denke, das ist viel wichtiger, als genusstaugliche Lebensmittel wegzuschmeißen. Ich glaube, diesbezüglich haben wir durchaus noch viel Aufklärungsarbeit vor uns. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Angesichts der momentanen geopolitischen Lage wird derzeit sehr viel über den Krieg in der Ukraine diskutiert. Wenn man sich das in Zahlen vorstellt: Es gibt in der Ukraine 42 Millionen Hektar Ackerland, Österreich hat 1,4 Millionen Hektar Ackerland. Die Ukraine ist 30 Mal größer als Österreich und wir wissen, dass derzeit zwei Drittel dieser Flächen nicht im Anbau sind, das heißt, die nächsten Monate wird es in verschiedenen Bereichen durchaus zu Verknappungen bei Lebensmitteln kommen. Wir, die österreichi­schen Landwirte, können aber garantieren, dass wir ausreichend Lebensmittel zur Ver­fügung stellen und letztendlich auch die Konsumentinnen und Konsumenten versorgen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich würde aber schon darum bitten, dass man da nicht so flapsig sagt, dass das der Eierantrag ist, denn es geht wirklich darum, einen gemeinsamen Schulterschluss zu machen, damit wir die Konsumentinnen und Konsumenten aufklären und Bewusstsein dafür bilden, weniger Lebensmittel wegzuschmeißen, um so auch die regionalen Kreisläufe zu stärken.

Ich möchte an dieser Stelle eines tun, nämlich mich ganz besonders herzlich bei der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend bedanken, die eine Bewusstseinskampagne in diesem Jahr fährt, mit der man darauf aufmerksam macht, dass Lebensmittel besonders wertvoll sind. Ich muss sagen, es hat mir zutiefst im Herzen weh getan, wie die FPÖ heute Nachmittag von oben herab schlecht über die Tiroler Jungbauernschaft als größte Jugendorganisation im Land geredet hat, weil ich davon überzeugt bin, dass jeder Euro


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des NPO-Fonds für diese Organisation gut investiert ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte!) Das ist eine Organisation, bei der jeder freiwillig dabei sein kann, niemand bei einer Partei dabei sein muss. Wir können garantieren: Wir unterstützen die Jung­bauernschaft/Landjugend auch zukünftig mit aller Kraft, weil ich weiß - - (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das gibt’s ja nicht, sagt wenigstens: Wir schämen uns!)

Wir werden das also natürlich entsprechend nach außen tragen. Mir tut es leid, dass die FPÖ das so sieht. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Österreicher und Österreicherinnen sehen es halt auch so!) Wir werden auf alle Fälle unsere jungen Menschen im Land weiterhin tatkräftig unterstützen.

In diesem Sinne, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Machen wir einen Schulter­schluss und schauen wir, dass weniger Lebensmittel weggeschmissen werden! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.48


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Katharina Werner. – Bitte.


20.48.32

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Wir haben jetzt schon mehrere Facetten kennengelernt: das Ei quasi von der Haltungsform her betrachtet, wie das die grüne Kollegin gebracht hat, dann gab es diese Vorwürfe mit Eierindustrie und so weiter und so fort. Ich möchte auch noch einen anderen Aspekt ansprechen: Nach dem 24. Februar hat es keine zwei oder drei Tage gedauert, bis sich ein Eierbauer aus der Region – liebe Grüße, Jürgen – bei mir gemeldet und gesagt hat: Was mache ich jetzt mit meinen Hühnern? Ich habe im April oder Mai kein Futter mehr für sie. Warum? – Weil die Ukraine bis zum Ausbruch des Krieges der größte Lieferant für Biofuttermittel war. Wer kurz darauf in die Geschäfte gegangen ist, hat gleich einmal bei den Eiern einen massiven Preissprung bemerkt.

Jetzt haben wir schon die Daten zur Lebensmittelverschwendung in Österreich gehört, diese schwanken zwischen 600 000 und 800 000 Tonnen – das muss man sich vorstellen! – pro Jahr, die in der Mülltonne landen. Bei den Eiern ist es so, dass um Ostern herum circa 70 Millionen gekauft werden und jedes fünfte im Müll landet; und gerade wenn jetzt die Preise steigen, müssen wir uns wirklich die Frage stellen: Wollen wir uns das leisten und können wir uns das leisten?

Aus diesem Grund finden wir diesen Antrag gut und wir unterstützen ihn (Abg. Haubner: Bravo!): diese Fristverlängerung von 21 auf 28 Tage durch eine Haltbarkeitsanalyse zu überprüfen und sich auch auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass es da eine Veränderung gibt.

Wenn wir uns jetzt aber die Lebensmittelverschwendung insgesamt und auch das, was die Regierung macht, ansehen, finden wir: Es gibt noch einen riesigen Handlungsbedarf, und da geht es nicht nur um das Geld, das sich Haushalte sparen könnten, oder um den Klima- oder Tierschutz. Es geht auch um Ernährungssicherheit. Ziemlich genau vor einem Jahr wurde diese interministerielle Koordinierungsstelle zwischen Klimaminis­terium und den anderen betroffenen Ministerien eingerichtet. Der Output? – Keine Ahnung, gibt es nicht!

Ein Hinweis, weil wir immer konstruktiv sein wollen: Denken wir zurück, 2019, Exper­tenregierung: Maria Patek hat damals ein Aktionsprogramm gegen Lebensmittel­ver­schwendung mit zahlreichen Maßnahmen festgeschrieben. Nehmen Sie sich das und setzen Sie es einfach um! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

20.51



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 263

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte.


20.51.36

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eine Studie zur Haltbarkeit von Eiern, die wir seit Jahrtausenden ver­zehren, durchführen zu lassen oder in Auftrag zu geben klingt aufs Erste einmal ein bisschen absurd. Wir wissen relativ viel darüber, nämlich dass gar nicht die Kühlung des Eis die Haltbarkeit verlängert, sondern vielmehr Temperaturschwankungen die Haltbar­keit des Eis beeinflussen. Wenn wir jedoch wissen, dass sich aufgrund neuer Produk­tionsmethoden beziehungsweise der Abläufe in der Verpackungsstelle da etwas verän­dert hat, brauchen wir trotzdem eine fundierte wissenschaftliche Studie darüber, um überhaupt über diese Daten diskutieren beziehungsweise abändern zu können.

Grundsätzlich wirkt dieser Antrag etwas oberflächlich und kleinteilig, wenn wir aber gerade ich glaube, Kollege Hechenberger hat das bereits angesprochen  wirklich eine Getreideknappheit haben, was sich in weiten Teilen der Welt in Hunger ausdrücken wird, und wenn sich das bei uns in Teuerung ausdrückt und gleichzeitig, wie wir wissen, 32 Prozent des gesamten Getreides in Österreich als Futtermittel Verwendung finden, dann, denke ich, ist es in diesem Jahrhundert höchst an der Zeit, ressourcensparend umzugehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch das hat Kollege Hechenberger bereits angesprochen: Direktvermarkter melden bei mir Umsatzeinbußen von über 30 Prozent. Fakt ist, dass das nicht passiert, weil ins­gesamt weniger gekauft wird, sondern dass das passiert, weil woanders gekauft wird  woanders gekauft aus einer Verunsicherung heraus und teilweise wirklich auf­grund eines bereits knappen Geldbörsels. Gekauft wird in Supermärkten, werden vorwiegend Eigenmarken wir wissen, dass da der Importanteil relativ hoch ist. Was wir als Konsumentinnen und Konsumenten damit machen, ist im Prinzip, dass wir unsere eigene Inflation weiter vorantreiben, weil wir ganz einfach den Binnenmarkt dadurch schwächen.

Ich plädiere an die Konsumentinnen und Konsumenten da draußen und spreche mich jetzt dafür aus: Kaufen Sie bewusst, kaufen Sie das, was Sie brauchen, und nicht mehr, aber kaufen Sie es nach wie vor in hoher Qualität! Und gerade was das Ei anbelangt, vertrauen Sie auf Ihre Sinne, und zwar dahin gehend: Kein Mensch auf dieser Erde isst ein Ei, das verdorben ist. Sie können sich drauf verlassen: Wenn ein Ei stinkt, ist es schlecht, solange es nicht stinkt, können Sie es essen!

Meine Eieruhr blinkt. Danke schön. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ.)

20.55


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

20.55.39Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 12 bis 16


Präsidentin Doris Bures: Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zu den verlegten Abstimmungen kommen können. (Unruhe im Saal.) – Ich kann auch warten, bis mir signalisiert wird, dass Sie bereit sind. Es liegt an Ihnen, nicht an mir! (Abg. Hörl: Auf die Freiheitliche Partei warten, Frau Präsidentin! Die sind alle schon ...!) – Gut.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 264

Wir gelangen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Aus­schusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 1496 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zum Masterplan der Bargeld­abschaffung in der EU“. (Unruhe im Saal.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fahre mit dem Abstimmungsvorgang erst dann fort, wenn ich den Eindruck habe, dass Sie diesem auch ausreichend Aufmerk­samkeit schenken. Gut.

Entschließungsantrag des Abgeordneten Peter Wurm betreffend „Nein zum Masterplan der Bargeldabschaffung in der EU“. Das hat keine Mehrheit gefunden, daher ist dieser abgelehnt.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Ausschusses für Konsu­men­tenschutz, den Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Prüfung der Errichtung einer Fachstelle zur Wahrneh­mung der Interessen der VerbraucherInnen in der Normung einschließlich Barriere­freiheiten aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 15. Dezember 2021, III-586/1497 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Ausschusses für Konsumenten­schutz, seinen Bericht 1498 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genom­men.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Ausschusses für Konsu­mentenschutz, seinen Bericht 1499 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genom­men.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 16: die dem Ausschussbericht 1500 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Durchführung einer Haltbarkeits­analyse und Einsatz für eine Anpassung der europäischen Regelungen betreffend die Verkaufsfrist von Eiern“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (254/E)

20.58.3017. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1487 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungs­lehr­gänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1495 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 17. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 265

Ich begrüße Herrn Bundesminister Martin Polaschek in unserer Mitte und im Hohen Haus und erteile Ihnen, Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler, als Erster das Wort. – Bitte.


20.59.10

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Die modulare Oberstufe ist Hauptteil dieser Regie­rungsvorlage und war ursprünglich als eine Möglichkeit gedacht, die Oberstufe und das Bildungssystem flächendeckend moderner zu machen. Mit der Wahlfreiheit in dieser Novelle wird nun unter dem Deckmantel der Autonomie der Fleckerlteppich im österreichischen Bildungssystem noch größer.

Abgesehen davon werden ständig Novellen vorgelegt, in denen kreuz und quer die unterschiedlichsten Änderungen beinhaltet sind, und diese sollen dann in einer einzigen Abstimmung abgefertigt werden. Das werden wir nicht unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lösungen für große Probleme findet man nicht in den Regierungsvorlagen. Es gibt keine neuen Lehrpläne, keine Dienstrechtsnovellen, die hilfreich wären und den Schulbetrieb sichern würden, und so weiter. Zu den großen Problemen zählt zum Beispiel auch die fehlende Vorbereitung für den Herbst. Es fehlt noch immer ein Plan für den Kindergarten- und Schulstart im Herbst, ein Plan, wie die großen Herausforderungen gestemmt werden sollen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

In zwei Wochen beginnen die Sommerferien, dann gehen die Schulen in die Som­merpause, und genau wie in den letzten beiden Jahren gibt es bis jetzt noch immer kein Lebenszeichen vom Ministerium. Es ist noch immer nichts an die Schulen gekommen, wie der Schulstart zu vollziehen ist. Gefühlt befinde auch ich mich, wie meine Kollegin heute schon gesagt hat, wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“, denn es ist immer dieselbe Situation: das dritte Jahr und wieder kein Plan.

Im Unterrichtsausschuss habe ich den Herrn Bundesminister auch schon gefragt, wie der Plan für den Herbst aussehen würde, welche Maßnahmen es für sichere offene Bildungseinrichtungen, für das Aufholen von Versäumtem in Form von Förder- und Ergänzungsunterricht geben wird, denn die Rückstände aufgrund der Pandemie sind längst noch nicht beseitigt, welche Maßnahmen es für die Unterstützung in den ersten Schulstufen gibt – denn diese Herausforderung wird im kommenden Schuljahr die aller­größte sein, größer als jemals zuvor –, welche Maßnahmen er gegen den Personal­mangel vorhat und welche Maßnahmen für die Sprachförderung vorgesehen sind, haben wir doch, wie wir alle wissen, zusätzlich auch ukrainische Kinder in den Schulen.

Die Antwort war: Es wird nach der Prüfungszeit, also jetzt im zweiten Teil des Juni, evaluiert – wortwörtlich –, was die Schulen brauchen, und danach wird geschaut, wie das ermöglicht werden kann.

Für all jene, denen das System in der Schule fremd ist: Die Ressourcenzuteilung wurde bereits abgeschlossen, und im Stellenplan findet man keine einzige zusätzliche Planstelle. Es wird wahrscheinlich auch nichts mehr kommen, wie es aussieht.

Es macht mich sprachlos, Herr Minister, wie Sie mit den Pädagoginnen und Pädagogen nach all der Zeit umgehen, denn sie leisten großartige Arbeit über alle Maßen und sind an ihren Grenzen angekommen. Täglich erreichen mich verzweifelte Hilferufe, Sie ver­mutlich auch, aber anscheinend ist Ihnen das egal. Wissen Sie, was das mit Menschen macht, wenn kein Ende einer belastenden Situation und keine Planungssicherheit in Aussicht sind? Und es macht mich sprachlos, wie Sie mit Ihrer Verantwortung gegenüber unseren Kindern umgehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 266

Bei allem Respekt, Herr Minister, aber würden Sie heuer ein Zeugnis zum Schulschluss bekommen, eine Leistungsbeurteilung, so wäre diese mit Sicherheit negativ. Herr Minis­ter, das ist leider zu wenig! (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Antrag zu den dringend notwendigen Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst wurde letzte Woche im Ausschuss vertagt. Wenn nicht jetzt, wann genau wäre dann der Zeitpunkt für Sie, um diesen zu bearbeiten? Anfang Juni einen solchen Antrag zu ver­tagen zeugt von Unkenntnis der Abläufe und von Ignoranz. Daher bringe ich im Sinne meiner Verantwortung diesen Antrag hier jetzt und heute noch einmal ein. Sie haben nun die Chance, doch noch Hilfe zuzusichern. Wenn wir verhindern wollen, dass im Herbst lediglich Minimalbetrieb an Österreichs Schulen gewährleistet werden kann, dann braucht es Planung, Mittel und Planstellen, ein umfassendes Paket.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein umfassendes Schulpaket vorzulegen, das sicherstellt, dass ab Herbst ein qualitativ hochwertiger Unterricht und nicht nur ein Minimalbetrieb an Österreichs Schulen möglich ist. Dieses Schulpaket soll jedenfalls enthalten:

- zusätzliche Planstellen zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine und zum Aufholen von Lernrückständen aufgrund der Coronapandemie

- Doppeltbesetzung des Lehrpersonals in den ersten beiden Volksschulklassen – in einem ersten Schritt zumindest in den Leitgegenständen Deutsch und Mathematik

- Sicherheitskonzepte, die sicherstellen, dass Schulen gut auf eine erneute Covid-19-Welle vorbereitet sind und offen gehalten werden können.“

*****

Ich ersuche Sie alle hier herinnen, Ihrer Verantwortung als Vertreter des Volks nach­zukommen und Perspektiven für die Schulen zu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler,

Genossinnen und Genossen

betreffend: Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über ein Bundesgesetz (1487 d.B.) mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehr­gänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 267

das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1495 d.B.) (TOP 17)

Es vergeht aktuell kaum ein Tag, an dem aus den österreichischen Schulen nicht Hilfe­rufe ertönen. Bereits vor der Pandemie war die Personalsituation höchst angespannt, Corona hat die Situation nochmals verschärft. An allen Ecken und Enden fehlt Lehr- und Unterstützungs-personal. Lehrer*innen schlittern ins Burn out, Schüler*innen werden nicht angemessen unterstützt. Hinzu kommen noch die Fluchtbewegungen aus der Ukraine, die das Schulsystem auf eine weitere Probe stellen.

Trotz dieser prekären Situation wurde bekannt, dass an eine Aufstockung der Planstellen ab Herbst nicht gedacht ist. Im Gegenteil: Es fehlen unter anderem konkrete Zusagen für Planstellen zur Abfederung der Auswirkungen der Coronapandemie. Kinder und Jugendliche gehören zu den Hauptleidtragenden der Pandemie. Sie brauchen weiterhin unsere Unterstützung. Durch Covid-19 und die Zeiten von Home Schooling sind Rück­stände entstanden, die es nun aufzuholen gilt. Doch dafür benötigt es das erforderliche Lehrpersonal und ein Aufhol-Paket gegen Lernrückstände, die trotz des enormen Engagements der Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen während der Pandemie entstanden sind.

Unklar ist auch, wie sich die Corona-Situation im Herbst darstellen wird. Expert*innen rechnen mit neuen Covid-19-Wellen. Nachdem bereits die Sommermonate der letzten Jahre ungenützt verstrichen sind, ist zu hoffen, dass sich das Bildungsministerium diesmal adäquat auf den Herbst vorbereitet. Von welchen Szenarien das Bildungs­ministerium dabei konkret ausgeht und welche Vorkehrungen getroffen werden, ist jedoch nicht bekannt. Klar ist, dass es weiter Sicherheitskonzepte brauchen wird, damit Schulen sicher im Normalbetrieb laufen können.

Die Forschungsplattform "Covid-19 Future Operations" hat dazu einige Empfehlungen veröffentlicht und mehrere Szenarien für die weitere Entwicklung im Herbst skizziert. Das Papier empfiehlt beispielsweise eine konsequente Luftqualitätsüberwachung: CO2-Sen­soren sollten zur Verbesserung und Überprüfung des Fensterlüftens (Stoßlüften/Dauer­lüften) in Innenräumen eingesetzt werden. Darüber hinaus braucht es Lüftungs- bzw. Luftreinigungsgeräte: Abluftventilatoren können infektiöse Atemaerosole besonders wirk­sam entfernen insbesondere in Versammlungs-, Klassen- und Aufenthaltsräumen. Sie sind seit vielen Jahren Stand der Technik und können nach Bedarf intervallartig oder dauerhaft betrieben werden. Abluftventilatoren sind kurzfristig, kostengünstig und mit geringem Aufwand nachrüstbar. Mobile Luftreiniger können auch zu einer Verringerung potentiell infektiöser Atemluftaerosole beitragen. Als Desiderat hinzukommt eine ge­eignete Testinfrastruktur, nachhaltiges und vorausschauendes Agieren und nach zwei Jahren Pandemie die rechtzeitige Kommunikation von Zielen.

Auch für die Sprachförderung und Volksschulklassen stehen zu wenige Planstellen zur Verfügung. Insbesondere gilt es, einen Fokus auf die ersten beiden Volksschuljahre zu legen. Durch den pandemiebedingten unregelmäßigen Besuch der elementarpäda­go­gischen Einrichtungen während der vergangenen Jahre hat sich der Entwicklungsstand der Kinder weiter auseinanderbewegt. Die Kinder kommen mit unterschiedlichen Vor­aussetzungen und Lernständen in die Volksschule. Daher müssen die Klassen zu­mindest in den ersten beiden Jahren an den Volksschulen doppelt mit Lehrpersonal besetzt werden, damit individuell auf den Förder- und Lernbedarf der Schüler*innen eingegangen werden kann.

Ebenfalls aktuell nicht vorgesehen ist zusätzliches Personal zur Unterstützung der Flüchtlinge aus der Ukraine. Bereits derzeit sind mehr als 9.000 Kinder und Jugendliche, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, in einer österreichischen Schule an­gemeldet. Laut Prognosen könnten es noch bis zu 40.000 werden. Auch hier wurden


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seiten des Bundes bisher keine Maßnahmen präsentiert. Zusätzlichen Lehrer*innen-Stellen für ukrainische Schüler*innen müssen möglichst rasch bereitgestellt werden, da sonst für die Schulen keine Planung mehr möglich ist und auch die Weiterverwendung der jüngst angestellten Lehrkräfte aus der Ukraine schwierig wird.

Wenn wir daher verhindern wollen, dass an Österreichs Schulen ab Herbst lediglich ein Minimalbetrieb gewährleistet ist, braucht es rasch entsprechende Planungen, Mittel und Planstellen. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein umfassendes Schulpaket vorzulegen, das sicherstellt, dass ab Herbst ein qualitativ hochwertiger Unterricht und nicht nur ein Minimalbetrieb an Österreichs Schulen möglich ist. Dieses Schulpaket soll jedenfalls enthalten:

•             zusätzliche Planstellen zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine und zum Aufholen von Lernrückständen aufgrund der Coronapandemie

•             Doppeltbesetzung des Lehrpersonals in den ersten beiden Volksschulklassen – in einem ersten Schritt zumindest in den Leitgegenständen Deutsch und Mathematik

•             Sicherheitskonzepte, die sicherstellen, dass Schulen gut auf eine erneute Covid-19-Welle vorbereitet sind und offen gehalten werden können.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte.


21.04.38

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der jetzt in Verhandlung stehende Antrag behandelt das Problem der Autonomie. Wir wollen die Autonomie in vielfältiger Weise vergrößern. Diese Vergrößerung der Auto­nomie erzeugt natürlich auch verschiedene Bilder von Schulen, und das ist gar nicht so schlecht, Frau Kollegin Vorderwinkler. Autonomie – autonomos –, sich selbst Gesetz geben zu können, das ist tatsächlich etwas, was den reifen Menschen kennzeichnet. Wir wollen ja haben, dass diese Autonomie in der Schule auch von den Lehrerinnen und Lehrern gelebt wird. Das bringt mich jetzt eigentlich auf das Thema, das mit Autonomie stark zusammenhängt, nämlich dass die Lehrerbildung tatsächlich auf diese Autonomie hin zugeschnitten werden sollte.

Bei der Lehrerbildung ist es ja so, dass sie eigentlich auf drei Säulen beruht: erstens auf der fachlichen Ausbildung, zweitens auf der pädagogischen Bildung und drittens, nicht zu vernachlässigen, von Anfang an die praktische Erfahrung, die die jungen Damen und Herren haben sollen, miteinzuplanen. Das ist eigentlich durchzuführen, das führt zu einem interessanten und zu einem sehr attraktiven Beruf, wobei es nicht darauf an­kommt, dass diese Ausbildung lang dauert. Im Gegenteil: In der knappen, konzisen Kürze liegt die wirksame Würze, Herr Bundesminister!

Es sind ja in Wirklichkeit zwei wesentliche Regeln, die in der Lehrerbildung zu beachten sind: auf der einen Seite, dass man fachlich kompetent und von dem Fach so fasziniert ist, dass man es gut weitervermitteln kann, und auf der anderen Seite, dass man die


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Persönlichkeit jedes der der Lehrkraft anvertrauten Kindes oder Jugendlichen ernst nimmt. Diese beiden Regeln zu erfüllen erlauben dann, den autonomen Unterricht zu gestalten. Dafür sollen wir einstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Lehrberuf hat seine Attraktivität. Meine Mitstreiter im Unterrichtsausschuss, Frau Kollegin Salzmann, Frau Kollegin Totter, Frau Kollegin Deckenbacher, Herr Kollege Weber, Herr Kollege Hofinger, Frau Kollegin Kaufmann, wissen, wie wesentlich und wie attraktiv der Lehrberuf ist. Wir brauchen junge Leute, viele junge Leute, die sich für diesen Beruf begeistern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir diese vielen jungen Leute gewinnen können, dann, Frau Kollegin Vorderwinkler, wird sich auch Ihr Antrag in gewisser Hinsicht auflösen, nämlich insofern, als diese Leute, wenn wir die Besten herausholen, einen guten Unterrichtsbeginn auch schon in der Primarstufe gewährleisten werden.

Die Autonomie besteht auch darin, Herr Bundesminister, dass man so unterrichtet, indem man die Lehrpläne wie Wittgensteins Leiter betrachtet: Man wirft sie weg, nach­dem man an ihr emporgeklettert ist. Man gestaltet frei. Geben Sie Gestaltungsfreiheit, Sire!, kann ich Ihnen in der Art von Schiller vielleicht zurufen. Geben Sie Gestaltungs­freiheit, Herr Bundesminister! Sie machen jetzt mit diesem Entwurf, den wir hier vorliegen haben, einen Weg frei, einen weiteren Schritt hin zur Autonomie. Gehen Sie diesen Weg weiter! Der Weg ist richtig, der Weg ist gut, der Weg hin zu einer guten Schule soll uns weiter bestärken. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

21.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brückl. – Bitte.


21.08.25

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Ich darf das vielleicht noch einmal ein bisschen vereinfacht auf den Punkt bringen. Es sind zwei zentrale Dinge, um die es hier in diesem Antrag geht. Zum einen geht es darum, dass ein Schulversuch, der im Jahr 2005 begonnen wurde, ins Regelschulwesen überführt werden soll – bedeutet: Aufsteigen für einen Schüler auch mit Nicht genügend. Das ist ein zentraler Punkt in diesem Antrag. Und beim zweiten geht es darum, dass man die Coronasondergesetzgebung wiederum verlängert. Das sind also diese zwei zentralen Punkte, um die es geht.

Dieses Aufsteigen mit Nicht genügend hört sich zwar gut an, tatsächlich ist es aber so, dass dieser Schulversuch, der ja, glaube ich, jetzt 17 Jahre oder 16 Jahre gelaufen ist, gezeigt hat, dass tatsächlich dann im Endeffekt Schulabbrecher geschaffen wurden, was uns auch im Ausschuss von der ÖVP bestätigt wurde. Zugegebenermaßen macht man jetzt Änderungen, das wird aber an dieser Situation nichts ändern. Wie gesagt, es hört sich gut an, tatsächlich ist es ein sehr kompliziertes Werk, das hier geschaffen wurde, mit einem Hang zur Komplexität, weil eben auch noch Fragen offenbleiben. Das muss man hier ganz klar so sagen.

Einige der Fragen wären – Herr Professor, Sie haben es als Autonomie der Schulen bezeichnet –: Was passiert, wenn eine Schule sich für den einen Weg entscheidet? Kann sie diese Entscheidung irgendwann zurücknehmen? Wie wird das abgewickelt? Und so weiter. Also es bleiben hier tatsächlich Fragen offen.

Herr Bundesminister – an Sie gerichtet –: Dieser Antrag oder dieses Gesetz hat auch Ansätze, durch die immer mehr sozusagen universitäre Ansätze in die Schulen getragen werden, gleichzeitig aber verschulen wir die Universitäten immer mehr.

Wie gesagt, der zweite Punkt ist die Coronagesetzgebung, die man mit diesem Antrag verknüpft, diese Sondergesetzgebung wird verlängert. Das heißt, den Kindern wird vor


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dem Herbst, wenn es in die Schule geht, wieder Angst gemacht: Der Testwahnsinn geht weiter, der Maskenzwang geht weiter. Die Planungen für Schulschließungen laufen schon wieder. Kinder, Eltern, Lehrer werden wieder Druck, Zwang und Repressionen ausgesetzt, und anstatt hier der Normalität das Wort zu reden, richtet man sich ein, dass dieser Notstand im Herbst wieder weitere Urstände feiert. Anstatt diese regierungs­gewollten Zwangsmaßnahmen zu beenden, rückt das Testen, rücken die Masken und rücken mögliche Schulschließungen wieder in den Mittelpunkt.

Wir Freiheitliche lehnen das ab, weil wir gesehen haben, wohin das führt: Es führt zur Vereinsamung unserer Kinder, es führt zu unglaublichen, teilweise irreparablen psychi­schen Belastungen bei unseren Kindern, zu Lernrückständen, zu Bildungsverlusten und so weiter und so fort. Unsere Vorstellungen, unsere Vorschläge liegen seit eineinhalb Jahren auf dem Tisch. Wir haben wirklich mehrere Pläne, Stufenpläne vorgelegt, wie es ohne Tests geht, wie es ohne Impfkampagne in den Schulen geht, wie es ohne Masken in den Schulen funktionieren würde – keine Lockdowns, keine Schulschließungen. Eine Kollegin von der ÖVP hat heute bei der Behandlung des Berichtes des Volksanwalt­schaftsausschusses – ich glaube, Kollegin Totter war es – gemeint, wie toll das Dis­tancelearning und die Schulschließungen funktioniert haben, das sei überhaupt kein Problem gewesen. Tatsache ist, es war ein Problem! (Zwischenruf der Abg. Totter.) – Es war chaotisch, was hier abgegangen ist, und das so schönzureden ist aus meiner Sicht unglaublich. Es ist nicht nachvollziehbar, völlig unverständlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben unzählige Vorschläge gemacht, Herr Bundesminister – Sie wissen das ja auch, und ich denke, Sie haben sich diese, so hoffe ich zumindest, auch angeschaut.

Im Übrigen werden wir dem Antrag der SPÖ hier, das kann ich sagen, zustimmen, weil er auch Ansätze hat, die notwendig sind: Es braucht Sicherheit, es braucht Planung für die Eltern, es braucht Sicherheit für die Schüler, für die Eltern, für die Lehrer für den Herbst.

Herr Bundesminister! Normalität im Schulbetrieb muss das Ziel sein, es muss auch Ihr Ziel sein, und dieser Normalität muss diese Bundesregierung auch das Wort reden und hier nicht schon wieder jetzt im Sommer von Vornherein damit beginnen, dass man Angst macht, dass man unsere Kinder durch Zwang und Druckmaßnahmen im Herbst wieder leiden lässt. (Beifall bei der FPÖ.)

21.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Hamann ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.13.18

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Lieber Herr Präsident! Lieber Herr Bun­desminister! Was steht in der Gesetzesvorlage, die wir hier haben? – Kollege Taschner hat das Wort Autonomie schon erwähnt. Ja, wir wollen hier Spielräume erweitern, wir wollen individualisieren, wir wollen ermöglichen, dass noch viel besser auf Bedürfnisse eingegangen werden kann, und zwar nicht nur auf jene von Schulen, sondern auch auf jene von einzelnen Kindern, denn jede Schule ist anders, jedes Kind ist anders, und das ist gut so. (Ruf bei der SPÖ: Wo steht das?)

Zwei Beispiele: Wir verankern hier etwas, was bedarfsgerechte Fördermaßnahmen heißt. Das heißt, Fördermaßnahmen sollen nicht immer am Defizitbegriff, an schwäche­ren SchülerInnen festgemacht werden, sondern sollen für alle da sein, die das aus verschiedensten Gründen brauchen und wollen. Künftig können nicht nur Lehrkräfte Kinder dafür anmelden, sondern auch die Kinder und Jugendlichen selber können das tun. Das ist wichtig in Bereichen wie zum Beispiel der Begabtenförderung oder auch in


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der Sommerschule. Das ist wichtig, damit jedes Kind sein ganzes Potenzial ausschöpfen kann.

Ein zweites wichtiges Beispiel – es wurde schon angesprochen – ist: Wir erweitern den Spielraum für die Unterrichtsorganisation. Da gibt es ja an Schulen, wie viele von Ihnen wissen, sehr unterschiedliche Modelle, die dort gelebt werden, angefangen von der Semestereinteilung über geblockte Unterrichtsteile bis hin zur Möglichkeit, Gegenstände vorzuziehen, Schwerpunkte zu setzen. Das kann – und das ist ganz wichtig! – künftig schulautonom bestimmt werden, und auch das ist gut so.

Wir bringen damit eine ziemlich lange Geschichte zu Ende, die schon vor vielen Jahren mit diesem ewigen Gwirks um die Nost begonnen hat. Ich mache da jetzt noch kurz einen kleinen Exkurs zu einer bestimmten Art von Schulen, die bei der Individualisierung des Unterrichts viele Jahre lang Pionierarbeit geleistet haben, das sind die sogenannten Novi-Schulen, die Oberstufen mit verstärkter Individualisierung.

Diese standen noch vor eineinhalb Jahren an der Kippe, ihre Existenz war bedroht. Wir haben es geschafft, alle Beteiligten hier in einem sehr erfreulichen, sehr konstruktiven Prozess an Bord zu holen, für den ich mich beim Ministerium und auch bei den betrof­fenen Schuldirektoren sehr herzlich bedanken möchte. Diese erfolgreiche Pionierarbeit wird jetzt mit dieser Gesetzesvorlage ins Regelschulwesen überführt, und alles, was dort gemacht wurde – Lernindividualisierung, alternative neue Lernformen –, ist jetzt nicht nur möglich, sondern wird auch ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen. Das ist ein großer Fortschritt für unser Schulsystem. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was mich ein bisschen wundert – da ich jetzt gesehen habe, dass die SPÖ dieser Regierungsvorlage nicht zustimmen wird –: Die ehemalige Bildungsministerin und auch ehemalige Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid hat diesen Prozess freudig begrüßt, hat sich irrsinnig darüber gefreut, auch hier in diesem Raum – vielleicht erinnern Sie sich noch daran. Ich bin jetzt ein bisschen erstaunt, dass die SPÖ dieser Regie­rungsvorlage unter den neuen Vorzeichen nicht zustimmen wird. Vielleicht erfahren wir dazu ja noch die Hintergründe. Wenn nicht: Sie könnten die Sonja noch einmal kurz anrufen, vielleicht ändert sich das ja auch noch. Ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen, wenn wir hier einen gemeinsamen Weg finden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Kucharowits ist zu Wort gemel­det. Das Wort steht bei ihr.


21.17.01

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Bundes­minister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das, was heute vorliegt, das heutige Gesetz ist ein Sammelsurium, ein Sammelgesetz, in dem einfach unterschiedlichste Materien zusammengeworfen worden sind – und das ist leider kein Einzelfall, werte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP und der Grünen, das passiert immer und immer wieder. Das ist ein Fleckerlteppich, der übrigens auch sehr fehlerhaft ist: Wir haben allein in den Erläuterungen 15 Fehler gefunden, und diese Fehler sprechen für Ihre Bildungspolitik, werte Bundesregierung: Das ist einfach lücken­haft und fehlerhaft. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Ich möchte an die 15a-Vereinbarung erinnern, die wieder nur eine Mogelpackung ist: Wo bleibt der Rechtsanspruch auf Kinderbildung, wo? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.) Sebastian Kurz hat den Kindern diesen Rechtsanspruch vor fünf Jahren weggenommen; fünf Jahre später repariert man das nicht. (Abg. Salzmann: Wir


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haben gerade einen anderen Verhandlungsgegenstand!) Es fehlt die gesamte Milliarde, es sind genau 200 Millionen Euro. Mit 200 Millionen Euro schafft man keinen Ausbau, keinen Neubau, schon gar nichts in der Fläche für Kinderbildung.

Da sieht man ganz einfach auch, was Ihnen Kinderbildung wert ist. Bei den 200 Millionen Euro ist überhaupt noch keine Qualität dabei, und von der Bezahlung von PädagogInnen oder KinderbetreuerInnen ist auch keine Rede. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeord­neten Künsberg Sarre und Prammer.) Das heißt, es ist wieder davon abhängig, ob ein Kind am Bodensee oder am Neusiedler See zu Hause ist. Das ist wirklich traurig. Ihnen ist das anscheinend nichts wert.

Aber jetzt zur modularen Oberstufe: Werte Kollegin Hamann, das Problem ist, Sie flexibilisieren sie, wir wollten immer eine flächendeckende Einführung – auch Kollegin Hammerschmid, unabhängig davon, ob als Bildungssprecherin oder Bildungsministerin. Was Sie jetzt machen, ist gegenüber den Schülerinnen und Schülern ziemlich kleinlich und ziemlich ungerecht, weil die Entscheidung wieder davon abhängig ist, an welchem Schulstandort man ist, an welcher Schule man ist, weil dort dann der Schulgemein­schaftsausschuss entscheidet (Zwischenruf der Abg. Salzmann): Gibt es eine modulare Oberstufe dort oder gibt es keine? – Das ist ungerecht und unfair den SchülerInnen gegenüber, das ist das Thema. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schieben das alles jetzt auf die tolle Schulautonomie, die die ÖVP übrigens sehr lange Zeit verzögert hat, als die SPÖ-Bildungsministerinnen das wollten. Sie haben die Autonomie sehr lange Zeit verzögert (Abg. Taschner: Sie haben nur das Wort im Mund geführt, mehr nicht!), aber man kann ja, werter Kollege Taschner, die Meinung auch ändern, und das ist gut so. (Beifall bei der SPÖ.)

Des Weiteren im Gesetz implementiert sind ja auch – deswegen sage ich Sammelsurium (Abg. Michael Hammer: Man kann auch immer dagegen sein, ja!) – Covid-19-Maß­nahmen, aber, werter Herr Bundesminister – es ist schon angesprochen worden –, wo bleibt das Konzept für den Herbst? Wir haben heute den 15. Juni. In eineinhalb Wochen ist Schulschluss für viele Kinder und Jugendliche in Österreich (Abg. Salzmann: Ja, es ist Schulschluss ...!) – in eineinhalb Wochen! –, und niemand von den SchülerInnen, von den LehrerInnen, von den Eltern weiß, wie es im Herbst weitergeht. Wo bleibt Ihr Konzept? Sie haben im Ausschuss gesagt, es gibt Beratungen, es gibt Gespräche. Wo bleibt dann die Transparenz hinsichtlich der Beratungen und der Gespräche?

Wir – nämlich die SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern – haben es uns ganz einfach verdient, diese Konzepte zu kennen, und nach zweieinhalb Jahren Pandemie kann man erwarten, dass man Szenarien jetzt auf den Tisch legt, und das zeitgerecht. – Das tun Sie nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Apropos zweieinhalb Jahre: Viele SchülerInnen haben neben den zentralen sozialen Einschränkungen, die sie in der Pandemie erfahren mussten, Bedarf an Unterstützung. Es wäre jetzt höchst an der Zeit, diesen Bedarf mittels mehr LehrerInnen in den Klassen zur Verfügung zu stellen. (Abg. Salzmann: Wo nimmst du denn die Lehrer her?) Das machen Sie nicht! Sie warten ab und warten ab und warten ab – auf Kosten der SchülerInnen. Das ist sehr schade.

Außerdem ist schade, dass Sie auch ukrainische SchülerInnen alleinlassen. Wo sind die muttersprachlichen Angebote an den Schulen? – Es ist unsere Pflicht, allen Kindern das Recht auf Bildung zu gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist in den Kinderrechten und übrigens auch in den Sustainable Development Goals, in den Nachhaltigkeitszielen, verankert. Wir müssen das erfüllen! (Abg. Salzmann: Du hast keine Ahnung, sei mir nicht böse! Du hast keine Ahnung, was wirklich Sache ist!)


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Wir geben aber nicht auf, obwohl Sie im letzten Ausschuss wieder 14 Tagesordnungs­punkte und Vorschläge der Oppositionsfraktionen vertagt haben. Wir geben nicht auf! Sie haben heute wieder die Möglichkeit, einem umfassenden Antrag der Kollegin Vorderwinkler zuzustimmen und damit den SchülerInnen und LehrerInnen endlich das Leben in der Schule ein wenig zu erleichtern. Ergreifen Sie die Chance und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Polaschek. – Bitte sehr, Sie haben das Wort.


21.21.21

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Lassen Sie mich, bevor ich zur Legistiknovelle komme, unterstreichen – weil es schon mehrfach angesprochen worden ist –, was mein Ressort in den letzten Wochen gerade für Österreichs Volksschulen getan hat.

Alleine im Schuljahr 2021/2022 wurden im Rahmen des Covid-19-Förderstundenpakets zusätzlich 38 214 Wochenstunden – das entspricht rund 1 737 Planstellen zusätzlich – für die Volksschulen zur Verfügung gestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bei zusätzlichen Schülern werden wir auch weiterhin zusätzliches Lehrpersonal zur Verfügung stellen. Natürlich erhalten auch die Volksschulen bei zusätzlichen Schülerin­nen und Schülern weiterhin Unterstützung. Außerdem war es mir wirklich ein per­sön­liches Anliegen, unkomplizierte Lösungen für die Anstellung qualifizierter ukrainischer Pädagoginnen und Pädagogen zu finden, damit sie so schnell wie möglich in den Klassen eingesetzt werden können. Wir tun alles, was nur irgendwie möglich ist, um den ukrainischen Kindern die entsprechenden Sprachangebote zur Verfügung zu stellen, und wo immer wir die Möglichkeit haben, Menschen mit der entsprechenden Sprachkom­petenz in die Schulen zu bringen, tun wir das. Wir bemühen uns sehr darum und machen auch regelmäßig Aufrufe, unterstützen alle Personen und ermöglichen allen Personen, die die Qualifikation haben, auch entsprechend in den Schulen für die ukrainischen Kinder eingesetzt zu werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Prammer und Rössler.)

Wenn man sich die Situation in den Volksschulen ansieht, so erkennt man, dass durch­schnittlich rund zehn Volksschulkinder auf eine Lehrkraft – die von uns finanziert wer­den – kommen. Mir ist es wichtig, dass diese Lehrkräfte auch wirklich in der Klasse stehen und von anderen Tätigkeiten entlastet werden. Ich werde aber weiterhin Ge­spräche mit den Ländern und den Bildungsdirektionen führen, wie wir einen gezielten Ressourceneinsatz, speziell für die Schuleingangsphase und die ersten zwei Schuljahre, sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf aber darauf hinweisen, dass gerade mit meiner Initiative zur Bereitstellung von administrativem Unterstützungspersonal im Pflichtschulbereich und der Verankerung einer entsprechenden Bestimmung jetzt im Finanzausgleichsgesetz die Schulleitungen und die Lehrkräfte zusätzlich entlastet werden können. Wir beobachten derzeit natürlich genau, ob weitere Notwendigkeiten im neuen Schuljahr entstehen. Die Schulplanungen sind natürlich noch nicht abgeschlossen. Ist es der Fall, dass wir zusätzlichen Bedarf haben, werde ich mich jedenfalls dafür einsetzen, nicht verbrauchte Mittel auch im kommenden Schuljahr entsprechend umzuleiten und dort einzusetzen, und falls es notwendig ist, werden wir selbstverständlich auch die entsprechenden Gespräche über


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zusätzliche Mittel führen und dort, wo es notwendig ist, entsprechende Ressourcen zur Verfügung stellen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Bereits heute steht grundsätzlich jeder Klasse eine zusätzliche Förderstunde, zu der die klassenführende Lehrperson individuell einzelne Schülerinnen und Schüler einladen kann, zur Verfügung. Damit kommt jedem Kind heute schon bei Bedarf ohne zusätz­lichen Aufwand Förderung über den Unterricht hinaus zugute. Selbstverständlich ist es mir aber auch weiterhin ein zentrales Anliegen, alles zu tun, um die Volksschulen best­möglich zu unterstützen, denn gerade die ersten beiden Volksschulklassen verdienen eine besondere Aufmerksamkeit, und wir werden ihnen genau diese Aufmerksamkeit zukommen lassen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Jakob Schwarz.)

Ich darf nun noch in Kürze auf die wichtigsten Eckpunkte der vorliegenden Novelle eingehen: Zentral ist eben die Stärkung von Eigenverantwortung, von Selbstständigkeit und von Selbstorganisation in der Schule. Um der Individualität der Schulen und der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, wollen wir mit dem vorliegenden Ge­setzentwurf schulautonome Entscheidungsmöglichkeiten ausweiten. Es geht um die Eigenverantwortung der Schulen und die eigene Entscheidung der Schulen, für welche Art von Angebot sie sich entscheiden. Es geht um die Eigenständigkeit und um die Selbstorganisationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, die entsprechend ausgebaut und gestärkt wird.

Die Gestaltungsmöglichkeiten für die nächste Generation von Lehrplänen der Sekun­dar­stufe II werden ebenfalls erweitert. Dadurch soll die gesetzliche Regelungsdichte für die kommende Generation der Lehrpläne in diesem Bereich so weit zurückgenommen wer­den, dass zusätzliche Freiräume entstehen und eben neue, zusätzliche Möglichkeiten für individuell wählbare Angebote – wie zum Beispiel schulautonome Wahlpflicht­gegen­stände – geschaffen werden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich halte es auch für gut, dass die Wahlfreiheit zwischen jahresweiser und semestrierter Führung der Oberstufe etabliert wird. Das fällt in die Autonomie der Schulleitungen und der Schulpartner – der Schulpartner! – vor Ort. Eine Änderung muss entsprechend vor­geplant werden, damit sich die Schülerinnen und Schüler und die Eltern darauf einstellen können.

Es ist bereits angesprochen worden: Der Schulversuch der neuen Oberstufe mit ver­stärkter Individualisierung wird ins Regelschulwesen übernommen. Schulen, die die semestrierte Oberstufe führen, können sich auch für die Novi entscheiden, müssen es aber eben nicht. Die Möglichkeiten zur Befreiung vom stundenplanmäßigen Regel­unter­richt, wenn die Schülerinnen oder Schüler an anderen Unterrichtsangeboten teilnehmen wollen, werden jetzt erheblich erweitert. Damit werden auch da Gestaltungs- und Wahl­möglichkeiten – eben Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten und kein Zwang – eingeführt. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, selber zu entscheiden, welche Lehr- und Lernformen sie für sich auswählen wollen.

Des Weiteren inkludiert die Novelle eine Ausweitung des Förderunterrichts. Ich halte das für sehr wichtig, denn in Zukunft kann der Förderunterricht vorgesehen werden, wenn die Lehrkraft feststellt, dass ein Bedarf für eine Förderung vorliegt, oder auch, wenn eine Schülerin oder ein Schüler selbst einen solchen anmeldet. Das bedeutet, dass be­sonders begabte Schülerinnen und Schüler ebenfalls Förderungen beantragen können, weil wir auch wollen, dass diejenigen, die ganz aktiv noch weiter gefördert werden wollen, ebenfalls diese Möglichkeit haben – damit also alle Schülerinnen und Schüler, die wirklich noch etwas mehr an Förderung haben wollen, diese auch bekommen und wir diese nicht davon ausschließen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)


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Und zuletzt: Die derzeit im Schulrecht vorgesehenen Möglichkeiten für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie sollen um ein Schuljahr verlängert werden. Der Einsatz und der Umfang der Maßnahmen werden wie bisher davon abhängen, ob die Maßnahmen sachlich notwendig, zweckmäßig und verhältnismäßig sein werden.

Unser Ziel wird sein: sichere und offene Schulen. Das ist unsere Maxime, und ich kann Ihnen versichern, wir bereiten uns sorgfältig auf den Herbst vor. Wir arbeiten daran, aber wir arbeiten sorgfältig und gehen nicht zu früh mit Ankündigungen hinaus – wir werden es dann mitteilen, wenn wir die Arbeiten ordentlich erledigt haben, im Sinne der Schüle­rinnen und der Schüler, die sich das einfach verdient haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hamann und Weratschnig.)

21.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte.


21.28.59

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir stimmen dieser Sammel­no­velle für die Oberstufe zu, weil wir es sinnvoll finden, dass eben nicht alle Schulen über einen Kamm geschoren werden, weil es ein guter Schritt in die richtige Richtung, in Richtung Kurssystem ist und weil wir es wichtig und sinnvoll finden, dass es Schulen leichter gemacht wird, Schwerpunkte zu bilden.

Was diese Sammelnovelle aber natürlich nicht schafft und nicht ändert, ist das System an sich. Es ist keine Systemänderung, und von einer Autonomie, von der Sie jetzt auch gesprochen haben, von einer echten Autonomie, wie sie viele andere Länder schon längst haben, sind wir natürlich nach wie vor weit entfernt. Da wird auch diese Sammel­novelle nichts bringen beziehungsweise wird sie nur ein kleiner Schritt sein, weil Sie einfach zu wenig tun. (Abg. Taschner: Ein Schritt nach dem nächsten!) – Sie sagen: „Ein Schritt nach dem nächsten!“ Es ist ein bisschen so, dass Sie einerseits aufs Gas steigen, gleichzeitig aber die Handbremse angezogen haben. Das Problem ist, dass Sie nicht merken, was Sie da tun. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Kucharowits.)

Wir wissen, dass der größte Hemmschuh für echte Schulautonomie die Schulbürokratie mit ihren x Ebenen ist. Das wissen wir längst, das sagen sämtliche Erhebungen und das sagt die Evidenz. Wir haben ein System, das Innovation bremst, das Entscheidungen erschwert und Engagement nicht fördert. Wir haben ein System, in dem Schulleitungen zwar Führungskräfte sind, aber Führungskräfte ohne Entscheidungskompetenzen, weil sie weder über Finanzhoheit noch über Personalhoheit verfügen.

Wir haben ein System, das dermaßen überreguliert ist, dass niemand mehr die Vielzahl an Gesetzen, Verordnungen und Erlässen überblicken kann. Das ist das Riesenproblem, das wir haben, mit dem Sie unsere Schulen zuschütten. Jede Novelle, die ein bisschen Autonomie in dieses System bringt, ist gut, ist nett und ist lieb gemeint, aber autonome, selbstbewusste, starke und selbstbestimmte Schulen erreichen wir damit überhaupt nicht. Wir brauchen ein System, in dem Subsidiarität und Autonomie die Regel sind und nicht die Ausnahme. Bei uns ist die Bürokratie die Regel und die Autonomie die Ausnahme. Das muss sich ändern. In vielen anderen Ländern ist es längst der Fall, dass man den Schulen am Standort die Entscheidungskompetenzen übergibt.

Im bestehenden System gibt es jetzt schon viele Autonomiemöglichkeiten, aber die Schulen machen es nicht, sie wenden diese Möglichkeiten viel zu wenig an, weil sie genau wissen, dass es ihnen eigentlich keine großen Erleichterungen bringen wird. Auch diese Novelle wird nicht die große Autonomie bringen.


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Wenn Sie es mit der Schulautonomie, von der Sie gesprochen haben, und mit den Möglichkeiten, die es im Rahmen einer Schulautonomie gibt, ernst meinen, dann müs­sen Sie gleichzeitig auch die Schulbürokratie abbauen. Sie können nicht immer nur Assistenzkräfte und Verwaltungspersonal an die Schulen schicken. Das Problem ist, dass die Bürokratie abgebaut werden muss, damit sich die Lehrkräfte auf den Schul­unterricht konzentrieren können.

Das System, das Sie nach wie vor fahren, ist ein System aus dem Postkutschenzeitalter. Es ist überholt. Wir brauchen moderne Schulen, wie Estland, Finnland, Norwegen sie haben – da kann man eine große Latte an Ländern aufzählen.

Das Thema ist, dass Sie offensichtlich den Direktorinnen und Direktoren und den Lehre­rinnen und Lehrern nicht zutrauen, vor Ort Entscheidungen zu treffen. Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass die Personen das an den Schulen sehr wohl wissen und sehr wohl können und Sie es denen endlich zutrauen sollten.

Herr Minister, ganz kurz noch: Kommen Sie ins Tun! Ja, Sie machen viel, das wissen wir, Sie arbeiten viel und redlich. Wann kommen die angekündigten Lehrpläne? Was tun Sie gegen den PädagogInnenmangel in Schule und Kindergarten? – Der ist jetzt schon da und nicht erst in den nächsten Jahren zu beheben. Was sind überhaupt Ihre bildungspolitischen Ziele und Anliegen? – Davon hat man bis jetzt noch nichts gehört. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.


21.33.40

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man kann sich manche Sache schon schön­reden. Kollegin Hamann hat von erfolgreicher Pionierarbeit gesprochen. Ich sehe das auch so. Ich frage mich nur, warum diese erfolgreiche Pionierarbeit nicht auf alle Ober­stufen ausgerollt wird. Unter dem Deckmantel: Wir schaffen die Autonomie, die Schulen können sie entdecken und weiterführen!, ist – wenn man die 15 Fehler in den Erläuterun­gen noch dazu nimmt –, glaube ich, ein Begräbnis zweiter Klasse entstanden. Also viel Liebe dafür ist nicht vorhanden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube auch, dass das eine erfolgreiche Pionierarbeit war. Zwölf Jahre lang wurde etwas geschaffen und probiert, um es dann allen Schülerinnen und Schülern zu ermög­lichen und an allen Schulen auszurollen. Wieso wird das nicht gemacht? (Abg. Salzmann: Weil es nicht so gut ist!) – Aha! Wieso aber ergibt die Evaluierung dann – wenn man sie sich anschaut –, dass es augenscheinlich weniger Schulabbrecherinnen und Schul­abbrecher gibt? Das ist doch schon einmal ein Erfolg, dass man sagen kann: Okay, wir behalten die Jugendlichen in den Schulen, wir verlieren sie nicht!

Bei diesem Projekt ist angedacht gewesen, es weiterzuentwickeln, es ist keine starre Angelegenheit, und es ist in den Schulen – mit den SchülerInnen, aber auch vom Ministerium aus – auch weiterentwickelt worden. Das war ein Entwicklungsprozess, und deswegen werden wir jetzt nicht zustimmen. Meine ehemalige Kollegin Bildungs­sprecherin Hammerschmid hätte sich sehr gefreut, wenn es auf alle Schulen ausgerollt worden wäre; dafür war es nämlich gedacht. Sagen Sie: Was wollen Sie stattdessen? Was sind Ihre Ideen für die Entwicklung, für die Reform der neuen Oberstufe? – Davon haben wir nämlich im Ausschuss vom Herrn Minister nichts gehört. Ich setze auf Sie, Frau Salzmann, vielleicht sagen Sie, wie es jetzt weitergeht.

Entweder machen es die Schulen weiter oder es geht, wenn sie es nicht weitermachen, zurück in die Siebzigerjahre. Von Ihnen, den Regierungsparteien, hören wir nichts. (Beifall


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bei der SPÖ.) Es ist schade, dass Sie, weil es keine neuen Ideen gibt, unter dem Deckmantel der Autonomie die Nost zu Grabe tragen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Salzmann ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.36.52

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die noch im Hohen Haus anwesend sind! Vielleicht schauen auch noch ein paar Zuseher von daheim aus zu. Was ich als Praktikerin alles von diesem Rednerpult aus höre, ist wirklich ein absolutes Sammelsurium. (Abg. Yılmaz: Die Novelle ist auch ein Sammelsurium!) Das deckt eine große Bandbreite ab, trifft aber leider nicht das, was in der Praxis auch wirklich gefragt, notwendig und erforderlich ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf Ihnen das anhand einiger Punkte belegen, weil wir ja faktenbasiert agieren; zumindest können Sie das von mir nicht nur von dieser Stelle aus, sondern auch jederzeit im persönlichen Gespräch haben.

Meine Damen und Herren, mit der Novelle, die heute vorliegt, stärken wir ganz klar unsere Schulen, damit entwickeln wir die Bildung weiter. Da sind wir uns alle einig: Wir wollen für unsere Kinder und Jugendlichen eine bestmögliche Bildung. Da unterscheiden sich Ihre Ideen und Vorstellungen etwas von jenen, die wir haben. Trotzdem gibt es einen allgemeinen Kern. Es ist notwendig, dass wir die Rahmenbedingungen für eine gute Bildung immer wieder weiterentwickeln. Das tun wir auch mit dieser Novelle. Warum? – Ich möchte einige Punkte herausgreifen.

Die Schulautonomie, die von den Vorrednerinnen der SPÖ-Fraktion leider eher kritisch gesehen wird (Abg. Kucharowits: Das ist unrichtig!), ist für mich eine gute Sache. Ich darf das an einigen Punkten festmachen: Einerseits werden wir die schulautonomen Gestaltungsmöglichkeiten erweitern und mehren. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Ich gehe auf die Lehrpläne ein: Es gibt jetzt die Möglichkeit, die Lehrpläne entsprechend den Interessen der Schüler und der Schwerpunkte der Schulen zu gestalten. Diese Indi­vidualisierung ist jetzt in den Schulen möglich. Es gibt die Möglichkeit, Wahlpflicht­gegenstände - - (Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Kucharowits und Yılmaz.) – Frau Kollegin, Sie können sich gerne noch einmal zu Wort melden. Ich habe Ihnen interessiert zugehört, vielleicht schaffen Sie das auch bei mir. (Beifall bei der ÖVP.)

Wahlpflichtgegenstände – ich habe selber über viele Jahre Wahlpflichtgegenstände unterrichtet – bieten eine ganz tolle schulautonome Möglichkeit, entweder semester­weise oder jahresweise, individuell Schüler in den Interessen, die sie haben, zu fördern. Im Normalfall erfolgt das in Ergänzung zu den Regelfächern, aber auch darüber hinaus.

Wir schaffen mit dieser Novelle des Schulunterrichtsgesetzes und des Schulorgani­sa­tionsgesetzes auch die Möglichkeit, Unterrichtsgegenstände vorzuziehen, zu wieder­holen und auch auszutauschen. Wir stärken unsere Schulen und wir entwickeln gemein­sam die Bildung weiter.

Einige Punkte greife ich noch heraus, um Ihnen das auch klarzumachen. Die neue Oberstufe, meine Damen und Herren – meine VorrednerInnen sind schon darauf einge­gangen –, bietet die Möglichkeit, semestriert zu unterrichten, semestriert Fächer auch abzuschließen. Die Praxis in den letzten Jahren zeigt, dass ein Teil dieser Schulen, die die Nost – so nennt man sie abgekürzt – im Schulversuch auch unterrichtet haben, sehr gute Erfahrungen mit dieser Nost gemacht hat, dass aber – und ich bitte die KollegInnen von der SPÖ, die Augen nicht davor zu verschließen und das schönzureden, nur weil es


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ein SPÖ-Programm war – viel mehr Schulen mit dieser Nost einfach nicht gut zurande gekommen sind. Daher ist es seit Jahren meine klare Forderung als Lehrervertreterin: Bitte überlassen wir diese Entscheidung, ob an einem Schulstandort die neue Oberstufe sinnvoll ist oder nicht, den Schulen, denn unsere Schulpartner – Herr Minister, Sie haben schon darauf verwiesen –, Eltern, Schüler und Lehrer, entscheiden gemeinsam, ob diese neue Oberstufe am Schulstandort eingerichtet werden soll oder nicht. Und das, meine Damen und Herren, das ist gelebte Schulautonomie, und dafür treten wir ein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ganz kurz – das Licht ist schon rot –: Die individuelle Lernbetreuung war mir persönlich auch ganz wichtig, und die wäre an die Nost-Schulen gebunden gewesen. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, dass diese individuelle Lernbetreuung jetzt für alle Schulen möglich ist, nicht nur für die Schulen, in denen die Nost geführt wird.

Ein weiterer Punkt: Die Reifeprüfung kann jetzt auch an den Orten der Heilbehandlung abgelegt werden. Was heißt das, meine Damen und Herren? Ich hoffe, Sie kommen nie in die Situation, dass Sie ein Kind oder ein Enkelkind haben, das über einen längeren Zeitraum in einer Krankenanstalt, in einer Rehaklinik sein muss, aber wir schaffen jetzt die Möglichkeit, zusätzlich zum Unterricht für diese Schülerinnen und Schüler, dass sie auch die Reifeprüfung, die Klausurprüfungen an diesen Orten der Heilbehandlung ablegen können, damit sie keine Zeit und auch den Mut nicht verlieren.

Lassen Sie mich abschließend von dieser Stelle aus allen Maturantinnen und Maturan­ten alles Gute für die mündlichen Prüfungen wünschen, mögen sie alle positiv sein und gut gelingen. Den Schülerinnen und Schülern wünsche ich noch viel Erfolg beim Ab­schluss des Schuljahres. Und den Lehrerinnen und Lehrern, meine Damen und Herren, danke ich von dieser Stelle aus ganz, ganz herzlich für ihr großes tägliches Engagement; auch dieses Schuljahr war extrem herausfordernd – unsere Lehrerinnen und Lehrer begleiten unsere Schülerinnen und Schüler bestmöglich. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung ist Frau Abgeordnete Kucharowits zu Wort gemeldet. – Bitte.


21.43.08

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Frau Kollegin Salzmann hat behauptet, dass die Sozialdemokratie die Schulautonomie als kritisch sieht. Das ist unrichtig.

Ich berichtige tatsächlich: Kritisch sehen wir, dass ein Erfolgsmodell wie die modulare Oberstufe unter dem Deckmantel der Schulautonomie flexibilisiert wird beziehungsweise verschwindet. Das ist deshalb kritisch, weil es ungerecht im Sinne der Kinder ist. Wir haben die Schulautonomie etabliert! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ihr habt überhaupt ein Problem mit der Autonomie!)

21.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


21.43.44

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Auch wenn die Lehrerinnen und Lehrer an Österreichs Schulen noch immer dafür sorgen, dass ein Regelschulbetrieb möglich ist, so sind die Lehrerinnen und Lehrer von der Erreichung ihrer eigenen Qualitätsziele, was sie im Unterricht und im Erzie­hungsbereich erreichen wollen, einfach meilenweit entfernt. Ich glaube, das kann man so auch in der Volksschule sehr gut sehen. Wenn man sich da durchtelefoniert und


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erkundigt, erfährt man, es haben doch sehr viele Volksschuldirektoren Angst, dass es einen Super-Gau zu Schulbeginn geben wird.

Wenn sich Kollegin Salzmann heute hier herstellt und als Fachfrau spricht und eigentlich nur sehr viel Oberflächliches sagt, dann denke ich mir schon, damit können jetzt die Eltern, die Kinder und die Lehrerinnen und Lehrer eigentlich nichts anfangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist bis jetzt mit Blick hin zum Herbst meines Erachtens nicht viel passiert. Unregel­mäßigkeiten durch Corona hat es schon in den Kindergärten gegeben. Alarmierte, verzweifelte Eltern melden sich bei uns zum Beispiel in den Gemeinden und weisen darauf hin, dass das so nicht weitergehen kann. Psychische Probleme von Kindern werden einfach nicht berücksichtigt. Sie zählen zwar die Millionen auf und was damit alles passiert, aber das kommt in der Fläche draußen meines Erachtens nicht an. Es gibt zu wenig Therapieplätze, es gibt zu wenig Beratungsgespräche und, und, und. Herr Minister, ich glaube, man sollte den Eltern eine Sicherheit geben, man sollte den zuständigen Direktoren, den zuständigen Schulen, aber vor allem auch den Lehrerinnen und Lehrern eine Sicherheit geben. Ich glaube, das ist eines der wichtigsten Ziele.

So kann man Schulpolitik meines Erachtens nicht machen. Das wird letztendlich, das glaube ich, in den nächsten Jahren danebengehen, und es wird dann im Bildungsbereich noch sehr, sehr viel mehr Geld notwendig sein, um das alles bei unseren Kindern wieder aufzuholen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Totter. – Bitte.


21.46.13

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Frau Kollegin Künsberg Sarre hat gemeint, dass die ÖVP in der Bildungspolitik Gas gibt und gleichzeitig die Handbremse anzieht. Das würde ja heißen, dass wir driften, und Sie wissen, was beim Driften passiert: Man hinterlässt Spuren. Das heißt: Wir machen nachhaltige Bildungspolitik. (Beifall und Jubelruf bei der ÖVP. – Heiterkeit der Rednerin.)

Meine Damen und Herren! Trotz der Herausforderungen zur Bewältigung der Pandemie wurden im Bildungsbereich in den letzten Jahren zahlreiche Reformen umgesetzt. Die Einführung der administrativen Assistenz an unseren Pflichtschulen – das hat der Herr Minister bereits erwähnt – war ein echt großer Meilenstein. Erstmals werden die Schul­leitungen und Lehrkräfte im Bereich der Schulverwaltung vor Ort auch an den Pflicht­schulen unterstützt. So ist es richtig, dass nach erfolgter Aufstockung nun 700 Assistenz­stellen zur Unterstützung der Pflichtschulen zur Verfügung stehen. Aus der Praxis und durch viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen weiß ich, wie wichtig und notwendig dieser Schritt war.

Ein ebenso wichtiger Schritt war die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten. Kombiniert mit den vielen Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung an den pädagogischen Hochschulen erfolgten auch da eine wesent­liche Erleichterung der Arbeit der Pädagoginnen und Pädagogen sowie ein echter Sprung nicht in die Zukunft, sondern endlich in die Gegenwart. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun aber folgen mit dem vorliegenden Gesetzespaket weitere wesentliche Schritte. Das vorliegende Paket ermöglicht es den Schulen, durch schulautonome Wahlpflichtgegen­stände beziehungsweise alternative Pflichtgegenstände vorhandene Ressourcen bes­ser zu nützen. Durch die Novellierung dieser Bestimmung soll künftig mehr als nur ein


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alternativer Pflichtgegenstand gewählt werden können, dadurch wird eine möglichst hohe Flexibilität für die Organisation des Unterrichts vor Ort auf gesetzlicher Ebene ermöglicht. Die Schülerinnen und Schüler können in Zukunft noch besser ihre eigenen Kompetenzen vertiefen, ihren eigenen Interessen nachgehen, und so können Begabun­gen und Talente optimal gefördert werden.

Meine Damen und Herren! Schulautonomie halte ich insgesamt für äußerst wichtig. Unsere gut qualifizierten und kompetenten Pädagoginnen und Pädagogen an den ein­zelnen Schulstandorten sind diejenigen, die am besten wissen, welche Bedürfnisse ihre Schülerinnen und Schüler haben. Sie sind die wahren Expertinnen und Experten, und wir können durchaus darauf vertrauen, davon bin ich überzeugt, dass sie die richtigen Entscheidungen für ihre Schulen und damit für unsere Kinder treffen.

Wir als Volkspartei stehen für die Wahlfreiheit, daher freut es mich natürlich ganz beson­ders, dass wir heute auch die schulautonome Entscheidung über die Führung der semestrierten oder ganzjährigen Oberstufe beschließen. Damit gibt es keine erzwun­gene Semestrierung mehr, wir garantieren mehr Autonomie und entwickeln unser Schul­system konsequent weiter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Jetzt aber geht es in das große Finale dieses Schuljahres. Es stehen viele Prüfungen an. Dafür wünsche ich allen Schülerinnen und Schülern viel Erfolg. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.50 21.50.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann frage ich, ob wir zur Abstimmung kommen können: SPÖ? – Okay. Grüne? NEOS? ÖVP? – Ja. FPÖ? (Abg. Michael Hammer: Von der FPÖ ist niemand da!) – O ja, Kollege Angerer.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1487 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Petra Vorderwinkler vor.

Ich werde zuerst über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung be­troffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen also zu den getrennten Abstimmungen über Artikel 1 Z 13, 14 und 16, Artikel 2 Z 23, 34 und 35, Artikel 3, Artikel 4 Z 3, Artikel 5 Z 8, Artikel 6 und Artikel 7 in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den bitte ich um eine dementsprechende Zustimmung oder Ablehnung. – Das ist die Mehrheit.

Daher kommen wir gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetz­entwurf zustimmen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist das gleiche Stimm­verhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringend notwendige Vorbereitun­gen für den Schulstart im Herbst 2022“.

Ich darf die Damen und Herren, die dafür sind, um ein dementsprechendes Zeichen ersuchen. – Das ist die Minderheit. Daher ist der Antrag abgelehnt.

21.52.1518. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2601/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit (1512 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kugler. Bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr.


21.52.46

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir sprechen jetzt über das Thema Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und – das ist ganz wichtig – die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit. Wir haben in unserem Antrag darüber gesprochen, dass Österreich einen Beitrag zu der Arbeit leistet, die der Internationale Strafgerichtshof in der Ukraine macht.

Der Internationale Strafgerichtshof – vielleicht kennen den noch nicht alle so gut – geht auf das Römer Statut zurück – im Jahr 2000 bis 2002 wurde das grundgelegt. Auf Englisch kennt man ihn unter ICC, auf Deutsch unter IStGH, Internationaler Straf­gerichtshof. Dieser ICC stellt eine Revolution im internationalen Recht dar, denn bis zum Römer Statut war es nicht möglich, dass internationales Recht direkt auf eine Einzel­person in einem Staat durchgreift. Das Römer Statut hat das möglich gemacht, und zwar für schwerste Verbrechen von internationaler Bedeutung, das heißt Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord.

Nun sind weder Russland noch die Ukraine Vertragsparteien des Internationalen Straf­gerichtshofs. 124 Länder sind das, aber die beiden sind es nicht. Die Ukraine hat aber im Jahr 2013 und 2014 die Jurisdiktion des Gerichtshofs durch Erklärung anerkannt, damit ist das Territorium der Ukraine erfasst. Auch wenn Russland selbst nicht dabei ist, gilt dann die Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs für jeden – wen auch immer –, der in diesem Land Kriegsverbrechen begeht.

Interessant ist vielleicht noch, dazuzusagen, dass der Internationale Strafgerichtshof auch dann jemanden verurteilen kann, wenn diese Person im Einklang mit ihrer Rechts­ordnung und auf Befehl ihrer Oberen gehandelt hat. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie kann man das begründen? – Ich glaube, da hat das internationale Strafrecht eigentlich eine sehr spannende Antwort gefunden. Es sagt nämlich: Trotz der eigenen Rechtslage und des Befehls des Oberen hätte diese Person wissen müssen, dass man Kriegsverbrechen nicht begehen darf.

Die Frage ist aber, wenn jemand verurteilt werden soll, ob dann die Beweise gesichert sind, ob man beweisen kann, dass das, was vorgeworfen wird, auch wirklich vorgefallen ist. Gerade das ist jetzt die große Frage in der Ukraine: Werden Beweismittel vernichtet? Können sie sichergestellt werden? – Das ist etwas, bei dem ein neutrales Land wie Öster­reich helfen kann. Wir haben dem Internationalen Strafgerichtshof bereits 100 000 Euro


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zur Verfügung gestellt und wir helfen mit Personal und Expertise, damit im Falle von Kriegsverbrechen, die in der Ukraine bereits geschehen sind und die gerade jetzt weiter geschehen, Beweise gesichert werden, Zeugen vernommen werden können.

Wir haben in den letzten Tagen bereits einiges dazu in den Medien gelesen. Der Einsatz von Streumunition ist vor wenigen Tagen von Amnesty International dokumentiert worden – das ist völkerrechtlich verboten. Die Frage ist, wie es den Kriegsgefangenen dort geht. Das Rote Kreuz darf dort nicht hin, es weiß nicht, wie es den Menschen geht. Die Frage der sexuellen Gewalt, die sexuelle Gewalt als Waffe gegen Frauen und Kinder und als Element der strategischen Kriegsführung: Auch das ist durch Völkerrecht verboten. Es gibt aber sehr viele Aussagen, dass diese Dinge vorkommen, leider auch in sehr, sehr großem Ausmaß.

Eine Betroffene hat ein Wort verwendet, das sehr bezeichnend ist. Sie spricht von Inter­generationentrauma, nämlich einem Trauma, das von Generation zu Generation weiter­gegeben wird, und sie spricht davon, dass es die Absicht ist, Generationen – nicht nur eine, sondern mehrere – zu zerstören, um ein Land zu zerstören.

Man kann Infrastruktur wieder aufbauen, aber man kann das, was diesen Menschen geschieht, nicht einfach wieder ungeschehen machen. Darum ist es wichtig, dass man auch einen frauenspezifischen Zugang hat, und zwar in der Art und Weise, wie wir ver­suchen, humanitär zu helfen. Ich freue mich, dass dazu im Gleichbehandlungs­aus­schuss ein Antrag vorliegt, der das auch sehr, sehr gut zusammenfasst und der nächste Woche dort diskutiert wird.

Österreich unterstützt die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Es sind in der Ukraine bereits 40 Expertinnen und Experten tätig. Wir tragen das mit. Ich möchte Sie alle einladen, diesem Antrag zuzustimmen, der das noch einmal unterstreicht und auch verstärken möchte.

Ich möchte hier nicht enden, ohne ein weiteres Engagement für die Ukraine hervorzu­heben, und das ist die Arbeit, die von der OSZE geleistet wird. Die OSZE ist wirklich auch mit dem Anliegen Frieden in Europa gegründet worden, und zwar die OSZE als Institution, aber auch die Parlamentarische Versammlung der OSZE – da freue ich mich besonders, dass unser Kollege Reinhold Lopatka als Sonderbeauftragter tätig ist.

Vielleicht kann man durch diese vielen Teile, in denen sich alle Länder miteinander auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Institutionen engagieren, zu einem schnellen Ende des Krieges und der Kriegsverbrechen kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

21.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Außenminister recht herzlich begrüßen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.


21.58.55

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Außen­minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir diskutieren die Ukraine, den Ukrainekrieg, und speziell geht es heute um Massenvernichtung und Kriegsverbrechen: Was können wir, was kann der Westen, was kann Europa in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen tun?

Die Bilder, die uns erreichen, sind schreckliche Kriegsbilder, und da ist natürlich die Frage: Was kann man in dieser Situation tun? – Es geht einerseits um Verbrechen, die Menschen in diesem Land begehen, und es geht andererseits auch um bedenkliche


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Technologien, um Massenvernichtungsmittel, die dort entgegen jedem internationalen Abkommen eingesetzt werden.

Zu den Kriegsverbrechen, die von Menschen begangen werden: Es gibt eine Reihe von internationalen Organisationen, NGOs, etwa Human Rights Watch, Amnesty Internatio­nal, die da schon tätig sind, die Beweise sammeln, wie von den russischen Invasions­truppen gegen Menschen vorgegangen wird. Auf der anderen Seite geht es aber auch um Technologien, die in extremer Form menschenfeindlich und eigentlich durch inter­nationale Abkommen bereits geächtet sind.

Es gibt ja historische Erfahrungen. Erster Weltkrieg: der Einsatz von Giftgas, die Läh­mungen, die Erblindung, die Vernichtung des menschlichen Nervensystems; Napalm und Agent Orange in Vietnam: Verbrennen der Haut, über 40, 50 Jahre Fehlgeburten und verstümmelte Babys. Es sind Waffen, die geächtet sind, so wie auch Streumunition und Landminen, die eigentlich nach der Ottawa-Konvention nicht mehr zum Einsatz kommen sollten.

Es ist an dem Krieg auch eine Atommacht beteiligt, Russland, weshalb es da natürlich höchste Bedenken gibt. Auch die Atomwaffen sind ja bereits durch eine Macht dieser Welt an Menschen getestet worden, was ja schrecklich für diese beiden Städte, Hiro­shima und Nagasaki, war.

Uns geht es darum: Wie kann man in dieser Situation ungeschützte Menschen, soge­nannte vulnerable Gruppen, in erster Linie zivile Personen, Menschen des Zivillebens, die mit dem militärischen Ablauf gar nichts zu tun haben, Personal in Sanitätsdiensten, in Spitälern, Mitarbeiter in humanitären Organisationen, besonders im Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, aber auch verwundete Soldaten und Kriegsgefangene, die ebenfalls der Gewalt ausgesetzt werden können, maximal schützen?

Es liegt ein Expertenbericht der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusam­men­arbeit in Europa, vor, der klare Muster von Verletzungen des humanitären Völkerrechts insbesondere durch Russland, aber auch durch die Ukraine aufzeigt. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, eine relativ junge politisch-juristische Institution, hat 42 Experten in die Ukraine entsandt. Das Interessante und das Wirksame ist eben, dass auch Einzeltäter vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeforscht und verfolgt und einer Strafe zugeführt werden.

Für uns in Österreich ist interessant, dass der UN-Menschenrechtsrat in einer Resolution vom März 2022 Wien erwählt hat, um hier eine unabhängige internationale Unter­suchungskommission zu den Verbrechen in der Ukraine einzusetzen.

Da sind wir schon bei Österreich: Was können wir tun? – Natürlich helfen wir humanitär, Kriegsverbrecher gehören ausgeforscht und angeklagt, das heißt, es geht um die volle Unterstützung Österreichs für die internationalen Organisationen, die da tätig sind, aber auch darum, Brücken zu bauen und zu vermitteln. Dazu bedarf es aber der Glaub­würdigkeit, und ich möchte da wieder einmal eine Lanze für die österreichische Neu­tralität brechen. Dass in Wien der Sitz einer UNO-Organisation ist, dafür spielt öster­reichische Neutralität eine ganz, ganz große Rolle. Wir sind das einzige EU-Land, das einen internationalen Sitz hat.

Ich begrüße, dass das Justizministerium zumindest eine – meines Wissens – Beamtin zusätzlich an den IStGH gesandt hat und dass unser Bundesminister die Hochkom­missarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, empfangen und mit ihr auch im Hinblick auf die Ukraine gesprochen hat.

Es ist schade, dass mein Antrag auf Einsetzung eines Botschafters für Menschenrechte im Ausschuss von Türkis-Grün niedergestimmt wurde, vertagt wurde. 18 EU-Länder haben das, Österreich macht das nicht. Ich glaube, da könnte noch mehr getan werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 284

Abschließend möchte ich auch auf den Global Magnitsky Act verweisen: Da geht es ganz konkret um das Festmachen individueller Korruptionisten, in diesem Fall, im Fall der Ukraine, besonders um Kriegsverbrecher, um jene, die Mittel und Methoden ein­setzen, die gegen die Menschenrechte und gegen das humanitäre Völkerrecht sind. Ich glaube, die EU sollte entsprechend dieser Grundidee die Gesetzgebung weiterent­wickeln, und Österreich sollte sich an der Entwicklung einer europäischen Version des Magnitsky Acts auch aktiv beteiligen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. El-Nagashi.)

22.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte sehr.


22.05.08

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher! Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dauert mittlerweile über 100 Tage und ist auf das Schärfste zu verurteilen. Bei der Präsentation der sicher­heitspolitischen Jahresvorschau im April dieses Jahres hat Florence Gaub, die stell­vertretende Direktorin des European Union Institute for Security Studies, gesagt, dass ein Krieg zwischen zwei Staaten in der Regel nicht schnell vorübergeht, im Durchschnitt mindestens 15 Monate dauert und eigentlich nie so einen Ablauf aufweist, wie wir Menschen ihn erwarten. In Summe kann man aber sagen, dass die Welt, wie wir sie kannten, durch den Kriegsakt bereits eine andere geworden und nicht mehr dieselbe ist.

Ein Thema, das medial viel zu wenig diskutiert wird, sind die Menschenrechte und deren Einhaltung im Krieg. Es gibt in unserer Welt gewisse Regeln, die auch im Krieg zwingend einzuhalten sind. Es sind die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, die eine gewisse rote Linie bilden. Im vorliegenden Entschließungsantrag wird daher die Einhal­tung der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und die individuelle straf­recht­liche Verantwortlichkeit in der Ukraine gefordert. Gemäß Art. 9 Abs. 1 Bundes-Verfas­sungsgesetz erkennen wir in Österreich die Regeln des Völkerrechts auch als Be­standteil unseres nationalen Rechts an.

Meine Damen und Herren, im Zuge des Ukrainekrieges kam es zu schwerwiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, wie etwa durch Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung, Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser, Verlet­zungen des Verbots der Folter und systematische Vergewaltigung als Kriegswaffe. Durch all diese Handlungen wurden sowohl die Menschenrechte als auch das Völker­recht verletzt. Ich bin froh darüber, dass Österreich jeden möglichen Schritt setzt, damit Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, wie Kriegsverbrechen, geächtet und ge­ahndet werden, und zwar unabhängig davon, von welcher Seite diese begangen werden.

Zum Zweck der Aufklärung haben wir zusätzlich einen Justizexperten in den Internatio­nalen Strafgerichtshof entsandt und einen freiwilligen Beitrag in der Höhe von 100 000 Euro geleistet, der zur Verarbeitung und Analyse von Beweismitteln eingesetzt werden soll.

Zusätzlich wurde im Rahmen des UN-Menschenrechtsrates die Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission mit Sitz in Wien beschlossen. Diese sowie weitere Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 285

22.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete El-Nagashi. – Bitte.


22.08.16

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern hat der ukrainische Parla­mentspräsident Ruslan Stefantschuk hier sehr eindringlich die Situation geschildert, in der sich sein Land und seine Bevölkerung befinden. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns diesen Kontext, diesen Rahmen vergegenwärtigen, wenn wir solche Anträge be­sprechen oder uns die Maßnahmen anschauen, die wir in Österreich als neutrales Land, aber nicht als untätiges Land treffen.

Die Ahndung der Kriegsverbrechen, die stattfinden, das Signal, das wichtig ist, unmiss­verständlich und rasch zu senden, wenn das Völkerrecht gebrochen wird, wenn Kriegs­verbrechen begangen werden, das ist das Thema. Es wurden jetzt schon einige Ebenen angesprochen, die sehr beunruhigend sind und die die gesamte internationale Staaten­gemeinschaft betreffen. Es sollte uns bewusst sein, dass das Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, die uns alle betreffen.

Das Vorgehen dem gegenüber muss ein koordiniertes Vorgehen sein. Es ist wichtig, dass unabhängig ermittelt wird, dass das Sammeln und das Auswerten von Beweisen unabhängig und auf der Ebene der Gerichte stattfinden kann. Österreich leistet da auf verschiedenen Ebenen einen Beitrag dazu. Gerade als neutraler Staat, als Standort vieler internationaler Organisationen kann Österreich die unabhängige und internatio­nale Untersuchungskommission unterstützen.

Eine starke österreichische Beteiligung und Förderung dieser Organisationen und auch eine enge Kooperation und Abstimmung zwischen den Institutionen selber sind wichtig und fundamental. Der Internationale Strafgerichtshof nimmt an sogenannten Joint-Inves­tigation-Teams mit Eurojust teil, damit die nationalen Behörden rasch untersuchen können, was passiert ist. Das Justizministerium hat, wie schon erwähnt, eine Kontakt­stelle bei Eurojust eingerichtet und entsendet eine zusätzliche Justizexpertin an den Internationalen Strafgerichtshof.

Ebenso gibt es die Unterstützung durch das Ministerium für europäische und interna­tionale Angelegenheiten mit einem zusätzlichen freiwilligen Beitrag in der Höhe von 100 000 Euro für die Verarbeitung und Analyse von Beweismitteln und für psycholo­gische Hilfe für Opfer und für Zeugen und Zeuginnen.

Die gerichtliche Aufarbeitung ist notwendig, weil wir das den Opfern und ihren Ange­hörigen schuldig sind, aber auch für die Vermeidung der Straflosigkeit und für die Ein­haltung des Völkerrechts und gleichzeitig auch aus generalpräventiven Gründen zur Vermeidung von Verbrechen. Es ist ein wichtiger Beitrag einer Solidarität – und einer solidarischen Haltung – mit der Ukraine, die auf einer anderen Ebene stattfindet und die gemeinsam mit unterschiedlichen Einrichtungen in diesem Bereich passieren muss. Es geht um die Situation der Zivilbevölkerung. Es geht um die Verwendung von Streumu­nition, das ist schon angesprochen worden. Es geht darum, dass in einem völkerrechts­widrigen Krieg täglich Kinder ums Leben kommen. Es geht um die zwangsweise Verbringung von Menschen, es gibt Berichte über 200 000 Personen, die zwangsweise außer Landes gebracht worden sind. Es geht um die Situation der Kriegsgefangenen, und es geht um die sexualisierte Gewalt gegen die Bevölkerung.

Ich freue mich darüber, dass dieses Thema von allen Parteien gleichermaßen unterstützt und damit eine solidarische Haltung ausgedrückt wird. Ich hoffe, dass wir bei den weiteren Themen, die wir bearbeiten werden, auch schon im nächsten Frauen- und Gleichbehandlungsausschuss, ähnlich viel Unterstützung bekommen werden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.12



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 286

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


22.12.30

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen und alle Menschen, die uns noch zusehen und zuhören! Ich möchte wie Kollegin El-Nagashi mit dem gestrigen Auftritt von Ruslan Stefantschuk beginnen und ihn auch zitieren – denn aus irgendeinem Grund waren Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ nicht da: damit Sie auch wissen, was er gesagt hat. Er hat nämlich etwas ganz Wesentliches gesagt. Er hat gesagt: „Das Böse, das in die Ukraine gekommen ist, muss bestraft werden“, und zwar mit den Mitteln des Rechtsstaats. Er hat dazugesagt, dass auch ganz wichtig ist, dass sich das eine UNO-Untersuchungskommission und natürlich auch der Internationale Strafgerichtshof ansehen. Er hat noch einen sehr eindrucksvollen Satz gesagt – sollten Sie auch wis­sen –, er hat gesagt: „Gerechtigkeit ist genauso wichtig wie der Sieg“.

Wenn das der Parlamentspräsident eines demokratischen Staates sagt und dieser Staat gerade von einem Kriegsdiktator angegriffen wird, dann müssen wir schon wissen, auf welcher Seite wir stehen, und dann müssen wir schon wissen, wo die Kriegsverbrechen gerade stattfinden. 15 000 Fälle sind bereits gemeldet. Die Ukraine hat auch bereits Strafverfahren eröffnet. Es wurden bereits zwei Russen verurteilt, und zwar nicht standgerichtlich, sondern in einem ordentlichen Gerichtsverfahren, während umgekehrt, wie wir wissen, die Russen ja Kämpfer festgenommen und gesagt haben: Die erschießen wir jetzt! – Auch da sehen wir zwei völlig unterschiedliche Systeme.

Damit wir das auch historisch ein bisschen einordnen: Putin sieht sich ja in der Tradition Peters des Großen und hat Peter den Großen offenbar nur als Kriegsherrn verstanden, der halt in der Ostsee gewusst hat, wie er sein Reich ausweitet. Er folgt aber offenbar einer ganz anderen Tradition, nämlich der Tradition Stalins. Wir wissen ja, Peter der Große war Kriegsherr, aber er hat auch Reformen gemacht. Wir wissen aber auch, wie viele Menschen Stalin umgebracht hat.

Ich kann Ihnen nur sagen: Lesen Sie dieses Buch! (das Buch „Bloodlands – Europa zwischen Hitler und Stalin“ von Timothy Snyder in die Höhe haltend), und ich sage dazu: Lesen Sie es langsam und immer wieder nur kleine Kapitel!, weil es nämlich zu Tränen rührt und so unfassbar ist. Es hat etwas damit zu tun, und zwar mit Verbrechen jenseits von Kriegen. Das, was Timothy Snyder in „Bloodlands“ beschreibt, ist der Zeitraum 1932 bis 1945, und zwar ungefähr im Gebiet von Polen, Belarus, Ukraine bis nach Russland. Da gab es eben zwei Diktaturen, die die Menschen beherrscht haben.

Viele in Österreich haben Gott sei Dank inzwischen auch vom Holocaust gehört und ungefähr begriffen, worum es da gegangen ist: eben um den Versuch, industriell alle Jüdinnen und Juden weltweit zu ermorden. Das war jedenfalls das Vorhaben Hitlers. Das Vorhaben Stalins war es aber gleichzeitig, die Menschen in der Ukraine umzu­bringen, indem er einfach die Bauern vertrieben hat. Er hat damit ja nicht nur die Menschen umgebracht, weit über vier Millionen Menschen, sondern er hat auch die Landwirtschaft dort zerstört. Dadurch ist es zu diesem Holodomor, dieser Hungersnot und diesem Mord durch Hunger, gekommen.

Kollegin Kugler hat völlig richtig von den Generationen gesprochen, davon, wie diese Verbrechen weitergegeben werden. Das ist ja dieses Trauma. Präsident Stefantschuk hat es auch angesprochen: das Trauma dieses Landes, das schon wieder ausgelöscht werden soll, so wie es damals hätte ausgelöscht werden sollen, und zwar nicht nur das Land, sondern eben auch die Menschen – auch darum geht es.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 287

Hören Sie den Freunden des Putin zu! Da gibt es einen gewissen Dmitri Rogosin – er ist interessanterweise Chef der russischen Raumfahrt, vorher war er im Privatberuf Nazi –, der jetzt in einem Interview gesagt hat, und zwar ganz deutlich: Wir müssen die Ukraine vernichten. Wir können das nicht so machen wie unsere Großväter, die es leider nicht getan haben, sondern jetzt müssen wir sie vernichten. – Das sagen die Freunde Putins.

Und der hat das alles vorbereitet. Auch dessen müssen wir uns immer wieder gewärtig sein: Es ist ja jetzt am 24. Februar nicht plötzlich ein Krieg ausgebrochen. Seit den 2010er-Jahren werden ganz bewusst Bücher über Stalin hergestellt und verbreitet, zum Teil auch mit schrecklicher Aufmachung, und da wird dieser historische Verbrecher in den Himmel gehoben und es wird beschrieben, wie großartig er nicht war. Daran schließt Putin an.

Das ist, glaube ich, das Wesentliche, was wir hier verstehen müssen, und der Grund, warum der Internationale Strafgerichtshof so wichtig ist, warum es so wichtig ist, dass auch österreichische Behörden mit den Vertriebenen, die hier bei uns ankommen, Gespräche führen, damit sie erfahren, was es an Kriegsverbrechen gegeben hat, was es an Kriegsverbrechen gibt, und warum wir selbstverständlich mithelfen, diese zu verfolgen. Da werden 100 000 Euro nicht reichen, da werden wir sehr viel mehr machen müssen. Es ist, glaube ich, sehr entscheidend, dass das die Menschen verstehen.

Ich muss Ihnen das wirklich auch zu dieser späten Stunde sagen, weil es mich so bewegt. Ich habe mir immer gedacht: Irgendwann lernen die Menschen vielleicht. Wenn man aber hier lebt und liest, wie Menschen konsequent umgebracht wurden und das auf einmal im Jahr 2022 wieder passiert, und nicht nur in der Ukraine, wie wir wissen, sondern das gibt es ja auch – Henni ist Spezialistin für Afrika – in anderen Teilen der Welt, und das immer wieder passiert und immer wieder auftaucht, dann muss man sagen, das ist einfach entsetzlich. Es ist unsere Aufgabe, dagegen aufzutreten!

Ein letzter Satz: Wenn wir wollen, dass sich die Menschenrechte, von denen wir hier so viel sprechen, gerade in der Ukraine durchsetzen, wenn wir wollen, dass sich der Rechtsstaat durchsetzt, dann wird es nur eine Möglichkeit dafür geben, nämlich dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Wenn sie das nämlich nicht tut, wird sich das alles nicht durchsetzen, dann wird es auch keine Verfahren geben. Dann wird es einen Kriegsherrn und Kriegsdiktator geben, der uns noch näher rücken wird, als er es bereits getan hat; also bitte da auch keine Illusionen! – Danke schön. Schönen Abend! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

22.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Schallenberg. – Bitte sehr.


22.18.38

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf auch gleich zu Beginn sagen, dass ich mich sehr freue, dass gestern – endlich, muss man sagen – die Stimme der Ukraine auch in diesen Hallen gehört werden konnte. Ich bin dem Präsidenten des Nationalrates und allen, die daran mitgewirkt haben, sehr dankbar. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

Das war ehrlich gesagt überfällig – wenn ich mir das zu sagen erlauben darf – und es war so wichtig. Warum war es so wichtig, die Stimme der Ukraine hier zu hören? – Weil sie Opfer eines maßlosen Bruches der Zivilisation ist. Es ist wirklich ein Zivilisations­bruch, den wir in diesem Ausmaß hier in Europa gar nicht für möglich gehalten hätten. Ich rede von den Bildern, die uns aus Butscha, aber auch aus anderen Städten erreichen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 288

Ich rede von den Berichten über sexuelle Gewalt, geschlechtsorientierte Gewalt, insbe­sondere an Frauen, als Teil der russischen Kriegstaktik. Das sind alles Bilder und Berichte, die mich tagtäglich erreichen, die ich, ganz offen gesagt, im Europa des 21. Jahrhunderts schlicht nicht mehr für möglich gehalten hätte und die immer noch, auch nach 100 Tagen, schockieren und unter die Haut gehen.

Wir müssen immer mehr zur Kenntnis nehmen – das sage ich als Außenminister ganz bewusst –: Das ist zwar ein Krieg auf europäischem Boden, aber es ist mitnichten ein europäischer Krieg. Erstens geht es um Werte, Grundideen und Prinzipien, bei denen wir zu Recht davon ausgehen, dass sie universell sind. Zweitens haben wir zum aller­ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg einen Krieg mit derart globalen Auswirkungen. Wir stehen in einem Land wie dem Libanon knapp vor einer Hungersnot; die Brotpreise in Ägypten sind in astronomische Höhen gestiegen, es gibt sogar wirklich ein Problem mit der Grundversorgung; Sonnenblumenöl wird in Indien knapp – ich erwähne jetzt nicht einmal Burkina Faso, Lesotho und andere Orte –: Was da gerade an tektonischen Bewegungen, an Hangrutschungen erfolgt, ist erschreckend.

Die Sicherung der Grundversorgung von Menschen in vielen Regionen der Erde ist in Wirklichkeit auch Teil der Menschenrechtspolitik. Das ist etwas, das uns ganz massiv beschäftigt, wobei wir natürlich mit diesen Solidaritätskorridoren, mit Green Lanes, versuchen, das Maximum herauszuholen. Ich war letzte Woche in Polen und habe mich sehr intensiv darüber unterhalten, was es für Möglichkeiten gibt – sei es über Constanța oder Warna, die Häfen in Rumänien und Bulgarien. Wir helfen natürlich auch über die Donau, aber logistisch reicht das nicht aus. Wir müssen 5 Millionen Tonnen Weizen pro Monat aus der Ukraine herausbringen, und das ist eine enorme logistische Heraus­forderung.

Um wieder zum Thema des Tagesordnungspunktes zurückzukommen: Ein ganz we­sentlicher Punkt unseres Menschenrechtseinsatzes ist natürlich – das ist nicht nur in der Ukraine so, das zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Politik, aber jetzt sind wir ganz besonders gefordert –, bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen zu helfen. Eines muss ganz sicher sein: Es darf keine Straflosigkeit geben! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich glaube, gerade ein Land unserer Größe ist von der Einhaltung von Recht abhängig. Wir brauchen internationale Verträge. Wir sind darauf angewiesen, dass sich andere an die Regeln halten. Es geht nicht an, dass für jemanden andere Regeln gelten, nur weil er einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat hat oder über ein nennenswertes Atomwaffen­arsenal verfügt. Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht die Universalität unserer Rechte unterminieren, indem wir eine Zweiklassengesellschaft einführen.

Es wurde erwähnt, es gibt sozusagen drei wesentliche Achsen. Das eine ist natürlich die Unterstützung – das ist für mich das Zentrum – des Internationalen Strafgerichtshofes. Ich hatte ja auch schon Gespräche mit Chefankläger Khan. Österreich gehört zu jener Gruppe von 40 Staaten, die dem ICC die Situation in der Ukraine vorgelegt habt. Schon am selben Tag hat Chefankläger Khan ein Untersuchungsteam zusammengestellt und in die Ukraine entsandt. Wir unterstützen personell und finanziell, und – da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Abgeordneter – das kann nur der Anfang sein.

In Wirklichkeit – das hat mir der Chefankläger auch gesagt – stehen sie vor einer Mammutaufgabe. Sie müssen Millionen Gigabyte an Audionachrichten, an Filmnach­rich­ten, an Fotos und an allem Möglichen aufarbeiten. Ohne die entsprechende personelle Unterstützung auch der Behörden in Nationalstaaten würde das Monate, wenn nicht Jahre brauchen. Wir brauchen aber, glaube ich, schnell Ergebnisse, vor allem wenn wir sehen, dass auf der anderen Seite sozusagen stalinistische Schauprozesse stattfinden und Personen zu Tode verurteilt werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 289

Dann gibt es natürlich die Untersuchungskommission des Menschenrechtsrates. Da muss ich sagen, ich bin stolz, dass Michelle Bachelet zuallererst sehr schnell an uns herangetreten ist. Sie hat gesagt: Ich hätte am liebsten, dass die Untersuchungskom­mission von Wien aus operieren kann! – Natürlich, es wurde auch erwähnt: Wir sind Amtssitz, sie hat hier einen möglichen Anschluss. Es hat aber schon auch mit unserer Politik, mit unserer klaren Wertehaltung in diesem Zusammenhang zu tun. Ich bin auch sehr froh, dass wir nicht nur unterstützt haben, sondern auch ermöglicht haben, dass das 18-Personen-Team nun von Wien aus operiert.

Auch bei der allerersten Maßnahme, die diesbezüglich gesetzt wurde, gibt es eine ganz klare rot-weiß-rote Teilnahme, nämlich beim sogenannten Moskauer Mechanismus im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Es wurden drei Professoren ausgewählt, um den ersten Menschenrechtsbericht zum Krieg in der Ukraine zu verfassen, und der Leiter dieser Kommission war Professor Wolfgang Benedek aus Graz. Auch da gibt es also eine rot-weiß-rote Teilnahme.

Es ist für mich ganz klar – das will ich hier betonen –, es ist für uns völlig logisch, es ist im Eigeninteresse Österreichs – noch einmal –, dass wir sicherstellen: Es kann keine Straflosigkeit geben! Massivste Verletzungen gegen das humanitäre Völkerrecht, gegen Grundlagen des Menschenrechts, Kriegsverbrechen müssen geahndet werden. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und dafür wird sich Österreich auch weiterhin einsetzen.

Das wird auch Thema bei meinem nächsten Besuch in Kiew Mitte Juli sein. Wir werden wieder gemeinsam mit meinen Kollegen aus der Tschechischen Republik und der Slowakei, im Slavkov-3-Format, hinfahren, und dann ist das natürlich ein ganz wesentliches Thema. – Ich danke Ihnen sehr. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

22.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weber. – Bitte.


22.25.18

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bild­schirmen! Wenn wir heute nach der Sitzung alle nach Hause fahren werden – ich gehe davon aus, dass das noch heute, vor 24 Uhr passieren wird; wir werden vor 24 Uhr losmarschieren, losfahren und dann allerdings erst morgen zu Hause sein –, ist eines sicher: Wir alle freuen uns auf unsere Wohnung, auf unser Haus, auf unsere Lieben oder einfach auf einen Platz, an dem wir uns nach diesem langen, anstrengenden Tag entspannen können.

Wenn wir morgen aufwachen, nehmen wir vielleicht unsere Liebsten wieder einmal in den Arm, sehen aus dem Fenster und erfreuen uns an unserer wunderbaren Heimat. Wir können jederzeit den Strom aufdrehen und haben Trinkwasser in bester Qualität direkt aus unseren Wasserleitungen. Wir gehen in die Küche, um etwas zu essen, werden mit besten Lebensmitteln versorgt und haben auch Versorgungssicherheit. Wenn wir morgen wieder schlafen gehen, werden wir feststellen können, dass wir wieder einen Tag in einem wunderbaren Land voll Frieden und sozialer Absicherung verlebt haben, und wir wissen alle zusammen, dass es auch morgen, übermorgen und über­übermorgen in Österreich so sein wird.

Das ist aber keine Selbstverständlichkeit. Der Friede, die soziale Sicherheit, die Versor­gungssicherheit und vieles, vieles mehr mussten über Jahrzehnte hart erarbeitet und aufgebaut werden. Ich danke jeden Tag dafür, dass ich in diesem Land nicht nur geboren bin, sondern auch leben darf.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 290

Wenn wir uns die tragischen Bilder aus der Ukraine ansehen, muss uns eines klar sein: Österreich setzt sich entschlossen dafür ein, dass die Verantwortlichen für Kriegsver­brechen zur Rechenschaft gezogen werden – sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Bilder wie jene von den grauenhaften Verbrechen an der ukrainischen Zivilbe­völkerung hätten wir in einem Europa des 21. Jahrhunderts nicht mehr für möglich gehalten. Leider sehen wir sie.

Der eklatante Völkerrechtsbruch Russlands muss einfach Konsequenzen haben. Russ­lands politische Führung und militärische Befehlshaber müssen für ihre Kriegsver­brechen und für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine zur Verant­wortung gezogen werden. Berichte über Gräueltaten, wie wir sie aus Butscha kennen­lernen mussten, müssen so schnell wie möglich durch unabhängige, internationale Ermittler untersucht werden.

Österreich hat gemeinsam mit 38 weiteren Staaten die Einleitung von Untersuchungen durch den Internationalen Strafgerichtshof nicht nur beantragt, sondern wir unterstützen diese auch finanziell und personell. Wir unterstützen die Arbeit der in Wien angesiedelten unabhängigen Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates, deren Mandat es ist, die Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen auf allen Seiten zu dokumentieren, Beweise zu sichern und mögliche Verantwortliche zu identifizieren. Wir begrüßen auch die Einrichtung einer UNO-Freundesgruppe zur Rechenschaftspflicht in der Ukraine.

Geschätzte Damen und Herren, liebe Freunde! Frieden ist nicht selbstverständlich. Jeder Einzelne kann jeden Tag im Kleinen etwas für eine friedlichere Welt beitragen und tun. Als Staatengemeinschaft sind wir nun gefordert, auch in dieser Konfliktregion alles zu tun, alles Menschenerdenkliche zu unternehmen, um Frieden wieder möglich zu machen. Wir brauchen den Frieden in Europa! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte sehr.


22.29.43

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! „Wir erleben eine Zeitenwende“: Dieser Satz des deutschen Bun­deskanzlers ist mittlerweile legendär. Wir befinden uns jedoch auch an einer entschei­denden Weggabelung: Reduzieren wir konsequent das weltweite Nuklearwaffenarsenal und gelingt es uns, den Atomwaffenverbotsvertrag global durchzusetzen, oder lassen wir der nuklearen Hochrüstung und dem Einsatz von autonomen Waffensystemen, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen, weiterhin freien Lauf?

Die geopolitischen Interessen von Groß- und Regionalmächten führen uns gerade jetzt vor Augen, dass wir uns in einer massiven nuklearen Rüstungsspirale befinden. Dabei wird das Argument der atomaren Abschreckung bewusst eingesetzt, um die Legitimation abzuleiten, das Nuklearpotenzial zu erhöhen. Verschärfend kommt hinzu, dass neben den neun Nuklearwaffenstaaten noch weitere Länder unbeirrt an der Herstellung von Kernwaffen arbeiten.

Wir wissen auch nicht, ob einige Staaten bereit wären, atomare Waffen zum Beispiel an terroristische Organisationen oder ausgelagerte Söldnertruppen weiterzugeben. Die Gefahr einer Weitergabe von Massenvernichtungswaffen inklusive Know-how ist im vor­herrschenden geopolitischen Spannungsverhältnis so groß wie nie zuvor. Eine weitere unterschätzte Gefahr besteht darin, dass Nuklearwaffensysteme gehackt werden kön­nen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 291

Derzeit gibt es weltweit unvorstellbare 12 700 nukleare Sprengköpfe. Diese 12 700 Atom­waffen – laut Rüstungsbericht – stellen ein permanentes Risiko für die Menschheit dar. Daher braucht es jetzt konkrete Abrüstungsschritte.

Meine Damen und Herren, es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Einsatzmöglichkeiten und auch die Einsatzwahrscheinlichkeiten von Atomwaffen zuletzt enorm erhöht haben. Auch da ist es schlichtweg ein Trugschluss, zu glauben, dass der begrenzte Einsatz von Nuklearwaffen kontrolliert werden kann. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Er ist weder kontrollierbar noch beherrschbar.

Als wäre die aktuelle Gefahr nicht groß genug, haben die USA im Jahr 2019 unter Trump offiziell den Ausstieg aus dem seinerzeitigen INF-Abrüstungsvertrag, den Reagan und Gorbatschow abgeschlossen haben, bekannt gegeben. Das wiederum hatte zur Folge, dass auch Russland den atomaren Abrüstungsvertrag ausgesetzt hat. Wenn man sich nun vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine vergegenwärtigt, dass die USA und Russland Tausende Atombomben einsatzbereit aufeinander gerichtet haben, dann muss man konsequenterweise feststellen, dass die Gefahr eines globalen Atomkrieges aktuell ist.

Es braucht global gesehen ein politisches Umdenken, was Atomwaffen betrifft. Die Logik der nuklearen Abschreckung, das einzige Argument der Groß- und Regionalmächte für ihre Position pro Atomwaffen, ist nicht tauglich, wenn man sich die enormen Risiken und Auswirkungen von Nuklearwaffeneinsätzen in Zeiten künstlicher Intelligenz vor Augen führt.

Daher möchte ich auf ein absolut hochkarätiges Treffen der Vertragsstaaten des UN-Vertrags über das Atomwaffenverbot hinweisen, welches nächste Woche von 21. bis 23. Juni bei uns in Wien stattfindet. Da kann es nicht genug Verbündete geben, Herr Bundesminister. Experten aller Vertragsstaaten kommen zusammen, um sich auf konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Atomwaffenverbotsvertrages zu verpflichten.

Abschließend möchte ich noch das Verbot autonomer Waffensysteme in die Diskussion einbringen. Österreich steht schon lange an vorderster Front, wenn es darum geht, den Einsatz von Antipersonenminen, Streumunition oder autonomen Waffensystemen zu verbieten. Seit 2018 drängt Österreich auf ein internationales Verbot von autonomen Waffensystemen, auch weil wir sehen, wie viel Geld in diese Technologie, die es Maschinen erlaubt, autonome Angriffsentscheidungen zu treffen, hineinfließt.

Der Druck auf die Waffenkonzerne und die Politiker muss auf alle Fälle erhöht werden, um einen technologischen Tsunami, der durch die Weiterentwicklung von Killerrobotern entfacht werden könnte, zu verhindern. Hiroshima und Nagasaki waren noch in der Steinzeit der Atombombe.

Wir müssen den militärischen Großmächten und den Waffenproduzenten klarmachen, dass nicht Algorithmen über Leben und Tod von Menschen entscheiden dürfen. Diese Entwicklung ist definitiv nicht im Interesse der Menschheit. (Beifall bei der SPÖ.) Wir müssen sie auf globaler Ebene verhindern, sonst könnte alles Leben auf unserem Planeten sehr schnell erlöschen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Baumgartner. – Bitte sehr.


22.35.12

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist absurd, aber selbst im Krieg gibt es Regeln, die zwingend zu befolgen sind, nämlich die Regeln des humanitären


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 292

Völkerrechts. Das sind Regeln für zulässige Mittel und Methoden in der Kriegsführung, die Behandlung von Kriegsgefangenen, verwundeten Soldaten und Zivilpersonen. Sie dienen dem Schutz der Rettungs- und Hilfsorganisationen, der Krankenhäuser und auch der Kulturgüter.

Es liegen uns Berichte der OSZE-Experten vor, wonach es klare Hinweise auf Verstöße Russlands gegen das humanitäre Völkerrecht im Ukrainekrieg gibt. Diesen muss natürlich nachgegangen werden, um eine objektive Untersuchung und Aufklärung zu gewährleisten. Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung, Angriffe auf Schulen und auf Krankenhäuser müssen geahndet werden. Es ist ein Wahnsinn, dass wir im Jahr 2022 in unserem Europa mit einer so modernen Gesellschaft über solche grauenhaften Verbrechen reden müssen.

Wir unterstützen die Arbeit der unabhängigen Untersuchungskommission des Men­schenrechtsrates in Wien, deren Aufgabe die Dokumentation und Beweissicherung der Kriegsverbrechen ist, um mögliche Verantwortliche zu identifizieren und der internatio­nalen Strafgerichtsbarkeit zuzuführen.

Österreich wird weiterhin verstärkt unterstützen, sei es finanziell mit einem Beitrag zur Aufklärung und zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, sei es mit personellen Res­sourcen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gilt gerade in Ausnahmesituationen, konsequent gegenüber denjenigen aufzutreten, die das Völkerrecht mit Füßen treten, und alle nur möglichen Anstrengungen zu unter­nehmen, um Möglichkeiten auszuschöpfen, die Zivilbevölkerung zu schützen. Diese Menschen, die zwischen die Fronten geraten, brauchen unsere Hilfe. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

22.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Herr Abgeordneter, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


22.37.46

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Namen der ukrainischen Städte Butscha und Borodjanka sind im russischen Angriffskrieg eigentlich Synonyme für Kriegsverbrechen. Angesichts der regelmäßigen Verstöße, der Verletzungen des Völkerrechts und auch der Kriegs­verbrechen ist klarzustellen, was auch der Herr Bundesminister gesagt hat: dass es keine Straflosigkeit geben darf. Es muss Verantwortlichkeit geben, es müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir haben einen Rechtsstaat, wir haben Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, und das muss gewahrt bleiben.

Ich kann selbst aus Berichten von ukrainischen Staatsbürgern, die im Burgenland aufhältig sind, weil sie geflohen sind, berichten, dass wirklich Massentötungen ge­schehen, dass es systematische Vergewaltigungen nicht nur von Frauen und Männern, sondern vor allem auch von Kindern gibt. Das geschieht im Beisein der Eltern. Wenn wir uns vorstellen, dass das auch uns betreffen kann, sind es fürchterliche Bilder, die sich uns darstellen.

Es wurde mir auch berichtet, dass die Angriffe auf Zivilisten und eindeutig zivile Ziele stark zugenommen haben. Auch die Zerstörung von Wasser- und Elektrizitätsanlagen ist nicht unbekannt. Wir wissen auch, dass in Charkiw und in diesen Städten während Friedhofsbesuchen, aber auch auf Spielplätzen Tötungen, auch Massentötungen, stattgefunden haben, und deshalb ist klar – Herr Bundesminister, Sie haben es gesagt –: Wir müssen alle Weichen stellen, damit die Verantwortlichen gefasst werden, damit auch die Strafverfahren durchgeführt werden können.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 293

Ich weiß auch, dass wir mit Hilfeleistungen für den Internationalen Strafgerichtshof schon eine finanzielle Unterstützung gewährleistet haben, aber wesentlich wird sein, eine unabhängige und rasche Aufklärung sicherzustellen. Dabei ist mir wichtig, Herr Bun­desminister, dass wir im Endeffekt auch eine Beweissicherung über eine zentrale Stelle durchführen, so wie es auch Deutschland gemacht hat.

Auch die NEOS haben diesbezüglich einen Antrag gestellt, und ich würde das gerne unterstützen, dass wir eine zentrale Stelle schaffen, um diese Beweissicherung und die Weiterleitung der Beweise bei Völkerrechtsverletzungen zu gewährleisten, denn so schaffen wir es dann auch, dass Verantwortlichkeiten festgestellt und die notwendigen Bestrafungen durchgeführt werden können.

Letztendlich bleibt mir nur zu berichten: Es ist unsere Aufgabe und auch unser Ziel, dass wir als Gemeinschaft, aber auch als einzelner Staat – und das ist Österreich natürlich auch im konkreten Fall – danach trachten müssen, dass dieses sinnlose Leiden und das Sterben in der Ukraine endlich beendet werden. Friedensstiftung ist das Gebot, aber natürlich muss hinsichtlich Verantwortlichkeiten auch die strafrechtliche Verantwort­lich­keit gewährleistet werden.

In diesem Sinne, Herr Bundesminister: volle Unterstützung bei diesem Antrag auch von unserer Seite. Ich denke, die Friedenssicherung ist das wesentliche Gebot. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten von Grünen und NEOS sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

22.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Scharzenberger ist zu Wort gemel­det. – Bitte sehr.


22.41.06

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es sind Bilder wie die aus Kiew, aus Charkiw, aus Mariupol und Berichte über die erschütternden Leichenfunde in Butscha, die uns be­troffen machen. Krieg in Europa, in einem Land, das nicht einmal 500 Kilometer von uns entfernt ist: Das hätte wahrscheinlich niemand von uns, vor allem im 21. Jahrhundert, tatsächlich für möglich gehalten, denn meine, unsere Generation kennt Kriegs­geschich­ten nur mehr aus Erzählungen unserer Großeltern und solche Bilder von Europa nur mehr aus Geschichtsbüchern.

Putin führt ein Regime der Politik der Ewigkeit. Mit diesem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erleben wir seit Februar aber eine brutale Zeitenwende. Russische Streitkräfte stellen sich bei ihrer Kriegsführung über die Gesetze des humanitären Völkerrechtes. Die Einhaltung des Völkerrechtes ist eine rote Linie, denn – wir haben es heute schon gehört – auch im Krieg gibt es Regeln, die zwingend zu befolgen sind: Regeln zu zulässigen Mitteln und Methoden der Kriegsführung, zur Behandlung ge­schützter Personen wie zum Beispiel verwundeter Soldaten und Zivilpersonen, zum Schutz von Sanitätsdiensten, Krankenhäusern, Schulen und humanitären Organisa­tio­nen.

Als militärisch neutraler Staat sind wir aber keinesfalls moralisch neutral, und es ist wichtig – auch wenn wir das heute schon oft gehört haben –, es zu wiederholen: Die Berichte des Moskauer Mechanismus dokumentieren unfassbare Verletzungen der Menschenrechte. Es gibt Beweise für Folter, für systematische Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung und für willkürliche Hinrichtungen. Über Angriffe auf zivile Ein­richtungen wie Schulen und Krankenhäuser wird live vor Ort im Fernsehen berichtet. Der Expertenbericht der OSZE-Factfindingmission fand klare Muster von Verletzungen des humanitären Völkerrechtes. Es ist daher unsere Pflicht, die Ermittlungen des Internationalen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 294

Strafgerichtshofes zu unterstützen und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gilt jetzt, Beweise systematisch, rasch und effizient zu sammeln und unabhängige internationale Ermittlungen einzuleiten. Das gilt selbstverständlich für beide Konflikt­parteien. Wir müssen uns auf bilateraler und multilateraler Ebene für die Einhaltung des Völkerrechtes und des Genfer Abkommens samt Zusatzprotokollen einsetzen und ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der Zivilbevölkerung und der vulnerablen Grup­pen legen.

Aus diesem Grund hat Österreich gemeinsam mit anderen Staaten die Einleitung von Untersuchungen durch den Internationalen Strafgerichtshof beantragt und unterstützt diese finanziell. Es erfolgt die Entsendung von Justizexperten für diese Ermittlungen, und wir errichten auch diese Kontaktstelle bei Eurojust, die die Koordinierung und Zu­sammenarbeit zwischen den nationalen Justizbehörden unterstützen soll.

Die Menschen in der Ukraine kämpfen nicht nur, um ihr Land zu verteidigen, sie kämpfen auch, um ihre Freiheit und um Demokratie zu verteidigen. Für uns als Staatengemein­schaft muss es oberste Priorität sein, dass das Völkerrecht und seine Verpflichtungen eingehalten werden und dass wir Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gemeinsam ahnden.

Gemeinsam haben wir den vorliegenden Antrag im Menschenrechtsausschuss einstim­mig angenommen. Ich bitte, diesen Antrag auch im Plenum gemeinsam einstimmig anzunehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstatterin ist nicht da.

Wie vereinbart verlegen wir die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Menschenrechte.

22.45.4519. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 2446/A(E) der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sexua­lisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine (1513 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Erasim. – Bei Ihnen steht das Wort, Frau Abge­ordnete.


22.46.10

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag betreffend „Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine“ ist ein wichtiger Antrag, ein Antrag, bei dessen Detailrecherche es jedem anständigen Menschen schwerfällt, die Fassung zu wahren. Umso wichtiger ist es, dieses grausame Thema – Vergewaltigung von Mädchen, Buben und Frauen – zum Thema zu machen.


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Bombardierte Häuser sieht man in jeder  Berichterstattung, missbrauchte Körper und Seelen verschwinden oft aus Scham im Hintergrund, und genau deshalb muss man diese grauenhaften Taten als das bezeichnen, was sie sind: eine oft systematisch einge­setzte Kriegswaffe.

Da dürfen wir alle nicht wegsehen, ganz im Gegenteil, es muss seitens der inter­nationalen Staatengemeinschaft alles – wirklich alles! – getan werden, um die Taten zu dokumentieren, die Täter ausfindig zu machen und diese Kriegsverbrecher ihrer gerech­ten Strafe zuzuführen und vor allem den Opfern jegliche Unterstützung und Hilfe ange­deihen zu lassen – ob in der Ukraine selbst oder dort, wohin sie sich flüchten konnten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Da wartet oft der nächste Spießrutenlauf, denn wenn man bedenkt, dass das Land, wohin die meisten Ukrainerinnen geflüchtet sind, Polen ist, und man bedenkt, dass Polen erst vor Kurzem de facto ein Abtreibungsverbot beschlossen hat, möchte ich es mir gar nicht ausmalen, wie es jenen Frauen geht, die nach einer Vergewaltigung schwanger geworden sind und dann nach der Flucht noch um ihre Selbstbestimmtheit kämpfen müssen.

Es ist wichtig, zu wissen, dass es sich nicht um tragische Einzelschicksale handelt, sondern dass ein Plan dahinter steht. Das wissen wir aus vergangenen Kriegen wie dem Bosnienkrieg, auch in Ruanda und Syrien gab es diese systematischen Vergewalti­gungen.

Deshalb ist dieser Antrag wichtig und richtig, und wenn ein Antrag wichtig und richtig ist, werden wir dem als sozialdemokratische Parlamentsfraktion selbstverständlich zustim­men. Umso erstaunter war ich aber – und das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsparteien, muss ich schon sagen – über die Argumentation, mit der dieser Antrag abgelehnt wurde.

In allen vorhergehenden Reden des vorigen Tagesordnungspunkts wurde Verge­walti­gung als systematische Kriegswaffe auch von Ihren Rednerinnen und Rednern ver­teufelt, und ich glaube auch, dass das Ihre Meinung dazu ist. Doch ich verstehe es nicht, dass es dann von der Schönheit eines Antrages abhängt, ob man dem zustimmt oder nicht, und der eigentliche Inhalt ins Hintertreffen gerät. Dieses politische Kleingeld muss man bei diesem Thema wirklich nicht verdienen. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Doch mir ist es an dieser Stelle auch wichtig – gerade, wenn es um Frauen- und Mädchenrechte auf internationaler Ebene geht –, auf andere Brennpunkte aufmerksam zu machen, die oft bei den schrecklichen Bildern, die uns vom Angriffskrieg in der Ukraine tagtäglich gezeigt werden, ins Hintertreffen geraten.

In Afghanistan passiert seit dem Abzug der internationalen Truppen im August 2021 ein richtiges Drama, was Frauen- und Mädchenrechte betrifft, und auch da muss man versuchen, auf allen Ebenen Lösungen zu finden.

Im Tschad ist durch Corona der Mädchenanteil an Schulen auf 12 Prozent gesunken, aber auch die Türkei muss man hier erwähnen, die verfassungswidrig den Ausstieg aus der Istanbulkonvention ab 1. Juli beschlossen hat. – Für die Zuseherinnen und Zuseher: Mit der Istanbulkonvention verpflichten sich die Mitgliedstaaten, gegen alle Formen von Gewalt aufzutreten, vor allem aber gegen geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen, die ja sehr, sehr oft mit den Kindern die ersten Opfer von Kriegen sind.

Sie sehen also, es gibt auf vielen Ebenen sehr viel zu tun. Vieles liegt nicht direkt in unseren Händen, deshalb ist es umso wichtiger, auf nationaler Ebene geschlossen Schulter an Schulter für mehr Frauenrechte, für mehr Mädchenrechte, für mehr Kinder­rechte einzutreten – und nicht durch Vertagungen oder Ablehnungen politisches Kleingeld


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zu verdienen –, vor allem weil ich Ihnen abnehme, dass das auch Ihre Intention ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

22.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hans Stefan Hintner. – Bitte.


22.51.41

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Apropos politisches Kleingeld: Gegenstand des vorigen Tagesordnungspunkts war ein Antrag betreffend „Einhaltung der Menschen­rechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit“, und alle Rednerinnen, alle Redner aller Fraktionen haben sich eindeutig gegen diese Verletzungen positioniert, haben sich eindeutig dagegen ausge­sprochen. Der Antrag wurde auch mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen, und in diesem Antrag ist selbstverständlich auch die Frage der sexualisierten Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe implementiert, die ebenfalls heftigst von allen, die hier am Rednerpult waren, verurteilt worden ist.

Wenn ich mir allgemein die Frage von Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im historischen Konnex ansehe, dann muss ich sagen, dass diese Kriegsverbrechen eigentlich nicht dazu geführt haben, dass sich die Zivilbevölkerung selbst den Aggressoren ergibt. Das war weder in Coventry so, als die deutsche Luftwaffe dort Zivilisten, alles niedergebombt hat, noch war es bei uns in Wiener Neustadt so – wenn ich diese Städte, was ihre Bom­bardements betrifft, hier vergleiche –, und diese Verbrechen konnten auch erst im Falle der Niederlage des Aggressors geahndet werden.

Wir sprechen alle von Verfolgung von Kriegsverbrechern et cetera, wir sprechen von Waffenverboten. Ja, wir bemühen uns – und, lieber Herr Außenminister, wir dürfen uns herzlich für diese aktive Rolle in der Außenpolitik bedanken, gerade was diese Men­schenrechtsfragen anbelangt –, aber erst dann, wenn wir diese Verbrecher vor Gericht bekommen, können wir hier schlussendlich auch Recht sprechen.

Genauso verhält es sich, was die Regeln im Krieg betrifft. Regeln im Krieg? – Das ist eine offene Frage, auch wenn wir sie jederzeit hier betonen und einbringen. Der Grund dafür, warum wir uns schlussendlich nicht für diesen Antrag aussprechen, ist, weil wir eine Neueinsetzung einer Factfindingmission zu diesem Thema aus praktischer, orga­nisatorischer und finanzieller Sicht nicht zielführend finden.

Außerdem wurde auch schon erwähnt, dass es bereits Institutionen gibt, die dem nach­gehen, allen voran die Untersuchungskommission des Büros der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte und der Ankläger des Internationalen Straf­gerichtshofes sowie in der Ukraine selbst Strafverfolgungsbehörden mit Unterstützung von Eurojust. Sie haben ja auch im Zusammenhang mit der polnischen Frage indirekt angesprochen, dass es die Erfahrungen gibt, dass durch mehrere untereinander schlecht koordinierte oder sogar konkurrierende Untersuchungskommissionen und NGOs eine weitere Retraumatisierung zu verzeichnen ist.

In diesem Jahr begehen wir das Gedenken des 150. Todestages von Franz Grillparzer, und dieser hat schon vor mehr als 150 Jahren gesagt: „von Humanität durch Nationalität zur Bestialität“. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

22.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 297

22.55.22

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Herr Außenminister! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon sehr viel darüber gehört, dass der Krieg in der Ukraine vor dreieinhalb Monaten begonnen hat. Mit dem Krieg kamen auch Kriegsverbrechen, und eines der schwersten Kriegsverbrechen ist Vergewaltigung von Frauen und Kindern, in diesem Fall durch russische Soldaten, aber auch durch Söldner aus Tschetschenien und Syrien.

Mein Antrag, der heute abgelehnt wird, zielte auf zwei Dinge ab: Erstens wollte ich, dass eine Factfindingmission eingesetzt wird, um Beweise zu sammeln und in weiterer Folge zu einem späteren Zeitpunkt diese Kriegsverbrecher auch vor Gericht zu stellen und einer Bestrafung zuzuführen, und der zweite Teil war eine scharfe Verurteilung vonseiten der österreichischen Bundesregierung, die wirklich sehr nachdrücklich darauf hinweisen sollte, dass wir diese Kriegsverbrechen aufs Schärfste verurteilen.

Jetzt gibt es mittlerweile Factfindingmissions. Dieser Antrag ist auch eine Zeit lang liegen geblieben, weil wir relativ wenige Ausschusssitzungen haben, und hat sich dadurch auch selbst überholt. Ich verstehe daher, dass man diesen Teil ein bisschen auf die Seite schiebt und sagt: Gut, wir wollen da nicht zustimmen! – Nichtsdestotrotz steht vonseiten der Bundesregierung eine scharfe Verurteilung dieser Kriegsverbrechen nach wie vor aus.

Zum gleichen Zeitpunkt, als der Menschenrechtsausschuss stattgefunden hat (Zwi­schenruf der Abg. Maurer) – Sie können sich gerne später zu Wort melden, Frau Kolle­gin –, tagte auch der Gesundheitsausschuss, und da passierte Folgendes:

Auch dort wurde ein Antrag von mir behandelt. Die Intention des Antrages war, sich darum zu kümmern: Wenn vergewaltigte ukrainische Frauen als Flüchtlinge nach Öster­reich kommen, dann brauchen sie dringend psychologische Hilfe, und es war mir wichtig, dass sie einen schnellen, raschen und unbürokratischen Zugang zu ebendieser Hilfe haben. Es kann auch sein, dass einige dieser Frauen draufkommen, dass sie von ihren Vergewaltigern schwanger sind, und dann brauchen sie einen schnellen, unbüro­kratischen Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Dieser Antrag aber wurde vertagt, und zwar mit einer bemerkenswerten Begründung, nämlich – bitte festhalten! –, man sei sich in der Koalition nicht einig darüber, wie man mit Abtreibung umgeht.

Entschuldigung: Ihr seid euch zwischen Grünen und ÖVP nicht darüber einig, wie man mit vergewaltigten ukrainischen Frauen, die schwanger sind und einen Abbruch haben wollen, umzugehen hat?! Ihr seid euch nicht darüber einig, wie man mit der bestehenden Gesetzeslage, nämlich einer Fristenlösung, umgeht?! – Also das ist ja einfach unglaub­lich. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Die Selbstbestimmungsrechte von uns Frauen kommen weltweit unter Druck. Man braucht nur in die USA zu blicken, wo wir das Urteil des Supreme Courts mit Ende Juni erwarten. Man braucht nur nach Polen zu blicken, wo es Frauen de facto unmöglich geworden ist, eine Abtreibung vorzunehmen – übrigens auch ukrainischen Flüchtlingen, die eine Abtreibung benötigen –, wo diese Woche vom Gesundheitsminister auch eine Verordnung unterschrieben wurde, wonach sich schwangere Frauen fortan registrieren müssen, damit man dann wenige Monate später feststellen kann, ob denn auch das gewünschte Produkt, nämlich ein Kind, zur Welt gekommen ist, und wenn das nicht der Fall ist, dann hat diese Frau Erklärungsbedarf.

Unsere Rechte auf Selbstbestimmung sind weltweit unter Druck, und die Grünen sagen immer: Pro Choice is ois!, aber wenn es dann zum Lackmustest kommt, dann kneift ihr, und das ist wirklich bitter. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 298

Deshalb plädiere ich dafür, weil ich diesen Antrag noch einmal einbringe, dass ihr eure Meinung bis dahin geändert habt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

22.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte.


22.59.39

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Eigentlich müsste ich mich zu gefühlten 15 tatsächlichen Berichtigungen zu Wort melden, denn was Kollegin Brandstötter hier behauptet, das passt auf keine Kuhhaut, und da müsste ich jetzt echt Punkt für Punkt alles durchgehen.

Fangen wir bei dem wirklich völlig absurden und haltlosen Vorwurf an, diese Bundes­regierung hätte sich nicht klar gegen diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg artikuliert und ihn nicht verurteilt. Ich meine, wir sind letzte Woche gemeinsam im Menschenrechts­ausschuss gesessen, wir sitzen im Gleichbehandlungsausschuss, du bist hier in den Plenarsitzungen – es reicht, einmal zu googeln und du kommst sehr schnell zum Beispiel auf Justizministerin Zadić – Zitat –: „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“. (Abg. Brandstötter: Bitte den Antrag lesen! Es geht um sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine, aber Vergewaltigung als Kriegswaffe wird mit keinem Wort vom offiziellen Österreich verurteilt! – Gegenruf der Abg. Maurer.) Ich verurteile diesen Angriffskrieg auf das Schärfste und begrüße die Einleitung der Ermittlungen durch den Internationalen Strafgerichtshof. – Zitatende. Google Name eines Regierungsmitglieds plus ein Statement! Du hast hier gerade behauptet, es gäbe von der Bundesregierung keine Verurteilung dieses Krieges. Bitte google nach, das stimmt nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Brandstötter: Das stimmt nicht! Hör doch genau zu! – Abg. Maurer: Das ist peinlich!)

Ja, dieser Krieg dauert – drei Monate. Seit drei Monaten erleben wir einen brutalen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Was wir auch erleben, ist, dass mit jedem weiteren Tag, den dieser Krieg andauert, die Zivilbevöl­ke­rung von wirklich schockierenden Kriegsverbrechen betroffen ist, dass Vergewaltigun­gen als sexualisierte Kriegswaffen als Kriegstaktik gegen die Zivilbevölkerung verwendet werden, und insbesondere betrifft das Frauen und Mädchen. Es hat zum Beispiel ein 14-jähriges Mädchen aus Butscha in einem Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch angegeben, stundenlang von fünf russischen Soldaten gefoltert und vergewaltigt worden zu sein. – Wir werden dich vergewaltigen, bis du keine Kinder mehr zur Welt bringen kannst!, erinnert sich dieses Mädchen im Gespräch mit der Organisation.

Wir wissen – es ist heute schon gesagt worden – auch aus der Geschichte – erinnern Sie sich an den Bosnienkrieg, an die Vergewaltigungslage, die es dort gegeben hat –, dass genau diese geschlechtsspezifischen Kriegsverbrechen, genau diese Vergewalti­gun­gen gezielt als strategische Kriegswaffen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden.

Ich glaube, Kollegin Kugler war es, die vorhin ausgeführt hat, dass laut Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs genau solche Gewalttaten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen strafbar sind und so auch geahndet werden müssen. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen und auch strafrechtlich verfolgt werden. Wir haben heute auch schon gehört, dass der UN-Menschenrechtsrat bereits mit März 2022 die Errichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskom­mission zur Ukraine mit Sitz in Wien beschlossen hat.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 299

Kollegin Brandstötter, dein Antrag ist, glaube ich, einen Monat später eingereicht wor­den. Zu diesem Zeitpunkt gab es diese Kommission schon. Dein Antrag verlangt eine Factfindingmission. Es gab zu dem Zeitpunkt schon eine internationale Factfinding­mission mit Unterstützung von Österreich. Der Herr Minister hat es vorhin ausgeführt, sowohl finanziell als auch personell wird die Arbeit dieser Kommission unterstützt. Auch die Justizministerin ist da unterstützend tätig – natürlich, weil wir selbstverständlich unse­ren Beitrag an der Aufklärung dieser Kriegsverbrechen leisten. Das könnte man zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man kann sich aber auch einen Monat später herausstellen, einen Antrag einbringen und behaupten: Das interessiert hier keinen und das ist alles wurscht und überhaupt hat man vielleicht nichts dazu gehört und ihr tut nichts und ihr macht nichts! – Das ist aber halt nicht den Tatsachen entsprechend.

Der zweite Antrag, den du erwähnt hast, Kollegin Brandstötter, wurde tatsächlich im Gesundheitsausschuss debattiert. Darin forderst du die Bundesregierung dazu auf, Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt eine umfassende medizinische Versorgung zu gewährleisten. – Eine solche Versorgung ist natürlich über die Sozialversicherung auch für ukrainische Flüchtlinge gewährleistet.

Jetzt kommen wir zum zweiten Punkt: Du forderst die Bundesregierung auch dazu auf, im Ukrainekrieg vergewaltigen Frauen bundesweit einen raschen und niederschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu garantieren. Ich wünschte, ich könnte in Österreich im Jahr 2022 hier stehen und sagen: Na selbstverständlich ist das auch gewährleistet. – Das kann ich aber nicht und das macht mich als Frau und als Politikerin wütend.

Meine Haltung, die Haltung der Grünen dazu ist eindeutig und bekannt: Wir wollen, dass Frauen in ganz Österreich einen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch haben, dass die damit verbundenen Kosten von der Sozialversicherung übernommen werden. Wäre dies bereits der Fall, dann wäre ja selbstverständlich auch der rasche Zugang, wie von dir gefordert, für die ukrainischen Frauen gewährleistet. Das ist aber nicht der Fall. Wäre das schon der Fall, dann hätten sie diesen Zugang, so wie jede andere Frau in Österreich auch. Eine solche bundesweite Kostenübernahme müsste aber klarerweise auch hier im Parlament beschlossen werden. Man kann schon einfach so tun, als gäbe es die Mehrheiten dafür, dann wäre es aber kein Thema. Es ist einfach wirklich eine beschämende, eine erschütternde Tatsache, dass hier in diesem Haus im Jahr 2022 keine politische Mehrheit für einen derartigen Beschluss gegeben ist – das ist ein Faktum. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kucher.)

Ich kann dir versichern, dass ich als grüne Frauensprecherin, dass meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen nicht ruhen werden, bis wir diese Mehrheit haben. Ich freue mich, da bekannt ist, dass die SozialdemokratInnen dafür sind, jetzt auch bei den NEOS Verbündete für dieses Anliegen zu haben. (Abg. Seidl: Was heißt hier „jetzt“?) Kämpfen wir gemeinsam weiter für diese Mehrheiten, noch haben wir sie nicht, das ist ein Faktum!

Deshalb möchte ich abschließend tatsächlich an die Bundesländer appellieren und sie darum bitten, dass sie akut betroffenen ukrainischen Frauen unbürokratisch helfen, indem sie ihnen in den Landeskrankenhäusern diesen Zugang zu den Schwanger­schaftsabbrüchen gewährleisten, weil eben genau jede Frau, jedes Mädchen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben hat, das Recht hat, über den eigenen Körper zu ent­scheiden, egal ob sie aus Eisenstadt, aus Graz, aus Butscha oder aus Kiew kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.05



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 300

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.


23.05.46

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Kollegin Disoski, das lässt mich ein bisschen ratlos zurück, weil sich einerseits hierherzustellen und zu sagen, ja man hätte gerne den Zustand, dass es möglich wäre, für ukrainische Frauen, die vergewaltigt wurden (Abg. Disoski: Hast du eine Mehrheit dafür?), auch entsprechend das Angebot eines Schwangerschaftsabbruchs zu haben, und gleichzeitig im Ausschuss zu sagen, man vertagt den Antrag, das ist ein bisschen skurril. Ich glaube den Grünen - - (Abg. Maurer: Das hat nicht Meri Disoski gesagt!) Was ist denn im Ausschuss passiert? (Abg. Disoski: War ich das? War ich im Ausschuss? Ich war nicht im Ausschuss!) Frau Kollegin Disoski, okay, Sie waren nicht im Ausschuss. Dann müssen Sie mit Ihrer eigenen Fraktion reden, wie der Zugang der Fraktion in dem Zu­sammenhang ist.

Ich glaube den Grünen ja, ich glaube Ihnen ja, dass Sie diese Meinung haben. Ich teile diese Meinung mit Ihnen. Es müsste in Österreich endlich möglich sein, dass in ganz Österreich für Frauen die Möglichkeit besteht, gratis einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Blimlinger. – Abg. Disoski: Wo ist die Mehrheit dafür?) – Frau Kollegin Disoski, mir ist schon klar, dass es hier momentan keine Mehrheit dafür gibt. Der Punkt ist aber, wie weit man denn geht, um in einer Regierung zu sein. Man kann so weit gehen, wie die Grünen gehen und sagen: Ich werfe alle meine Prinzipien über Bord, vertage Anträge, nur weil mein Koalitionspartner das nicht will. – Das kann man in Teilen machen, das nehme ich. Ich bin nicht neu in der Politik, ich weiß, wie politische Kompromisse gehen, ich weiß, wie das funktioniert. (Abg. Disoski: ... das ist so billig!) Sie brauchen mir das nicht vorzuwerfen. Die Frage ist aber, wo diese Grenze ist. Wenn es darum geht, ob Frauen aus der Ukraine, die vergewaltigt wurden, den Zugang zu Schwanger­schafts­abbruch haben sollen, sich dann hinzustellen und zu sagen: Na ja, wir haben keine Einigung mit dem Koalitionspartner, deswegen können wir nicht zustimmen!, das finde ich einigermaßen absurd und das ist den Grünen eigentlich nicht würdig. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Disoski: Wo ist die Mehrheit, die das beschließt? Wo ist die Mehrheit? Zeig sie mir! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

23.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. (Unruhe im Saal.) Darf ich um Aufmerksamkeit bitten?

Die Debatte ist geschlossen.

23.08.04Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 18 und 19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf fragen: Können wir abstimmen? NEOS? FPÖ? ÖVP?

Tagesordnungspunkt 18: Ausschussbericht 1512 der Beilagen und angeschlossene Entschließung betreffend „Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völ­kerrechts in der Ukraine und individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit“.

Wer für diesen Ausschussbericht ist, den darf ich um ein Zeichen der Zustimmung bit­ten. – Das ist einstimmig angenommen. (255/E)

Tagesordnungspunkt 19: Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Men­schenrechte, seinen Bericht 1513 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Wer dies tut, den darf ich um ein dementsprechendes Zeichen bitten. – Das ist die Mehr­heit, damit angenommen.

23.09.0020. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäfts­ordnungsgesetz 1975) geändert werden (2509/A)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 20.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ottenschläger. – Bitte.


23.09.24

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erste Lesung: Antrag der SPÖ auf eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes und des Geschäftsordnungsgesetzes des National­rates.

Was sind die Inhalte? – Der Rechnungshofpräsident oder die -präsidentin soll künftig im Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden (Unruhe im Saal); Ausweitung der Anzahl der Verlangen des Nationalrates auf Sonderprüfungen durch den Rechnungshof; Veröffentlichung von Studien, Gutachten und Umfragen der Ministerien durch den Rechnungshof; der Rechnungshof soll die Ministerien alle zwei Jahre im Hinblick auf Unterstützungen von Parteien durch wesentliche Sachspenden prüfen.  

Der Antrag steht natürlich in einem direkten, engen Verhältnis zum Initiativantrag der von uns eingebrachten Verschärfung des Parteiengesetzes. Ich glaube, das ist ja auch im Konsens mit der Sozialdemokratischen Partei, und ich denke, wir werden auch weiter darüber verhandeln und diskutieren.

Was sind die wesentlichen Punkte des hoffentlich bald zu beschließenden Gesetzes? – Ausbau der Kontrolle durch den Rechnungshof, verbunden mit einem unmittelbaren Ein­schaurecht des Rechnungshofes; Schaffung eines eigenen Wahlwerbungsberichtes; ein neues, vernünftiges Spendenmeldesystem; grundlegende Überarbeitung der Rech­nungslegung beziehungsweise der Rechenschaftsberichte; lückenlose Erfassung aller Zahlungsflüsse; Verschärfung der Geldbußen und Strafbestimmungen; Verschärfung der Ausweispflichten für Inserateneinnahmen in Parteizeitungen.

Wie gesagt: Derzeit laufen ja die Verhandlungen und Diskussionen mit allen Fraktionen noch sehr intensiv, und ich hoffe sehr, dass wir im Juli zu einer Beschlussfassung kom­men. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Zorba.)

23.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Greiner. – Bitte.


23.11.22

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Wir besprechen bei diesem Tagesordnungs­punkt einen Antrag der SPÖ-Fraktion, einen Vorschlag für das Parteiengesetz.

Die Gespräche zwischen den Regierungsfraktionen und der Opposition laufen gerade – ja. Wir möchten aber darüber hinausgehende Punkte berücksichtigt wissen, und ange­sichts der ständig auftauchenden Skandale mit Spendengeld, Wahlkosten et cetera ist das wohl auch ein richtiger Schritt.


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Die wesentlichen Punkte, die wir zusätzlich wollen: Wir wollen, dass auch wahlwerbende Parteien überprüft werden können, sodass Missbrauch von Steuergeldern unter allen Umständen vermieden werden kann.

Wir möchten auch, dass der Rechnungshof und das Parlament mehr Prüfrechte haben, wenn es um die Überprüfung der Gebarung von Ministerien und Regierungsbüros geht. Sie erinnern sich an die Kalamitäten, was die Vergabe von Beraterverträgen und Ver­gaben an Agenturen betrifft. Da ist es wirklich wichtig, dass die Aufträge per se und die Kosten öffentlich gemacht werden. Was die Beratungsvergaben betrifft, gibt es ja auch schon aus anderen Berichten eine Empfehlung des Rechnungshofes, dass nämlich interne Expertise, also Expertise in den Ministerien, die ja vorhanden ist, wirklich genützt wird. (Unruhe im Saal.)

Ein weiterer Punkt, der uns sehr wichtig ist, um eine breite, demokratische Legitimation zur Überprüfung zu erhalten, ist, dass die Rechnungshofpräsidentin, der Rechnungs­hofpräsident mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament bestellt werden soll.

Eine besonders wichtige Forderung sehe ich in der Möglichkeit, dass die Beantragung von Sonderprüfungen erweitert wird. Momentan ist es ja so, dass nur drei Sonder­prü­fungen parallel laufen können. In dem Vorschlag, den wir machen, wären fünf parallel möglich.

Ich hoffe, dass die Gespräche konstruktiv verlaufen und wir diese Erweiterungspunkte berücksichtigt finden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

23.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


23.13.43

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen, ich glaube, wir wollen alle nach Hause. – Frau Kollegin Greiner, vielen Dank für Ihren Antrag, den Sie eingebracht haben! Das sind, sagen wir einmal, fast alles sehr überlegenswerte Vorschläge, die man in den gemein­samen Gesprächen über das Parteiengesetz tiefergehend erörtern kann.

Was beim Parteiengesetz geplant ist, hat ja bereits Kollege Ottenschläger ausgeführt, das muss ich also auch nicht tun.

In diesem Sinne hoffen wir im Übrigen immer noch auf Ihre Unterstützung, liebe Kolle­ginnen und Kollegen der Sozialdemokratie, denn Vertrauen muss in der Politik verdient werden, und das kann man vor allem mit Transparenz und Fairness. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Obernosterer.)

23.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


23.14.39

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin! So kurz können wir diese Thematik leider nicht abhandeln, weil allein durch die Vorgänge der letzten Woche und der letzten Tage die gesamte Ver­handlung über das Parteiengesetz in einem absolut neuen Licht erscheint und auch ein Journalist, Martin Thür, sich die Arbeit gemacht hat und ausgehoben hat, dass die ÖVP Hunderte Parallelvereine gebildet hat – wenn Sie so wollen: Spiegelvereine –, mit denen sie die Parteiorganisationen nach eigenen Aussagen parallel abbildet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 303

Gehen wir jetzt in die Verhandlungen des Parteiengesetzes hinein: Dieser Antrag und Vorstoß der Sozialdemokraten ist natürlich zu unterstützen. Wenn man sich aber die Reform des Parteiengesetzes ansieht, kommt man drauf, dass im Jahr 2019 von SPÖ und FPÖ, also von Rot und Blau, eine Spendenobergrenze von 750 000 Euro pro Kalen­derjahr beziehungsweise 7 500 Euro pro Spender eingeführt wurde. Und dann gehen die Grünen her, gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei, und sagen: Wir refor­mieren jetzt das Parteiengesetz und machen das Ganze transparenter und saube­rer!

Sehr geehrte Damen und Herren, mitnichten! Sie müssen sich vorstellen: Nach diesen Vorgängen der letzten Tage braucht es die Grünen dazu, dass man mit der Reform des Parteiengesetzes neue Umgehungsmöglichkeiten für Parteispenden einführt! (Abg. Haubner: Geh bitte! – Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Nach dieser Reform ist es nämlich möglich, dass Parteien von nahestehenden Organisationen – ich sage jetzt nur einmal salopp vom Seniorenbund Oberösterreich zum Beispiel, wenn dieser Millionen gebunkert hat, die er irgendwo her hat, aus den letzten Tagen – und Personenkomitees zukünftig wieder unbegrenzt Mittel in die Partei parallelverschieben. (Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das wird nicht sauberer und transparenter durch diese Reform des Parteiengesetzes (Abg. Zarits: ... nicht richtig, was du sagst!), und dazu braucht es die Mehrheit der Grünen. Nicht nur, dass Sie wie beim letzten Tagesord­nungspunkt keine Mehrheiten finden, dass Sie Ihren Willen irgendwie durchsetzen, um Ihre Vorlagen umzusetzen, Sie geben Ihre Mehrheit sogar dafür her, dass die ÖVP wie­der Umgehungsmöglichkeiten hat, um zusätzlich Gelder in die Partei hineinfließen zu las­sen. – Na gratuliere, dazu hat es den Anstand der Grünen gebraucht! (Beifall bei der FPÖ.)

Warum das für die ÖVP, die selbsternannte Wirtschaftspartei, so wichtig ist, liegt ja auch auf der Hand: Durch dieses Schließen der Geldflüsse in die Österreichische Volks­partei – das wissen wir auch durch Ihren Rechenschaftsbericht – sitzen Sie ja auf Millionen Euro Schulden; und Sie (in Richtung Grüne) machen jetzt die Handlanger dafür, dass man wieder Finanzierungskanäle für die Österreichische Volkspartei aufmacht, damit wieder Gelder hineinfließen.

Ich darf Ihnen auch nur am Rande mitgeben (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger), wie gefährlich diese gesamte Argumentation, die Sie jetzt rund um den Oberösterreichischen Seniorenbund an den Tag legen, für die Funktionäre dieser Vereine, die Sie da parallel geschaffen haben, die Martin Thür veröffentlicht hat, ist. Wenn Sie nämlich zwei Parallelvereine, also eine Parteiorganisation und nebenbei einen Verein, haben und der Vereinszweck natürlich eindeutig aussagt, was der Verein zu tun hat, Sie aber in der Praxis hergehen und die Mitarbeiter dieser 900 Vereine für die ÖVP, also für die Parteiorganisation, Arbeiten erledigen lassen und Sie nicht für alle 900 Vereine Be­schlüsse dafür haben, dann wird es relativ schnell eng, was Untreue und Ähnliches betrifft. Ich hoffe, das ist allen Mitgliedern und Funktionären klar, wenn Sie als Öster­reichische Volkspartei mit diesen Vereinen so arbeiten, wie Sie jetzt selbst sagen, dass Sie es machen. (Abg. Prinz: Redezeit!)

Sehr geehrte Damen und Herren der Grünen sowie der Österreichischen Volkspartei und bitte auch der Medien! Nur weil die Grünen sagen: Wir brauchen ein bisschen etwas für unser Anstandswording!, heißt das nicht, dass es dann besser und sauberer wird, wenn man ein Parteiengesetz reformiert. Nicht nur wir von der Opposition weisen auf diese Umgehungsmöglichkeit hin! Der UPTS selbst, mit dem Sie ja in den letzten Tagen Bekanntschaft gemacht haben, sehr geehrte Damen und Herren, sagt, dass die beabsichtigte, ausdrückliche Ausnahme von Zuwendungen nahestehender Organisationen oder Personenkomitees kreative Umwege zur Vermeidung der Anwendung der Spen­denregelung fördern könnte.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung, 15. Juni 2022 / Seite 304

Sie öffnen da Tür und Tor für Umgehungsmöglichkeiten. Wie wir dank Martin Thür und dank Ihrer eigenen Schutzargumentation wissen: Die schwarzen Netzwerke mit über 900 Vereinen sind schon vorbereitet, damit sie dann zur Umgehung genutzt werden können. Das ist keine Verbesserung des Parteiengesetzes. Sie schaffen es dank der Grünen allen Ernstes, über die Hintertür wieder Finanzierungsmöglichkeiten für die Österreichische Volkspartei zu öffnen, und das hat den Namen einer wirklichen Reform, was Transparenz und so weiter betrifft, absolut nicht verdient.

Sehr geehrte Damen und Herren, es wird nicht sauberer, es wird dreckiger und schmutziger! (Beifall bei der FPÖ.)

23.20 23.20.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 2509/A dem Verfassungsausschuss zu. (Unruhe bei der ÖVP. – Abg. Lausch – in Richtung ÖVP –: Seid nicht so nervös! Wartet ab!)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.20.56Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2508/A eine Frist bis zum 5. Juli 2022 zu setzen.

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.)

Ich bitte, dass wir doch auch zu dieser Zeit noch die in der nächsten Sitzung kommenden Abstimmungen zügig durchführen können.

23.21.32Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 2639/A(E) bis 2664/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 23.22 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.21.59Schluss der Sitzung: 23.21 Uhr

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