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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

169. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Freitag, 8. Juli 2022

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

169. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                                 Freitag, 8. Juli 2022

Dauer der Sitzung

Freitag, 8. Juli 2022: 9.06 – 21.02 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediens­tetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaft­liche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonenge­setz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz ge­ändert werden (Dienstrechts-Novelle 2022)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 2575/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 2678/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, sowie über den

Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Rücknahme der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den

Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den

Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und das Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Per­sonen (Einkommensteuergesetz 1988 – EstG 1988) geändert werden

4. Punkt: Bericht über den Antrag 2554/A(E) der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ahndung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Ukrainekrieg

5. Punkt: Bericht über den Antrag 2234/A(E) der Abgeordneten Mario Lindner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend diskriminierungsfreie Blutspende endlich umsetzen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 2

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bildungs­investitionsgesetz geändert werden

7. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1889/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleit­ner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beste Bildung für alle Kinder – immer, überall und kostenlos! Der Elementaren Bildung endlich den Stellenwert geben, den sie verdient und braucht.

9. Punkt: Bericht über den Antrag 2035/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit für die Kinder Österreichs

10. Punkt: Bericht über den Antrag 2310/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik

11. Punkt: Bericht über den Antrag 553/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stufenplan für kleinere Gruppen in Kinder­gärten

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1315/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Küns­berg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kindergarten-Qualität erfassen, verglei­chen und verbessern

13. Punkt: Bericht über den Antrag 2014/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Küns­berg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und Elementarbildung

14. Punkt: Bericht über den Antrag 2197/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Küns­berg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestpersonaleinsatz und Kinder­höchstzahl in der Elementarbildung

15. Punkt: Bericht über den Antrag 2264/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Küns­berg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbildung der Kindergarten-Assis­tenzkräfte verbessern und vereinheitlichen

16. Punkt: Bericht über den Antrag 2614/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Küns­berg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inklusion: Verpflichtendes Kindergar­tenjahr auch für Kinder mit Behinderung

17. Punkt: Bericht über den Antrag 2622/A(E) der Abgeordneten Nico Marchetti, Mag. Sibylle Hamann, Petra Vorderwinkler, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiative Demokratiebildung

18. Punkt: Bericht über den Antrag 2524/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogi­schen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hoch­schulgesetz – 2. C-HG) geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria

20. Punkt: Bericht über den Antrag 2552/A der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) geändert wird

21. Punkt: Bericht über den Antrag 2550/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung der Studierendenwohnheimför­derung“


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22. Punkt: Bericht über den Antrag 2643/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung der Universitätsfinanzierung zu einer „echten“ Studienplatzfinanzierung und Ausbau des kompetitiven Anteils

23. Punkt: Bericht über den Antrag 2574/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsi­dentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsge­setz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Euro­pa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Wahlrechtsän­derungsgesetz 2022)

24. Punkt: Bericht über den Antrag 2508/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wag­ner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Ge­setzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird

25. Punkt: Bericht über den Antrag 2124/A der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird

26. Punkt: Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung sowie eine Erstversorgungspauschale festgelegt werden

27. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizeige­setz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022)

28. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebühren­gesetz geändert werden (Übernahmegesetz-Novelle 2022 – ÜbG-Nov 2022)

29. Punkt: Bericht über den Bericht betreffend Tourismus in Österreich 2021

30. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 17, 21, 25, 27 bis 29, 49, 55, 58, 61 und 62, 65, 73, 75, 82 und 84 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34 und 40

31. Punkt: Bericht über den Antrag 2683/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert wer­den (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022)

32. Punkt: Erstattung eines Vorschlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwalt­schaft

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      19

Ordnungsrufe ......................................................................  94, 123, 184, 202, 231

Geschäftsbehandlung

Wortmeldungen im Zusammenhang mit Antworten in der Fragestunde:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................      46


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 4

August Wöginger ....................................................................................................      46

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 1659 und 1658 d.B. gemäß § 44 (2) GOG .....................................      47

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ..............................................................................................................      48

Wortmeldung des Abgeordneten August Wöginger in Bezug auf eine tatsächli­che Berichtigung .......................................................................................................      65

Antrag der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen, den Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1524 d.B.): Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria (1611 d.B.), gemäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Wissenschaftsausschuss rückzu­verweisen – Ablehnung .............................................................................  142, 159

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsident Mag. Wolfgang Sobotka ..........................................    242

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    243

Fragestunde (16.)

Bundeskanzleramt ..................................................................................................      19

Mag. Wolfgang Gerstl (199/M); Dr. Christoph Matznetter

Mag. Karin Greiner (203/M); Dr. Werner Saxinger, MSc, Ralph Schallmeiner

Christian Hafenecker, MA (186/M); Kai Jan Krainer

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (208/M); Mag. Ernst Gödl, MMag. DDr. Hubert Fuchs

Dr. Helmut Brandstätter (206/M); Lukas Hammer

Norbert Sieber (200/M); Rosa Ecker, MBA, Eva Maria Holzleitner, BSc

Mag. Jörg Leichtfried (204/M); MMag. Katharina Werner, Bakk.

Dr. Reinhard Eugen Bösch (187/M); Mag. Friedrich Ofenauer

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (209/M)

Mag. Gerald Loacker (207/M); Johannes Schmuckenschlager

Tanja Graf (201/M)

Julia Elisabeth Herr (205/M)

Mag. Maria Smodics-Neumann (202/M); Dr. Johannes Margreiter

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      19

Ausschüsse

Zuweisungen .............................................................................................................      46


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 5

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abge­ordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2022) (1576 d.B.) .............................................................................      48

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................      48

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................      51

Christian Lausch .........................................................................................  62, 69

Mag. Michael Hammer ............................................................................................      63

Mag. Selma Yildirim (tatsächliche Berichtigung) ....................................................      64

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................      65

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................      66

Petra Tanzler ...........................................................................................................      67

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stär­kung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“ – Ablehnung .....................  50, 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Absicherung für 50+ Bedienstete im Sicherheitsbereich“ – Ablehnung .....................................................................................................  69, 78

Annahme des Gesetzentwurfes in 1576 d.B. ...........................................................      77

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2575/A der Ab­geordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geändert wird (1580 d.B.) .........................................................................................      70

RednerInnen:

Gabriela Schwarz ....................................................................................................      71

Sabine Schatz ..........................................................................................................      74

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................      75

Henrike Brandstötter ..............................................................................................      75

Annahme des Gesetzentwurfes in 1580 d.B. ...........................................................      78

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 2678/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsge­setz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, sowie über den

Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den

Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 6

Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 be­treffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsge­setz 1967) und das Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EstG 1988) geändert werden (1633 d.B.) ....................................................................................      79

RednerInnen:

Edith Mühlberghuber ..............................................................................................      79

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................      82

Erwin Angerer .........................................................................................................      83

Petra Wimmer ..........................................................................................................      86

Christian Ries ..........................................................................................................      88

Barbara Neßler ........................................................................................................      88

Fiona Fiedler, BEd ..................................................................................................      92

Norbert Sieber .........................................................................................................      92

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................      95

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................      96

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................      97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Indexierung der Familienbeihilfe“ – Ablehnung ...  80, 98

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Besserstellung österreichischer Familien: Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt – Ablehnung .................................................  84, 98

Annahme des Gesetzentwurfes in 1633 d.B. ...........................................................      98

4. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 2554/A(E) der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kol­leginnen und Kollegen betreffend die Ahndung von sexueller und geschlechtsspe­zifischer Gewalt im Ukrainekrieg (1582 d.B.) ...........................................................      98

RednerInnen:

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................      98

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................      99

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................    100

Rosa Ecker, MBA (tatsächliche Berichtigung) ........................................................    102

Heike Grebien ..........................................................................................................    102

Henrike Brandstötter ..............................................................................................    103

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................    104

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1582 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „die Ahndung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Ukrainekrieg“ (263/E) ..............................................................................    110

5. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 2234/A(E) der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminie­rungsfreie Blutspende endlich umsetzen (1583 d.B.) ..............................................    105

RednerInnen:

Mario Lindner ..........................................................................................................    105

Nico Marchetti .........................................................................................................    106

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................    106

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ...........................................................................................    107

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    108

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................    109


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 7

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1583 d.B. ................................................    110

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1493 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bildungsinves­titionsgesetz geändert werden (1644 d.B.) ..............................................................    110

7. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1494 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 (1645 d.B.)        110

8. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1889/A(E) der Ab­geordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bes­te Bildung für alle Kinder – immer, überall und kostenlos! Der Elementaren Bildung endlich den Stellenwert geben, den sie verdient und braucht. (1646 d.B.) .............    110

9. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2035/A(E) der Ab­geordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtig­keit für die Kinder Österreichs (1647 d.B.) ...............................................................    111

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2310/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik (1648 d.B.) .........................................    111

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 553/A(E) der Ab­geordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stufenplan für kleinere Gruppen in Kindergärten (1649 d.B.) ..................................    111

12. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1315/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kindergarten-Qualität erfassen, vergleichen und verbessern (1650 d.B.) ..............    111

13. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2014/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und Elementarbildung (1651 d.B.) ..............    111

14. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2197/A(E) der Ab­geordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Min­destpersonaleinsatz und Kinderhöchstzahl in der Elementarbildung (1652 d.B.)         111

15. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2264/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Ausbildung der Kindergarten-Assistenzkräfte verbessern und vereinheitlichen (1653 d.B.) ................................................................................................................    111

16. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2614/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Inklusion: Verpflichtendes Kindergartenjahr auch für Kinder mit Behinderung (1654 d.B.) ................................................................................................................    111

RednerInnen:

Petra Tanzler ...........................................................................................................    112

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................    113

Hermann Brückl, MA ..............................................................................................    114

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................  115, 129

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    116

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    118

Ing. Manfred Hofinger .............................................................................................    120


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 8

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................    121

Barbara Neßler ........................................................................................................    122

Edith Mühlberghuber ..............................................................................................    123

Norbert Sieber .........................................................................................................    124

Klaus Köchl .............................................................................................................    125

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................    126

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    127

Katharina Kucharowits ...........................................................................................    128

Annahme des Gesetzentwurfes in 1644 d.B. ...........................................................    136

Genehmigung der Vereinbarung in 1645 d.B. ..........................................................    137

Kenntnisnahme der neun Ausschussberichte 1646, 1647, 1648, 1649, 1650, 1651, 1652, 1653 und 1654 d.B. ........................................................................................    137

17. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2622/A(E) der Ab­geordneten Nico Marchetti, Mag. Sibylle Hamann, Petra Vorderwinkler, Mag. Mar­tina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiative Demokratiebil­dung (1655 d.B.) .......................................................................................................    129

RednerInnen:

Hermann Brückl, MA ..............................................................................................    130

Nico Marchetti .........................................................................................................    131

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    132

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    133

Mag. Sibylle Hamann ..............................................................................................    133

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    134

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................    135

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1655 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Initiative Demokratiebildung“ (264/E) ..................................    138

18. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2524/A der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hoch­schulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) geändert wird (1610 d.B.) .........................................................................    138

RednerInnen:

Mag. Dr. Martin Graf ...............................................................................................    138

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................    139

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    140

Annahme des Gesetzentwurfes in 1610 d.B. ...........................................................    159

19. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1524 d.B.): Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria (1611 d.B.) ....................................................................................................    141

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................    141

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................    142

Mag. Martina Künsberg Sarre ................................................................................    143

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek .....................................................................................    145

Bundesminister Dr. Martin Polaschek .................................................................    146

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................    147

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    148


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 9

Mag. Bettina Rausch ..............................................................................................    149

Mag. Dr. Martin Graf ...............................................................................................    150

Mag. Klaus Fürlinger ..............................................................................................    151

Annahme des Gesetzentwurfes in 1611 d.B. ...........................................................    159

20. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2552/A der Abgeordneten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) geändert wird (1612 d.B.) ...................    152

RednerInnen:

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................    153

Mag. Michaela Steinacker ......................................................................................    153

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................    154

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1612 d.B. ................................................    159

21. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2550/A(E) der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wie­dereinführung der Studierendenwohnheimförderung“ (1613 d.B.) ..........................    155

RednerInnen:

Katharina Kucharowits ...........................................................................................    155

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................    156

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1613 d.B. ................................................    159

22. Punkt: Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2643/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiter­entwicklung der Universitätsfinanzierung zu einer „echten“ Studienplatzfinanzie­rung und Ausbau des kompetitiven Anteils (1614 d.B.) ...........................................    157

RednerInnen:

Mag. Dr. Martin Graf ...............................................................................................    157

Mag. Dr. Rudolf Taschner ......................................................................................    158

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1614 d.B. ................................................    159

23. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2574/A der Ab­geordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Natio­nalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volks­abstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegeh­rengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzge­setz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsge­setz 2022) (1577 d.B.) ..............................................................................................    159

RednerInnen:

Mag. Wolfgang Gerstl .............................................................................................    160

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    160

Mag. Harald Stefan .................................................................................................    161

Annahme des Gesetzentwurfes in 1577 d.B. ...........................................................    173

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2508/A der Ab­geordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 10

ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1578 d.B.) ............................................................................    162

25. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2124/A der Ab­geordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1579 d.B.) .........................................................................................................    162

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ..............................................................................  162, 172

Mag. Wolfgang Gerstl .............................................................................................    163

Michael Schnedlitz ..................................................................................................    165

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................    166

Sabine Schatz ..........................................................................................................    167

Sigrid Maurer, BA (tatsächliche Berichtigung) .......................................................    168

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................    169

August Wöginger ....................................................................................................    171

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1578 und 1579 d.B. ......................    173

26. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (1584 d.B.): Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern ge­mäß Artikel 15a B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kosten­höchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung sowie eine Erstversor­gungspauschale festgelegt werden (1656 d.B.) .......................................................    174

RednerInnen:

Mag. Johanna Jachs ...............................................................................................    174

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................    175

Mag. Georg Bürstmayr ...........................................................................................    175

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................    176

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................    178

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................    179

Nurten Yılmaz ...........................................................................................  190, 180

Bundesminister Mag. Gerhard Karner .................................................................    181

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................    182

Genehmigung der Vereinbarung in 1656 d.B. ..........................................................    184

27. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1527 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022) (1561 d.B.) ................................................................................................................    184

RednerInnen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    184

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................    185

Mag. Harald Stefan .................................................................................................    186

Mag. Corinna Scharzenberger ..............................................................................    187

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    188

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................    189

Heike Grebien ..........................................................................................................    190

Dr. Harald Troch ......................................................................................................    191

Mag. Johanna Jachs ...............................................................................................    19


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 11

2

Annahme des Gesetzentwurfes in 1561 d.B. ...........................................................    198

28. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1526 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebührengesetz ge­ändert werden (Übernahmegesetz-Novelle 2022 – ÜbG-Nov 2022) (1562 d.B.)          194

RednerInnen:

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    194

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................    195

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................    196

Mag. Klaus Fürlinger ..............................................................................................    196

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................    197

Annahme des Gesetzentwurfes in 1562 d.B. ...........................................................    198

29. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Bericht des Bundesminis­ters für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Öster­reich 2021 (III­671/1575 d.B.) ...................................................................................    198

RednerInnen:

Franz Hörl ................................................................................................................    198

Melanie Erasim, MSc ..............................................................................................    200

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    201

Barbara Neßler ........................................................................................................    205

Mag. Julia Seidl .......................................................................................................    206

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler ..................................................    208

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................    211

Maximilian Köllner, MA ..........................................................................................    212

Ing. Johann Weber ..................................................................................................    213

Melanie Erasim, MSc (tatsächliche Berichtigung) ..................................................    215

Mag. Gerald Hauser (tatsächliche Berichtigung) ....................................................    215

Michael Seemayer ...................................................................................................    216

Maria Großbauer .....................................................................................................    216

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung für Tourismusbetriebe setzen – Investitionen ermöglichen – Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des heimischen Tourismus erhöhen“ – Ablehnung .........................................  203, 217

Kenntnisnahme des Berichtes III-671 d.B. ...............................................................    217

30. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 17, 21, 25, 27 bis 29, 49, 55, 58, 61 und 62, 65, 73, 75, 82 und 84 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34 und 40 (1632 d.B.) .........................    218

RednerInnen:

Andreas Kollross ....................................................................................................    218

Nikolaus Prinz .........................................................................................................    219

Rudolf Silvan ...........................................................................................................    220

Alois Kainz ...............................................................................................................    221

Petra Wimmer ..........................................................................................................    222

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................    223

Robert Laimer ..........................................................................................................    224

Fiona Fiedler, BEd ..................................................................................................    225

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................    226

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    227

Ralph Schallmeiner ................................................................................................    231

Hans Stefan Hintner ...............................................................................................    232


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 12

Petra Wimmer (tatsächliche Berichtigung) ..............................................................    233

Andreas Kühberger ................................................................................................    233

Andreas Minnich .....................................................................................................    234

Bettina Zopf .............................................................................................................    235

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................    236

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „der Schutz des Menschen vor Wolfsangriffen muss Vorrang haben“ – Ablehnung ..................................................................................  228, 237

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1632 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 17, 21, 25, 27 bis 29, 49, 55, 58, 61 und 62, 65, 73, 75, 82 und 84 sowie der Bürgerinitiativen Nr. 34 und 40 .................................................................................    237

31. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2683/A der Ab­geordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministerienge­setz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministerienge­setz-Novelle 2022) (1659 d.B.) .................................................................................    237

Annahme des Gesetzentwurfes in 1659 d.B. ...........................................................    238

32. Punkt: Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vor­schlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft (1658 d.B.) ............    238

RednerInnen:

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................    238

Martina Diesner-Wais .............................................................................................    239

Rudolf Silvan ...........................................................................................................    240

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................    241

Annahme des Ausschussantrages in 1658 d.B. ......................................................    241

Eingebracht wurden

Petitionen .................................................................................................................      47

Petition betreffend „SPRITPREISBREMSE – DIESEL UND BENZIN MÜSSEN BE­ZAHLBAR BLEIBEN!“ (Ordnungsnummer 95) (überreicht von den Abgeordneten Christian Ries, Erwin Angerer und Mag. Christian Ragger)

Petition betreffend „Gerechtigkeit und Fairness für die Pendler*innen – Bevölke­rung im ländlichen Bereich!“ (Ordnungsnummer 96) (überreicht vom Abgeordne­ten Maximilian Lercher)

Petition betreffend „LKW-Mautflucht beenden – StVO reformieren!“ (Ordnungs­nummer 97) (überreicht von den Abgeordneten Maximilian Lercher und Mario Lindner)

Bericht ......................................................................................................................      47

III-695: Verkehrstelematikbericht 2022; BM f. Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobi­lität, Innovation und Technologie

Anträge der Abgeordneten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 13

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der Pflegebe­diensteten des Straf- und Maßnahmenvollzuges im Entgelterhöhungs-Zweckschutzge­setz sowie Auszahlung des Corona-Bonus (2715/A)(E)

Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen betreffend evidenzbasierte Sprachförderung an Österreichs Schulen (2716/A)(E)

August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (2717/A)

Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (2718/A)

Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (2719/A)

Mag. Ernst Gödl, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (2720/A)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Sanitätergesetzes (2721/A)(E)

Johann Singer, Katharina Kucharowits, Ing. Norbert Hofer, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung parlamentarischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Parlamentsmitar­beiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz – ParlMG) geändert wird (2722/A)

Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung eines nationalen Gedenktages zum Gedenken an die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze“ (2723/A)(E)

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Sprachkompetenz im Bereich der Volksgruppensprachen (2724/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Graz-Köflacher Bahn und Busbetrieb Gmbh Gesetz (GKB-Gesetz 2022) erlassen wird (2725/A)

Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend vollständige Abgeltung finanzieller Schäden für Betroffene von Unwetterkatastrophen (2726/A)(E)

Erwin Angerer, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen betreffend So­forthilfe für Kärnten – Unwetterkatastrophe im Gegendtal (2727/A)(E)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Indexierung der Familien­beihilfe (2728/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Diskriminierungsverbot statt Covid-19-Impfpflicht im öffentlichen Dienst (2729/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weltweite Nahrungsmit­telkrise und deren Auswirkungen auf Länder des globalen Südens“ (2730/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der finanziel­len Mittel für Nahrungsmittelhilfe im Rahmen der Food Assistance Convention“ (2731/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 14

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem Stillstand: Es braucht einen attraktiven öffentlichen Dienst (2732/A)(E)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (2733/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 und das Bun­desgesetz über die Errichtung eines Non-Profit-Organisationen Unterstützungsfonds geändert wird (2734/A)

Anfragen der Abgeordneten

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend kritische Rohstoffe und Monitoring von Materialflüs­sen (11692/J)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Monitoring der Kreis­laufwirtschaft (11693/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend BMF-Inserate in der Bauernzeitung (11694/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Umsetzungsstand Schulentwicklungs­programm 2020 (11695/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betref­fend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11696/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11697/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11698/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11699/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11700/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11701/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Di­gitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11702/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11703/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 15

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bil­dung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11704/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frau­en, Familie, Integration und Medien betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11705/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11706/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11707/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11708/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11709/J)

Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Jus­tiz betreffend Wie hoch sind die Kosten für EDV- und IT-Systeme? (11710/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Klimabonus-Chaos (11711/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend das faschistische Ustaša-Treffen in Blei­burg/Pliberk 2022 (11712/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend rechtsextreme Aktivitäten in Bleiburg/Pliberk 2022 (11713/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11714/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11715/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11716/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11717/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öf­fentlichen Dienst und Sport betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungs­stellen (11718/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Situation der Frauen- und Mädchen­beratungsstellen (11719/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 16

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstel­len (11720/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungs­stellen (11721/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenbera­tungsstellen (11722/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Situa­tion der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11723/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11724/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfas­sung betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11725/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11726/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidi­gung betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11727/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend die Situation der Frauen- und Mädchenberatungsstellen (11728/J)

Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Detail-Arbeitsmarktdaten für Tou­rismus und Gastronomie (11729/J)

Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Detail-Arbeitsmarktdaten für Tourismus und Gastronomie (11730/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Diskriminie­rung von LGBTIQ-Personen (11731/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11732/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11733/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11734/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Dis­kriminierung von LGBTIQ-Personen (11735/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11736/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit be­treffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11737/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 17

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11738/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11739/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11740/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Per­sonen (11741/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Diskriminierung von LGBTIQ-Personen (11742/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Fusion von SVA und SVB zu SVS – versprochene Leistungsharmonisie­rung und Patient:innenmilliarde zugunsten der Versicherten (11743/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Sozia­les, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fusion von SVA und SVB zu SVS – versprochene Leistungsharmonisierung und Patient:innenmilliarde zugunsten der Versicherten (11744/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Umsetzung des Maßnahmenpaketes gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention im Bereich der Män­nerarbeit (11745/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Umsetzung des Maßnahmenpaketes gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention im Bereich der Männerarbeit (11746/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Fami­lie, Integration und Medien betreffend Umsetzung des Maßnahmenpaketes gegen Ge­walt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention im Bereich der Männerarbeit (11747/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Umsetzung des Maßnahmenpaketes gegen Gewalt an Frauen und zur Stärkung von Gewaltprävention im Bereich der Männerarbeit (11748/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Inserate des Österreichischen Integrations­fonds (11749/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Österreichische Unterstützung für das Lager Lipa in Bosnien-Herzegowina (11750/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Verweigerung des temporären Aufenthaltsrechts für Ukrainer_innen (11751/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Aufzuklärende Geschäftsbeziehungen nach Russland (11752/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 18

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sexualdelikte in der polizeilichen Kriminalstatistik (11753/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Kenntnis über die Beteiligung des Generalsekretärs (11754/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Asylchaos erfasst die Steiermark (11755/J)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Inserate des Österreichischen Integrations­fonds (11756/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend der Nordwest­bahn (11757/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend der Nordbahn (11758/J)

Melanie Erasim, MSc, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend der Laaer Ost­bahn (11759/J)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen (10670/AB zu 10937/J)


 


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09.06.01Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

*****


09.06.05

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie am dritten Tag unserer Sommerdebatte recht herzlich begrüßen und die 169. Sitzung für eröffnet erklären.

Ich darf die Damen und Herren auf der Galerie, die Journalisten und auch die Damen und Herren zu Hause recht herzlich willkommen heißen.

Das Amtliche Protokoll der 167. Sitzung vom 6. Juli 2022 ist in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Andreas Hanger, Peter Haubner, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Ruth Becher, Elisabeth Feichtinger, BEd, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Herbert Kickl, Peter Schmiedlechner, Peter Wurm, Mag. Meri Disoski, Mag. Nina Tomaselli und Michael Bernhard.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Ministerin Leonore Gewessler, BA wird durch Ministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. und Mi­nisterin Mag. Karoline Edtstadler durch Minister Mag. Gerhard Karner vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass ORF 2 bis 13 Uhr und ORF III bis 19.15 Uhr überträgt und anschließend kommentiert in der TVthek übertragen wird.

09.07.10Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Fragestunde und ich darf den Herrn Bundeskanzler recht herzlich begrüßen.

Die Parlamentarier wissen, die Frage darf nicht länger als 1 Minute dauern, die erste Antwort 2 Minuten, die weiteren pro Frage nur 1 Minute. Ich werde jeweils ein Zeichen geben, wenn die Fragezeit zu Ende ist.

Bundeskanzleramt


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die erste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


09.07.34

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Viele Leute in Österreich glauben, die Inflation wäre hausgemacht, dabei steht die Welt im Umbruch: Einerseits haben wir durch Corona noch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 20

immer Unterbrechungen der Lieferketten, andererseits hat die EZB mit ihrer Zinspolitik ziemlich sicher viel zu spät reagiert, drittens hat Putin das Gas als Waffe gegen Europa eingesetzt, viertens hat Putin den Getreideexport aus der Ukraine gestoppt und fünftens gibt es schlussendlich einen Krieg in der Ukraine.

199/M

„Was kann Österreich in dieser schwierigen Situation beitragen, dass die Menschen in unserem Land und in Europa die in allen Staaten steigende Inflation gut überstehen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Einen schönen guten Morgen auch von meiner Seite an alle hier Anwesenden! Danke für die Frage, Herr Abgeordneter. Es ist tatsäch­lich so, es gibt eine Vielzahl an Krisen – Sie haben sie aufgezählt –, die Auswirkungen nicht nur auf Österreich, sondern auf Europa und auf die gesamte Welt haben. Man muss aber sagen, dass wir es trotz Pandemie – und das ist die Leistung von allen, die daran mitgewirkt haben – geschafft haben, das Wirtschaftswachstum zu steigern. Wir sind auch weiter dabei, Schulden abzubauen, zumindest sagen das die Prognosen, und wir haben derzeit Rekordbeschäftigung. Das ist dem Fleiß, dem Einsatz der Menschen in Österreich zu verdanken.

Auf der anderen Seite ist es unsere Aufgabe, durch Begleitmaßnahmen die Folgen die­ser Teuerung, der hohen Inflation, aber auch der Problematik der Lieferkettenausfälle, wie Sie sie schon beschrieben haben, die wiederum zu Produktionsverzögerungen füh­ren, auszugleichen. Wie tun wir das? – Mit einem umfassenden Paket an Sofortmaßnah­men, das bedeutet 300 Euro für Menschen mit geringem Einkommen, das heißt, dass wir Familien mit einer zusätzlichen Familienbeihilfe in der Höhe von 180 Euro im August besonders entlasten, das bedeutet, dass wir im September den Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro pro Kind erhöhen. Genauso gehen wir dann im Oktober vor und machen dann tatsächlich das Antiteuerungspaket plus den Klimabonus, das sind 500 Euro in Summe.

Das heißt, das ist ein weiterer Schritt, es ist der dritte Schritt in diesem Jahr, um die Menschen bei diesen steigenden Kosten zu entlasten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Ja. – Das heißt, die ökonomischen He­rausforderungen, die Österreich hat, bewältigt es einerseits selbst sehr gut durch hohe Beschäftigung, durch hohen Konsum, auf der anderen Seite durch die entsprechende Kampagne und auch die Ausgleichsmaßnahmen, Antiteuerungsmaßnahmen, die die Bun­desregierung gesetzt hat.

Jetzt möchte ich noch zu einem anderen Kapitel kommen. Die Welt steht ja nicht nur ökonomisch in einem Umbruch, sondern vor allem auch sicherheitspolitisch: Nach dem Angriffskrieg von Putin beginnt sich sozusagen die sicherheitspolitische Ordnung in Europa zu verändern. Wie sehen Sie die Situation? Vor welchen Herausforderungen steht hier Österreich?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Der Begriff Sicherheit an sich hat sich deutlich erweitert. Wir reden nicht mehr nur von der inneren Sicherheit oder von der sozialen Sicherheit, wir reden momentan von der Energieversorgungssicherheit, von der Lebens­mittelversorgungssicherheit und von der wirtschaftlichen Sicherheit. Diesbezüglich muss man auch unterschiedlich vorgehen.

Bei der Energieversorgungssicherheit sind wir dabei, die Speicher in Österreich zu füllen, wir als Republik, indem wir 20 Terawattstunden strategische Reserve einspeichern, die


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Unternehmen, die jetzt die Zeit nutzen, um hier ebenfalls die Speicher zu füllen und für den Winter vorbereitet zu sein.

Bei der wirtschaftlichen Sicherheit geht es jetzt vor allem darum, dass man die Industrie, die Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten begleitet, das passiert durch die Strom­preiskompensation, durch die Entlastung bei Abgaben. Das heißt also auch, dass es jetzt darum geht, für die Herbstlohnrunde mit den Sozialpartnern Rahmenbedingungen zu schaffen, dass auf der einen Seite vernünftige Gehaltsabschlüsse möglich sind, aber auch Arbeitsplätze weiter gesichert werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Matznetter.


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Auch von meiner Seite einen schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Deutschland hat im Mai beschlossen, ab Juni steu­erliche Maßnahmen gegen die Inflation zu setzen. Deutschland hat im Juni erstmals seit Langem eine sinkende Inflation von 0,1 Prozent; Österreich hat aber einen dramatischen Anstieg von über 1 Prozent auf 8,7 Prozent. Sie wollten vor ein paar Wochen die Überge­winnbesteuerung diskutieren und ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat am 8. Juni in einer Fernsehsendung auf Puls 24 gesagt, er persönlich sei für Preisdeckel, das schei­tere aber am Koalitionspartner.

Ist es richtig, dass vernünftige Maßnahmen wie Preisdeckel - - (Abg. Wöginger: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!) – Das ist dokumentiert; kein Problem, Herr Klubobmann! (Abg. Wöginger: Was du da dahererzählst!) Ist es wirklich der Koalitionspartner, der verhindert, sinnvolle Maßnahmen gegen die Teuerung (Abg. Michael Hammer: „Kon­trast“, oder wo?) – zum Beispiel durch Preisdeckel auf Sprit – zu machen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es gibt tatsächlich einige Staaten in Europa und im Speziellen in der Europäischen Union, die versuchen, durch Preisdeckel in die Teue­rungswelle einzugreifen. Bisher hat sich das nicht als probates Mittel erwiesen. Man kann das in Ungarn – dramatisch – beobachten, man kann es auch in der Bundesre­publik Deutschland, die Sie eben erwähnt haben und die die Mineralölsteuer gesenkt hat, beobachten: Es hat dann eine kurzfristige tatsächliche Preissenkung an den Zapf­säulen gegeben, aber die ist innerhalb von zwei Wochen wieder aufgefressen worden.

Grundsätzlich heißt es, wenn man Preisdeckel einführt, auch, dass da ja die Differenz immer auch vom Steuerzahler, von der Steuerzahlerin zu begleichen ist, damit es zu keiner Angebotsverknappung kommt. Wir haben uns in der Regierung gemeinsam dazu entschlossen, einen anderen Weg zu gehen, nämlich den Menschen direkt zu helfen, um so die Folgen der Teuerung abzufedern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Grei­ner. – Bitte.


09.13.29

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Ihre Partei hat immer betont, wie sinnvoll es sei, die einzelnen Gebietskranken­kassen der Bundesländer in eine Kasse zu bringen, in die Österreichische Gebietskran­kenkasse. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Man hat die Patientenmilliarde sehr groß und laut propagiert, man hat gemeint, es werde einen schlanken Apparat und viele Vorteile für die Patienten geben.

Die SPÖ hat diese Patientenmilliarde immer sehr stark in Zweifel gezogen – mit Recht, wie sich jetzt herausstellt. Es liegt mittlerweile ein Rechnungshofbericht zur Zusammen­führung der Kassen vor. Fazit: Die Patientenmilliarde gibt es nicht, aber einen Mehr­aufwand von 214,95 Millionen Euro – Mehrkosten von fast 215 Millionen Euro! Herr Bun­deskanzler, welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

*****


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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 203/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Konsequenzen ziehen Sie als Bundeskanzler aus der Aussage des Rech­nungshofes, wonach die von der ÖVP forcierte Zusammenlegung der Krankenkassen an­stelle der versprochenen Einsparung von 1 Mrd. EUR einen Mehraufwand von 214,95 Mio. Euro brachte?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, dass es bei 28 Krankenkassen und 9 Gebietskrankenkassen tatsächlich eine wichtige Maßnahme war, eine Effizienzreform durchzuführen. Und Sie haben recht, die Kosten, die Sie erwähnt haben, sind nicht zu bestreiten. Die Reform ist auch mitten in die Pandemie hineingefallen, und das, was wir auch immer gesagt haben – erinnern Sie sich! –, war, dass jede Reform, jede Strukturbe­reinigung zunächst einmal immer hoher Anschubfinanzierungen bedarf – das sehen Sie jetzt gerade an den Kosten, die Sie dargestellt haben –, aber dann im langfristigen Ver­lauf tatsächlich die Effizienzsteigerung und die Einsparungen mit sich bringt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Man hat auch gemeint, die Leistungen wür­den harmonisiert werden, dass ist aber nicht der Fall. (Abg. Wöginger: 95 Prozent sind harmonisiert!) Welche konkreten Maßnahmen haben Sie für die Harmonisierung der Leistungen gesetzt, und – ich wiederhole – welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Mehr­aufwand von 215 Millionen Euro?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: So, wie ich schon gesagt habe: Also der Mehr­aufwand ist dadurch begründet, dass die Anschubfinanzierung wichtig ist, um Struktur­reformen tatsächlich umsetzen zu können.

Man muss sich bei 28 Krankenkassen und 9 Gebietskrankenkassen schon vorstellen, wie umfassend dieses Projekt ist, und auch – das große Thema, erinnern Sie sich, das war damals eine große Diskussion, auch hier im Hohen Haus –, wie aufwendig es ist, an sich Leistungen von Krankenkassen, die zum Teil ganz unterschiedliche Entwicklungen hatten, zu harmonisieren. Man ist da bereits bei einem Stand von weit über 90 Prozent der Harmonisierung; der Weg wird dort, wo es möglich ist, fortgesetzt.

Die Österreichische Gesundheitskasse ist aus meiner Sicht ein Modell, das jetzt auch noch ein Stück weit unser Vertrauen braucht, dass die Systemveränderung, die Effi­zienzsteigerung – betreffend auch das, was Sie derzeit kritisieren, nämlich dass es jetzt noch mehr kostet, als es tatsächlich an Einsparung bringt – sichtbar wird und es dann tatsächlich harmonisiert ist.

Ich gehe davon aus, dass das in der langen Perspektive tatsächlich der Fall ist, denn wie gesagt: Diese Struktur von 28 Krankenkassen, 9 Gebietskrankenkassen, die unter­schiedlichen Leistungskataloge, der Anspruch der Versicherten, das alles wird jetzt in der ÖGK umgesetzt und aus meiner Sicht auch erfolgreich sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Saxin­ger. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Zur Kollegin Greiner: Die Krankenkasse wurde jetzt in Gesundheitskasse umbenannt – so viel zur richtigen Bezeichnung. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


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In einem kleinen Land wie Österreich macht die Grundüberlegung einer zentralen bun­desweiten Gesundheitskasse Sinn. Die ÖGK wurde installiert – aus 21 mach 5 –, und bei der Umsetzung dieser Fusion ist meiner Meinung nach in dieser kurzen Zeit in man­chen Bereichen schon viel weitergegangen. Ich denke da an die Leistungsharmonisie­rung für die Versicherten für Heilbehelfe, für Hilfsmittel, Prothesen, Rollstühle, und es wurden auch einheitliche Rahmenbedingungen im Bereich der Physiotherapie, der Ergo- und der Logotherapie geschaffen. Gut Ding braucht bei so einem großen Projekt meiner Ansicht nach aber etwas Weile, und das Projekt wird mittelfristig auch gut funktionieren.

Die Pandemie hat auch die ÖGK vor große Herausforderungen gestellt, es wurde jedoch bundesweit rasch gehandelt. Über 50 Beschlüsse wurden gefasst.

Meine Frage: Welche Konsequenzen hätte die Nichtzusammenlegung der 28 Kranken­kassen für die Bekämpfung der Pandemie gehabt? (Abg. Leichtfried: Es wäre alles besser gewesen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, das Ziel war ja genau, dass man auch Abläufe harmonisiert, nicht nur Leistungen, dass man schneller zur Entschei­dungsfindung kommt, dass man den Patientinnen und Patienten rasch helfen kann.

Wir sind mittlerweile im dritten Jahr der Pandemiebekämpfung. Ich bin froh, dass es jetzt eine effiziente Struktur gibt, die rasche Entscheidungen ermöglicht, und das immer im Sinne der Patientinnen und Patienten. Und es wird sich dann im langfristigen Vergleich herausstellen, dass, wenn vorher natürlich eine komplexe Struktur da war, auch lange gelebt wurde, dadurch auch eine Gewohnheit von unterschiedlichen Einflusssphären entstanden ist, da am Anfang die Effizienz auch zu einer Erschütterung führt und dass es da auch eine Kulturveränderung gibt, nämlich durch die Leistungsharmonisierung, durch die Entscheidungsfindung innerhalb der Strukturen.

Deshalb überrascht es mich nicht, dass es – gerade von Oppositionsseite her – nach wie vor auch eine Emotion zu diesem Thema gibt, aber gleichzeitig ist es wichtig, dass wir im Sinne der Patientinnen und Patienten die Effizienzsteigerung der ÖGK weiter vo­rantreiben und ihr, so wie Sie es vorhin schon ausgeführt haben, auch tatsächlich die Zeit geben, neben der Krisenbewältigung in der Pandemie auch ihre Strukturreform und vor allem die Leistungsharmonisierung in Ruhe weiter fortzusetzen.

Das alles wäre aus meiner Sicht nicht so, hätten wir nicht diesen wichtigen Schritt ge­setzt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.


Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Schönen guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Eh auch zu diesem Themenkomplex: Generaldirektor Wurzer hat ja im Interview in der „ZIB 2“ selber davon gesprochen, dass der Rechnungshof ein wichtiger Partner ist und sich in diesem Rohbericht des Rechnungshofes ja auch durchaus eben viele Vorschläge finden.

Daher meine Frage: Der Rechnungshof hat in seinem Bericht zur Fusion der Kranken­kassen eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Welche dieser insbesondere auch ressortübergreifenden Maßnahmen sehen Sie als Bundeskanzler als zentral an, um das öffentliche Gesundheitswesen nicht nur abzusichern, sondern vor allem auch auszu­bauen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Also zum einen kann ich da die Haltung und die Linie des Generaldirektors nur unterstützen. Der Rechnungshof ist ein wichtiger Verbün­deter, gerade bei einem solch enorm großen Unterfangen, das nämlich dann in der


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Detailarbeit enorm aufwendig und komplex ist. Man denke nur an die EDV-Systeme, die harmonisiert, zusammengeführt werden müssen, damit tatsächlich die Leistung beim Patienten, bei der Patientin ankommt. (Abg. Stöger: Die waren ja zusammengeführt, sorry!) Es sind gerade jetzt herausfordernde Zeiten, und der Rechnungshof ist bei all dem aus meiner Sicht ein wichtiger Begleiter, weil er aufzeigt, wo vielleicht aufgrund der Größe der Reform blinde Flecken entstehen könnten, um dann genau dort einwirken zu können, auch vonseiten der ÖGK, um diese blinden Flecken wegzubekommen und noch effizienter in der Reform zu werden.

Das ist jetzt einmal ein Rohbericht, der vorliegt, das heißt, es muss sich jetzt auch die ÖGK mit den Details auseinandersetzen. Ich habe auch volles Vertrauen in Gesund­heitsminister und Sozialminister Johannes Rauch, der auch immer wieder selbst betont, dass er ein sehr engagierter und leidenschaftlicher Sozialpolitiker ist. Das heißt, in An­betracht der gemeinsamen Verbindung der Vielzahl der Herausforderungen bin ich da­von überzeugt, dass die Umsetzung der vom Rechnungshof empfohlenen Punkte, aber gleichzeitig auch der Reformfortschritt gut vorangehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Hafen­ecker. – Bitte.


09.21.03

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Ich möchte die letzte Nationalratssitzung in Erinnerung rufen (Abg. Wöginger: Die war gestern!), in der wir Sie im Zuge einer Dringlichen Anfrage zu den ÖVP-Finanzskandalen befragen wollten. Sie haben Sich damals von Ihrer Staatssekretärin Plakolm vertreten lassen. Im Zuge der Sitzung ist herausgekommen, dass die Frau Staatssekretärin ei­gentlich gar keine Antworten gegeben hat, und es ist dann insofern eskaliert, als wir sogar eine Stehung hatten, bei der ein Gutachten angefertigt worden ist oder in Auftrag gegeben worden ist, demgemäß Sie, wie herausgekommen ist, dieses Interpellations­recht richtig mit Füßen getreten haben, Herr Bundeskanzler.

Meine Frage ist jetzt folgende:

Wie haben Sie vor, diese Dringliche Anfrage, die wir an Sie gerichtet haben, dann tat­sächlich ganz zu beantworten? Ist das der neue Stil, den wir da jetzt haben?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 186/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie beantworten Sie die von Ihrer Staatssekretärin Plakolm rechtswidrig nicht beant­worteten Fragen der dringlichen Anfrage 11286/J betreffend die aktuellen ÖVP-Finanz­skandale?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ich stehe nicht an, Herr Abgeordneter, durchaus einzugestehen, dass es immer ein Auftrag und ein Anspruch an einen selbst ist – ich war selbst Abgeordneter hier in diesem Hohen Haus –, dass man in diesen Fragen besser werden kann. Sie haben recht, diese Anfragebeantwortung war nicht im Sinne dessen, wie Sie es als Abgeordnete verdienen, deswegen haben wir ja auch im Haus den Auftrag gegeben, diesbezüglich besser werden zu müssen.

Die Staatssekretärin möchte ich ausdrücklich in Schutz nehmen, sie hat mich vertreten, dafür bin ich ihr sehr dankbar, aber die Verantwortung dafür übernehme natürlich ich. Ich habe mein Haus beauftragt, Ihnen im Laufe des heutigen Tages die Antwort betref­fend Ihre Anfrage vollumfassend in schriftlicher Form zukommen zu lassen. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 25

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hafenecker, haben Sie eine Zusatzfrage? – Nein.

Dann stellt Abgeordneter Krainer eine Zusatzfrage. – Bitte.


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Stichwort ÖVP-Skandale war ja die Hauptfrage: Ganz Österreich war erschüttert, als man im Oktober erfahren hat, dass das Finanzministerium parteipolitische Umfragen im Dienste der ÖVP gemacht hat. In der Zwischenzeit wissen wir durch die Arbeit des Untersu­chungsausschusses, dass das nicht nur im Finanzministerium der Fall war, sondern dass genauso im Landwirtschaftsministerium, im Wirtschaftsministerium, im Verteidi­gungsministerium parteipolitisch motivierte Umfragen im Dienste der ÖVP durch Steuer­zahler bezahlt worden sind, dass zum Beispiel Asylpolitikfragen vom Landwirtschaftsmi­nisterium abgefragt wurden.

Meine Frage an Sie: Sind Sie jetzt schon an den ÖVP-Chef herangetreten und haben gesagt: Wir wollen unser Geld zurück!, und fordern Sie jetzt von der ÖVP im Namen der SteuerzahlerInnen das Geld zurück, das für diese parteipolitischen Umfragen ausgege­ben wurde? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich danke Ihnen sehr für Ihre wertschätzende Frage. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Es ist in aller Klarheit auch hier festzuhalten, dass das, was Sie jetzt in die Fragestellung hineinformuliert ha­ben, Pauschalverdächtigungen sind und dass darüber hinaus betreffend die von Ihnen angeführten Umfragen, ausgelöst und beauftragt von einem Mitarbeiter des Finanzmi­nisteriums, Ermittlungen laufen. Zu diesem Teil Ihrer Fragestellung: Ich kann in laufende Ermittlungen natürlich weder Einschau halten, noch sie kommentieren.

Alle anderen Punkte Ihrer Frage sind aufgrund der Pauschalverdächtigung und der un­richtigen Anschuldigungen (Abg. Krainer: Nein, die sind korrekt, das wissen Sie!), die keinerlei Tatsachensubstrat vorweisen, in diesem Fall so nicht zu beantworten. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


09.24.49

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Die Teuerung hat relativ große Löcher in die Budgets vieler Haushalte in Öster­reich gerissen. Die Regierung hat entsprechend ein großzügiges Entlastungspaket ge­schnürt, das insbesondere für Haushalte mit geringerem Einkommen eine Entlastung mit sich bringt, die größer ist als das, was an Zusatzbelastung durch die Teuerung auf sie zukommt, wie das Momentum-Institut zeigt. Trotzdem gibt es jetzt natürlich die Not­wendigkeit, budgetäre Mittel dafür in die Hand zu nehmen, das betrifft jetzt quasi den Staatshaushalt. Das ist auch gerechtfertigt, weil ja die Umsatzsteuer und auch andere Steuern zum Teil Mehreinnahmen in die Staatskasse spülen.

Aber wie schätzen Sie die Auswirkungen des Entlastungspakets auf das Staatsbudget ein?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 208/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie bewerten Sie die Auswirkung der Teuerungs-Pakete auf den österreichischen Staatshaushalt?“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Sie haben schon umfassend beschrieben, dass tatsächlich mit der ökosozialen Steuerreform be­ginnend und dann mit den folgenden Antiteuerungspaketen viel Geld in die Hand ge­nommen worden ist, nachdem schon viel Geld in die Hand genommen worden war, um die Folgen der Pandemie zu lindern. Das Entscheidende ist, dass sich diese Investi­tionen – auch heute, aus der Rückschau betrachtet – gelohnt haben. Auf der einen Seite sind wir durch die Pandemie gekommen, indem das Wirtschaftswachstum gestiegen ist, Rekordbeschäftigung gegeben ist und die Schulden nach wie vor trotz des vielen Gel­des, das aufgenommen worden ist, weiter abgebaut werden.

Wie ist das möglich? – Weil Gott sei Dank das Konsumverhalten und auch das Produk­tionsverhalten in Österreich nicht geschrumpft, sondern eher noch gestiegen sind. Das heißt: Diesen Zustand müssen wir aufrechterhalten. Das ist auch ganz wichtig beim gro­ßen Entlastungspaket im Umfang von 26 Milliarden Euro, das jetzt beschlossen worden ist, einerseits mit den Sofortmaßnahmen, die ich vorhin erwähnt habe – erhöhte Kinder­beihilfe, Antiteuerungs- und Klimabonus im Wert von 500 Euro, die Familienbeihilfe mit 180 Euro zusätzlich, der Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro erhöht, 300 Euro für Menschen mit geringem Einkommen, 500 Euro Absetzbetrag für Pensionistinnen und Pensionisten; das alles sind kostenintensive Maßnahmen im Wert von 6 Milliarden Eu­ro –, um umfassend in der aktuellen Situation zu helfen, aber es ist dazu auch noch eine Strukturreform beschlossen worden, die Sie ansprechen, die eben auch kostenintensiv ist, und zwar die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung, der kalten Progres­sion, die dann in weiterer Folge grundsätzlich zu einer Verbesserung der Einkommens­situation der Menschen führen wird.

Es gibt also die ökosoziale Steuerreform, es gibt die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung, das heißt, da werden durch Maßnahmen strukturelle Veränderungen vorgenommen, damit die Menschen jeden Monat mehr Geld zum Leben haben, mit dem Ziel, dass der Konsum weiter anhält, dass durch die Mehrwertsteuereinnahmen und an­dere Steuereinnahmen tatsächlich auch die Gegenfinanzierung möglich ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte sehr.


Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Welche Maßnahmen haben aus Ihrer Sicht den größten Grad an Selbstfinanzierung?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Wenn es uns gelingt, dass wir das Konsum­verhalten der Menschen weiter aufrechthalten, dass es eben keine Angst vor der Aus­gabe gibt, sondern tatsächlich auch noch weiter konsumiert wird, dann sehe ich die große Entlastungsmaßnahme, die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung – die zwar dann erst in vielen kleinen Schritten bei den Menschen spürbar wird, aber in der Summe die größte Budgetbelastung ist –, am stärksten gegenfinanziert, wenn tat­sächlich die wirtschaftliche Situation dann auch so bleibt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Gödl. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Bundeskanzler, die Teuerung betrifft natür­lich alle Bereiche und alle Branchen unseres täglichen Lebens. Daher meine Frage ganz konkret: Welche Maßnahmen hat die Regierung zur Sicherung der Pflege gesetzt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Die Pflegediskussion läuft schon seit vielen, vielen Jahren. Wem sage ich das beziehungsweise wer weiß das besser als Sie, der sich seit Jahren dafür einsetzt, dass eine Verbesserung für die Menschen, die in der


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Pflege tätig sind, sei es beruflich, seien es aber auch die Angehörigen, tatsächlich erreicht wird? – Es ist das Pflegepaket im Wert von 1 Milliarde Euro beschlossen wor­den, entscheidend ist, dass dieses Geld jetzt bei all den Betroffenen auch tatsächlich ankommt.

Es ist aber nicht nur eine finanzielle Frage, wie wir durch intensive Diskussionen mit denen, die sich auch wirklich damit beschäftigen und selbst davon betroffen sind, he­rausgefunden haben, sondern es braucht eben auch eine Reform der Ausbildung, es braucht eine Erleichterung im Zugang zur Pflege und es braucht vor allem auch eine Entlastung der Pflegenden, die zu Hause und privat pflegen. Das alles ist in diesem Paket enthalten. Ich weiß, dass die Kritik darin besteht, dass es zu spät kommt und zu lange gedauert hat, aber das Entscheidende ist, dass es jetzt beschlossen worden ist, in die Umsetzung kommt und bei den Menschen dann Wirkung zeigt. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Fuchs. – Bitte.


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Obwohl Sie durch das dritte Maßnahmenpaket gegen die Teuerung Entlastungen von 28,8 Milliarden Euro angekündigt haben, wurden gestern mit der 2. Budget-Novelle lediglich Entlastungen von 3,66 Milliarden Euro beschlossen. Das heißt, Ihre Antwort an Kollegen Schwarz war falsch. Wir haben gestern nicht 28,8 Milliarden Euro Entlastung beschlossen, sondern 3,66 Milliarden Euro. Das heißt, Sie sind da offenbar nicht wirklich auf dem aktuellen Stand des parlamentarischen Vor­ganges.

Wir haben lediglich 12,7 Prozent des versprochenen Entlastungsvolumens beschlossen. Das heißt, entweder wurde dem Nationalrat hier wieder einmal ein Budget präsentiert, welches von vorne bis hinten nicht stimmt, oder, zweite Erklärung, die Bundesregierung betreibt wieder einmal eine reine Ankündigungspolitik und keine Entlastungspolitik.

Nun zu meiner Frage: Warum wurden im Budget durch die 2. Budget-Novelle gestern lediglich Entlastungsmaßnahmen von 3,66 Milliarden Euro beschlossen, obwohl sie 28,8 Mil­liarden ...


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie sind schon über der Zeit, bitte! (Zwischenruf des Abg. Zanger.)


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): ... und auch als Antwort gegeben haben?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Sie waren ja selbst Staatssekretär im Finanzministerium, wissen daher, dass parlamentarische Be­schlüsse zur Gesetzwerdung immer erst dann Sinn machen, wenn alle Reformprojekte tatsächlich auch so weit gediehen sind, dass sie beschlussfähig sind.

3,6 Milliarden Euro, wie Sie es anführen, gestern beschlossen heißt 3,6 Milliarden zu­sätzlich zu den 4 Milliarden Euro, die schon beschlossen wurden. Das heißt, die Summe an sich ist nach wie vor eine beachtliche. Sie wissen es aus Ihrer Zeit als Staatssekretär: Es ist hier immer von Steuermitteln die Rede, das heißt, es sind die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die das leisten.

Es wird auch noch die Abschaffung der kalten Progression erfolgen. Das wird tatsächlich noch viel, viel mehr Geld kosten, das aus unserer Sicht aber richtig und gut investiert ist, aber nochmals: Wir haben angekündigt, was wir tun. Wir haben einen Pfad vorgegeben und sind jetzt in der Beschlussfassung genau auf diesem Pfad, mit dem Ziel, die Men­schen zu entlasten.


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Auch wenn wir uns an Milliardenbeträge schon gewöhnt haben: Wenn jetzt im ersten Schritt schon 3,6 Milliarden Euro dieses Jahr beschlossen worden sind, vor der Sommer­pause des Parlaments, so ist das aus meiner Sicht ermutigend für die Menschen, die das Geld brauchen – mit der zusätzlichen Familienbeihilfe im August mit 180 Euro, der Erhöhung des Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro, dem Antiteuerungsbonus und dem Klimabonus mit 500 Euro pro Person, für Kinder die Hälfte –, und ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Brand­stätter. – Bitte.


09.32.42

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler, ich möchte mit einem persönlichen Wort beginnen. Ich fand es wirklich bemerkenswert, dass Sie sagen: Ja, wir haben bei der Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage einen Fehler gemacht, ja, wir wollen das verbessern. – Ich glaube, das soll man hier nicht ver­gessen. Das wäre dann nämlich wirklich neuer Stil, der ja versprochen war, und ich möchte das hervorheben.

Und wenn wir schon beim Persönlichen sind: Ich würde Ihnen zutrauen, eine Frage, die nicht vorformuliert ist, zu beantworten, aber das ist mehr ein Appell für eine Parlaments­reform (Präsident Sobotka weist mit einer Handbewegung auf die Reihen der Abgeord­neten), also komme ich zur vorformulierten Anfrage, die Sie kennen, aber vielleicht noch eine Vorbemerkung. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.– Ja, machen wir eine Reform! Machen wir eine Reform!

Im heutigen „Standard“ ist ein Interview mit dem Industriellen Stefan Pierer, in dem er sehr deutliche Kritik an der Regierung übt – er ist auch sehr enttäuscht von Ihrem Vorvor­vorgänger, aber das ist eine andere Geschichte –, und er sagt, es fehle „vorausschauen­des Denken“, das sei „besorgniserregend“.

Nun aber zu meiner konkreten Frage:

206/M

„Es wurde mehrfach die Möglichkeit eines gemeinsamen, europäischen Gaskaufs am internationalen Gasmarkt angedacht und wohl auch im Europäischen Rat besprochen. Was ist hier der Stand der Diskussionen auf EU Ebene?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank für die Frage, Herr Abgeordneter. Ich kann Ihre Kritik nachvollziehen. Als ich selbst Abgeordneter in diesem Hohen Haus war, habe ich das Prozedere auch für ein wenig antiquiert anmutend gehalten. Wenn es tatsächlich zu einem gemeinsamen Beschluss der Parteien hier im Hohen Haus kommt (Zwischenruf des auf Präsident Sobotka weisenden Abg. Leichtfried), um die Frage­stunde zu verändern, dann begrüße ich das (Abg. Brandstätter – auf Präsident Sobotka weisend –: Er ist auch dafür!), aber wie ich weiß, ist es für den Präsidenten eine stete Herausforderung, hier eine Einigkeit unter den im Parlament vertretenen Fraktionen zu erzielen, also ist das ein Appell an Sie selbst. (Abg. Brandstätter: Danke!) Ich freue mich darauf, wenn es reformiert und dann tatsächlich spontan ist.

Zu der Frage: Es gibt diese sogenannte Energieplattform, die seit circa zwei Wochen tatsächlich aktiv ist. Das Energieministerium hat einen Beauftragten in die Plattform ent­sandt. Wir haben das höchstmögliche Potenzial an Terawattstunden Gas eingemeldet. Das sind 50 Terawattstunden, die für Österreich da möglich waren. Die Plattform nimmt ihre Arbeit auf, operativ wird sie noch nicht spürbar, faktisch ist es aber so, dass wir bei der strategischen Reserve jetzt trotzdem handeln müssen und nicht darauf warten kön­nen, ob die Plattform uns dann tatsächlich unterstützt und uns hilft.


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Ich habe es auch – das muss ich auch offen dazusagen – ein wenig eigenartig gefunden, dass die Präsidentin der Kommission die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen hat, sich nicht gegenseitig zu konkurrenzieren. Das wäre dann nicht der Fall, würde die Plattform ar­beiten und uns schon selbst bei der Suche nach den notwendigen Gasvorkommen ent­lasten. Das heißt also, es wird einfach davon abhängen, wie schnell die Plattform ope­rativ tätig wird. Die volle Unterstützung von österreichischer Seite ist zugesichert.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Ich beziehe mich noch einmal auf das Interview von Stefan Pierer. Er sagt, die Lage ist besorgniserregend, weil noch mehr Preiserhöhungen kommen werden, und das, was er da vorschlägt, ist natürlich umstrit­ten, und ich möchte wissen, was Sie dazu sagen. Er sagt, in „Krisenzeiten“ muss man „den Strompreis deckeln“, das „ist nicht so kompliziert“. – Wie sehen Sie das?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ja, da gehen die Expertinnen- und Experten­meinungen derzeit auseinander, weil Europa auch regional extrem unterschiedlich auf­gestellt ist.

Wir haben auf der Iberischen Halbinsel tatsächlich ein erfolgreiches Modell einer Preis­deckelung, das liegt aber daran, dass die Iberische Halbinsel vom internationalen Handel mit Strom deutlicher abgeschottet ist.

In Österreich ist die Herausforderung, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes komplett vernetzt sind, ja auch selbst immer wieder Stromimporte brauchen. Aufgrund dieses Handelsvolumens führt eine Deckelung des Strompreises, die ausschließlich in Öster­reich durchgeführt würde, dazu, dass dieser billige Strom in der Sekunde international gehandelt und dann nicht den eigenen Verbrauchern zugutekommen würde. Das heißt, das Ziel ist nachvollziehbar, aus meiner Sicht auch anstrebenswert – wir diskutieren das ja auch auf Kommissionsebene, zumindest auch bei dem Thema Gas an sich oder Merit­order –, es ist aber ein total komplexes Unterfangen.

Ich kann es Ihnen nur so ehrlich beantworten, wie es tatsächlich auch im EU-Rat der Regierungschefs diskutiert wird: In Ermangelung anderer bewährter Systeme gilt derzeit noch das Vorsichtsprinzip. Ich halte das für einen Fehler, weil tatsächlich außergewöhn­liche Zeiten außergewöhnliche Maßnahmen erfordern, aber was ich zusagen kann, ist, dass sich Österreich konstruktiv an diesen Reformbemühungen des Strommarkts betei­ligt und auch da guten Lösungen nicht im Wege steht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Hammer. – Bitte.


Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie haben im Prinzip meine Frage in Ihrer Beantwortung schon vorweggenommen. Wir haben das auch in den letzten Tagen diskutiert, da haben Sie auch gesagt, man muss aufpassen, es sind sehr komplexe Probleme, gerade bei diesen Preisbildungen, vor denen wir ste­hen, und es ist natürlich sehr verlockend, da mit einfachen Antworten zu kommen, eben zum Beispiel mit einem Strompreisdeckel.

Es besteht dieses Meritordersystem der Preiszusammensetzung, bei dem sich der Strompreis immer nach dem teuersten Kraftwerk, das gerade ans Netz geht, richtet. Das ist problematisch, das sehen wir jetzt. Das hat sehr lange sehr gut funktioniert, in der aktuellen Situation ist es problematisch, weil es zu extrem hohen Preisen führt, auch wenn wir im Strommix sehr viele Erneuerbare haben.

Auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Sie haben es angesprochen, hat angedeutet, dass es andere Lösungen bei der Preisbildung braucht. Es braucht gesamt­europäische Lösungen, Sie sind schon darauf eingegangen. Vielleicht können Sie noch


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näher auf Ihre Position eingehen, darauf, was Sie da auf europäischer Ebene tun wer­den.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das Thema ist, dass die Kommission da tat­sächlich sehr engagiert ist, aber aus meiner Sicht gerade sehr viele Bälle in der Luft sind und es daher noch an konkreten Ergebnissen mangelt. Weil der Strommarkt in Öster­reich so besonders ist, wie ich es vorhin beschrieben habe, haben eben nationalstaat­liche Maßnahmen nur beschränkt Wirkung, selbst wenn man sie setzen würde, und ei­nen enorm hohen Kostenaufwand.

Das heißt, auch wenn wir die Meritorder hinterfragen und die Entkoppelung von Gas- und Strompreis erreichen, wird die Frage sein, wie das System an sich dann trotzdem, hierarchisch gesehen, mit den verschiedensten Produktionsmöglichkeiten funktionieren kann.

Die Meritorder, so wie Sie sagen, hat ja deshalb auch lange funktioniert, weil dieses System es ermöglicht hat, dass erneuerbare Energie im größeren Ausmaß indirekt geför­dert worden ist und damit auch der Ausbau stärker vorangetrieben worden ist. Das hat sich jetzt, wie Sie es auch richtig beschrieben haben, als ein nicht brauchbares Instru­ment in Zeiten der Krise gezeigt. Das heißt, es wird jetzt mit Wirtschaftsexperten, mit Energieexperten, auf europäischer Ebene darum gerungen, was ein Alternativmodell sein kann, es gibt nur derzeit keine konkreten Vorschläge.

Wir werden weiter danach trachten, auch alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich nationalstaatlich bieten, durch die Entlastung der Unternehmen durch die Strompreis­kompensation, durch die Entlastung der Unternehmen da, wo sie besonders energiein­tensiv sind, auch wenn es kleinere und mittlere Unternehmen sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Sieber. – Bitte sehr.


09.39.49

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Österreich, Europa, die Welt sind nicht von einer Krise, sondern vielmehr von multiplen Krisen be­troffen – ob das die Pandemie, die bei Weitem noch nicht überwunden ist, oder dieser fürchterliche Krieg in der Ukraine ist. Daraus resultiert dieses Schwächeln der Lieferket­ten, das dazu führt, dass wir eine massive Teuerung erleben. Die österreichische Bun­desregierung hat sich ja sehr früh und sehr schnell zu umfangreichen Hilfspaketen für die Menschen entschieden. Wenn man den Vergleich mit anderen Ländern, zum Beispiel Deutschland, hernimmt, dann sieht man, dass wir schnell und umfangreich geholfen haben. Es ist eben sehr wichtig gewesen, schnell zu helfen, denn wer schnell hilft, hilft doppelt. Auch die soziale Treffsicherheit war uns ein großes Anliegen.

Herr Bundeskanzler, meine Frage wäre:

200/M

„Wie werden sozial schwache Bevölkerungsgruppen wie z.B. Pensionisten, Familien und Alleinerzieher, die von der aktuellen Teuerung am stärksten betroffen sind, unterstützt und entlastet?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, ich weiß, dass Sie sich schon viele Jahre für die Interessen der Familien einsetzen, und da besonders für die der sozial schwachen. Danke für Ihren Einsatz, auch im Hinblick auf dieses Reformpa­ket. Damit ist es gelungen, Entlastungsschritte zu setzen, die breit aufgestellt sind.


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Auf der einen Seite unterstützen wir Menschen, die von geringen Einkommen betroffen sind, wie beispielsweise Arbeitslose, Mindestpensionistinnen und -pensionisten durch 300 Euro Sofortentlastung. Dann gibt es 500 Euro für jede und jeden in einem Haushalt aufgrund des Antiteuerungsbonus und des Klimabonus. Darüber hinaus bekommen Fa­milien, die natürlich auch von all diesen Folgen betroffen sind, eine zusätzliche Familien­beihilfe in Höhe von 180 Euro zur bestehenden dazu, also eine 13. Familienbeihilfe, die erhöht ausgezahlt wird. Das Zusammenwirken dieser Maßnahmen soll erreichen, dass damit der schwierige Schulstart abgefedert wird.

Darüber hinaus: Der Familienbonus – schon von mir erwähnt – ist tatsächlich eine der stärksten familienpolitischen Entlastungsmaßnahmen für alle, die Lohnsteuer zahlen und damit zum Gesamtwohl im Staat beitragen. Das sind statt 1 500 Euro nun 2 000 Euro pro Jahr und pro Kind. Das ist echtes Geld, das den Eltern helfen soll. Darüber hinaus ist eine Erhöhung des Kindermehrbetrages auf 550 Euro vorgesehen, sie wird auf 2022, also auf dieses Jahr, vorgezogen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Herr Bundeskanzler, Österreich hat sich dazu entschieden, schnell und rasch zu helfen, monetär zu helfen. Das Geld kommt bei den Familien an. Als Familiensprecher möchte ich mich dafür bedanken, dass gerade für die Familien ein derart umfassendes Paket geschnürt worden ist.

Warum, Herr Bundeskanzler, haben Sie sich, haben wir uns dazu entschieden, nicht mit Preisobergrenzen und Mehrwertsteuersenkungen zu arbeiten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Herr Abgeordneter, ist es total nach­vollziehbar, dass Preisdeckel, Preisobergrenzen verführerisch sind und als die beste Lösung erscheinen. Das wäre aber eine einfache Lösung für eine komplexe Frage, die nicht immer oder gar nicht funktioniert oder sogar zu einem Negativeffekt führt. Was meine ich damit? – Wenn wir zum Beispiel über Preisdeckel bei Lebensmitteln nachden­ken, so ist die Fragestellung in vielfacher Art und Weise komplex: Wie kann das so um­gesetzt werden, dass auf der einen Seite das Angebot nicht verknappt wird, dass die Bäckerei weiter wirtschaften kann und dass dann die Menschen tatsächlich etwas davon haben, eben die Ware beziehen können?

Warum ist das komplex? – Würde man zum Beispiel beim Brot einen Preisdeckel einfüh­ren und festlegen, dass 1 Kilo Brot so und so viel Euro kostet, und würden sich aber für den Bäcker die Produktionskosten – weil die Grundprodukte immer teurer werden – ver­ändern, käme es zu einer Angebotsverknappung, weil es irgendwann für den Bäcker nicht mehr wirtschaftlich ist, das Brot tatsächlich herzustellen.

Wenn das wiederum kommt, kommt es zu einem Umsatzrückgang. Durch den Umsatz­rückgang sind auch Arbeitsplätze in der Bäckerei gefährdet. Das ist das, was ich damit meine. Das Ziel muss immer sein, dass der Deckel den Konsumenten beim Kaufen der Ware entlastet, das Unternehmen aber gleichzeitig nicht in seinem Wirtschaften gefähr­det. Das ist der Grund, warum wir direkt helfen und derzeit nicht die Variante der Preis­deckel wählen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanz­ler! Wer sofort hilft, hilft wirklich: Seit Anfang Juni ist diese angekündigte Hilfe die Bot­schaft an Familien, Pensionisten und Alleinerzieher. Es sind Milliarden ausgeschüttet werden, aber abgesehen von der zusätzlichen Familienbeihilfe im August fließt das Geld erst im Oktober, bei manchen noch später. Bis dahin kämpfen noch mehr Menschen


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ums finanzielle Überleben. Für viele wird die Soforthilfe zu spät kommen und nicht aus­reichen, um das Konto auszugleichen. Das heißt, es wird im November nichts übrig blei­ben.

Was können sich Familien, Pensionisten, Alleinerziehende von der Regierung erwarten, um über den Winter zu kommen, um die Nachzahlungen der Energie- und Heizkosten am Jahresende stemmen zu können? Gibt es abgesehen von der Indexierung der So­zialleistungen, die ab 1.1.2023 angekündigt ist, aber auch nur wenige Euro pro Monat ausmacht, weitere Maßnahmen zur Unterstützung in der weiter anhaltenden Teuerungs­spirale?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Frau Abgeordnete, vielen Dank für Ihre Frage. Weil die Auswirkungen tatsächlich sehr ernst zu nehmen sind, haben wir uns auch in­tensiv mit den Wirtschaftsforschern auseinandergesetzt, um dahin gehend eine Progno­se zu erhalten: Was bedeutet die Teuerung für die Menschen einerseits und was bringen die Entlastungsmaßnahmen, die hier im Hohen Haus beschlossen worden sind, tat­sächlich?

Das Ergebnis zeigt, testiert von den Wirtschaftsforschern, das wir es tatsächlich schaf­fen, die Steigerung der Kosten größtmöglich abzufedern und zu lindern. Es beginnt da­mit, dass wir schon zu Beginn des Jahres das Antiteuerungspaket eins geschnürt haben. Dann kam das Antiteuerungspaket zwei, weil wir gesehen haben, dass die Teuerung anhält. Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Abschaffung der Elektrizitäts- und der Gasabgabe: Das sind Maßnahmen, die jetzt spürbar sind. Sie werden dazu führen, dass dieser Schock aufgrund der Preissteigerungen, der da und nicht wegzureden ist, tat­sächlich abgemildert und abgefedert wird.

Wesentlich ist, dass wir sowohl durch die Steuerreform als auch durch die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung nächstes Jahr auch ein Paket für nächstes Jahr ge­schnürt haben. Die Frage wird sein: Wo braucht es weitere Unterstützung, um den Menschen in dieser Teuerungswelle zu helfen? Die Summe der Hilfen ist so berechnet, dass tatsächlich die größten Folgen abgemildert werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordnete Holz­leitner. – Bitte.


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! 370 000 Kinder in Österreich leben in Armut, ihnen hilft der Familienbonus nicht. Die valorisierten Familienleistungen, zu denen noch kein Vorschlag hier im Haus liegt, werden nicht ausreichen, Einmalzahlungen verpuffen für diese Familien und auch die Kinder, und jetzt hat die Bundesregierung auch den Schulbonus für Kinder, deren Eltern Mindestsicherung beziehen, gekürzt.

Was tun Sie, um diese Kinder nachhaltig aus der Armut zu holen, langfristig abzusichern und vor allem um das Ziel, das im Regierungsprogramm festgehalten wurde, dass die Armut in Österreich halbiert werden soll, zu erreichen? Was tun Sie, damit diese Kinder in Österreich nicht mehr in Armut leben müssen? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen, Frau Abgeordnete, unterstütze ich Sie voll in der Forderung, dass die Bekämpfung von Kinderarmut das vorrangige Ziel sein muss, weil jedes Kind, das Armut in lebt, eines zu viel ist. Ich bin selbst Vater von zwei Kindern. Eltern, die in so einer schwierigen Situation sind, gehören bestmöglich unterstützt. Das passiert aber in vielerlei Hinsicht.

Sie haben Recht, wir differenzieren. Es gibt Entlastungsmaßnahmen für Familien, in de­nen die Eltern arbeiten, Lohnsteuer zahlen und Sozialversicherungsbeiträge leisten.


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Durch ihren verstärkten Konsum durch die Entlastungsmaßnahmen tragen sie dazu bei, dass Familien, in denen die Eltern nicht erwerbstätig sind und keine Abgaben für die Gesellschaft leisten – außer die Konsum- und Massensteuern –, mittels Sozialleistungen besonders entlastet werden.

Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen. Um sie aufzuzählen, reicht jetzt die Zeit gar nicht. Das Entscheidende ist aber, dass das nicht nur Bundesmaßnahmen sind. Sie wissen das, Sie kommen selbst aus einem Bundesland, das engagiert in der Frage der Armuts­bekämpfung vorgeht (Abg. Holzleitner: Wo kein Teuerungspaket bisher aufgelegt worden ist – in Oberösterreich! Ganz schlechtes Beispiel!) und das Familien, die sozial schwach sind, gezielt hilft. Das kann vom Mietkostenzuschuss bis zum Heizkostenzu­schuss bis ganz konkret zur Schulstarthilfe gehen, die zusätzlich zu allen Bundesleis­tungen hinzukommen.

Also ja, Sie haben recht: Es ist notwendig, gegen die Armut vorzugehen, aber ich kann dem, dass all das, was da ist und schon besteht, negiert wird, wenig abgewinnen. Ich glaube, da lohnt sich ein Blick auf die Details. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Holzleitner: Wow!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte.


09.48.52

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Guten Morgen! Herr Bundeskanzler, Sie haben, als die Probleme mit dem Gas offenkundig geworden sind, versucht, sozusagen wiederum in Fortsetzung der türkisen Showtradition zu reagieren: Sie haben mit einem sehr pompösen Ausflug in die Vereinigten Arabischen Emirate den Eindruck erzeugen wollen, es passiere gleich irgendetwas. Es waren mehrere MinisterInnen mit, es ist ein unglaublicher Aufwand gewesen, nur: Passiert ist nichts. Was hat dieser Ausflug ge­bracht?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 204/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie viel Gas aus alternativen Quellen ist aufgrund des pompösen Besuchs in den Ver­einigten Arabischen Emiraten in Österreich bisher angekommen?“

*****


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Da muss man differenzieren: Es war eine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate und eine zweite nach Katar. Das ist deshalb auseinanderzuhalten, weil Sie Gas nicht in Abu Dhabi, in den Vereinigten Arabischen Emiraten kriegen, sondern in Katar.

Abu Dhabi war deshalb wichtig, weil Abu Dhabi auch ein wichtiger Anteilseigner der OMV ist, unseres größten Mineralölkonzerns, und es Aufgabe und Verpflichtung von Bundes­regierungen ist, da Türöffner zu sein und Bestrebungen des in Österreich mit Sicherheit für die Energiefrage wichtigsten kritischen Infrastrukturunternehmens im Bereich Öl und Gas bestmöglich zu unterstützen.

Ich war nicht nur mit Ministern dort, sondern ich war vor allem auch mit dem General­direktor der OMV dort. (Abg. Krainer: Mit Fotografen, oder was?) Das ist deshalb wich­tig, weil es darum ging, mit Adnoc – das ist ein Anteilseigner aus Abu Dhabi, dessen Entscheidungen unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen auf die OMV haben – Ge­spräche zu führen, die Lage zu sondieren und zu signalisieren, dass Österreich mit sei­nem über die Öbag verwalteten 31,5-Prozent-Anteil bereit ist, alles zu unternehmen, um


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die Glaubwürdigkeit des Unternehmens an sich, auch als Verhandlungspartner, zu stär­ken. Sie werden das noch aus der Zeit, als Sie Regierungsverantwortung getragen ha­ben, wissen, dass gerade der arabische Raum auf diese Form des Protokolls viel Wert legt.

Die Reise nach Katar war – auch von mir begleitet – tatsächlich eine operative für die OMV, denn dieses Gas kauft nicht die Republik Österreich, sondern die OMV. Da geht es um Flüssiggas, es geht um Möglichkeiten, dass die OMV ihre Kontingente aufstocken kann. Sie müssten diese Frage, wie viel mehr Gas tatsächlich als Folge der Ankündi­gungen in den Gesprächen möglich geworden ist, dann direkt an das Unternehmen stellen. Auch da war es wichtig, dass wir als Bundesregierung beim Emir von Katar, der da natürlich einen gewaltigen Einfluss hat, Türöffner für die Geschäftsführung der OMV waren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Also kurz zusammengefasst: Es war für nichts.

Meine Zusatzfrage ist folgende: Wenn man die Gaslieferungen nach Österreich an­schaut und gleichzeitig die Ziele der Bundesregierung damit vergleicht, kommt man zu einer beängstigenden Beobachtung. Frau Bundesministerin Gewessler hat angekündigt, dass es gelingen wird, die Speicher bis zu 80 Prozent zu füllen, weil das notwendig ist. Wenn sie nicht gefüllt werden, werden wir im Winter riesige Probleme bekommen, ins­besondere im Bereich der Industrie, aber auch in anderen Bereichen. Jetzt ist es aber so, dass wir derzeit Lieferungen in der Höhe von circa 200 Gigawattstunden erhalten. Mit diesen 200 Gigawattstunden geht sich das mit den 80 Prozent nie und nimmer aus, man bräuchte ungefähr 350 Gigawattstunden.

Ich weiß, Sie beobachten das – das ist gut, wenn es beobachtet wird –, aber man müsste schon ein bisschen mehr tun als beobachten. Angeblich gibt es – wenn Sie mich darüber informieren, würde es mich freuen – in Norwegen Gas von der OMV, das aber nicht nach Österreich kommt, sondern woandershin exportiert wird. Wäre das eine Möglichkeit, oder was fällt Ihnen sonst noch dazu ein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Auch bei dieser Frage, Herr Abgeordneter, danke ich Ihnen besonders für die Wertschätzung und die Formulierung, weil das zeigt, wie ernst Sie die dramatische Situation in der Energieversorgung nehmen. (Abg. Leicht­fried: So ist es!)

Der Handlungsspielraum der Bundesregierung gliedert sich mehrfach auf. Das eine ist, Türöffner und Brückenbauer für Unternehmen zu sein, die die Unterstützung der Politik brauchen, wie durch die eben beschriebenen Reisen. Das andere ist, dass wir tat­sächlich auch als Republik Österreich Gas einspeichern. Dabei handelt es sich um ein Volumen von 20 Terawattstunden Gas. Damit Sie einen Anhaltspunkt haben: 10 Tera­wattstunden werden in Österreich in einem energieintensiven Monat wie dem Jänner verbraucht, 4,6 Terawattstunden in einem energiearmen Monat. Das heißt, da wird von der Republik, von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, selbst Gas gekauft. Das ist das von Ihnen erwähnte Einspeichern in die Speicher. Darüber hinaus speichern die Unternehmen ein. Die OMV zum Beispiel, die ja viele Kunden in Österreich versorgt, hat einen Füllstand ihrer Speicher von bereits 72 Prozent erreicht, und der steigt weiter.

Die von Ihnen erwähnte Liefermenge ist derzeit durch die Reduktion der Gasdurchfluss­mengen von Ost nach West eine schwankende, sie bewegt sich mittlerweile zwischen 200, 250 und 280. Das heißt, es gibt hier weiterhin eine Füllung der Speicher plus den Aufbau der von Österreich angestrebten strategischen Reserve.


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Sie waren damals als Koalitionspartner von uns, der Volkspartei, in die Liberalisierung und Privatisierung des Energiemarktes voll involviert. Jetzt gerade bieten wir als Repu­blik beim Kauf von Gaskapazitäten – das kann das von Ihnen beschriebene norwegische Gas sein – genauso mit wie auch bei Pipelinekapazitäten, damit wir dieses Gas auch nach Österreich bekommen. Ich weiß, das ist ein komplexer Vorgang, aber es ist wichtig, zu beschreiben, wie viele Aktivitäten gesetzt werden. (Abg. Krainer: Zeit! Herr Präsident, Sie haben eine Glocke!)

Darüber hinaus haben wir auch hier im Hohen Haus das Use-it-or-lose-it-Prinzip be­schlossen. Das heißt, die Gazprom hat einen großen Speicher in Haidach, der derzeit nicht befüllt wird. Wir werden dafür sorgen, dass er befüllt wird, und das ist auch gerade in Umsetzung. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordnete Werner. – Bitte.


Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Im Zusammenhang mit den Energieimporten wird immer wieder Nordafrika genannt, wo es aufgrund der konstant hohen Sonneneinstrahlung extrem große Potenziale für Sonnenenergie gibt. Welche Initiativen oder Ideen für Initiativen oder Partnerschaften wurden da auf Ebene des Eu­ropäisches Rates diskutiert und mit welchem Ergebnis?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es hat einen sehr aufwendigen und intensiven Gipfel der EU-Regierungschefs mit der Afrikanischen Union gegeben. Afrika ist tatsäch­lich in der Frage der Energieproduktion ein Zukunftskontinent. Da geht es vor allem um den sogenannten grünen Wasserstoff, den Sie, glaube ich, auch ansprechen. Da gibt es jetzt auf technischer Ebene viele Gespräche, die von der Kommission mit Ländern geführt werden, die Potenziale haben, diese Produktion vorzunehmen, und natürlich auch eine umfassende Planung der Energieunternehmen, wie man den produzierten Wasserstoff dann nach Europa bringen kann.

Das ergänzt sich zum Teil auch mit afrikanischem Gas. Warum? – Alle Pipelineinves­titionen, die jetzt gemacht werden und zum Teil auch schon gemacht worden sind, wer­den in Zukunft dazu führen, dass wir Wasserstoff auch einspeichern und transportieren können. Das ist ein gemeinsames Projekt. Österreich unterstützt da die Kommission. Ich selbst als Bundeskanzler versuche immer wieder, mit afrikanischen Staaten, erst un­längst auch wieder mit Marokko, in der Frage, welche Möglichkeiten es auch in Nord­afrika gibt, in Kontakt zu treten, um Produktionsmöglichkeiten auszuloten. Dabei geht es um beides: herkömmliches Gas genauso wie die Möglichkeit zur Produktion von grünem Wasserstoff.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Bösch. – Bitte.


09.56.42

Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist die österreichische Neutralität aus verschie­denen Richtungen in Kritik geraten. Wir Freiheitliche halten sie jedoch für ein taugliches Mittel, um in diesem Konflikt nicht nur die Interessen der Republik Österreichs, sondern auch die Interessen des Friedens in Europa voranzutreiben.

Ich stelle Ihnen die Frage in Bezug auf den Begriff Zeitenwende, den Sie im Rahmen eines Interviews verwendet haben:

187/M

„Wie interpretieren Sie den Begriff Zeitenwende in Bezug auf die Beziehung Österreichs zur NATO?“



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Danke für die Frage, Herr Abgeordneter.

Der Begriff stammt ja nicht von mir, sondern ich habe zitiert. Bundeskanzler Olaf Scholz hat ihn das erste Mal in die mediale Diskussion miteingebracht. Ich glaube, er trifft sehr gut, was gerade jetzt passiert, wenn man den Paradigmenwechsel – etwa bei der Bun­desrepublik Deutschland, die bereit ist, jetzt 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung der Bundeswehr zu investieren – betrachtet.

Auf der einen Seite erleben wir, dass sich die Nato tatsächlich erweitert, durch Staaten, die freiwillig der Nato beitreten. Das sind Finnland und Schweden, und das ist tatsächlich außergewöhnlich. Beide Länder haben aber jetzt eine Grenze mit einem Krieg führenden Land und sehen ihre eigene Sicherheit im Nato-Bündnis gewährleistet.

Auf der anderen Seite bedeutet das für Österreich, dass es eine Veränderung auch in der Europäischen Union insgesamt darstellt, weil von den 27 EU-Mitgliedstaaten jetzt nur noch drei neutrale Staaten präsent sind – das ist Österreich, das ist Irland, das ist Malta –, und ein bündnisfreies Land, Zypern, das gerne der Nato beitreten würde, was aber durch den Konflikt mit der Türkei derzeit keine Denkoption darstellt.

Das heißt, unsere Aufgabe als Neutrale innerhalb der Europäischen Union muss jetzt sein, die Interessen, das Potenzial und die Möglichkeiten von neutralen Staaten sichtbar und klar zu machen.

Ich halte die österreichische Neutralität für eine gute Möglichkeit, um Friedensbemühun­gen konstruktiv zu unterstützen. Ich habe gerade erst Präsident Erdoğan getroffen, der ja mit dem Istanbuler Friedensprozess die größten Fortschritte gemacht hat und von sich aus auch die wichtige Rolle Österreichs als keinem Militärbündnis angehörig, aber Mit­glied der Europäischen Union betont und hervorgestrichen hat.

Auf der anderen Seite sind wir Teil der Europäischen Union und somit, wie Sie wissen, auch der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Das heißt, wir sind als vollwerti­ges Mitglied in der Europäischen Union vollumfassend solidarisch, haben über 800 Sol­daten in Friedensmissionen. Ich halte diesen Weg Österreichs für gut und richtig. Das ist das, was ich auch vorher und nachher und immer wieder sagen werde: Wir waren neutral, wir sind neutral und aus meiner Sicht bleiben wir das auch, weil es eine gute Möglichkeit ist, konstruktive Außenpolitik zu betreiben, Sicherheitspolitik zu betreiben und trotz Neutralität auch dann, wenn es darum geht, einen Aggressor zu benennen, der ein anderes Land überfällt, eine Meinung zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.


Abgeordneter Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ): Herr Bundeskanzler, welche Be­mühungen setzen Sie auf EU-Ebene, so wie wir es während unserer gemeinsamen Re­gierungszeit als FPÖ und ÖVP getan haben, nicht nur zur Implementierung eines effi­zienten EU-Außengrenzschutzes – Sie führen dieses Thema immer im Munde –, son­dern auch zum Aufbau einer eigenständigen europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Zum einen ist aus meiner Sicht der Außen­grenzschutz derzeit tatsächlich eine der größten Wunden in der Sicherheitsarchitektur der Europäischen Union, weil er nicht funktioniert. Wir sind Zeugen einer immer stärker werdenden irregulären Migration. Dass wir als Binnenland – nicht Grenzland – davon betroffen sind, zeigt, dass dieser Außengrenzschutz offensichtlich nicht funktioniert.

Österreich hat konkrete Vorschläge eingebracht: schnelle Asylverfahren, schnelle Rück­führungen und eben ein guter, durch Frontex unterstützter Grenzschutz. All das ist aus


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meiner Sicht leider ein noch nicht umgesetztes Versprechen vonseiten der Kommis­sion – auch dafür zu sorgen, dass das möglich ist.

Auf der anderen Seite die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: Das österreichi­sche Bundesheer leistet einen großen Beitrag, indem es hochqualifizierte Offiziere in die Stäbe der jeweiligen Einrichtungen schickt. Wir müssen darauf achten – die Verteidi­gungsministerin hat sich das auch vorgenommen, so wie ihr Vorgänger, der Verteidi­gungsminister unserer damaligen gemeinsamen Koalition –, dass die Interoperabilität weiter ausgebaut wird. Das heißt, dass, wenn Friedensmissionen stattfinden, es selbst­verständlich ist, dass die dort eingesetzten Truppenteile gut miteinander kommunizieren können, Befehlsgebungsabläufe und auch die Frage der Taktik und der operativen Um­setzung harmonisiert sind. (Abg. Bösch: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Ofen­auer. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Schönen guten Mor­gen, Herr Bundeskanzler! Dem österreichischen Bundesheer als der bewaffneten Macht Österreichs obliegt die Verteidigung der Neutralität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln und damit auch die Gewährleistung der Unabhängigkeit Österreichs und der Un­verletzlichkeit des Staatsgebietes. Wie wichtig das ist, haben wir am 24. Februar 2022 gesehen. Dieser Angriffskrieg Putins auf die Ukraine war eine Zeitenwende – wie es bereits angesprochen wurde.

Meine Frage: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die europäische und ins­besondere für die österreichische Sicherheitspolitik?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, Sie setzen sich ja schon seit vielen Jahren für die militärische Landesverteidigung und für die sicherheitspoliti­schen Interessen der Republik Österreich hier im Hohen Haus ein. Zum einen ein großes Danke an die Abgeordneten und Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates für den ein­stimmigen Beschluss, dass die Ausgaben für das österreichische Bundesheer erhöht werden müssen. Das ist notwendig und richtig.

Ich sage das durchaus selbstkritisch. Das österreichische Bundesheer hat über Jahr­zehnte viel zu viele Einsparungen erleiden müssen. Es sind aus meiner Sicht auch die falschen Maßnahmen gesetzt worden. Das heißt, wenn wir jetzt dem Bundesheer einen Investitionsschub geben, dann ist es tatsächlich ein Investitionsschub, der grundsätzlich einmal eine vernünftige Basis schafft, auf der dann aufgebaut werden kann, um rüs­tungstechnisch tatsächlich Fortschritte zu erreichen.

Es ist notwendiger denn je. Der Krieg ist in Wahrheit nicht einmal 500 Kilometer von uns entfernt, wenn man daran denkt, dass Lemberg angegriffen und bombardiert wird. Das heißt, wir haben auch als neutraler Staat, der an sich keinem Militärbündnis angehört, die Verpflichtung, für unsere Selbstverteidigungsfähigkeit zu sorgen. Wir sind dazu in intensiven Gesprächen mit unserem Koalitionspartner. Ich bin zuversichtlich, dass uns eine dementsprechende Vorlage gelingen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte sehr.


10.03.23

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Bundeskanzler, Sie haben es so­eben und vorhin schon angesprochen: Der Krieg in der Ukraine dauert nicht nur an, sondern die Situation spitzt sich weiterhin zu. Präsident Putin sagt neuerdings: Wir haben erst angefangen! – Da Luhansk jetzt weitgehend von russischen Kräften kontrol­liert wird, wird auch die Zivilbevölkerung in Donezk aufgerufen, zu flüchten. Das heißt,


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es ist alles andere als eine entspannte Situation, und auch Friedensverhandlungen zeich­nen sich leider noch immer nicht ab.

Meine Frage wäre, wie ihre gegenwärtige Einschätzung zur Lage, zum Verlauf des wei­teren Angriffskrieges Russlands und natürlich auch hinsichtlich der humanitären Situa­tion ist, die uns auch in Europa enorm tangiert.

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 209/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie lautet aufgrund Ihrer internationalen Kontakte Ihre gegenwärtige Einschätzung über den weiteren Verlauf des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine insbesondere im Hinblick auf die gegenwärtige humanitäre Situation?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ich fange mit dem von Ihnen zuletzt Angespro­chen an. Es ist zutiefst beeindruckend – und auch da eine großes Danke an die Öster­reicherinnen und Österreicher und die Menschen, die in Österreich leben, die dies er­möglichen –, dass über 80 000 Ukrainerinnen, Ukrainer, Kinder in Österreich versorgt und betreut werden können. Das ist eine humanitäre Leistung, die, finde ich, auch Wert ist, erwähnt zu werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Auf der anderen Seite: Ihre Prognose ist leider voll zutreffend. Ich habe damals, wenn Sie sich erinnern können, immer wieder, als der Krieg begonnen hat, auch von der Kriegslogik Putins gesprochen – er ist in seiner vollen Umsetzung angelangt. Während die Angriffsstrategie nicht funktioniert hat, die Regierung durch einen Einmarsch vom Norden in den Süden, von Weißrussland aus, schnell und mit verlustreichen Kämpfen für die Russische Föderation zu stürzen, beginnt die Ostoffensive, die die russische Ar­mee jetzt klassisch strategisch nach sowjetischem Muster führt, durchgeführt zu werden; das heißt: massiver Artilleriebeschuss, heißt: keine Rücksichtnahme auf Zivilisten, und das bedeutet auch jetzt im Kriegsverlauf momentan immer wieder eine Zunahme an Gebietsgewinnen.

Die ukrainische Armee leistet aus meiner Sicht all das, was an Gegenwehr möglich ist. Angesichts der Tatsache, dass es eine Übermacht an Artilleriebeschuss und Raketenbe­schuss gibt, ist das ein mehr als schwieriges Unterfangen. Das heißt, der Krieg wird aus meiner Sicht so lange weitergehen, bis der eine, sprich der Aggressor, der die Invasion führt, sein vorläufiges Kriegsziel erreicht hat.

Die Rhetorik des Krieges ist an sich katastrophal. Wir kommen mit dem Krieg jeden Tag, den er dauert, viel zu nahe an Nato-Grenzstaaten. Wir kommen viel zu nah an die Gefahr eines großen Dritten Weltkrieges, weil die Geschichte einfach zeigt, dass große Kriege meistens nicht geplant begonnen worden sind, sondern mit einem Hineinstolpern, was dann katastrophal geendet hat; siehe gerade auch Erster Weltkrieg. Da hat Österreich viel aus der Geschichte zu berichten.

Das heißt, es geht jetzt darum, dass man weiterhin danach trachtet, Gesprächsebenen offenzuhalten – den Istanbuler Friedensprozess habe ich erwähnt –, gleichzeitig auch europäische Initiativen setzt, den Ukrainern bestmöglich zu helfen, die Regierung zu unterstützen, die Sichtbarkeit der Unabhängigkeit und der Eigenstaatlichkeit der Ukraine bestmöglich zu begleiten.


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Ich tue das, indem ich in regelmäßigem Kontakt mit dem Premierminister der Ukraine bin, natürlich auch mit dem Präsidenten, indem operative Kooperationen mit dem Bot­schafter geschlossen werden. Ich bin auch, wenn es um klare humanitäre Hilfe geht, in direktem Austausch mit dem Bürgermeister von Kiew. Es braucht also diese vielen Maß­nahmen, um bestmöglich Solidarität mit der Ukraine zu zeigen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Eine Zusatzfrage, weil Sie von Nato und Reinstolpern sprechen und auf der anderen Seite mit der Türkei in Kontakt waren: Auch dort besteht eine gewisse Gefahr beziehungsweise gibt es Ankündigungen von erneuten Angriffen, Militäroffensiven. Das ist natürlich im Windschatten des Ukrainekrieges inso­fern gefährlich, als die Welt doppelt herausgefordert ist, wenn man so möchte.

Da würde mich natürlich interessieren, wie Sie diese von der Türkei angekündigte Si­cherheitszone bewerten beziehungsweise ob Sie nicht denken, dass wir in Europa nicht auch gegenüber der Türkei jedenfalls – bei allen notwendigen diplomatischen Beziehun­gen, die wir verfolgen sollten – eine rote Linie ziehen und sagen sollten: Das geht einfach nicht, dass es dort zu erneuten Angriffen kommt! – Danke.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Der Herr Präsident wird mich gleich wieder zur Kürze mahnen – es ist aber eine total komplexe Frage, denn Syrien an sich bezeichnet auch die Komplexität des Raumes. Wenn Sie daran denken: Der Krieg oder die Opera­tionen, die die Türkei gegen die Kurden führt, sind meistens gegen die PKK geführt, die auch als Terrororganisation eingestuft wird. Andere Kurdenverbände unterstützen dabei sogar die Türkei. Das heißt, das ist an sich ein komplexes Thema, verstärkt dadurch, dass auch die Russen in Syrien stehen, und auch die Iraner durch die Unterstützung der Hisbollah und der schiitischen Milizen.

Das heißt, es ist eine ganz giftige Gemengelage mit unterschiedlichsten Interessen, die dort vorherrscht. Warum aber aus meiner Sicht dennoch die Türkei als Verhandlungs­partner für die Ukraine und für die Russen eine wichtige Rolle spielen kann, ist einerseits, weil sie von beiden Seiten akzeptiert wird, und auf der anderen Seite, weil auch die Türkei eine kritische Position gegenüber Russland vertritt, was die Syrienpolitik betrifft – es kam sogar zu einem Abschuss eines russischen Kampfjets. Das heißt, in dieser Pola­rität muss man versuchen, Lösungen zu finden.

Es tut mir leid, dass die Zeit jetzt so kurz ist. Es würde sich lohnen, das zu vertiefen. Gerade in Syrien ist eine ganz, ganz schwierige sicherheitspolitische Situation gegeben, nicht nur für die vor Ort Agierenden, sondern in Wahrheit auch für uns. (Abg. Ernst-Dziedzic: Danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Loa­cker. – Bitte.


10.09.06

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Wir haben jetzt schon mehrere Fragen rund um Putin und rund um Gas von Ihnen beantwortet bekommen. Es besteht, glaube ich, Einigkeit darüber, dass man beim russischen Präsidenten mit allen möglichen Schritten rechnen muss. Das heißt, wir müssen auch einkalkulieren, dass es zu einem totalen Lieferstopp bei Gas kommt.

Meine Frage:

207/M

„Es braucht nach Expertenmeinung massive europäische Koordination im Fall eines Gaslieferstopps: Pipelineflüsse müssen neu ausgerichtet werden, Speicherplatz verteilt


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und koordiniert, LNG Importe in ganz Europa verteilt usw. Was ist diesbezüglich seit Kriegsbeginn auf europäischer und bilateraler Ebene konkret umgesetzt worden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sie haben total recht mit der Feststellung, dass es, wenn es tatsächlich zu einem vollständigen Gaslieferstopp der Russischen Födera­tion käme, um jeden Preis eine transnationale Koordination braucht. Unsere Erfahrun­gen haben aber gezeigt, es gibt das Bekenntnis – es gibt das Bekenntnis der Kommis­sion, es gibt das Bekenntnis der Regierungschefs im EU-Rat. Die große Herausforde­rung wird sein: Beweist es sich dann tatsächlich in der Zeit der Not? – Ich bin etwas vorsichtig mit dieser Einschätzung, weil die Energieplattform derzeit noch nicht sichtbar und spürbar ist, diese aber so wichtig wäre, damit wir Mitgliedstaaten uns nicht gegen­seitig konkurrenzieren, wenn wir derzeit am internationalen Gasmarkt für die jeweiligen Speichermöglichkeiten einkaufen.

Das, was tatsächlich passiert ist, ist: Es hat sich der Import von Flüssiggas gegenüber importiertem Pipelinegas deutlich erhöht. Das heißt, LNG, also Flüssiggas, ist jetzt in einem großen Maße im europäischen System verfügbar. Die weltweiten Exporte nach Europa sind um 75 Prozent gestiegen. Hauptprofiteur dieser Exporte sind natürlich der­zeit die Vereinigten Staaten von Amerika, die große Mengen Flüssiggas Richtung Euro­pa transportieren. Deutschland versucht gerade, ein Manko auszugleichen, auch durch die Umsetzung eines Beschlusses, Liquid-Gas-Terminals zu errichten und daraus dann Pipelinestrukturen aufzubauen, die dieses Gas auch weiter nach Europa ziehen können.

Die große Aufgabe, die Sie zu Recht auch ansprechen, ist, die Infrastruktur an sich jetzt besser auszubauen. Das passiert zum Teil privatwirtschaftlich, weil natürlich auch Ener­gieunternehmen jetzt Interesse daran haben, dass Strukturen verstärkt werden, um Lie­feranforderungen auch gerecht zu werden. Konkretes Beispiel: Das Ölembargo der Europäischen Union gegen die Russische Föderation ist eine große Herausforderung für Tschechien. Der tschechische Premierminister ist mit der Bitte an mich herangetre­ten, dass die TAL-Pipeline – das ist eine Pipeline, die durch Österreich führt und Öl und vor allem auch raffinierte Produkte transportieren kann – weiter ausgebaut wird, damit die Kapazitäten vergrößert werden und dann eben in weiterer Folge der Verlust der rus­sischen Produkte kompensiert werden kann. Das wird gerade von der OMV positiv be­wertet und auch umgesetzt.

Auf der anderen Seite braucht es staatliche Initiativen von unserer Seite aus, im Ener­gieministerium, zur Bewertung dessen, was an Infrastruktur vorhanden ist. Es ist alles privatwirtschaftlich vergeben, der Staat an sich ist nicht klassisch Eigentümer von Pipe­lineinfrastruktur. Notwendig ist aber, dass wir als Republik dort helfen, wo es erforderlich ist, um diese verschiedenen Strukturen jetzt zu erweitern. Was meine ich damit? – Triest ist ein wichtiger Hafen für Österreich, wenn es um LNG geht; der Hafen von Krk ist ein wichtiger Bereich, wenn es um LNG geht.

Da bin ich im Gespräch mit den Premierministern, und genauso die Energieministerin jetzt gerade mit ihren Expertinnen und Experten, bei der Möglichkeitsabwägung und Er­hebung, was tatsächlich an Ausbaukapazitäten sinnvoll und richtig sowie vor allem mög­lich ist, immer mit Blick darauf, dass es gute und wichtige Infrastrukturmaßnahmen im Hinblick auf Wasserstoff sind. Deswegen wird regelmäßig das Krisenkabinett aus Fi­nanzminister, Wirtschafts- und Arbeitsminister und Energieministerin tagen und auch re­gelmäßig und transparent über die fünf Punkte Gasbevorratung, Gasdiversifizierung – das heißt andere Anbieter als Russland –, Infrastrukturprojekte – das heißt Pipelinesta­tus, Pipelineausbau –, die europäische Beschaffung und die Frage der Energielenkung, wenn sie denn überhaupt notwendig wird, informieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.



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Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Bundeskanzler, Sie verweisen auf Ihre Gespräche mit den Premierministern benachbarter Länder und auf die Gespräche der Frau Energieministerin. Wirtschaftskammerpräsident Mahrer sagt, die österreichi­sche Regierung schläft in der Pendeluhr, er erkennt keinen integrierten Plan. Wir wissen, dass der Wirtschaftsminister noch kein Gespräch mit Industrievertretern geführt hat – das hat er mir in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage mitgeteilt.

Wie beurteilen Sie die Kommunikation der Bundesregierung hin zu den Unternehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Also wenn Sie es so beschreiben, wie Sie es mir gerade beschrieben haben, dann besteht Luft nach oben und die Notwendigkeit, diese zu füllen. Das, was ich bestätigen kann, ist, dass ich als Bundeskanzler mit der Industrie regelmäßig Kontakt halte, sei es mit dem Präsidenten der Industriellenver­einigung, aber auch mit Industriebetrieben selbst. Das ist wahrscheinlich der Grund da­für, dass der Wirtschaftsminister jetzt dann in weiterer Folge diesen Terminen auch nach­arbeitet.

Die Kommunikation muss transparent erfolgen, da haben Sie vollkommen recht. Ich leiste meinen Beitrag dazu von der Bundeskanzlerseite aus, die Energieministerin ihren als die in diesem Bereich fachverantwortliche Ministerin – und dort, wo es Themen gibt, die nicht gut genug aufgelöst werden, müssen wir in Zeiten der Krise rechtzeitig auf Feedback reagieren, um die Dinge zu verbessern. Das Bundeskanzleramt bietet sich hier in allen möglichen Bereichen immer auch als Informationsdrehscheibe an.

Und dass der Wirtschaftskammerpräsident da Kritik äußert, ist aus meiner Sicht eine vollkommene Erfüllung dessen, was auch seine Verpflichtung ist, nämlich die Interessen eines Standes zu vertreten – und da ist es üblich, Regierungen grundsätzlich nicht zu loben. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.


Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Bundeskanzler, unser gro­ßes Problem ist die Abhängigkeit von russischem Gas. Wir sehen aber, dass wir ja auch in Österreich enormes Potenzial mit Biomasse, Biogas und Energieträgern, die wir selbst erzeugen können, haben. Wie geht nun die Bundesregierung vor, um diese Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Herr Abgeordneter, es wurde auch hier im Ho­hen Haus ein wichtiges Gesetz – das Gasdiversifizierungsgesetz – beschlossen, mit dem Hintergrund, Unternehmen, die sich von russischem Gas unabhängig machen, da­bei auch budgetär zu unterstützen und finanziell zu begleiten. Derzeit ist der Rahmen jetzt einmal 100 Millionen Euro im Jahr, aber mit Potenzial nach oben, wenn es tatsäch­lich angenommen und verwendet wird.

Das Thema grünes Gas ist aus meiner Sicht ein wichtiges Thema. Es ist eigentlich ein Paradoxon, dass grünes Gas – wir erinnern uns beide daran zurück – als nicht effizient angesehen und das Thema wieder beendet worden ist, und jetzt, wo die Gaskosten so hoch sind, sieht man, dass es wertvoll und richtig wäre, im größeren Ausmaß auf grünes Gas zurückgreifen zu können.

Darüber hinaus haben wir das Use-it-or-lose-it-Prinzip beschlossen. Das heißt – das ist aus dem Energieministerium gekommen –, dass die Energiespeicher, die in Österreich möglich sind, auch tatsächlich genutzt werden und nicht, wie derzeit von Gazprom, liegen gelassen werden. Das steht derzeit gerade an. Das ist der berühmt-berüchtigte


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Speicher in Haidach, der aber deshalb auch strategisch so wichtig für Österreich ist, weil er einerseits Tirol und Vorarlberg zur Not versorgen kann und auf der anderen Seite ein großes Volumen im Umfang von 21 Terawattstunden Speicherkapazität hat.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Graf. – Bitte.


10.16.41

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Auch von meiner Seite: Guten Morgen! Die Teuerung trifft jetzt nicht nur die Haushalte, sondern auch unsere heimischen Betriebe sehr, und vor allem die steigenden Energiekosten sind ein großer Faktor, der uns trifft. Manche Produktionsunternehmen überlegen auch schon, aufgrund der hohen Energiepreise Pro­duktionen zurückzufahren. Meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler:

201/M

„Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um österreichische Unternehmen – vor allem im Hinblick auf die steigenden Energiepreise – zu entlasten?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Frau Abgeordnete, Sie haben ja einen großen Einsatz gezeigt, wenn es darum geht, auf die Problematik der wirtschaftenden Betriebe, die energieintensiv sind, hinzuweisen. Daher haben wir als Bundesregierung aus dem Hohen Haus den Beschluss erhalten, dass wir in der Lage sind, die Elektrizitätsabgabe und die Erdgasabgabe umfassend zu senken. Es ist eine Senkung um 90 Prozent – das ist eine unmittelbare und direkte Entlastung und hat ein Gesamtvolumen von 900 Mil­lionen Euro.

Darüber hinaus erfolgt jetzt, im mittlerweile dritten Maßnahmenpaket, zusätzlich noch eine Entlastung in der Höhe von 1 Milliarde Euro. Da geht es eben vor allem um die Frage der Strompreiskompensation und auch darum, energieintensiven Unternehmen, die einfach nicht umsteigen können, sondern auf jetzt leider sehr teure Ressourcen an­gewiesen sind, direkt zu helfen.

Was aus meiner Sicht als Maßnahme für den Herbst auch wichtig ist, weil jetzt ja die Sozialpartner mit ihren Lohnverhandlungen beginnen, ist, dass wir als Bundesregierung diesen Prozess so gut wie möglich begleiten, damit einerseits Unternehmerinnen und Unternehmer weiter wirtschaften können und Arbeitsplätze bestehen bleiben und ande­rerseits Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich auch von dem leben können, was sie verdienen. Wir haben jetzt eine steuer- und abgabenfreie Prämie in der Höhe von 3 000 Euro „den Unternehmern“ – unter Anführungszeichen – so zur Verfügung ge­stellt, dass sie in den Verhandlungen einsetzbar ist. Diese 3 000-Euro-Mitarbeiterprämie, die vom Unternehmen geleistet wird, ist auch für den Unternehmer abgabenbefreit.

Wir versuchen also eine Paketlösung. Sie sind dafür eine wesentliche Verhandlerin. Danke für Ihren Einsatz!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sie haben es angesprochen, im Herbst beginnen die Lohnverhandlungen. Ein wesentliches Thema sind natürlich auch die Lohnnebenkosten für die Betriebe.

Wie gestaltet sich die Senkung der Lohnnebenkosten in Ihrem Entlastungspaket im De­tail?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das ist tatsächlich immer ein sensibles Thema, weil komplex in der Umsetzung – daran sind ja viele Folgethemen geknüpft. Um 0,3 Pro­zent sind die Lohnnebenkosten gesenkt worden. Das klingt am Anfang wenig, bedeutet


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aber 450 Millionen Euro im Jahr an Lohnnebenkostensenkung. Das wurde dadurch er­reicht, dass einerseits der Unfallversicherungsbeitrag um 0,1 Prozent gesenkt worden ist und andererseits der Beitrag zum Flaf, also zum Familienlastenausgleichsfonds, um 0,2 Prozent auf 3,7 Prozent.

Die Finanzierung der Institutionen ist weiter sichergestellt – das ist wichtig, das ist auch wichtig für die Unfallversicherung –, und das heißt – das ist das, was ich gemeint habe ‑, all diese Maßnahmen im Bereich der Lohnnebenkostensenkung klingen zwar leicht in der Forderung, sind aber dann höchst komplex in der Umsetzung, weil eben auch viele Folgeleistungen davon betroffen sein können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Herr. – Bitte.


10.19.58

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Auch meine Frage dreht sich um Umfragen. Durch die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wissen wir ja, dass im ÖVP-geführten Finanzministe­rium das Beinschab-Tool zur Anwendung gekommen ist, dass also mit Steuergeld Um­fragen beauftragt wurden, die dann später von der ÖVP parteipolitisch genutzt wurden.

Im Rahmen des Untersuchungsausschusses sind wir jetzt auf viele andere Umfragen gestoßen, die ebenfalls diesen Anschein erwecken, auch in anderen ÖVP-geführten Mi­nisterien – Verteidigungsministerium, Wirtschaftsministerium, Landwirtschaftsministeri­um et cetera –, weil da Umfragen in Auftrag gegeben wurden, in denen Beliebtheitswerte abgefragt wurden, die Oppositionsarbeit abgefragt wurde, auch die Sonntagsfrage – al­so: wen würden Sie wählen? – gestellt wurde. Uns ist aufgefallen, dass das eben immer bei gewissen Unternehmen passiert ist. Deshalb meine Frage:

205/M

„Welche Umfrageergebnisse standen Ihnen und Ihrem Kabinett bzw. Ihren Amtsvorgän­gern und deren Kabinetten von Sabine Beinschab, Franz Sommer oder Paul Unterhuber bzw. deren Unternehmen zur Verfügung?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Vielen Dank für Ihre Frage, Frau Abgeordnete. Grundsätzlich stehen und standen uns dieselben Umfragen zur Verfügung, die auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Dies wurde auch in der Beantwortung einer parla­mentarischen Anfrage behandelt, ich habe auch die Nummer dieser, nämlich 9875/AB, notiert: „In meinem Vollziehungsbereich gab es keine Aufträge“ oder Verträge mit der von Ihnen genannten Person.

Ich würde Sie nur ersuchen, mit Vorverurteilung, Wertung und Zusammenhangherstel­lung vorsichtig umzugehen. Es gibt jetzt mittlerweile Berichte darüber, dass auch gegen SPÖ-geführte Ministerien ermittelt wird. Das heißt, Sie können sehen, dass man sehr schnell von Anschuldigungen betroffen sein kann. Entscheidend ist, dass diese von den Behörden, die dafür zuständig sind, aufgeklärt werden. Und wir reden immer von einem Mitarbeiter des Finanzministeriums, der diese Maßnahmen gesetzt hat, nicht von der ÖVP. (Zwischenruf des Abg. Zanger.) Ich finde, es ist auch angemessen, als demokra­tische Teilnehmer an diesem Diskurs diese Differenzierung vorzunehmen und nicht eine Partei als Gesamtes in ein schiefes Licht zu rücken. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Litschauer.)

Dasselbe, was ich vorhin erwähnt habe, trifft auch auf Franz Sommer und auch auf Paul Unterhuber sowie die ihnen zuordenbaren Unternehmen Meinungsforschung und Re­search GmbH beziehungsweise Demox Research zu.



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? (Abg. Herr: Ja, gerne!) – Bitte.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Das waren ja in diesem Sinn wirklich keine Unterstellungen von mir (Rufe bei der ÖVP: Ja, ja!), sondern all das ist ja in sämtlichen Berichten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nachzulesen (Beifall bei der SPÖ), um das an dieser Stelle anzumerken. Und die konkrete Frage, die wir klären wollen, ist ja, ob diese Umfragen, die mit Steuergeld beauftragt wurden, eben in die Hände der ÖVP gelangt sind.

Deshalb auch meine Nachfrage: Können Sie garantieren, dass Umfragen, die mit dem Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger in Auftrag gegeben wurden, nicht bei der ÖVP gelandet sind beziehungsweise dort verwendet wurden, und ganz konkret auch, ob die Umfragen, die Sie als Generalsekretär präsentiert haben – das waren zahlreiche, auch bei Regierungsklausuren –, mit Sicherheit nicht durch Steuermittel bezahlt wurden? (Beifall bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Ich habe jetzt auch schon in die Richtung der SPÖ geschaut: Kai Jan Krainer hat mir diese Frage schon im Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht gestellt. Ich beziehe mich auf die Aussagen, Sie können sie im Protokoll nachlesen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Aber da haben Sie ja gesagt, Sie können es nicht sagen, der Axel war es!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordnete Smodics-Neumann. – Bitte. (Abg. Krainer – die Hand hebend und sich zum Mikrofon in den Sitz­reihen der SPÖ begebend –: Zur Geschäftsbehandlung!)


10.23.38

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident, gestatten Sie mir bitte, dass ich, bevor ich meine Frage stelle, einige Sekunden dazu nutze, mich zu be­danken. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihrem Regierungsteam dafür, dass Sie rund um die Uhr in den verschiedensten Krisen, die es in den letzten zwei Jahren gab, für die Österreicherinnen und Österreicher gearbeitet haben (Abg. Lausch: Wieso? Tritt der Kanzler zurück?), und ich möchte mich auch dafür bedanken (Beifall bei der ÖVP), dass Sie sich trotz – und davon konnten wir uns in den letzten zwei Tagen durchaus überzeugen – des manchmal an Höflichkeit und Respekt mangelnden Tons nicht abbringen lassen und trotzdem die wichtigen und richtigen Entscheidungen für die Menschen in Österreich treffen (Zwischenrufe bei der SPÖ) – eine davon ist die Abschaffung der kalten Progression.

Herr Bundeskanzler, warum sind Sie der Meinung, dass es gerade jetzt in der Krisenzeit so wichtig ist, die kalte Progression abzuschaffen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 202/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum ist die Abschaffung der kalten Progression per 1. Jänner 2023 gerade jetzt für die österreichische Bevölkerung so wichtig?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Wir haben ja bereits gesagt, dass wir uns in der Frage der Entlastung der Menschen auch mit den Wirtschaftsforschern intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, was das neben der ökosozialen Steuerreform, der


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Senkung der Tarifstufen – das ist ja jetzt bereits umgesetzt, von 35 auf 30 Prozent bei der Lohnsteuer und spürbar für die Menschen – für die Zukunft bedeutet. Ein lang geheg­ter Vorwurf gerade in Österreich war, dass wir zwar viele Steuerreformen umgesetzt haben, die aber nichts anderes sind als das Zurückgeben des Geldes, das den Men­schen durch schleichende Steuererhöhung über die Jahre genommen worden ist. Wir haben uns daher dazu entschlossen, die schleichende Steuererhöhung abzuschaffen, und zwar zu 100 Prozent, diese Abschaffung aber so zu gestalten, dass es bei einem Drittel dessen, was auf jeden Fall den Menschen zurückgegeben werden muss, ein poli­tischer Entscheidungsprozess ist, das heißt, dass da noch einmal Nachschau gehalten werden muss und kann: Kann man das Geld gezielt einsetzen, um sozial schwachen Gruppen, Menschen mit geringem Einkommen et cetera auch tatsächlich zu helfen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Das hat sich erübrigt, Herr Prä­sident, der Herr Bundeskanzler hat die Frage wirklich ausreichend beantwortet. (Beifall bei der ÖVP. Rufe bei der SPÖ: Mah! Heiterkeit des Abg. Zanger.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Sie haben diese Frage, warum es so wichtig ist, die kalte Progression abzuschaffen, jetzt sehr eindrücklich beantwortet. Die Frage war ja: Warum gerade jetzt?

Warum wird dann diese legistische Maßnahme erst mit Wirkung ab 1.1.2023 und nicht schon für das laufende Fiskaljahr, ab 1.1.2022, umgesetzt, wenn die Maßnahme von Ihnen als so richtig und so wichtig erkannt wird, und warum bleibt doch ein Drittel zum Verteilen beim Fiskus? Da könnte man ja hergehen und sagen: Wir haben ja jetzt auch schon keine kalte Progression, jetzt sind es halt 100 Prozent, die der Fiskus praktisch verteilt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.


Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Das eine ist, dass wir uns ja eine Selbstbe­schränkung auferlegt haben, dass dieses Drittel, von dem Sie jetzt gesprochen haben, auf jeden Fall zurückgegeben werden muss. Deswegen kann man sagen, dass 100 Pro­zent tatsächlich abgeschafft worden sind. Wichtig ist aber schon, dass man – wer auch immer dann später regieren wird – die Möglichkeit hat, sozialpolitisch, ordnungspolitisch einzugreifen und zu reagieren. Das war der Hintergedanke.

Und zum anderen: Wir leben gerade jetzt auch in einem Krisenjahr. Wir haben diese große Reformmaßnahme, die aus meiner Sicht wirklich eine Strukturänderung bedeutet, deshalb für nächstes Jahr beschlossen, weil wir dieses Jahr schon – massiv budgetbe­lastend, aber eben auch verteilungspolitisch – Entlastungsmaßnahmen setzen. (Abg. Margreiter: Vielen Dank! – Ruf bei der SPÖ: Zur Geschäftsordnung, Herr Präsident! Abg. Krainer: ...! Ich habe mich schon vor Langem gemeldet! Sie müssen mich unver­züglich drannehmen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wo steht das? (Abg. Krainer: In der Geschäftsord­nung!) – Unverzüglich steht so nicht in der Geschäftsordnung.

Die Fragestunde ist beendet, da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind. Ich danke dem Herrn Bundeskanzler. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt gelangen Sie zur Geschäftsbehandlung zu Wort. – Bitte sehr.

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 46

10.27.51

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Der Herr Bundeskanzler hat soeben in der Fragestunde Fragen nicht beantwortet (Abg. Wö­ginger: Das ist eine Frechheit!), sondern auf frühere Fragestellungen und frühere Be­antwortungen verwiesen. Unter anderem hat er bei der Frage, ob er ausschließen könne, dass von Steuerzahlern bezahlte Umfragen bei der ÖVP gelandet sind, gesagt, er hätte das ohnehin im Untersuchungsausschuss beantwortet.

Erstens einmal für alle, die nicht dort waren: Er hat dort gesagt, er könne diese Frage nicht beantworten, weil er nicht dafür zuständig war, man solle den Axel fragen. – Als Präsident des Nationalrates (Zwischenrufe bei der ÖVP) und als Vorsitzführender im Plenum wäre es Ihre Aufgabe, den Bundeskanzler bitte darauf hinzuweisen, dass er hier Fragen zu beantworten hat, denn sonst ist eine Fragestunde eine Farce. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch. Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Wöginger, zur Geschäftsbehand­lung. – Bitte.


10.28.49

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident, es ist dringend notwendig, dass wir in der nächsten Präsidialkonferenz (Ruf bei der SPÖ: Jeden Tag! Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ) über das Verhalten der SPÖ reden, weil ständig die Geschäftsordnung missbraucht wird – gestern zigmal mit tatsächlichen Berichtigungen, die keine waren, einfach um sich mit Wortmeldungen während der De­batte hineinzudrängen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Der Bundeskanzler hat hier jetzt eineinhalb Stunden lang geantwortet. Das ist eine der ausführlichsten Fragestunden, die wir jemals hatten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat professionell geantwortet (Beifall bei der ÖVP), er hat uns einen Überblick gegeben, was sich in der Republik tut – und die SPÖ missbraucht in Permanenz unsere Geschäftsord­nung. Das geht so nicht! Ich verlange eine Aussprache bei der nächsten Präsidialkonfe­renz! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

10.29

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbe­handlung? – Das ist nicht der Fall.

10.29.48Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 11692/J bis 11759/J

2. Anfragebeantwortung: 10670/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 47

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition betreffend "SPRITPREISBREMSE – DIESEL UND BENZIN MÜSSEN BEZAHL­BAR BLEIBEN!", überreicht von den Abgeordneten Christian Ries, Erwin Angerer und Mag. Christian Ragger (95/PET)

Petition betreffend "Gerechtigkeit und Fairness für die Pendler*innen – Bevölkerung im ländlichen Bereich!", überreicht vom Abgeordneten Maximilian Lercher (96/PET)

Petition betreffend "LKW-Mautflucht beenden – StVO reformieren!", überreicht von den Abgeordneten Maximilian Lercher und Mario Lindner (97/PET)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Familie und Jugend:

Antrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Güte­siegel für Kinder- und Jugendbetreuung (2712/A(E))

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Zahnärztegesetz und das Zahnärztekammergesetz geän­dert werden (1657 d.B.)

Antrag der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Musiktherapie in Krankenhäusern und Gesundheits­einrichtungen (2714/A(E))

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Antrag der Abgeordneten Peter Weidinger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend der "Rechtssicherheit bei der Kreditvergabe an ältere Menschen" (2713/A(E))

Verfassungsausschuss:

Antrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsstrafgesetzes 1991 geändert wird (2710/A)

Antrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend volle Funktionsfähigkeit für die Republik bedeutsamer ausgegliederter staatlicher Ein­richtungen (wie z.B. die AGES, die Statistik Austria oder die Bundesmuseen) erhalten (2711/A(E))

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Verkehrsausschuss:

Verkehrstelematikbericht 2022, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-695 d.B.)

*****

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Um die Punkte 31 und 32 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung erfor­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzusehen.

Bei den Punkten 31 und 32 handelt es sich um den Bericht des Verfassungsausschus­ses über den Antrag 2683/A der Abgeordneten Gerstl, Prammer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Bundesministeriengesetz-Novelle 2022 in 1659 der Beilagen sowie um


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 48

den Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vorschlags für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft in 1658 der Beilagen.

Ich bitte die Damen und Herren, die der Abstandnahme von der 24-stündigen Auflie­gefrist für diese Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 6 bis 16 sowie 24 und 25 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen Einwände? – Das ist nicht der Fall. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Na dann muss man sich irgendwie rühren. Hat Kollege Zarits einen Einwand? – Nein. (Allge­meine Heiterkeit.)

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, die wie gestern auf die einzelnen Frak­tionen wie folgt aufgeteilt wird: ÖVP 185 Minuten, SPÖ 128 Minuten, FPÖ 105 Minuten, Grüne 95 Minuten und NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 38 Minuten. Die Re­dezeit pro Debatte wird mit 5 Minuten beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.32.081. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienst­rechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienst­rechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2022) (1576 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 1. Punkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. Bei ihr steht das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


10.32.34

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanz­ler! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hätte eine sogenannte Frühjahrs-Dienstrechts­novelle sein sollen. Die Bundesregierung hatte genug Zeit und der Termin für den Ver­fassungsausschuss stand schon lange fest. Aber statt einer Dienstrechtsnovelle, die Sie einfach nicht geschafft haben, gibt es einen Selbständigen Antrag – so viel dazu, wie viel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 49

Wertschätzung Tausenden Menschen in diesem Land, die im öffentlichen Dienst arbeiten, beigemessen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Dabei wäre eine Weiterentwicklung des Dienstrechts für Beamtinnen und Beamte und für Vertragsbedienstete sehr wichtig und dringend. Ich habe an dieser Stelle mehrmals betont, wie sehr es von Vorteil wäre, den öffentlichen Dienst attraktiver zu gestalten, denn nicht zuletzt durch die Coronapandemie haben wir gesehen, wie wichtig es ist, dass die Bevölkerung sich auf eine funktionierende Verwaltung verlassen kann.

Wir stehen einerseits im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft und andererseits befinden wir uns inmitten großer Pensionierungswellen im öffentlichen Dienst. Letzteres bedeutet großen Verlust von Expertise. Es wäre angebracht und notwendig, Herr Vizekanzler, sich zeitgerecht darauf vorzubereiten. Das passierte aber nicht, und alle Warnungen diesbezüglich wurden und werden von der Bundesregierung in den Wind geschlagen. Zugegeben, es ist in erster Linie Ihr Regierungspartner, der gesagt hat: Weniger Staat, mehr Privat!, und das 30 Jahre lang, sodass wir jetzt vor der Situation stehen, dass die Verwaltung und der Ablauf bei Gerichten, bei der Finanzverwaltung, beim AMS, bei der Polizei wirklich gefährdet sind. (Abg. Michael Hammer: Das ist ein Blödsinn!) – Das ist kein Blödsinn! (Abg. Michael Hammer: Na sicher ist das ein Blödsinn!) – Herr Kollege, das ist Realität, und Sie sollten das ernster nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch. – Abg. Michael Hammer: Ja, in der SPÖ vielleicht, in Ihrer Partei!)

Es tritt zutage, dass vorausschauendes Denken und Handeln nicht zu den Eigenschaften der ÖVP (Abg. Michael Hammer: In Wien!) und auch nicht der Grünen zählen. (Abg. Michael Hammer: In Wien!) Der Antrag von ÖVP und Grünen, über den wir heute disku­tieren, war zunächst eine sogenannte Trägerrakete. Das bedeutet, es wurde einfach for­mal etwas eingebracht, aber mit keinem Inhalt, so gut wie keinem Inhalt! So ernst neh­men Sie den Parlamentarismus, so ernst nehmen Sie den öffentlichen Dienst! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Dann haben Sie im Verfassungsausschuss lediglich einige Bestimmungen zum Lehre­rInnendienstrecht vorgelegt. Und nicht genug, dass es nur den Bereich der LehrerInnen betraf, der für die Bildung in diesem Land so wichtig wäre, haben Sie das auch noch fehlerhaft gemacht. Meine Kollegin, Frau Abgeordnete Vorderwinkler, hat Sie gestern auf diesen Fehler aufmerksam machen müssen, damit Sie das berücksichtigen, dass es nicht schon wieder ein Pfusch wird. Heute, anstatt dass Sie sich wirklich bemühen, das gut vorzubereiten, haben Sie wieder einen gesamtändernden Abänderungsantrag einge­bracht.

Also es herrscht Stillstand im Hinblick auf die Weiterentwicklung des gesamten Dienst­rechts (Abg. Michael Hammer: Bei euch!), und das können wir im Sinne aller öffentlich Bediensteten einfach nicht hinnehmen! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Herr Vizekanzler, Sie sind dringend gefordert, mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, damit die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffent­lich Bediensteten gestärkt und gefördert werden.

Ich bringe daher – und das ist eine echte Chance – Forderungen des öffentlichen Diens­tes in Form eines Antrages ein, und Sie haben die Chance, diesen Antrag heute anzu­nehmen; es sind eins zu eins Forderungen der Gewerkschafterinnen und Gewerk­schafter im öffentlichen Dienst:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 50

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, um noch im September dieses Jahres eine weitere Novelle zum Dienstrecht vorzulegen, mit wel­cher die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffentlich Bediensteten gestärkt und gefördert werden. Dabei sollen jedenfalls folgende Themen verhandelt werden:

- Rechtsanspruch auf zwei Tage Telearbeit pro Woche bei Eignung des Arbeitsplatzes“ – Wir wissen, es geht nicht in jedem Fall.

„- Stärkung der Unabhängigkeit und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und Be­schränkung des politischen Einflusses auf den öffentlichen Dienst durch Wiedereinfüh­rung der Pragmatisierungen ohne besoldungsrechtliche Verluste

- Adaptierung der Reisegebühren-Vorschrift, wonach die Reisezeit als Dienstzeit defi­niert wird

- Einführung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst in Kombination mit der Schaffung der Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Dauer der Ausbildung eines jungen Mitarbei­ters“ – einer jungen Mitarbeiterin – „doppelt zu besetzen (mit dieser Maßnahme könnte dem drohenden Wissensverlust aufgrund der vielen Pensionierungen, die in nächster Zeit anstehen, entgegengewirkt werden)

- Gleichstellung von Vertragsbediensteten mit Beamten“ und Beamtinnen „bei der Ver­jährung einer Belehrung bzw. Ermahnung“

*****

Ich fordere Sie inständig auf: Beenden Sie endlich den Stillstand und arbeiten Sie an einer Dienstrechtsnovelle, die Verbesserungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bringt! Wir brauchen sie mehr denn je, das hat sich gerade in den Jahren der Pandemie und der Krise gezeigt.

An dieser Stelle bedanke ich mich abschließend für das Engagement der Frauen und Männer im öffentlichen Dienst – danke dafür!

Hoffentlich werden Sie einsichtig und stimmen diesem Antrag und den Forderungen der GewerkschafterInnen zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

10.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim,

Genossinnen und Genossen

betreffend Stillstand in der Weiterentwicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrperso­nen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2022) (1576 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 51

Der zugrundeliegende Antrag der Abgeordneten Mag. Hammer und Mag. Blimlinger war zunächst lediglich eine Trägerrakete. Überraschend war, dass der gesamtändernde Ab­änderungsantrag, der von den Regierungsfraktionen im Verfassungsausschuss am 22. Juni eingebracht wurde, lediglich Bestimmungen über das Lehrer*innen-Dienstrecht beinhal­tet hat. Gewöhnlicher Weise dient die Frühjahrs-Dienstrechts-Novelle der Weiterentwick­lung des gesamten Dienstrechts. Doch – wie auch in vielen anderen Bereichen – dürfte nun auch im Bereich Dienstrecht Stillstand in dieser Bundesregierung eingetreten sein.

Dies kann jedoch im Interesse aller öffentlich Bediensteten nicht hingenommen werden. Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, umgehend mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst in Verhandlungen zu treten, um noch im September dieses Jahres eine weitere Novelle zum Dienstrecht vorzulegen, mit wel­cher die Interessen und die Arbeitsbedingungen der öffentlich Bediensteten gestärkt und gefördert werden. Dabei sollen jedenfalls folgende Themen verhandelt werden:

-       Rechtsanspruch auf zwei Tage Telearbeit pro Woche bei Eignung des Arbeits­platzes

-       Stärkung der Unabhängigkeit und der Attraktivität des öffentlichen Dienstes und Be­schränkung des politischen Einflusses auf den öffentlichen Dienst durch Wiederein­führung der Pragmatisierungen ohne besoldungsrechtliche Verluste

-       Adaptierung der Reisegebühren-Vorschrift, wonach die Reisezeit als Dienstzeit de­finiert wird

-       Einführung der Altersteilzeit im öffentlichen Dienst in Kombination mit der Schaffung der Möglichkeit, einen Arbeitsplatz für die Dauer der Ausbildung eines jungen Mitar­beiters doppelt zu besetzen (mit dieser Maßnahme könnte dem drohenden Wis­sensverlust aufgrund der vielen Pensionierungen, die in nächster Zeit anstehen, ent­gegengewirkt werden)

-       Gleichstellung von Vertragsbediensteten mit Beamten bei der Verjährung einer Be­lehrung bzw. Ermahnung

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ha­mann. – Bitte sehr.


10.38.34

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Schönen guten Tag! Lieber Herr Präsi­dent! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Ich denke, so eine Dienstrechtsnovelle ist eine schwere Geburt, vermutlich nicht nur diesmal, sondern normalerweise, da sind viele Akteure, viele Interessengruppen beteiligt. Wir bringen heute auf jeden Fall jenen Teil dieser Dienstrechtsnovelle ein, der für die Schulen und deren ordentlichen Betrieb besonders dringlich ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 52

Dienstrecht, das klingt nach einer abstrakten Sache, hat aber ganz konkrete, lebendige Auswirkungen im Alltag, und ich möchte das anhand von zwei der wichtigsten Punkte aus diesem Paket erklären.

Das erste Thema, das sich darin findet, ist die Sommerschule. Die findet ja jetzt schon zum dritten Mal statt, wird jedes Jahr professioneller, wird immer selbstverständlicher und bekommt mit diesem Antrag auch einen attraktiven dienstrechtlichen Rahmen. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kurz die Details dazu: Die Leitung wird je nach Größe des Standortes abgegolten. Ich bin sicher, da werden sich Menschen finden, die das besonders gerne und besonders gut machen, quasi die Organisation der Sommerschule als ihr Baby begreifen und das jeden Sommer routinemäßig übernehmen werden. Die PädagogInnen kriegen mit 50 Euro pro Stunde einen einheitlichen Stundensatz – das ist für junge KollegInnen besonders attraktiv –, alternativ gibt es auch die Möglichkeit, im kommenden Schuljahr eine Stunde weniger Lehrverpflichtung zu übernehmen, auch das ist eine interessante Alternative.

Die Studierenden – sie werden ja nicht nur durch eine begleitende Lehrveranstaltung auf die Sommerschule vorbereitet und begleitet – können dort eigenverantwortlich unterrich­ten. Sie kriegen zusätzlich auch noch 30 Euro pro Stunde, und das ist wirklich ein gutes Angebot, das das zu einem sinnstiftenden und attraktiven Sommerjob macht. Ich danke allen, die dieses Angebot annehmen und hoffentlich heuer im Sommer dabei viel Freude haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweiter Punkt: der Quereinstieg in die Schule. Dieser soll mit diesem Antrag wesentlich erleichtert werden, was nicht heißt – ich möchte das ausdrücklich sagen –, dass man professionelle Pädagogen und Pädagoginnen gering schätzt. Ich bin dennoch der festen Überzeugung, dass Vielfalt Schulen grundsätzlich guttut – eine Vielfalt von Ausbildun­gen, von beruflichen Erfahrungen, von Lebenswegen auch außerhalb der Schule. Das bringt neue Debatten ins Lehrerzimmer, das bringt neue Perspektiven in die Klassen, das erweitert den Horizont, und ich glaube, das tut dem Lernen insgesamt gut.

Bisher mussten quereinsteigende Personen im Schulbetrieb Sonderverträge und Ab­schläge hinnehmen. Das hat viele vermutlich davon abgehalten – das war schade. Jetzt werden sie PädagogInnen gleichgestellt und machen berufsbegleitend einen auf sie zu­geschnittenen Lehrgang. Hoffentlich ermuntert das noch viel mehr Menschen, diesen Weg einzuschlagen. Ihnen allen sage ich: Herzlich willkommen in der Schule im Herbst! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bringe jetzt noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Michael Ham­mer, Mag.a Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfassungsaus­schusses über den Antrag 2658/A betreffend ein Bundesgesetz, das ich hier mit Dienst­rechts-Novelle 2022 abkürze – ich hoffe, ich darf das –, 1576 der Beilagen, ein.

Der Antrag liegt schriftlich vor und wird verteilt.

Dieser Abänderungsantrag enthält einige Präzisierungen zur Entlohnung von Lehrperso­nal, insbesondere was die Anrechnung von Studienzeiten betrifft, sowie einen weiteren Punkt, der mir persönlich ganz besonders wichtig ist: Bei der Bestellung von Schulleitun­gen gibt es künftig mehr Flexibilität, zum Beispiel kann eine Sonderpädagogin künftig auch eine Volks- oder eine Mittelschule leiten. – Ich möchte auf diesem Weg herzliche Grüße an alle richten, die auf diese Bestimmung schon sehnlichst warten. Ich versichere Ihnen, wir brauchen Sie dringend, mit all Ihrer Expertise und Ihrem Engagement.

*****

Damit wünsche ich schöne Ferien! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.43


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag.ª Eva Blimlinger

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertrags­lehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrperso­nengesetz geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2022) (1576 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In Art. 2 werden anstelle der bisherigen Z 1 folgende Z 1 bis 8 eingefügt:

„1. In § 12a Abs. 4 wird die Wortfolge „der Beurteilung der letzten Prüfung, Lehrveranstal­tung oder wissenschaftlichen Arbeit des Studiums“ durch die Wortfolge „des Ablaufs der Regelstudiendauer gemäß Abs. 4a“ ersetzt und nach Abs. 4 folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Die Regelstudiendauer gemäß Abs. 4 beträgt bei Studien, denen nach den jeweils geltenden studienrechtlichen Vorschriften ECTS-Anrechnungspunkte zugeordnet sind, je sechs Monate (ein Semester) für 30 ECTS-Anrechnungspunkte an zu erbringender Studienleistung, mindestens jedoch

1.    vier Jahre (240 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Diplomstudien,

2.    drei Jahre (180 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Bachelor-Studien,

3.    eineinhalb Jahre (90 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Master-Studien für das Lehr­amt Sekundarstufe (Allgemeinbildung),

4.    ein Jahr (60 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Master-Studien für das Lehramt Primar­stufe und für das Lehramt Sekundarstufe (Berufsbildung) und

5.    zwei Jahre (120 ECTS-Anrechnungspunkte) bei sonstigen Master-Studien.

Bei sonstigen Studien bestimmt sich die Regelstudiendauer nach den jeweils geltenden studienrechtlichen Vorschriften. Wurde das Studium vor Ablauf der Regelstudiendauer durch positive Beurteilung der letzten zu erbringenden Studienleistung abgeschlossen und wurden dabei von der Hochschule keine vor Studienbeginn erbrachten Leistungen als Ersatz für Studienleistungen anerkannt, so ist statt dem Ablauf der Regelstudien­dauer der Tag der Beurteilung der letzten Prüfung, Lehrveranstaltung oder wissenschaft­lichen Arbeit des Studiums maßgebend.“

2. In § 12e Abs. 4 werden nach dem Zitat „§ 59b“ ein Beistrich sowie das Zitat „§ 59c“ eingefügt.

3. § 13e Abs. 2 lautet:

„(2) Die Urlaubsersatzleistung gebührt für jene Teile des Erholungsurlaubes nicht, die die Beamtin oder der Beamte trotz rechtzeitigem, unmissverständlichem und nachweisli­chem Hinwirken entsprechend dem § 45 Abs. 1a BDG 1979 durch ihre oder seine Vor­gesetzte bzw. ihren oder seinen Vorgesetzten nicht verbraucht hat, es sei denn der Verbrauch war wegen einer Dienstverhinderung durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen unmöglich.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 54

4. In § 13e Abs. 10 Z 2 wird das Zitat „Abs. 2 Z 1 und 2“ durch das Zitat „Abs. 2 Z 1 bis 3 in der Fassung der 2. Dienstrechts-Novelle 2016, BGBl. I Nr. 119/2016,“ ersetzt.

5. In § 15a Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„Dies gilt nicht während einer Wiedereingliederungsteilzeit nach § 50f BDG 1979, die in Folge eines Dienstunfalles oder einer akuten psychischen Belastungsreaktion im Zu­sammenhang mit einem außergewöhnlichen Ereignis im Zuge der Dienstausübung ge­währt wurde. In diesen Fällen gebühren die sonstigen pauschalierten Nebengebühren in ungekürzter Höhe.“

6. In § 34 Abs. 1 entfällt nach der Wortfolge „nächsthöheren Verwendungsgruppe“ die Wortfolge „des Allgemeinen Verwaltungsdienstes“.

7. In § 59a Abs. 4 Z 4 wird die Wortfolge „die an Mittelschulen,,“ durch die Wortfolge „die an Mittelschulen,“ ersetzt.

8. Dem § 59b Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:

„Für die an Polytechnischen Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zusätzlich eingesetzten Lehrpersonen gilt Z 1 mit folgender Maßgabe: Die Zulage gemäß lit. a gebührt auch dann, wenn sie in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathematik bzw. Lebende Fremdsprache insgesamt mindestens drei Wochenstunden unterrichten; die Zulage gemäß lit. b gebührt auch dann, wenn sie in den genannten Gegenständen min­destens insgesamt sechs Wochenstunden unterrichten.““

2. In Art. 2 erhält die bisherige Z 1a die Bezeichnung „9“.

3. In Art. 2 wird nach Z 9 folgende Z 10 eingefügt:

„10. In § 92 Abs. 1 entfällt nach der Wortfolge „nächsthöheren Verwendungsgruppe“ die Wortfolge „des militärischen Dienstes“.“

4. In Art. 2 erhält die bisherige Z 1b die Bezeichnung „11“.

5. In Art. 2 werden nach Z 11 folgende Z 12 und 13 eingefügt:

„12. In § 169f wird nach Abs. 6a folgender Abs. 6b eingefügt:

„(6b) Gemeinsam mit der Feststellung nach Abs. 4 oder 5 ist auch das Datum bescheid­mäßig festzustellen, ab dem ein allfälliger Anspruch auf Nachzahlung von Bezügen, der sich aus der rückwirkenden Anwendung von Abs. 6 ergibt, nicht verjährt ist.“

13. In § 175 Abs. 102 Z 5 wird die Wortfolge „deren Dienstverhältnis nach dem 31. De­zember 2020 begründet wird“ durch die Wortfolge „deren anrechenbare Vordienstzeiten erstmalig oder erneut festzustellen sind und die nicht nach § 169c Abs. 1 übergeleitet wurden“ ersetzt.“

6. In Art. 2 erhält die bisherige Z 2 die Bezeichnung „14“ und treten in der neuen Z 14 in § 175 Abs. 105 an die Stelle der Z 2 folgende Z 2 bis 6:

„2.   § 169f Abs. 6b mit 1. Jänner 2004;

3.    § 34 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 mit 5. April 2022;

4.    § 12a Abs. 4 und 4a mit 1. Juli 2022; auf die Beamtin oder den Beamten, deren oder dessen Vorbildungsausgleich anlässlich einer bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 er­folgten Ernennung oder eines bis dahin erlangten Studienabschlusses zu bemessen ist, ist § 12a weiterhin in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden, sofern sie oder er nicht die Anwendung der geltenden Fassung beantragt; die beantragte Be­messung nach der geltenden Fassung wird mit dem Monatsersten der Antragstel­lung wirksam;

5.    § 12e Abs. 4 und § 59b Abs. 1 mit 1. September 2022;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 55

6.    § 13e Abs. 2 und 10 Z 2, § 15a Abs. 2, § 59a Abs. 4 Z 4 und § 63d samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag.“

7. In Art. 3 werden nach Z 1 folgende Z 1a bis 1d eingefügt:

„1a. In § 15 Abs. 4 wird die Wortfolge „der Beurteilung der letzten Prüfung, Lehrveranstal­tung oder wissenschaftlichen Arbeit des Studiums“ durch die Wortfolge „des Ablaufs der Regelstudiendauer gemäß Abs. 4a“ ersetzt und nach Abs. 4 folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Die Regelstudiendauer gemäß Abs. 4 beträgt bei Studien, denen nach den jeweils geltenden studienrechtlichen Vorschriften ECTS-Anrechnungspunkte zugeordnet sind, je sechs Monate (ein Semester) für 30 ECTS-Anrechnungspunkte an zu erbringender Studienleistung, mindestens jedoch

1.    vier Jahre (240 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Diplomstudien,

2.    drei Jahre (180 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Bachelor-Studien,

3.    eineinhalb Jahre (90 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Master-Studien für das Lehr­amt Sekundarstufe (Allgemeinbildung),

4.    ein Jahr (60 ECTS-Anrechnungspunkte) bei Master-Studien für das Lehramt Primar­stufe und für das Lehramt Sekundarstufe (Berufsbildung) und

5.    zwei Jahre (120 ECTS-Anrechnungspunkte) bei sonstigen Master-Studien.

Bei sonstigen Studien bestimmt sich die Regelstudiendauer nach den jeweils geltenden studienrechtlichen Vorschriften. Wurde das Studium vor Ablauf der Regelstudiendauer durch positive Beurteilung der letzten zu erbringenden Studienleistung abgeschlossen und wurden dabei von der Hochschule keine vor Studienbeginn erbrachten Leistungen als Ersatz für Studienleistungen anerkannt, so ist statt dem Ablauf der Regelstudien­dauer der Tag der Beurteilung der letzten Prüfung, Lehrveranstaltung oder wissenschaft­lichen Arbeit des Studiums maßgebend.“

1b. Nach § 28b Abs. 2 wird folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Im Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses durch unberechtigten vorzeitigen Austritt sind die Abs. 1 und 2 mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Ermittlung der Ersatzleistung anstelle des für das Kalenderjahr gebührenden gesamten Erholungsur­laubs das Vierfache der Wochendienstzeit, die dem durchschnittlichen Beschäftigungs­ausmaß im betreffenden Kalenderjahr entspricht, zugrunde zu legen ist.“

1c. In § 28b Abs. 3 entfällt die Wortfolge „ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder“.

1d. In § 28b Abs. 7 wird das Zitat „Abs. 1, 2, 5 und 6“ durch das Zitat „Abs. 1, 2, 2a, 5 und 6“ ersetzt.“

8. In Art. 3 werden nach der Z 18 folgende Z 18a bis 18d eingefügt:

„18a. In § 90h Abs. 1 entfällt der zweite Satz.

18b. In § 90h Abs. 3 entfällt die Wortfolge „erster Satz“.

18c. § 90k samt Überschrift lautet:

„Gesamtverwendungsdauer im Entlohnungsschema II L für Lehrer in nicht gesicherter Verwendung

§ 90k. Die Zeiträume einer Verwendung als Vertragslehrperson des Entlohnungssche­mas II L an einer im § 90c Abs. 3 angeführten Einrichtung oder mehrerer solcher Ver­wendungen beim selben Dienstgeber dürfen für eine Vertragslehrperson insgesamt fünf Jahre nicht übersteigen. Vorangegangene Zeiträume einer Verwendung als Vertrags­lehrperson des Entlohnungsschemas I L oder in einem öffentlich-rechtlichen Dienstver­hältnis an einer im § 90c Abs. 3 angeführten Einrichtung oder mehrerer solcher Verwen­dungen sind für diesen Zeitraum anzurechnen.“


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18d. Dem § 90q Abs. 1 werden folgende Sätze angefügt:

„Für die an Polytechnischen Schulen für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zusätzlich eingesetzten Vertragslehrpersonen gilt Z 1 mit folgender Maßgabe: die Zulage gemäß lit. a gebührt auch dann, wenn sie in den Pflichtgegenständen Deutsch, Mathe­matik bzw. Lebende Fremdsprache insgesamt mindestens drei Wochenstunden unter­richten; die Zulage gemäß lit. b gebührt auch dann, wenn sie in den genannten Gegen­ständen mindestens insgesamt sechs Wochenstunden unterrichten.““

9. In Art. 3 wird nach der Z 19 folgende Z 19a eingefügt:

„19a. In § 100 Abs. 94 Z 8 wird die Wortfolge „deren Dienstverhältnis nach dem 31. De­zember 2020 begründet wird“ durch die Wortfolge „deren anrechenbare Vordienstzeiten erstmalig oder erneut festzustellen sind und die nicht nach § 94a Abs. 1 übergeleitet wurden“ ersetzt.“

10. In Art. 3 Z 20 treten in § 100 Abs. 100 an die Stelle der Z 2 und 3 folgende Z 2 bis 5:

„2.   § 15 Abs. 4 und 4a mit 1. Juli 2022; auf die Vertragsbedienstete oder den Vertrags­bediensteten, deren oder dessen Vorbildungsausgleich anlässlich einer bis zum Ab­lauf des 30. Juni 2022 erfolgten Einreihung oder eines bis dahin erlangten Studien­abschlusses zu bemessen ist, ist § 15 weiterhin in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden, sofern sie oder er nicht die Anwendung der geltenden Fassung bean­tragt; die beantragte Bemessung nach der geltenden Fassung wird mit dem Monats­ersten der Antragstellung wirksam;

3.    § 90h Abs. 3 und § 90k samt Überschrift sowie der Entfall des § 90h Abs. 1 zweiter Satz mit 1. August 2022;

4.    § 38 Abs. 2 bis 8 sowie 11 bis 15, § 38a Abs. 2 und 3, § 39, § 39a Abs. 1 bis 6, § 40 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 4, § 46 Abs. 6 und 7, § 48 samt Überschrift, § 90q Abs. 1 und § 100 Abs. 99 mit 1. September 2022;

5.    die die §§ 47c und 47d betreffenden Einträge im Inhaltsverzeichnis, § 28b Abs. 2a, 3 und 7, § 36b Abs. 1 Z 1, § 40 Abs. 3, § 47c samt Überschrift und § 47d samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag.“

11. In Art. 4 erhält die bisherige Z 1 die Bezeichnung „1a“ und wird davor folgende Z 1 eingefügt:

„1. Dem § 26 Abs. 6 wird folgender Satz angefügt:

„Für den Bereich der allgemeinbildenden Pflichtschulen gelten die Ernennungserforder­nisse durch die Erfüllung der Erfordernisse für eine der Schularten der allgemeinbilden­den Pflichtschulen als erbracht.““

12. In Art. 4 Z 3 wird in § 123 Abs. 93 vor der Wortfolge „§ 51a samt Überschrift“ die Wortfolge „§ 26 Abs. 6,“ eingefügt.

13. In Art. 6 wird nach der Z 1l folgende neue Z 1m eingefügt; die bisherigen Z 1m und 1n erhalten die Bezeichnungen „1n“ sowie „1o“:

„1m. Dem § 15 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Für den Bereich der allgemeinbildenden Pflichtschulen gelten die Zuordnungserforder­nisse durch die Erfüllung der Erfordernisse für eine der Schularten der allgemein bilden­den Pflichtschulen als erbracht.““

14. In Art. 6 wird nach der neuen Z 1o folgende neue Z 1p eingefügt; die bisherigen Z 1o und 1p erhalten die Bezeichnungen „1q“ sowie „1r“:

„1p. In § 22 Abs. 1 Z 1 wird nach der Bezeichnung „Sekundarstufe 1“ ein Beistrich ein­gefügt, entfällt das Wort „oder“ und wird nach der Bezeichnung „Polytechnischen Schule“ die Wortfolge „oder in der 9. Schulstufe der Sonderschule“ eingefügt.“


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15. In Art. 6 werden in Z 2 in § 32 Abs. 34 Z 1 vor der Wortfolge „§ 25 samt Überschrift“ die Wortfolge „§ 22 Abs. 1 Z 1, “ sowie in Z 2 vor der Wortfolge „§ 24a samt Überschrift“ die Wortfolge „§ 15 Abs. 2, “ eingefügt.

Begründung

Zu § 12a Abs. 4 und 4a GehG sowie § 15 Abs. 4 und 4a VBG:

Mit den Änderungen werden die Bestimmungen über den individuellen Vorbildungsaus­gleich, welcher eine finanzielle Doppelabgeltung der seit Inkrafttreten der Bundesbesol­dungsreform 2015 pauschal in die Gehaltsansätze eingerechneten Studienzeiten ver­meiden soll, hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen näher an die zuvor geltenden Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag herangeführt: Derzeit ist die gesamte tat­sächliche Studiendauer für den individuellen Vorbildungsausgleich zu berücksichtigen. Im System des Vorrückungsstichtags waren Studienzeiten dagegen nur bis zum Ablauf der Regelstudiendauer anrechenbar und daher auch nur insoweit vom Doppelanrech­nungsverbot betroffen, wenn sie zeitlich mit anderen Vordienstzeiten zusammenfielen. Dementsprechend wird der für die Bemessung des individuellen Vorbildungsausgleichs zu betrachtende Zeitraum auf die Regelstudiendauer beschränkt. Den allgemeinen Stan­dards im Europäischen Hochschulraum entsprechend ist dabei für je 30 ECTS-Anrech­nungspunkte der laut Studienplan zu erbringenden Studienleistungen eine Regelstu­diendauer von einem Semester (sechs Monaten) anzusetzen. Bei älteren Studien, de­nen noch keine ECTS-Anrechnungspunkte zugeordnet waren – was in der Praxis regel­mäßig daran erkennbar ist, dass für die einzelnen Studienleistungen im Sammelzeugnis keine ECTS-Anrechnungspunkte angeführt werden – bestimmt sich die Regelstudien­dauer nach den Angaben in den jeweiligen Studienplänen. Für ältere Diplomstudien wird die Regelstudiendauer regelmäßig vier, viereinhalb, fünf, fünfeinhalb oder sechs Jahre betragen.

Im Hinblick auf die innerhalb des Europäischen Hochschulraums erheblich gewachsene Vielfalt an Studien wird eine Mindestdauer für die Regelstudienzeit vorgeschrieben, von der bei der Bemessung des individuellen Vorbildungsausgleichs auch dann auszugehen ist, sollten die Studienpläne im konkreten Einzelfall eine kürzere Studiendauer vorsehen.

Ein vorzeitiger Studienabschluss (Tag der Beurteilung der letzten Prüfung, Lehrveran­staltung oder wissenschaftlichen Arbeit) vor Ablauf der Regelstudiendauer verkürzt den Betrachtungszeitraum für den individuellen Vorbildungsausgleich nur dann, wenn die akademische Studienleistung tatsächlich schneller erbracht wurde, also wenn der schnellere Studienverlauf nicht auf eine von der Hochschule vorgenommene Anrech­nung von Leistungen zurückzuführen ist, die vor Studienbeginn an einer anderen Ein­richtung erbracht wurden (wie z.B. bei Anerkennung der bisherigen Berufspraxis oder einer nicht hochschulischen Ausbildung). Dabei bleiben Leistungen außer Betracht, die erst nach Studienbeginn an einer anderen Einrichtung erbracht und von der Hochschule als Ersatz für Studienleistungen anerkannt wurden (z.B. Wahlfächer an anderen Hoch­schulen, Auslandssemester, Pflichtpraktika). Mit diesen ergänzenden Regelungen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass von manchen Hochschulen bei einzelnen Studien die bisherige Berufspraxis zu einem erheblichen Teil auf die Studienleistung an­gerechnet wird. Wenn sich daher z.B. die tatsächlich an der Hochschule zu er­bringende Studienzeit für ein Bachelor-Studium, das zumeist 180 ECTS-Anrechnungspunkte bzw. drei Jahre umfasst, durch Anerkennung der Berufspraxis auf zwei Jahre verkürzt, so soll der frühere Abschluss keine Verkürzung des Betrachtungszeitraums für den individuel­len Vorbildungsausgleich bewirken (dieser beträgt dann trotz des früheren Abschlusses volle drei Jahre). Dasselbe gilt für ein Master-Studium, das zumeist 120 ECTS-Anrech­nungspunkte bzw. zwei Jahre umfasst, wenn sich die tatsächlich an der Hochschule zu erbringende Studiendauer durch großzügige Anrechnung der Berufspraxis auf ein Jahr


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verkürzt: der Betrachtungszeitraum für den individuellen Vorbildungsausgleich beträgt dann trotzdem volle zwei Jahre. Andernfalls käme es zu einer sachlich nicht rechtfertig­baren Begünstigung von Bediensteten, die weniger Studienleistungen an der Hochschu­le erbracht haben als Bedienstete, die ein vollumfängliches Hochschulstudium absolvie­ren. Die erforderlichen Informationen zur Beurteilung solcher Sonderfälle werden regel­mäßig den Sammelzeugnissen oder insbesondere bei standardmäßig auf Berufserfah­rung aufbauenden Studien den Studienplänen zu entnehmen sein. Im Falle einer An­rechnung einer hochschulischen Ausbildung ist hingegen auf Abs. 4 zu verweisen, der bei vergleichbaren Studien von einer einheitlichen Studienzeit ausgeht.

In der Praxis wird die Anwendung weiterhin dergestalt erfolgen können, dass anhand des Kalenders überprüft wird, welche (Vor-)Dienstzeiten sich mit dieser Regelstudienzeit „überschneiden“. Im Ergebnis umfasst der Betrachtungszeitraum dann – von einzelnen Fällen eines tatsächlich schnelleren Studienverlaufs abgesehen – ausgehend von einem 1. Jänner oder 1. Juli (Studienbeginn) drei, dreieinhalb, vier, viereinhalb, fünf, fünfeinhalb oder sechs Kalenderjahre. Beim Endergebnis ist weiterhin das in Abs. 4 festgelegte Höchstausmaß des individuellen Vorbildungsausgleichs zu beachten.

Auf Bedienstete, deren Ernennung oder Einreihung bzw. Überstellung bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 erfolgt oder die bis dahin ein Studium abschließen, sind die Bestim­mungen über den individuellen Vorbildungsausgleich weiterhin in der bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 geltenden Fassung anzuwenden, solange nicht ausdrücklich die Anwen­dung der geltenden Fassung beantragt wird. Der aufgrund eines solchen Antrags neu bemessene Vorbildungsausgleich wird für die Bezüge ab dem Monatsersten der Antrag­stellung wirksam.

Zu § 12e Abs. 4 GehG:

Da die Reduktion der Lehrverpflichtung einer Administratorin oder eines Administrators bzw. der Bereichsleitung in einem Schulcluster nicht den Umfang der Tätigkeit in der Administration bzw. der Bereichsleitung vermindert, sondern lediglich die Unterrichts­tätigkeit betrifft, behalten die genannten Personengruppen die auf ihre administrativen Tätigkeiten anknüpfende Dienstzulage gemäß § 59c GehG in voller Höhe.

Zu 13e Abs. 2 GehG:

Durch die Änderung wird der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Rech­nung getragen. Mit Urteil vom 25. November 2021 in der Rechtssache C-233/20 hat der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die Bestimmung des § 10 Abs. 2 des Urlaubs­gesetzes, BGBl. Nr. 390/1976, entschieden, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grund­rechte der Europäischen Union einer nationalen Vorschrift entgegenstehe, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeit­nehmer bzw. die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet. Alleinige Voraussetzung für den Anspruch auf finanzielle Vergütung sei, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und dass nicht der gesamte Jahresurlaub verbraucht wurde. Der Grund für die Beendigung sei hingegen nicht maßgeblich.

Der Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung nach § 13e Abs. 1 steht daher hinkünftig unabhängig vom Grund der Auflösung des Dienstverhältnisses zu. Siehe auch § 28b VBG.

Zu 13e Abs. 10 Z 2 GehG:

Es erfolgt eine Zitatanpassung.


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Zu § 15a Abs. 2 GehG:

Um die Wiedereingliederung nach einem Dienstunfall oder einer akuten psychischen Belastungsreaktion im Zusammenhang mit einem außergewöhnlichen Ereignis im Zuge der Dienstausübung attraktiver zu gestalten und Vergütungseinbußen zu reduzieren, sollen die sonstigen pauschalierten Nebengebühren in ungekürzter Höhe weiter gebüh­ren. Voraussetzung ist, dass die Beamtin oder der Beamte auf dem gleichen Arbeitsplatz wie vor dem Dienstunfall verwendet wird.

Zu § 34 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 GehG:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 3. März 2022, G 324/2021-10, aus­gesprochen, dass die Beschränkung der Verwendungszulage nach § 75 Abs. 1 GehG auf Verwendungen innerhalb des Exekutivdienstes – und damit der Ausschluss der Ver­wendungszulage für den Fall einer besoldungsgruppenübergreifenden Höherverwen­dung – verfassungswidrig sei und die entsprechende Wortfolge in § 75 Abs. 1 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018 aufgehoben.

Mit den Änderungen in § 34 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 werden auch die Parallelbestim­mungen für den Allgemeinen Verwaltungsdienst und den militärischen Dienst verfas­sungskonform angepasst.

Mit dem Bezug der Verwendungszulage wird die oder der Bedienstete auf einem Ar­beitsplatz einer anderen Besoldungsgruppe höherwertig verwendet. Wird daher bei­spielsweise ein Exekutivbediensteter auf einem Arbeitsplatz der Allgemeinen Verwal­tung verwendet, gebühren keine Zulagen und Nebengebühren der Besoldungsgruppe Exekutivdienst mehr (d.h. Entfall der Wachdienstzulage gemäß § 81, Vergütung für be­sondere Gefährdung gemäß § 82, Vergütung für Beamte des Exekutivdienstes gemäß § 83).

Zu § 59b Abs. 1 GehG und § 90q Abs. 1 VBG:

Bis einschließlich dem Schuljahr 2012/12 wurde in § 59b Abs. 1 GehG der Unterricht in Leistungsgruppen für PTS und HS/NMS gemeinsam geregelt. Mit Wirksamkeit vom 1. September 2012 wurde mit der Überführung der Neuen Mittelschule in das Regel­schulwesen die bisher in Abs. 1 für Leistungsgruppen vorgesehene Abgeltung in Abs. 1a durch eine Zulagenregelung für die Erteilung des Unterrichts in Deutsch, Mathematik und lebende Fremdsprache ersetzt. Aufgrund der Gleichstellung der Polytechnischen Schulen und den Mittelschulen hinsichtlich der Differenzierungsmaßnahmen in § 31a Schulunterrichtsgesetz mit BGBl. I Nr. 86/2019 kann nunmehr wieder eine gemeinsame Abgeltung des Fachunterrichts in Deutsch, Mathematik und lebender Fremdsprache unter Einbeziehung des integrativen Unterrichts an den Polytechnischen Schulen er­folgen.

Zu § 169f Abs. 6b GehG:

Die Umsetzung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 ist ein Unterfangen von erheblichen administrativen Ausmaßen, weshalb zwischen der Zustellung der Parteiengehöre, der Zustellung der Bescheide und der tatsächlichen Anweisung von allfälligen Nachzahlun­gen im Einzelfall längere Zeiträume vergehen können. Um mögliche Sorgen der Beam­tinnen und Beamten betreffend eine mögliche Verjährung allfälliger Nachzahlungsan­sprüche auszuräumen und um das Vorliegen und die zeitliche Wirkung eines allfälligen älteren Antrags außer Streit zustellen, wurden deshalb in der Praxis in jedem einzelnen Fall Aussagen bzw. Feststellungen zum Verjährungszeitpunkt in die Parteiengehöre und Bescheide aufgenommen. Dies unabhängig davon, ob sich rechnerisch überhaupt ein Anspruch auf Nachzahlungen ergibt bzw. in welcher Höhe dieser besteht. Die weitest­gehend automatisierte Erstellung der Parteiengehöre und Bescheide knüpft ebenfalls an das von der Dienstbehörde ermittelte und im Schriftsatz angeführte Verjährungsdatum


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an, um zwischen den rechtlich relevanten Fallgruppen unterscheiden zu können (amts­wegige Neufestsetzung nach Abs. 1, Neufestsetzung auf neuen Antrag nach Abs. 2 oder Neufestsetzung im Rahmen eines bereits anhängigen Verfahrens nach Abs. 3).

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch mit seiner jüngeren Rechtsprechung aufgezeigt, dass die Dienstbehörde eine solche bescheidmäßige Feststellung über die Verjährung eines Nachzahlungsanspruchs zwar grundsätzlich auch von Amts wegen treffen kann, dieser jedoch eine Feststellung über die Gebührlichkeit des Anspruchs sowohl dem Grun­de als auch der Höhe nach vorausgehen müsse (VwGH 10.06.2021, Ra 2021/12/0011). Da eine solch umfangreiche Feststellung im Rahmen der zahlreichen Neufestsetzungs­verfahren jedoch die Grenzen des administrativ handhabbaren überschreiten würde und zugleich den öffentlichen Interessen weiterhin entsprochen werden soll, die von den Dienst­behörden bisher verfolgt wurden, wird nunmehr mit Abs. 6b eine eigene gesetzliche Grundlage für die bescheidmäßige Feststellung des im Einzelfall maßgebenden Verjäh­rungsdatums geschaffen. Wie in den bereits ergangenen Bescheiden ist daher auch künftig ausschließlich das Datum festzustellen, ab dem der Bezugsanspruch (bzw. ein allfälliger Anspruch auf Nachzahlung), der sich aus der rückwirkenden Anwendung der neu festgesetzten besoldungsrechtlichen Stellung ergibt, nicht verjährt ist. Dies unab­hängig davon, ob die rückwirkend neu festgesetzte besoldungsrechtliche Stellung über­haupt zu einer Bezugsdifferenz für einzelne Monate führt oder in welcher Höhe solche Differenzen bestehen.

Zu § 175 Abs. 102 Z 5 GehG und § 100 Abs. 94 Z 8 VBG:

Die geltende Fassung dieser Übergangsbestimmungen sollte einen geordneten Über­gang von der bisher vorgesehenen Mitwirkung des BMKÖS bei der Vordienstzeitenan­rechnung sicherstellen. Nachdem diese „Altfälle“ zwischenzeitlich einer Erledigung zu­geführt wurden, kann diese Übergangsregelung entfallen und an ihre Stelle eine einheit­liche Rechtslage für alle Bediensteten treten, die dem mit der Bundesbesoldungsre­form 2015 geschaffenen System der Vordienstzeitenanrechnung unterliegen.

Zu § 28b Abs. 2a,3 und 7 VBG:

Durch die Änderung wird der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Rech­nung getragen. Mit Urteil vom 25. November 2021 in der Rechtssache C-233/20 hat der Europäische Gerichtshof im Hinblick auf die vergleichbare Bestimmung des § 10 Abs. 2 des Urlaubsgesetzes, BGBl. Nr. 390/1976, entschieden, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtli­nie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung („Arbeitszeit-Richtlinie“) in Verbin­dung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einer natio­nalen Vorschrift entgegenstehe, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet. Alleinige Vorausset­zung für den Anspruch auf finanzielle Vergütung sei, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und dass nicht der gesamte Jahresurlaub verbraucht wurde. Der Grund für die Be­endigung sei hingegen nicht maßgeblich.

Der Oberste Gerichtshof stellte im fortgesetzten Verfahren mit Urteil vom 17. Februar 2022, GZ 9 ObA 150/21f, fest, dass der Entfall des Anspruchs auf Urlaubsersatzleistung unionsrechtswidrig ist, soweit es den nach Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeit-Richtlinie unions­rechtlich garantierten Mindesturlaub von vier Wochen betrifft. Eine finanzielle Abgeltung des über den vierwöchigen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsteils ist unionsrecht­lich nicht geboten.

Zur Herstellung eines europarechtskonformen Rechtszustandes und in Entsprechung der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wird in einem neuen Abs. 2a ge­setzlich klargestellt, dass der Anspruch auf Ersatzleistung nach § 28b hinkünftig auch im


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Falle eines Austritts ohne wichtigen Grund zusteht. Abweichend von § 28b Abs. 1 und 2 ist dabei die Ersatzleistung für das laufende Kalenderjahr bezogen auf den nicht ver­brauchten aliquotierten vierwöchigen Mindesturlaub gemäß der Arbeitszeit-Richtlinie zu ermitteln.

Für nicht verbrauchten Erholungsurlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren gebührt auch im Fall eines unberechtigten Austritts eine Ersatzleistung gemäß Abs. 5 für den gesamten noch ausstehenden Erholungsurlaub, soweit er noch nicht verfallen ist.

Im Falle der Übernahme einer oder eines Vertragsbediensteten in ein öffentlich-recht­liches Dienstverhältnis zum Bund (Abs. 3) wird das Dienstverhältnis in Bezug auf den Erholungsurlaubsanspruch als ein einheitliches gesehen (siehe § 67 BDG 1979). Der Zweck und die Ansprüche gemäß Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG werden dadurch gewahrt.

Zu § 90h Abs. 1 und § 90k samt Überschrift VBG:

Die gegenständliche eine dauernde Einstufung in das Entlohnungsschema II L vorse­hende 10 Stunden-Grenze könnte eine Diskriminierung von in Teilbeschäftigung stehen­den Lehrpersonen und insbesondere von Frauen darstellen.

Zu § 90h Abs. 3 VBG:

Es erfolgt eine Zitatanpassung.

Zu § 26 Abs. 6 LDG 1984 und § 15 Abs. 2 LVG:

Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen werden an allgemeinbildenden Pflicht­schulen auch außerhalb der Sonderschule verwendet, um die an den Volksschulen, Mit­telschulen und Polytechnischen Schulen im gemeinsamen Unterricht integrativ beschul­ten Schülerinnen und Schüler zu unterrichten. Für eine Leitungsfunktion an der Volks- oder Mittelschule können sich die betreffenden Sonderschullehrpersonen aber nur be­werben, wenn sie zusätzlich auch das einschlägige Lehramt für die Schulart aufweisen, deren Leitung sie anstreben.

Die betreffenden Lehrpersonen weisen aber eine umfassende pädagogische Ausbildung auf und sie verfügen über die erforderliche persönliche, fachliche und pädagogische Eignung sowie die erforderlichen Führungs- und Managementkompetenzen um auch eine Schule zu leiten, für welche sie nicht über das einschlägige Lehramt verfügen. Auch für die Leitung eines Schulclusters genügt für die Leitung aller im Schulcluster zusam­mengefassten Schulen, wenn die Leiterin oder die Leiter nur für eine der mehreren ge­leiteten Schulen über ein einschlägiges Lehramt verfügt.

Da sich jede Bewerberin und jeder Bewerberin einem umfangreichen Auswahlverfahren im Rahmen dessen die Eignung für die Funktion Schulleitung festgestellt wird, stellen muss, erscheint es zeitgemäß, vom Erfordernis einer Lehrbefähigung für die betreffende Schulart abzugehen. Dementsprechend soll nunmehr auch Lehrpersonen die Chance für eine Bewerbung auf die Position der Schulleitung an einer Schulart, für die sie das Lehramtsstudium nicht abgeschlossen haben, ermöglicht werden.

Zu § 22 Abs. 1 Z 1 LVG:

Bisher erhielten Lehrpersonen an Sonderschulen eine Fächervergütung gemäß § 22 Abs. 1 Z 1 lediglich von der 5. bis zur 8. Schulstufe (Sekundarstufe 1). Damit war das Berufsvorbereitungsjahr der Sonderschulen in der 9. Schulstufe (siehe § 24 SchOG) nicht von der Bestimmung umfasst. Nunmehr sollen auch Lehrpersonen im Berufsvorbe­reitungsjahr an Sonderschulen eine entsprechende Fächervergütung erhalten.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag, der schriftlich vorliegt, ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Ich darf der Ordnung halber auch noch sagen: Der Antrag der Abgeordneten Yildirim, Genossinnen und Genossen ist ebenfalls ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß ein­gebracht und steht mit in Verhandlung. Damit ist das auch erfüllt und klargestellt.

Ich darf noch den Herrn Vizekanzler und die Frau Minister herzlich begrüßen – das habe ich vorhin vergessen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


10.43.31

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Ja, man kann eigentlich bei dieser Dienstrechtsnovelle naht­los an die Rede von Kollegin Yildirim anschließen: Alles richtig, was da gesagt wurde.

Das wurde im Ausschuss auch von Abgeordnetem Gerstl von der ÖVP so gesehen (Abg. Gerstl: Das ist ein Blödsinn!), und dann schreit Kollege Hammer, in der ersten Reihe sitzend, allen Ernstes herein: „Das ist ein Blödsinn!“ – Na, das ist kein Blödsinn, denn Kollege Gerstl hat im Ausschuss eigentlich dasselbe wie Kollegin Yildirim gesagt (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und SPÖ): dass vieles mit der Gewerkschaft schon ausver­handelt wurde. (Abg. Michael Hammer: Das ist eh alles drinnen!) – Ja, du warst ja nicht im Ausschuss. (Abg. Michael Hammer: Ja sicher war ich im Ausschuss!) – Na dann hast du nicht aufgepasst, dann ist es ja noch peinlicher (Heiterkeit des Redners), wenn du im Ausschuss warst (Abg. Michael Hammer: ... ist peinlich!), aber egal jetzt. Es ist einfach so, dass diese Dienstrechtsnovelle natürlich den Namen nicht verdient. (Abg. Michael Hammer: Hast du ihn überhaupt gelesen? Das ist alles drinnen!) – Sei nicht so aufge­regt, Kollege Hammer, du hast nicht aufgepasst – setzen, Fünf!

Man muss aber jetzt gleich einmal sagen: Diese Dienstrechtsnovelle für den großen Be­reich des öffentlichen Dienstes ist natürlich absolut zu wenig! Da geht es um ein bissel etwas: Da gibt es Studien, da wird bei den Studenten herumgetan, wird bei der Som­merschule konkretisiert; bei Dienstunfällen wird die Kürzung der Nebengebühren außer Frage gestellt. – Das sind ja alles Peanuts! Das ist ja nichts! Nicht einmal ansatzweise löst das Probleme, die der öffentliche Dienst hat.

Das tut schon eher der Entschließungsantrag der Kollegin Yildirim, den wir unterstützen werden. Wir werden natürlich auch diesem Dienstrechtsreförmchen zustimmen – natür­lich werden wir zustimmen! (Abg. Michael Hammer: Du bist ja als Kontra gemeldet! Ihr müsst euch nur entscheiden!) –, aber wenn man weiß, es gibt vor dem Sommer eine Dienstrechtsreform, vor Weihnachten eine Dienstrechtsreform, zweimal im Jahr, dann ist das nichts! (Abg. Michael Hammer  erheitert –: Du bist als Kontra gemeldet!)  Be­ruhige dich doch, Kollege Hammer! (Abg. Michael Hammer: Kontra! Kontrarede! – Zwi­schenruf des Abg. Höfinger.) Setz die Maske auf, du hast ja Angst vor uns, beruhige dich! Es ist ja nicht so schlimm, du hattest halt einen schlechten Tag im Ausschuss und hast nicht aufgepasst. Ist ja egal. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Herr Vizekanzler, ich würde Sie schon ersuchen: Wir haben da einige Sachen, die wirk­lich unter den Nägeln brennen. Der öffentliche Dienst leistet hervorragende Arbeit, ist ein wichtiger Bestandteil – man hat es in der Pandemie gesehen, man sieht das tag­täglich –, ist für die Sicherheit da, ist für die funktionierende Verwaltung da, ist eine Serviceleistung an den Bürgern. Da würde ich Sie schon bitten, dass Sie mit der ÖVP reden, denn vielleicht ist die ÖVP auch ein bisschen blockierend  wir kennen ja das alles, es liegt ja nicht immer alles am Beamtenminister. Wir wissen das, wir waren ja auch schon mit der ÖVP in der Regierung, wir konnten da auch nicht alles klatschend durchbringen. Die ÖVP, die abgedankte Öffentlicher-Dienst-Partei, bremst da meistens,


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und jeder Cent für den öffentlichen Dienst ist der Österreichischen Volkspartei meistens zu viel. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Der Vizekanzler lächelt schon. Wir wissen ja eh, woran es krankt (Zwischenrufe der Ab­geordneten Höfinger, Ottenschläger und Gabriela Schwarz), da versteht man eure Aufregung und das Hereinbrüllen aus der ersten Reihe natürlich schon viel, viel besser. (Abg. Michael Hammer: Wir lachen!) Ihr kommt aber eh noch dran, ihr könnt eure Wahr­nehmungen noch einmal zum Besten geben.

Ich sage nur: Ich bedanke mich bei allen Bediensteten des öffentlichen Dienstes für die hervorragende Arbeit, für die Sicherheit, für die Serviceleistung an den Bürgerinnen und Bürgern auch jetzt, am Ende der Pandemie – großartig! –, und ich hoffe, dass wir dann im Herbst bei der zweiten Dienstrechtsreform dieses Jahres ein besseres, ein effektive­res Ergebnis haben werden, wie die öffentlich Bediensteten es sich verdienen, und ihnen die Wertschätzung zukommt, die sie absolut verdient haben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Der Reinschreier!)


10.48.11

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ja, am Freitagvormittag beim ersten Tagesordnungspunkt braucht man schon gute Nerven, wenn man so viel Realitätsverweigerung und Destruktivität erleben muss (Abg. Lausch: Du hast nicht auf­gepasst! Oder du verstehst es nicht!), was das Dienstrecht und den öffentlichen Dienst betrifft, wie von der FPÖ und der SPÖ. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur FPÖ möchte ich gar nicht allzu viel sagen, weil erstens das, was Kollege Lausch von sich gegeben hat, sowie die Replik auf die Beratungen im Ausschuss – genau das, was Kollege Gerstl dort angesprochen hat – sich jetzt im Abänderungsantrag finden. Wir re­geln das also alles. – Sie sollten sich ein bisschen genauer mit den Materien auseinan­dersetzen, die Ihnen vorgelegt werden! Dann könnte man sich einiges ersparen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Yildirim: Was ist mit den Hausaufgaben? Monate haben Sie Zeit gehabt!)

Entsetzt bin ich aber schon wieder über das Verhalten der SPÖ und die Aussagen der Kollegin Yildirim. Es ist schon ein starkes Stück! Wir sind es ja von der SPÖ schon ge­wohnt, dass Sie alles unternehmen, das Land schlechtzureden (Abg. Yildirim: Die ÖVP ist nicht das Land!) – Sie matchen sich da mit der FPÖ – und alles destruktiv zu sehen. Dass aber jetzt der öffentliche Dienst von Ihnen diskreditiert wird und Sie ein Bild zeich­nen, als würde Österreich schlecht verwaltet und alles zusammenbrechen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Yildirim), also das ist wirklich ein starkes Stück, dafür können Sie sich schämen, das ist wirklich letztklassig! (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe KollegInnen – oder Genossen – der SPÖ! (Abg. Yildirim: Letztklassig ist, dass Sie die ÖVP mit dem Land gleichsetzen!) Wenn es darum geht, für MitarbeiterInnen wirklich Verbesserungen zu bringen, wie gestern für Zigtausende MitarbeiterInnen im Pflegebereich, wenn es um Verbesserungen im Dienstrecht geht wie gestern bei den Pflegepersonen, dann stimmen Sie nicht mit – das ist erbärmlich! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist aber unbestritten – und wir bilden das mit der Dienstrechtsnovelle auch ab –, dass Dienstrecht immer eine komplexe Materie und ein Prozess im Flow, im Fluss ist. Es wird natürlich weitere Novellen geben müssen, weil der öffentliche Dienst – diesen Befund können wir teilen – durch Ruhestandseintritte und demografische Entwicklungen natür­lich auch besondere Herausforderungen zu managen hat. Da die SPÖ den öffentlichen


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Dienst hier diskreditiert hat (Abg. Lausch: Wieder nicht aufgepasst!), darf ich wirklich allen im öffentlichen Dienst für ihren tagtäglichen Einsatz danken, weil dort wirklich erst­klassige Arbeit geleistet wird. Dafür ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Dienstrechtsnovelle – Kollegin Hamann hat das ja schon ausgeführt – beinhaltet wesentliche Regelungen im pädagogischen Bereich. Wir bilden die Sommerschule als Regelbetrieb im Dienstrecht ab. Bis jetzt war es in den Covid-Maßnahmengesetzen geregelt. Ich teile die Einschätzung, dass diese Sommerschule sich etabliert hat, dass sie eine gute Einrichtung ist, und daher bilden wir das jetzt auch entsprechend im Dienstrecht ab. Wir haben auch Änderungen im Bereich der Nachmittagsbetreuung und vor allem auch, was den Quereinstieg von Lehrerinnen und Lehrern, von Pädagoginnen und Pädagogen betrifft. Gerade dort gehen wir schon in die Richtung, dass wir wirklich Maßnahmen setzen, um den Nachwuchs an unseren Schulen entsprechend sicherzu­stellen.

Wir setzen mit der Novelle auch einige Änderungen um, wozu der Europäische Gerichts­hof beziehungsweise der Verfassungsgerichtshof uns aufgefordert hat. Wir haben natürlich auch in anderen Bereichen noch Notwendigkeit. Herr Vizekanzler, wir sind auch in Gesprächen, und ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass wir im Bereich Landes­verteidigung natürlich noch Wünsche im Dienstrecht haben, die auch für unsere Solda­tinnen und Soldaten wichtig sind, vor allem wo es um die Besoldung im Unteroffiziers­bereich geht; gerade dort brauchen wir auch den Nachwuchs. Gerade der Unteroffiziers­bereich ist die tragende Säule einer Armee, und dort brauchen wir entsprechende Abbil­dungen. (Beifall des Abg. Ofenauer.) Auch was den Bereich der Nachrichtendienstzula­ge und auch die Vereinheitlichung der Besoldung im Bereich der Offiziere betrifft, sind wir in Gesprächen, und ich glaube, da sollten wir im Herbst auch weiterkommen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Laimer.)

Abschließend: Ich freue mich, dass wir diese Dienstrechtsnovelle heute auf den Weg bringen. Danke noch einmal an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst! Und an die Kollegen der SPÖ: Hören Sie auf, den öffentlichen Dienst schlecht­zureden, der ist in Österreich nämlich hervorragend! (Beifall bei der ÖVP.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Abgeordnete Yildirim. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Schon wieder!)


10.52.32

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Hammer von der ÖVP hat in seiner Rede (Ruf bei der ÖVP: Großartige Rede!) behauptet, dass die SPÖ – und dabei hat er meine Person angesprochen –, dass wir oder dass ich in meiner Rede den öffentlichen Dienst diskreditiert oder schlechtgeredet habe. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Selbstverständlich!) Das ist unrich­tig! (Abg. Michael Hammer: Das ist richtig! Dann müssen Sie es besser ausdrücken!)

Der richtige Sachverhalt ist: Die ÖVP steht in der Kritik, und die ÖVP ist nicht der öffent­liche Dienst! Die ÖVP steht in der Kritik, und die ÖVP ist nicht das Land! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Was ist das?! Was ist das Jenseitiges?! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

10.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Klubobmann Wöginger zur Ge­schäftsbehandlung. – Bitte.

*****



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10.53.23

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich habe das vorhin schon erörtert: Das geht so nicht! Sie scheinen zu glauben, weil Sie die SPÖ sind, können Sie hier tun, was Sie wollen! (Ruf bei der SPÖ: Das glaubt ihr!) Das funktioniert nicht. Das sind keine tatsächlichen Berichtigungen. Melden Sie sich in die Rednerliste ein, dann können Sie das sagen, aber missbrauchen Sie nicht ständig das Instrument der tatsächlichen Berichtigung! (Beifall bei der ÖVP.)

10.53

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Künsberg Sarre ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Michael Hammer: Redet von Haus aus keinen Blödsinn, dann braucht ihr nicht berichtigen!)


10.53.52

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanz­ler! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zu­schauerinnen auf der Galerie und zu Hause! Das Lehrerdienstrecht ist ein Sinnbild und Ausdruck unseres bürokratischen Schulsystems. Auch wenn einzelne Maßnahmen, die da jetzt drinnen sind, wie die Sommerschulregelung und auch dass die Lehrkräfte zwi­schen Bezahlung und Zeitausgleich wählen können, dass der Quereinstieg erleichtert werden soll, durchaus sinnvolle Einzelmaßnahmen sind, wird auch diese Reform und diese Novelle uns nicht weiterbringen.

Sie haben nach wie vor keinerlei Antworten auf den drohenden oder schon bestehenden Lehrermangel. Sie haben keinerlei Antworten darauf, wie der zukünftige Lehrerarbeits­platz ausschauen soll, ein moderner Arbeitsplatz; und Sie haben auch keine Vision, wie Sie diesen Lehrerberuf attraktivieren sollen, um nicht nur Quereinsteiger – wo der Minis­ter ja schon gesagt hat, das werden einige wenige sein –, sondern mehr und geeignete Personen in diesen Beruf zu bringen.

Die Antworten des Bildungsministers, Ihres Kollegen, sind ja immer sehr interessant, denn eigentlich sagt er immer nur, er schaut sich das an und er schaut es sich noch einmal an und dann überlegt er einmal wieder, aber im Endeffekt hat er, seit er da ist, nichts geliefert, und auch seit Sie in der Regierung sind, die Grünen in der Regierung sind, haben Sie in diesem Bereich überhaupt nichts zusammengebracht. (Beifall bei den NEOS.)

Sie sagen dann zwar immer: Na ja, das ist halt die ÖVP – aber Sie sitzen mittlerweile auch in der Regierung, und Sie sind Vizekanzler und auch für die Beamten und damit für die Lehrer zuständig! Sie können auch für Veränderung sorgen.

Die Novelle an sich, die jetzt vorliegt, war sowieso haarsträubend. Meine Kollegin Yildi­rim hat das ja schon gesagt: Eine Trägerrakete jagt die nächste, ein Abänderungsantrag den nächsten. Es wird überhaupt nichts mehr in Begutachtung geschickt, und wir kom­men gar nicht mehr dazu, dass wir überhaupt alles durchlesen, was Sie uns da kurzfristig vorlegen. Was es im Lehrerdienstrecht braucht, ist nicht die x-te weitere Novelle, son­dern es muss die Abschaffung dieses Lehrerdienstrechts kommen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir brauchen einen Rahmenvertrag. Wir brauchen autonome Schulen mit einem moder­nen Arbeitsvertrag, also mit einem Rahmen, der dann von autonomen Schulen befüllt wird. Sie – die ÖVP insbesondere, aber offensichtlich auch die Grünen – haben natürlich große Schwierigkeiten, den Schulen Autonomie zu geben, weil Sie offensichtlich den


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Lehrerinnen und Lehrern und den Direktorinnen und Direktoren nicht zutrauen, dass gute Entscheidungen am Schulstandort getroffen werden können. Wir NEOS sind die Einzi­gen, die das glauben. Wir glauben, dass es viele gute Pädagoginnen und Pädagogen gibt und dass diese auch gute Entscheidungen treffen können und nicht immer nur da­rauf warten müssen, was das Ministerium oder der Bund vorgibt. (Beifall bei den NEOS.)

10.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte sehr.


10.57.17

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Typischerweise wer­den die Dienstrechtsnovellen und die größeren Teile davon immer im Herbst gemacht; das wird auch diesmal so sein. Es wird aber einleuchtend erscheinen, wenn wir noch Reformen – vielfach geforderte Reformen – zur Besserstellung und Absicherung und Garantie der Sommerschulen machen, dass es vernünftig ist, wenn wir das vor dem Sommer machen. Das sollte einleuchten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich wird es im Herbst viele Themen geben, die hier angesprochen wurden. Ob und inwieweit das immer zum Konsens führt unter den vielen, vielen Wünschen, die es da gibt, ist eine andere Frage, aber so ist es ja immer organisiert und angegangen worden. Ich denke, Frau Kollegin Yildirim, das war auch früher nicht anders.

Jetzt zur Sommerschule: Ich finde schon, dass das deshalb eine gute Sache ist – und man sieht da ja auch das Wesen des öffentlichen Dienstes, so wie wir ihn begreifen –, weil es ja kein Selbstzweck ist, sondern ein Service für die Bürgerinnen und Bürger, in dem Fall für die ganz jungen Bürgerinnen und Bürger, für die Schülerinnen und Schüler, weil sich ja die Probleme gerade nach der Pandemie verschärft haben. Das ist ja allseits bekannt. Insofern ist es sehr, sehr sinnvoll, dass wir da gegensteuern. Das ist deshalb eine besonders schlaue Maßnahme, weil es ja in Wahrheit eine soziale Maßnahme ist. Es ist ja klar, dass den Kindern, deren Eltern weniger Geld und weniger Bildung haben, auf diese Weise etwas angeboten werden kann.

Ich finde es eine gute und richtige und stetige Entwicklung – so ist halt das Dienstrecht auch –, wenn das nachzieht und bestimmte Absicherungen und Garantien bietet, jetzt einmal auch für die Lehrenden; einerseits im bestehenden Lehrkörper, aber anderer­seits – und das war uns besonders wichtig – vor allem für die Lehramtsstudierenden, die da jetzt einmal gescheit abgesichert sind und – durchaus auch gerechterweise – eine Entlohnung erhalten. Das einmal dazu. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das andere: Ich halte ja auch das in diesem Sinne für eine stetig vernünftige Weiterent­wicklung, was den Quereinstieg in den Lehrerinnen- und Lehrerberuf betrifft. Es behaup­tet ja niemand, dass deshalb nicht mehr geschehen muss. Ich darf aber schon daran erinnern, dass es einigen Vorgängerregierungen gelungen ist, den Eindruck zu erwe­cken, dass es da vielleicht gar nicht so einen großen Bedarf gäbe, sondern dass Aktio­nen und Kampagnen gefahren wurden, damit man sich möglichst nicht um den Lehr­amtsberuf bemüht.

Jetzt ist es anders. Gott sei Dank ist es so, dass wir nicht nur die Möglichkeit haben, die typische Ausbildung allein heranzuziehen, sondern dass wir da Pädagoginnen und Pä­dagogen, die andere Fächer oder artverwandte Fächer studiert haben, aber vor allem auch Menschen in einem Berufsbild, das passen könnte, mit der entsprechenden Zu­satzqualifikation im pädagogischen und im didaktischen Bereich etwas anbieten können. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


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Ich glaube – das zeigen auch viele Studien und Erfahrungen, auch in Ländern wie Israel, das ja für seine Innovationen bekannt ist –, dass da auch sehr viel, wenn man so will, frischer Wind in die Schulen und Klassenzimmer kommt und dass diese Art von Interven­tion auch eine Innovation darstellen kann. Das sollte man an dieser Stelle nicht unter­schätzen. Auch das ist eine gute Entwicklung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Abschließend: Das steht ja im Zusammenhang damit – das hat Frau Kollegin Yildirim sicherlich zu Recht angesprochen –, dass sich auch der öffentliche Dienst auf dem Ar­beitsmarkt durchaus offensiv und attraktiv bewegen und entsprechende Angebote ma­chen sollte, weil ja in wenigen Jahren eine sehr große Zahl an Abgängen aufgrund der Demografie, aufgrund von Pensionierungen zu erwarten ist. Das gilt natürlich auch im Lehrerinnen- und Lehrerbereich.

Ich möchte aber schon auf eines hinweisen, nämlich darauf, dass diese Regierung das im Unterschied zu den Vorgängerregierungen insoweit erkannt hat, als wir das erste Mal seit Langem nicht diesen Automatismus festgeschrieben haben, dass nur jeder dritte Posten nachbesetzt wird, wenn es Abgänge gibt, sondern nun kann das einmal gleich bleiben. Das hat nämlich genau diesen Hintergrund. Das ist noch lange keine hinreichen­de Bedingung, ja, aber eine notwendige Bedingung dafür, dass dieser von Ihnen zu Recht apostrophierte Wissenstransfer stattfinden kann. Das ist einmal ein großer Wen­depunkt gewesen, dass das nicht wieder automatisch festgeschrieben wird.

Das wurde ja zum Teil auch befolgt; man braucht sich nur anzuschauen, wie die Posten­besetzungsentwicklung in all den Jahren war. Insofern – ich will das gar nicht groß kri­tisieren – kann man das ja damals anders eingeschätzt haben. Jetzt kommen andere Zeiten, auch in diesem Bereich, und deshalb gehen wir so vor, aber, ja, da sind sicherlich noch viele Instrumente voranzutreiben, dass dieser Wissenstransfer, dieser Übergang und überhaupt das Hereinholen von Menschen in den öffentlichen Dienst generell ge­lingen können. Da sollten wir uns aber treffen und nicht alles gleich zur Weltuntergangs­krise erklären. Das wäre schon auch nützlich.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen im öf­fentlichen Dienst bedanken. Da wird sehr viel geleistet und darauf sollten wir stolz sein. Ich glaube, darauf können wir auch aufbauen, und next steps gibt es im Herbst.

Als Allerletztes: Es wurde im Ausschuss angesprochen, und es ist mir wichtig, dass ich das auch hier noch einmal sage, sodass alle gewiss sein können: Es sind ja viele Punkte schon vorverhandelt, aber die Sommerschule und ein paar andere Punkte, die im Übri­gen sehr dienstnehmerInnenfreundlich sind, wurden halt vorgezogen. Also an dieser Stelle kann ich nicht allen Rednern folgen. Es ist sehr, sehr viel aus Dienstnehmersicht jetzt noch dazugekommen. Das dürfte auch der Grund sein, aus dem Sie zustimmen – immerhin Respekt dafür. Was es aber jedenfalls weiter braucht, ist, dass wir im Bereich der Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetze den nächsten Schritt machen – das ist an sich fertig vorbereitet – und ebenso, was die dienstrechtlichen Anforderungen im Landesverteidigungsbereich betrifft – ich will das gar nicht unerwähnt lassen –, dass wir da ebenfalls zielorientiert vorgehen. Damit geht es dann schon in die nächste Herbst­runde. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.04


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Petra Tanzler zu Wort. – Bitte.


11.04.45

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ja, endlich war die Dienstrechtsnovelle da. Vor­her gab es große Erwartung, nachher aber auch große Enttäuschung, denn es gab die


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Hoffnung, dass Bereiche entlastet und geregelt werden, die aufgrund zunehmenden Per­sonalmangels im Herbst erstmals prekär werden. Zumindest wurde eine Übergangslö­sung für den Freizeitbereich gefunden. Einzelne Maßnahmen im Abänderungsantrag sind auch unterstützenswert, aber in der Summe haben Sie sich ungenügend mit dem Problem beschäftigt, und dementsprechend sieht die Novelle samt Abänderungsantrag auch aus.

Womit Sie sich jedoch nicht beschäftigt haben, ist, dass der Dienstbetrieb im Herbst sichergestellt wird. Manche Fächer können in kleineren Schulen nicht besetzt werden. Mit drei einfachen Wörtern im Gesetzestext, mit „nach Möglichkeit“ und „vorrangig“, wäre dies übergangsweise auch zu regeln gewesen – das hätte echte Schulautonomie und die Flexibilität, die Schulen in dieser schwierigen Phase brauchen, bedeutet –, und das haben Sie leider nicht getan. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie schaut das jetzt in der Praxis aus? – In der Praxis wird es im Herbst so aussehen, dass entweder junge KollegInnen, die in der Induktionsphase sind, im Kreis herumge­schickt werden, weil sie – an mehreren Schulen dann wahrscheinlich – nur ihre eigenen Fächer unterrichten dürfen, oder sie reduzieren ihre Stunden, damit sie nur an einer Schule und nicht an vielen Schulen sind – das löst das Personalproblem auch nicht –, oder Lehrer, die schon jahre- und jahrzehntelang ihre eigenen Fächer unterrichten, müs­sen dann fachfremd unterrichten und für diese jungen Lehrerinnen und Lehrer Platz ma­chen. Alle drei Lösungsvorschläge sind sicher suboptimal.

Es wird wahrscheinlich Letzteres passieren, denn Kollegin Hamann hat mir gestern wort­wörtlich verraten: Es gibt ja eh auch andere Lehrer und Lehrerinnen an den Schulen, die müssen das eben machen! – Mit Verlaub: Das ist keine Wertschätzung. Es schafft Unmut und Gräben in den Schulen, und den schwarzen Peter haben Sie den Schulleitun­gen zugeschoben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe mich gestern noch darum bemüht, dass die folgende Regelung getroffen wird, aber die Regierungsparteien wollen das nicht, vor allem nicht die ÖVP. Dennoch bringe ich den Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfas­sungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbediens­tetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftli­che Landeslehrpersonen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert wer­den (Dienstrechts-Novelle 2022) (1576 d.B.) TOP 1

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Art. 6 Z 1h (§ 5 Abs. 11 Landesvertragslehrerpersonengesetz 1966) lautet:

„Landesvertragslehrpersonen in der Induktionsphase, die über eine Lehramtsausbildung verfügen, sind nach Möglichkeit im Rahmen ihrer Lehrbefähigung vorrangig zu verwen­den. Weiters sind sie nicht für die Wahrnehmung der Funktion einer Klassenvorständin oder eines Klassenvorstandes sowie zu dauernden Mehrdienstleistungen heranzuzie­hen, sofern sie das wünschen. Die Heranziehung zur Klassenlehrerin oder zum Klassen­lehrer an einer Volksschule ist jedoch zulässig.“


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Begründung

Die Änderungen gewähren Schulleitungen die notwendige Flexibilität, die vor allem an Pflichtschulen notwendig ist, um den Schulbetrieb im Herbst sicherzustellen.

*****

Reparieren Sie Ihre Novelle!

Zum Schluss: Danke an alle Kolleginnen und Kollegen in den Schulen für ihren unermüd­lichen Einsatz. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht daher auch mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Christian Lausch, Sie sind als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.


11.08.15

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Vizekanzler! Wir bedanken uns nicht nur beim öffentlichen Dienst, wir Freiheitliche geben dem öffentlichen Dienst nicht nur Wertschätzung, wir unterstützen nicht nur den öffent­lichen Dienst, sondern wir arbeiten auch für den öffentlichen Dienst und arbeiten auch dabei mit, den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, Probleme zu lösen.

In diesem Sinne bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Absicherung für 50+ Bedienstete im Sicherheitsbereich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die langgedienten Bediensteten im Sicherheitsbereich den Rückzug aus dem Schicht- und Wechseldienst ohne Gehaltseinbruch durch den Wegfall von Zulagen ermöglicht.“

*****

Herr Vizekanzler, ich würde Sie wirklich bitten – weil Sie ja gesagt haben, die Dienst­rechtsreform im Herbst gibt dann mehr her –, diesen wichtigen Punkt einzuarbeiten. Das ist ein Problem im öffentlichen Dienst. Da gibt es keine Altersteilzeit wie in der Privat­wirtschaft. Die Bediensteten, die Schicht- und Wechseldienst, Wochenenddienst, Nacht­dienst leisten und dann in die Jahre 50 plus, nahe an die Pension kommen, haben da Probleme, und die haben es sich nicht verdient, sich von gewissen Dienststellenleitern piesacken zu lassen, weil sie gesundheitlich nicht mehr so gut mithalten können. Bitte nehmen Sie das auf, lassen Sie das einfließen! Die öffentlich Bediensteten 50 plus wer­den es Ihnen danken. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Lausch, Christian Ries

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 70

betreffend Absicherung für 50+ Bedienstete im Sicherheitsbereich

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2658/A der Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Mag. Eva Blimlinger, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienst­rechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrperso­nen-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden (Dienst­rechts-Novelle 2022) (1576 d.B.) (TOP 1) in der 169. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 8. Juli 2022.

Der österreichische Staat ist derzeit mehr denn je gefordert gesetzliche Voraussetzun­gen zu schaffen, die im Kampf gegen die Kriminalität wirksames Handeln ermöglichen. Es geht darum auch in Zukunft den Österreicherinnen und Österreichern Schutz und Hilfe in allen Bedrohungsszenarien gewähren zu können.

In Zeiten extremer Migrationsbewegungen und globaler Gesundheitskrisen ist es dem Engagement und der Einsatzbereitschaft öffentlich-rechtlich Bediensteter im Sicher­heitsbereich, insbesondere bei Polizei, Justizwache und anderen ähnlichen Berufsgrup­pen des öffentlichen Dienstes, zu verdanken, dass die Sicherheitslage nicht weiter aus den Fugen gerät.

Es gilt daher gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die öffentlich-rechtlich Bediensteten im Sicherheitsbereich im Kampf gegen Kriminalität auch in Zukunft wirk­sam agieren können. Durch verbesserte dienstliche Rückzugsmöglichkeiten (exekutiver Innendienst, Verwaltungsdienst ect.) soll langgedienten Bediensteten im Sicherheitsbe­reich der Rückzug aus dem Schicht- und Wechseldienst ermöglich werden. Dabei soll der Verlust etwaiger Zulagen stufenweise abgefedert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nunmehr folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die langgedienten Bediensteten im Sicherheitsbereich den Rückzug aus dem Schicht- und Wechseldienst ohne Gehaltseinbruch durch den Wegfall von Zulagen ermöglicht.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Es ist nun niemand mehr dazu zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Tagesord­nungspunkte 1 und 2.

11.10.332. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2575/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein


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Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommu­nikationsbehörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG) geän­dert wird (1580 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz. – Bitte.


11.11.01

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf der Galerie und Zuseherinnen und Zu­seher zu Hause vor den Bildschirmen! Die österreichische Medienlandschaft ist ja bunt und vielfältig. Das reicht von den öffentlich-rechtlichen bis zu den privaten, nicht kom­merziellen und freien Radios. Das große Interesse, nicht nur von uns, sondern der ge­samten Gesellschaft, ist es, genau diese Medienvielfalt zu erhalten und noch zu stärken.

Es gibt einen unterschiedlichen Bedarf an Fördermaßnahmen. Im Moment läuft gerade ein breiter Diskussionsprozess mit allen Stakeholdern unter der Ägide der Frau Bun­desministerin, und wir werden heute schon eine dieser Fördermaßnahmen beschließen. Meine Kollegin Mag. Eva Blimlinger wird das dann noch näher erörtern.

Ich darf allerdings gleich folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Selbständigen Antrag 2575/A be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird (1580 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In der Novellierungsanordnung Z 3 wird im Text des § 44 Abs. 31 im ersten Satz die Datumsangabe „1. Juni“ durch die Datumsangabe „1. Jänner“ und im zweiten Satz die Datumsangabe „30. Juni“ durch die Datumsangabe „1. August“ ersetzt.“

*****

Wenn ich das richtig sehe, sind das mein letzter Antrag und meine letzte Rede als Abgeordnete in diesem Haus. Wenn ich es Revue passieren lasse, dann gab es in diesen vergangenen fünf Jahren auch in diesem Raum viele Menschen, die mir mehr zugetraut haben als ich mir selbst. Das ist ein bisschen etwas, das Frauen begleitet: Selbstzweifel. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den Frauen und den Mädchen auszurichten: Traut euch was, traut euch etwas zu! Seid stark, seid laut, dann bekommt ihr alles, was ihr wollt! (Abg. Brandstötter: Schön wärʼs! – Zwischenruf der Abg. Herr.)

Auch an meine Kolleginnen und Kollegen hier und natürlich auch an die Damen, die jetzt auf der Seite der Sozialdemokratie ein bisschen lauter werden, der Appell: Die Frauen in der Öffentlichkeit sind nicht nur in der Politik, sondern auch im Journalismus, in der Kunst, in der Kultur sehr oft verbaler, sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Ich möchte wirk­lich, dass wir alle gemeinsam laut sind, immer wieder darauf hindeuten, das öffentlich diskutieren. Ich kann euch versprechen, dass ich auch in meiner nächsten Funktion in der Volksanwaltschaft diese Frauenrechte, die Menschenrechte sind, hochhalten werde und diese immer verteidigen werde. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen, SPÖ und NEOS.)


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Dafür, dass ich als Quereinsteigerin ohne Parteivergangenheit wegen meiner ehrenamt­lichen Tätigkeit seinerzeit von Sebastian Kurz in die Politik geholt wurde, danke ich ihm ausdrücklich, genauso wie dem damaligen Landesparteiobmann. (Ruf bei der SPÖ: Danke, Basti!) Das war der Beginn einer Reise mit sehr viel Lernfähigkeit und Lernmög­lichkeit, auch hier im Hohen Haus, mit sehr vielen Herausforderungen.

Und glauben Sie mir: Gesundheitssprecherin in einer Pandemie zu sein ist tatsächlich etwas ganz Spezielles. Ich hätte diese Aufgabe ohne die großartige Unterstützung des Parlamentsklubs und die Expertise des Mannes an der Spitze unserer Gesundheits­gruppe, der alles zu diesem Thema weiß, Dr. Philipp Hartig, nicht bewältigen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich weiß die Gesundheit bei meinen Kollegen Werner Saxinger, Sepp Smolle und Karlheinz Kornhäusl auch weiter­hin in guten Händen.

Ich konnte mir immer sicher sein, dass mein direkter Sitznachbar – das ist Peter Haub­ner, der im Moment krank ist und dem ich baldige Besserung wünsche – mir immer mit Rat und Tat in der Arge WB zur Seite stand, und dafür bin ich ihm außerordentlich dank­bar.

Ich werde einige unter den Kolleginnen und Kollegen – das meine ich durchaus fraktions­übergreifend – in Zukunft sicher vermissen, aber ich bin ja nicht ganz weg, ich komme ja wieder, nur auf der anderen Seite.

Axel Melchior, dir danke ich gemeinsam mit dem Bundeskanzler für dein Verständnis, dass ihr das gut habt nehmen können, als ich im vergangenen Herbst, weil ich gesund­heitlich komplett am Ende war, die Funktion in der Bundespartei zurückgelegt habe, aber uns verbindet mehr. Uns verbindet Freundschaft, und das wird dementsprechend auch so bleiben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Apropos zurückziehen: Ich werde mich in meiner nächsten Funktion aus allen parteipoli­tischen Funktionen zurückziehen. Ich werde allerdings den Kontakt mit dem burgenländi­schen Landesparteiobmann wegen eines ganz speziellen Erfahrungsaustausches hal­ten. Er ist Europaabgeordneter in Brüssel und ist dort stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses für Menschenrechte. Ich habe Erfahrungsaustausch immer hochge­halten, und das betrifft auch diesen Fall.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch wirklich außerordentlich bei einer ganz starken Frau bedanken, das ist die Klubobfrau der Grünen Sigi Maurer. Sigi, du bist mir immer auf Augenhöhe begegnet, und das habe ich dir extrem hoch angerechnet. Auch die Zusammenarbeit mit unserem Klub funktioniert wirklich tadellos. Chapeau! Danke viel­mals dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Da bin ich jetzt schon bei jenem, mit dem es so gut funktioniert, nämlich bei unserem Klubobmann Gust Wöginger. Lieber Gust, du hast mir von Anfang an extrem viel zu­getraut und auch vertraut. Das hat nicht nur damit zu tun, dass wir gemeinsam aus dem Roten Kreuz kommen und dass die Liebe zum Menschen von uns beiden, glaube ich, nicht nur so gesagt, sondern auch tatsächlich gelebt wird. Du hast mich immer wieder überrascht, zuletzt auch mit dem Anliegen, ob ich die Volksanwaltschaft übernehmen möchte, und die Schnappatmung von mir hast du auch ganz gut nehmen können. Du hältst diese Gruppe extrem gut zusammen. Du bist ein Mann mit Anstand, der allen re­spektvoll gegenübertritt, der immer wieder motiviert, der Haltung hat. Gust, du bist wirk­lich einer von den ganz Guten! Vielen Dank für alles! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich durfte jetzt viereinhalb Jahre hier arbeiten, ich werde demnächst 60. Das erklärt auch, dass ich nicht versorgt sein muss, sondern ich könnte tadellos in Pension gehen. Das möchte ich aber nicht, denn ich möchte weiter für die Menschen in Österreich arbeiten, und das wird mir in der nächsten Funktion wirklich möglich sein.


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Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, das uns zu Toleranz, zu Anstand und Re­spekt erzogen hat. Meine Schwester und ich waren von klein auf damit konfrontiert, dass in unserer Familie kein Unterschied nach Herkunft, nach Geschlecht, nach Sexualität, nach Hautfarbe, was auch immer gemacht wurde. Mein Vater ist als Präsident des Öster­reichischen Roten Kreuzes Burgenland verstorben, meine Mutter ist seit über 30 Jahren in der Sterbebegleitung tätig, und meine Schwester und ich arbeiten ehrenamtlich in der Krisenintervention. Das erklärt auch, wie gesagt, die Liebe zum Menschen.

Ich war 1989 an der Grenze, als die DDR-Bürger zu uns kamen, in Mörbisch, und ich war 2015 in Nickelsdorf nicht nur dabei, sondern mittendrin. Ich achte das Recht auf Leben, auf Freiheit, auf Sicherheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, um nur ei­niges zu nennen, was uns alle täglich begleiten sollte. Ihnen und euch allen wünsche ich, dass das auch unsere oberste Prämisse und Priorität bleibt. (In Richtung des Abg. Lindner:) Weil du mich gerade anschaust, Mario: Ich verlasse mich auf dich, du weißt schon in welcher Frage. (Abg. Lindner nickt.)

Ich wünsche euch allen einen klaren Kopf, einen geraden Rücken und ein offenes Herz, um für die Menschen in Österreich zu arbeiten. – Alles Gute! (Lang anhaltender, von der ÖVP stehend dargebrachter Beifall bei ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS. – Abg. Wöginger überreicht der Rednerin einen Blumenstrauß.)

11.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Mag.ª Eva Blimlinger

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den selbständigen Antrag 2575/A be­treffend ein Bundesgesetz, mit das KommAustria-Gesetz geändert wird (1580 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. In der Novellierungsanordnung Z 3 wird im Text des § 44 Abs. 31 im ersten Satz die Datumsangabe „1. Juni“ durch die Datumsangabe „1. Jänner“ und im zweiten Satz die Datumsangabe „30. Juni“ durch die Datumsangabe „1. August“ ersetzt.

Begründung

Zur Sicherstellung einer einheitlichen und vollständigen Bereitstellung der für die Förder­vergabe bereitzustellenden Mittel in der Höhe von insgesamt 5 Mio Euro pro Jahr und zur Verwaltungsvereinfachung wird das Inkrafttretensdatum geändert und das Datum für die an die RTR-GmbH erfolgende Überweisung der Mittel für den nichtkommerziellen Rundfunkfonds mit dem für den Fonds zur Förderung der digitalen Transformation fixier­ten Termin abgestimmt.

*****


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Schwarz, zuerst einmal: Ihr Abänderungs­antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Ich darf Sie auch persönlich zur Wahl zur Volksanwältin ganz herzlich beglückwünschen. Wir wünschen Ihnen alles Gute für diese neue Funktion. Die Tätigkeit in der Volksanwalt­schaft ist ja keineswegs ein Abschied aus dem Nationalrat und dem österreichischen Parlament, sondern nur in der Funktion als Abgeordnete.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 74

Sie übernehmen eine ganz wichtige Funktion an der Schnittstelle zwischen den Bür­gerInnen und der Verwaltung und natürlich auch dem Parlament. So gesehen wird die Zusammenarbeit zwar eine neue sein, hoffentlich auch eine noch breitere, und dafür wünsche ich Ihnen alles Gute. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Ga­briela Schwarz: Vielen Dank! Danke!)

Frau Abgeordnete Schatz, Sie gelangen jetzt in der Debatte zu Wort. – Bitte.


11.20.12

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Vorsitzende! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gaby Schwarz! Ich möchte die Gelegenheit schon auch nutzen, mich bei dir für den trotz der inhaltlichen Differenzen sehr wertschätzenden Austausch zu bedanken, den wir über die letzten Jahre hinweg hatten. Das ist nicht selbstverständlich, dafür möchte ich wirklich Danke sagen. Sie wissen, wir als Sozialde­mokratInnen sind immer an der Seite der Frauen, wenn es darum geht, gegen Sexismus und für Gleichberechtigung zu kämpfen. Dazu sind wir immer bereit, und wir greifen es natürlich gerne auf, dass wir da gemeinsam mit der Frau Ministerin aktiv werden und etwas tun. Es freut mich, dass wir uns demnächst im Volksanwaltschaftsausschuss wie­dersehen werden und dass wieder eine Frau in der Volksanwaltschaft tätig ist. Alles, alles Gute! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Gabriela Schwarz: Danke schön!)

Zum vorliegenden Gesetzesantrag: Wir diskutieren die Gesetzesänderung und eine Er­höhung der Mittel für den nicht kommerziellen Rundfunk. Wir alle wissen, dass der nicht kommerzielle Rundfunk gerade auf lokaler und regionaler Ebene einen wichtigen Beitrag leistet. Er füllt Nischen in der Medienvielfalt. Er trägt auch zur Medienkompetenz bei, weil es dort auch möglich ist, sich selbst zu beteiligen, vor der Kamera zu stehen, vor dem Mikro zu stehen, genauso wie dahinter. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt.

Als Oberösterreicherin möchte ich da exemplarisch das DorfTV erwähnen, Radio FRO oder das Freie Radio Salzkammergut oder auch das Freie Radio Freistadt, in denen beispielsweise Atomkraft bedingt durch die Nähe zum tschechischen Atomkraftwerk Te­melín immer wieder Thema ist.

Das zeigt auch, wie wichtig es ist, die Vereinstätigkeit, die lokale Kultur, eben regionale Themen entsprechend aufzugreifen. Wir haben immer erklärt, dass es wichtig ist, die finanziellen Mittel für diese nicht kommerziellen Rundfunksender entsprechend zu er­höhen. Wir haben das mit unterschiedlichen Anträgen gemacht, die wir über die Jahre eingebracht haben, vor allem bei der letzten Beschlussfassung, als die Mittel für die pri­vaten kommerziellen Rundfunksender entsprechend erhöht worden sind. Und jetzt liegt eben die Erhöhung der Mittel für die nicht kommerziellen Rundfunksender vor. Das ist ganz, ganz wichtig, wir stehen dazu und unterstützen diesen Antrag, der die Mittel jetzt auf 5 Millionen Euro im Jahr erhöhen wird. Das ist ganz, ganz wichtig. Ich möchte an dieser Stelle auch allen nicht kommerziellen Rundfunksendern für ihre oft schwierige Arbeit ganz herzlich danken.

Lassen Sie mich die Gelegenheit aber auch noch nutzen, auf einen Antrag der SPÖ im Ausschuss hinzuweisen, der – surprise! – leider vertagt wurde. Es geht darum, dass wir endlich eine Reform der Medienförderung brauchen. – Frau Bundesministerin! Sie ha­ben diese Reform ja auch schon längst angekündigt. Wir warten darauf, weil die aktuelle Medienförderung wirklich einfach antiquiert ist, überholt ist und es Zeit wird, dass wir entsprechend handeln. Sie kommt aus einem Analogzeitalter.

Was ganz, ganz wichtig ist: Wir müssen die aktuelle Schieflage der intransparenten In­seratenvergabe zur Medienförderung endlich beseitigen. (Abg. Ottenschläger: Vor al­lem in Wien!) Frau Ministerin! Wir warten auf Ihren Vorschlag. Wir stehen bereit, wenn es darum geht, in diesem Bereich zusammenzuarbeiten. Sie müssen nur auf uns zukom­men. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.23



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 75

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


11.23.42

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich freue mich sehr, dass wir heute die Erhöhung der Mittel für den nicht kommerziellen Rundfunk auf 5 Millionen Euro beschließen können. Das rettet einige. Da muss ich schon sagen, dass es mich freut, dass die NEOS und die SPÖ dem zustimmen werden.

Noch mehr würde mich freuen, wenn die beiden Parteien, die in Wien ja gemeinsam in einer Koalition sind, auch dafür sorgen würden, dass Okto weiterhin eine Förderung be­kommt. Diese wurde nämlich gestrichen. Das Bekenntnis zum Nichtkommerziellen sollte vielleicht auch in der Stadt Wien auf fruchtbaren Boden fallen. Zur Begründung dafür, dass man ein analoges Fernsehen wie Okto nicht weiter fördern will, kann ich nur sagen, dass die Koalition aus NEOS und SPÖ dann sofort die Förderung für W24 – ein bisschen ein Propagandasender, würde ich sagen (Abg. Ottenschläger: Sehr richtig!) – einstellen müsste, denn dieser ist analog. Es würde mich also freuen, wenn Sie das, was Sie hier für die Nichtkommerziellen machen, vielleicht auch noch einmal in der Wiener Landes­regierung deponieren könnten.

Kollegin Schatz hat es schon gesagt: Es handelt sich um die unterschiedlichsten, vor allem regionalen und lokalen Sender für den Medienstandort Österreich. Keine Sorge, wir arbeiten an einer Neukonzeption der Medienförderung. Wie Sie wissen, ist das nicht ganz einfach, denn es gilt, sie auf neue Füße zu stellen. Es ist ein sehr umfassender Bereich, der vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis hin zu den Straßenzeitungen und Zeitungen wie „Biber“, die gratis verteilt werden, reicht. Wir sind da in bestem Einverneh­men an der Arbeit und wir werden schauen, dass wir das hinbekommen.

Liebe Gaby Schwarz! Es war mir eine große Freude, mit dir als Medienexpertin du hast ja Jahrzehnte im ORF gearbeitet  zusammenzuarbeiten. Ich hoffe, dein Nachfolger, deine Nachfolgerin als Mediensprecher  du warst ja jetzt eigentlich schon die zweite  bringt ein ähnliches Engagement, Drängen und Kenntnis mit, damit die Zusammenarbeit so weitergeht. Ich hoffe allerdings, dass du auch als Volksanwältin weiterhin deine schützende Hand über das nicht kommerzielle Radio OP, den Verein Radio Gymnasium, im Burgenland halten wirst, denn das war dir auch immer ein Anliegen. Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit! Du wirst als Volksanwältin ähnlich kämpferisch sein, wie du es hier warst, davon bin ich überzeugt. Wir werden es dann im Ausschuss hören, was du alles gemacht hast. In diesem Sinne: Herzlichen Dank und alles Gute!

Im Übrigen bin ich natürlich nach wie vor der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden muss. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


11.27.03

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass nicht kommerzielle Radios und TV-Sender mehr Förderung erhalten. Das ist ein Beitrag zu mehr Diversität in der Medienlandschaft. Es gibt Menschen eine Stimme, die sonst nur wenig gehört werden, und es trägt natürlich auch zur Medienkompetenz bei.

Diese Aufstockung der Fördermittel darf aber nicht davon ablenken, dass wir im Bereich der Medienpolitik unfassbar viele Baustellen haben. Die Speisekarte ist sehr umfang­reich. Ich spreche einige Punkte an: Wo bleibt das neue ORF-Gesetz? Wie wollen wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 76

die Digitalisierung in Richtung Zuseher angehen? (Abg. Blimlinger: 74 Millionen Euro gibt es! Hallo!) Kommt eine Streamingplattform, und wenn ja, wann kommt sie? Wer sind dann eigentlich die Stakeholder, die da beteiligt sind? Fällt die Sieben-Tage-Regelung? Wann fällt die? Gibt es online first und online only? (Abg. Blimlinger: 74 Millionen Euro für die Digitalisierung!) Und was bedeutet das eigentlich im Kräfteparallelogramm mit den Privaten und mit den Zeitungsherausgebern, damit auch in diesem Bereich die Di­versität nicht völlig an die Wand gedrückt wird?

Gibt es Ideen zur Zukunft der „Wiener Zeitung“? Mit Jahresende ist das Geschäftsmodell der „Wiener Zeitung“, nämlich die Pflichtveröffentlichungen, Geschichte. Ich finde schon, dass sich die älteste Tageszeitung der Welt und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Debatte über ihre Zukunft auf einer wertschätzenden Ebene verdient haben. (Abg. Blimlinger: Es wird permanent mit ihnen geredet! Erkundigen, Frau Kollegin!)

Gibt es zum Thema Fakenews und Desinformationskampagnen irgendwelche Ideen? Jetzt haben wir gerade vor wenigen Tagen diverse Bürgermeister in ganz Europa ge­habt, die auf Shellfakes reingefallen sind. Ich meine, das ist ein Alarmzeichen, da ist Feuer am Dach (Abg. Blimlinger: Das hat nichts mit Medienförderung zu tun! Inkompe­tenz der Bürgermeister!), und da haben wir keine adäquate Antwort. – Frau Blimlinger, Sie können sich dann gerne hier ans Rednerpult stellen und auch eine Rede halten, aber jetzt halte ich eine Rede, mit wichtigen Anliegen, die uns auch Stakeholder aus der Medienbranche mitgegeben haben. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist in Österreich ungeheuer leicht, einen Fernsehsender zu gründen. Man muss nur unbescholten und EWR-Bürger sein, und schon kann man mit einem Bescheid der KommAustria anfangen, auf Youtube zu senden und sich dann in weiterer Folge auch in diverse Kabelnetze einkaufen. Damit ist man dann auch sehr schnell etwas, was Men­schen als echten Fernsehsender betrachten. Schauen wir allein nach Oberösterreich: Mit RTV haben wir einen Schwurbelsender wie aus dem Bilderbuch. Die KommAustria ist da dran, allerdings sind ihr die Hände gebunden. Da gibt es auch überhaupt keine Ideen, wie wir dem adäquat begegnen können.

Apropos KommAustria: Die wird ja auch im Herbst neu besetzt, und ich hoffe, dass die Besetzung der KommAustria transparenter und letztendlich weniger die Behörde be­schädigend funktionieren wird, als das bei der RTR der Fall war, die auch eine einzige Baustelle ist.

Was ist mit der Datenbank der RTR? Wann wird dieses Ding neu aufgesetzt, damit wir endlich Transparenz darüber haben, wie viel die öffentliche Hand eigentlich wirbt?

Apropos Transparenz: Bezüglich Informationsfreiheitsgesetz passiert auch überhaupt nichts. Die Begründung ist, das würde den Gemeinden zu viel Arbeit machen. Da habe ich einen Tipp: Wenn man transparente, ehrliche Politik macht, dann gibt es seitens der Medien, seitens der Menschen viel weniger Gründe, nachzufragen, was denn eigentlich in diesem Land passiert, und dann hätte man auch nicht so viel Arbeit.

Im Ranking der Pressefreiheit sind wir auf Platz 31 abgestürzt. Mittlerweile glaubt jeder vierte Österreicher, dass man sich Medien in diesem Land kaufen kann und dass Journa­listinnen und Journalisten dann schreiben, was immer man möchte, und das ist drama­tisch. Wenn Menschen das Vertrauen in die Medien verlieren, dann verlieren sie das Vertrauen in die Demokratie, dann ist das gesamte Ding in Gefahr. Sie machen in die­sem Zusammenhang leider nichts.

Letzter Punkt: Wo bleibt die Neuordnung der Presse- und Medienförderung? Wir haben nach wie vor einen Umgang mit Inseraten der öffentlichen Hand, der einfach lachhaft ist. „Was bringt die Erhöhung des Familienbonus Plus fürs Familienbudget?“ – Das ist ein Inserat des Finanzministeriums (eine Tafel mit dem erwähnten Inserat in die Höhe hal­tend ), das derzeit in diversen Medien geschalten wird und im öffentlichen Raum zu sehen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 77

ist. Dieses Inserat hat keinen einzigen Mehrwert für irgendeinen Bürger oder irgendeine Bürgerin in diesem Land. Der Familienbonus Plus wird automatisch aktiviert! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist eines von vielen, vielen Beispielen der öffentlichen Hand (Zwischenruf des Abg. Zarits), in diesem Fall des Finanzministeriums, das nach der Kampagne letzten Oktober, als die größte Steuerreform der Zweiten Republik angekündigt worden ist – zu einem Zeitpunkt übrigens, als diese vom Parlament noch gar nicht beschlossen war –, ja noch Besserung gelobt hat. Damals wurde vom neuen Finanzminister Besserung gelobt, aber das hat halt auch nur wenige Monate gehalten, und jetzt haben wir schon wieder Kam­pagnen, die keinen Mehrwert haben und ein Vermögen kosten. (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Stattdessen sollten wir endlich die Presse- und Medienförderung auf neue Beine stellen, damit eben die Medien nicht über Inserate finanziert werden und vom Goodwill vor allem der ÖVP abhängig sind. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!)

Schlusssatz: Wenn Gaby Schwarz, der ich alles Gute für ihre Zukunft wünsche, und das meine ich sehr ernst, sagt, es gebe derzeit einen breiten Diskussionsbeitrag, was Me­dienpolitik betrifft, dann muss ich sagen, dass Medienbetreiber das ein bisschen anders sehen. Vor allem sind die Chefredakteure nicht eingeladen worden und haben deshalb auch einen öffentlichen Brief geschrieben. (Abg. Blimlinger: Okto Wien!) Das Wort breit scheint also irgendwie sehr unterschiedlich gesehen zu werden. (Abg. Blimlinger: Vielleicht machst du einmal etwas?! Okto Wien!) Ja, vielen Dank, Frau Kollegin, und Sie können sich jetzt gerne zu Wort melden und uns hier, vom Rednerpult aus, diverse Dinge ausrichten, aber nicht immer von draußen reinstänkern! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

11.32


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die De­batte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

11.32.54Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 und 2


Präsidentin Doris Bures: Ich würde jetzt zu den verlegten Abstimmungen kommen und frage die Fraktionen, ob wir gleich fortfahren können. – Mir wird Zustimmung signalisiert. Dann gehe ich auch so vor.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend Dienstrechts-Novelle 2022 in 1576 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mi­chael Hammer, Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abgeordneten Hammer, Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 2, 3 und 4 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 6 Z 1h eingebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 78

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Die Abgeordneten Hammer, Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Einfügung von neuen Ziffern 1m und 1p in Artikel 6 und die daraus resultierende Umnummerierung der Folgeziffern sowie betreffend Art. 6 Z 2 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stillstand in der Weiterent­wicklung des Dienstrechts, Stärkung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Absicherung für 50+ Bedienstete im Si­cherheitsbereich“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunika­tionsbehörde Austria geändert wird, in 1580 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Schwarz, Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abände­rungsantrag betreffend Ziffer 3 eingebracht.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.


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11.37.113. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 2678/A der Ab­geordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, sowie

über den Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Rücknahme der Indexierung der Familienbeihilfe sowie

über den Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe so­wie

über den Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967) und das Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988) geändert werden (1633 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 3. Punkt unserer heutigen Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber. – Bitte.


11.38.25

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Werte Damen und Herren! Ja, die Anpassung von Familienleistungen an die Kaufkraft jenes Landes, in welchem ein Kind wohnt, war ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit und Fairness und ist damals unter der freiheitlichen Regierungs­beteiligung umgesetzt worden.

Der Europäische Gerichtshof hat am 16. Juni 2022 entschieden, dass die Indexierung der Familienbeihilfe und verschiedener Steuervergünstigungen wie Kinderabsetzbetrag, Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhaltsabsetzbetrag, Fami­lienbonus Plus nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Das Urteil ist zur Kenntnis zu nehmen. Das muss aber auch zur Folge haben, dass Österreich zukünftig überhaupt keine Familienbeihilfe mehr an im Ausland wohnhafte Kinder bezahlt, denn die Natio­nalstaaten sollen selbst entscheiden. Wir in Österreich sollen selbst entscheiden, unter welchen Bedingungen zukünftig die Familienbeihilfe in das jeweilige Ausland für Kinder, die nicht in Österreich wohnen, bezahlt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Argument, das immer wieder von den NEOS und von der SPÖ kommt, nämlich dass Eltern, die in Österreich arbeiten, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen und deswegen einen Anspruch auf unsere Familienleistungen haben, ist völlig verfehlt. Dieses Argument ist völlig daneben! Dazu kommt noch, dass einige Staaten, in denen diese Kinder leben, gar kein Kindergeld bezahlen müssen, während Österreich zur Kas­se gebeten wird – und das kann es auch nicht sein!

Worum geht es eigentlich bei dieser Angelegenheit? – Konkret geht es um die EU-Ver­ordnung 883/2004, in der grenzüberschreitende Sachverhalte zur Anwendung kommen und die Sozialversicherungsleistungen koordiniert, etwa wenn eine Person in einem Land wohnt, aber in einem anderen Land arbeitet. Das betrifft die Leistungen des Ar­beitslosengelds, also den ganzen Bereich der Arbeitslosigkeit, Leistungen bei Krankheit, das heißt Krankengeld, Rentenansprüche – alles, was so in den Sozialbereich gehört.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 80

Die Familienbeihilfe ist eine Familienleistung und keine Sozialleistung, und das wird ständig vermischt! Es werden da ständig immer Äpfel und Birnen vermischt – das sind zwei verschiedene Dinge! Immer wieder vermischt man es, und das ist nicht korrekt und es ist auch nicht richtig. Wenn man sich das genauer anschaut, sieht man nämlich, dass die Familienbeihilfe auch an Eltern bezahlt wird, die gar nicht erwerbstätig sind – das ist aber auch ausschlaggebend, ob Eltern Steuern oder eben Sozialversicherungsbeiträge zahlen –, und natürlich auch, wenn das Kind nicht in Österreich wohnhaft ist.

Der Grund für die Einführung der Indexierung von Familienleistungen war für uns damals unter anderem, dass die Familienbeihilfe an die tatsächlich anfallenden Lebenshaltungs­kosten angepasst wird, und die Höhe der Lebenshaltungskosten hängt wiederum von dem Land ab, in dem das Kind wohnhaft ist. Und auch wenn jetzt das Urteil des Euro­päischen Gerichtshofes anerkannt wird, wird die Indexierung der Familienleistungen wei­terhin für sinnvoll erachtet.

Dazu bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Indexie­rung der Familienbeihilfe“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien, wird aufgefordert, sämtliche Möglichkeiten in Bezug auf die Anpassung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen familiären Steuer­vorteilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist, zu prüfen und alle erforderlichen Schritte zu un­ternehmen, damit es in Österreich ehebaldigst wieder zu einer Indexierung der Fami­lienleistungen kommt.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

11.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Edith Mühlberghuber

und weiterer Abgeordneter

betreffend Indexierung der Familienbeihilfe

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 3, Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 2678/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichs­gesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden sowie über den Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Rücknahme der Indexierung der Familienbeihilfe, den Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auf­hebung der Indexierung der Familienbeihilfe und den Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das


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Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Bei­hilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und das Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuerge­setz 1988 – EStG 1988) geändert wird (1633 d.B.)

in der 169. Sitzung des Nationalrates am 8. Juli 2022

Für Kinder, die nicht in Österreich wohnhaft sind, müssen laut den Vorschriften der EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009 Familienleistungen bezahlt werden, wenn ein El­ternteil in Österreich erwerbstätig ist oder einen Rentenanspruch hat.

Am 1. Jänner 2019 führte Österreich einen nach dem allgemeinen Preisniveau im jeweils betreffenden Mitgliedstaat basierenden Anpassungsmechanismus für die Berechnung der Pauschalbeträge der Familienbeihilfe und verschiedener Steuervergünstigungen (Kinderabsetzbetrag, den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Al­leinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag) ein, die Erwerbstätigen ge­währt werden, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

Grund für die Einführung der Indexierung von Familienleistungen war unter anderem, dass es die Grundsätzliche Intention der Familienbeihilfe ist, für die Eltern einen teil­weisen finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastung zu schaffen, die ihnen u.a. durch die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung und Erziehung von Kindern ent­steht. Insofern orientiert sich die Höhe der Entlastung durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag – dem Funktionsgleichheit in Bezug auf die Familienbeihilfe zu­kommt – an den tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten. Die Höhe der Lebens­haltungskosten wiederum hängt naturgemäß vom Wohnort der Kinder ab und kann da­her entsprechend differieren.1

Ein vom Bundesministerium für Finanzen im Jahr 2017 eingeholtes Rechtsgutachten hat u.a. Folgendes festgehalten:

„Die österreichische Familienbeihilfe ist nach der Intention des Gesetzgebers und der Judikatur des VfGH funktional eine teilweise Entlastung von der aus der Unterhaltspflicht erfließenden Belastung. Innerhalb des dualen Systems der Familienentlastung kommt der Familienbeihilfe eine spezifische Funktion zu, nämlich einen Teil der Ausgaben für die Sicherstellung des dem Regelbedarf zugrundeliegenden Warenkorbs zu refundieren. Sie soll die Person, in deren Haushalt das Kind lebt in die Lage versetzen, einen Teil jener Sachgüter und Dienstleistungen, die für die Erfüllung seine Unterhaltspflicht maß­geblich sind, nicht aus seinen eigenen Mitteln, sondern mit Unterstützung und aus Mitteln der Allgemeinheit zu erwerben.

Durch die Anrechnung der Familienbeihilfe auf den in Geld zu zahlenden Unterhalt kommt es indirekt zu einer Entlastung des zur Zahlung von Geldunterhalt Verpflichteten.“

Und weiters:

„Erfolgt keine Indexierung der Familienbeihilfe nach der Kaufkraft beim Leistungsexport, treten in jeglicher Hinsicht primärrechtlich fragwürdige Effekte ein: Wird die Leistung in absolut unveränderter Höhe trotz unterschiedlicher Preisniveaus gewährt, kommt es ent­weder zu einer Überförderung oder Umverteilung, die von den Grundfreiheiten nicht ge­fordert ist (wenn das Wohnland des Kindes ein Land mit niedriger Kaufkraft ist), oder zur Unterförderung (wenn das Wohnland des Kindes ein Land mit höherer Kaufkraft ist), die der Ausübung der Freizügigkeit entgegensteht.

Am 16. Juni 2002 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Inde­xierung der Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrages und weiterer steuerrechtlicher Begünstigungen (Alleinverdienerabsetzbetrag, Alleinerzieherabsetzbetrag, Unterhalts­absetzbetrag, Familienbonus Plus und Kindermehrbetrag) für Kinder, die sich ständig in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 82

einem anderen Mitgliedstaat der EU oder im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufgehalten haben oder aufhalten nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Aus diesem Grund sind die Indexierungsbestimmungen nicht mehr anzuwenden.

Auch wenn das Urteil des EuGH anerkannt wird, wird die Indexierung der Familienleis­tungen weiterhin für sinnvoll erachtet. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher fol­genden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integra­tion und Medien, wird aufgefordert, sämtliche Möglichkeiten in Bezug auf die Anpassung der Höhe von Familienleistungen, Kinderabsetzbeträgen und anderen familiären Steuer­vorteilen für EU-Bürger, die in Österreich arbeiten, deren Kinder aber im Ausland leben, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist, zu prüfen und alle erforderlichen Schritte zu un­ternehmen, damit es in Österreich ehebaldigst wieder zu einer Indexierung der Familien­leistungen kommt.“

1 Siehe 111 d. B:, XXVI. GP, Erläuterungen

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Alexandra Tanda, Sie gelangen als Nächste zu Wort. – Bitte.


11.43.33

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! „Neun richtig“, das ist der Titel eines Buches, das uns darauf aufmerksam machen möchte, dass wir als Gesellschaft dazu neigen, immer das zu sehen, was nicht gut ist, das, was fehlt. Gerade die Oppo­sition spielt ja hervorragend auf diesem Klavier, Klappern gehört schließlich zum Hand­werk. Übertriebenes und polemisches Klappern schadet aber uns als Gesellschaft, das tut uns nicht gut. Selbstverständlich werden wir europäisches Recht umsetzen, das steht ja außer Frage. Die Abwicklung der Nachzahlungen der Kinderbeihilfe erfolgt rasch und automationsunterstützt, sofern zumindest eine Kontonummer vorhanden ist.

Ich selbst habe am 29. Juni in einer anderen Angelegenheit beim Finanzamt angerufen und wurde mit einer freundlichen Ansage betreffend die Abwicklung der automatisierten Nachzahlung der Kinderbeihilfe begrüßt: dass diese sehr einfach ist, dass man, wenn Daten fehlen, keinen komplizierten Antrag stellen muss, sondern dass ein ganz informel­les Schreiben genügt und es auch keine Verjährung gibt. Demnach kann ein Antrag auch noch nach 5 Jahren gestellt und die Nachzahlung durchgeführt werden.

Ich möchte in meiner Rede jetzt aber lieber den Fokus auf das legen, was gelungen ist – eben ganz im Sinne von: „Neun richtig“.

Unsere Bundesregierung unterstützt die Familien mit einer Vielzahl an Maßnahmen und trägt so zur Entlastung bei: Erhöhung des Familienbonus Plus von 1 500 auf 2 000 Euro – ich wiederhole das einfach immer wieder, weil ich immer den Eindruck habe, dass man das einfach so vergisst (Zwischenruf des Abg. Loacker) –, Erhöhung des Kindermehr­betrages auf 550 Euro, Erhöhung des Familienbonus von 500 auf 650 Euro, wenn das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 83

Kind über 18 ist, Auszahlung der Sonderfamilienbeihilfe in Höhe von 180 Euro pro Kind, und dazu kommen natürlich noch die 300 Euro Teuerungsausgleich. – Ich kann mich nur im Namen der Familien bedanken und alle dazu einladen, das Gelungene zu sehen.

Familien sind das Rückgrat unserer Gesellschaft, das wissen wir alle, und ich persönlich und auch die ÖVP stehen für solch eine familienfreundliche Politik. Gemeinsam mit un­serer Familienministerin Raab haben wir sehr viele gute Aktionen umgesetzt, die Fami­lien entlasten und unterstützen.

Als alleinerziehende Mutter einer Tochter sehe ich es als meine Aufgabe an, auch wei­terhin verantwortungsvoll mit unseren Geldern und den Geldern für familienpolitische Maßnahmen umzugehen, damit Familien gezielt und gerecht unterstützt werden. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


11.46.43

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, die Rücknahme der Indexierung der Kinderbeihilfe ist aus unserer Sicht ein Schritt in die falsche Richtung. Aus unserer Sicht war es ge­rechtfertigt, dass man hier vor allem österreichische Familien bevorzugt und das Ein­kommen für die österreichischen Familien sichert. Dass die Lebenshaltungskosten in Ländern wie Rumänien und Bulgarien ganz andere sind als hier, ist, glaube ich, jedem bekannt, und das Geld, das damit aus Österreich abfließt, fehlt auch in unserer Volks­wirtschaft.

Aus unserer Sicht war diese Indexierung also vollkommen richtig, durch die die Österrei­cher und vor allem österreichische Familien bessergestellt werden. Mittlerweile sind wir aber in einer ganz anderen und viel schwierigeren Situation. Wir sind in einer Krise, und das Familieneinkommen in Österreich leidet natürlich unter den gestiegenen Preisen und der Inflation.

In den Familien sind aber auch viele bereit – vor allem ältere Menschen –, dazu beizutra­gen, dass dieses Familieneinkommen gestärkt wird, und sie wollen helfen. Jetzt sind aber sehr viele Betroffene in der Korridorpension oder in der vorzeitigen Alterspension, der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für diese Personen extrem schwierig – es gibt sehr viele Auflagen und Hürden –, und vor allem ist er mit einem Verlust beziehungsweise mit einem Nachteil bei den Pensionen verbunden. Auf der anderen Seite braucht die Wirt­schaft dringend Leute, und da vor allem der Tourismus.

Unser Ansatz ist, dass man diesen Personen, die ja auch über ein großes Know-how und über langjährige Praxis verfügen und die auch bereit sind, da zu arbeiten, entspre­chend hilft und diese Regeln, diese Hürden ändert, damit sie keine Nachteile in der Pension haben. Also es wäre auf der einen Seite ein Riesenvorteil für die Wirtschaft, weil sie kurzfristig – und da vor allem die Gastbetriebe in der Saison – auf diese Personen zurückgreifen könnte, und auf der anderen Seite könnte damit eben das Familienein­kommen aufgebessert werden. Man kommt heute ja schon sehr schwer aus mit dem, was man zum Leben hat. Unserer Meinung nach muss das oder sollte das auf jeden Fall geändert werden.

Deshalb bringe ich einen entsprechenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Besserstellung österreichischer Familien: Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 84

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat zur Entlastung von Familien im umfassenden Sinne (Enkel, Eltern und Großeltern) eine Regierungsvorlage für ein Maß­nahmenpaket >Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt< zuzuleiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

-       Eine EU-rechtskonforme Besserstellung österreichischer Familien und insbeson­dere Arbeitnehmern 60+

-       Eine zumindest vierteljährige Valorisierung der Geringfügigkeitsgrenze in der So­zialversicherung für Arbeitnehmer

-       Eine Reduktion bzw. einen Ausgleich der Lohnnebenkosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn nach dem Pensionsantritt eine neuerliche Beschäftigung auf­genommen wird

-       Ein Förderpaket für alle jene Wirtschaftsbranchen, wo dringend qualifiziertes Per­sonal gesucht wird, um die die Expertise und Erfahrung von Pensionisten in den Arbeitsmarkt zurück zu holen

        Die Beseitigung (d.h. Reduktion und Vereinfachung) aller bürokratischen und finan­ziellen Hürden und Vorschriften, um nach dem Pensionsantritt eine eingeschränkte berufliche Tätigkeit ausüben zu können, ohne finanzielle Nachteile zu erleiden.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Besserstellung österreichischer Familien: Aktion 60 plus für den österreichi­schen Arbeitsmarkt

zu Top 3.) Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 2678/A der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteu­ergesetz 1988 geändert werden sowie über den Antrag 415/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme der Indexie­rung der Familienbeihilfe sowie über den Antrag 2282/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe sowie über den Antrag 470/A der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlas­tenausgleichsgesetz 1967) und das Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteue­rung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988) geändert wird (1633 d.B.)in der 169.Sitzung am 8. Juli 2022

Obwohl wir uns seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 mit einer wachsenden Lieferkettenproblematik und der Ukraine-Krise eigentlich in einer dauerhaften Bedro­hung des österreichischen Wirtschaftsstandortes inklusive Arbeitsplatzverlust und Mas­senarbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeit befinden, klagen viele Wirtschaftsbranchen aktuell über einen Arbeitskräftemangel.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 85

ÖVP-nahe Wirtschaftskreise haben dazu, wie seit vielen Jahren nur ein einziges Gegen­modell, die ungezügelte Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes nicht nur für alle EU-Bürger, sondern auch für Drittstaatsangehörige und Asylwerber bzw. illegale Zuwan­derer. Gleichzeitig vergisst man auf das wachsende Potential einer aktiven Generation 60 plus, die trotz Pensionsantritts noch einen gewissen Teil ihres Zeitbudgets für die Ausübung einer Beschäftigung einsetzen möchte.

Die Ausübung einer aktiven sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Pensionsantritt ist allerdings mit einer Fülle von bürokratischen und auch finanziellen Hürden verbunden, die es sowohl den Wirtschaftsbetrieben als auch den potentiell zu aktivierenden Pensionisten verleidet, für einen gewissen Zeitraum neuerlich aktiv ins Berufsleben einzusteigen und ihre Erfahrungen und Kenntnisse der Gesellschaft und Wirtschaft aktiv und gegen ein angemessenes Entgelt zur Verfügung zu stellen.

Folgende Modelle bestehen derzeit, die allerdings nicht zu einer weiteren Aktivierung dieses qualifizierten Arbeitspotentials beitragen:

Zuverdienst zur Alterspension

Neben einer Alterspension kann unbegrenzt dazuverdient werden. Der Zuverdienst ver­ringert die Pensionshöhe nicht.

Allerdings kann es zu einer Pensionserhöhung kommen: Wenn die Erwerbstätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze von 485,85 Euro pro Monat (Wert 2022) liegt und dadurch eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründet wird, erhält die Pensio­nistin/der Pensionist seit 1. Jänner 2005 einen besonderen Höherversicherungsbetrag.

Dieser Betrag gebührt erstmals ab jenem Kalenderjahr, das dem Kalenderjahr der Auf­nahme der Erwerbstätigkeit folgt.

Zuverdienst zur vorzeitigen Alterspension

Bei einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer kommt es zum Pen­sionswegfall, wenn während des Pensionsbezuges

•       eine Erwerbstätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze von 485,85 Euro pro Monat ausgeübt wird (14 Mal pro Jahr), und diese

•       eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach sich zieht.

•       Wenn die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer wegen einer Er­werbstätigkeit wegfällt, führt dies zu einer Erhöhung der "normalen" Alterspension: Die Pensionshöhe wird grundsätzlich bei Erreichen des Regelpensionsalters neu berechnet. Dabei wird für jeden Monat, in dem die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbstätigkeit weggefallen ist, die Alterspension erhöht.

Zuverdienst zur Korridorpension

Wird während des Bezugs einer Korridorpension

•       eine Erwerbstätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze von 485,85 Euro pro Monat aufgenommen und

•       eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründet,

kommt es zu einem Wegfall der Korridorpension.

Wenn die Korridorpension wegen einer Erwerbstätigkeit wegfällt, führt dies zu einer Er­höhung der "normalen" Alterspension: Bei Erreichen des Regelpensionsalters wird die Pensionsleistung für jeden Monat des Wegfalls um 0,55 Prozent erhöht.

Zuverdienst während der Pension (oesterreich.gv.at)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 86

Vor allem durch die seit 2021 explodierende Inflation und damit Geldentwertung sind die aktuellen Beträge bei der Geringfügigkeitsgrenze nicht mehr aktuell und gehören drin­gend nach oben, dh. um die aktuelle Inflation valorisiert und dies aus aktuellem Anlass auch unterjährig, dh. zumindest vierteljährig. Gleichzeitig sollte man auch eine Förde­rung von Wiedereinsteigern nach dem Pensionsantritte andenken, die insbesondere in einer Reduktion bzw. einem Ausgleich der Lohnebenkosten für Arbeitgeber und Arbeit­nehmer bestehen soll, um vor allem in allen Wirtschaftsbranchen, wo dringend qualifi­ziertes Personal gesucht wird, die Expertise und Erfahrung von Pensionisten in den Ar­beitsmarkt zurückgeholt werden kann.

Die grundsätzlich bedeutsame Entlastung von Familien in Zeiten einer galoppierenden Inflation – wie auch im Bericht 1633 d.B. betreffend des Einkommenssteuergesetzes zu­mindest intendiert – ist zu kurz gegriffen, wenn nicht auch Arbeitnehmer mit über 60 Jah­ren als Teil des Familienverbandes in ein umfassendes Paket integriert werden. Eine Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988 ohne auch ältere Arbeitnehmer zu be­rücksichtigen, die durchaus auch von Familienbeihilfenbezieher sein können, ist zu we­nig. Ein Paket zur Entlastung von Familien ohne die Berücksichtigung aller Generationen bleibt unvollständig. Wenn die Arbeitnehmer 60+ nur indirekt von einer Erhöhung der Familienbeihilfe profitieren, ist in dem Zusammenhang zu wenig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat zur Entlastung von Familien im umfassenden Sinne (Enkel, Eltern und Großeltern) eine Regierungsvorlage für ein Maß­nahmenpaket >Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt< zuzuleiten, die folgende gesetzliche Regelungen umfasst:

•       Eine EU-rechtskonforme Besserstellung österreichischer Familien und insbesonde­re Arbeitnehmern 60+

•       Eine zumindest vierteljährige Valorisierung der Geringfügigkeitsgrenze in der So­zialversicherung für Arbeitnehmer

•       Eine Reduktion bzw. einen Ausgleich der Lohnnebenkosten für Arbeitgeber und Ar­beitnehmer, wenn nach dem Pensionsantritt eine neuerliche Beschäftigung aufge­nommen wird

•       Ein Förderpaket für alle jene Wirtschaftsbranchen, wo dringend qualifiziertes Perso­nal gesucht wird, um die die Expertise und Erfahrung von Pensionisten in den Ar­beitsmarkt zurück zu holen

•       Die Beseitigung (d.h. Reduktion und Vereinfachung) aller bürokratischen und finan­ziellen Hürden und Vorschriften, um nach dem Pensionsantritt eine eingeschränkte berufliche Tätigkeit ausüben zu können, ohne finanzielle Nachteile zu erleiden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


11.50.21

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 87

Zuseher! Ja, heute ist ein guter Tag. Heute ist ein guter Tag für die Familien und ihre Kinder, denn wir beschließen die Aufhebung der Indexierung der Familienbeihilfe – end­lich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Jänner 2019 hat die türkis-blaue Regierung beschlossen, dass die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an die jeweiligen Lebenshaltungskosten des Landes an­gepasst wird, obwohl die Eltern in Österreich arbeiten, in das österreichische Sozial- und Steuersystem einzahlen, genauso wie jeder andere Arbeitnehmer sonst auch. Wir haben von Beginn an diese wirklich unfaire Indexierung, diese Maßnahme, die Familienbeihilfe zu indexieren, kritisiert. Es handelt sich um eine Ungleichbehandlung von Kindern in Europa, und wir sind froh, dass der Europäische Gerichtshof das nun erwartungsgemäß bestätigt hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieses Gesetz wurde von der damaligen türkis-blauen Regierung eingeführt und auch die türkis-grüne Regierung hat an diesem Gesetz festgehalten. Der EuGH hat nun unse­re wiederholte Kritik vollinhaltlich bestätigt und festgestellt, dass ArbeitnehmerInnen, die in anderen EU-Staaten wie in Österreich arbeiten und zum österreichischen Sozial- und Steuersystem beitragen, auch die gleichen Leistungen wie österreichische Arbeitskräfte erhalten müssen.

Ja, nun ist es so weit und die zu Unrecht einbehaltene Familienbeihilfe muss nun rasch, unbürokratisch und vor allem auch lückenlos an die Familien ausbezahlt werden. 125 000 Kinder warten seit dreieinhalb Jahren auf ihr Geld.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben im Ausschuss gesagt, dass es möglich sein wird, auf Knopfdruck die Rückzahlung über die Finanzämter in die Wege zu leiten, von 80 328 Familien seien die Daten vorhanden und eine Rückzahlung sei unverzüglich möglich. Lediglich in 281 Fällen sind keine Bankdaten vorhanden, und Sie sind bemüht, dass man diese so rasch wie möglich erhält.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wir nehmen Sie diesbezüglich beim Wort. Es muss alles unternommen werden, damit wirklich alle – alle, also jedes einzelne Kind – die ih­nen zustehenden Nachzahlungen bekommen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir nehmen Sie auch beim Wort, dass die Daten tatsächlich bei den Finanzämtern vorhanden sind und die Rückzahlung unbürokratisch ohne Antrag erfolgen kann. Wir erwarten auch, dass Sie die MitarbeiterInnen in den Finanzämtern dabei unterstützen, denn es lastet jetzt schon ein großer Arbeitsdruck auf ihnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Familienbeihilfe ist für viele Familien ein ganz we­sentlicher Bestandteil des Haushaltseinkommens und für einige Familien ist sie tatsäch­lich überlebenswichtig. Zu dieser Gruppe gehören auch die vor dem Krieg geflüchteten Ukrainerinnen mit ihren Kindern. Immer wieder haben wir – und das seit Monaten – die Regierungsparteien aufgefordert, diesen Familien den Zugang zur Familienbeihilfe endlich zu ermöglichen. Sie arbeiten in Österreich, sie leben zurzeit in Österreich und sie zahlen genauso in unser Steuersystem ein, also sollte es auch selbstverständlich sein, dass sie diese Familienleistungen bekommen.

Letzte Nacht, kurz vor Mitternacht, haben wir nun endlich einen Abänderungsantrag der Regierungsparteien erhalten, mit dem das möglich wird – im wahrsten Sinn des Wortes: spät, aber doch. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt, eine weitere Ungerechtigkeit wird also heute beseitigt. Das sind gute Nachrichten für viele Familien, für die Kinder, die diese Familien­leistungen wirklich dringend brauchen. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 88

11.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.


11.54.25

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kollegen! Werte Damen und Herren zu Hause! Ich kann die Jubelstim­mung der SPÖ nicht ganz teilen. (Ruf bei der SPÖ: Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Okay, die indexierte Familienbeihilfe wurde also gekippt, wir nehmen das als Demokraten zur Kenntnis. Ein Gerichtshof spricht aber wie gesagt Recht und nicht Ge­rechtigkeit, und ich werde Ihnen sagen, warum wir das so meinen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben damals die Höhe der Familienbeihilfe dem Lebensmittelpunkt der Kinder an­gepasst. Warum wir das gemacht haben, das können Sie heute noch auf der Service­seite der österreichischen Ministerien, oesterreich.gv.at, nachlesen. Ich zitiere wörtlich: „Um die finanzielle Mehrbelastung, die die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbrin­gung und Erziehung von Kindern verursacht, auszugleichen, wird Eltern – unabhängig von ihrer Beschäftigung oder ihrem Einkommen – Familienbeihilfe gewährt. Die Höhe der Familienbeihilfe hängt vom Alter und der Anzahl der Kinder ab.“ (Abg. Yildirim: Aber Sie müssen auch die EU-Verordnung dazu lesen!) – Diese Erklärung sagt eigentlich alles aus, Sie können das später dann zum Besten geben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Es ist also abhängig vom Alter und von der Anzahl der Kinder, weil sich damit natürlich auch die Aufwendungen erhöhen. Natürlich ist es auch abhängig davon, wo ich wohne. Für uns war es eben ein Kriterium, dass es nicht egal ist, was die Wohnung kostet, dass es nicht egal ist, was die Bekleidung, die Ausbildung, Sanitärartikel und so weiter kosten. Im Grunde genommen ist diese Erklärung auf oesterreich.gv.at selbsterklärend, daher wäre für uns die Indexierung das günstigere Modell gewesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte jetzt die Indexierung mit verrechenbaren Reisekosten für Arbeitnehmer, die auch nicht Gehaltsbestandteil sind – da bekommt man Kilometergeld –, vergleichen. Wofür gibt es das? – Ich zitiere wieder: „Das amtliche Kilometergeld ist eine Pauschalab­geltung für alle Kosten, die durch die Verwendung eines privaten Kraftfahrzeuges für Fahrten im Zuge einer Dienstreise anfallen“. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Setzen wir das ins Verhältnis: Wer mehr Aufwendungen hat, weil er mehr Kilometer ge­fahren ist, der bekommt eben mehr, um dadurch seine Mehrkosten auszugleichen. (Abg. Loacker: Wenn Ihr Kind mehr isst, bekommt es auch Familienbeihilfe!) Es wird also die Anzahl der Kilometer ins Verhältnis zum amtlichen Kilometergeld von 42 Cent gesetzt. Bei der Indexierung ist es dasselbe, auch da wird ins Verhältnis gesetzt, und zwar zu den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land. Uns ist also damals und auch heute noch daran gelegen, dass wir das mit dem Warenkorb, also den Waren, die in dem Land um eine gewisse Summe Geld erhältlich sind, ins Verhältnis setzen. Und dazu stehen wir noch heute. (Beifall bei der FPÖ.)

11.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


11.57.23

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Wir haben oft die Indexie­rung der Familienbeihilfe diskutiert, und ich habe immer wieder klargestellt, dass wir die Indexierung der Familienbeihilfe für ethisch nicht vertretbar halten. Eine so offensichtli­che Ungleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Kindern lässt sich zumindest mit meiner Vorstellung von Gerechtigkeit nicht vereinbaren. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich verstehe nicht, was daran gerecht sein sollte, wenn eine Pflegerin aus Bulgarien beispielsweise knapp 53 Euro weniger Familienbeihilfe erhält als beispielsweise jemand aus der Schweiz, der vielleicht in einer besseren Position ist und das Dreifache be­kommt. (Abg. Ries: Sie haben wohl keine Kinder!) Personen, die hier in Österreich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 89

Steuern zahlen, die hier in Österreich Sozialversicherungsbeiträge zahlen, sollen auch hier in Österreich die Sozialleistung bekommen und nicht benachteiligt werden. Es ist auch aus ökonomischer Hinsicht alles andere als sinnvoll, denn wir wissen, dass wir einen Arbeitskräftemangel haben, gerade im Tourismus, gerade in der Pflege, und sol­che Maßnahmen machen Österreich als Arbeitsstandort nicht unbedingt attraktiver. (Beifall bei den Grünen.)

Auch die dahinterstehende Haltung, dass manche Kinder weniger wert sind als andere, widerspricht doch jeglichem Gerechtigkeitsanspruch eines demokratischen Staates. Ich habe es schon mehrfach hier im Hohen Haus gesagt: Ich freue mich darüber, dass der EuGH die Indexierung als Verletzung des EU-Rechts einstuft und die Maßnahme aufge­hoben wird. Somit ist für uns ganz klar – das war es schon immer –, dass jedes Kind, wirklich jedes Kind gleich viel wert ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wir hätten uns die Rückzahlung sparen können, wenn wir auf die Expertinnen und Ex­perten gehört hätten. Ja, das ist mir unverständlich. Noch unverständlicher ist mir, dass die FPÖ immer noch daran festhält und schon wieder einen Antrag zur Indexierung ein­gebracht hat. (Abg. Ries: Weil Sie keine Kinder haben!)

Wenn wir aber bei unverständlich sind: Ich verstehe auch das Leuchtturmprojekt aus der Zeit der FPÖ nicht, bei dem es um die ominöse Patientenmilliarde geht, bei dem es im Endeffekt darum geht, dass 2 Millionen Euro quasi Defizit erzielt wurden. Also es ist schon interessant, dass die FPÖ sich immer wieder als Vertreter des kleinen Mannes aufspielt, gleichzeitig aber Steuergeld verbrennt, Gelder, die wir jetzt wirklich dringend bräuchten. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, wir können eines festhalten: dass Populismus nie – nie! – ein guter Berater in der Politik ist. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Brückl: Ein mäßiger Applaus!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch zu etwas Erfreulichem: Wir konnten uns gestern Abend auf die Lösung zur Familienbeihilfe für UkrainerInnen einigen. Daher darf ich den Abänderungsantrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen zum Antrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkom­mensteuergesetz 1988 geändert werden, in der Fassung des Ausschussberichtes für Familie und Jugend einbringen.

Der Antrag ist bereits ausgeteilt worden, und in den Grundzügen geht es darum, dass wirklich alle Familien, alle UkrainerInnen Familienbeihilfe erhalten. Den Menschen, die aus der Ukraine, die vor Putins Angriffskrieg nach Österreich geflohen sind, haben wir Solidarität und Unterstützung zugesagt, und genau das machen wir mit der umfassenden Gewährung der Familienbeihilfe, von der wirklich alle Kinder von Ukrainern, Ukrainerin­nen profitieren werden, und zwar rückwirkend ab März.

*****

Darüber freue ich mich sehr und ich bedanke mich beim Koalitionspartner. (Abg. Michael Hammer: Beim Sieber vor allem!) Ich bedanke mich bei allen Verhandlern und Verhand­lerinnen, ich glaube, wir haben eine wirklich gute Lösung gefunden. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

12.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler

Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 90

zum Antrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und Einkommensteuerge­setz 1988 geändert wird (2678/A) in der Fassung des Ausschussberichts für Familie und Jugend (1633 d.B.)

(TOP 3)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts wird wie folgt geändert:

1. Im Einleitungssatz des Artikel 1 wird die Wortfolge „durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 43/2022“ durch die Wortfolge „durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 93/2022“ ersetzt.

2. Folgende Ziffer 1 in Artikel 1 wird eingefügt:

„1. Dem § 3 werden folgende Abs. 6 und 7 angefügt:

„(6) Personen, denen aufgrund der Verordnung der Bundesregierung über ein vorüber­gehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (Vertriebenen-VO), BGBl. II Nr. 92/2022, gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, de­nen ein solches vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt.

(7) Personen, denen aufgrund der Vertriebenen-VO gemäß § 62 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, haben zumindest für die Zeit des be­waffneten Konflikts in der Ukraine den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nach § 2 Abs. 8 im Bundesgebiet.““

3. Die Ziffern 1 bis 5 erhalten die Bezeichnung Ziffer 2 bis 6.

4. Die nunmehrige Ziffer 6 lautet:

„6. Dem § 55 werden folgende Abs. 55 bis 57 angefügt:

„(55) Die Abschnitte II und IIb in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 treten mit dem der Kundmachung des genannten Bundesgesetzes folgenden Tag außer Kraft.

(56) § 8a entfällt rückwirkend ab 1. Jänner 2019 mit folgenden Maßgaben:

1.    Die Nachzahlungen an Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn oder Zypern aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen automationsunterstützt, so­weit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszah­lung durchführbar ist. Ist mangels Vorliegen von Daten keine Auszahlung durchführ­bar, ist ein Antrag zu stellen, wobei § 10 Abs. 3 keine Anwendung findet.

2.    Familienbeihilfenbeträge für Kinder, die sich ständig in Belgien, Dänemark, Finn­land, Frankreich, Irland, Island, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz oder dem Vereinigten Königreich aufgehalten haben oder aufhalten, gelten bis zum 30. Juni 2022 in Bezug auf die Höhe als rechtmäßig zuerkannt.

(57) § 3 Abs. 6 und 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2022 treten rückwirkend mit 12. März 2022 in Kraft und mit dem Tag der Beendigung des Aufent­haltsrechtes nach § 4 Vertriebenen-VO, spätestens jedoch mit 4. März 2024, außer Kraft.““

Begründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967):

Zu Z 1 und 6 (§ 3 Abs. 6 und 7 sowie § 55 Abs. 57):


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 91

Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wurde eine Massenfluchtbewe­gung in die Europäische Union und v.a. auch in das Bundesgebiet Österreichs ausgelöst. Die Europäische Union hat aufgrund der Singularität eines Krieges auf europäischem Boden in jüngster Vergangenheit erstmals die sog. „Massenzustrom-RL“ aktiviert (RL 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maß­nahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten, ABl L 2001/212, 12.). Österreich zeigt sich in seiner humanitären Tradi­tion solidarisch und leistet umfangreiche Nachbarschaftshilfe. Auch viele andere Mit­gliedsstaaten der Europäischen Union sind sich der Einmaligkeit dieses Krieges und der historischen Verantwortung bewusst und setzen die „Massenzustrom-RL“ in nationales Recht um.

Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, wobei es sich bei diesen großteils um Frauen und Kinder handelt, gelten als „Vertriebene“ im Sinne des § 62 AsylG 2005 (BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2021/234) und des § 1 Vertriebenen-VO (Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (Vertriebe­nen-VO) BGBl II 2022/92). Gemäß § 62 Abs 1 und 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 4 Abs 1 Vertriebenen-VO haben Vertriebene ein ex lege wirksames, vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bis 3. März 2023, das heißt sie erwerben sofort und kollektiv vorübergehender Schutz, ohne dass eine individuelle Prüfung vorgenommen werden muss. Sie erwerben somit ein provisorisches Aufenthaltsrecht für einen kurzen Zeitraum, derzeit bis zum 3. März 2023 (§ 4 Abs 1 Vertriebenen-VO). Sie sind „Grund­versorgungs-Zielgruppe“ (Art 2 Abs 1 Z 3 Grundversorgungsvereinbarung) und haben sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Ihr begrenzter Aufenthalt in Österreich dient ledig­lich der Überbrückung der akuten Gefährdungssituation und ist auf eine möglichst baldi­ge Rückkehr in die Heimat Ukraine ausgerichtet. Vertriebene stellen daher eine beson­dere Gruppe von Fremden dar, deren außergewöhnliche Hilfsbedürftigkeit spezielle (kurz­fristige) finanzielle Unterstützung erfordert. Diese Kurzfristigkeit umfasst dabei nicht nur die Dauer des Aufenthalts in Österreich, sondern auch die Notwendigkeit, sich in kür­zester Zeit in Österreich zurechtfinden zu müssen. Diese fehlende Möglichkeit sich auf den Aufenthalt in Österreich systematisch und praktisch vorbereiten zu können, ist eine Folge des für viele überraschenden Angriffs Russlands. Verschärft wird diese Notlage durch den Umstand, dass es sich aktuell vorwiegend um Frauen und Kinder handelt, die in Österreich Schutz finden. Gerade die besondere Schutzwürdigkeit von Kindern und das Ziel, diesen möglichst schnell ein stabiles und sicheres Umfeld zu bieten, macht die Situation von ukrainischen Vertriebenen besonders herausfordernd.

Personen, die aufgrund der kriegerischen Handlungen in der Ukraine vertrieben worden sind und in Österreich vorübergehend Schutz finden, sollen für ihre Kinder österreichi­sche Familienleistungen erhalten, wenn sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.

Die FLAG-Sonderbestimmung wird mit der Gültigkeit des vorübergehenden Aufenthalts­rechtes nach der Vertriebenen-VO (ein Jahr bis 3. März 2023 und im Falle einer Verlän­gerung um ein weiteres Jahr bis längstens 3. März 2024) beschränkt.

Vertriebene begründen keinen Lebensmittelpunkt in Österreich, weshalb für die Dauer des Aufenthaltes in Österreich eine Fiktion des Lebensmittelpunktes für die Erfüllung dieser Familienbeihilfe-Anspruchsvoraussetzung geschaffen werden muss.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, wird gerade verteilt und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Fiona Fiedler, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 92

12.02.07

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrü­ßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! Wir NEOS haben zur vorliegenden Gesetzesänderung aufgrund eines EuGH-Urteils eine Formulie­rung, die wir im Ausschuss verwendet haben und auch jetzt gerne wieder verwenden: Es ist ein guter Tag für die Kinder Europas.

Die indexierte Familienbeihilfe haben wir von Anfang an als eine massive Ungerechtig­keit der türkis-blauen Regierung kritisiert, und entgegen unserer Wünsche hat sie sich doch um einiges länger gehalten, als wir wollten. Wir haben aber auch persönlich da­gegen angekämpft. Mein Kollege Michael Bernhard selbst hat bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde dagegen eingelegt. In diesem Sinne freuen wir uns sehr über die jetzige Änderung, aber eines zeigt sich dennoch: Die ÖVP hat im Ausschuss nur widerwillig die Indexierung zurückgenommen, und die FPÖ stimmt erst gar nicht mit. Damit zeigt sich, wie diese beiden Parteien zur EU und zum Gleichheitsgrundsatz ge­genüber allen Bürgern der EU stehen.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich begrüßen, dass nach gut vier Monaten durch den Abänderungsantrag der Regierung auch ukrainische Vertriebene die Familienbeihil­fe bekommen. Hin und wieder könnte man ja sofort auf Oppositionsanträge eingehen und sie annehmen, denn manchmal sind die wirklich gut. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Sieber: Vielleicht im Detail halt nicht ganz durchdacht!)

Wir brauchen hier unbedingt einen politischen Wandel hin zu mehr Kooperation, mehr Bewusstsein für europäische Werte und vor allem auch mehr Bewusstsein für Kinder, Kinderrechte und Chancengleichheit von Kindern. Wir sehen das in den Diskussionen mit der Familienministerin zu den EU-Vorhaben, wir sehen das in der Politik, die nicht zielgerichtet ist. Was wir aber jetzt in der Krise auch sehen: Diese Art von Denken bringt uns nicht weiter.

Damit ruinieren wir uns in einem inexistenten Wettstreit. Mit der indexierten Familienbei­hilfe hatten wir einen Nachteil beim Werben um ausländische Arbeitskräfte. Ich weiß schon, Sie werden jetzt wieder denken: Ausländische Arbeitskräfte braucht keiner! – Aber wir brauchen sie. Wir brauchen auch, dass Kinder überall gefördert werden, und wir brauchen deshalb auch eine Aufenthaltspolitik, die Jugendliche in Ausbildung nicht abschiebt. Setzen Sie sich als Familienministerin bitte endlich dafür ein, dass auch die­sen Kindern und Jugendlichen die besten Chancen gegeben werden!

Fangen wir früh mit Förderungen und zielgerichteter Politik an und hören wir mit den Gießkannen bitte auf! Erlauben wir endlich jedem Kind, sein volles Potenzial zu entfalten, weil ganz ehrlich: Wir sind darauf angewiesen. Nehmen Sie den heutigen Beschluss als Einstiegspunkt für eine zukunftsorientierte und chancengerechte Politik. – Danke. (Bei­fall bei den NEOS.)

12.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


12.05.04

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Zunächst möchte ich auch ein paar Worte zum Abänderungsantrag, den wir heute einbringen, sagen: Ja, es hat etwas gedauert, die Regelung für die ukrainischen Vertriebenen auf den Weg zu bringen, aber, Kollegin Fiedler, oft steckt der Teufel im Detail, und in diesem Fall war es eben notwen­dig, weil wir mit dem Vertriebenenstatus eine ganz neue Kategorie hatten und auch eine entsprechende Anpassung finden mussten. Das ist jetzt gelungen. Wir beschließen sie


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auch rückwirkend, damit die Frauen wirklich auch ab dem ersten Tag zu ihrem Geld kommen. Ich glaube, es ist eine gute Lösung, und gehe davon aus, dass sie auch durch die Bank Zustimmung finden wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren, zur Indexierung der Familienbeihilfe, die wie gesagt vom Euro­päischen Gerichtshof als europarechtswidrig aufgehoben wird: Wir nehmen das selbst­verständlich zur Kenntnis, ohne den Gerichtshof dafür zu kritisieren. Wir nehmen dieses Urteil zur Kenntnis, ohne die Richter, die Personen, die dort arbeiten, zu kritisieren und zu hinterfragen oder gar infrage zu stellen. Wir nehmen es zur Kenntnis, weil in der De­mokratie so die gelebten Spielregeln sein müssen, und nicht nur bei dieser Entschei­dung, sondern bei allen Entscheidungen, die Gerichtshöfe, Höchstgerichte auf der gan­zen Welt fällen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Es hat viel Kritik im Ausschuss und auch heute bereits wieder, hier in dieser Debatte, an dieser Entscheidung gegeben, vor allem daran, wie wir zu unserer Entscheidung damals gekommen sind. Ich möchte ein paar dieser Kritikpunkte aufgreifen. (Abg. Yılmaz: Kurz, sag ich nur!) Ein Kritikpunkt war, dass nur ein Experte zu finden war, der diese Indexie­rung argumentiert hat.

Schauen wir uns die Historie an: Schon 2010 waren es die Europarechtler Marhold und Leidenmühler, die festgestellt haben, dass diese Indexierung durchaus machbar und auch sinnvoll wäre.

2011 war es dann der zuständige Spitzenbeamte im Sozialministerium (Zwischenruf der Abg. Yılmaz), der von massiven Problemen aufgrund dieser EU-rechtlichen Regelung gesprochen und angeregt hat, dass eine entsprechende Weiterentwicklung und Verbes­serung stattfinden soll.

2016, 2017 war es dann der Rechnungshof, meine Damen und Herren – der Rechnungs­hof! –, der von massiven Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten – Ungerechtigkeiten! – hinsichtlich der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland gesprochen hat. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Er hat damals festgehalten, dass es in den Jahren 2002 bis 2016 eine Steigerung der Fälle der Überweisung der Familienbeihilfe ins Ausland von 2 000 Fällen 2002 auf 120 000 Fälle 2016 gab. Er hat – gerechtfertigt – durchaus hinterfragt, ob denn diese Zahlen, diese Meldungen alle korrekt waren.

Meine Damen und Herren, auch bei der EU-Kommission hat es ein großes Unbehagen und Diskussionen gegeben, ob denn diese Nichtindexierung wirklich gerecht ist. (Zwi­schenruf der Abg. Yılmaz.) Nicht zuletzt waren es die Briten und viele andere Länder, die das auch eingefordert haben, und dem wurde schlussendlich auch Rechnung ge­tragen.

Es wurde, meine Damen und Herren, eine Studie bei Prof. Mazal in Auftrag gegeben, der den argumentativen Weg, wie wir zur Indexierung kommen könnten, gezeigt hat. Es ist aber schon interessant: Wissen Sie, welche Regierung das in Auftrag gegeben hat? – Es war die Regierung Kern/Mitterlehner, die bei Mazal um diese Expertise gebeten hat. (Abg. Ries: Da schau her!)

Mazal hat dann Folgendes gesagt und darauf hingewiesen: Die Familienbeihilfe und der Unterhalt an Kinder im Ausland müssen zusammen gesehen werden. Unterhaltszahlun­gen ins Ausland werden an das jeweilige Lebenshaltungsniveau in dem Land, in dem das Kind lebt, angepasst und indexiert, und gleicherweise soll es eben auch mit der Familienbeihilfe geschehen. Das war der inhaltliche Zusammenhang, der von Mazal auf­gezeigt wurde.

Genau denselben Gedanken formulierte der Europarechtler Prof. Obwexer folgender­maßen – ich zitiere –: „Es ist davon auszugehen, dass diese neue (restriktive) Judikatur


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sich auch auf die Auslegung [...] der VO 883/2004 auswirken wird. In diesem Fall wäre die Formulierung [...] ‚als ob‘ [...] wohl dahingehend zu verstehen, dass die Höhe von Familienleistungen für in einem anderen EU-Mitgliedstaat wohnende Familienangehöri­ge nicht formal (= Betrag), sondern materiell (= Wert) jener von Familienleistungen für im Inland wohnende Familienangehörige entsprechen muss. Eine materielle Entsprechung würde eine Indexierung nicht nur erlauben, sondern sogar verlangen.“ – Das sagt Obwexer.

Zur Kritik der anderen Parteien: Im Ausschuss waren es die Kolleginnen Wimmer, Holz­leitner und Yildirim von der SPÖ, die zum wiederholten Mal und auch heute wieder gesagt haben: Jedes Kind ist gleich viel wert! (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt eh!) Nun, versuchen wir diesen Gedanken weiterzuspinnen: Wenn jedes Kind gleich viel wert ist, dann müssen auch – dieser Judikatur folgend – alle Leistungen wie Gratisschulbuch, Gratiskindergarten oder Schülerfreifahrt wertangepasst indexiert werden (Abg. Yildirim: Das haben Sie nicht verstanden!), nicht indexiert, sondern überwiesen werden. Das wäre Ihre Logik, meine Damen und Herren! Das kann doch wirklich nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Yildirim: Das haben Sie falsch verstanden!)

Schauen wir uns einmal die Geschichte an – es lohnt sich, da etwas auf die Historie zu blicken –: Was hat denn die SPÖ zu diesen Themen gesagt? – Kanzler Faymann, der ja schlussendlich beim Rat der Regierungschefs mit den Briten mitgestimmt hat, dass das gemacht werden soll, hat gesagt, er sei „offen dafür, über Anpassungen bei der heimi­schen Familienbeihilfe für EU-Ausländer zu sprechen“. – Das klingt etwas anders als das, was wir von Ihnen zu hören bekommen.

Kollege Stöger, damals Sozialminister, hat auf eine Anfrage hin klargestellt, es sei be­reits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit diesem Vorschlag befasst und Lösungen ausarbeitet. – Okay. Das hat sehr vielversprechend geklungen. Der Beste aber war na­türlich Kanzler Kern. Kanzler Kern hat gesagt: Ich bin dafür, die Familienbeihilfe nicht nur zu indexieren, sondern auf das Niveau der Familienbeihilfe des Herkunftslandes des Kindes herunterzusenken! (Ruf bei der FPÖ: Da schau her!) Ihr Kanzler Kern hätte die­sen Kindern wesentlich weniger geben wollen, als durch die Indexierung tatsächlich überwiesen worden ist. Ist das wirklich eine logische und stringente Argumentation? – Ich glaube nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es tut mir leid, dass Kollege Bernhard nicht da ist. Ich schätze Kollegen Bernhard sehr, wir tauschen uns aus, er ist ein ausgewiesener Fachmann. Er hat sich aber im Aus­schuss dazu verstiegen, die Politik in diesem Bereich als fetzendeppert zu bezeichnen. Er hat da Anleihen bei seiner Parteivorsitzenden genommen. Nun, meine Damen und Herren, Politik per se ist nicht klug, ist nicht dumm, ist nicht deppert. Die Menschen, die sie machen, müssen also, seiner Diktion folgend, fetzendeppert sein. Das heißt, die - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich verstehe schon, worauf Sie hinaus­wollen, aber ich würde Sie trotzdem bitten, das in Ihrer Ausdrucksweise so zu formulie­ren, dass wir nicht permanent mit einem Wort befasst sind, für dessen Verwendung ich Ihnen eigentlich einen Ordnungsruf erteilen müsste – auch wenn Sie es zitieren, wie Sie wissen.


Abgeordneter Norbert Sieber (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, für den Hinweis. Ich würde niemals irgendjemanden in diesem Haus als fetzendeppert bezeichnen (Hei­terkeit bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und NEOS) und werde das auch - -

12.13.48*****


Präsidentin Doris Bures: Ich erteile Ihnen für die Wiederholung des Ausdrucks „fetzen­deppert“ einen Ordnungsruf. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

*****


12.13.52


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 95

Abgeordneter Norbert Sieber (fortsetzend): Ich hoffe, dass Kollege Bernhard dieser Rede vor einem Bildschirm folgt und dass er das auch gehört hat, damit er das Wort im Ausschuss auch nicht mehr verwendet.

Dieser Umgang miteinander in genau dieser Tonalität, meine Damen und Herren, erin­nert mich etwas an die Cancel Culture. In einer unglaublichen Selbstüberhöhung heißt es doch: Mein Wille geschehe!, und das kann sich nicht ausgehen. Wenn ich schaue, was sich in den Universitäten abspielt, wo der Diskurs über verschiedene Meinungen eben nicht mehr mit Argumenten geführt wird, sondern nur mehr so: Mein Wille gesche­he, meine Meinung ist die einzig richtige!, dann macht mir das schon etwas Angst.

Meine Damen und Herren! Ich bin – und ich stehe dazu – nach wie vor der Überzeugung, dass die Indexierung fair und gerecht war und es auch heute noch wäre. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie sind Familiensprecher? Das ist ja unglaublich! – Ruf bei der SPÖ: Ein Wahn­sinn!) Wir werden uns auch in Zukunft auf Basis von Expertenwissen mit Ihnen ausein­andersetzen, weil das unseren Usancen und den Usancen einer Demokratie entspricht. Aber nach solchen Tönen – und ich wiederhole das Wort jetzt nicht noch einmal –, wie Sie sie im Ausschuss angeschlagen haben, bitte ich Sie schon sehr, wieder zu einem vernünftigen Ton zurückzukommen. Vergessen wir nicht, wo wir selber einst gestanden sind! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Sie sind, glaube ich, der Einzige, der hier so redet!)

12.15


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, Sie gelangen jetzt zu Wort. Bitte.


12.15.26

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Frau Minis­terin! Herr Kollege Sieber, einen Satz zu Ihnen: Wenn Sie sagen, alle höchstgerichtlichen Entscheidungen müssen anerkannt werden, weiß ich genau, worauf Sie anspielen, nämlich auf die Entscheidung des Supreme Court in den USA. Aber das Thema Schwan­gerschaftsabbruch wird hier nicht diskutiert! (Ruf bei der SPÖ: Unglaublich!) Wir stehen für das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS.)

Es ist unfassbar, dass Sie den Frauen dieses Recht abnehmen wollen und es infrage stellen wollen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Michael Hammer: Schon wieder hysterisch! – Abg. Sieber: ...! Dann wird dieses Höchstgericht von Ihnen nicht aner­kannt!? – Abg. Kugler: Demokratiepolitisch sehr bedenklich!) – Das ist unfassbar! (Abg. Sieber: Dann wird dieses Höchstgericht von Ihnen nicht anerkannt!?) – Dieses Höchst­gericht ist von Trump mit reaktionären, erzkonservativen Männern besetzt worden (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Abg. Sieber: Es wird also von Ihnen nicht anerkannt!) – mit erzkonservativen, reaktionären Männern!

Dass Sie mit denen paktieren, ist uns in diesem Haus schon lange klar. (Abg. Sieber: Es geht darum, ob Sie die Institution anerkennen!) Wir wissen, wie viele Millionen und Milliarden von diesen reaktionären Kräften aus den USA und aus Russland nach Europa fließen, um Frauen das Recht auf ihren Schwangerschaftsabbruch zu nehmen. (Abg. Kugler: Sehr bedenklich, demokratiepolitisch!) Es werden Frauen sterben. Es sterben schon Frauen – wie in Polen –, weil Menschen wie Sie ihr Recht auf Schwangerschafts­abbruch nicht anerkennen. Unfassbar! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Sie­ber: Das ist Ihre Vorstellung von ...!)

Das ist nur ein Punkt, bei dem die ÖVP komplett uneinsichtig ist. Auch beim Thema Indexierung der Familienbeihilfe: Sie haben das gerade klar dargelegt. Es gibt Gutachten von mehreren Europarechtsexpertinnen, -experten, der EU-Generalanwalt hat es festge­stellt, es gibt Stellungnahmen der EU-Institutionen und es gab eine Klage. All das haben Sie strapaziert, weil Sie die Indexierung der Familienbeihilfe nicht aufheben wollten.


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Nun stellen Sie sich hierher und sagen – genauso wie es Ihre Kolleginnen von der ÖVP twittern –: Wir gehen diesen Weg der Integration weiter! – Das ist keine Integration! Da geht es um Menschen, die hier arbeiten, PflegerInnen, Leute, die das Werkel in Öster­reich am Laufen halten, die wir während der Coronakrise mit Sonderzügen, mit Sonder­fliegern nach Österreich geholt haben. (Abg. Heinisch-Hosek: Bravo!) Denen haben Sie die Familienbeihilfe weggenommen! Denen haben Sie sie weggenommen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. El-Nagashi.)

Es ist gut, dass diese europarechtswidrige, populistische und kleingeistige Maßnahme von Kurz und Strache aufgehoben wird. (Abg. Ries: Kern wollte das haben! – Abg. Sieber: Nicht vergessen: Kern ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Europa lässt sich nicht spalten und schon gar nicht von solchen Populisten, wie Sie einer sind. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Wir reden hier von Schlüsselarbeitskräften. Und es ist wirklich dramatisch, dass wir auf den Beschluss des EuGH haben warten müssen, bis diese Familien, diese Kinder zu ihrem Recht kommen, dass Sie das nicht viel früher eingesehen haben und diese In­dexierung aufgehoben haben. Das ist wirklich, wirklich beschämend! Jetzt ist es gut, diese Familien, diese Kinder kommen zu ihrem Recht und es steht ihnen zu. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Ruf bei der SPÖ: Beste Rede!)

12.18


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


12.18.42

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir als Grüne haben dieses unmenschliche und diskriminierende Gesetz von Anfang an kritisiert. (Abg. Ries: Jetzt übertreiben wir aber ein bissel!) Natürlich sind wir froh, dass es vom EuGH auf­gehoben wurde. (Beifall bei den Grünen.)

24-Stunden-Betreuerinnen waren von dieser Diskriminierung sehr stark betroffen. Circa 66 000 Frauen, vor allem aus Rumänien, der Slowakei, aber auch aus Kroatien, arbeiten als 24-Stunden-Betreuerinnen hier in Österreich; meist in einem Zwei-Wochen-Takt, das heißt, ihre Kinder leben in ihren Heimatländern. Man kann nicht auf der einen Seite sagen: Liebe Frauen, bitte, bitte, kommt zu uns, pflegt die Menschen hier, weil es sonst keiner machen will, weil die Bezahlung ja nicht so ist, dass sich alle um den Job reißen!, und auf der anderen Seite: Aber eure Kinder behandeln wir anders, die behandeln wir schlechter!, obwohl diese Frauen, genau wie wir alle, die hier arbeiten, Steuern zahlen. (Beifall bei den Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines haben alle Kinder auf der Welt gemeinsam: Die Kinder brauchen Essen, die Kinder brauchen Kleidung, die Kinder brauchen Schuhe. (Abg. Ries: Genau um das geht es! – Abg. Mühlberghuber: Aber die Preise sind unter­schiedlich!) – Und Kinder, Kollege Ries, weil Sie mich gerade anschauen, mit Autos zu vergleichen, das zeigt, wie wenig Gespür Sie für das Thema haben. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Ries: Es geht um die Sachen, die sie brauchen! Es geht um den Aufwand, den sie brauchen! – Abg. Deimek: Schämen Sie sich dafür!)

Ich bin froh, dass es unabhängige Gerichte gibt, die da eine Entscheidung getroffen haben. Auch die Aussage, alle Kinder sind gleich, aber die österreichischen sind glei­cher, finde ich daneben. (Beifall bei den Grünen.)

Bitte merkt euch eines – und ich schaue wirklich in die Reihen der FPÖ (Abg. Ries: Schau nur!) –: Bei den Ärmsten der Gesellschaft, bei den Kindern und bei den Frauen, zu sparen und zu versuchen, damit Sympathiepunkte zu sammeln, das geht immer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 97

daneben. (Abg. Sieber: Das ist kein Gehaltsbestandteil! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ries.)

Jetzt ist nur zu hoffen, dass die Rückzahlungen gut über die Bühne laufen (Abg. Deimek: Mit der Gießkanne!), dass alles eben ohne großen bürokratischen Aufwand erledigt wird, und ich hoffe wirklich, dass wir hier im österreichischen Parlament nie wieder über so ein diskriminierendes Gesetz diskutieren müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Deimek: Die Gießkanne des Sozialismus hat im Osten noch bis 90 gegolten!)

12.21


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


12.21.25

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Minis­terin! Was mir bei dieser Debatte heute gefällt, ist, dass zumindest Herr Abgeordneter Sieberer sich nach der Ausschussdebatte, die sehr dürftig war (Abg. Zarits: Sieber!) – Verzeihung, Sieber –, wirklich eingehend mit der Historie beschäftigt hat. Das ist gut, dann kann man nämlich sachlich diskutieren.

Wissen Sie, worauf es mir bei dieser ganzen Diskussion ankommt? (Ruf bei der ÖVP: Wissen wir nicht!) – Dass Rechtspopulismus vor Rechtsstaatlichkeit gestellt wird. Sie haben recht, dass schon oft geschaut wurde, wie man das gerechter gestalten kann. Was Sie aber alle gewusst haben – und das ist ja das, was ich Ihnen vorwerfe – und Ihre damalige Familienministerin gewusst hat: Man kann, ohne die EU-Verordnung zu verän­dern, diese Indexierung nicht vornehmen. Und trotz dieses Wissens rechtspopulistisch nicht nur Kosten, Mehrkosten für dieses Land zu verursachen, sondern auch die Gesell­schaft durch Schüren von Vorurteilen, durch eine Neiddebatte zu spalten, das werfe ich Ihnen vor. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Ministerin – daran kann ich mich sehr gut erinnern – hat nämlich parallel mit Ländern wie Großbritannien und auch einigen anderen Ländern, die hohe Familienleistungen ha­ben, verhandelt. Sie haben gewusst, es gibt die Mehrheit nicht, und Sie haben gewusst, dass Österreich zum Beispiel gerade von der Osterweiterung sehr stark profitiert, fast am meisten profitiert. Dass eine ÖVP, die sich als EU-orientierte Wirtschaftspartei (Abg. Loacker: Das ist doch schon lang vorbei! – Abg. Zarits: Ihr seid eine Wirtschaftspar­tei? – Zwischenruf des Abg. Sieber), als eine EU-fördernde Partei darstellt, mit diesem Wissen dann so etwas schürt, das ist das, was ich Ihnen vorwerfe.

Sie haben das gewusst. Sie erwähnen Schulleistungen, Sie erwähnen den Unterhalts­vorschuss, Sie erwähnen die Schulbuchaktionen. Das steht alles in der betreffenden Verordnung nicht. Die Verordnung 883 aus dem Jahre 2004 regelt nur Familienleistun­gen (Abg. Sieber: Lesen Sie die Verordnung!), und all das, was Sie aufgezählt haben, inklusive Unterhaltsvorschuss (Abg. Sieber: Vom Unterhaltsvorschuss hat kein Mensch geredet!), sind keine Familienleistungen im Sinne der EU-Verordnung. Also vernebeln Sie nicht und sehen Sie einmal ein, wie Sie durch diesen Populismus einfach die Gesell­schaft gespalten haben! (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Sie wissen, dass viele österrei­chische Familien diese PersonenbetreuerInnen brauchen und dass die stark unterbe­zahlt sind. Da nehme ich uns alle nicht aus: Wir haben das so behandelt, dass die Familienbeihilfe Teil des Lohnbestandes ist – oder? ‑, weil die viel zu wenig bezahlt be­kommen.

Dann sind Sie hergegangen und haben ihnen das gestrichen. Das werfe ich Ihnen vor: diesen Populismus, den jetzt die Beamtinnen und Beamten in der Finanzverwaltung aus­baden müssen. Finanzrichterinnen und Finanzrichter müssen Hunderte von Fällen bear­beiten, weil Sie wissentlich dieses Gesetz geändert haben. (Abg. Ries: Das macht ein Rechenprogramm! – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das ist es, was ich Ihnen vorwerfe! (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


12.24.40


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 98

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage, ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang eintreten können.

Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1633 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Sieber, Neßler, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimm­ten Teile abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Sieber, Neßler, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend Artikel 1 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Auch das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mühl­berghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Indexierung der Familienbeihilfe“.

Wer spricht sich für diesen Entschließungsantrag aus? – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Besserstellung österreichischer Familien: Aktion 60 plus für den österreichischen Arbeitsmarkt“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.26.334. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 2554/A(E) der Ab­geordneten Mag. Meri DisoskiDipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ahndung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im Ukrainekrieg (1582 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 4. Punkt der heutigen Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


12.27.13

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Die Frau Mi­nister ist im Moment nicht hier. – Wir verurteilen natürlich alle diese schrecklichen und leidvollen Verbrechen gegenüber den Menschen, die vom Ukrainekrieg betroffen sind: einerseits die sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, wie auch im Entschließungs­text angeführt, andererseits aber auch jede andere Form von Gewalt – denn es sind dort


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 99

auch Kinder, ältere Menschen betroffen, querbeet durch die Bevölkerung –, und zwar egal von wem und gegen wen und wo diese Verbrechen begangen werden, denn das passiert nicht nur in der Ukraine, wie wir wissen.

In Bezug auf Ahndung, Aufklärung und rechtliche Beurteilung gäbe es viele rechtliche Grundlagen zur Verfolgung dieser Verbrechen. Abgesehen von den international festge­schriebenen Menschenrechten gibt es die Genfer Konvention und insbesondere das vierte Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten. All diese Grund­lagen, und es gibt noch viele mehr, dienen zur Ahndung der Kriegsverbrechen, die gegen die Zivilbevölkerung, Frauen und Mädchen in all ihren furchtbaren Facetten verübt wer­den.

Diese rechtlichen Grundlagen schließen die Ausübung sexueller und geschlechtsspezifi­scher Gewalt als Kriegswaffe, während der Flucht oder auch in Flüchtlingsunterkünften mit ein. Laut Amnesty International herrschte in der Ukraine im Berichtszeitraum 1.1. bis 31.12.2021 – also schon vor dem Ukrainekrieg – „weitgehende Straflosigkeit bei Folter“, und „geschlechtsspezifische Gewalt blieb weitverbreitet“. Es gab zumindest ein neues Gesetz, um auch Militär- und Polizeiangehörige nicht mehr vor strafrechtlicher Verfol­gung bei häuslicher Gewalt zu bewahren. Aber: Das ukrainische Parlament hat laut Amnesty International auch im Berichtszeitraum 2021 die Strafprozessordnung der Uk­raine nicht an das internationale Strafrecht angeglichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie wissen, dass wir Freiheitliche sämtliche Anträge, in denen andere Staaten zu einer bestimmten Politik aufgefordert werden, ablehnen. Wir würden damit eine Parallelstruktur schaffen, die den Menschen dort nicht hilft und keine einzige Gräueltat verhindert.

Es hat den Anschein, als ob die Regierung diese traurige Thematik dazu nutzt, sich wieder selbst in den Fokus zu rücken, denn, sehr geehrte Damen und Herren, lesen Sie den Entschließungstext! Die Regierungsparteien fordern sich im vorliegenden Entschlie­ßungsantrag auf, sich „weiterhin auf europäischer und internationaler Ebene für eine [...] Aufklärung und Ahndung der [...]verbrechen [...] einzusetzen“ und „weiterhin für [...] Auf­arbeitung und Ahndung [...] sowie für die Unterstützung von Opfern [...] einzusetzen“.

Weiterhin einsetzen heißt, sich für etwas weiterhin einsetzen, das man bereits macht. Brauchen Sie jetzt zum Weiterhin-Einsetzen einen eigenen Antrag an sich selbst? Das ist angesichts der Situation in der Ukraine mehr als doppelbödig. (Beifall bei der FPÖ.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gudrun Kugler zu Wort. – Bitte.


12.30.34

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Zuerst einmal möchte ich sagen: Im 21. Jahrhundert ein Krieg in Europa – wir dürfen uns nicht daran gewöhnen. Wir sehen jeden Tag Opferzahlen zwi­schen 100 und 300 Personen; diese sterben in Wirklichkeit in unmittelbarer Nähe zu uns in Österreich. Ein Teil der Opfer leidet darunter, dass sexuelle Gewalt als Kriegswaffe und als Kriegstaktik eingesetzt wird. Wir wissen das über zahlreiche Berichte, wir wissen das von der ukrainischen Regierung, von internationalen Beobachtern und von Men­schen, die erzählen und deren Berichte zu uns gelangen.

Diese sexuelle Gewalt wird mit Folter, seelischer oder körperlicher Natur, verbunden. Das ist als Kriegswaffe verboten, das ist völkerrechtswidrig – das wissen wir –, das ist aber auch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es gibt mittlerweile Experten, die sagen, es ist auch ein Element von Völkermord, Genozid, weil es bei diesem nämlich heißt: „Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitglie­dern der Gruppe“.


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Schwerer seelischer Schaden: Man kann zerbombte Häuser wieder aufbauen, aber man kann zerfetzte Seelen nicht so leicht wieder herrichten. Es geht da nicht nur direkt um die Betroffenen, sondern es geht auch um Generationen, denn diese Traumata werden über Generationen weitergegeben, und das ist die Verursachung von schwerem seeli­schen Schaden an einer ganzen Gruppe.

Warum geht uns das etwas an, Frau Ecker von der FPÖ? Warum geht uns das etwas an? – Weil wir in Europa eine Wertegemeinschaft sind, weil die Ukraine um Hilfe und Unterstützung gebeten hat und weil selbstverständlich internationale Beobachter und Aufklärer vor Ort Frauen und Mädchen helfen können und sie schützen können. Wenn man hinschaut, kommt es nicht mehr so oft vor. Diese Art von Kriegsverbrechen darf nicht straflos bleiben. Es reicht eben nicht, zu sagen: Ja, das sollen die Ukrainer im Kriegszustand selber machen!

Wir sind eine Wertegemeinschaft, der Internationale Strafgerichtshof hat seine Leute dort, und Österreich unterstützt das. Der Internationale Strafgerichtshof hat Aufklärer vor Ort, Österreich hat dafür Geld, aber auch Personen gegeben. Das ist wichtig und ein Schutz für die betroffenen Frauen und Mädchen, denn man kann dann nachher nicht sagen (Zwischenruf der Abg. Rosa Ecker): Ja, wir haben keine Beweise, es gibt keine Verurteilungen und die Verbrecher gehen straflos! – Das dürfen wir nicht zulassen!

So wie Sie, Frau Ecker von der FPÖ, jetzt gesprochen haben, haben Sie in Wirklichkeit das, was dort passiert, relativiert, und das wollen wir nicht zulassen. (Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. Rosa Ecker.)

Es geht um den ICC, aber es geht auch um die Arbeit der UNO. Der UN-Menschen­rechtsrat hat eine eigene Kommission (Abg. Deimek: Kollegin Ecker hat Sie gerade kor­rigiert, aber das ist Ihnen egal, Sie haben ja die Wahrheit gepachtet!), und die hat ihren Sitz in Wien – auch so unterstützen wir diese Arbeit. Das eine, was wir tun können, ist, gegen Straflosigkeit vorzugehen und Rechenschaft zu verlangen, das andere ist aber – und so sagt es auch unser Antrag – die Unterstützung der Opfer.

Die Opfer kann man auf mehreren Ebenen unterstützen: bei denen, die nach Österreich kommen – wir haben es heute Morgen vom Bundeskanzler gehört, 80 000 –, viele davon Frauen und Mädchen, einmal schauen, ob psychologische Betreuung notwendig ist, und auch da in der Beweissicherung helfen; aber auch in unserer humanitären Hilfe vor Ort muss man die psychologischen Traumata, die entstehen, wenn sexuelle Gewalt als Kriegswaffe verwendet wird, aufgreifen und bei deren Aufarbeitung unterstützen. Da geht es um Helplines vor Ort, da geht es um Frauenhäuser, die dort mit unterstützt wer­den – auch das ist ein Zugang, ein humanitärer Zugang, und das muss mitgedacht wer­den.

Aber über all dem steht, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir ganz drin­gend ein sofortiges Ende dieses völkerrechtswidrigen Angriffskriegs brauchen, der so viel Zerstörung und menschliches Leid verursacht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleit­ner. – Bitte.


12.35.25

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Frau Minis­terin! Vielleicht nur kurz zum vorherigen Tagesordnungspunkt: Wir hätten uns wirklich gewünscht, Frau Ministerin – ich habe gesehen, Sie waren kurz in die RednerInnenliste eingemeldet –, dass Sie einfach auch ein, zwei Worte zur Aufhebung der Indexierung


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der Familienbeihilfe an uns und natürlich auch an die Zuseherinnen und Zuseher gerich­tet hätten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber zur sexuellen Gewalt als Kriegswaffe: Diese Gräueltaten sind so grauenhaft, dass man sich das kaum ausmalen mag, und das muss man immer auf das Schärfste verurteilen. Wir haben das überfraktionell rund um den Weltfrauentag auch schon in einem gemeinsamen Antrag gemacht. Das ist extrem wichtig, weil wir solidarisch an der Seite der Frauen stehen müssen, und deshalb stimmen wir auf jeden Fall heute hier diesem Regierungsantrag zu.

Für uns als SPÖ ist aber auch eines klar: Wir sind und waren immer eine Friedensbewe­gung. Ich möchte hier noch einmal Johanna Dohnal zitieren, die gesagt hat: „Der Friede ist zu wichtig, um ihn den Männern [...] zu überlassen.“ – Das betrifft natürlich auch das Thema der sexuellen Gewalt als Kriegswaffe. Wir stehen solidarisch mit den Frauen in der Ukraine, aber auch in Russland, mit jenen, die für den Frieden auf die Straße gehen, mit den Frauen in den USA oder in Afghanistan, egal wo. Die Solidarität der Frauen muss immer geboten sein. (Beifall bei SPÖ.)

Frauen und Mädchen auf der Flucht sind besonders vulnerabel. Wenn Frauen flüchten und Opfer von sexueller Gewalt als Kriegswaffe wurden, dann muss ihnen trotzdem das Recht auf Selbstbestimmung – da komme ich wieder zum Vorherigen zurück – zukom­men. Als Opfer von Vergewaltigung müssen sie das Recht auf und den Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch haben (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS), ob in Polen oder woanders, egal, in welchem anderen Land sie aufschlagen.

Es ist wichtig, hier zu betonen, dass wir keinen Millimeter weichen, wenn in Vorarlberg von einer ÖVP-Politikerin die Fristenlösung infrage gestellt wird. (Abg. Sieber: Was für ein Unsinn!) Wir werden keinen Millimeter weichen, wenn Sie, Herr Kollege Sieber (Abg. Sieber: Hat sie nicht!) hier jetzt wieder vollkommen auszucken. Wir werden auch nicht weichen (Ruf bei der ÖVP: Hören Sie damit auf! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), wenn sich der Papst in den Uterus von Frauen einmischt. (Beifall bei der SPÖ.) Wir werden nicht weichen, wenn wirklich Millionen zur Beschneidung von Frauenrechten in unsere Länder gespült werden, und wir sehen das auch leider immer wieder mit Peti­tionen hier im Haus.

Wir begrüßen deshalb wirklich ausdrücklich die Resolution, die gestern im Europaparla­ment verabschiedet worden ist, im Übrigen ohne die Stimmen der ÖVP – wieder ein­mal –, was zeigt, wo Ihre Gesinnung in diesem Punkt liegt. Wir unterstützen diese Reso­lution, die sich mit den Frauen in den USA solidarisiert und wir begrüßen wirklich die Bestrebung, dass das Recht auf einen sicheren Schwangerschaftsabbruch auch in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgenommen werden soll. Das wäre wichtig und gut, denn das Recht von Frauen und Mädchen auf reproduktive Selbstbe­stimmung muss gewahrt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir müssen da auch in Österreich künftig weitere Schritte gehen, nämlich durch die Le­galisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, durch die Kostenübernahme – Schwan­gerschaftsabbruch quasi auch mit Krankenschein möglich machen – und durch die Si­cherstellung und Zurverfügungstellung kostenloser Verhütungsmittel. Verhütung ist auch in Österreich viel, viel zu teuer. Jetzt ist es auch extrem wichtig, qualitätsvolle Sexualpä­dagogik wieder an die Schulen zu bringen, wie das beispielsweise durch First-Love-Am­bulanzen der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung getan wird.

Was passiert sonst? Serien wie „The Handmaid’s Tale“ zeichnen uns grauenvolle Bilder. Diese Bilder werden aber Wirklichkeit, wenn wir den Frauen den Schwangerschafts­abbruch illegalisieren, denn die Abbrüche passieren, sie passieren dann nur unter le­bensbedrohlichen und tödlichen Umständen für die Frauen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

12.39



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 102

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


12.39.41

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Kollegin Kugler hat in ihrer Rede behauptet, ich hätte die Ereignisse in der Ukraine mit meinen Worten relativiert.

Ich berichtige tatsächlich: Sie werden in meiner Rede kein einziges Wort der Relativie­rung dieser Vorkommnisse feststellen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kugler: Es gab sie eh schon vorher ...! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

12.39


Präsidentin Doris Bures: Bei einer tatsächlichen Berichtigung muss es sozusagen eine Wiedergabe eines Sachverhaltes geben, der dann berichtigt wird, Frau Abgeordnete, und keine politische Meinung. Dafür gibt es die Debatte, und es ist auch gut so, dass wir das trennen.

Frau Abgeordnete Heike Grebien, Sie gelangen jetzt zu Wort. – Bitte.


12.40.26

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wertgeschätzte KollegInnen! Sehr geehrte ZuseherInnen hier auf der Galerie im Hohen Haus und auch zu Hause! (Die Rednerin stellt ein Foto, auf dem De­monstrantinnen mit ukrainischen Fahnen zu sehen sind, auf das Rednerpult.) Seit 135 Ta­gen herrscht Krieg in der Ukraine, ein Krieg, ausgelöst durch einen demagogischen Pa­triarchen, der zur Bestätigung seiner eigenen Macht und seiner toxischen Männlichkeit Menschenleben opfert. Wir kennen das von anderen toxischen Männern, die zu viel Macht haben. Darunter leiden alle: UkrainerInnen, RussInnen wie auch EU-BürgerInnen. Ein Teil dieses Leides zeichnet sich durch die Zahl der Todesopfer ab, die Zahl der schweren Verletzungen, die Zahl der geflüchteten Personen – mehr, als ganz Österreich BewohnerInnen hat, sind gerade auf der Flucht ‑, aber auch eine stetig ansteigende Zahl der Opfer sexualisierter Gewalt im Kriegsgebiet.

Lange wurden Vergewaltigungen in Kriegen von Forschung, Politik und Medien als Einzelfälle betrachtet oder gänzlich verschwiegen; oder es wurde gesagt, es ist der Trieb des Mannes, des Soldaten, gegen den man nicht eingreifen kann. Einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung dazu gab es erst Anfang der 1990er-Jahre, nachdem Massenvergewaltigungen aus dem Bosnienkrieg und aus dem Völkermord in Ruanda bekannt wurden. „Mit eigens zum Zwecke der Vergewaltigung bzw. der sexuellen Folter eingerichteten Lagern in der Mitte Europas hat die Gewalt gegen Frauen eine neue Stufe erreicht. Nach Ermittlungen einer Untersuchungskommission der Europäischen Gemein­schaft müssen die Massenvergewaltigungen und sadistischen Folterungen von Frauen in Bosnien-Herzegowina als systematische und befohlene Aktion betrachtet werden“, schreibt die Militärsoziologin Ruth Seifert in ihrem Essay „Krieg und Vergewaltigung“.

Ich denke, wenn ich etwas von Ruth Seifert lese, immer wieder auch an einen Freund meines Vaters, dessen Mutter den Zweiten Weltkrieg überlebt hat und von mehreren russischen Soldaten auf brutalste Weise vergewaltigt wurde. Die Folgen dieser Gruppen­vergewaltigung waren nicht nur die Schwangerschaft, also das Entstehen des Lebens des Freundes meines Vaters, sondern auch eine lebenslange Verletzung, psychisch wie physisch. Viele Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden, aus der eine Schwan­gerschaft entstanden ist, haben versucht, sich umzubringen, haben versucht, Abtreibun­gen durchzuführen, sind daran gestorben; und wenn sie es überlebt haben, haben sie ihr Leben lang nicht mehr darüber gesprochen, denn, werte Damen und Herren, wenn man etwas so Schmerzhaftes, wie es diese Frauen erleben, etwas in unserer Gesell­schaft so Tabuisiertes erlebt, dann ist das Schwierigste, was man tun kann, darüber zu sprechen. Ich danke meinen Schwestern, meinen Müttern und meinen Großmüttern im


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Geiste, die den Mut finden, darüber zu sprechen – mit Journalisten und Journalistinnen, die das meistens aufzeigen, damit auch wir hier in Österreich, im österreichischen Par­lament entsprechend Handlungen setzen können. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abgeordneten Fiedler und Krisper.)

Erst 2008 hat der UN-Sicherheitsrat Vergewaltigungen und andere Formen sexualisier­ter Gewalt im Krieg als Kriegsverbrechen anerkannt. Damit können Täter und Täterinnen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nun verurteilt werden. Dass es bei Vergewaltigungen, sexuellen Missbräuchen und Völkermorden an Ahndung und Aufar­beitung mangelt, ist ebenso bekannt. Darauf hat auch meine Kollegin Bedrana Ribo in ihrer sehr emotionalen, berührenden Rede über die Mütter von Srebrenica, wozu bis heute keine vollständige Aufklärung stattgefunden hat, hingewiesen. Solche Tatenlosig­keit, solche Starre angesichts dieser Kriegsverbrechen darf sich nicht wiederholen. (Bei­fall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Besonders sexualisierte Gewalt zerstört nicht nur physisch Menschenleben, sie belastet emotional über Generationen ganze Familien und somit ganze Gesellschaften. Deshalb zählt sie laut dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes zu den Ver­brechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen und muss dementsprechend geahndet werden.

Bundesministerin Zadić steht seit einiger Zeit im Austausch mit diversen Fachgremien und ExpertInnen, unter anderem mit der in Wien ansässigen UN-Untersuchungskommis­sion, welche sich mit der Aufklärung von Kriegsverbrechen, insbesondere sexualisierter Kriegsgewalt, befasst. Wir haben es dazu auch schon geschafft, 100 000 Euro zur Unter­stützung der Opfer zur Verfügung zu stellen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, aber wir wollen mehr, und deswegen haben wir im letzten Gleichbehandlungsausschuss stim­menmehrheitlich einen Antrag verabschiedet. Der Antrag wurde von allen Fraktionen mitgetragen, nur von der FPÖ nicht.

Allerdings stimmt es mich hoffnungsvoll, dass wir mehrheitlich hier in diesem Hohen Haus dafür sind, den Opfern der sexualisierten Kriegsverbrechen beizustehen und diese Gewalttaten aufzuarbeiten. Besonders im Bereich der Schwangerschaftsabbrüche für geflüchtete Frauen braucht es rasche, kostenlose und niederschwellige Hilfsmöglichkei­ten. Für diese werden wir Grüne, gemeinsam auch mit anderen Fraktionen in diesem Hohen Haus, uns weiterhin einsetzen. Daher appelliere ich vor allem an die ÖVP: Han­deln wir dort, wo wir handeln können! Und ich ersuche auch Sie, werte KollegInnen von der FPÖ, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

12.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


12.46.44

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Es freut mich sehr, dass wir heute die weitreichende Aufforderung an die Bundesregie­rung beschließen, sie möge Kriegsverbrechen und darunter besonders sexuelle und ge­schlechtsspezifische Gewalt in der Ukraine weiterhin verurteilen.

Weniger freut mich, dass beim letzten Plenum, während dem wir das schon hätten ma­chen können, ein fast gleichlautender Antrag von mir abgelehnt wurde. Es ist natürlich für die Regierung schöner, einen Antrag an sich selbst zu stellen und dann darüber ab­stimmen zu lassen, als anderen zuzuhören. Das sind wir mittlerweile gewöhnt, und des­halb möchte ich auch zum Inhalt kommen.

In diesem Antrag wird nämlich auch die Unterstützung für Opfer gefordert, und bei de­ren Ausgestaltung – also: was ist jetzt eigentlich Unterstützung? – gibt es offensichtlich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 104

Differenzen innerhalb der Koalition, innerhalb des Hauses. So sehen wir NEOS bei­spielsweise Unterstützung für vergewaltigte Ukrainerinnen und somit den Zugang zu si­cheren Schwangerschaftsabbrüchen als relevant an. Jetzt wissen wir aus Ausschüssen zu diesem Thema, dass die ÖVP überzeugt ist, dass dieser Zugang in Österreich bereits sichergestellt ist.

Sehr geehrte Kollegen und vor allem Kolleginnen, das ist einfach nicht der Fall! In Vorarl­berg möchte der einzige Arzt, der Abbrüche anbietet, jetzt mit 70 dann langsam in Pension gehen und findet keinen Nachfolger oder keine Nachfolgerin, weil Ärztinnen und Ärzte Angst haben, dass sie mit einem wütenden Mob vor ihren Ordinationen und Praxen konfrontiert sind. In Tirol gibt es ebenfalls nur einen Arzt. Der ist aber zuständig für 200 000 Frauen im gebärfähigen Alter, das ist ganz schön viel. Im Burgenland gibt es überhaupt kein Angebot.

Wenn Sie also diesen Anspruch, diese Aufforderung an sich selbst ernst nehmen, dann müssen wir eben auch über Abtreibung sprechen. Da genügt es auch nicht, wenn die Grünen stillschweigend und auch wider ihr besseres Wissen Vertagungen zustimmen und Diskussionen darüber fernbleiben. Es ist unsere Aufgabe hier im Hohen Haus, uns mit diesen Anzeigen auseinanderzusetzen.

Wenn Sie sich jetzt, vor allem die Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zum Opferschutz bei Opfern von sexueller Gewalt auffordern, dann müssen Sie das auch umsetzen! Eine schöne Absichtserklärung wie jetzt hilft einfach nicht. Wir brauchen internationale Mitarbeit bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen, wir brauchen aktive Unterstützung aus der österreichischen Politik, wir brauchen echten Opferschutz. Deshalb müssen wir diesen Absichtserklärungen bitte endlich auch Taten folgen las­sen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.


12.49.29

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Anwesende im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher von zu Hause! Wie unsere Vorsitzende Eva Maria Holzleitner schon gesagt hat, werden wir die­sem Antrag selbstverständlich zustimmen.

Die schrecklichen Berichte aus dem befreiten Norden der Ukraine und auch die Berichte aus den besetzten Gebieten im Süden und im Osten zeigen eines deutlich: Die russische Armee setzt im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine sexuelle Gewalt ein. Alleine in den ersten zwei Aprilwochen hat die Ombudsfrau für Menschenrechte 400 Fälle sexualisierter Gewalt gemeldet. Das ist eigentlich ein Wahnsinn, was da vor sich geht, und in der Vergangenheit wurden diese Dinge nicht einmal bestraft.

Seit März – und das stimmt mich zuversichtlich – gibt es bei der EU-Justizbehörde Euro­just ein spezielles Ermittlungsteam. Diesem gehören auch Litauen, Polen, die Ukraine, Estland, Lettland, die Slowakei und der Internationale Strafgerichtshof an, die Beweise sammeln und bündeln, damit es endlich zu Prozessen kommt. Ich glaube, das ist ein erster wichtiger Schritt, der da endlich passiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Unklar ist bis zu diesem Zeitpunkt die Stellungnahme von Frau Ministerin Raab zu einer gendersensiblen Aufarbeitung, Aufklärung und Ahndung geschlechtsspezifischer Gewalt, und wir würden auch gerne wissen, wie die Opfer und auch die Zeugen unter­stützt werden. Ich glaube, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, dass die Frau Ministerin dem Nationalrat gegenüber eine Erklärung zu diesen Vorkommnissen abgibt. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 105

Insgesamt haben wir uns generell immer wieder dafür ausgesprochen, dass der Gewalt­schutz in Österreich und außerhalb von Österreich erhöht werden muss. 228 Millionen Euro dafür wurden nicht genehmigt. Gewaltschutz gilt für alle und betrifft auch alle Res­sorts dieser Regierung. Hochsicherheitskonferenzen müssen endlich flächendeckend stattfinden und nicht nur anlassbezogen. Wir sehen es an den Zahlen in Österreich. Was wir in Österreich tun, ist genauso zu wenig wie das, was wir bis jetzt für die flüchtenden Frauen und Mädchen in der Ukraine tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmungen verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Gleichbehandlungsausschusses.

12.52.225. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 2234/A(E) der Abge­ordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierungs­freie Blutspende endlich umsetzen (1583 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mario Lindner. – Bitte.


12.52.49

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, plus für Transpersonen fällt, und das ist auch gut so. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.) An dieser Stelle ein großes Danke an die Commu­nity und an alle Aktivistinnen und Aktivisten! Das ist euer Erfolg! (Beifall bei der SPÖ.)

Trotzdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, stellen sich schon wieder neue Fra­gen: Die Bezeichnung diskriminierungsfreie Blutspende kommt mit keinem Wort in der neuen Verordnung vor, und bei der Drei-mal-drei-mal-drei-Regel hat Helmut Graupner, der Präsident des Rechtskomitees Lambda, festgestellt, dass auch die Bezeichnung un­geschützter Sex in der Verordnung nicht vorkommt. Das heißt, das individuelle Risiko­verhalten wird nicht abgefragt.

Und die dritte Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren: Warum erst am 31. Au­gust, wenn jetzt so dringend Blut gebraucht wird? Wir haben in Österreich leider einen eklatanten Blutmangel. Das Rote Kreuz und andere Blutspendeorganisationen fordern uns ja immer wieder auf, zum Blutspenden zu gehen.

Wir haben aber nicht nur einen Blutmangel, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben auch einen eklatanten Ärztemangel; einen Ärzteengpass bei HausärztInnen, bei FachärztInnen, bei VisitenärztInnen, und jetzt gehen uns auch noch die NotärztInnen aus. Im Juni waren in der Steiermark die Notarztstützpunkte in Rottenmann, Mariazell, Hartberg, Leoben und auch in vielen anderen Regionen Österreichs unbesetzt, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist inakzeptabel! Das darf es in einem Land wie Österreich nicht geben! (Beifall bei der SPÖ.) Wir brauchen eine österreichweite Notarztversorgung. Sie muss 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag sichergestellt sein.

Weil wir gestern beim letzten Tagesordnungspunkt sehr euphorisch und völlig zu Recht 20 Millionen Euro an die freiwilligen Feuerwehren ausgeschüttet haben: Ich frage mich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 106

da schon, meine sehr geehrten Damen und Herren, was mit den ehrenamtlichen Sani­täterinnen und Sanitätern im Rettungsdienst ist. Wo ist der Coronabonus für unsere Sanis? (Beifall bei der SPÖ.) Was ist mit den Ehrenamtlichen bei der Bergrettung? Was ist mit den Ehrenamtlichen bei der Wasserrettung? Auch diese Kolleginnen und Kollegen haben sich eine Unterstützung verdient. Das Ehrenamt muss uns mehr wert sein. Und: Liebe Kollegin Gaby Schwarz (Abg. Gabriela Schwarz: Ja!), ich kenne mich aus. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Gabriela Schwarz: Gut!)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


12.55.40

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Ich habe jetzt die letzte Meldung von Kollegen Lindner nicht ganz verstanden. Warum soll es einen Bonus für Ehrenamtliche geben? Ehrenamtliche sind ja per defini­tionem unbezahlt. Das habe ich jetzt irgendwie nicht ganz verstanden. Vielleicht können wir das noch klären.

Aber zum Thema selbst: Die Blutspende, wie schon angesprochen, ist jetzt auch deswe­gen im Fokus, weil wir auch durch Corona gerade so wenig Blutkonserven haben. Das ist aber eigentlich gar nicht der Anlass für diese Regelung. Wir diskutieren das ja schon etwas länger. Ich stehe auch nicht an, mich bei den Vertretern der Zivilgesellschaft zu bedanken, die dieses Thema in den letzten Jahren immer wieder hochgehalten haben. Ich finde es nämlich sehr sinnvoll, dass wir über dieses Thema reden, vor allem finde ich es sehr sinnvoll, wenn wir so über dieses Thema reden, und zwar rational und mit Argu­menten.

Es ist nämlich so, dass es bei vielen Problemen mehrere Ziele gibt, die man erreichen will. Bei diesem Problem des Blutspendeverbots für homosexuelle Männer war es ja nicht nur das Ziel, eine diskriminierungsfreie Regelung zu haben, sondern es geht na­türlich, und ich glaube, das ist genauso ein hehres Ziel, um die Blutsicherheit. Ich glaube, für diese beiden Themen, die beide wichtig sind, haben wir jetzt rational, auch mit Beihilfe medizinischer Experten, eine Regelung gefunden, die folgendermaßen ausschaut: dass, wenn man in den letzten drei Monaten mehr als drei Sexualpartner hatte, man drei Mo­nate nicht Blut spenden darf, und diese Regelung gilt für alle, unabhängig von der se­xuellen Orientierung.

Ich möchte mich auch bei Staatssekretärin Claudia Plakolm bedanken, die dieses The­ma vehement vertreten und zu einer Lösungsfindung beigetragen hat.

Wie gesagt geht es mir darum und ich finde das wichtig – hinsichtlich der Themen sind wir teilweise gar nicht so weit auseinander, wie wir da an diesem Rednerpult immer tun ‑, dass man, wenn man zu einer Lösung kommt, das dann auch seriös abarbeitet. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie das gelingen kann. Ich freue mich, dass das hinhaut und dass wir ab September diese Regelung haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


12.57.59

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Vorsitzende! Sehr geschätzte Frau Minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Waren Sie schon einmal Blut spenden? (Rufe: Ja!) Viele werden sagen: noch nicht! Blut spenden dauert insgesamt etwa 1 Stunde, aber in nur 7 Minuten werden knapp 500 Milliliter Blut entnommen. Wenn Sie den Bedarf schät­zen müssten – ich kann es Ihnen aber auch sagen –: Wir brauchen in Österreich bis zu 1 000 Blutkonserven pro Tag, 30 Prozent davon werden für akute Notfälle eingesetzt.


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Jetzt denken wir immer an Unfälle, aber nur 12 Prozent der Blutspenden werden für Verkehrs-, Sport- oder Haushaltsunfälle verbraucht, der überwiegende Teil wird für Krank­heiten benötigt: Krebserkrankungen, Herz-, Magen-Darm-, Leber-, Nierenerkrankungen, Blutarmut; auch für Geburten und vieles mehr.

Beim Blutspenden ist es so, dass es nach manchen medizinischen Untersuchungen wie zum Beispiel einer Endoskopie oder auch nach Operationen vorgeschriebene zeitliche Abstände gibt, die einzuhalten sind, bevor man wieder Blut spenden darf. Solche War­tefristen gibt es auch bei Auslandsaufenthalten in einigen Ländern, aber auch, wenn man sich Piercings oder ein Tattoo stechen lässt.

Es gibt dezidierte Gründe, warum man nicht Blut spenden darf. Das ist die Einnahme bestimmter Medikamente, das ist bei Drogenmissbrauch, bei Epilepsie, bei einer HIV-Infektion, bei Krebs oder auch bei Malaria. Bisher waren auch Männer, die Sex mit Män­nern hatten, noch ausgeschlossen. Da galt eine Sperrfrist von zwölf Monaten. Anschober hat schon im Dezember 2020 das Ende der Diskriminierung versprochen, und es gab vor zwei Jahren auch ein Hearing im Gesundheitsausschuss zu dieser Thematik, in dem eindeutig herauskam, dass die Beurteilung, ob eine Blutspende gemacht werden darf, nur nach objektivierten Risiken und nicht nach dem Verhalten der Menschen erfolgen darf.

Die Empfehlung war, dass zwei Fragebögen entwickelt werden sollten, quasi ein Schnell­fragebogen, mit dem das Risiko sofort ausgeschlossen werden kann, und ein zweiter Fragebogen, mit dem detailliert und ohne diskriminierende Fragen die Risiken aufge­nommen und dann beurteilt werden. So ist es möglich, dass Menschen nicht von vornhe­rein von der Blutspende ausgeschlossen werden, sondern anderen Menschen mit ihrer Blutspende helfen können. Mittlerweile haben ja Minister Rauch und Staatssekretärin Plakolm diese Drei-mal-drei-Regel für das Blutspenden angekündigt, die ab Herbst gel­ten soll. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Zur Sicherheit für alle, die eine Blutspende brauchen, werden Blutspenden genau analy­siert, die Werte erfasst und zur Sicherheit sowie als Service für den Blutspender übermit­telt. Es wird auch auf HIV-Antikörper, auf Hepatitis und auf Syphilis getestet.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuseher, informieren Sie sich wirklich einmal über das Blutspenden! Schauen Sie sich die Homepage Ihrer Blutspendezentrale an, da finden Sie alles im Detail, und vielleicht geben Sie sich einen Ruck und gehen Blut spen­den! Wir haben es schon gehört, Blutspenden sind derzeit sehr gefragt – es sind nicht so viele lagernd, wie gebraucht werden.

Was viele nicht wissen: Blutspenden sind nur 42 Tage haltbar. Darum auch mein Aufruf an alle, die älter als 18 Jahre sind: Spenden Sie Blut! Sie wissen nicht, ob Sie nicht selbst einmal in die Situation kommen, dass Sie das Blut von einem anderen brauchen, der so Ihr Leben rettet. Seien Sie aktiv und retten Sie das Leben von anderen Menschen! (Bei­fall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Krisper.)

13.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.01.35

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ja, ich klatsche sehr selten bei einer FPÖ-Rede, aber heute war das der Fall. Tatsächlich ist auch meine Freude enorm (Abg. Rauch: Sie sollten öfters bei unseren Reden zuhören!), heute zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen zu können.

Wieso? – Der Antrag ist zwei Jahre alt, die Debatte ist 20 Jahre alt, und es hat wirklich, wirklich viele unterschiedliche Runden, viel Überzeugungsarbeit, die auch notwendig


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war, gebraucht, um zu einer guten Lösung zu kommen, um klarzumachen, dass klarer­weise das individuelle Risikoverhalten abzufragen ist und dieses relevant ist – Sie ni­cken, danke! –, und nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, die sexuelle Identität, die sexuelle Orientierung oder die Frage, wer mit wem wann wie oft ins Bett geht. Und das haben wir endlich geschafft.

Es gibt nun eine Verordnung; sie ist vollständig, sie ist verbindlich, sie ist mittlerweile auch in der Umsetzung. Es stimmt, das dauert ein bisschen, aber ab 31. August gilt sie entsprechend und wie gesagt ohne Abstriche, ohne Kompromisse. Ja, wir haben das der Community zu verdanken, wir haben das engagierten Kollegen und Kolleginnen hier im Parlament zu verdanken, wir haben das dem Minister, der Staatssekretärin zu verdan­ken, auch Ihnen zu verdanken, uns allen zu verdanken, dass wir endlich diese Lösung haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Eine Sache ist mir wirklich sehr, sehr wichtig, zu erwähnen. Für die Zeit, bis mit Anfang September endlich diese Verordnung in Kraft tritt, habe ich einen Appell an Sie, an euch alle. Tatsächlich haben wir gerade einen Mangel an Blutkonserven in Österreich, und vielleicht können Sie, könnt ihr den Sommer auch dazu nutzen, euch einen Termin auszumachen und Blut spenden zu gehen. Blut spenden rettet bekanntlich Leben. Das ist nicht nur so dahergesagt, das ist faktisch so. Und deshalb ist es nicht erst ab Sep­tember für alle, sondern schon jetzt im Sommer für die Nationalratsabgeordneten eine gute Idee, dem Spendenaufruf des Roten Kreuzes zu folgen und Blut zu spenden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der nächste Redner ist Mag. Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.04.06

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuse­her! Wir als NEOS haben im Juli 2020 eine parlamentarische Petition gestartet, die das Ende des diskriminierenden Blutspendeverbots gefordert hat. Ich hätte mir damals nicht gedacht, dass es drei grüne Gesundheitsminister braucht, dass mehr als zwei Jahre vergehen müssen, dass unzählige Versprechen gebrochen werden müssen, bis dieses Blutspendeverbot endlich abgeschafft wird. Ich freue mich sehr, dass wir heute hier stehen und sagen können, dieses diskriminierende Blutspendeverbot für homo- und bi­sexuelle Männer wird der Geschichte angehören.

Ich frage mich aber schon, warum es immer so mühsam sein muss, warum es immer so ein Kampf sein muss und warum wir als Parlament, als Gesetzgebung, wenn es um Gleichstellung geht, nicht selbst aktiv werden können.

Erst letzte Woche hat der Verfassungsgerichtshof wieder eine diskriminierende, rechts­widrige, verfassungswidrige Vorgehensweise der österreichischen Behörden im Zusam­menhang mit der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare festgestellt. Es war im Übrigen auch der Verfassungsgerichtshof, der die Ehe für alle legalisiert hat. Es war der Verfassungsgerichtshof, der das Adoptionsverbot für verfassungswidrig erklärt hat. Es war der Verfassungsgerichtshof, der verfassungswidrige Strafrechtsbestimmungen auf­gehoben hat. Und es war, wie jetzt bei der Blutspende, die Opposition, die Zivilgesell­schaft, die Druck gemacht hat, auch bei den Konversionstherapien. Im Regierungspro­gramm findet sich nämlich kein einziges Wort, kein einziger Punkt zum Thema Gleich­stellung von LGBTIQ-Personen.

Liebe Grüne und liebe ÖVP, ich verstehe wirklich nicht, warum das immer so ein Kampf – fast schon ein Krampf – sein muss. Warum können wir das nicht einfacher machen? Wir


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verlangen ja nicht etwas, das uns nicht zusteht. Wir verlangen schlicht und einfach die gleichen Rechte. Wir verlangen das, was den LGBTIQ-Personen zusteht, nämlich dass ihre Menschenrechte geachtet werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich freue mich ganz besonders darüber, dass dieses Verbot jetzt fallen wird, aber es ist noch genug zu tun. Die Rechte der Community stehen, würde ich sagen, so stark unter Beschuss wie schon seit Jahren, vielleicht sogar seit Jahrzehnten nicht mehr, nämlich von ganz unterschiedlichen Seiten: von christlichen Fundamentalisten – da sind ja auch einige hier im Hohen Haus –, von faschistischen Identitären, die dieses Jahr auf ver­schiedenen Ebenen – auch die Regenbogenparaden – teilweise gewalttätig gestört ha­ben, und vom islamistischen Bereich, dessen Gefahr wir nicht unterschätzen dürfen.

Homophobie zu bekämpfen heißt immer, sie umfassend zu bekämpfen, sie zu benennen und auch konsequente Maßnahmen einzuleiten. Ich fordere insbesondere auch von der Justizministerin – das wird das nächste große Thema werden –, dass wir diese steigen­de Zahl der Hassverbrechen adressieren und dass dazu etwas Konkretes vorgelegt und nicht nur geredet wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

13.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Mag. Gerhard Kaniak ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.07.08

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministe­rin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Blut- und Plasmaspenden retten Leben, und wir haben, nicht nur durch das Coronakri­senmanagement und die Angst der Menschen, überhaupt hinauszugehen und auch Blut spenden zu gehen, aktuell definitiv zu wenig Blut- und Plasmaspender.

Umso erstaunlicher ist es, dass es von Dezember 2020, als wir im Gesundheitsaus­schuss ein Expertenhearing gehabt haben und einen alle Fraktionen einschließenden Kompromiss gefunden haben, der eine diskriminierungsfreie Blutspende ermöglicht, bis in den Herbst 2022 dauert, bis das tatsächlich in Österreich umgesetzt ist. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine Glanzleistung der österreichischen Regie­rung.

Es ist eine höchst notwendige Maßnahme gewesen, aber es ist nur ein kleiner Schritt in einer größeren Problematik, denn viele andere Probleme die Blutspende betreffend sind nach wie vor nicht gelöst. Nach wie vor werden oder müssen Blutspendetermine abge­sagt werden, weil zum Beispiel nicht ausreichend viele Ärzte verfügbar sind. Nach wie vor haben wir das Problem, dass es in Österreich einen Monopolbetrieb gibt, der die Blutspenden verwaltet, dass es in Österreich keine langfristige strategische Vorsorge gibt, zum Beispiel durch gefrorene Blutkonserven, dass es keine strategische Reserve gibt. Im österreichischen Bundesheer ist das intern bereits angedacht worden und in anderen Staaten ist es bereits verwirklicht worden, aber in Österreich hinken wir hinten­nach. Dabei haben wir nach wie vor das Problem, dass bis zu 10 Prozent der Blutkonser­ven verworfen werden müssen, weil ihre Haltbarkeit abgelaufen ist.

Sie sehen also, es gibt noch viel Handlungsbedarf, nicht nur im Bereich der Blutspende, sondern auch bei den Rahmenbedingungen und im Bereich der Blutplasmaspende. Da müssen neue Anreize gesetzt werden, denn es fehlen die vorsorgenden Schritte, um die Versorgungssicherheit der Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich zu gewähr­leisten. (Beifall bei der FPÖ.) – Danke.

Erlauben Sie mir abschließend einen Kommentar, da wir gerade bei Themen des Gleich­behandlungsausschusses sind: Nicht nur aufgrund sexueller Orientierung hat es da bis


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heute eine Diskriminierung gegeben, sondern es findet auch, was den Impfstatus der Österreicherinnen und Österreicher anbelangt, nach wie vor eine Diskriminierung statt.

Kollege Lindner hat angeführt, dass wir einen Notärztemangel in Österreich haben: Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass Ärztinnen und Ärzte ihre Not­arztkurse nur dann absolvieren können, wenn sie sich einer Covid-Impfung unterzogen haben, ansonsten dürfen sie ihr Zertifikat nicht auffrischen und nicht mehr als Notarzt tätig sein. Sehr geehrte Frau Ministerin, auch da wäre dringender Handlungsbedarf, und deshalb unterstützen wir die Initiativen, die auch ein Diskriminierungsverbot für Unge­impfte in Österreich umsetzen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Gleichbehandlungsausschusses.

13.10.10Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 4 und 5

Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Gleichbehand­lungsausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Die Klubs wünschen keine Unterbrechung? – Dann setze ich fort.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: die dem Ausschussbericht 1582 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „die Ahndung von sexuel­ler und geschlechtsspezifischer Gewalt im Ukrainekrieg“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (263/E)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Gleichbe­handlungsausschusses, seinen Bericht 1583 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch da jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

13.10.586. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1493 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 und das Bildungsinvesti­tionsgesetz geändert werden (1644 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1494 d.B.): Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2022/23 bis 2026/27 (1645 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1889/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beste Bildung für


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alle Kinder – immer, überall und kostenlos! Der Elementaren Bildung endlich den Stellenwert geben, den sie verdient und braucht. (1646 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2035/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit für die Kinder Österreichs (1647 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2310/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik (1648 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 553/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stufenplan für kleinere Gruppen in Kindergärten (1649 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1315/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kindergarten-Qualität erfassen, vergleichen und verbessern (1650 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2014/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsan­spruch auf Kinderbetreuung und Elementarbildung (1651 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2197/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mindestperso­naleinsatz und Kinderhöchstzahl in der Elementarbildung (1652 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2264/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbildung der Kindergarten-Assistenzkräfte verbessern und vereinheitlichen (1653 d.B.)

16. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2614/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Inklusion: Ver­pflichtendes Kindergartenjahr auch für Kinder mit Behinderung (1654 d.B.)



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 16 der Tagesord­nung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Es sind dies Berichte des Unterrichtsausschusses. Hinsichtlich der einzelnen Aus­schussberichte verweise ich auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Frau Ministerin Dr.in Susanne Raab verabschieden und erteile Petra Tanzler das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.11.27

Abgeordnete Petra Tanzler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Wertes Hohes Haus! Die 15a-Vereinbarung für Elementarpädagogik kann zusammen­fassend als verpasste Chance und Mogelpackung benannt werden (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre) – Mogelpackung deswegen, weil statt der benötigten Milliarde 200 Millionen Euro übrig geblieben sind, pro Jahr, für ganz Österreich. Im Endeffekt, wenn man es aufrechnet, sind es nur um 57 Millionen Euro mehr, als es jetzt schon gibt, und wenn man die Teuerung berücksichtigt, die auf uns zukommen wird, dann wird die Inflation diese 57 Millionen Euro auffressen und im Endeffekt nächstes Jahr weniger übrig bleiben, als es jetzt schon gibt.

Als großer Wurf wird es immer kommuniziert – mitnichten! Wieder wird bei den Kleinsten gespart. Es ist eine verpasste Chance, in diesen nächsten fünf Jahren endlich notwendi­ge Verbesserungen und Änderungen vorzunehmen. Es gibt keinen Cent mehr dafür, dass der Betreuungsschlüssel verbessert wird, dass die Gruppengrößen verkleinert wer­den können, keinen Cent für den Ausbau, damit dieser forciert werden kann, damit ein Rechtsanspruch etabliert werden kann. Es sind keine transparenten Kriterien für die Ver­gabe von Ressourcen und Fördermitteln festgeschrieben. Es gibt keine bundesweit einheitlichen Mindeststandards. Der Inklusionsschwerpunkt kommt überhaupt nicht vor, es gibt keinen Cent für eine Ausbildungsoffensive, um den Berufsstand attraktiver zu machen, und es gibt keine einheitliche Ausbildung der Assistenzkräfte. Nichts! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten unzählige Anträge gestellt, darauf auf­merksam gemacht, was dieser Bereich braucht. Die Antwort am Dienstag im Ausschuss war: Wir hätten uns ja einbringen können. – Gleichzeitig wurden alle unsere Anträge abgelehnt.

Sie wissen nicht, was in den Bildungseinrichtungen gebraucht wird, Sie wissen nicht, was die Beschäftigten brauchen, Sie wissen nicht, was Kinder und Eltern brauchen, das findet man nämlich in der neuen Vereinbarung nicht. So, nun stehen wir da, wir haben eine neue 15a-Vereinbarung, und im Endeffekt ist nicht mehr drinnen. Es ist dieselbe, wie sie vorher war, mit dem Unterschied, dass durch die Teuerung weniger Geld für die nächsten fünf Jahre übrig bleibt. Heiße Luft.

Der Anspruch eines Politikers an sich selbst sollte sein: Was kann ich für mein Land und die Menschen, die in diesem leben, tun? Das ist der Auftrag eines Politikers. (Abg. Za­rits: Oh!) Ich frage mich in diesem Haus seit drei Jahren, was Sie an Ihre Arbeit für einen Anspruch stellen, werte KollegInnen von der ÖVP und den Grünen, denn die Probleme, die auf der Hand liegen, und die Lösungen, die gebraucht werden, sind Ihnen nämlich egal! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie erzählen immer nur, dass Sie Großes tun. Was dann herauskommt, sind leider nur Peanuts.

Das, was gebraucht wird, kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden, das ist mir klar. Es gibt aber nicht einmal einen Ansatz, es gibt keinen Stufenplan, es gibt kein Bewusstsein für die Wichtigkeit und die Bedürfnisse, es gibt keine Wertschätzung dem Personal gegenüber und auch kein Verantwortungsbewusstsein als Politiker hier herinnen,


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somit auch keine Berechtigung mehr, dieses Land zu führen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.  Abg. Ottenschläger: Also die Berechtigung geht schon von den Wählern aus!)

Geld gäbe es genug zu verteilen, nur nicht an jene, die es brauchen. (Abg. Ottenschlä­ger: Die Berechtigung geht schon von den Wählerinnen und Wählern aus, nicht von Ihnen!) – Sie können sich dann zu Wort melden. – Das ist Ihre Politik!

Ich frage Sie: Wann, wenn nicht jetzt, nach drei Jahren Pandemie, wenn so offen und klar alle Mängel und Missstände im Bildungsbereich wie offene Wunden daliegen, wird etwas getan? Der Bereich ist chronisch unterfinanziert und schlecht ausgestattet. Jetzt ist der Zeitpunkt für Reformen im großen Stil, für Änderungen, für Visionen, die sichtbar werden, für ein neues Bildungssystem und echte Chancen für alle! – Das ist unsere Politik, und wir werden nicht aufhören, Verbesserungen vorzuschlagen und sie auch ein­zufordern.

Da das meine letzte Rede vor der Sommerpause ist, bedanke ich mich wirklich bei allen PädagogInnen und LeiterInnen aller Bildungseinrichtungen für ihr großes Engagement in diesen schwierigen Zeiten. Wir stehen hinter euch, und ich wünsche eine erholsame Urlaubszeit! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

13.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich begrüße Herrn Bundesminister Dr. Martin Polaschek im Haus und erteile Frau MMMag. Dr. Gertraud Salzmann das Wort. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


13.15.37

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus, aber auch liebe Zuseher daheim vor den Bildschirmen und im Internet, wo immer Sie dieser Debatte auch folgen! Ich hoffe, dass ihr sehr viele folgen, denn die Bildung ist für unser Land sehr wichtig, die Bildung ist für unsere Kinder sehr wichtig. Ja, meine Damen und Herren, wir setzen den kräftigen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze um! (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Im vorliegenden Entwurf der 15a-Vereinbarung, meine Damen und Herren, geht es um sehr viel. Es geht um Familienpolitik, es geht um Frauenpolitik, es geht um wirtschafts­politische und auch um arbeitspolitische Maßnahmen. Es geht um die bessere Verein­barkeit von Familie und Beruf, und ganz besonders geht es um unsere Kinder und um die frühe Förderung, um die Bildung unserer Kinder; und das ist uns viel wert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit der Umsetzung der Kindergartenmilliarde bis 2027, wie man sie kurz bezeichnen kann, wird ein ganz wichtiger Schritt gesetzt, Herr Minister, in dem Entwurf, den Sie auch mitverhandelt und vorgelegt haben – ein wichtiger Schritt im elementaren Bildungsbe­reich und in der Elementarpädagogik, die wir mit dieser Milliarde ganz kräftig unterstüt­zen; somit geben wir den Familien auch eine wichtige Unterstützung zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in die Hand.

Wir als ÖVP stehen für Wahlfreiheit, denn es gibt unterschiedliche Lebensmodelle, mei­ne Damen und Herren! Das bedingt aber auch ausreichende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsplätze, und wir werden auch in die Qualitätsmindeststandards, was die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Elementarpädagogen und des Assistenzpersonals an­langt, hineingehen, denn das ist wichtig.

Ich bin viel unterwegs, daheim in meinem Wahlkreis und in meinem Bundesland, und das, was ich von den Bürgermeistern höre, ist: Uns fehlt das Personal, um die Kinderbe­treuungsplätze auch möglichst gut zu besetzen. Daher werden wir da auch Maßnahmen setzen. In puncto Elementarpädagogikausbildung haben wir schon verschiedene Maß­nahmen gesetzt, verschiedene Ausbildungsformen vorgesehen, die jetzt gut anlaufen.


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Es wird wahrscheinlich auch noch, oder ich bin mir sicher, für den Quereinstieg noch Anreize brauchen. Warum sollen wir nicht Mütter, die selber Kinder großgezogen haben, in einem zweiten Bildungsweg für den Umstieg gewinnen können?

Als ÖVP machen wir uns für Familien, für Frauen und für Kinder stark, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

1 Milliarde Euro bis 2027 wird in die Verlängerung und Flexibilisierung der Öffnungszei­ten investiert, mit einem speziellen Fokus auf die bis zu Dreijährigen – da gibt es noch Aufholbedarf –, und es wird ganz speziell auch in die Sprachförderung investiert, Herr Minister, das ist für uns im Bildungsbereich auch ein ganz wichtiger Fokus.

Darüber hinaus tun wir in der Regierung mit den Grünen – ÖVP und Grüne – ganz viel für die Familien: Wir erhöhen den Familienbonus Plus auf 2 000 Euro, wir erhöhen den Kindermehrbetrag auf 550 Euro, es gibt zusätzlich im August eine Einmalzahlung der Familienbeihilfe in der Höhe von 180 Euro.

Abschließend darf ich sagen, dass mich auch der zweite Entwurf, der vorliegt, freut, Herr Minister: plus 15 Millionen Euro für die administrative Unterstützung in den Schulen, plus 7 Millionen Euro für psychosoziale Unterstützung in den Schulen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.)

Da heute Zeugnistag ist, darf ich unseren Dank hier von dieser Stelle aus allen Lehrerin­nen und Lehrern, allen Schulleiterinnen und Schulleitern und ganz besonders auch dem Schulverwaltungspersonal übermitteln. Durch euer Engagement war es möglich, auch dieses Schuljahr, mit diesen großen Herausforderungen, gut über die Bühne zu bringen. Ich wünsche allen Schülern, Eltern und Lehrern einen erholsamen Sommer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.20.07

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Die Grundlage für diese 15a-Vereinbarung besteht aus drei unterschiedlichen früheren 15a-Vereinbarungen.

Es geht erstens darum, die sprachliche Förderung entsprechend früh anzusetzen, zwei­tens geht es um einen Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes und drittens um die halb­tägige kostenlose und verpflichtende Frühförderung. Diese drei 15a-Vereinbarungen hat man jetzt zusammengefasst.

Es sind hier Vorstellungen beziehungsweise Ideen aus dem ÖVP/FPÖ-Regierungspro­gramm des Jahres 2017 eingeflossen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir dem zustimmen werden: weil der Wertekatalog, den wir damals erstellt haben, nicht aufgelöst wurde. Es sind nach wie vor da unsere Ideen drinnen.

Wir kennen die größten Probleme, die es heute im Schulbereich gibt. Dazu gehören zum einen natürlich die Schäden, die die Coronakrise in den vergangenen zwei Jahren verur­sacht hat. Da nehme ich auch die Bundesregierung nicht aus der Pflicht, denn auch dafür ist diese Bundesregierung verantwortlich – für vieles, was unseren Kindern, unseren Ju­gendlichen und unseren Schülern angetan wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein zweites sehr großes Problem ist die Sprache. Es sind die mangelnden Sprachkennt­nisse, die in den Schulen mittlerweile Einzug gehalten haben. Wenn ich nur daran denke, dass im Bundesland Wien der Anteil der Schüler, die nicht Deutsch als Umgangssprache


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verwenden, mittlerweile bei 40 Prozent liegt, oder dass österreichweit der Durchschnitt jener Schüler, die nicht Deutsch als Umgangssprache pflegen, bei etwa 35 Prozent liegt: Hier muss man tatsächlich etwas tun, hier muss man eingreifen!

Dass man jetzt den Fokus auf die deutsche Sprache legt, ist aus unserer Sicht richtig. 200 Millionen Euro im Jahr den Ländern zur Verfügung zu stellen, damit man eben Maßnahmen wie die Intensivierung der sprachlichen Frühförderung machen kann, damit man den Ausbau der elementaren Bildungsangebote auch für unter Dreijährige erwei­tert, ist richtig. Hier passt man sich in Wirklichkeit nur Lebensrealitäten an, die es heute gibt. Auch dass das letzte Kindergartenjahr verpflichtend bleibt, aber nicht ausgeweitet wird, ist in unserem Sinne, im Sinne der Freiheitlichen Partei.

Da wir eben wie gesagt hier unsere Ideen mehr oder weniger haben einbringen können beziehungsweise in der Vergangenheit bereits konnten, werden wir diesem Antrag zu­stimmen, weil damit ein freiheitliches Projekt fortgesetzt und umgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

13.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Sibylle Ha­mann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.23.06

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Herr Präsident! Lieber Herr Bundesmi­nister! Wir diskutieren hier heute zwei Regierungsvorlagen und auch mehrere Opposi­tionsanträge, die sich mit großen Baustellen in unserem Bildungssystem befassen: Das ist das schulische Unterstützungspersonal, das ist der Ganztagsbetrieb und das ist die Elementarpädagogik.

Was haben diese Bereiche, die ich jetzt genannt habe, gemeinsam? – Sie haben ge­meinsam, dass sie leider viel zu oft im Schatten stehen, nämlich im Schatten dessen, was meistens im Zentrum steht, und das ist der formelle Schulbetrieb, der Unterricht, all das, wo Lehrkräfte am Werk sind.

Das ist aber aus meiner Sicht eine viel zu enge Perspektive. Ich bin fest davon über­zeugt, dass Bildung und Lernen nicht nur im Schulunterricht stattfinden, nicht nur in einem formalisierten Setting im Klassenzimmer, sondern definitiv schon im Kindergarten und später in den Pausen, am Schulhof und am Nachmittag, beim Blödeln, beim Sich-Bewegen, beim Singen und vor allem auch beim Spielen. Ich würde sogar behaupten, dass diese Art soziales Lernen oft noch intensiver und noch wirksamer zur Persönlich­keitsbildung beiträgt als das, was im formellen Unterricht passiert.

Deswegen sind die ElementarpädagogInnen und die FreizeitpädagogInnen in diesem Land so wichtig, das sogenannte Supportpersonal, und alle diese Bereiche bekommen jetzt mehr Sichtbarkeit, mehr Stellenwert, mehr Ressourcen und auch deutlich mehr Geld. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich gehe die Punkte in diesen zwei Regierungsvorlagen kurz durch. Der eine ist die Schulsozialarbeit. Wie wichtig psychosoziale Unterstützung ist, das wissen wir inzwi­schen. Im internationalen Vergleich, das wissen wir auch, haben wir davon ziemlich we­nig, und die Kompetenzen sind zersplittert und unübersichtlich. Für diese wichtige Arbeit gibt es künftig verbindliche, bundesweit einheitliche Strukturen, eine Halbe-halbe-Finan­zierung durch Bund und Länder und gleich am Anfang schon eine Verdoppelung der Planstellen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweiter Punkt, das administrative Unterstützungspersonal: Wir wissen das ja aus der Praxis: Die SchuldirektorInnen sind oft stundenlang mit Sekretariatsarbeit beschäftigt, mit dem Schreiben von Listen und Telefonieren. Die sollten sich viel besser auf ihre


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eigentlichen Aufgaben konzentrieren können, nämlich Schulentwicklung, Personalfüh­rung, Leitung. Administration, das können andere besser. Auch diese Stellen werden an Pflichtschulen künftig vom Bund mitfinanziert, zu zwei Dritteln (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), und dazu gibt es auch gleich zum Start einmal 15 Mil­lionen Euro.

Dritter Punkt, ganztägige Schulformen: Da schließen wir zusätzlich zum langfristigen Ausbauprogramm jetzt auch eine kurzfristige Finanzierungslücke, weil Ganztagsschulen und die wichtigen Anregungen und Aktivitäten, die dort stattfinden, wichtig sind und im­mer wichtiger werden.

Der vierte Punkt, die bereits angesprochene Elementarpädagogik: Da liegt uns jetzt die neue 15a-Vereinbarung vor. Die ist – ich muss es immer wieder betonen – kein Diktat der Regierung, sondern das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Bund und Ländern.

Wir werden jetzt von der Opposition hören, was da alles nicht drinsteht. Ich sage in Klammern Spoiler: Das steht nicht drin, weil die Länder es nicht wollten, aber ich kann Ihnen sagen, was sehr wohl drinsteht, nämlich – Kollegin Salzmann hat es schon kurz angedeutet – 200 Millionen Euro pro Jahr mehr vom Bund über fünf Jahre hinweg. Und da muss ich sagen, es ist unrichtig, was Kollegin Tanzler sagt: Das ist nicht „keinen Cent mehr“, sondern das sind um 40 Prozent mehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Das soll verwendet werden – Kollegin Salzmann hat es schon kurz angedeutet – für mehr Plätze speziell für unter Dreijährige, für längere, familienfreundlichere Öffnungszei­ten, für mehr Sprachförderung, für Investitionen, vor allem auch in die Barrierefreiheit, und, das ist mir der wichtigste Punkt, für die Verbesserung des Personalschlüssels. Das ist wichtig, denn kleinere Gruppen bedeuten weniger Stress für die Kinder und für die PädagogInnen, mehr Zeit und mehr pädagogische Qualität. (Beifall bei den Grünen so­wie des Abg. Sieber.)

Man kann am Ende sagen, die Elementarpädagogik bleibt in der Verantwortung der Länder, und aus dieser Verantwortung dürfen wir sie auch nicht entlassen. Das heißt, der Bund wird jährlich – und auch das ist neu – einen detaillierten Bericht erstellen, schauen, wie die Gelder von den verschiedenen Ländern abgeholt werden. Da werden Veränderungen und Fortschritte beobachtet, Vergleiche angestellt; daran wird man die Länder jedes Jahr messen können, und ich hoffe, dass wir das auch machen. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Martina Künsberg Sarre. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.28.18

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause! Ei­gentlich hätte heute ein richtiger Jubeltag sein können – ein Jubeltag für die Elementar­bildung, für die Kinder, für die kleinen Kinder, aber auch für das Personal und auch für die Eltern (Abg. Sieber: 40 Prozent!); aber die 15a-Vereinbarung, die wir heute beschlie­ßen, löst keines der drängenden Probleme in diesem Bereich. Wir haben einen großen Fachkräftemangel, wir haben viel zu große Gruppen, wir haben zu wenig Personal und unattraktive Arbeitsbedingungen.

Die neue 15a-Vereinbarung bringt uns keinen Schritt weiter in die Richtung, in die wir eigentlich gehen sollten, nämlich dahin, dass der Kindergarten, die elementarpädagogi­schen Einrichtungen die erste Bildungseinrichtung werden – die sie ja sein sollten und in vielen Ländern schon längst sind, nur nicht in Österreich.

Sie haben diese 15a-Vereinbarung groß angekündigt. Vor allem die Grünen haben das immer wieder vor sich hergetragen, was da in diesem Bereich für ein großer Wurf kommen


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wird. (Abg. Taschner: Sind ja auch ein großer Wurf!) Ihr Vorgänger (in Richtung Bundes­minister Polaschek) hat vollmundig einen Elementarbildungsbeirat eingerichtet, damit die Leute aus den Bereichen, also die Stakeholder, da auch miteinbezogen werden. Dieser Beirat hat nur Enttäuschte zurückgelassen, und auch durch Sie wurde dieser Bei­rat nicht aufgewertet.

Die Regierung spricht immer von der Kindergartenmilliarde. Ja, die hätte es tatsächlich gebraucht, nämlich pro Jahr und nicht auf fünf Jahre verteilt! Die Regierung spricht immer davon, dass es jetzt 200 Millionen Euro mehr im Jahr geben wird. (Abg. Tasch­ner: ... nicht gesagt!) – Nein, es gab schon 143 Millionen Euro im Jahr, und jetzt kommen 57 Millionen dazu.

Die Stadt Wien beispielsweise gibt schon jetzt 1 Milliarde Euro pro Jahr aus. Das ist ein Bundesland, und Sie geben als Bund 200 Millionen Euro für neun Bundesländer aus! Dass die Enttäuschung in der Community riesig ist, kann man natürlich nachvollziehen, das können Sie wahrscheinlich auch nachvollziehen – ich schaue da in Richtung Grüne, von der ÖVP hat man ja nicht so viel erwartet; bei einer Regierung mit grüner Beteiligung waren die Erwartungen natürlich sehr, sehr hoch, und die wurden enttäuscht. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Taschner.)

Sie können das ganze Paket noch so oft schönreden – Sie bringen bildungspolitisch nichts zusammen! Das ist schade, weil auch wir NEOS gehofft haben, dass in dieser Regierung bildungspolitisch etwas weitergeht. (Abg. Zarits: Der Vizebürgermeister in Wien bringt alles zusammen, oder?!)

Die Nachredner werden jetzt gleich kommen und vermutlich sagen: Die Elementarpäda­gogik ist ja verfassungsgemäß primär Ländersache und der Bund ist ja nur für die Aus­bildung zuständig. – Ja, das stimmt schon, aber ich kann mir von einer Bundesregierung schon erwarten, dass sie den Blick auf Gesamtösterreich richtet: Wir müssen in diesem Bereich etwas weiterbringen und in Verhandlungen mit den Ländern und den Gemein­den gehen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Man kann sich nicht immer nur abputzen und sagen: Wir sind verfassungsgemäß nicht zuständig! – Das ist eine Frage der Wertigkeit. Dieser Bereich der Elementarbildung hat bei Ihnen offensichtlich keine hohe Priorität. (Abg. Taschner: Geh!) Die Frage ist immer wieder: Was wollen Sie in diesem Bereich eigentlich weiterbringen? (Abg. Loacker: Alles nur für die Pension und nix für die Kinder!) Was wollen Sie, wo soll Österreich 2035 stehen? Was ist da Ihr Ziel? Was ist Ihre Vision? Haben Sie überhaupt eine? – Nein, Sie haben natürlich keine, denn sonst würden Sie diesen Bereich nicht mit zusätzlichen 57 Millionen Euro pro Jahr abspeisen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Taschner: Das ist mutig, zu sagen: „abspeisen“, mit 57 Millionen!)

Im internationalen Vergleich sind wir ganz weit hinten, was die Ausgaben betrifft, was die Gruppengröße betrifft. Klar ist: Die beste Bildung kostet etwas. Es wird ordentlich viel kosten, wenn man in diesem Bereich etwas weiterbringen möchte. (Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Sie schütten das Geld millionen- und milliardenfach mit der Gieß­kanne aus, und nur in diesem Bereich, der so wesentlich ist, für alle in unserer Gesell­schaft – nicht nur für die Kinder und nicht nur für die MitarbeiterInnen, sondern für uns alle –, machen Sie so einen kleinen Schritt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Otten­schläger.)

Es ist schade, dass Sie diese große Chance verpasst haben, einen echten Pakt für die Elementarbildung zu schließen. Man kann für unsere Kinder nur hoffen, dass die ÖVP endlich zur Vernunft kommt und die gesellschaftspolitische Realität erkennt und akzep­tiert. Andererseits kann man von den Grünen einfach nur hoffen, dass sie nicht immer nur zu allem Ja und Amen sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.33



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 118

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Herr Bundesmi­nister Dr. Martin Polaschek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.33.25

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Diese Woche werden im Ausschuss und auch heute im Nationalrat wichtige Themen behandelt, näm­lich tatsächliche Verbesserungen im Bereich Unterstützungspersonal im Finanzaus­gleichsgesetz und der Abschluss einer neuen Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Arti­kel 15a über die Elementarpädagogik. Entgegen den Vorstellungen und Vorwürfen der Opposition muss ich als zuständiger Bildungsminister sagen: Da geht jetzt wirklich etwas weiter. Da ist ein großer Wurf gelungen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

Es ist uns als Bundesregierung gelungen, diese wichtigen Themen als Gesamtpaket mit den Ländern zu verhandeln und so wesentliche Punkte des Regierungsprogramms um­zusetzen. In den Ländern wird dieser Ball nun aufgenommen und es wird eine aktive Fortentwicklung auf Basis dieses Finanzierungspakets vonseiten des Bundes erfolgen. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Stillstand!) Ich weiß, dass sich die zuständigen Landes­rätinnen und Landesräte schon jetzt intensiv mit dieser Materie auseinandersetzen, und ich weiß, dass auch in den Ländern jeweils aufgrund dieser Finanzierung wichtige neue Maßnahmen gesetzt werden. Es werden wichtige neue Maßnahmen beschleunigt.

Die Coronapandemie war natürlich eine Herausforderung, die die Erwerbssituation der Eltern stark beeinflusst und auch den regelmäßigen Betrieb in den Einrichtungen er­schwert hat. Die Elementarbildungseinrichtungen haben da Großartiges geleistet. Ich möchte auch an dieser Stelle nochmals allen Personen Danke sagen, die in den Elemen­tarbildungseinrichtungen tätig sind und sich Tag für Tag für unsere Kinder einsetzen und wirklich vorbildliche Arbeit leisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Sehen wir uns an, was es mit dieser Milliarde Euro – und es ist 1 Milliarde Euro – auf sich hat: Der jährliche Zweckzuschuss erhöht sich um 40 Prozent. Ein Plus von 40 Pro­zent ist, das denke ich schon, eine ordentliche zusätzliche Investition. Die Länder werden durch die Kofinanzierung in Höhe von 52,5 Prozent des Zweckzuschusses ebenfalls finanzielle Mittel beitragen, abgesehen von dem, was sie als zuständige Institutionen ohnehin schon in die Elementarpädagogik investieren.

Wir haben uns große Ziele gesetzt, und die werden auch erreicht. Für all jene Familien, die ein flexibles, flächendeckendes und ganzjähriges Angebot nutzen möchten, soll dies bereitgestellt werden. Die Plätze werden also bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig angeboten werden. Darunter fallen auch inklusive Angebote. Der Fokus liegt insbeson­dere auf der Schaffung von neuen Plätzen für unter Dreijährige und auch auf unterver­sorgten Regionen.

Die Öffnungszeiten sollen verlängert und flexibler angeboten werden, damit diese mit einer Vollbeschäftigung der Erziehungsberechtigten vereinbar sind. Zusätzlich sollen auch für die Randzeiten Angebote bereitstehen. Das bedeutet, der beitragsfreie Pflicht­kindergartenbesuch soll die Familien weiterhin finanziell entlasten. Alles in allem sind das zahlreiche Maßnahmen, die den Familien in unserem Land zugutekommen, vor allem denjenigen, die die dieses Angebot wahrnehmen möchten – es wird niemand dazu gezwungen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nicht nur die Verbesserung der Qualität im Bereich des Ausbaus ist uns ein wesentliches Anliegen, sondern ebenso auch im Bereich des Personals. Hierbei haben sich die Län­der darauf verständigt, dass sie gemeinsam einen Vorschlag zu Qualitätsmindeststan­dards erarbeiten und die Qualitätsstandards im Bereich Personalentwicklung prüfen und entsprechend anpassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 119

Auch im Bereich Sprachförderung soll es zu Verbesserungen kommen. Dafür steigen die maximal abrufbaren Fördermittel von 25 Millionen Euro auf 59 Millionen Euro pro Kindergartenjahr österreichweit. Also die Länder, die beim Ausbau schon sehr weit sind, können damit noch stärker in die gezielte frühzeitige sprachliche Förderung der Bil­dungssprache Deutsch und damit in die Grundlage für eine erfolgreiche Bildungslauf­bahn investieren. Eine Neuerung ist, dass vor allem auch die Volksgruppensprachen mit einem Teil der Mittel gefördert werden können, womit ein wichtiger Beitrag zum kulturel­len Erhalt getätigt wird.

Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Sie sehen also, dass mit dieser neuen Vereinbarung gemäß Artikel 15a BV-G weitere wichtige Schritte für eine Verbes­serung im Bereich Elementarpädagogik gesetzt werden. Als Bildungsminister ist mir dies ein großes, wichtiges Anliegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Weiters war es uns wichtig, die Finanzierung des Unterstützungspersonals an Pflicht­schulen langfristig über den Finanzausgleich abzusichern und auszubauen sowie den bedarfsgerechten Ausbau und die Absicherung ganztägiger Schulplätze zu gewährleis­ten. An den allgemeinbildenden Pflichtschulen können ab dem Schuljahr 2023/24 nun zwei Drittel der Kosten der Bereitstellung von administrativem Unterstützungspersonal direkt aus dem Finanzausgleich abgedeckt werden. Dazu werden maximal 15 Millionen Euro für die Länder bereitgestellt. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit wird an die bis Ende des Schuljahres 2023 laufende Maßnahme des Arbeitsmarkt­service angeknüpft, mit der bisher circa 400 Stellen vermittelt werden konnten. Es wird jetzt ein Ausbau von über 50 Prozent zum bisherigen Stand ermöglicht.

Außerdem stehen ab dem nächsten Schuljahr aus dem Finanzausgleich weitere 7 Mil­lionen Euro zur Kofinanzierung von psychosozialem Unterstützungspersonal bereit. Die Aufteilung der Mittel erfolgt dabei anhand der Zahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler, um zu gewährleisten, dass jene Länder mit dem höchsten Bedarf entspre­chend berücksichtigt werden. Damit kann nahtlos an die bis Ende des Schuljah­res 2021/2022 mögliche Finanzierung aus dem Bildungsinvestitionsgesetz angeschlos­sen werden.

Im Vergleich zum letzten Schuljahr wird damit eine Verdoppelung von 120 auf bis zu 240 Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter ermöglicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch im Bereich der schulischen Tagesbetreuungen sind die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sichtbar geworden. Seit 2019 wurden 16 500 neue Plätze an ganztägigen Schulen geschaffen. Das Erreichen der bestehenden Ausbauziele war allerdings auf­grund der Pandemie nicht wie geplant möglich. Das Ausbauziel von 230 000 Plätzen bleibt aber weiterhin bestehen und soll und – davon gehe ich aus – wird bis zum Schul­jahr 2024/2025 auch tatsächlich erreicht werden.

Daher wird der Bund 33 Millionen Euro zusätzlich für die nächsten zwei Jahre für Be­stand und Ausbau bereitstellen und eine befristete flexiblere Nutzung der Mittel ermögli­chen. Mit den nicht abgerufenen Mitteln stehen nun insgesamt rund 140 Millionen Euro bis 2024 zur Verfügung – ein weiterer wichtiger Impuls für Länder und Gemeinden, um in diesen Bereich zu investieren.

Ich darf sagen, mir als Bildungsminister ist es ein großes Anliegen, den Schulen jene professionelle und spezialisierte Unterstützung zur Verfügung zu stellen, die sie benöti­gen. Umso mehr freue ich mich, dass mit den vorliegenden Gesetzesänderungen in der Tat wesentliche Schritte zur Sicherstellung der nachhaltigen Finanzierung gesetzt wer­den können.

Ich möchte mich heute, auch als Bildungsminister, sehr bei den Lehrerinnen und Leh­rern, bei all den Personen im gesamten administrativen Bereich, im schulischen Umfeld


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 120

und natürlich auch bei den Schülerinnen und Schülern bedanken. Es war ein langes, herausforderndes Jahr. Alle haben großartige Leistungen erbracht, alle sind sorgsam miteinander umgegangen. Die Schulen haben sich in der Pandemie gut geschlagen – allen ein großes Dankeschön. Ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern – wohlver­dient – schöne und gute Ferien. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Ing. Manfred Hofinger. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


13.42.12

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein guter und ein schöner Tag für junge Fa­milien, für die Kinder, aber genauso ein guter und schöner Tag für die Bürgermeister und für alle Gemeinden in Österreich, denn wir schaffen mit dieser Kindergartenmilliarde, mit der wir 200 000 Millionen Euro pro Jahr bis 2027 auszahlen, einen Meilenstein für unse­re Kinderbetreuungseinrichtungen in den Gemeinden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Schallmeiner.)

Als Bürgermeister und auch Gemeindesprecher möchte ich schon eines feststellen: Die Kinderbetreuung in den Gemeinden stellt insgesamt alle Bürgermeister und alle Funk­tionäre in den Gemeinden vor große Herausforderungen. Es gibt doch einen großen Boom in Richtung Kindergartenbetreuung. Es werden auch in den letzten Jahren sehr viele Einrichtungen für Kindergartengruppen gebaut. Das stellt natürlich alle Gemeinden vor große Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit dieser Kindergarten­milliarde eine Unterstützung schaffen.

Es gibt in den 2 000 Gemeinden in Österreich insgesamt circa 5 500 Kindergartenein­richtungen. Das ist eine riesige Menge. Wir haben auch große Herausforderungen zu meistern. In der Praxis sind die größten Probleme die Finanzierung des Baus wie natür­lich auch die Organisierung des Personals für all die Kindergartengruppen. Ich möchte mich bei allen Bürgermeistern wirklich herzlich bedanken (Beifall des Abg. Höfinger), weil jeder Bürgermeister dafür sorgt, dass jedes Kind einen Kindergartenplatz bekommt. Für diese Anstrengungen bitte einen herzlichen Applaus für unsere Bürgermeister! (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Höfinger: Ach, jetzt erst! ...! Entschuldigung, Kollege Hofinger!)

Ja, die Gesellschaft befindet sich in einem großen Wandel. Wir müssen natürlich auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen, und daher ist diese Kindergartenmil­liarde genau in diesem Bereich etwas ganz Wichtiges. Wir seitens der Regierung versu­chen, Kindergartenbetreuung beziehungsweise Kinderbetreuung mit Hausverstand und vor allem bedarfsorientiert zu machen.

Glauben Sie mir, wir machen viele Bedarfserhebungen in den Gemeinden, und in vielen Gesprächen mit den Familien kommt heraus: Die Familien wollen sehr wohl selber ent­scheiden, ob sie eine Kinderbetreuungseinrichtung in Anspruch nehmen oder nicht. Das zu beachten ist uns ganz, ganz wesentlich, und daher möchte ich schon feststellen, dass ich von einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung aus Sicht der Gemeinden oder der Bürgermeister nicht recht viel halte, denn das würde die Gemeinden besonders in der momentanen Situation überlasten.

Abschließend nochmals herzlichen Dank an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber natürlich auch an das Kindergartenpersonal, das sich sehr stark für unsere Kinder einsetzt, genauso an andere Einrichtungen wie zum Beispiel die Tagesmütter, die auch eine sehr, sehr wertvolle Arbeit in der Kinderbetreuung leisten. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Stögmüller.  Abg. Höfinger: Ein großer Bürgermeister!)

13.45



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 121

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Eva Maria Holzleitner. – Bitte, Frau Ab­geordnete.


13.45.32

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Herr Kollege Hofinger, ich muss Sie leider korrigieren (Abg. Höfinger: Nein! Nicht schon wieder!): Dass jedes Kind einen Platz hat, ist mit dieser 15a-Vereinbarung leider nicht gegeben (Abg. Höfinger: Na geh!), weil ganz klar der Rechtsanspruch auf einen Bil­dungsplatz ab dem ersten Lebensjahr fehlt.

Das ist eine große, große verpasste Chance. (Abg. Höfinger: Na, Sie meckern aber auch dauernd, Frau Kollegin! Ihnen ist aber auch gar nichts recht! Das fällt mir jetzt schon auf!) Dieser Rechtsanspruch wäre so extrem zentral und vor allem auch in einer 15a-Ver­einbarung erklärbar und vermittelbar gewesen, genauso wie es damals das verpflichten­de Kindergartenjahr bei einer ehemaligen 15a-Vereinbarung war. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Milliarde Euro ist eine Mogelpackung. (Abg. Höfinger: Na geh! Nicht schon wie­der!) Man muss es immer wieder sagen: Es ist keine Milliarde Euro, sondern es sind 200 Millionen Euro; es ist 1 Milliarde Euro auf fünf Jahre, auf eine sehr lange Zeit, auf­geteilt (Abg. Taschner: Ist eine Milliarde! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), und das, obwohl Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, viele, viele, viele – passen Sie kurz auf! – 1 Milliarde Euro im Jahr gefordert hätten – 1 Milliarde Euro im Jahr!

Es ist aber keine Milliarde Euro im Jahr, sondern es sind eben diese 200 Millionen Euro. Schade, dass die Forderungen von den Sozialpartnern, von der Wirtschaftskammer, von den Gewerkschaften, von der Industriellenvereinigung so an der Bundesregierung abge­prallt sind. Es war Ihnen einfach egal, genauso wie die vielen, vielen Anträge der Oppo­sition für den Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Lebensjahr und für bes­sere Arbeitsbedingungen für Pädagoginnen und Pädagogen. (Abg. Höfinger: Die SPÖ-Gemeindevertreter sind dagegen!) Es ist vollkommen klar: Wir wollen auch die Kommu­nen unterstützen. Deshalb wäre diese Milliarde Euro im Jahr so zentral gewesen.

Auch an dieser Stelle sei es erwähnt: Diese Milliarde Euro hätte es bereits 2016 unter Kern und Mitterlehner gegeben (Abg. Höfinger: Die SPÖ-Gemeindevertreter sind jetzt noch dagegen! Es gibt einen Beschluss des Gemeindebundes der SPÖ!), aber Kurz und seine Handlanger haben sie damals den Kindern einfach gestohlen, und diese Bundes­regierung gibt sie ihnen leider einfach nicht zurück. (Beifall bei der SPÖ.) Den Kindern wurde ein Recht gestohlen, und diese Bundesregierung gibt ihnen dieses Recht leider nicht zurück. (Abg. Taschner: Das ist Legendenbildung! – Abg. Steinacker: Was sind das für Worte? Man kann alles übertreiben!)

Kinderbildung ist in diesem Ausmaß nicht möglich. Ab dem ersten Lebensjahr wäre sie ganz zentral wichtig. All das, was gesagt worden ist – den Kindern sprachliche Förde­rung, jegliche Förderung zu ermöglichen und natürlich auch den Familien die Verein­barkeit von Familie und Beruf zu erleichtern –, reicht eben nicht. Da werden die 200 Mil­lionen Euro dezidiert einfach nicht ausreichen.

Jedes Kind ist gleich viel wert, ist ein Credo, das wir in diesem Haus auch schon oft gehört haben, das aber in dieser 15a-Vereinbarung einfach nicht vorkommt. Das heißt gerade für uns als SPÖ ganz klar: weiterhin fünf Jahre für den Rechtsanspruch auf Kin­derbildung ab dem ersten Lebensjahr laut sein, weiterhin fünf Jahre für die besten Ar­beitsbedingungen für die Pädagoginnen und Pädagoginnen, für die Menschen, die in der Elementarbildung arbeiten, laut sein und weiterhin für eine echte Vereinbarkeit von Fami­lie und Beruf laut sein, weil die aktuell einfach nicht möglich ist, vor allem nicht, wenn Gebühren für die Nachmittagsbetreuung, wie in Oberösterreich beispielsweise durch FPÖ und ÖVP eingeführt, der Fall sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

13.48



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 122

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Barbara Neßler. – Bitte, Frau Ab­geordnete.


13.48.49

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Ich hoffe nicht, dass wir hier herinnen noch darüber diskutieren müssen, wie wichtig der Ausbau von Kinder­betreuungsplätzen, von Kinderbetreuungszeiten ist. Ich glaube, dass wir noch lange nicht dort sind, wo wir eigentlich sein sollten.

2002 – das wissen wir – wurden die sogenannten EU-Barcelonaziele definiert. Dass wir auch 19 Jahre später mit 33 Prozent der unter Dreijährigen noch nicht dort sind, wo wir sein sollten, ist nicht akzeptabel. Das ist vollkommen klar.

Eines muss ich aber schon noch sagen, weil von der SPÖ in diesem Zusammenhang immer wieder von Wahlfreiheit gesprochen wird: Ohne Angebot hat man bekannterma­ßen keine Wahl. Also bitte ich schon darum, dass man aufhört, von Wahlfreiheit zu spre­chen, wenn man keine Wahl hat.

Eines noch: Ich glaube, gerade im Kontext des Arbeitskräftemangels können wir es uns nicht leisten, die Kinderbetreuung zu wenig oder nicht auszubauen. Wir können es uns nicht mehr leisten.

Da jetzt massive Kritik vonseiten der NEOS und SPÖ geäußert wurde: Die 15a-Verein­barung, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist kein Diktat des Bundes, das ist ein Vertrag zwischen Bund und Ländern. Da waren alle Parteien dabei, und alle Parteien hier he­rinnen sind in den Ländern in Regierungsverantwortung. Am Verhandlungstisch war der Bund und vonseiten der Länder war Niederösterreich dabei, war Vorarlberg dabei und war Wien dabei.

Ich frage mich schon: Wer sitzt denn in Wien in der Regierung? (Ruf bei der SPÖ: Die NEOS!) – Die NEOS und die SPÖ. (Abg. Hamann: Der Finanzstadtrat ist aber von der SPÖ!) – Finanzen ist SPÖ. Das heißt also, dieses Ergebnis der 15a-Vereinbarung, liebe NEOS und liebe SPÖ, habt ihr mitausverhandelt. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP. – Abg. Yılmaz: Nein, nein, nein!) Das ist ein Ergebnis, das ihr mitausverhandelt habt. Und wenn Sie nicht zufrieden sind, liebe Kollegen und Kollegin­nen, dann müssen Sie es halt Ihren Kollegen und Kolleginnen in den Bundesländern mitteilen und nicht hier heraußen.

Eines sage ich Ihnen schon auch noch: Wir Grüne hätten gerne einheitliche Mindeststan­dards gehabt, aber der Bund hat auch da keine Möglichkeit, einseitige Vorschriften zu machen. Und kein Bundesland, auch nicht vonseiten der SPÖ hat das in den Verhand­lungen angemeldet – nur damit es gesagt ist, wie die Fakten ausschauen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Künsberg Sarre: Dann hätten Sie wirklich mehr Geld in die Hand nehmen müssen!)

Zum Rechtsanspruch: Ja, natürlich sind wir für einen Rechtsanspruch, aber das, was Sie auch immer fordern, liebe Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ, können Sie genau dort umsetzen, wo Sie in Verantwortung sind. Da frage ich mich schon: Gibt es in Wien einen Rechtsanspruch? – Nein. (Abg. Yılmaz: Da braucht man Geld dazu, oder?! – Abg. Zarits: Habt ihr ja! Ihr habt eh so viel Geld!)

Ich halte es schon für sehr heuchlerisch, am Verhandlungstisch zu sitzen und in Verant­wortung zu sein und sich dann hier herauszustellen und alles zu kritisieren, wo man selber in Verantwortung war. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Da müssen Sie das nächs­te Mal einfach besser verhandeln, liebe Kollegen und Kolleginnen von der SPÖ und von den NEOS. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Einwallner. – Abg. Künsberg Sarre: Dann investieren Sie einmal in die Bildungs­einrichtungen!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 123

Ich sage Ihnen eines: Sie sind beispielsweise in Wien in Regierungsfunktion, Sie können den Rechtsanspruch einfordern, Sie können den Ausbau vorantreiben. Sie können na­türlich wie immer hier herauskommen und sagen, dass Sie das und das fordern, oder Sie nehmen Ihre Verantwortung wahr und kommen ins Tun. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Eine herrliche Rede!)

13.52

13.52.54*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich bitte, den Begriff „heuchlerisch“ möglichst nicht mehr zu verwenden. (Ruf bei den Grünen: Es ist ein sehr guter Begriff! Ein sehr guter Be­griff!) – Es ist kein guter Begriff. (Abg. Stögmüller: Welcher?) – Heuchlerisch. (Abg. Stögmüller: Er ist gut!) Dann erteile ich für „heuchlerisch“ einen Ordnungsruf. (Abg. Stögmüller: Heuchlerisch ist kein Ordnungsruf!) – Was ein Ordnungsruf ist, das ent­scheide ich, Herr Abgeordneter. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stögmüller: Ich darf trotz­dem zwischenrufen!)

*****

Zu Wort gelangt Edith Mühlberghuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.53.08

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die 15a-Vereinbarung ist in Österreich eine vom Bund mit den Ländern untereinander beschlossene Vereinbarung. In diesem Fall gibt es Zusatzgeld vom Bund an die Länder. Wir Freiheitliche haben diese Verein­barung während unserer Regierungsbeteiligung in die Wege geleitet und freuen uns, dass dieses Projekt auch weitergeführt wird.

1 Milliarde Euro – das haben wir heute schon einige Male gehört – steht den Ländern durch die 15a-Vereinbarung in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung. So erhalten diese zum Beispiel Geld, wenn zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden, qualitativ hochwertige Angebote zur Verfügung stehen, Öffnungszeiten verlängert werden, der Be­treuungsschlüssel gesenkt wird oder die sprachliche Frühförderung angeboten wird.

Gerade die sprachliche Frühförderung ist auch dringend notwendig. Laut der Kinderta­gesheimstatistik 2020/2021 haben nämlich sage und schreibe 33,9 Prozent der unter Dreijährigen und 31,2 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in elementaren Bildungsein­richtungen eine andere Erstsprache als Deutsch. Gerade dieser Punkt ist sehr wichtig, und da bin ich auch wirklich froh, dass dies auch in der 15a-Vereinbarung enthalten ist.

Ein Ausbau der Bildungsangebote heißt aber auch, mehr Personal – Fachkräfte und Pä­dagogen – anzustellen. Herr Bundesminister, wir haben schon einige Mal darüber ge­sprochen: Dieses Personal gibt es nicht. Da gibt es in den Ländern auch großen Hand­lungsbedarf, da muss sich auch etwas ändern.

In den letzten zwei Jahren ist ja das Problem nicht geringer geworden, sondern ist in der Pandemiezeit größer geworden. Bei dieser Coronapolitik ist vieles schiefgegangen, mit dem Testen, mit dem Impfen. Da komme ich jetzt gleich nach Niederösterreich, denn Niederösterreich hat dabei ja den Bock abgeschossen. Niederösterreich hat die Impf­pflicht für Landesbedienstete eingeführt, und da sind viele junge angehende Pädagogen zurückgestellt worden, die sich nicht impfen lassen wollten oder eine andere Meinung zur Impfung, zu Corona haben, auch zur täglichen Testerei in der Früh. Es war für viele also wirklich schrecklich. Sie haben da nicht mitgemacht und haben dann auch einen anderen Berufsweg eingeschlagen und sind nicht Kindergärtnerin geworden, was ei­gentlich ihr Wunsch gewesen wäre.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 124

Zusammengefasst: Wir werden diese Regierungsvorlage, diese 15a-Vereinbarung, unterstützen. Es ist vieles zu machen und es liegt jetzt bei den Ländern, was sie wirklich mit dieser 1 Milliarden Euro machen. Ich hoffe, sie machen vernünftige Sachen für un­sere Kinder und auch für unsere Pädagogen, damit das Geld auch ordentlich in Verwen­dung ist.

Wir werden diese Zustimmung geben, weil doch der Wertekatalog wieder drinnen ist, den wir damals auch mitbeschlossen haben. Wie gesagt, die sprachliche Frühförderung ist uns sehr wichtig. Das ist gut so. Wir werden zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Taschner.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Norbert Sieber. – Bitte, Herr Ab­geordneter.


13.57.29

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir disku­tieren also die 15a-Vereinbarung Elementarpädagogik, eine Bund-Länder-Vereinba­rung. Warum müssen wir das diskutieren? – Weil es eben einen Landeskompetenz ist.

Bei diesen Verhandlungen – es wurde bereits mehrfach angesprochen – sind alle Län­der am Tisch, sind alle Länder mit dabei, auch die verschiedenen Fraktionen – die NEOS sind maßgeblich in Salzburg und Wien dabei und drei Länder sind sowieso sozialdemo­kratisch geführt. (Abg. Yılmaz: Sie haben keine Ahnung!) Also alle sind am Tisch geses­sen und haben dem auch zugestimmt. Alle Landeshauptleute haben diese 15a-Verein­barung unterschrieben. (Abg. Yılmaz: Man ist erpressbar als Land! – Abg. Zarits: Hätten Sie gescheit verhandelt, Frau Kollegin!) Jetzt weiß ich nicht, wollen Sie die Unterschrift von Bürgermeister Ludwig wegdiskutieren? Er hat zugestimmt und hat es auch mitun­terschrieben, und, meine Damen und Herren, das ist gut so. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Yılmaz.)

Es ist deswegen gut, weil mit dieser Bund-Länder-Vereinbarung 1 Milliarde Euro über fünf Jahre für die Elementarpädagogik zur Verfügung steht. Das, meine Damen und Her­ren, ist eine Steigerung um 40 Prozent.

Herr Minister, ich möchte Ihnen gratulieren, Ihnen und Kollegin Raab (Abg. Yılmaz: Dan­ke!), die in den Verhandlungen mit den Ländern diese Steigerung erreichen konnten. In welchem Bereich, meine Damen und Herren, werden 40-prozentige Steigerungen so niederdiskutiert, wie das hier stattfindet? Natürlich, es kann immer ein bisschen mehr sein, aber das muss man unterstreichen: 40 Prozent für die Elementarpädagogik unter­streicht, dass dieser Regierung dieser wirklich nachhaltige und intensive Ausbau der Elementarpädagogik sehr wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Im Detail wurde vieles bereits erläutert, deswegen nur kurz über die drei großen Punkte: Es gibt zusätzliche Mittel für die Elementarpädagogik; es ist ja in Wirklichkeit auch mehr als 1 Milliarde Euro, denn durch die Kofinanzierung kommen wir auf über 1,3 Milliarden Euro, die für den Ausbau zur Verfügung stehen.

Damit sie auch abgeholt werden  das muss man auch einmal erwähnen, dass die Mittel, die 140 Millionen Euro pro Jahr, bis dato gar nicht abgerufen, nicht einmal ausgeschöpft wurden (Abg. Yılmaz: Wer hat es abgeholt?) –, haben wir da eine Flexibilisierung hinein­gebracht, dass in Zukunft die 200 Millionen Euro auch ausgeschöpft werden. Darauf werden wir auch entsprechend schauen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grü­nen.) Auch der Ausbau der Ganztagesplätze wird vorangetrieben. Das Ziel von 230 000 Plät­zen wird verfolgt und auch erreicht werden.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 125

Der dritte Bereich: Die Schulverwaltungsassistenz und die Schulsozialarbeiter bekom­men auch eine entsprechende Aufwertung. In Summe ist das also ein wirklich gutes Paket.

Abschließend nur noch einmal ein Wort zu diesem Rechtsanspruch: Ich kenne kein Bun­desland, dass irgendeinen Antrag auf einen Rechtsanspruch in der eigenen Verantwor­tung eingebracht hat. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) Es gibt auch da eine Länderkom­petenz, und natürlich könnte man in Wien, im Burgenland, in Kärnten diese Anträge stellen. Der Ruf nach dem Geld ist in ihrer Verantwortung, sie können es finanzieren und machen, aber da hört man dann nichts. (Beifall bei der ÖVP.)

14.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter (in Richtung Abg. Stögmüller), weil die Frage aufgetaucht ist, ob Heuchelei einen Ordnungsruf bedingt, darf ich vielleicht sagen: Es war 19 Mal der Fall. Ich würde vorschlagen, wenn ich ohnehin versuche, keinen Ordnungsruf zu geben, einfach das Momentum mitzunehmen, dann ersparen wir uns das.

Nächster Redner: Klaus Köchl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Köchl – auf dem Weg zum Rednerpult : Den wird sie wohl verdient haben, den Ordnungsruf!)


14.01.20

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Mi­nister! Kolleginnen und Kollegen! Wenn die ÖVP heute hier herausgeht und sagt, das ist ein großer Wurf, und Sie (in Richtung Bundesminister Polaschek) das als Minister auch behaupten, dann finde ich das schon wirklich unglaublich, Herr Minister. (Abg. Zarits: ... der Kaiser unterschrieben, ein Landeshauptmann!)

Ich darf daran erinnern, dass es Chats gegeben hat, die eindeutig sagen, dass genau diese Nationalräte von der ÖVP, wie sie heute hier sitzen, das verhindert haben (Ruf bei der ÖVP: Stimmt ja nicht!), nämlich nur deshalb, weil es einen ehemaligen Kanzler Kurz gegeben hat, dem seine eigene Karriere und seine eigene Macht wichtiger waren. (Bei­fall bei Abgeordneten der SPÖ. Abg. Taschner: Herr Kollege Köchl, das ist Legende!)

Ich erinnere euch (Zwischenruf des Abg. Sieber) daran, was Herr Schmid gesagt hat: 1,2 Milliarden Euro für die Nachmittagsbetreuung mit Rechtsanspruch (Zwischenruf des Abg. Kucher) und dazu die Vereinbarung zwischen Bund und Gemeinden, das wollten Kern und Mitterlehner machen. – Kurz sagt darauf: „Gar nicht gut!!!“ Es geht noch weiter: „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“ Die eigene ÖVP hat ein Bundesland gesucht, um dagegen aufzuhetzen, dass schon 2016 für unsere Kinder 1 Milliarde Euro zur Verfü­gung gestellt wird.

Ihr seid da wirklich unverantwortlich, unmöglich und für mich überhaupt nicht mehr trag­bar (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), denn Schmid hat nämlich noch dazu gesagt: „Das Programm ist nämlich echt geil“, „das muss einer von uns machen!!!!“, also einer in der ÖVP, aber nicht Mitterlehner. Ihr habt dafür gesorgt, dass Herr Kurz an die Macht kommt (Abg. Zarits: Schlusswort!), es ist euch nie um etwas anderes gegangen, und deshalb ist die Bildungspolitik hier in Österreich um Jahre ins Hintertreffen geraten, weil ihr das ganz einfach nicht zusammengebracht habt, das ist es. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Euch ist das egal. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Euch sind sie egal – weil ihr an der Macht wart –, die Menschen, und damit meine ich jetzt die Kinder, die können sich nicht wehren (Abg. Zarits: Um was geht es in der
15a-Vereinbarung?),
die können nicht auf die Straße gehen, die können hier nicht am Rednerpult darüber reden und die können schon gar nicht mit einer Champagnerflasche in irgendeiner Loge sitzen und darauf anstoßen, dass ihr an die Macht gekommen seid – darum geht es bei euch, und um sonst gar nichts.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 126

Ich darf euch sagen, überall dort, wo Sozialdemokraten am Werk sind, wie in Kärnten, gibt es ein richtiges Programm, ein Zehnpunkteprogramm. Unser Landeshauptmann ist auch Bildungsreferent in Kärnten (Abg. Taschner: Habt ihr den Rechtsanspruch auch?), da gibt es ab September beitragsfreie Kinderbildung und Betreuung. (Abg. Zarits: Habt ihr den Rechtsanspruch?) Da brauchen wir keinen Rechtsspruch, mit der richtigen ÖVP kann man dort sehr gut arbeiten. Das könnt ihr Türkisen nicht, das ist ja euer Pro­blem. (Beifall des Abg. Kucher.) Da werden im Kindergarten eine Gruppensenkung von 25 auf 20 Kinder, eine Überziehungs- und Randzeitregelung für die Leute, Erhöhung der Vor- und Nachbereitungszeiten für die Leute, damit sie sich anständig vorbereiten kön­nen, ein Mindestlohn, ein Fördermodell, ein Bildungsbaufonds – damit werden Gemein­den noch zusätzlich mit bis zu 75 Prozent unterstützt – gemacht. Wir werden da etwas weiterbringen.

Ich glaube, dass das eine Sache ist, bei der in Kärnten 30 Millionen Euro zusätzlich in­vestiert werden. Schaut euch das ab, dann werdet ihr ganz sicher auch etwas zusam­menbringen, was die Bildung betrifft! Ihr habt das bis jetzt verschlafen! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Zarits: Was war das für eine Rede? Null Inhalt! – Abg. Kucher: ... sehr sachlich!)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Dr. Rudolf Taschner. – Bitte schön, Herr Doktor.


14.04.37

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber geschätzter Herr Kollege Köchl! Ich darf schon sagen, dass sich da sehr viele Legenden umrankt haben. Ich möchte mir keinen Ordnungsruf einhandeln, aber ich kann Ihnen dann privat sagen, was Schopenhauer über die Geschichtsmuse Klio alles behauptet hat. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Ich erlaube mir auch noch, andere Anmerkungen zu machen. Vonseiten der SPÖ wurde gleich am Anfang von Frau Kollegin Tanzler gesagt, das seien „Peanuts“. Frau Kollegin, 57 Millionen Euro sind keine Peanuts! Das sind keine Peanuts! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf bei der SPÖ.) 40 Prozent Erhöhung sind es auch nicht, das ist wirklich viel. Es wird durch die Vereinbarung mit allen Ländern, die darüber glücklich sind, auch be­stätigt, dass da ein guter Gesetzentwurf, eine gute Vereinbarung vorliegt.

Ich möchte vielleicht noch drei Punkte hereinbringen, die schon erwähnt wurden: Das eine ist die Regionalität. Kollege Hofinger hat von der Bedarfsorientiertheit gesprochen, die ganz wesentlich ist. Es kommt darauf an, dass das Kindergartenmanagement tat­sächlich den Ländern, den Gemeinden überlassen bleibt, weil die höchstwahrscheinlich am besten wissen, wie sich der Bedarf in den jeweiligen Regionen am besten sozusagen befriedigen lässt, wie man das am besten gestaltet. Das ist eine sehr vernünftige Ange­legenheit. Darum machen wir es ja auch mit einer Vereinbarung mit Ländern, damit diese Gelder möglichst effektiv und möglichst sinnvoll verwendet werden können. Also es ist wichtig, dass wir da die Regionalität betonen.

Der zweite Punkt – Kollege Brückl und Frau Kollegin Mühlberghuber haben das auch betont –: Die Sprachförderung ist wirklich einer der zentralen Punkte, die wir jetzt in diese 15a-Vereinbarung hineinbekommen. Sie ist ganz entscheidend für die Zukunft unserer Kinder, je früher wir damit beginnen, desto besser. Darüber sind wir uns ja hoffentlich alle – vielleicht auch von der Seite derer, die ihre Sprache etwas übertrieben verwen­den – einig.

Der dritte Punkt ist, auf den wir aufpassen müssen – Herr Bundesminister, da muss ich auch tatsächlich sagen, das ist eine Aufgabe, die noch in Zukunft auf Sie zukommen wird –, ist die Ausbildung der Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen: dass


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dieser Beruf attraktiv, schön und von vielen aufgenommen wird, dass wir mehrere Aus­bildungsschienen schaffen können, dass wir in der Kindergartenpädagogik voranschrei­ten können, um eine gute und für alle Eltern – für alle Mütter, für alle Väter – sichere Aus­bildung für unsere Kinder zu schaffen.

Ich glaube, wir sind auf gutem Weg. Jedenfalls ist diese 15a-Vereinbarung wirklich ein sehr guter Schritt. All diese bösen Bemerkungen von der anderen Seite kommen mir fast wie Neid vor. (Beifall bei der ÖVP.)

14.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.08.04

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir unterstützen selbstverständlich die 15a-Vereinbarung. Dass für das Schulwesen, für die Bildung mehr Geld zur Verfügung steht, das ist nützlich. Herr Minister, wissen Sie, was aber das Wichtigste für unsere Kinder, für die Schule über­haupt ist? – Dass wir die Schulen offenhalten. Das ist einmal das Entscheidendste über­haupt.

Im Jahr 2021 hatten wir in Österreich 152 Schulschließungstage, obwohl wir als Freiheit­liche Partei uns immer für das Offenhalten und gegen die Schließungen ausgesprochen haben und jetzt auch recht bekommen haben. Sie sagen ja selber, Schulschließungen darf es nicht mehr geben. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Nehmen wir bitte den Kindern die Angst vor der Schule. Wieso werden über Schreiben der oberösterreichischen Bildungsdirektion oder der Gesundheitsbehör­de von Tirol mit Unterstützung des Bundes Schulen aufgefordert, Kinder ab fünf Jahren zu impfen, auch zu boostern? – Das ist nicht notwendig.

Sie haben durch Ihre Coronapolitik, die ja in Wahrheit krachend gescheitert ist, bei den Kindern unglaublich viele Kollateralschäden verursacht, das wissen Sie. Wir müssen den Kindern wieder die Angst nehmen. Die Kinder müssen gerne, freiwillig und ohne Zwänge in die Schule gehen. Das ist die Grundvoraussetzung.

Ich habe Ihnen das schon im Ausschuss gesagt, ich verstehe einfach nicht, dass die Bildungsdirektion Oberösterreich feststellt – ich zitiere –: „Die Experten des Nationalen Impfgremiums sind sich einig, dass der Schlüssel für einen dauerhaft sicheren Schul­betrieb in der Impfung der Kinder und Jugendlichen liegt.“ Ich könnte weiter zitieren. – Das macht doch unglaublichen Druck.

Dasselbe gilt für das Land Tirol, das mit einem ähnlichen Schreiben an die Schulen he­rantritt und sagt: So, am 27. August starten wir die nächste Impfaktion ab fünf Jahren. – Herr Minister, das ist nicht notwendig! Herr Minister, Fakt ist, dass es bei Kindern bis zu fünf Jahren in diesen mehr als zwei Jahren (eine Tafel mit der Überschrift „Covid-19 Todesfälle nach Alter in Österreich“ über einer entsprechenden Balkendiagrammdarstel­lung vor sich auf das Rednerpult stellend) bisher Gott sei Dank nur drei Todesfälle gege­ben hat. Natürlich ist jeder Tote einer zu viel, aber: drei. (Abg. Hörl: Ihr überzeugt ja nicht einmal die FPÖler!) Zwischen fünf und 14 Jahren gab es bisher fünf Todesfälle. Kinder mit schwersten Vorerkrankungen sind mit oder an Corona verstorben. In Summe sind das bisher acht Kinder – Datenstand 4. Juli –, die im Alter bis 14 Jahre mit oder an Co­rona verstorben sind.

Wieso zwingen wir die Kinder indirekt wieder in die Impfung, in die Boosterei? – Gestern hat das Parlament die Impfpflicht abgeschafft, aber über die Hintertür wird die indirekte Impfpflicht ohne Not eingeführt. Schauen Sie sich diese Zahlen an!


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Ich bitte Sie wirklich: Unterlassen Sie diese Aufforderungen! Unterstützen Sie das nicht! Lassen Sie wenigstens die Eltern aus freien Stücken entscheiden, wie sie vorgehen wol­len, denn Kinderimpfungen sind nicht notwendig! Ich bitte Sie darum, denken Sie darüber nach! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Katharina Kucha­rowits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.12.05

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kollegin Neßler und werter Kollege Sieber, die Sozialdemokratie war nicht am Verhand­lungstisch, weder in den Bundesländern noch hier im Haus, und es wird nicht richtiger, nur weil Sie es hundertmal wo auch immer behaupten. Wir waren nicht am Verhand­lungstisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Werte Damen und Herren! Nun legt die Bundesregierung uns allen eine weitere Mogel­packung vor. Neben der Mogelpackung, um die Teuerung zu bekämpfen – Sie wissen, es ist bisher noch kein Cent in den Geldbörsen angelangt, es gibt keine Preisreduk­tionen –, gibt es jetzt die 15a-Vereinbarung, und zum Drüberstreuen wurde angekündigt, dass Schulstartgeld von 100 Euro auf 80 Euro zu reduzieren. Bitte, wie gibt es das, dass man in Zeiten von Preisexplosionen, in denen man ohnehin schon nicht mehr weiß, wie man sich Mieten, Essen und Co leisten soll, auch noch das Schulstartgeld reduziert, werte Grüne? Wie gibt es das? (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt aber zur Mogelpackung der 15a-Vereinbarung: Warum ist das eine Mogelpa­ckung? – Weil alle Chancen vertan wurden: die Chancen von Kindern auf ein Recht auf Bildung – vertan; die Chancen von Frauen, sich nicht mehr entscheiden zu müssen, ob Kind oder Job – vertan; die Chancen darauf, dass PädagogInnen und BetreuerInnen endlich gerecht bezahlt werden – völlig vertan. All das wäre gerecht gewesen, aber das hat, werte Grüne und ÖVP, mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Sie haben all diese Chancen vertan.

Sie reden von 1 Milliarde Euro. Das ist eine glatte Show, denn diese 1 Milliarde Euro ist auf fünf Jahre aufgeteilt, das bedeutet 200 Millionen Euro pro Jahr. Allein in Niederös­terreich würden wir 200 Millionen Euro pro Jahr mehr benötigen. Es ist wirklich eine Farce, kein Geld für Kinder auszugeben (Abg. Taschner: Was ist kein Geld?), während superreiche Konzerne und SpenderInnen der ÖVP sogar mit Steuererleichterungen belohnt werden (Abg. Taschner: Was heißt kein Geld?), gibt es für Kinder – und ich wiederhole es, Herr Kollege Taschner – lediglich Peanuts, und das ist beschämend. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Apropos beschämend: Auch das Recht auf einen Ausbildungsplatz gewähren Sie mit der 15a-Vereinbarung in keinster Weise. Sie als ÖVP haben das verhindert. Jetzt heißt es für Kinder immer noch: Es ist ein Zufall oder ein Glück, ob man einen Platz bekommt oder nicht. Das Schaffen eines Rechtsanspruchs, werte Kolleginnen und Kollegen, auf einen Platz, nämlich ganzjährig, ganztägig und das gratis, wäre nicht nur gerecht, son­dern auch ein wichtiger Baustein, um Kinderarmut zu bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Denken wir bitte daran, wie viel so ein Kinderbildungsplatz für Alleinerziehende kostet! So viele Frauen gehen nur dafür arbeiten. Denken wir an die aktuellen Preisexplosionen! Alles ist ungemein teuer, und Sie waren leider nicht bereit, damit Kinderarmut zu be­kämpfen. Das ist sehr, sehr traurig.

Auch der einheitliche Qualitätsrahmen spielt in Ihrer 15a-Vereinbarung einfach keine Rolle mehr, und den Aufschrei der PädagogInnen ignorieren Sie. Deshalb gibt es von


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uns ein klares Nein zu dieser Mogelpackung. Her mit der echten Kinderbildungsmilliarde und her mit dem Rechtsanspruch auf Kinderbildung! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

14.15


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Sibylle Ha­mann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.15.32

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Ich muss mich jetzt leider doch noch ein­mal ganz kurz zu Wort melden, weil die SPÖ da doch recht konsequent Kindeswegle­gung betreibt. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

Es wird immer wieder behauptet, die SPÖ wäre nicht am Verhandlungstisch gesessen. 15a-Vereinbarungen – ich weiß das auch erst seit zweieinhalb Jahren, aber einige von Ihnen wissen das wahrscheinlich schon länger – werden mit den Finanzlandesräten ver­handelt. Das sind in Wien, im Burgenland und in Kärnten der SPÖ Angehörende, soweit ich informiert bin. (Ruf bei der ÖVP: Da schau her!) Korrigieren Sie mich! (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen jetzt gerne noch aus der gemeinsamen Position aller neun Länder vorlesen, mit der die neun Länder in diese Verhandlungen mit dem Bund gegangen sind, weil immer wieder die Rede davon war, dass die SPÖ zum Beispiel so gerne einheitliche Mindeststandards hätte.

Ich lese Ihnen aus dem Papier der gemeinsamen Position der neun Bundesländer vor: Die derzeitigen Zielzustände, was Standards betrifft, sollen in der neuen Vereinbarung ohne eine Anpassung nach oben verlängert werden. – Gemeinsame Position der neun Bundesländer.

Noch ein sehr schönes Zitat zum Austausch über die Qualitätsstandards – ich zitiere –: Bundeseinheitliche Vorgaben im Bereich Gruppengröße, Betreuungsschlüssel, Fortbil­dung, Qualifikation des Assistenzpersonals, Qualifikation des Personals für Kleinkind­gruppen oder ein einheitliches Gehaltsystem sind aufgrund der unterschiedlichen länder­spezifischen Bedarfe nicht zweckdienlich. – Das ist die gemeinsame Position von neun Bundesländern, sechsmal ÖVP-geführt, dreimal SPÖ-geführt quasi mit dem Beiwagerl NEOS in Salzburg und in Wien. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu nunmehr niemand mehr gemeldet, und die Debatte ist daher geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Unterrichtsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

14.17.4017. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 2622/A(E) der Abgeordneten Nico Marchetti, Mag. Sibylle Hamann, Petra Vorderwinkler, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiative Demokratiebildung (1655 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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14.18.04

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Politische Bildung ist wichtig. Politische Bildung in den Schulen ist notwendig, und seit in etwa eineinhalb Jahren führen wir Gespräche über alle Partei­grenzen hinweg, gibt es Verhandlungen. Unser Bemühen und Interesse als Freiheitliche war es, dass wir da dabei sind. Jetzt sind wir es nicht, und das ganz einfach deshalb, weil zwei zentrale Punkte, unsere zwei zentralen Punkte in diesen Antrag, der jetzt zur Abstimmung vorliegt, nicht aufgenommen wurden.

Wir Freiheitliche wollten zum Ersten die vertiefende Aufnahme der geistigen Landesver­teidigung in den Rahmen des Unterrichtsfaches politische Bildung, und zwar genau aus dem Grund heraus, weil die seit zwei Jahren andauernde Krise das einfach auch not­wendig macht. Es ist notwendig, dass wir in den Schulen bei unseren Kindern und den Schülern ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Sicherheitspolitik, für die Notwen­digkeit einer Sicherheitsvorsorge schaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

Hohes Haus! Politische Bildung ist mehr, als nur mit Containern in die Bundesländer rauszufahren und Folder zu verteilen, sondern politische Bildung bedeutet auch die Ver­mittlung einer demokratischen Wertehaltung. Politische Bildung heißt, man schafft bei unseren Kindern Verständnis für die geistige, für die umfassende Landesverteidigung im Dienste, im Sinne der Erhaltung unserer demokratischen Freiheiten und auch im Sinne der österreichischen Neutralität. Darum ist es uns gegangen, darum wäre es uns gegan­gen. Man hat uns da nicht oder nur teilweise mitgenommen.

Seit 2018 gibt es, Herr Bundesminister, ein Projekt, einen Projektauftrag zwischen dem Bundesministerium für Bildung und dem Landesverteidigungsministerium, laut dem man da die Zusammenarbeit sucht oder suchen sollte, tatsächlich passiert in diesem Rahmen so gut wie nichts, von ganz wenig bis hin zu gar nichts.

Und genau das ist der Grund, warum wir diesen Punkt drinnen haben wollten. Ich möchte die ÖVP im Übrigen darauf hinweisen, dass der Niederösterreichische Landtag einen genauso gearteten Antrag mehrheitlich, nämlich mit den Stimmen der Volkspartei und der Freiheitlichen Partei, beschlossen hat. Zugestanden hat man uns – deswegen auch die Begrifflichkeit des teilweisen Zugestehens –, dass man geschrieben hat: Wir prüfen das. Jetzt braucht man nicht länger als zwei Wochen in diesem Haus zu sein, um zu wissen, dass das nie passiert, wenn irgendwo steht: Wir prüfen das. – Das ist einfach ein politisches Faktum.

Der zweite Punkt, der uns sehr wichtig war, ist die Frage der Kosten. Es geht um die Fragen: Setzen wir einen Kostenrahmen? Gibt es klare Budgets für die Punkte, die da aufgeführt sind? – Auch das ist nicht der Fall. Es gibt also keine klaren Budgets, es sind keine finanziellen Grenzen nach oben gesetzt. Wir werden uns daher in der Zukunft ganz genau anschauen, wie man da mit dem Geld umgeht, wie viel Geld man da ausgibt, ob das verhältnismäßig ist, ob das auch vertretbar ist.

Das wollten wir in Zeiten der Krise ganz einfach haben, weil es notwendig ist, dass wir unseren Kindern, unseren Schülern auch vermitteln, wie wichtig Sicherheitsvorsorge ist, wie wichtig die Frage der Sicherheit auch in Zeiten einer Coronakrise ist.

Zum Abschluss, Hohes Haus, darf ich, da die westlichen Bundesländer heute auch in die Ferien gegangen sind, allen Schülern, allen Lehrern und Lehrerinnen, allen Eltern einen schönen Sommer und alles Gute für die Ferien wünschen.

Wir hätten uns auch gewünscht, Herr Bundesminister, dass Sie diesen Schülern, dass Sie unseren Kindern, dass Sie den Eltern, dass Sie den Lehrern mehr Planbarkeit und mehr Sicherheit für den Herbst mitgegeben hätten. Es wäre ein Leichtes gewesen, die freiheitlichen Vorschläge umzusetzen, den Schulplan der FPÖ für den Herbst umzuset­zen. Anstatt auf die Bewerbung der Impfung zu setzen, anstatt viele andere Maßnahmen


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zu setzen, Hunderte Millionen für Tests auszugeben, wäre es sinnvoll gewesen, Gerät­schaften wie Luftreiniger, wie Trennwände, die im Zusammenspiel auch funktionieren, anzuschaffen, sodass man weder Lockdowns noch, wie gesagt, Maske oder Tests in den Schulen braucht.

Das ist leider nicht der Fall, deswegen trübt das mit Sicherheit die Ferien der Kinder und der Eltern ein wenig, weil nicht absehbar ist, wie es im Herbst weitergehen wird.

Ich würde mir wünschen, Herr Bundesminister, dass Sie den Eltern da mehr Planbarkeit und mehr Sicherheit gegeben hätten. Sonst wünsche ich den Kindern, den Lehrern, den Eltern noch einmal alles Gute für die Ferien. (Beifall bei der FPÖ.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Nico Marchetti. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


14.23.19

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bildungsminister! Die Initiative Demokratiebildung ist aus mehreren Gründen jetzt ganz besonders wichtig. Wir merken die Abnützungserscheinungen von Demokratien – und, wie soll ich sagen?, dass die Menschen der demokratischen Prozesse müde werden – ja nicht nur in Österreich, sondern – wirklich weit verbreitet – auch in Europa und darüber hinaus. Das ist natürlich eine sehr bedenkliche Entwicklung, und ich bin der Meinung – und Gott sei Dank nicht allein, wie wir jetzt noch sehen werden –, dass wir da insgesamt etwas tun müssen.

Mit diesem Antrag haben wir uns jetzt eineinhalb Jahre lang überparteilich – dafür möch­te ich mich ausdrücklich bei Kollegin Tanzler von der SPÖ, bei Kollegin Künsberg Sarre von den NEOS und natürlich auch bei Kollegin Hamann von den Grünen bedanken – den Kopf zerbrochen, mit welchen Tools, mit welchen Mitteln wir für Kinder und Jugendli­che einen besseren Eindruck erzeugen und einen besseren Einblick in die demokrati­schen Prozesse gewähren können. Einige Dinge davon möchte ich beispielhaft erwähnen.

Das eine, und das ist mit Sicherheit die Grundlage, ist der Lehrplan. Wir haben gemein­sam mit dem Bildungsministerium diskutiert und werden das auch weiter tun, bis der Lehr­plan verabschiedet ist: Worauf kommt es an, was muss man in der Schule vermitteln? – Ein Punkt ist da ganz wesentlich: Fakenews. Wie kann man eine Quelle als seriös einstu­fen? Es gibt keine politische Bildung ohne dieses Thema, das hängt zusammen, und das soll in der Schule auch Platz finden, darauf haben wir uns verständigt.

Das andere ist: Wir als Parlament haben die Demokratiewerkstatt, ein gutes Tool, viele von uns waren dort schon und haben mit Kindern und Jugendlichen diskutiert. Dieses Tool funktioniert und wir wollen es ausbauen: einerseits online und andererseits dezen­tral. Das heißt, es müssen nicht alle Schülerinnen und Schüler nach Wien tingeln, son­dern wir kommen in die Bundesländer hinaus und dort können die Schülerinnen und Schüler dann viel niederschwelliger in den Genuss dieser Angebote kommen.

Das sind nur zwei Beispiele. Das andere, und das steht nicht in dem Antrag und das können wir auch nicht beschließen, ist, welches Bild wir abgeben, denn es ist auch ganz wesentlich, ob die Leute die Demokratie wertschätzen, ob sie sie in irgendeiner Form erstrebenswert finden oder nicht.

Jetzt sitzen wir alle als Spitzenvertreter der Politik in diesem Raum, wir haben die höchs­ten Ämter in dieser Republik inne, und deswegen können wir uns da auch nicht ganz freisprechen – meistens regnet es halt von oben. Auch wir müssen uns überlegen, was wir machen können, um hier einen besseren Eindruck zu hinterlassen.

Da geht es zum Beispiel auch darum, wir haben es heute in der Früh diskutiert, dass Regierungsmitglieder die Fragen von Abgeordneten ordentlich beantworten. Der Herr


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Bundeskanzler hat sich hier auch entschuldigt, also offensichtlich gibt es da auch von unserer Seite ein Bemühen, da einen besseren Eindruck zu hinterlassen.

Es geht aber auch darum, im Untersuchungsausschuss respektvoll mit Auskunftsperso­nen umzugehen. Es geht darum: Welche Grenzen ist man bereit für Aufmerksamkeit zu überschreiten? (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.) Das sind Sachen, die stehen nicht in diesem Antrag, aber diese Fragen sollte jeder für sich beantworten und auch überlegen, was er unabhängig von der Zustimmung zu diesem Antrag auch selbst tun kann, damit wir hier ein besseres Bild als Demokratie abgeben und mehr Leute dazu begeistern, an diesen Prozessen teilzuhaben. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte, Herr Magister.


14.27.03

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Zur geistigen Landesverteidigung: In eineinhalb Jahren Verhandlung ist es den Regierungsparteien nicht gelungen, die geistige Landesverteidigung in die politi­sche Bildung aufzunehmen. Das ist vollkommen unverständlich. Ich verstehe es – in Richtung ÖVP – überhaupt nicht, dass man einen Eckpfeiler unserer Verfassung nicht in die politische Bildung aufnimmt und in der Schule darüber diskutiert.

Im Neutralitätsgesetz haben wir festgehalten, dass Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität verteidigt, und – Absatz 2 –: „Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errich­tung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.“

Es ist, glaube ich, gerade in Anbetracht der derzeitigen Situation wichtig, das Neutrali­tätsgesetz zu kennen, und es wäre notwendig und wichtig, dass das auch mit Schülern in den Schulen diskutiert wird.

Nun zur Bundesverfassung: In der österreichischen Bundesverfassung ist klipp und klar festgehalten (eine Tafel mit dem Text „Bundes-Verfassungsgesetz Art. 9a (2)“, „Zur um­fassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung.“ auf das Rednerpult stellend) – noch einmal: ich bin total erstaunt, dass man das nicht in das Fach politische Bildung aufnimmt –, Artikel 9a besagt das, wir bekennen uns „zur umfassenden Landesverteidigung“.

Absatz 2 sagt: „Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geis­tige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung.“ – Eben auch die geistige Lan­desverteidigung. (Abg. Loacker: ... geistigen Landesverteidigung ist bei der FPÖ einiges schiefgelaufen!) Wir haben es aber nicht geschafft, das in das Fach politische Bildung mitaufzunehmen. Das verstehe ich, verstehen wir überhaupt nicht, denn das sind die Eckpfeiler unseres Zusammenlebens und unseres Zusammenseins. Da sollte also pri­mär, glaube ich, die ÖVP in sich gehen und klären, wieso die Aufnahme dieser Eckpfeiler in das Unterrichtsfach politische Bildung nicht möglich war. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch ich wünsche allen Schülerinnen und Schülern, Pädagogen, Kolleginnen und Kolle­gen alles Gute, einen schönen erholsamen Sommer, und ich hoffe, dass wir im Herbst in eine freie Schule ohne Zwänge starten können, vor allem ohne Impfzwang, ohne Be­lehrungen, in eine freie Schule, damit sich unsere Kinder und auch die Kolleginnen und Kollegen entsprechend gut entwickeln können. (Beifall bei der FPÖ.)


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14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.29.43

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Republik ist auf Demokratie aufgebaut, aber wir sehen immer wieder, dass demokratische Systeme nicht in Stein gemeißelt sind. Demokratie muss gehegt und gepflegt werden. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass wir heute mit einem Vierparteienantrag das Projekt der Demokratiewerk­statt ausbauen können und somit den Weg dafür freimachen, dass der Zugang zur De­mokratiewerkstatt noch niederschwelliger wird. Dafür werden beispielsweise das Online­angebot und das Angebot in den Bundesländern ausgebaut. Unser Ziel ist ganz klar: Alle Schülerinnen und Schüler sollen zumindest einmal in ihrer Schullaufbahn die Mög­lichkeit haben, gesetzgebende Organe zu besuchen.

Die Demokratiewerkstatt ist ein wichtiges Element der Demokratiebildung in Österreich, aber sicher nicht das einzige, deshalb umfasst der vorliegende Antrag auch weitere Maß­nahmen direkt in den Schulen und in den Lehrplänen. (Beifall bei der SPÖ.)

So sollen in den neuen Lehrplänen fächerübergreifend Schwerpunkte zur politischen Bildung und Medienbildung geschaffen und Materialien zum Thema Demokratie für die Schulen und für die außerschulische Jugendarbeit zur Verfügung gestellt werden. Das alles sind wichtige und richtige Maßnahmen.

Österreich hat es im Demokratieindex 2021 gerade noch geschafft, nicht als mangelhaf­te Demokratie bezeichnet zu werden. Ist das ein Erfolg? – Nein, ganz sicher nicht. Ich bin auch der Meinung, dass wir uns genauer anschauen sollten, warum es so weit ge­kommen ist. Inwieweit hat die Korruption, die in unserer Republik immer augenscheinli­cher wird, damit zu tun? Inwieweit haben Angriffe auf die unabhängige Justiz damit zu tun? Das sollten wir uns anschauen, damit wir unsere Demokratie noch besser schützen können.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Demokratie lebt von Beteiligung und Teilhabe. Was bleibt aber von der Demokratie, wenn sich immer weniger Menschen daran beteiligen können, weil sie kein Wahlrecht haben? – Das Wahlrecht ist in Österreich an die Staats­bürgerschaft gebunden. Diese kann sich aber ein Großteil der arbeitenden Menschen nicht leisten, weil sie schlicht und einfach zu wenig verdienen. Die Zahl der Personen ohne Möglichkeit zu politischer Mitbestimmung wird leider nicht kleiner, sondern immer größer. Tagtäglich werden in österreichischen Krankenhäusern Kinder geboren, deren Heimat zu einem Großteil Österreich bleiben wird, die sich als ÖsterreicherInnen fühlen werden und hier Steuern zahlen werden, mitbestimmen wird aber ein großer Teil dieser Kinder nicht oder nur sehr schwer.

Wenn immer weniger Menschen die Möglichkeit haben, sich an der Demokratie zu betei­ligen, dann bleibt von der Demokratie wenig übrig, und das ist brandgefährlich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Krainer: Das war eine sehr, sehr gute Rede!)

14.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Sibylle Hamann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.33.40

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen manchmal doch recht hitzigen drei Tagen freue ich mich aufrichtig, dass wir ab und zu auch etwas Gemeinsames zustande bringen. Diesmal haben zumindest alle Par­teien außer der FPÖ das bei diesem gemeinsamen Antrag zur Demokratiebildung ge­schafft. Herzlichen Dank, Nico, für das beharrliche Dranbleiben, herzlichen Dank, Marti­na, herzlichen Dank, Petra!

Zum Inhaltlichen wurden ja schon ein paar Punkte erwähnt: Wir wollen die Angebote der Demokratiewerkstatt, die ja viele von uns mit wirklich großer Leidenschaft auch selber


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besuchen, in die Regionen bringen. Wir wollen uns mittelfristig auch neue Angebote aus­denken, die in der Jugendarbeit, in Volkshochschulen, eventuell sogar in den Wirtshäu­sern Platz haben. Wir wollen mehr politische Bildung und speziell auch mehr Medien­kompetenz in die Schulen und in die Kindergärten reinbringen und wollen gleichzeitig die Schulen und die Kindergärten ermutigen, rauszugehen und die vielen mobilen und stationären Angebote zu nutzen, die es gibt, um Demokratie zu stärken. Ich denke da zum Beispiel an die Museen, wo es ja schon etablierte Programme gibt, auch an die Gedenkstätten – die Kollegin hat es eben erwähnt –, wo es sicher notwendig sein wird, dass wir zum Beispiel bei den Fahrtkosten und bei den Begleitprogrammen auch finan­ziell noch stärker als bisher unterstützen, und an Workshops verschiedenster Institu­tionen. Neu geschaffen werden soll so eine Art Demokratiebox, durch die man noch mehr über die Institutionen der parlamentarischen Demokratie erfährt.

Das wird aber nicht reichen, denn es geht immer auch darum, sich konkret dort, wo man ist, einzumischen; das gilt auch für die Kinder und Jugendlichen: sich zum Beispiel in der Straße vor ihrer Schule bei der Gestaltung eines Parks, bei der Gestaltung ihres Schul­vorplatzes konkret einzumischen. Das ist gelebte Demokratie, die man nicht einfach abstrakt lernen kann, sondern die man immer ganz konkret ausprobieren, üben und im Alltag leben muss.

Ich hoffe sehr, dass wir mit diesem gemeinsamen Antrag wieder ein Stückchen weiter in diese Richtung gehen und im Herbst noch viel mehr davon zustande bringen. – Ich dan­ke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Yannick Shetty. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.36.09

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mehr Demokratiebildung ist gerade in dieser polarisierten Zeit wichtiger denn je. Dialogfähigkeit, kritisches Denken und auch Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, Widerspruch auszuhalten, zu lernen, ist, glaube ich, auch etwas, was sehr vermisst wird, und das Ganze vor dem Hintergrund, dass das Vertrauen in die Politik gerade bei jungen Menschen rapide sinkt. Eine Studie von Sora und von Ö3 hat ergeben, dass sich nur mehr 6 Prozent der Jugendlichen von der Politik vertreten fühlen, also 94 Prozent das Gegenteil sagen würden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und wurden durch die Studie auch bestätigt: Korruption, Skandale, Gier der handelnden Personen. Ich hoffe, dass sich die Angesprochenen da auch angespro­chen fühlen.

Wir stellen heute einen gemeinsamen Antrag von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS, also einen fast komplett gemeinsamen Antrag, der ein erster und guter Schritt in die richtige Richtung ist; es ist aber ein kleiner Schritt. Wir fordern darin den Ausbau der Demokra­tiewerkstatt, wir fordern Fortbildung bei Pädagoginnen und Pädagogen und auch das Vermitteln von Kenntnissen gegen Fakenews, und das ist natürlich sehr wichtig. Es ist aber ein unverbindlicher Entschließungsantrag, das sollten wir auch nicht vergessen. Wir beschließen hier heute keine gesetzlichen Änderungen.

Bevor ich auf meine inhaltliche Kritik eingehe, möchte ich – weil das hier oft zu kurz kommt – auch im Namen meiner Kollegin Künsberg Sarre noch einmal ausdrücklich sagen: Mein ausdrücklicher Dank geht an Abgeordneten Nico Marchetti für das Zugehen auf alle anderen Fraktionen. Wir als Opposition kritisieren hier, glaube ich, sehr oft zu Recht den Umgang der Regierungsfraktionen mit der Opposition, deswegen muss man auch erwähnen, wenn es einmal anders läuft und wenn es einmal ein Best-Practice-Beispiel gibt. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Also vielen Dank dir, Nico, und ich weiß auch, dass dir das schon lange ein Anliegen ist. Dennoch wird das, was wir heute in diesem unverbindlichen Entschließungsantrag be­schließen, nicht ausreichen. Und weil ich dich gerade angesprochen habe, Nico: Bei der Vorbereitung auf diese Rede ist mir eingefallen – ich weiß nicht, ob du dich daran erin­nern kannst, es ist schon recht lange her –, dass wir im Jahr 2015 bei einer Schuldis­kussion im Zuge der Wiener Gemeinderatswahlen gemeinsam diskutiert haben. Da wa­ren natürlich alle Parteienvertreter eingeladen und wir wurden gefragt: Wer ist denn ei­gentlich für politische Bildung als Pflichtfach? Und da haben alle von Blau bis Grün ihre Hand gehoben, alle waren dafür. Und dann hat ein Schüler die sehr berechtigte, ehrliche Nachfrage gestellt: Wenn alle dafür sind, warum macht man es dann nicht einfach? Ich glaube, das fragen sich sehr viele bei sehr vielen Themen. Insofern ist es schon er­nüchternd, dass wir heute – im Jahr 2022, also sieben Jahre später – immer noch nicht dort sind, wo wir eigentlich damals schon alle sein wollten, nämlich bei einer echten gesetzlichen Verankerung von politischer Bildung, die auch unterrichtet wird und nicht nur so im Lehrplan steht.

Nico, ich weiß, es liegt nicht an dir oder an anderen Abgeordneten, die beim Thema politische Bildung schon sehr lange dahinter sind. Es sind immer dieselben Kräfte im Bildungsministerium oder an anderen Ecken, die blockieren und die verhindern, dass wir im Schulunterricht echte politische Bildung vermittelt bekommen. Es liegt nicht zuletzt auch an Ihnen, Herr Bildungsminister, denn Sie sind als Minister dafür verantwortlich. Wie in vielen anderen Fragen fehlt uns auch da im Bildungsbereich eine Vision. Wir werden Sie aber auch daran messen, wie diese Punkte des Entschließungsantrages tatsächlich mit Leben erfüllt werden. Wir werden uns das ganz genau anschauen und wir werden sehr genau darauf schauen, ob diese gut klingenden Worte, diese gut klin­genden Forderungen im Entschließungsantrag auch tatsächlich rasch umgesetzt wer­den. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMag.a Dr.in Agnes Totter. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.40.04

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause und auf der Galerie! Kollegin Kucharowits hat gemeint, dass das Schulstartgeld von 100 auf 80 Euro reduziert wird. Das möchte ich bitte anfangs schon richtigstellen: Das stimmt so ganz einfach nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Laut Demokratieindex leben nur noch 6,4 Prozent der Weltbevölkerung in vollständigen Demokratien und 45,7 Prozent zumindest in irgendeiner Form der Demokratie, und die Tendenz ist leider sinkend. Es ist daher wichtiger denn je, demokratische Strukturen zu stärken, den Wert der Demokratie an sich abseits jeglicher Parteipolitik hochzuhalten und die Demokratiebildung für unsere Kinder und Jugendlichen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung weiterzuentwickeln.

Werte wie Demokratie können unseren Kindern aber nur vermittelt werden, indem wir diese alle miteinander auch leben und sie ihnen auch vorleben. Wenn ich aber daran denke, dass Katharina Werner von den NEOS in der Sitzung vom 15. Juni den Abgeord­neten der Grünen den Rat gegeben hat – ich zitiere –, „halten Sie“ der ÖVP „die Pistole an die Brust“, dann halte ich das ob der Wortwahl wirklich für bedenklich (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!), denn ich finde, dass solche Äußerungen absolut nicht geeignet sind, jungen Menschen ein ansprechendes Bild von Demokratie zu vermitteln. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Nun aber zum vorliegenden Antrag: Das Schulorganisationsgesetz nennt als eine Aufga­be der österreichischen Schulen, dass junge Menschen „zu selbständigem Urteil“ und


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„sozialem Verständnis [...] geführt“ werden sowie „dem politischen und weltanschauli­chen Denken anderer aufgeschlossen sein“ sollen. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler befähigt werden, sich ein eigenes Urteil zu bilden, Fakt von Fake zu unterscheiden.

Meine Damen und Herren! Demokratie muss gelernt sein. Um diesen Wert bestmöglich zu vermitteln, sollen jetzt einige weitere Projekte ermöglicht werden. Die Angebote der Demokratiewerkstatt im Onlinebereich sollen ausgebaut, mobile und dezentrale Angebo­te geschaffen werden, sodass auch Schulen im ländlichen Raum davon profitieren kön­nen. Um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken, sollen im Rahmen der neuen Lehr­pläne fächerübergreifende Schwerpunkte zu politischer Bildung und Medienbildung ge­schaffen werden, insbesondere sollen aber die Themen Desinformation und Fakenews behandelt werden. Darüber hinaus soll eine Demokratiebox zur Verfügung gestellt wer­den, in der Materialien für Schulen aufbereitet sind.

In den letzten Jahren hat sich viel Beliebigkeit auch in unsere Gesellschaft eingenistet. Die eigene Befindlichkeit wurde vielfach das Maß aller Dinge, doch Demokratie heißt, Menschen mit eigenen Ideen und Konzepten zu überzeugen, und wenn einem das nicht gelingt, so muss die Meinung der Mehrheit anerkannt werden.

Apropos Anerkennung: Heute ist der letzte Schultag für Schülerinnen und Schüler und Pädagoginnen und Pädagogen auch in meinem Bundesland, und aus diesem Grund bedanke ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die großartigen Leistungen, die sie tagtäglich an unseren Schulen erbracht haben, und wünsche allen natürlich erhol­same Ferien.

Bevor die Ferien beginnen, bekommen Schülerinnen und Schüler bekanntermaßen ihre Zeugnisse überreicht. Müsste ich nun den Abgeordneten der Opposition Zeugnisse aus­stellen, würde da jedenfalls stehen: zum Aufsteigen nicht berechtigt, und die Verhaltens­note wäre: Nicht zufriedenstellend. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Loacker: Ich glaube, Sie schwingen sich gerade ein bisschen zu weit auf!)

Aber analog zu den Fördermöglichkeiten in der Sommerschule: Nutzen auch Sie die Chancen und die Zeit, erweitern Sie Ihre Kompetenzen in puncto Teamfähigkeit und konstruktives Arbeiten! So können auch Sie einen wertvollen Beitrag leisten und aufhören, die gute Arbeit der Regierung und der Koalition zu behindern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Zanger.)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Unterrichtsausschusses.

14.44.47Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 6 bis 17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Unterrichtsausschusses (Unruhe im Saal) – Ruhe in der Klasse, bitte! (allgemeine Heiterkeit und allgemeiner Beifall) –, die ich über jeden Tagesordnungs­punkt getrennt vornehme.

Wünschen die Klubs eine Unterbrechung? (Abg. Wöginger: Pause!) – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz und das Bildungsinvestitionsgesetz geändert werden, in 1493 der Beilagen.


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Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Petra Tanzler vor.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstim­mung betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur getrennten Abstimmung über Art. 1 Z 2 in der Fassung der Regie­rungsvorlage.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Ein­stimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Unterrichts­ausschusses, den Abschluss der Vereinbarung gemäß Art. 15a Bundes-Verfassungsge­setz zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kinder­gartenjahre 2022/23 bis 2026/27 in 1494 der Beilagen zu genehmigen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1646 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1647 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1648 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1649 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1650 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1651 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1652 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1653 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Unterrichts­ausschusses, seinen Bericht 1654 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17: die dem Ausschuss­bericht 1655 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Initiative Demo­kratiebildung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (264/E)

14.49.0418. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2524/A der Abgeordne­ten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über hochschulrechtliche Sondervorschriften an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fach­hochschulen aufgrund von COVID-19 (2. COVID-19-Hochschulgesetz – 2. C-HG) geändert wird (1610 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag. Dr. Martin Graf. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.49.35

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir kommen nunmehr zu den Wissenschaftsdebatten beziehungsweise zum Block Wis­senschaft.

Gleich als erstes Gesetz haben wir wiederum die Verlängerung oder Fortsetzung oder Neuinitiative der Sondergesetzgebung zum Thema Corona an den Universitäten bezie­hungsweise im tertiären Bildungsbereich, und es wird dieses unsägliche Gesetz – ich bezeichne es als unsägliches Gesetz –, das Autonomierechte vorspiegelt, verlängert. Ich sage zu diesem Punkt gleich: Ich bezeichne das als ein Bossing- und Mobbinggesetz für Studierende, die aufgrund unterschiedlichster Regelungen an verschiedenen Univer­sitäten zum Teil vom Studium abgehalten werden.

Wir haben in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht. Ich erinnere nur an die Bestimmungen an der WU, die man durchzusetzen versucht hat, dass Ungeimpfte


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überhaupt nicht mehr hätten studieren dürfen. Da wurde dann zurückgerudert und vieles andere mehr. Ich erinnere mich aber zum Beispiel auch an den Punkt, dass bis zum heutigen Tag an der Medizinischen Universität nach wie vor de facto eine 1G-Regel ver­lautbart ist – also bar jeder wissenschaftlichen Expertise in Wirklichkeit –, aber jeder ein­zelne Student darüber informiert wurde, dass er zu jeder Lehrveranstaltung gehen kann, weil dort diese 1G-Regel nicht exekutiert wird – also in diesem Punkt muss man sich fragen: Geht’s noch? –, mit dem Ergebnis, wie wir dann von verschiedensten Studieren­den aus diesen Reihen gehört haben, dass der eine kontrolliert hat und der andere nicht kontrolliert hat. Man wusste nicht: Kann man hingehen, kann man nicht hingehen?

Da halte ich es an sich mit Johannes Rauch, der noch im Jänner, als er noch nicht Mi­nister war, aber kurz bevor er Minister wurde, als zuständiger Regierungsverhandler und nunmehriger Gesundheitsminister in der „Presse“ ein bemerkenswertes Interview gege­ben hat, in dem er schon damals, im Jänner, Anfang Februar 2022 ein Ende aller Coro­nasondergesetzgebungen gefordert hat. Rauch begründet das mit vielen Punkten, aber auch mit einem Satz, der bemerkenswert ist. Er sagt – ich zitiere das jetzt, weil es sonst noch heißt, dass ich da etwas erfinde –: „Und dann sind da noch die demokratiepoliti­schen Dinge: Die Corona-Sondergesetze haben es ermöglicht, im Erlassen von Verord­nungen, im Fassen von Beschlüssen Abkürzungen zu nehmen. Ich mag nicht, dass wir uns daran gewöhnen.“ – Kaum ist er Minister, hat er sich offensichtlich daran gewöhnt, weil er sich auch nicht mehr daran stößt. Er hat aber vollkommen recht gehabt.

Und das ist kein Thema der Autonomie, denn bleibt man in der Regierungslogik, versetzt man sich in Ihre Logik, dann sind Gesundheitsangelegenheiten bestimmt kein Thema für Autonomie. Dann können Sie nicht wie bei den Universitäten daherkommen und sa­gen: Na ja, es gibt große Universitäten und kleine Universitäten, es gibt große Hörsäle, kleine Hörsäle, Labors und Ähnliches, und da muss man individuell reagieren. Diese Logik, wenn Sie sie jetzt anwenden, müsste dann überall gelten: Es gibt große Wirtshäu­ser und kleine Wirtshäuser, es gibt Wirtshäuser mit Schanigärten und es gibt welche ohne Schanigärten. Dann müssten diese am Ende ja auch alle eine Autonomie bekom­men, das wäre dann nur recht und billig.

Das, was hier geschaffen wird, ist die Verlängerung der Möglichkeit, weder faktenbasiert noch sonst etwas auf Halde, ohne Veranlassung, zum heutigen Zeitpunkt, an dem sich ganz Europa, die ganze Welt von den Coronamaßnahmen und Umsetzungsmaßnahmen dazu verabschiedet, weiterhin an der falschen Politik der letzten zwei Jahre in Bezug auf Maßnahmen an den Universitäten und Hochschulen und Fachhochschulen festzuhalten.

Ich glaube, es wäre an der Zeit, gerade im Wissenschaftsbereich oder im tertiären Bil­dungsbereich – ich habe so viel von einer demokratiepolitischen Bildung gehört – ein bissel faktenbasierter zu arbeiten. Das möchte ich schon auch in Erinnerung rufen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Wenn Sie es mir schon nicht glauben, dass diese Sondergesetze auch demokratiepoli­tisch mehr als bedenklich sind, dann glauben Sie es wenigstens dem jetzigen Gesund­heitsminister – das wäre doch immerhin etwas. (Beifall bei der FPÖ.)

14.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.54.44

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächlich geht es heute bei diesem Antrag darum, das 2. Covid-19-Hoch­schulgesetz, das Ende des Sommersemesters auslaufen würde, nochmals zu verlängern. Dieses Gesetz ermöglicht es den einzelnen autonomen Universitäten und Hochschulen,


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ihre entsprechenden Schutzmaßnahmen für Studierende und Lehrende einzurichten, wenn es notwendig ist.

Tatsächlich ist ja die österreichische Universitätenlandschaft sehr heterogen. Ich sage, die Kunstuniversitäten, speziell Musikuniversitäten, haben andere Rahmenbedingungen als die Allgemeinuniversitäten – ja, diese haben große Hörsäle mit sehr vielen Menschen in einem Raum –, und wieder anders ist es bei den Medizinuniversitäten, wo ja noch der Kontakt zu Patientinnen und Patienten, das heißt zu besonders vulnerablen Gruppen, dazukommt. Deshalb ist es vernünftig, dass individuell gehandelt werden kann, dem Standort entsprechend und dem Typ der Universität entsprechend. Jetzt geht es schlichtweg darum, dass diese Möglichkeit, solche Regelungen einzuführen, noch auf das Wintersemester ausgedehnt wird.

Wir wissen, dass derzeit die Infektion deutlich harmloser geworden ist, als sie in den vergangenen zwei Jahren war – das ist gut und da habe ich einen vorsichtig optimisti­schen Ausblick. Gleichzeitig sind sich alle seriösen Forscherinnen und Forscher darin einig, dass man nicht exakt in die Zukunft schauen kann und keine Garantie hat, dass es so bleibt. Deshalb wäre es leichtfertig, wenn man die Möglichkeit, auf eine Verschär­fung der Lage zu reagieren, jetzt beenden und nicht verlängern würde.

Ich habe dazu aber einen Wunsch, und mit diesem Wunsch bin ich nicht allein, sondern das ist auch eine Forderung der Österreichischen Hochschüler_innenschaft, und zwar ist es der Wunsch, dass gleichartige Universitätstypen auch weitgehend synchrone, ver­gleichbare Regelungen einführen.

Da sagt man dann natürlich: Okay, da ist der Ball beim Ministerium. – Ja, und das Ministerium hat diesen Ball auch aufgegriffen, denn es gibt nämlich wöchentliche Jours fixes, an denen alle Stakeholder der Universitäten, Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen mit Beratung zusammentreffen, sich gemeinsam akkordieren und wenn notwendig die nächsten Schritte besprechen.

Ich bin optimistisch, dass es nie mehr so kommen wird, wie es zu Beginn der Pandemie war, wir haben aber keine hundertprozentige Garantie dafür. Wir müssen gemeinsam verantwortungsvoll und vorsichtig handeln. Dieses Covid-19-Hochschulgesetz bietet dazu einen idealen Rahmen. Ich bin sicher, dass es mit Verantwortung und auch unter aktiver Begleitung des Ministeriums sehr gut gehandhabt werden wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Eva Blimlinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.58.12

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Damen und Herren auf der Galerie und vor den TV-Schirmen! Bevor ich zu diesem Tagesordnungspunkt kom­me, erlauben Sie mir noch einen Satz zum vorherigen Tagesordnungspunkt, zu Kollegen Shetty, was die politische Bildung betrifft.

Er hat gemeint, das war vor sieben Jahren und das braucht man noch immer. Das Unterrichtsprinzip Politische Bildung ist 1978 eingeführt worden, das war zwei Jahre vor meiner Matura. Wir feiern also nächstes Jahr 45 Jahre Unterrichtsprinzip Politische Bildung und wir brauchen immer noch einen solchen Antrag. Die Mühlen mahlen also äußerst langsam, wenn sie denn überhaupt mahlen. Gerade im Bereich der politischen Bildung, die in Zukunft nicht nur ein Unterrichtsprinzip, sondern auch ein Fach wird, hoffe ich, dass das dann beim 45-Jahre-Jubiläum als substanzieller Wendepunkt zu sehen ist.


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Nun aber zu der Covid-Geschichte: Kollege Smolle hat das meiste schon gesagt. Ja, es liegt in der Autonomie und natürlich ist es ein Punkt der Autonomie, auch wenn Kollege Graf das in Zweifel zieht. Vielleicht kann man zu diesem Stakeholdertreffen auch die Österreichische Hochschüler_innenschaft dazunehmen, die nämlich gestern, glaube ich, oder heute schon gefordert hat, dass an einzelnen Universitäten wieder Maskenpflicht eingeführt wird, speziell dort, wo große Vorlesungen oder auch Prüfungen stattfinden, an denen viele Studierende teilnehmen.

Ich bin da ähnlich optimistisch wie Smolle: Es wird nicht mehr so sein wie vorher, zu Beginn der Pandemie, und der Hochschulsektor – also die Universitäten, Fachhoch­schulen, pädagogischen Hochschulen – hat sich sehr eingehend mit den unterschied­lichen Erfordernissen beschäftigt und wird diese auch im Wintersemester durchführen. Das ist der Rahmen.

Im Übrigen bin ich selbstverständlich immer noch der Meinung, dass die Windisch-Ka­serne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden muss. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Wissenschaftsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

15.00.4419. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über die Regierungsvorlage (1524 d.B.): Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria (1611 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag.a Andrea Kuntzl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.01.08

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war im Sommer 2020, die ÖVP hat sich gerade für den Landtagswahlkampf in Oberösterreich aufgewärmt, und man hat sich zusammengesetzt und darüber nachgedacht, ob man nicht irgendein Projekt erfinden könnte, das man im Wahlkampf gut verkaufen kann. Und so hat der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz seinem ÖVP-Spitzenkandidaten Stelzer versprochen, es solle in Oberösterreich das Projekt geben, das in den Medien unter dem Namen TU Linz diskutiert wird. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es gab viele Fragezeichen, was für ein Projekt das sein soll, und ab diesem Zeitpunkt hat man versucht, dieses hohle Wahlkampfzuckerl, muss man sagen, mit irgendeiner Form von Idee und Konzept zu füllen. Es ist auf viel Skepsis gestoßen, und sehr geehrte Damen und Herren, es ist bis heute ein Projekt der vielen Fragezeichen geblieben.

Es ist ein Projekt, das heute beschlossen werden soll, ohne dass es eine Bedarfsanalyse gegeben hat. Es gibt nach wie vor viele große Fragezeichen zur fachlichen Ausrichtung. Es stellt sich die Frage, auf welchen Fachdisziplinen diese Universität, jetzt Institut,


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eigentlich aufbauen soll. Es gibt kein Standortkonzept. Vielleicht eine Detailfrage, aber eine, die für uns sehr wichtig ist, eine wesentliche Frage im gesamten Bildungsbereich, ist die Frage der sozialen Durchlässigkeit – das spielt gar keine Rolle; es sollen Stipen­dien in der Höhe von 500 Euro pro Monat an ein Sechstel der Studierenden vergeben werden, aber offensichtlich nicht nach sozialen Kriterien. Es stellt sich die Frage der Rechtssicherheit für die Studierenden; sie werden nicht dem Studienrecht unterliegen.

Es gibt also viele Fragezeichen, aber eines, das besonders wichtig ist, das betrifft nämlich die Frage der Finanzierung. Für so ein Projekt, das Land und Bund gemeinsam auf den Weg bringen, braucht es eine 15a-Vereinbarung, also eine Vereinbarung zwi­schen Land und Bund, die das Parlament beschließen muss. Diese Vereinbarung, sehr geehrte Damen und Herren, liegt bis heute nicht vor. Das heißt, das Parlament weiß eigentlich heute nicht, was es beschließt, welche finanziellen, budgetären Auswirkungen und Konsequenzen das haben wird.

Aus unserer Sicht gibt es zu viele offene Fragen, um heute hier einen Beschluss zu fassen. Daher stelle ich für dieses Bundesgesetz einen Rückverweisungsantrag für eine Rückverweisung an den Ausschuss. Damit haben Sie die Gelegenheit, die 15a-Vereinbarung in Ruhe auszuarbeiten und diese mit dem Gründungsgesetz vorzulegen. (Ruf bei der ÖVP: Und dann stimmen Sie dagegen!) Wir können ein Expertenhearing veranstalten. Es gibt ja auch viele Zweifel und viele offene Fragen in der wissenschaftli­chen Community. Daher, sehr geehrte Damen und Herren, zurück in den Ausschuss mit diesem Gesetz und zurück zum Start! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

15.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Tasch­ner. – Bitte sehr.


15.05.01

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Wie Frau Kollegin Kuntzl richtig bemerkte, war im Sommer 2020 in Oberösterreich Wahlkampf, und man hat gehört, es werde eine technische Universität in Linz geben – ganz neu. Sie haben recht, auch bei mir war Skepsis da: Ist es in Österreich wirklich notwendig, dass man neben der Johannes-Kepler-Universität, am gleichen Ort, eine zweite Universität gründet, zumal die Johannes-Kepler-Universität sehr gut und sehr erfolgreich arbeitet?

Die Skepsis über diese technische Universität habe ich dann leise verloren und sie hat sich in Zustimmung gewandelt, denn: Im 19. Jahrhundert war Technik Mechanik sowie Thermodynamik und was sich daraus entwickelt hatte; im 20. Jahrhundert war Technik Elektrodynamik und die von der Quantentheorie geprägte Chemie; und im 21. Jahrhun­dert ist Technik das, was uns Digitalisierung und Informationstechnologie liefern. Und es ist doch sehr klug und eigentlich zukunftsweisend, dass man eine Universität gründet, bei der man sagt, man möchte alle Aspekte, die die Digitalisierung und die Informa­tionstechnologie in der Welt und in der Wissenschaft bieten, durchleuchten und wissen­schaftlich erforschen.

Das soll also in Linz gelehrt und geforscht werden. Wenn es gelehrt und geforscht wird, würde ich auch sagen, dass der Name Universität der richtige Name ist. Ich betrachte also den jetzigen Namen mehr als Arbeitstitel. Ich würde es auf jeden Fall Universität oder University nennen. Im Sinne dessen, dass wir daneben die Johannes-Kepler-Uni­versität haben, würde ich auch sehr dafür plädieren, dass man diese Universität mit einem Namen verbindet, mit einem sprechenden Namen. Aus meiner Sicht würde sich der Name von Olga Taussky dazu besonders eignen.


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Olga Taussky ist eine eminente Mathematikerin, eine Pionierin der numerischen Mathe­matik, der alle digitalen Techniken zugrunde liegen. Olga Taussky hat in Linz das Gym­nasium besucht und hat sogar schon als Schülerin einen Satz über Polynomentwick­lungen bewiesen.

Eine Olga-Taussky-Universität: Was soll sie bieten? – Wenn ich ein Bild entwerfen darf: Ich stelle mir vor, es gibt eine beschränkte Anzahl von Professorenstellen, sagen wir sieben, und diese Professorenstellen werden mit Koryphäen besetzt, weltweit anerkann­ten, hervorragenden, ausgezeichneten Koryphäen, die auf Zeit nach Linz kommen – das wäre so meine Idee –, die ein Jahr, zwei Jahre, höchstens drei, in Linz lehren und for­schen und danach wieder zurück- oder weitergehen, an ihre Arbeitsplätze nach Stanford, nach Cambridge, an die ETH, ans Steklow-Institut – you name it.

Und warum kommen diese nach Linz und lehren dort in Vorlesungen, die dann elektro­nisch natürlich weltweit übertragen werden, in Seminaren und Privatissima für die rund 100 Studenten, brillante Leute, aus denen sie sammeln und versuchen, jene zu finden, mit denen sie zusammen Forschungsarbeit betreiben und Dissertationen schreiben kön­nen? Warum kommen sie nach Linz? Einfach einmal deshalb, weil das geistige Klima dieser Olga-Taussky-Universität inspirierend sein soll.

Zweitens, weil sie außerordentlich viel Kooperationsmöglichkeiten haben: mit der Johan­nes-Kepler-Universität, mit der Ars Electronica, mit den drei technischen Universitäten in Österreich (Zwischenruf des Abg. Scherak), mit allen anderen akademischen Institu­tionen. Weil ihre Arbeiten, die sie zusammen mit ihren Studentinnen und Studenten entwerfen und herausbringen, die Wirtschaft beleben und die Industrie weiter beleben. Weil in Linz, von Linz aus, in Linz selbst die kulturellen Möglichkeiten, aber bis nach Salzburg, bis nach Wien, bis ins Salzkammergut hinein, für Österreich einzigartig und unfassbar attraktiv sind. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Und weil es an dieser Olga-Taussky-Universität einfach ein attraktives Leben in akademischer Freiheit in einem aka­demischen Paradies ist.  Das wäre so meine Idee.

Was hat die Gesellschaft, was hat die Wirtschaft, was hat die Industrie davon? – Nun, eine derartige kleine Universität mit dieser Exzellenz ist ein unglaublicher Magnet, der dann den Wohlstand nicht nur in Oberösterreich, sondern auch in ganz Österreich beför­dert. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Also das wäre mein Vorschlag: eine Olga-Taussky-Universität, klein und koryphäen­reich, Olga-Taussky-University, small and smart. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisin­ger.) Das ist natürlich nur ein Vorschlag; es könnte natürlich auch viel bessere Vor­schläge geben. Herr Kollege Graf lächelt – vielleicht hat er eine bessere Idee. Ich bin dem gegenüber überhaupt nicht abgeneigt. Das Bessere ist immer der Feind des Guten.

Es könnte natürlich auch schiefgehen. Es gibt skeptische Reaktionen, so zum Beispiel von Rektorin Seidler oder von Prof. Sepp Hochreiter. Diese sind ernst zu nehmen, und der Herr Bundesminister ist gut beraten, auf all diese skeptischen Stimmen zu hören.

Wir übergeben mit diesem Rahmengesetz, das all diese Bilder ermöglicht, dem Herrn Bundesminister die Verantwortung und auch die Verpflichtung, das Beste aus dieser neuen Universität in Linz, die ich Olga-Taussky-Universität nennen würde, zu machen. In dieser neuen Universität soll das Hervorragende, so stelle ich es mir vor, das Selbst­verständliche sein – der Durchschnitt gilt als ungenügend. (Beifall bei der ÖVP.)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Künsberg Sar­re. – Bitte.


15.10.38

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und zu Hause! Wir


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stimmen heute nicht mit den Regierungsfraktionen mit und ich möchte Ihnen gerne er­klären, warum. Wir NEOS sind immer offen für Innovation und Fortschritt. Das ist uns ganz, ganz wichtig, und wir begrüßen es sehr, wenn es Überlegungen oder Beiträge gibt, die zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs beitragen. Die Vorgehenswei­se aber, wie dieses Vorhaben zur Welt gekommen ist und jetzt auch behandelt wird, schmerzt uns sehr, und deswegen stimmen wir ihm heute nicht zu.

Gehen wir noch einmal zurück ins Jahr 2020: Kurz und Stelzer haben sich das ohne vorherige Bedarfserhebung, ohne vorher zu schauen: Was gibt es denn schon?, Was haben wir denn noch nicht?, Was braucht es denn? (Abg. Taschner: Das wäre das typisch Österreichische, gell?), ausgedacht. Diese zwei ausgewiesenen Wissenschafts­politiker (Heiterkeit bei den NEOS) haben festgestellt, es brauche unbedingt eine neue Einrichtung für Digitalisierung in Oberösterreich, weil dort so viele Fachkräfte gebraucht werden. Das haben die beiden damals festgestellt.

Dann haben sie einen Prozess gestartet und innerhalb kürzester Zeit haben sie sämtli­che Stakeholder vor den Kopf gestoßen. Anstatt einen Prozess aufzusetzen, in den sie möglichst viele Menschen einbinden, damit die Leute sagen: Genau, wir brauchen so eine Einrichtung, das ist ganz wichtig!, haben sie ganz, ganz viel Gegenwind produziert. (Zwischenruf des Abg. Lindinger.)

Der Begutachtungsprozess zu diesem Rahmengesetz war verkürzt, und auch die Aussa­ge von Kollegin Blimlinger, der Wissenschaftssprecherin der Grünen, im Ausschuss war bezeichnend: Sie hat gesagt, dass sie nicht glücklich ist und dass sie immer schon gesagt hat, dass es so eine Einrichtung eigentlich gar nicht brauche. Die Grünen haben aber natürlich mitgestimmt, so nach dem Motto: Machen wir halt das Beste draus, jetzt kann man eh nichts mehr machen!

Das, was Sie heute vorlegen, ist ein Rahmen. Sie verlangen vom Parlament heute, dass wir diesem Rahmen zustimmen, ohne zu wissen, wie und womit er befüllt werden wird. (Abg. Taschner: Wir verdienen das Vertrauen, Frau Kollegin! – Abg. Meinl-Reisinger: Wer verdient das Vertrauen? Die ÖVP?! – Abg. Taschner: Ja! – Abg. Meinl-Reisinger: Das sehen die Wähler derzeit anders!) Das ist natürlich wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, wie Sie mit dem Parlament und mit den Parlamentariern umgehen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie strapazieren immer wieder das IST Austria in Klosterneuburg: Auch damals, als die Idee aufgekommen ist, so ein Institut zu gründen, gab es viel Gegenwind und viel Skep­sis. Der Prozess damals ist aber anders aufgesetzt worden. Es wurde eine Dreiergruppe unter der Leitung des international anerkannten Wissenschaftlers Haim Harari beauf­tragt, ohne politischen Einfluss und ohne Zeitdruck ein Strategiepapier zu verfassen, das im Übrigen heute noch als Fahrplan für das IST Austria gilt. Dieses Strategiepapier hatte das Ziel, die Ausrichtung und die Struktur festzulegen, es sollte einfach ein Konzeptpa­pier sein. Es wurde damals in Begutachtung geschickt und gemeinsam mit einer 15a-Vereinbarung mit Niederösterreich hier im Parlament beschlossen.

Was machen wir heute? – Das ist der große und wesentliche Unterschied zum IST Aus­tria; ich erwähne das, weil Sie das immer gleichsetzen: Wir beschließen ein Rahmenge­setz, erst dann kommt ein Gründungskonvent, und wir wissen nicht, wer da drinnen sein wird. Die 15a-Vereinbarung mit Oberösterreich liegt auch nicht zur Beschlussfassung vor. Es heißt, die Hälfte der Baukosten wird von Oberösterreich finanziert; das ist auch wieder ein großer Unterschied zu Niederösterreich. Ich will jetzt nicht alles, was in Nie­derösterreich passiert ist (Abg. Baumgartner: ... ist super!), groß verherrlichen, aber der Prozess dort ist anders abgelaufen. Vom Land Niederösterreich wurden die gesamten Baukosten übernommen und es werden noch immer die baulichen Maßnahmen, die Be­triebskosten und auch die Instandhaltung gezahlt. Oberösterreich zahlt jetzt einmal die Hälfte der Baukosten und dann ist das für Oberösterreich offensichtlich erledigt.


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Das Konzept kann vielleicht noch etwas werden, wenn Sie den Gründungskonvent gut und politisch unabhängig besetzen. Da schaue ich auch in Richtung Grüne, weil Minis­terin Gewessler ja drei Mitglieder zu beschicken hat. Es wird spannend werden, wen Sie nominieren und wie ernst Sie es mit der unabhängigen Wissenschaft nehmen.

Ganz am Schluss, weil nach mir einige oberösterreichische Abgeordnete reden: Bitte hören Sie endlich auf, zu glauben, dass wenn Sie eine Einrichtung in Oberösterreich gründen, alle, die dort studieren, auch in Oberösterreich bleiben, nur weil dort Fachkräfte gebraucht werden! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wir haben gerade von der 15a-Vereinbarung gesprochen: Gut ausgebildete Menschen gehen dorthin, wo sie einen guten Arbeitsplatz bekommen und wo sie gute Bedingungen für ihre Familien vorfinden, wo es gute Schulen und ausreichend und gut finanzierte Kin­derbildungsplätze gibt. Da hat Oberösterreich ja wohl noch ganz, ganz viel zu tun! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Deimek. – Bitte.


15.16.35

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria in Oberösterreich wirbelt etwas Staub auf. Das haben wir zuletzt gehört, das hören wir schon länger. Heute sollen wir die rechtliche Basis dafür beschließen und in der Folge wird dann der finanzielle Grund­stein gelegt.

Frau Kollegin Künsberg, die Nähe von Universitäten zur Wirtschaft ist schon wichtig. Das ist einer der elementaren und wirklich wichtigen Punkte, und zwar auch wegen der Absol­venten. Da bin ich nicht naiv und glaube, dass die alle direkt von der Universität zu den Wirtschaftsstandorten gehen. Ganz im Gegenteil: Mir ist bewusst, dass die besten Kräfte sich wie im freien Markt verhalten. Es wird zu dem gegangen, der die besten Konditionen bietet. Aber: Die Konditionen, die Oberösterreich im Vergleich zu anderen Bundeslän­dern bietet, sind ja grundsätzlich nicht schlecht.

Was auch wichtig ist, ist die Nähe der Wirtschaft zur Forschung und zu den gemeinsa­men F&E-Projekten. Das wiederum garantiert nämlich die Drittmittel, die die Universitä­ten brauchen. Da ist die bereits bestehende Universität, die JKU, ein gutes Beispiel: Die Lehrenden dort kommen aus der Wirtschaft und gehen wieder zurück in die Wirtschaft; es besteht ein kontinuierlicher Austausch.

Natürlich hat dieses Institut, diese Universität Anfangsschwierigkeiten, von denen ich hoffe, dass die Regierungsparteien und der Minister sie möglichst rasch beseitigen wer­den. Für uns war es ursprünglich ein Rätsel, warum diese Universität außerhalb des Universitätsgesetzes platziert wird. Die Wirtschaft hat gesagt, dass sie dadurch mit ihr effizienter zusammenarbeiten kann und es so weniger lange Entscheidungsprozesse gibt. Das wäre für mich ein Punkt, zu überlegen, ob wir nicht das Universitätsgesetz ändern sollten, wenn es damit nicht möglich ist, effiziente und rasche Entscheidungen zu treffen.

Betreffend Finanzierung gab es, glaube ich, ein großes Kommunikationsproblem. Wie kann es sein, dass die Universitäten glauben, dass, wenn der Minister ein Budget er­stellt – da nehme ich die neue TU gar nicht aus; im Gegenteil, ich nehme sie ganz be­sonders in die Ziehung –, die Mittel komplett ihnen gehören? Wenn es einen Topf gibt, über den der Minister verfügen kann, sind das nicht automatisch Mittel, über die die Uni­versitäten verfügen können.


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Betreffend die 15a-Vereinbarung, Herr Minister: Wenn sich Bundesländer – berechtigt oder nicht – Universitäten wünschen, werden sie auch einen entsprechenden Beitrag, auch nach Auslaufen der betreffenden 15a-Vereinbarung, übernehmen müssen. Man kann nicht nur Wünsche äußern, für die der Bund dann zahlen soll – das ist kein Wunsch­konzert, da gibt es ein bisschen einen größeren Rahmen .

In Summe, muss ich sagen, ist das eine gute Grundsatzentscheidung, was auch immer die politischen Hintergründe dafür waren. Ich hoffe auf eine möglichst rasche, gute Lö­sung der noch immer vorhandenen Probleme und dass das sowohl für den Bund als auch für Oberösterreich ein gutes Ende findet. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Pola­schek. – Bitte sehr.


15.20.14

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Martin Polaschek: Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Sehr geehrte Gäste! Mit dem Gründungsgesetz zu diesem Institute of Digital Sciences Austria wird die Basis für eine wirklich besondere Weiterentwicklung in der österreichischen Hochschullandschaft gelegt, nämlich die Errichtung einer neuen Uni­versität. Das markiert einen zusätzlichen Innovationsschub im Wissenschafts- und For­schungssystem mit der klaren Zielsetzung auf Digitalisierung.

Natürlich gibt es bei derartigen Großprojekten auch unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen, die sowohl inhaltlicher wie auch persönlicher Natur sind. Wir haben es uns daher nicht leicht gemacht und alle Stellungnahmen intensiv bewertet und bestmög­lich berücksichtigt. Das Ergebnis wurde im Wissenschaftsausschuss eingehend sowie kritisch-konstruktiv diskutiert und mit den Stimmen der Koalition und der Freiheitlichen beschlossen, wofür ich mich an dieser Stelle bedanken möchte.

Der inhaltliche, strukturelle und organisatorische Kern dieser neuen Universität wurde nach einem umfangreichen Konzept nationaler und internationaler Expertinnen und Ex­perten ausgearbeitet und soll in unterschiedlichen Bereichen nun auch als eine Art Vor­bild für bestehende Hochschuleinrichtungen dienen. Selbstverständlich werden dabei auch die bestehenden Rechte und Pflichten für Universitätsangehörige und natürlich auch für Studierende Gültigkeit haben.

Wie Sie sich vorstellen können, hängt der erfolgreiche Aufbau der neuen Einrichtung aber natürlich auch eng mit der langfristigen Finanzierung zusammen, die nicht zulasten der bestehenden Universitäten gehen darf und wird. Mit dem Bundesfinanzrahmen und dem klaren Bekenntnis der Regierungsspitze ist sichergestellt, dass die Finanzierung kontinuierlich und ansteigend bis zum geplanten Vollausbau 2036 erfolgen wird. Gleich­zeitig wird aber auch das Land Oberösterreich im Infrastrukturbereich einen Beitrag leisten, die entsprechenden Inhalte werden gerade in einer Artikel-15a-Vereinbarung endverhandelt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Errichtung einer neuen Universität ist ein gemein­samer und natürlich nicht alltäglicher Kraftakt, dem viele einzelne Schritte vorausgegan­gen sind und dem natürlich jetzt noch einige folgen werden, wie beispielsweise die Konstituierung des Gründungskonvents. Unser Ziel ist es jedenfalls, den operativen Start des Institute of Digital Sciences Austria im Wintersemester 2023 mit dem Angebot von PhD-Studien umzusetzen.

Ich bin daher überzeugt, dass dieses Projekt einen wesentlichen Beitrag zur innovativen Weiterentwicklung der österreichischen Wissenschafts- und Forschungslandschaft darstellt.


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Gerade in herausfordernden Zeiten sind zukunftsweisende Investitionen in Bildung, Wis­senschaft und Forschung entscheidend für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unse­res Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Hamann.)

15.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Holzleitner. – Bitte.


15.23.25

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Ein Kollege von der ÖVP hat vor zwei Tagen hier gesagt, Prof. Hochreiter werde wei­terhin einen fixen Platz in der österreichischen Forschungslandschaft haben. Es ist aber schade, dass genau diese Stimmen nicht gehört wurden (Abg. Taschner: O ja! Haben wir auch gehört! – Abg. Rausch: Auch!), bevor wir heute diesen Beschluss fällen. Das ist für uns der springende Punkt. Natürlich: Ohne Wissenschaft keine Zukunft, ohne Weiterentwicklung keine Perspektive. Es ist ganz klar: Was in der Forschung in Ober­österreich, generell in Österreich geleistet wird, ist großartig und wichtig, und darauf müssen wir auf jeden Fall schauen.

Es sind aber eben noch sehr, sehr viele Fragen offen, und meine Kollegin Kuntzl hat es schon angesprochen. Beim Institute of Digital Sciences Austria, wie es mittlerweile heißt, ist die Finanzierungsfrage teilweise gelöst, die 15a-Vereinbarung ist fast fertiggezurrt, aber alleine der Name ist eben schon die große Diskussion. Kollege Taschner hat nicht nur heute hier am Pult darüber gesprochen, sondern auch einen Kommentar darüber geschrieben: Sollen wir sie jetzt wieder University nennen (Abg. Taschner: Unbedingt!), sagen wir Institute of Digital Sciences Austria oder ist es eben die Technische Uni Ober­österreich? All das ist ja quasi schon der Beginn einer sehr offenen Frage. Kollege Dei­mek spricht von einem Fachkräftemangel, dem man damit entgegenwirken möchte. Kol­lege Taschner sagt: Nach drei, vier Jahren gehen sie dann weiter an die ETH Zürich, Stanford und, und, und! (Abg. Taschner: Es kommen ja andere nach und noch viel mehr!) Sie haben natürlich noch viel mehr Universitäten genannt (Abg. Taschner: Nein, nein, Leute, Fachleute! – Abg. Leichtfried: Wir haben halt nicht so viel Zeit!), aber es ist auf jeden Fall trotzdem eine große, große Frage: Wird das am Standort Oberösterreich funktionieren?

Wir hätten wirklich gerne noch eine Enquete dazu gemacht. Auch im Oberösterreichi­schen Landtag hat es die Forderung nach einer Landtagsenquete gegeben. Der Bürger­meister von Linz hat einen runden Tisch gefordert. Diesen Forderungen ist man leider nicht nachgekommen. Dabei wäre es gerade darum gegangen, diesen Dialog zu führen, damit dieses Projekt nicht nur auf Luftschlösser gebaut wird, sondern auch wirklich einen Inhalt, eine Substanz bekommt. Wir wissen nicht, wie der Kollektivvertrag ausschaut, und auch die Stipendienfrage, die da zu stellen ist, ist eben eine große. Wir haben auf der einen Seite die JKU und die Fachhochschule Oberösterreich, auf beiden gibt es ganz regulär den Anspruch auf Stipendien. Bei diesem neuen Institute gibt es die Möglichkeit, dass man 500 Euro on top pro Monat bekommt, aber vermutlich nicht nach sozialen Kriterien gestaffelt, sondern nach Gutdünken des Ministeriums. All diese Fragen, die offen sind, lassen uns sehr, sehr skeptisch zurück, ob das auch wirklich so funktionieren wird.

Nicht nur unsere Skepsis ist groß, sondern auch die der wissenschaftlichen Community. Gerade diese Skepsis ist eine, die wir wirklich hören müssen und eigentlich vor dem Beschluss hätten hören müssen, weil diese Skepsis unsere Alarmglocken auf jeden Fall schrillen lassen muss. Wenn die Wissenschaft sagt, dass etwas nicht stimmt, ist das meistens auch die richtige Meinung. Deshalb haben wir auch den Rückverweisungsan­trag eingebracht, weil wir die Zeit für diese Diskussion gerne noch gehabt hätten und


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wirklich auch gebraucht hätten, und deshalb können wir heute hier nicht zustimmen. Beim Rückverweisungsantrag würden wir aber wirklich um eine breite Zustimmung bit­ten, um dieses Projekt auch gut auf die Beine zu bringen, weil aktuell noch zu viele Fragen offen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

15.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Blimlin­ger. – Bitte.


15.27.00

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch auf der Galerie und vor den TV-Schirmen! Im Gegensatz zu Kollegen Taschner bleibt meine Skepsis. Sie wissen auch alle, ich werde hier jetzt keine Lobrede darauf halten, das gelingt mir beim besten Willen nicht. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Was ich aber konstatiere, ist, dass es schon eine Namensdebatte gibt, und Namensde­batten gibt es immer dann, wenn man eigentlich sozusagen völlig unsicher ist, wie das Ganze ist. Auch da muss ich dem Kollegen Taschner widersprechen: Nach einem Ma­thematiker werden wir es sicher nicht nennen. Das muss ein Künstler, eine Künstlerin sein. (Heiterkeit des Abg. Taschner.) Es ist die Ars Electronica dort (Zwischenruf des Abg. Deimek), die digitale Kunst in der Stadt Linz hat wirklich weltweite Ausstrahlung. (Abg. Taschner: Taussky hat Gedichte geschrieben!) So ist es auch drinnen. Das ist das Bedeutende in diesem Zusammenhang. Also wie gesagt, meine Skepsis bleibt. (Abg. Deimek: Der Herr Minister ist vom Dinghofer schon ganz begeistert! – Abg. Leicht­fried: Nach einem Fußballer! Arnautovic-Universität!)

Ich will auch nicht sagen, wie das ausschauen könnte. Das ist, glaube ich, genau die Aufgabe des Gründungskonvents, und da bin ich guter Dinge. In diesen werden wir Per­sonen entsenden, die sowohl von Universität als auch von Kunst etwas verstehen, die von Digitalisierung etwas verstehen und die auch die Perspektive haben, wie so eine Universität, so ein Institute, wie immer wir es dann nennen, sein kann. Da geht es um diese Situation mit der JKU, mit den beiden Kunstuniversitäten – an der Bruckner Privat­universität gibt es ja auch das Digitale in Form der Musik, ganz zu schweigen von der Kunstuniversität in Linz –, es gibt die Ars Electronica. Wir haben da also einen Verbund.

Ein Punkt, den ich schon gerne ansprechen will: Ja, der Ausgangspunkt war Fachkräf­temangel. Kollegin Künsberg Sarre hat das ja eh gesagt: Nur weil man in Oberösterreich studiert, bleibt man nicht dort. Die Debatte hatten wir ja schon bei der Medizinfakultät, die damals auch noch als eigene Uni geplant war. Vor jeder Landtagswahl in Oberös­terreich gibt es eine neue Uni. Jetzt sind wir dann bald am Ende, also viele Möglichkeiten gibt es nicht mehr. (Heiterkeit des Abg. Scherak.) Bei der nächsten kann man vielleicht eher eine im Burgenland oder in Vorarlberg machen, die haben noch keine. Das wäre dort also irgendwie passender als diese Kumulation in Oberösterreich. Sei’s drum. Der Punkt ist aber, dass man sich das wirklich aus der Perspektive anschaut: Was kann es dort für Absolventinnen und Absolventen geben? – Die IV Oberösterreich hat ja schon in ganzseitigen Inseraten gejubelt, dass nun durch diese Universität der Fachkräfteman­gel behoben werden wird oder sein soll.

Ich kann Ihnen nur ausrichten: Das wird sicher nicht der Fall sein. Dort werden keine Fachkräfte im klassischen Sinn ausgebildet, dazu gibt es Fachhochschulen. Übrigens haben die Studierenden an den Fachhochschulen den gleichen Status wie jene am Institute of Digital Sciences Austria, also privat  ja , aber sie sind in der ÖH. Fachkräfte, wie sich das die IV Oberösterreich vorstellt, werden dort aber nicht ausgebildet.

Wenn man ein Doktorratsstipendium hat  und das ist einer der wenigen Punkte, bei denen ich Kollegen Taschner zustimme, dass man dort nur ein PhD-Studium haben


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soll : Das sind nicht die Personen, die bei Ihnen in der Industrie arbeiten werden. Genau dazu ist das Instrument der Fachhochschule erfunden worden, und die machen das – insbesondere in Hagenberg, das sollte man da vielleicht dazunehmen – äußerst qualifi­ziert und gut. (Zwischenruf des Abg. Scherak. – Abg. Meinl-Reisinger: Sehr, sehr gut!)

Sie hören also meine Kritik. Dennoch werden wir natürlich zustimmen. Das ist auch dem Koalitionsfrieden geschuldet, denn wir werden sicher nicht wegen einer Universität die Koalition in Frage stellen. Ich bleibe aber bei meiner Skepsis und hoffe, dass wir trotz­dem das Beste daraus machen.

Übrigens, zur 15a-Vereinbarung, Frau Kollegin Holzleitner: Wenn Sie Ihre Landesaus­sendungen aus Oberösterreich lesen würden, würden Sie wissen, dass sie bereits be­schlossen wurde – es ist noch nicht im Gesetz. (Zwischenrufe der Abgeordneten Stöger und Kuntzl.)

Meine Skepsis bleibt, aber vielleicht werde ich – das hoffe ich sehr – eines Besseren belehrt, und wir werden ein Institute of Digital Sciences Austria haben (Zwischenruf des Abg. Stöger), das weltweite Anerkennung findet (Zwischenruf des Abg. Leichtfriedund nach einer Künstlerin benannt ist. (Heiterkeit des Abg. Taschner.)

Im Übrigen bin ich selbstverständlich immer noch dafür, dass die Windisch-Kaserne nach Richard Wadani benannt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Aber, Namensdiskussion ...! – Ruf bei der FPÖ: Ich habe gar nicht gewusst, dass die Grünen so militant sind!)

15.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Rausch. – Bitte.


15.32.03

Abgeordnete Mag. Bettina Rausch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Zuseherin­nen und Zuseher! Wer in der Welt von morgen dabei sein will, der muss Digitalisierung verstehen, und wer in der Welt von morgen tatsächlich auch mitspielen will, der setzt auf Digitalisierung. Und wer auf Digitalisierung setzt, muss auf Bildung setzen, weil es darum geht, die Phänomene zu verstehen, die Chancen zu verstehen, sie zu nutzen, ja, auch neue Lösungen zu entwickeln, innovative Firmen zu gründen, geeignete Mitarbeiterin­nen und Mitarbeiter zu finden, die alle miteinander dazu beitragen. Letztlich geht es in weiterer Konsequenz auch darum, Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern, zu erhalten, auch für die Welt von morgen und für die Menschen von morgen.

Ich bin in diesem Zusammenhang echt überrascht, wie vehement man gegen die Grün­dung einer neuen wissenschaftlichen Einrichtung wie dieser sein kann, vor allem wenn es um Wissenschaft zu einem Thema geht, das für unser aller Zukunft persönlich wie für die Gesellschaft so entscheidend sein wird. Ich denke, Themen wissenschaftlich zu be­arbeiten, zu analysieren, zu reflektieren, war ja schon immer Fortschrittsmotor für Ge­sellschaften, für die ganze Welt. Seit sich die wissenschaftliche Methode im 17. Jahrhun­dert durchgesetzt hat, hat die Menschheit ja eine ganz rasante Entwicklung erlebt, in Technik, Mobilität, Medizin – eigentlich in allen Lebensbereichen. Diese Entwicklung hat uns ein besseres, ein längeres, ein gesünderes und ein lebenswerteres Leben gebracht, und die neuen Chancen für so ein Leben in Zukunft liegen eben in der Digitalisierung.

Wie gesagt, den Widerstand verstehe ich nicht. Ich möchte darauf auch noch eingehen: Wenn vonseiten der SPÖ, von den Kolleginnen Kuntzl und Holzleitner, kommt, dass es an einer Bedarfsanalyse fehlen würde, dann kann ich nur sagen: Wer in Zeiten wie die­sen eine Bedarfsanalyse braucht, um zu erkennen, dass das das Zukunftsthema unserer Zeit ist, dass wir da Chancen haben, als Österreich auch weiter in der Welt zu bestehen, der vergeudet damit sehr, sehr viel Zeit (Abg. Taschner: ... hat einen anderen Bedarf!),


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die wir eigentlich nicht haben und die wir nutzen können, um tatsächlich in die Gänge zu kommen! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Frage nach dem Geld aus der Ministerreserve kommt auch immer wieder. Ich denke, es würde Parlamentarierinnen und Parlamentariern gut anstehen, da bei der Wahrheit zu bleiben und nicht weiter zu verunsichern. Es ist tatsächlich so – ich habe mich noch einmal vergewissert, obwohl ich es nicht müsste –, dass für die Gründungs­phase dieses Institutes zusätzliche Budgetmittel in die Ministerreserve gebucht worden sind, um eben diese eineinhalb, zwei Jahre zu überbrücken und sie auch aus dieser Ministerreserve verwenden zu dürfen. Auch wenn Sie es immer und immer wieder sa­gen: Es wird nicht richtiger. Das ist Ihr Spin, den Sie der Geschichte geben wollen – leider geht er da und dort rein und verunsichert und schadet dem Projekt.

An die NEOS gerichtet: Ich verstehe schon, man kann das Wie vor das Was stellen, das ist natürlich up to you, möchte ich sagen. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber das Was beant­worten Sie ja gar nicht!) Ich finde es auch schade, dass Sie sich da nicht konstruktiver an der Sache beteiligen. (Abg. Meinl-Reisinger: Wenn Sie das Was beantworten wür­den, ...!) Es ist da viel Parteipolitik im Spiel. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja eben! Von euch!)

Uns wird vorgeworfen, dass wir parteipolitische Motive hätten, aber ich spüre hier gerade vonseiten der SPÖ tatsächlich auch viel Parteipolitik, aber das haben wir gestern ja auch schon bei dem Nein zu den Entlastungen für die Menschen gesehen (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Meinl-Reisinger), wo Sie auch nicht eines Sinnes mit dem sind, was Sie draußen auf der Straße sagen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Skepsis ist gut. Kollegin Blimlinger hat gesagt, es gebe Skepsis. Ich verstehe ja auch die Skepsis, die da und dort von den NEOS kommt, weil Fragen offen sind. Skepsis ist ja auch ein Grundprinzip der Wissenschaft, um damit auch zu sagen, dass es offene Fra­gen gibt, die wir beantworten wollen.

Diesen Weg werden wir gehen, indem wir heute diesem Antrag zustimmen, indem es einen Gründungskonvent gibt, den wir gut besetzen werden, den wir begleiten wollen, bei dem vielfältige Experten dabei sind. All das machen wir vielleicht mit gesunder Skep­sis, aber mit viel Zuversicht und Zutrauen, dass sich die Fragen lösen werden, und ohne Zeit für so ein wichtiges Thema zu verlieren. (Beifall bei der ÖVP.)

15.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.


15.36.01

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Na ja, ich könnte jetzt auf alle möglichen Reden ein­gehen. Ich verstehe es aber schon, dass die ÖVP eine Skepsis hat, ministerielle Studien oder Bedarfsanalysen in Auftrag zu geben. Da haben Sie in der letzten Zeit keine guten Erfahrungen gemacht, aber das kann nicht der Grund sein, dass man da jetzt vollkom­men ohne auskommt.

Vielleicht sagen wir es einmal so: Selbst wenn man bei diesem gesamten Thema der Gutwilligste ist, muss man sagen, die Regierungsparteien und auch das Wissenschafts­ministerium haben einem das wirklich schwer gemacht, zuzustimmen. Der Prozess war nicht optimal aufgesetzt. Ich glaube auch, dass man mit einer besseren Prozessgestal­tung viel Gegenwind hätte entkräften können. Man hat auch das Parlament nicht wirklich einbezogen. Wenn wir nicht permanent in den letzten Jahren im Wissenschaftsaus­schuss in der allgemeinen Aussprache – man darf ja nicht vergessen, wir haben ja auch einen Ministerwechsel und Ähnliches mehr gehabt – das Thema überhaupt ins Parla­ment gebracht hätten, dann wäre es nicht da gewesen.


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Es ist erstmalig, dass eine so große Institution – und ich gehe einmal davon aus, dass es eine große oder großartige werden soll – ohne eine parlamentarische Enquete im Wissenschaftsbereich hier im Hohen Haus letztlich abgewunken wird. (Abg. Taschner: Das ist gut!) Sie haben es uns also wirklich schwer gemacht.

Man kann aber auch das eine oder andere Mal Vorschusslorbeeren verteilen, damit die ÖVP vielleicht – der eine oder andere – sagt, wir sind jetzt besonders teamfähig gewor­den und Ähnliches mehr. Schwer haben Sie es uns gemacht, aber wir vertrauen letztlich auf die handelnden Personen, auch aus Oberösterreich, dass man da etwas weiterma­chen kann.

Ich meine, der Trend, mehr Universitäten zu kreieren, ist ja bei Frau Kollegin Blimlinger gestartet worden, die dem ja immer das Wort redet – am liebsten zwei Kunstuniversi­täten an jedem Hochschulstandort, die in etwa das Gleiche machen; das haben wir in Wien. Da könnte man einiges tun. Demzufolge ist es nur richtig, dass man jetzt auch eine technische Universität neu macht. So hat man zumindest begonnen (Ruf bei der ÖVP: Na, geh bitte!), man wollte eine TU  jetzt hat man eine Universität mit einem un­aussprechlichen Namen. Ich verstehe überhaupt nicht, warum wir nicht einmal mehr ei­nen deutschen Namen dafür haben oder zumindest doppelt oder irgendwie, warum wir das alles in dieser Art und Weise machen müssen. (Ruf bei der ÖVP: Russisch! – Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried.)

Alle Experten sind hinter vorgehaltener Hand letztlich nicht wirklich amused oder positiv gestimmt. Ich glaube, man hätte den Prozess wesentlich besser aufstellen können. Wie gesagt, wir vertrauen aber am Ende diesem Thema, dass es gut ist, Institutionen zu schaffen. Ich hoffe, dass jetzt auch die Inhalte kommen. Ob das unbedingt die Digita­lisierung sein muss – alleine, ausschließlich – oder in welcher Form, weiß ich auch nicht. Es wird natürlich auch für die Wirtschaft das eine oder andere abfallen, zumindest Studienabbrecher wird es ja geben und Ähnliches mehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort jeder bis zur Universität kommt. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit wäre aus!) – Wir haben genug Redezeit, Herr Kollege, das ist eine freiwillige Beschränkung und die kann man auch überziehen, aber das wissen Sie, oder? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Am Ende sagen wir Ja, aber wir werden das parlamentarisch hier wirklich genau beglei­ten und immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Wir hoffen, dass es ein entspre­chendes Berichtswesen gibt.

Am Ende sage ich: Ich bin positiver gestimmt, weil das ab nun die einzige tertiäre Bil­dungseinrichtung ist, an der die Covid-Maßnahmenverordnungen nicht gelten. (Heiter­keit des Abg. Taschner.) Also ich kann in Zukunft ruhigen Gewissens zu allen sagen: Wenn ihr studieren wollt, es aber Covid-Regelungen gibt, die verhindern, dass ihr auf eine Universität geht, dann geht halt auf die technische Universität oder Digitaluniversität nach Linz, denn dort gibt es diese Bestimmungen nicht. – Wahrscheinlich hat man sie vergessen; ich hoffe, man holt das nicht nach. – Das ist zumindest ein Freiraum, der geschaffen wird, und jetzt könnte ich natürlich sagen: Das ist einer der Hauptgründe, warum wir zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fürlinger. – Bitte.


15.40.49

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Höchste Zeit, dass in diese Debatte ein bisschen lokale Expertise einfließt! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Zu guter Letzt darf ich Ihnen doch als Linzer noch erklären, warum heute ein guter Tag ist, warum ein guter Tag für die Wissenschaft, ein guter Tag für Moder­nisierung und Digitalisierung und natürlich auch ein guter Tag für meine Heimatstadt ist:


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weil wir eine Universität gründen, weil wir eine Bildungsinstitution gründen, die ein biss­chen, wie man auf Neuhochdeutsch sagt, out of the box gedacht ist, die ein bisschen abseits der universitären Mainstreams abläuft und die ein ganz überzeugendes Grün­dungspapier hat. Wenn man dieses nämlich liest, weiß man, dass wir uns nicht auf reine IT-Spezialisten beziehen, wir sprechen auch Menschen an, die noch nicht Technik stu­diert haben. Wir wollen die führenden Ingenieure, wir wollen die Digital Creators haben, Gruppen, die nicht von vornherein Technik studiert haben, aber das Digitale dann dafür verwenden können, um Unternehmen nach vorne zu bringen, Unternehmen zu führen.

Natürlich, meine Damen und Herren, ist Technik drinnen, es ist auch KI drinnen, aber das Gründungspapier hat die Dinge hervorgehoben, die neu sind, die besonders sind. Wir brauchen nicht nur Grundlagenforschung, sondern wir brauchen auch anwendbare Forschung. Wir müssen Forschung und Lehre in die Praxis transformieren, und da, mei­ne Damen und Herren, ist natürlich Oberösterreich ein Vorzeigebundesland, wie schon mancher Vorredner gesagt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen versuchen, über diese Institution tatsächlich die Besten für Forschung und Lehre zu holen, und die Besten sollen angelockt werden, damit wir nicht als Europa, als Österreich permanent nur darüber jammern, dass andere bei Digitalem und Daten bes­ser sind, dass riesige Datenmengen jenseits des Atlantiks gesammelt werden und nicht bei uns. Vielmehr müssen wir dort die Kontrapunkte setzen und versuchen, als Öster­reich und als Europa rasch aufzuholen, wenn wir wollen, dass wir im globalen Wettbe­werb irgendein Wörtchen mitreden können. Es wird nicht genügen, meine Damen und Herren, Behörden in Österreich in irgendwelchen Pandemien oder sonst digitales Versa­gen vorzuwerfen und gleichzeitig hier heraußen zu stehen und zu sagen: Wir brauchen keine digitale Forschungsstätte! – Ich glaube, dass das falsch ist, und all jenen, die Kritik daran üben und Skepsis anmelden, will ich den Kleingeist ein bisschen ausreden.

Frau Kollegin Künsberg Sarre, Ihre diesbezügliche Kritik an Oberösterreich geht ja an­gesichts dessen, was die oberösterreichische Industrie, die oberösterreichische Politik, die Wirtschaft in Sachen digitaler Vorreiter, in Sachen Klimavorreiter leisten, einigerma­ßen ins Leere. Da sind dieses Bundesland und seine Industrieunternehmen eins a unter­wegs, und insofern perlt Ihre Kritik ganz leicht an mir ab, oder, um einen Tiroler zu zi­tieren: „Ach, wie schießt ihr schlecht!“ (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, von Sokrates soll der Spruch stammen: „Wer die Welt bewe­gen will, sollte erst sich selbst bewegen.“ (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Ich glaube, das müssen wir alle gemeinsam tun, und dann können wir auch gemeinsam diesen Beschluss heute feiern, denn es ist ein guter Tag und ein guter Beschluss für die Moder­nisierung und Digitalisierung unseres Landes. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Sche­rak.) Es ist ein guter Tag für die Wissenschaft und die Digitalisierung der Wissenschaft, und es ist auch ein guter Tag für meine Heimatstadt Linz und für das wunderschöne Bundesland Oberösterreich. (Beifall bei der ÖVP.)

15.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Sie ist nicht da, daher ist das auch nicht der Fall.

Ich darf die Abstimmung wie vereinbart an das Ende der Verhandlungen über die Vorla­gen des Wissenschaftsausschusses legen.

15.45.0320. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2552/A der Abgeordne­ten Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz,


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mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Stu­dien (Universitätsgesetz 2002) geändert wird (1612 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 20.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kuntzl. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort.


15.45.23

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem SPÖ-Antrag ginge es nun darum, einen kleinen Schritt zu setzen, der aber berufstätigen Studierenden sehr helfen würde. Ich sage, es ginge eigentlich darum, weil leider die Regierungsparteien aus mir völlig unverständli­chen Gründen diesen Antrag ablehnen werden. (Abg. Leichtfried: Unglaublich!)

Es geht darum, dass wir die Möglichkeit haben, im Universitätsgesetz für bestimmte Per­sonengruppen, die aufgrund ihrer Lebenssituation einfach logischerweise länger für das Studium brauchen, Ausnahmebestimmungen zu machen, was die Studiengebühren betrifft. Das sind zum Beispiel Studierende mit Kindern, das sind Studierende, die eine Krankheit hinter sich haben, und das sind eigentlich Studierende, die berufstätig sind. Es ist völlig plausibel, dass jemand, der neben dem Studium arbeiten muss, länger für sein Studium brauchen wird, dass er aber jemand ist, der sich wirklich bemüht, der viel Arbeit auf sich nimmt, der viel Einsatz leistet. Deswegen könnten wir dieser Personen­gruppe wirklich unter die Arme greifen, und sie würde es auch dringend brauchen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Diese Möglichkeit hat es bis vor wenigen Jahren gegeben. Der Verfassungsgerichtshof hat aus formalen Gründen eine Reparatur verlangt. Unser Antrag würde diese Reparatur bewerkstelligen. Wir könnten das ganz leicht reparieren, um den berufstätigen Studie­renden, die natürlich auch von der Teuerung sehr stark betroffen sind, wieder zu helfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen, dass ein überwiegender Anteil der Studie­renden heutzutage arbeiten muss, um sich das Studium finanzieren zu können. Also ehrlich gestanden, ich verstehe diese Kaltherzigkeit überhaupt nicht. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag zu! (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


15.47.44

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Kollegin Kuntzl hat ja soeben gesagt, warum die SPÖ diesen Antrag wiederum eingebracht hat. Der Verfassungsgerichtshof hat eben den Gleich­heitsgrundsatz verletzt gesehen und die Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

Nun, man kann immer reparieren. Wir von den Regierungsparteien haben uns allerdings ganz bewusst gegen eine Reparatur dieses Gesetzes ausgesprochen, und ich erkläre Ihnen auch gerne, warum. Erstens einmal: Jeder, der sich bewusst entscheidet, neben dem Beruf auch noch weiterzustudieren, zahlt ja sowieso während der Mindeststudien­zeit und des Toleranzsemesters auch keine Studiengebühren. Darüber hinaus: Wenn es dann wirklich länger dauert, ist natürlich einerseits ein entsprechendes Einkommen vor­handen; auf der anderen Seite aber, und das erachte ich als ganz zielführend – wenn man die Begründung des Antrags liest, sieht man, wie kompliziert dann die Ermittlung ist, ob einer etwas verdient und wie viel er verdient –, kommt es letztendlich dann doch darauf an, dass man sehr zielgerichtet gute Lösungen für den einzelnen betroffenen


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Studierenden schafft, für den Fall, dass er es sich wirklich nicht leisten kann. Dazu haben ja die einzelnen Universitäten unter Einbindung der Universitätenkonferenz Lösungen direkt vor Ort geschaffen, um zum Beispiel mit Studienabschlussstipendien den erwerbs­tätigen Studierenden auch entsprechend zu helfen, und das insbesondere auch – entge­gen dem Antrag und den Notwendigkeiten, die man in der Vergangenheit gehabt hat – in Bezug auf die Antragslegitimierung, aber auch alle Nachweise, die zu erbringen sind, wie: Wie viel Geld verdient man denn gerade? Überschreitet man gerade ein Grenze, ja oder nein?

Minimale Bürokratie und zielgerechte Unterstützung, das ist unser Ziel. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir haben bereits etwas umgesetzt – von wegen wir schauen nicht genau hin, wo Notwendigkeiten bestehen –: Ab 2023 werden mit der Novelle, die wir bereits beschlossen haben, die ab dem Wintersemester in Kraft ist, zusätzlich weitere 60 Millionen Euro für StudienbeihilfenempfängerInnen ausgegeben und zur Verfügung gestellt. Und um die aktuelle Teuerung, die Sie, Frau Kollegin, auch angesprochen ha­ben, abzufedern, werden wir zielgerichtet jetzt im Sommer 300 Euro für diese Gruppe der StudienbeihilfenbezieherInnen überweisen, und zwar direkt auf das Konto, um die Teuerungen abzufedern. Was wir noch gemacht haben, ist: Als nachhaltige Maßnahme wird zukünftig die Studienbeihilfe automatisch valorisiert.

Ich glaube, das sind Maßnahmen der Art, wie wir gegen die Teuerung kämpfen sollten: zielgerichtet an die Studierenden, und so, wie sie es brauchen.

Wir sagen aber trotzdem: Einen kleinen Beitrag kann jemand, der Geld verdient, auch leisten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

15.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Blimlin­ger. – Bitte.


15.50.48

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin hat das schon sehr gut zusammengefasst. Worauf wir, glaube ich, besonders stolz sein können, ist die Valorisierung ab 1. Jänner 2023. Das ist eine langjährige Forderung der Österrei­chischen Hochschüler_innenschaft, die jetzt umgesetzt wird. Wir wissen, dass das natür­lich mit der Teuerung zusammenhängt, aber es ist wunderbar, dass wir das machen wer­den, und das kommt den Studierenden, denke ich, auch zugute.

Vielleicht noch ein Wort ganz grundsätzlich zum Antrag: Der Punkt ist ja, wie überhaupt in Österreich Studieren finanziert wird. Wir haben uns im Regierungsprogramm darauf geeinigt, dass wir das System so beibehalten, das heißt, ab einer bestimmten Studien­dauer, wenn diese überzogen ist, Studienbeiträge einzuheben. Das können die Universi­täten einnehmen, sie können diesen Betrag aber natürlich, Stichwort Autonomie, auch wieder an die Studierenden zurückzahlen; also es liegt auch ein bisschen an den Univer­sitäten, wie sie damit umgehen.

Dazu muss ich auch sagen, dass die Universitäten großteils AbsolventInnenprogramme und Stipendien geschaffen haben, eben auch speziell für den Studienabschluss. Wir kennen die Verlaufskurven bei den Drop-out-Raten: Da ist die eine Höhe sozusagen am Beginn, nach zwei, drei Semestern, und die andere am Ende, das heißt, dass man das Studium nicht abschließt; und an den meisten österreichischen Universitäten – ich kann das jetzt nur für die Universitäten sagen – gibt es Studienabschlussstipendien, die sich wirklich sehr bewährt haben. Da ist es egal, ob Bachelor oder Master, das gibt es an einigen Universitäten sogar für das PhD- oder Doktoratsstudium. Und genau darum geht


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es: dass man möglichst schaut, dass Studierende ihr Studium auch abschließen, und nicht, dass sie es nicht mehr schaffen, ihre Bachelor- oder Masterarbeiten oder gar ihre Dissertation zu schreiben, weil sie berufstätig sein müssen.

Die Vorrednerin hat es schon gesagt: 300 Euro für die BeihilfenbezieherInnen jetzt, und es werden insgesamt, über die nächsten Jahre verteilt, 80 Millionen Euro an Stipendien ausbezahlt; und an jene, die dann in Linz am Digital Institute studieren, damit sie über­haupt nach Linz kommen, 500 Euro – das ist dann keine soziale Frage.

In diesem Sinne bin ich natürlich selbstverständlich dafür, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt wird. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich darf die Abstimmung wieder an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Wissenschaftsausschusses legen.

15.53.5821. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2550/A(E) der Abgeord­neten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiederein­führung der Studierendenwohnheimförderung“ (1613 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 21.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits, bei ihr steht das Wort. – Bitte sehr.


15.54.23

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Kosten für Lebensmittel, für Strom, für das Heizen und die Miete explodieren, und das, dass die Mietkosten und vieles andere explodieren, betrifft natürlich auch Studierende, die sowieso schon nicht wissen, wie sie monatlich über die Runden kommen sollen.

Sie, werte ÖVP und werte Grüne, sind klar gegen Preisdeckel. Sie sind auch gegen Preisregulierungen, und bei den Mieterhöhungen, die es im Frühling gab, haben Sie auch keinen Deckel eingezogen. Jetzt aber kommt es, offen gesprochen: Sie tun nichts gegen die stetigen Preisexplosionen, Sie tun aber auch nichts, um bezahlbare Studieren­denwohnheime auf die Beine zu stellen und zu fördern. Und beides geht sich, werte Kollegen und Kolleginnen, für Studierende ganz einfach nicht mehr aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Argumentation, dass der Wohnbau Ländersache sei, ist richtig, aber es gibt neben dem sozialen Aspekt und dem Aspekt der Gerechtigkeit drei Gründe, die die Wiederein­führung der Studierendenwohnheimförderung ganz klar rechtfertigen würden.

Erstens: Wir haben ein Bundesgesetz, nämlich das Studentenheimgesetz, das in etli­chen Paragrafen auf die Investitionsförderung des Bundes verweist. Wie genau, werte Kollegen und Kolleginnen der Grünen und der ÖVP, würden Sie denn diese Passagen interpretieren? Als GesetzgeberInnen sind wir damals genau davon ausgegangen, dass die Heimförderung wieder eingeführt wird.

Zweitens: Der Bund kann trotz der Wohnbauförderungskompetenz der Länder ganz klar eingreifen – wenn er nur wollte. Es gibt Beispiele, nämlich analog zum aktuell laufenden


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Sanierungsscheck, der im Klimaministerium angesiedelt ist. Das wäre auch für Studie­rendenwohnheime machbar, wenn man wollte. Es scheitert aber anscheinend nicht an der Machbarkeit.

Drittens: Im Bundes-Verfassungsgesetz Art. 10 Abs. 1 Z 12a ist Folgendes zu lesen: „Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten: Universitäts- und Hochschulwesen sowie das Erziehungswesen betreffend Studenten­heime“. – Wie, geschätzte Kollegen und Kolleginnen der Grünen und der ÖVP, interpre­tieren Sie das? Ich frage mich wirklich! (Beifall bei der SPÖ.)

Also welche Argumente brauchen wir noch, um wieder Studierendenwohnheime auf die Beine zu stellen? Sagen Sie es ganz einfach geradeheraus: Sie wollen nicht, dass es bezahlbare Studierendenwohnheime gibt, Sie wollen, dass der freie Markt das alles regelt und dass sich Studierende weiterhin abstrudeln! Aber bitte: Sagen Sie es einfach geradeheraus! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als Sozialdemokratie werden nicht lockerlassen und auch weiterhin ganz klar für bezahlbare Studierendenwohnheime eintreten und vor allem für die Wiedereinführung der Studierendenwohnheimförderung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kaufmann. – Bitte.


15.57.26

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Frau Kollegin Kucharowits, ich kann das Anliegen allzu gut ver­stehen, dass Sie sich so stark für die Studierendenwohnheime einsetzen. Sie haben wahrscheinlich, wie auch ich, während Ihrer Studienzeit eine hervorragende Zeit in ei­nem hervorragenden Studentenwohnheim in Österreich verbracht. (Abg. Kucharowits: Nein ...!)

Ich kann auch sagen: Ich kenne Gott sei Dank einige Studierendenwohnheime in Öster­reich, weil viele meiner Freundinnen und Freunde dort arbeiten (Zwischenruf der Abg. Kucharowits), auch weil ich in meiner Studierendenzeit viel unterwegs war. Ich glaube, da können wir froh sein, dass wir unseren Studierenden auch im Bereich des Wohnens an den Studienstandorten ein gutes Angebot machen können.

Wir haben vor zehn Jahren – da waren Sie noch nicht hier im Haus, ich auch noch nicht – gemeinsam als ÖVP und SPÖ die Finanzierung von Bundesseite her aufgelöst. Wa­rum? – Weil wir damals gesagt haben, dass das ganz klar Länderkompetenz ist. (Zwi­schenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Und mit der Wohnbauförderung funktioniert es in den Bundesländern auch sehr, sehr gut, den Studierenden wirklich einen niedrigprei­sigen Wohnplatz am Studienstandort zur Verfügung zu stellen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Als Steirerin kann ich sagen, das funktioniert sehr, sehr gut, denn unser Landesrat Hans Seitinger hat da gemeinsam mit den unterschiedlichsten Studierendenwohnheimträgern viele dieser Plätze angeboten. Da ist in den letzten Jahren verdammt viel gelungen, so­dass man leistbaren Wohnraum für Studierende zur Verfügung stellen kann. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Und den Vorwurf, Frau Kollegin, dass wir nichts tun, den kann ich so nicht stehenlassen, denn wir haben vor nicht allzu langer Zeit hier herinnen gemeinsam die Erhöhung der Studienförderung für die, die es wirklich brauchen und die diese Unterstützung in An­spruch nehmen müssen, beschlossen – soweit ich mich erinnern kann, hat die SPÖ da


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auch mitgestimmt –, und da ist natürlich auch das Wohnen mit abgedeckt. Also tun wir nicht so, als gäbe es in diesem Bereich nichts. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Man kann natürlich sagen, es wäre eine andere Finanzierung oder noch mehr sinnvoll, Faktum ist aber, dass wir uns damals, vor zehn Jahren, auf den Weg gemacht und gesagt haben, wir als Bund wollen die Studierenden als Personen unterstützen und nicht die Wohnbauträger. Ich glaube, das ist durchaus legitim, dass man diesen Weg geht oder gegangen ist. Das heißt aber nicht, sollten wir aus irgendeinem Grund explizit wie­der zum Beispiel mehr Plätze brauchen et cetera, dass man dort nicht wieder hinschauen muss. Zum jetzigen Zeitpunkt aber, Frau Kollegin, ist dieser Weg, den wir damals ge­meinsam, ÖVP und SPÖ, eingeschlagen haben, der richtige.

Da heute auch in meinem Heimatbundesland Schulschluss ist  für die Studierenden ja teilweise schon ein bisschen länger , möchte ich allen, die im Bildungsbereich aktiv sind, die ein intensives Jahr hinter sich haben, schöne Ferien und im Herbst einen guten Start – für den einen oder anderen vielleicht auch im neuen Studentenwohnheim am neuen Studienstandort – wünschen. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

16.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann verlege ich die Abstimmung wieder an das Ende der Verhandlungen über die Vor­lagen des Wissenschaftsausschusses.

16.01.0322. Punkt

Bericht des Wissenschaftsausschusses über den Antrag 2643/A(E) der Abgeord­neten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwick­lung der Universitätsfinanzierung zu einer „echten“ Studienplatzfinanzierung und Ausbau des kompetitiven Anteils (1614 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.


16.01.33

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es tut mir leid, ich muss zur Kenntnis nehmen, dass man nicht einmal das, was man schon einmal vereinbart und im Gesetz letztlich auch festgeschrieben hat, in diesem Bereich weiterzuentwickeln ver­sucht.

Es ist tatsächlich so: Obwohl vonseiten der ÖVP immer gesagt wird, man solle keine Parteipolitik im Bereich Wissenschaft machen, machen Sie sehr viel Parteipolitik, spe­ziell wenn Sie das mit den Grünen gemeinsam machen.

Was beinhaltet dieser Antrag von uns? – Eigentlich eine Weiterentwicklung, so wie es vorgesehen war, nach der Operationalisierung der Studienplatzfinanzierung, wobei wir alle wussten – alle hier im Hohen Haus und im Ministerium –, dass das der erste Schritt zur Einführung dieser einen Finanzierungssäule ist und man dann in weiteren Phasen, nach Eingewöhnung, Evaluierung et cetera, im Rahmen von zwei weiteren Leistungsver­einbarungen bis zur dritten Leistungsvereinbarung, die jetzt demnächst endverhandelt werden soll, zu einer echten Studienplatzfinanzierung kommen sollte. Dazu bedarf es


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natürlich einer gesetzlichen Grundlage, die man schaffen muss. Damit muss man irgend­wann einmal beginnen, und da ist nichts in Sicht. Das wird auf die lange Bank ge­schoben.

Man ist offensichtlich zufrieden mit dem Status quo, dass man sagt, es wird so viel oben hineingeschüttet, dass wir gar nicht mehr daran denken, dass es vielleicht auch qualitativ einmal mehr in der Finanzierung geben muss. Das heißt, man wird bequem. Das kann einen ganz schnell wieder einholen, das weiß man, speziell auch in diesen Bereichen, weil das Vorlaufzeiten hat. Wir glauben schon, dass wir die Studienplatzfinanzierung zu einer echten Studienplatzfinanzierung weiterentwickeln sollten, und haben daher diesbe­züglich diese Initiative ergriffen und darauf hingewiesen, dass man da dringend wieder tätig werden muss.

Der zweite Teil, auch betreffend Finanzierung der Universitäten, ist, zu einer Verbesse­rung im kompetitiven Bereich, also im Bereich der Fördervergaben, im Wettbewerbsbe­reich und was das Einwerben von Mitteln betrifft, zu einem besseren System zu kom­men, da aber nicht etwas vorzugeben, sondern am Ende Anreize zu schaffen. Auch das wurde schon x-mal besprochen, aber die Anreize dazu fehlen.

Wir denken, dass sehr, sehr viel Geld im tertiären System ausgegeben wird, wir aber – das zeigen auch sehr viele Untersuchungen – da und dort gar nicht auf Qualität, Leis­tung, Exzellenz schauen oder, wenn sie wo vorhanden ist, es auch relativ schwierig ma­chen, zu zusätzlichen Mitteln zu kommen. Um das zu ändern, braucht es zusätzliches Geld, das kompetitiv vergeben werden soll, und das sollte mit diesem Antrag verwirklicht werden.

Dass diese beiden notwendigen Dinge im tertiären Bildungsbereich oder im Universitäts­bereich von den Regierungsparteien abgelehnt werden, ist enttäuschend. Wir werden aber nicht lockerlassen, dieses Thema weiterzuverfolgen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte.


16.05.10

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzter Herr Kollege Graf! Sie sind ungeduldig, das ist das gute Recht eines Politikers (Abg. Martin Graf: Und der jungen Leute!)  und der jungen Menschen, selbst­verständlich. Andererseits muss man aber sagen, dass die Studienplatzfinanzierung, die wir eingeführt haben mit sehr großem Erfolg eingeführt haben , eine gute ist. Wir ha­ben das wirklich so gemacht, dass wir auf die Leistungen der Studentinnen und Studen­ten und auch auf die Personalsituation immer Rücksicht genommen haben. Das hat sich offensichtlich recht gut bewährt.

Wir werden es aber genauer feststellen können, wenn die Leistungsperioden vorbei sind, und dann werden wir das anschauen. Sie haben völlig recht, man muss am Ball bleiben. Sie werden am Ball bleiben, und Sie haben da in mir einen Verbündeten. Auch ich werde versuchen, ungeduldig zu sein, aber die Tugend der Geduld ist bei mir ein wenig ausge­prägter als bei Ihnen. Ich bitte Sie um Geduld und um Verständnis, aber ich glaube, dass wir eigentlich recht zufrieden sein können, wie die Mittel bei den Universitäten derzeit vergeben werden. Es ist ein guter Weg eingeschlagen worden, und ich glaube, wir müs­sen zuerst einmal den Erfolg feiern, und dann werden wir noch weiter gehen. Das Bes­sere ist wie immer der Feind des Guten. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 159

16.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Rednerliste zu diesem Punkt ist erschöpft. Die Debatte ist damit geschlossen.

16.06.33Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 18 bis 22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den Abstimmungen.

Können wir über die Vorlagen des Wissenschaftsausschusses abstimmen? – SPÖ? Grü­ne? NEOS? FPÖ? ÖVP? – Danke.

Wir kommen nach § 53 Abs. 6 Z 2 GOG zuerst zur Abstimmung über den Rückverwei­sungsantrag der Abgeordneten Kuntzl zu TOP 19, den gegenständlichen Gesetzent­wurf an den Wissenschaftsausschuss rückzuverweisen.

Ich darf die Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein dementsprechen­des Zeichen bitten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Entwurf betreffend das 2. COVID-19-Hochschulgesetz samt Titel und Eingang in 1610 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dem in der dritten Lesung zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Tagesordnungspunkt 19: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung des Institute of Digital Sciences Austria samt Titel und Eingang in 1524 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer dem auch in dritter Lesung zustimmt, wird gebeten, die Zustimmung zu signalisie­ren. – Der Entwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Wis­senschaftsausschusses, seinen Bericht 1612 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Wissenschaftsausschusses, seinen Bericht 1613 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte wiederum um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Wissenschaftsausschusses, seinen Bericht 1614 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, der möge ein Zeichen geben. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

16.08.3823. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2574/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstim­mungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrenge­setz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018, das Europa-Wählerevidenzgesetz und das Vermessungsgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2022) (1577 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 23. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 160

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. Bei ihm steht das Wort. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


16.09.02

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bun­desminister! Ja, rechtzeitig vor der Bundespräsidentenwahl bringen wir heute noch eine kleine Wahlrechtsnovelle auf den Weg. Worum geht es dabei? – Es geht einerseits um mehr Transparenz, sodass die Gemeinden und die Sprengel alle ihre Sprengelergebnis­se auch entsprechend im Internet veröffentlichen. Es gibt ein paar administrative Erleich­terungen für die Gemeinden, und darüber hinaus nehmen wir Rücksicht auf ein Erkennt­nis des Verfassungsgerichtshofes, wonach die Festlegung des Geschlechts den einzel­nen Personen freigestellt werden muss.

Was mir dabei wichtig ist oder wofür ich jetzt auch einen besonderen Dank sage, ist, dass wir diese Wahlrechtsnovelle einstimmig verabschieden.

Warum ist mir das wichtig? – Weil es nicht selbstverständlich ist, dass man ein Wahlrecht hat. Demokratie ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, bei dem das Wahlrecht ein Grund­pfeiler ist, und daher schätze ich das sehr, wenn wir da als Parteien alle zusammenkom­men und eine gemeinsame Meinung entwickeln.

Wir werden in Kürze auch noch ein zweites Wahlrechtspaket verhandeln, das noch ent­sprechend wichtige Punkte im Bereich Barrierefreiheit, im Bereich Sicherstellung von Wahlbeisitzern et cetera für die kommende Nationalratswahl bringen wird.

Die Demokratie ist für mich die einzige Staatsform, die den Menschen die nötige Würde zuerkennt und den nötigen Respekt entgegenbringt. Daher ist es angesichts dessen, was wir mit dem Angriffskrieg Putins, der wenige Hundert Kilometer von uns entfernt einen Angriff auf die demokratischen Werte ausübt, gerade erleben, wesentlich, dass wir uns über das Wahlrecht gemeinsam Gedanken machen.

Beatrice Hall, eine britische Schriftstellerin, hat einmal gesagt: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Meine Damen und Herren, die Ukrainer haben diesem Zitat Leben eingehaucht, im wahrsten Sinne des Wortes. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich sage ihnen Danke für ihren Kampfesgeist und ihren Mut, ihr Land zu verteidigen, denn Freiheit ist das wich­tigste Gut im Leben eines Menschen.

Wir alle zahlen heute einen sehr hohen Preis für diese Freiheit. Solange sich Menschen aber im Ernstfall sogar mit ihrem Leben für die Freiheit einsetzen, bin ich zuversichtlich, dass die Demokratie weiterhin die Staatsform Nummer eins in Europa bleibt. Somit danke ich Ihnen für diese einstimmige Verabschiedung der Wahlrechtsreform. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drobits. – Bitte sehr.


16.12.01

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Gerstl hat es erwähnt: Es ist eine Wahlrechtsreform, eine kleine Wahlrechtsreform, die die Zustim­mung aller Parteien im Verfassungsausschuss gefunden hat. Nicht nur die Grünen, son­dern auch wir seitens der Oppositionsparteien haben einheitlich unsere Zustimmung zu diesem Wahlrechtsänderungsgesetz gegeben.

Warum? – Weil es notwendig war, weil es drei wichtige Punkte sind, die vor der Bundes­präsidentenwahl gemeinsam geändert werden mussten. Wenn etwas vernünftig und not­wendig ist, ist es im Sinne einer glaubwürdigen Politik immer richtig, dem auch zuzu­stimmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 161

Deshalb haben wir zu den Punkten, die Kollege Gerstl angeführt hat, Folgendes be­gründet: Erstens, wenn der Verfassungsgerichtshof 2018 ein vernünftiges Erkenntnis abgegeben hat, in dem es um die Diskriminierung von Wahlberechtigten geht, die even­tuell aufgrund dessen, dass das Geschlecht ausschlaggebend dafür ist, nicht an Wahlen teilnehmen dürfen, dann sollte man das ändern, musste es ändern. Es war richtig, Herr Bundesminister, dass man entsprechend der Verfassungsgerichtshofentscheidung die­ses Erkenntnis herangezogen hat und im Endeffekt dann auch die dazu notwendigen Änderungen im Wahlrechtsänderungsgesetz vorgenommen hat. Es ist daher nunmehr gegeben, dass die Begriffe männlich und weiblich nicht mehr drinnen stehen, sondern die Person als solche angeführt ist.

Es war auch richtig, dass die Transparenz wieder hervorkommt, die Transparenz bei der Veröffentlichung von Sprengelergebnissen in Gemeinden und Bezirken möglich ge­macht wird, aktiv möglich gemacht wird, denn die Wählerinnen und Wähler haben das Recht darauf, ein Ergebnis zu erfahren.

Spannend war für mich der dritte Punkt, nämlich dass es 14 Gemeinden gibt, in denen das Wahllokal nicht innerhalb der Wahlgrenze der Gemeinde, sondern in einer anderen Gemeinde vorhanden ist. 14 Gemeinden sind ziemlich viel, das war spannend. Das hat sich über die Jahre gebildet, und nunmehr wurde in diesem Gesetz auch das verändert: dass Einvernehmen herzustellen ist, dass es hinsichtlich Wahllokal, Wahlzeit und Ver­botszonen sehr wohl eine Einigung zwischen den beiden Gemeinden geben soll und die Gemeinde, in der sich das Wahllokal befindet, die Entscheidung darüber dann auch fe­derführend zu treffen hat.

Nun, das sind wichtige Entscheidungen, damit es keine Irritationen gibt, damit es bei der nächsten und den kommenden Wahlen keine Rechtswidrigkeiten geben wird – das war das kleine Wahlrechtspaket. Wir wissen, dass es ein zweites, großes geben wird, mit dem auf Grundlage einer Studie auch die Wahlbeisitzer diskutiert werden. – Kollege Gerstl, wir werden auch da gemeinsam arbeiten, mitarbeiten, und, so wie dieses Mal, wenn wir vernünftige Lösungen finden, ist es durchaus möglich, dass wir auch dieser Wahlrechtsreform zustimmen werden. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stefan. – Bitte.


16.15.11

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir werden diesem Gesetz zustimmen – darin geht es um einige technische Änderungen, die wir für sinnvoll halten. Etwas eigenartig finden wir, dass es künftig in der Wählerevidenz keine Einteilung in Mann und Frau mehr geben wird, was ja natürlich dann auch das passive Wahlrecht betrifft.

Nur zur Einordnung: Es gibt derzeit im Zusammenhang mit dem Impfzertifikat 6 Millionen Eintragungen, und dort kann man ja auch divers angeben. 61 Personen haben sich als divers bezeichnet, das sind also 0,001 Prozent. Wegen dieser 0,001 Prozent wird jetzt das Gesetz geändert und es gibt in der Wählerevidenz keine Männer und Frauen mehr, sondern nur noch Personen.

Wir nehmen das emotionslos zur Kenntnis. Ich wollte nur darauf hinweisen, um welche Minderheit es geht, für die wir das hier machen, und halte am Rande noch fest: Ich frage mich, wie es künftig Quotenregelungen für Männer und Frauen geben wird, wenn es keine Männer und Frauen mehr gibt, die zur Wahl anstehen, sondern nur noch Perso­nen. Gibt es dann intern eine andere Deklarierung, dass man sich parteiintern deklariert und dann aber nur als Person kandidiert? Wie soll das gehen? Es gibt ja auch bereits


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Vorschläge, dass finanzielle Zuwendungen an Fraktionen davon abhängen, ob die Ge­schlechterquoten eingehalten werden.

Ich bin schon sehr gespannt, ich finde das insofern fast ein bisschen amüsant, als wir als Freiheitliche Partei ja nie auf diese Quotenregelungen gesetzt haben. Fast alle an­deren Parteien haben aber doch entweder darauf gesetzt oder waren stolz darauf, dass sie ein Reißverschlusssystem haben. Jetzt gibt es also ein Reißverschlusssystem von Person und Person, oder vielleicht gibt es dann intern männliche Personen und weibliche Personen. (Abg. Matznetter: ... keine Ahnung ...!) Ich bin schon gespannt, wir werden uns das amüsiert anschauen.

Wie gesagt, wegen der an sich technisch sinnvollen Regelungen stimmen wir zu. (Beifall bei der FPÖ.)

16.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich verlege wie vereinbart die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 24 und 25.

16.17.3524. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2508/A der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig be­endet wird (1578 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2124/A der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die XXVII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates vorzeitig beendet wird (1579 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 24 und 25.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Herr Abgeordneter Leichtfried, bei Ih­nen steht das Wort.


16.18.18

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die sich das entweder hier oder von woanders ansehen! Österreich ist zweifelsohne – und da sind wir uns sogar einig – in einer der schwersten Krisen seit Jahrzehnten. Wie begegnet unsere Bundesregierung – unsere Noch-Bundesregierung – dieser Situa­tion? – Sie tut einmal vor allem eines: Sie beobachtet. Seit Monaten beobachtet diese Bundesregierung die Krise, seit Monaten geschieht nichts. (Zwischenruf der Abg. Groß­bauer. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben seit 500 Tagen kein Klimaschutzziel, kein Klimaschutzgesetz. Wir haben kein ordentliches Coronamanagement, wir haben eine Teuerungswelle, die von der Bundes­regierung ausgiebigst beobachtet wird, und sonst passiert überhaupt nichts. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Unglaublich!)

Ich bin mit meiner Meinung da überhaupt nicht alleine, weil die Menschen in diesem Land immer empörter werden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hörl und Steinacker.)


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Ich habe auf Twitter einen sehr passenden Tweet gefunden: Stellen Sie sich vor, wir wären auf der Titanic! Was würde die Bundesregierung am Schluss tun? – Den Unter­gang beobachten (Abg. Michael Hammer: So witzig!), und genau das hat diese Dame hier getwittert (eine Tafel mit einem Bild der Titanic und der Aufschrift „wir beobachten die lage!“ in die Höhe haltend). Das passt meines Erachtens wirklich ausgezeichnet zur Situation. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Das ist auch so ein richtiger Fundi!)

Während die Abgeordneten der ÖVP launige Bemerkungen machen und schon wieder zu grinsen beginnen (Zwischenrufe bei der ÖVP), ist eines Faktum: Die Menschen können sich ihre Lebensmittel nicht mehr leisten, die Menschen können sich ihren Treib­stoff nicht mehr leisten, die Menschen können sich das Heizen nicht leisten, die Men­schen können sich den Strom nicht leisten! Das heißt insgesamt: Die Menschen in Öster­reich können sich diese Bundesregierung nicht mehr leisten! Das ist das Faktum, das wirklich zählt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir haben auf ein echtes Antiteuerungspaket gewartet, auf eines, das wirklich Antiteue­rung schafft. Und was machen Sie? – Sie legen etwas vor, das keinen einzigen Preis senkt, überhaupt nichts nach unten bringt (Abg. Jakob Schwarz: Entlastungspaket!), etwas, das den Benzinpreis nicht senkt, nicht deckelt, obwohl es Ihre Pflicht als Bun­desregierung wäre. Wir haben gesetzliche Regelungen, dass der Wirtschaftsminister verpflichtet wäre, den Benzinpreis zu regulieren. Was aber tut er? – Er beobachtet die Lage. (Abg. Jakob Schwarz: Wir haben die ... aufgefordert, ...!) Ich sage Ihnen: Beob­achten ist zwar nett, aber nicht für eine Bundesregierung. Eine Bundesregierung hat zu handeln, und das tun Sie nicht, weil Sie nicht dazu in der Lage oder nicht willens sind.

Es ist gestern schon debattiert worden, und ich bin mir nicht sicher: Ist es vielleicht wirklich Absicht, dass Sie dafür sorgen, dass die Energiekonzerne jetzt so viel Geld ver­dienen, dass es Dividenden in einem Ausmaß gibt, die noch nie da waren? Ist das Ihre Absicht? Dann geben Sie es wenigstens zu! Die Körperschaftsteuer senken und dafür sorgen, dass die Konzerne verdienen, das können Sie; aber dafür sorgen, dass die Men­schen sich das Leben leisten können, das können Sie nicht, geschätzte Damen und Her­ren! (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Resümee: Das wird nichts mehr mit euch. Das wird wirklich nichts mehr (Zwischen­rufe bei der ÖVP), seht das bitte ein! Die Showpolitik, die ihr aus dem türkisen System gewohnt seid, ist halt nicht krisenfest. Nur Show zu machen und zu beobachten, das ist nicht krisenfest. Nur dafür zu sorgen, dass es den Reichen gut geht, und nicht auf die Menschen zu achten, die sich ihre Dinge nicht mehr leisten können, ist nicht krisenfest. Tun Sie dem Land einen Gefallen, treten Sie beiseite und ermöglichen Sie Neuwahlen! Das ist das einzig Gescheite, das Sie noch tun können! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Schwache Rede! – Abg. Michael Hammer: ... das Taferl runterholen! Sinnloses Taferl!)

16.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


16.22.25

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Wenn ich jetzt nicht zu Wort gemeldet gewesen wäre, hätte ich eine tatsächliche Berichtigung ge­macht. Herr Abgeordneter Leichtfried behauptet, die Bundesregierung beobachtet. Das ist unrichtig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Richtig ist im Gegenteil, dass die Maßnahmen bereits beschlossen wurden und die ersten Gelder auch schon ausbezahlt wurden, Herr Kollege Leichtfried. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was ich Ihnen noch sage, ist: Je öfter Sie hier Unwahrheiten verbreiten, desto weniger werden sie wahr! (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kollross: Frechheit!)


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Max Frisch hat einmal gesagt: „Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ – Was braucht es daher in einer Kri­se? Als Erstes, Herr Kollege Leichtfried, Zusammenhalt; und Sie haben gerade das Ge­genteil bewiesen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Worum geht es gerade hier in Europa und in Österreich? – Es geht um nicht weniger als Freiheit und Frieden, meine Damen und Herren. Parteipolitische Agitation hilft hier über­haupt nichts, Herr Kollege Leichtfried (Beifall bei ÖVP und Grünen), und sie bringt uns auch kein einziges Stück weiter. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Sie machen nur ein Geschäft für Kollegen Putin. (Abg. Matznetter: Er ist Ihr Kollege!) Putin meint, die Wohlstandsgesellschaft des Westens hat keine Widerstandskraft. Er denkt, dass wir schon nachgeben werden, weil wir uns in den vergangenen Jahrzehnten an so viele Dinge gewöhnt haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daher ist es wichtig, dass wir in unsere Resilienz investieren, und das hat Bundeskanzler Nehammer auch heute in der Fragestunde ganz klar dargelegt, nämlich sowohl in der Versorgungssicher­heit, sei es im Energiebereich, sei es im Lebensmittelbereich, als auch in einem klassi­schen und guten Antiteuerungspaket, Herr Kollege Leichtfried. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Mit diesem Antiteuerungspaket bekommt eine Alleinerzieherin mit einem vierjährigen Kind, die Teilzeit arbeitet, also über ein geringfügiges Einkommen von 800 Euro verfügt, im heurigen Jahr über 1 600 Euro zusätzlich (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), die Alleinerzieherin, die früher zur Klientel der SPÖ gehörte! Das ist eine solche Person, für die Sie sich früher eingesetzt haben – gestern haben Sie dagegengestimmt, gegen die Erhöhung der Unterstützung für die Alleinerzieherin. Schämen Sie sich, Herr Kollege Leichtfried! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es hilft nichts, wenn Sie sogar gegen Ihre eigene Klientel stimmen. Daran zeigt sich aber wahrscheinlich auch, was die SPÖ wirklich will: Sie will einfach nur an die Macht kom­men, und dafür verkauft sie sogar ihre eigene Klientel, die Ärmsten der Armen, und stimmt für kein Geld für diese Personen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Stöger: Wir verkaufen gar nichts! – Abg. Einwallner: Schlechte Rede! – Abg. Leichtfried: Es ist sogar eine ausgesprochen schlechte Rede!)

Liebe SPÖ! Sie sind von Ihren Wählerinnen und Wählern nicht gewählt worden, damit Sie einfach auf andere Parteien schimpfen, weil es Ihnen so viel Spaß macht oder damit Sie nur selbst an die Macht kommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie sind gewählt worden, damit Sie die Menschen vertreten, damit Sie gerade in schwierigen Zeiten das Beste für sie tun – und nicht polemisieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Statt parteipolitische Diskussionen über Neuwahlen zu führen, wäre es viel besser, wenn wir hier alle zusammenstehen und zusammenarbeiten würden. Das ist, glaube ich, auch das, was sich der Österreicher und die Österreicherin von uns erwarten, Herr Kollege Leichtfried. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Ihre Redezeit ist auch aus!)

Die Situation in Europa ist krisenbehafteter, als viele es sich vorstellen, und es ist die größte Herausforderung, mit der wir in diesem Jahrhundert zu kämpfen haben. Es ist daher wichtig, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen, dass wir uns für die Menschen einsetzen.

Auch wenn Zusammenarbeit nicht in Ihrer DNA ist (Abg. Leichtfried: Sie haben ja keine Ahnung, was eine DNA ist!), die Menschen erwarten es sich von Ihnen. Machen Sie das, was die Menschen von Ihnen wollen, nämlich Zusammenarbeit und Herausführen aus der Krise mit uns gemeinsam! Springen Sie über Ihren Schatten und am besten auch


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über Ihren Krainer-Schatten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Die Reden werden immer schlechter!)

16.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


16.27.35

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist wirklich Zeit, über die Arbeit dieser schwarz-grünen Bundesregierung Bilanz zu ziehen. Unterm Strich kann das auch sehr kurz ausfallen: Es ist einfach Zeit, ja, für Neuwahlen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Seit zwei Jahren Rücktritte, Chaos, Korruption, ein Versagen auf jeder Linie! Sehr geehr­te Damen und Herren, wenn der normale Bürger draußen so arbeitet wie diese Bundes­regierung, dann hat er entweder die Selbstreflexion, einzusehen, dass er es nicht kann, und nimmt seinen Hut, oder er ist am nächsten Tag fristlos entlassen. Es wird auch Zeit, dass wir diese Regierung fristlos in die Wüste schicken. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie klammern sich aber an Ihre Ministerien oder die Ruinen, die davon noch übrig sind, weil Sie längst durchschaut haben, dass die ÖVP und die Grünen für die österreichische Bevölkerung nicht mehr wählbar sind – nach all den Korruptionsskandalen, nach all dem Versagen und, sehr geehrte Damen und Herren, nach all dem, was Sie den Menschen in den letzten zwei Jahren angetan haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Da muss man auch ergänzen: Auffällig ist, sehr geehrte Damen und Herren, dass über­all, wo es besonders grauslich und hart für die Österreicherinnen und Österreicher ge­worden ist, auch die Roten und Rosaroten dabei waren. Überall sind Rendi-Wagner und die SPÖ dabei, wenn es richtig grauslich für die Menschen in diesem Land wird, ob es um den Impfzwang ging oder ob es jetzt um Ihre unverantwortlichen Sanktionen geht, die die Österreicherinnen und Österreicher als Erste treffen. Da sind Sie schon fast eine Einheitspartei in diesem Haus, und Sie haben zu verantworten, was den Menschen Tag für Tag in diesem Land angetan wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Menschen draußen durchschauen das aber schon. Sie durchschauen, dass auch die Sozialdemokraten bei dem Ganzen immer in der ersten Reihe mit dabei sind. Es gibt nur noch eine einzige Partei, die in diesem Haus Politik auf Augenhöhe für die Menschen macht, und das ist die Freiheitliche Partei, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Silvan.)

Ich weiß, dass Sie ein Problem damit haben, Politik auf Augenhöhe mit den Menschen zu machen. Das sind nämlich diejenigen, sehr geehrte Damen und Herren, die Sie, wenn Sie glauben, dass Sie unbeobachtet sind, alle in Ihren Chats als „Pöbel“ bezeichnen! (Abg. Scherak: Jetzt reicht es aber einmal!) Ich sage Ihnen einmal in aller Deutlichkeit: Wir haben kein Problem damit, dass wir auf Augenhöhe Politik mit den Menschen ma­chen, selbst wenn Sie uns nachher auch als „Pöbel“ bezeichnen (Abg. Michael Hammer: Wo ist euer Guru?! ... nicht da!), weil wir hundertmal lieber an der Seite des Volkes stehen, als bei Ihnen und Ihrer Arroganz auch nur irgendwo anzustreifen oder Teil dieses abgehobenen politischen Systems zu sein! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schallmeiner: Was wird denn das?! – Abg. Maurer: Ist ja unfassbar! – Zwischenruf des Abg. Weidinger.)

Wir haben es als einzige Partei in diesem Haus gemeinsam mit der Bevölkerung ge­schafft, dass wir Ihren Impfzwang zu Fall bringen, als einzige Partei gemeinsam mit den Menschen in diesem Land. Danke den Hunderttausenden, die gemeinsam mit uns ge­kämpft haben! (Abg. Schallmeiner: Was soll denn das?!)


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Ich verspreche Ihnen: Während Sie sich jetzt alle in die Sommerpause verabschieden (Abg. Michael Hammer: Ja, der Kickl ist schon dort! – Ruf bei der ÖVP: Der ist in Ligna­no!), werden wir den Schulterschluss mit der österreichischen Bevölkerung suchen, und wir werden auch Ihrer unverantwortlichen Sanktionspolitik ein Ende bereiten, denn es kann nicht sein, dass die Menschen draußen den hohen Preis für Ihre Kriegstreiberei und Ihre Sanktionen bezahlen! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Hallo! – Zwi­schenruf des Abg. Weidinger.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wissen Sie, die Menschen erwarten sich in dieser harten Zeit ganz einfach Politiker, die das Land durch die Krise führen. Sie haben das leider auf den Kopf gestellt: Sie führen nicht das Land durch die Krise, Sie führen perma­nent die Krise durch das Land! Auch das werden wir aber wieder umdrehen und zurück auf die richtigen Füße stellen! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Es muss Schluss sein mit dieser Politik, ausgetragen auf dem Rücken der eigenen Be­völkerung! Sehr geehrte Damen und Herren, das Rezept dagegen heißt Neuwahlen, also geben Sie endlich den Weg dazu frei, damit der Schaden für die Menschen nicht Tag für Tag größer wird und damit wir gemeinsam mit den Leuten draußen das wieder geraderücken können, was Sie längst verrückt haben! (Abg. Weidinger: Luft holen, Herr Kollege!) Es wird Zeit, dass endlich wieder Politik für die Leute und nicht gegen die Leute gemacht wird! Das sollten Sie sich alle ins Stammbuch schreiben. Deshalb: Geben Sie den Weg frei für Neuwahlen, damit die Menschen aufatmen können! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Wo ist denn euer Chef?! – Zwischenruf des Abg. Schall­meiner. – Abg. Leichtfried: Das war jetzt die zweitschlechteste Rede! – Ruf bei der FPÖ: Sehr gute Rede!)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Maurer. – Bitte.


16.32.29

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Es ist manchmal ein biss­chen ein hartes Los, aufgrund der Reihung der Fraktionen nach solchen Reden sprechen zu müssen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Schnedlitz.)

Herr Schnedlitz, ich finde das, was Sie da jetzt alles gesagt haben, eines Parlaments unwürdig. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz. – Abg. Dei­mek: Es ist unwürdig ...!) Wir befinden uns hier im Parlament. Sie sind gewählter Abge­ordneter (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), und genauso wie alle anderen gewählten Abgeordneten hier in diesem Haus sind wir gewählt (Abg. Stefan: Abgeho­ben!) und vertreten die Bevölkerung je nach den Anteilen, die uns gewählt haben. Wir sind hier alle der seriösen Arbeit verpflichtet. Das wären auch Sie, Sie tun es halt oft nicht so. Die Art und Weise, wie Sie hier alle Parteien verunglimpfen und diffamieren, gehört sich einfach nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ihre Beiträge hier heraußen zeichnen sich durch Schreierei, durch Faktenleugnen, durch permanente Beschimpfungen aus. (Ruf bei der FPÖ: Das mit ... ist ein Fakt oder kein Fakt?) Ich weiß nicht, das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, wie man hier miteinander umgeht! (Abg. Deimek: Betreiben Sie Deepfake ...? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, es ist Ihr Stil, aber mit Demokratie, mit ernsthafter demokratischer Auseinan­dersetzung hat das sicher nichts zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Gut, wir diskutieren hier eigentlich einen Neuwahlantrag. (Ruf bei der FPÖ: Der dringend nötig ist!) Wir befinden uns in einer Situation, in der die Bevölkerung die Politik ganz dringend braucht. (Abg. Deimek: Ihre Frau Gewessler tut nichts! Ihre Frau Gewessler


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bringt nicht einmal ein Notkonzept zusammen, geschweige denn, dass sie sich aus­kennt!) Wir haben eine extrem herausfordernde Situation aufgrund des Kriegs in der Ukraine, der Pandemie, der Teuerung, der Klimakrise. Wir haben ganz wichtige Aufga­ben zu bewältigen (Abg. Schnedlitz: Ja, und was macht ihr?), und diese Bundesregie­rung arbeitet, um genau diese Herausforderungen zu bewältigen (Zwischenruf des Abg. Deimek), beispielsweise mit einem riesigen Entlastungspaket, das wesentlich größer ist als das deutsche, nämlich im Vergleich doppelt so groß.

Liebe Kollegen von der SPÖ, ihr könnt jetzt noch hundertmal behaupten, wir würden nichts tun. Es stimmt einfach nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der Teuerungsausgleich wurde zweimal überwiesen. Die Ökostromabgabe ist schon an­gekommen. Die Steuerreform kommt an. Jetzt kommen die 180 Euro Familienbeihilfe. Dann kommen die 500 Euro Klimabonus, die 500 Euro Absetzbetrag. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das ist Geld, das die Menschen dringend brauchen, das wir so orga­nisieren, dass das schnell auf ihren Konten landet. Das ist die Aufgabe dieser Bundes­regierung (Abg. Deimek: Haben wir im September überhaupt noch Diesel? Das wäre eine Lösung!): Lösungen, nicht Probleme schaffen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich denke, es ist wenig verwunderlich, dass wir als Grüne diesem Antrag im Ausschuss nicht zugestimmt haben. Wir werden auch im Herbst weiterarbeiten müssen. Die Situa­tion wird sicher weiterhin herausfordernd bleiben. (Abg. Deimek: Ich glaube, im Herbst wird es nasse Fetzen regnen!)

Ich glaube, dass das die Aufgabe von uns allen hier im Parlament ist. Auch wenn heute der letzte Plenartag ist: Reißen Sie sich noch ein bisschen zusammen, werte Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, es dauert noch ein paar Stunden. Wenn Sie jetzt davon sprechen, wer sich in die Sommerpause verabschiedet: Wo ist Herr Kickl eigentlich die ganze Zeit? (Abg. Prinz: Drei Tage nicht da! – Abg. Weidinger: Lignano! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Entschuldigt? Der hat sich offensichtlich schon frühzeitig in die Sommerpause verabschiedet. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Wir als Grüne und auch der Koalitionspartner, die ÖVP, werden am heutigen Tag bis zum Schluss anwesend sein und für die Bevölkerung arbeiten und die parlamentarische Arbeit machen. Wir werden dann schauen, wie viele von den Freiheitlichen noch anwe­send sind. Es werden gegen Abend immer recht wenige. (Abg. Michael Hammer: Unter­tags auch!)

Ich glaube, die Bevölkerung hat es verdient, dass wir hart arbeiten. Genau das tun wir und genau das werden wir weiter tun. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


16.37.06

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehr­te Damen und Herren! Frau Kollegin Maurer, ich teile Ihren Befund über den Zustand und die Handlungsfähigkeit dieser Bundesregierung nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin damit nicht alleine, denn wir sehen und erkennen in den Umfragen der letzten Wochen: Die Umfragewerte für die Regierungsparteien rasseln in den Keller. 70 Prozent der Menschen in Österreich trauen Ihnen keine Lösungskompetenz für die Probleme der Menschen zu. (Abg. Michael Hammer: Euch auch nicht! – Zwischenruf des Abg. Wei­dinger.) Das ist Fakt! Das ist auch der Fakt, der zeigt, warum die Kolleginnen und Kol­legen von ÖVP und Grünen und auch der Herr Bundeskanzler gestern bei unserer Dring­lichen Anfrage (Bundesminister Karner: Vorgestern!) zum brennenden Thema Teue­rung so nervös und überheblich geantwortet haben. (Abg. Weidinger: Wir arbeiten für


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die Menschen, nicht für die Umfragen!) Das haben die Menschen hier nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wundert mich aber nicht, Herr Kollege Weidinger, dass Ihre Umfragewerte so derart im Keller sind: eine Krise nach der anderen, die Sie nicht im Griff haben, zweieinhalb Jahre Coronapandemie, ein Fehler nach dem anderen. Gleichzeitig haben wir keine wir­kungsvollen Antworten auf die Klimakrise, mit der Pflegereform auch nicht auf die großen Herausforderungen, vor denen wir dort stehen (Abg. Weidinger: Die SPÖ war dagegen! Gegen die Pflegereform!), und dann gibt es noch das große Problem der Teuerung. Ja, die Menschen können sich das tägliche Leben in Österreich nicht mehr leisten, und ja, wir müssen handeln, und nicht mit dem sogenannten Antiteuerungspaket, wie die Regie­rung das nennt (Abg. Weidinger: 50 Milliarden, Frau Kollegin! 50 Milliarden ...!), einer Mogelpackung, die in vielen Bereichen nicht über die medialen Ankündigungen hinaus­gekommen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist mit der viel zitierten Valorisierung der Sozialleistungen? Wir kennen keinen An­trag dazu, da können Sie es noch so oft erwähnen. Wenn Sie es umsetzen wollen, dann legen Sie auch die entsprechenden Maßnahmen vor! Das ist nicht passiert. (Abg. Wei­dinger: Klimabonus! Familienbeihilfe! Pflegereform! Steuerreform! 18 Milliarden!) – Ja! Ihre Maßnahmen, die senken keinen einzigen Preis, für keinen Paradeiser, für kein Stück Käse und für kein Semmerl. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Leben der Menschen wird weiter teurer bleiben. Die Spritpreise werden weiter stei­gen, die Energiepreise werden weiter steigen; und zur großen Schande kürzen Sie in dieser Teuerungskrise auch noch das Schulstartgeld für die am meisten von Armut be­troffenen Kinder. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried. – Abg. Weidinger: Die Stadt Wien ist das! Soziales Wien!) Das ist ja wirklich eine Schande und einer Regierung in einem reichen Land wie Österreich unwürdig. (Zwischenruf der Abg. Reiter.) Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Menschen sind sauer, und das zu Recht. Sie haben Angst. Sie haben Existenz­ängste. Sie wissen nicht, wie sie ihren Kühlschrank füllen sollen. Sie wissen nicht, wie sie die Miete zahlen oder wie sie im Winter heizen sollen. Diese Ängste sollten Sie ernst nehmen! (Abg. Weidinger: Das tun wir, Frau Kollegin!) Aber Sie haben ja gar keine Zeit für die Probleme der Menschen, weil Sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie sind mit zig Regierungswechseln beschäftigt. 14 Regierungsmitglieder sind in den letzten zwei Jahren ausgetauscht worden, Ressorts sind zwischen den Ministerien wie Figuren auf dem Schachbrett verschoben worden. Wann genau haben Sie Zeit für die Probleme der Menschen? – So aktuell leider nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann kommt noch dazu, dass wir beinahe jede Woche einen ÖVP-Skandal nach dem anderen erleben. Ja, diese Regierung ist nicht mehr handlungsfähig. (Abg. Schallmei­ner: Drei Tage voller Beschlüsse, und wir sind nicht handlungsfähig?! Das ist großartig!)

Heute ist Zeugnistag in den westlichen Bundesländern. Seien Sie doch bitte so mutig, stellen Sie sich den Wählerinnen und Wählern, holen Sie sich Ihr Zeugnis, machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Ab­geordnete Klubobfrau Maurer zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.40.47

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Kollegin Schatz hat gerade behauptet, die Regierung würde das Schulstartgeld kürzen. (Abg. Rendi-Wagner: Für armutsbetrof­fene Kinder! Für Mindestsicherungsbezieher!) – Das ist nicht richtig. Das Schulstartgeld ist eine Leistung, die mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird.


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Richtig ist vielmehr: Die EU hat Gelder für ein Schulstartpaket, ein zusätzliches Angebot des Sozialministeriums, gekürzt. Das Sozialministerium hat extra zusätzliche eigene, na­tionale Mittel aufgestockt, damit das weiter ausbezahlt werden kann. Das hat mit dem Schulstartgeld nichts zu tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Michael Hammer: Die rote Fakenewspartie!)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.


16.41.32

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren hier unseren Antrag, die unglückselige aktuelle Gesetzgebungsperiode vorzeitig zu beenden und Neuwahlen auszurufen. Die­ser Antrag ist nicht irgendwelchem Oppositionsgetöse zuzuschreiben, sondern wir hal­ten es absolut für notwendig, die laufende Periode zu unterbrechen und zum Stillstand zu bringen, denn diese Regierung hat nicht nur einen unglaublichen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust der gesamten Politik zu verantworten, sondern es ist einfach bes­ser, wenn diese Bundesregierung nichts mehr tut und nichts mehr sagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Nachdem die Bundesregierung uns zwei Jahre lang eine fatale Coronapolitik geliefert hat – alles im Namen einer diffusen Solidarität –, mit diesen überschießenden Maßnah­men, die Menschen psychisch und physisch geschädigt hat, die Wirtschaft blockiert hat, das Gesundheitssystem geschwächt hat und die Gesellschaft auseinanderdividiert hat, kam es jetzt zu einer großen außenpolitischen Herausforderung, und diese managt sie genauso entsetzlich wie die Coronapolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

Zu Beginn dieses Jahres wären die Folgen der vergangenen Jahre schon bewältigt ge­wesen. Die Familien hätten all die Schäden, die durch die Coronapolitik angerichtet wur­den, wiedergutgemacht, die Unternehmen hätten in freier Marktwirtschaft wieder alles saniert. Das wäre schon geschafft, aber, wie Ministerin Edtstadler ja zynisch sagt: Coro­na war nur „zum Warmlaufen“!

Jetzt kommt die nächste Katastrophe. Seit Ende Februar gibt es den Krieg zwischen Russland und der Ukraine, und vom ersten Tag an geht die Bundesregierung in die falsche Richtung, agiert faktenbefreit, sinnbefreit, naiv, undiplomatisch und vor allen Din­gen moralisierend und gefühlsbetont. Das ist natürlich alles sehr solidarisch, aber es ist dann kein Platz mehr für eine sachliche, vernunftbasierte Politik.

Die Bundesregierung macht diesen Krieg zu unserem, erklärt die Ukraine sofort zu unserem Nachbarstaat, dem wir bedingungslos verpflichtet sind, lädt lauthals alle Flüch­tenden nach Österreich ein, egal ob ukrainische Staatsbürger oder nicht, und dies alles ohne Limit. Auch da ist wieder die große Solidarität: für alle Ukrainer, für Polen, für die Slowakei, für Ungarn, für alle, die Ukrainer aufnehmen. Und wenn sie denn zu uns kommen, dann gibt es natürlich hier die volle Solidarität, die sie jetzt in Form vollen Zu­gangs zum Sozialsystem genießen. Mittlerweile sind es 80 000. Okay, wir haben es ja. Das kleine Österreich kann offensichtlich alles stemmen.

Gleichzeitig gibt es einen Anstieg der illegalen Migration fast wie 2015, und Bundeskanz­ler Nehammer fährt natürlich auch gleich am 24. Februar zum EU-Gipfel, erklärt dort wieder volle Solidarität mit den westlichen Sanktionen, die sich zu schrauben beginnen, nicht erkennend oder nicht begreifend – oder ich weiß nicht, warum –, dass es zwischen der EU und den USA unterschiedliche Interessen gibt, dass die USA da nicht ganz ehr­lich spielen, dass sie natürlich – das muss man ja wissen – Interessen an der Schwä­chung Russlands, an der Schwächung der Wirtschaft Russlands haben. Da ist es halt gut, wenn der Krieg ein bisschen länger als notwendig dauert. Sie möchten das Zusam­menleben und vor allem auch die wirtschaftliche Kooperation zwischen Russland und Europa stören. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 170

Die USA haben Interesse daran, Nord Stream 2 zu verhindern, und natürlich haben sie Interesse daran, ihr Gas, das Flüssiggas, in Europa abzusetzen, und an der Schwä­chung des Euros. Kriege, Wirtschaftskriege, Sanktionen: Das alles hat nämlich nichts mit Solidarität, sondern mit Märkten, mit Absatzmärkten, mit Rohstoffen und mit Geld zu tun. Money makes the world go round – nicht die Solidarität.

Jetzt steht die EU mit ihren Sanktionen da. Uns schaden sie, die USA profitieren davon. Österreich schließt sich natürlich an, ist an vorderster Front dabei, treibt sie sogar an, und Milliarden Dollar beziehungsweise Euro werden in die Ukraine geschickt – Öster­reich ist überall dabei –, von Brüssel, von den USA. Ich glaube, die ukrainische Bevölke­rung sieht relativ wenig davon.

Was in diesem Zusammenhang nie erwähnt wurde, sind die Interessen der österreichi­schen Bevölkerung, die aus diesem Konflikt eigentlich herauszuhalten ist. Die Nachteile sind hintanzuhalten, das wäre die Aufgabe der Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ.) Das hat sie sich aber nicht auszusuchen, sondern das ist verfassungsrechtliche Aufgabe der Bundesregierung. Der kommt sie nicht nach, und daher gibt es auch diesen Antrag.

Andere Länder machen das schon. Die sind zwar auch bei den Sanktionen dabei, verhal­ten sich aber diplomatischer. Die Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Frankreich – seit der Wahlniederlage von Macron; bitte beobachten Sie es! – sind wesentlich vorsich­tiger, die Schweiz außerhalb der EU ist es sowieso. Die haben auch alle noch ihr Gas.

Am 24. Februar verkündet Bundeskanzler Nehammer in einem Interview: Wir haben „Versorgungssicherheit“! In diesem Winter – 2022/2023 – brauchen wir „keine russi­schen Gaslieferungen“! Wir haben „genug Gas“ in unseren Speichern für den ganzen Winter! – Das ist ja sozusagen auch die Rechtfertigung dafür, dass man sich dann an Sanktionen beteiligen kann.

Jetzt frage ich mich – diese Aussage ist in einem Interview am 24. Februar gefallen –: Hat der Herr Bundeskanzler mit Ministerin Gewessler gesprochen? Wenn er es nicht gemacht hat, war es grob fahrlässig. Wenn er mit ihr gesprochen hat, dann hat sie ihn angelogen, dann müsste er sie entlassen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Also wie kann man eine Aussage von einer solchen Tragweite – ich meine, es ist ja wichtig, ob wir Gas für den Winter haben – treffen, ohne sich zu versichern, und sich Sanktionen anschließen, die uns das Gas nehmen, ohne zu wissen, ob wir noch über den Winter kommen?

Klären Sie das vielleicht einmal und sagen Sie uns dann, wie es war! Wir haben einen Anspruch darauf. (Beifall bei der FPÖ.) Oder hat Ministerin Gewessler Ihnen mit ihren belehrenden, moralisierenden und überheblichen Aussagen erklärt, wir sollen jetzt gefäl­ligst die Fenster abdichten, wir sollen Deckel auf die Kochtöpfe geben? Mit solchen lä­cherlichen Sparmaßnahmen sollen wir durch den Winter kommen. Sagt ihr, diese Rat­schläge kann sie sich behalten! Sie soll Auskunft geben, wie es jetzt mit dem Gas wei­tergeht.

Vier Monate nach diesem Interview stehen wir da. Wir haben keine Versorgungssicher­heit. Die westlichen Sanktionen ruinieren uns, nicht Russland und nicht die USA, sondern die EU und vor allen Dingen Deutschland und Österreich. Putin verkauft seine Rohstoffe woandershin. Dort entstehen ganz andere Wirtschaftsmächte, dort rinnen das Öl, das Gas, das Geld, und die EU wird in ihrer Solidarität untergehen, allen voran Deutschland und Österreich. Schauen Sie einmal nach Deutschland! Dort gibt es Rezes­sion – die haben es als Exportnation, als stolzer Industriestandort geschafft, dass sie jetzt eine negative Handelsbilanz haben (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz) –, Co­ronapolitik, Sanktionspolitik und vor allen Dingen grüne Energiewendeideologie mitten in der Regierung.


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Vielleicht überlegen Sie sich einmal, wenn Sie bei den grünen Redebeiträgen immer so begeistert klatschen, wohin wir da steuern. Mit der Energie von Wind und Sonne kann man einen Industriestandort – Sie kommen ja auch aus Oberösterreich; dort gibt es so viel Industrie – nicht beleben, nicht fortführen. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist aus mit un­serer Industrie und damit mit Wohlstand und Sicherheit. Und den Euro sollte man halt auch ein bisschen stabil halten.

Nichts davon wird getan. Es wird nicht gegengesteuert, es heißt, es ist Krieg, wir können nichts machen. Bundeskanzler Nehammer sagt uns vor einigen Tagen auf einmal, er ist sich jetzt nicht so sicher, er ist schon skeptisch, wenn es um die Verteilung von Energie und Gas in der Not geht, ob wir das dann kriegen oder ob nicht vielleicht die Italiener und die Slowaken sich das Gas nehmen, die es ja auch schon bezahlt haben. Ich kann es ihm sagen: Wir werden nichts kriegen, ganz solidarisch werden wir nichts kriegen. Die Versorgungssicherheit ist aber eure Aufgabe.

Festzuhalten ist, dass die Energieknappheit und auch diese Inflation nicht sein müssten, obwohl Sie so tun. Schauen Sie in die Schweiz! (Zwischenruf des Abg. Obernosterer. – Abg. Stefan: Die sind nicht so ausgeliefert, Gott sei Dank!) Daher – Sie sind dafür ver­antwortlich –: Stopp mit den Sanktionen, stopp mit diesem Energiewendeirrsinn! Werden Sie vernünftig! (Abg. Stefan: Abwerten, daher haben wir ja ...! Wir waren immer stolz, dass der Schilling stabil ist!)

Ministerin Edtstadler soll uns nicht auch noch belehren und sagen, wir müssen jetzt mit Wohlstandsverlust rechnen, die Coronapandemie war nur „zum Warmlaufen“. Sie soll lieber mit der EU-Hörigkeit aufhören. Sie meint, es kommt jetzt ein Tal der Tränen. Das war diese Regierungszeit. Sie hat auch gemeint, wir sollen der Realität ins Auge blicken. Das sollten Sie – und den Weg für Neuwahlen frei machen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte.


16.51.17

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Ruf bei der SPÖ: Kommst mit deinem Taferl noch einmal?) Frau Kollegin Fürst, wenn das jetzt eine Art Bewerbungsrede für die Bundes­präsidentschaftswahl war, dann war sie keine gute. Zum Zweiten: Wenn Sie schon Neu­wahlanträge stellen, dann schauen Sie wenigstens, dass Ihre Abgeordneten hier sind. (Abg. Deimek: ... bei der ÖVP gut aus!) Bei der FPÖ ist die Hälfte der Mandatare an­wesend, 14 sind nicht hier. 14 Abgeordnete der Freiheitlichen Partei sind nicht hier, aber Sie stellen Neuwahlanträge, die keiner braucht. Meine Damen und Herren, so ernsthaft wird hier mit der Demokratie umgegangen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auf der linken Reichshälfte schaut es nicht recht viel besser aus. Die sieht man, wenn man draußen ist, überhaupt schon gehen: Fertig, mit den Aktentaschen, kofferschiebend sind die Mandatare schon unterwegs. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben hier noch Nationalratssitzung! Auf der linken Reichshälfte, bei der SPÖ schaut es aus wie in einem Nudelsieb. Das ist kein Umgang mit dem Parlamentarismus, Neuwahlanträge stellen und dann selber nicht mehr hier sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

Wo ist Klubobmann Kickl überhaupt? Der ist drei Tage nicht hier. Wenn er krank ist, dann wünschen wir ihm gute Besserung, dann soll er es sagen, und wenn er nicht krank ist, dann hätten wir ein Recht darauf, zu wissen, wo er denn die ganzen drei Tage verweilt. Er hat nicht einmal beim Aus für die Impfpflicht mitgestimmt, obwohl er schon ein Jahr herumrennt, weil er das haben will. Wo ist Kickl, meine Damen und Herren? Das ist auch einmal eine Frage wert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)


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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dann wird hier eingefordert, die Regierung soll etwas gegen die Teuerung tun, die Regierung soll etwas gegen die Pflege unternehmen. (Abg. Kollross: Gegen die Pflege macht ihr eh was!) Wir haben bis zum Jahr 2026 Pa­kete in der Höhe von 50 Milliarden Euro verabschiedet, beginnend mit der ökosozialen Steuerreform, mit zwei kleineren Paketen gegen die Teuerung und vor wenigen Tagen mit einem Paket von 26 Milliarden Euro. 26 Milliarden Euro wird dieses Paket insgesamt umfassen, und die Soforthilfen, die rasch wirksam werden, sind alle umgesetzt.

Wer hat nicht mitgestimmt? Wer hat nicht mitgestimmt? – Die Freiheitlichen (eine Tafel mit der Aufschrift „Abstimmungsverhalten Anti-Teuerungspaket“ und einer Tabelle in die Höhe haltend) haben beim Klimabonus, beim Antiteuerungsbonus mitgestimmt, sonst auch nirgends. (Abg. Rauch: Du weißt eh, dass das ein Blödsinn ist!) Die SPÖ hat nir­gends mitgestimmt, weder bei 300 Euro für Mindestpensionisten noch bei der zusätzli­chen Familienbeihilfe.

Sie sagen jetzt beim Schulstartgeld wieder die Unwahrheit. Ich mache keine tatsächliche Berichtigung, denn dieses Instrument strapazieren Sie jeden Tag x-mal. Das Schulstart­geld ist eine Leistung bei der Familienbeihilfe, die im September mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird. Im August bekommen alle Eltern pro Kind 180 Euro dazu. Wer hat nicht mitgestimmt? – Die Roten! Die SPÖ hat nicht mitgestimmt – aber auf der anderen Seite Unwahrheiten verbreiten! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Klimabonus, der Antiteuerungsbonus sind 500 Euro für jeden Österreicher, jede Ös­terreicherin, für die Kinder noch einmal 250 Euro dazu, für eine vierköpfige Familie 1 500 Euro. Wer hat nicht mitgestimmt? – Die SPÖ!

Meine Damen und Herren, das hat doch mit einer realen politischen Welt nichts mehr zu tun: Neuwahlanträge stellen, selber nicht hier sein, einfordern, man soll etwas tun, wir machen es – dann stimmen Sie nicht zu. Was ist denn das für eine Situation? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Man muss ja sagen, Gott sei Dank gibt es diese Bundesregierung, die die Anliegen der Bevölkerung ernst nimmt und auch umsetzt, gestern auch das Pflegepaket. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Ich meine, da kommt man sich ja wirklich vor, als wäre man nicht real in dieser Welt: Wo ist eine Pflegereform? Wo ist das Pflegepaket? – Wir beschließen gestern ein Paket mit rund 1 Milliarde Euro, 570 Millionen Euro allein für die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter in der Pflege. Wer stimmt nicht mit? – Rot und Blau. Na wunder­bar! Na wunderbar! Wo kommen wir denn da hin? (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!)

Also wissen Sie, was? Sparen Sie sich Ihre Neuwahlanträge und unterstützen Sie die Maßnahmen dieser Bundesregierung! Ihr müsst ja nicht überall dabei sein. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Ich sage auch gar nicht, dass immer alles perfekt ist, aber es sind gute Maßnahmen dabei, die unterstützungswürdig sind und die Sie zumindest in Ihrer Historie immer wieder eingefordert haben. (Abg. Deimek: Aber da ist keine einzige von der Ministerin Gewessler dabei, das ist das Problem!) Nur weil es jetzt diese Regierung macht, ist es schlecht, und Sie tun nicht mit. Das ist kein Zugang zu Demokratie, das ist kein Zugang zu Politik!

Wir arbeiten weiterhin mit aller Kraft für die Menschen in diesem Lande. Tun Sie das auch und ersparen Sie uns diese Neuwahlanträge! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.


16.56.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Was für ein unbeeindruckendes Spekta­kel, das Kollege Wöginger mit seinem Taferl geliefert hat! Wissen Sie, an Ihrer Stelle


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würde ich mich zu diesem Thema gar nicht heraustrauen. (Beifall bei der SPÖ. – Anhal­tende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein Paket, durch das nichts billiger wird, aus dem aber dafür der Bundeskanzler 6 000 Eu­ro kriegt, als Antiteuerungspaket zu bezeichnen, dafür würde ich mich an Ihrer Stelle schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann dürfen Sie sich nicht wundern, dass die Sozialdemokratie bei so einer Ungerech­tigkeit nicht zustimmt, bei der ihr es nur wieder denen hineinstopft, die eh genug haben. Das ist nämlich eure Politik! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits: 180 Euro! Reg dich nicht so auf! – Ruf bei der ÖVP: Haben wir einen Dissens, Herr Kollege?)

Ein Kollege von der ÖVP hat jetzt wieder gemeint, ich soll mich nicht so aufregen. (Abg. Zarits: Ja, weil es künstlich ist! – Abg. Michael Hammer: Du bist ein schlechter Schau­spieler!) Wissen Sie, ich treffe halt Leute, die unter diesen Dingen leiden (Abg. Michael Hammer: Ja, Sozis! Sozis!), und die sind euch wurscht, und deshalb rege ich mich auf. Auf der Seite dieser Menschen stehe ich – und gegen Ihre Seite, die das anders sieht! (Abg. Michael Hammer: Ja, deine Sozis! Dein Sozistammtisch!) Das ist der Grund dafür, und deswegen werdet ihr auch abgewählt werden! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Die behalt dir, deine Sozis! – Abg. Zarits: Du bist unsere Lebensversiche­rung! – Abg. Michael Hammer: Deine Eisenbahner, oder wo?)

Jetzt zu den 100 oder 80 Euro: Die einen schieben die Schuld auf die EU, die anderen sagen, das ist der falsche Name, das stimmt alles nicht. (Ruf bei der ÖVP: Das ist einfach nicht wahr!) Faktum ist, dass Kinder aus armutsgefährdeten Familien statt 100 Euro 80 Euro kriegen – und das ist eine Bundesregierung, die nichts dagegen tut! Das ist das Faktum, um das es geht, und es ist wirklich beschämend, Kindern, die eh kein Geld haben, noch 20 Euro wegzunehmen. Dafür steht ihr! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wögin­ger: Das ist nur mehr peinlich! – Abg. Michael Hammer: Fakenewsfabrik!)

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da niemand mehr zu Wort gemeldet ist, schließe ich die Debatte.

16.58.33Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 23 bis 25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich komme nun zur hoffentlich etwas entemotiona­lisierten Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 23 bis 25, die ich über jeden Ta­gesordnungspunkt getrennt vornehme.

Können wir abstimmen? – Danke.

Tagesordnungspunkt 23: Entwurf betreffend Wahlrechtsänderungsgesetz 2022 samt Titel und Eingang in 1577 der Beilagen.

Wer dafür ist, wird um Zustimmung gebeten. – Das ist einstimmig.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wer gibt dem auch in dritter Lesung die Zustimmung? – Das gleiche Stimmverhalten. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 1578 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge das mit einem Zeichen bekunden. – Das ist die Mehrheit, ange­nommen.

Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Verfassungsausschusses, seinen Bericht 1579 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


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Wer das tut, den darf ich ebenfalls um Zustimmung ersuchen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

17.00.0826. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1584 d.B.): Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG, mit der insbesondere eine Erhöhung ausgewählter Kostenhöchstsätze des Art. 9 der Grundversorgungsvereinbarung sowie eine Erstversorgungspauschale festgelegt werden (1656 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zum Punkt 26 der Tagesord­nung. – Ich darf den Herrn Bundesminister für Inneres begrüßen.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jachs. Bei ihr steht das Wort. – Bitte.


17.00.54

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir bitte, am Ende – oder fast am Ende – dieser drei Sitzungstage ein kurzes Resümee, vor allem auch wegen dem letzten Tagesordnungspunkt, zu machen.

Unser Klubobmann Gust Wöginger sagt immer: Die Umfragen san wie ’s Parfum, du sollst dran schmecka, aber du sollst es nicht saufen. – Da ich weiß, wie das ist, wenn man einmal bessere und einmal schlechtere Umfragen hat: Liebe SPÖ, Sie haben offen­sichtlich ein bisschen zu viel davon erwischt, denn so hochmütig und übermütig, wie Sie sich verhalten haben, da kann man nur davon sprechen, dass Sie ein bisschen zu tief in den Umfragetopf hineingeschaut haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Kommen wir aber zur Sache: Für meine Generation ist es eigentlich bis vor Kurzem unvorstellbar gewesen, dass es auf dem europäischen Kontinent oder vor unserer Haus­türe Krieg gibt. Die letzten Monate haben uns leider schmerzlich gezeigt, dass es anders sein kann. Für uns als Volkspartei ist es natürlich ganz klar, dass generell jene, die in den Heimatländern verfolgt werden, vom Krieg bedroht sind, bei uns Schutz bekommen. Die, auf die das nicht zutrifft, haben halt kein Recht auf Asyl. Das gehört in Verfahren geprüft, und bis diese Verfahren abgeschlossen sind, kommen die Schutzsuchenden bei uns in die Grundversorgung. Das steht natürlich außer Frage, aber diese Grundversor­gung kostet eben. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

2004 haben sich der Bund und die Bundesländer auf die Kostentragung, auf die Kosten­verteilung geeinigt: 40 Prozent tragen die Bundesländer, 60 Prozent trägt der Bund. 2016 wurden diese Kostensätze angehoben, das ist jetzt auch schon wieder eine Weile her. Aufgrund der Teuerung wissen wir, dass die Realität da nicht mehr ganz mitkommt, auch aus diesem Grund erhöhen wir heute die Kostensätze, und zwar rückwirkend mit dem 1. März dieses Jahres.

Ich glaube, man muss auch ganz klar festhalten, dass wir als Gesetzgebung immer nur die Rahmenbedingungen schaffen können, die wirkliche Qualität wird tagtäglich in den Einrichtungen von Menschen erbracht. Gerade auch im Hinblick auf die letzten Monate gibt es bestimmt auch einige von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die sich ehren­amtlich engagieren, aber vor allem die Menschen draußen in der Bevölkerung leisten ehrenamtlich wirklich Großartiges, daher möchte ich mich von dieser Stelle dafür bedan­ken. Ich bedanke mich auch für die Erhöhung der Kostensätze und dafür, dass es da zu einer guten Einigung gekommen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.03



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 175

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


17.03.53

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie von der Kollegin schon angesprochen, handelt es sich da um eine 15a-Vereinbarung, die die Kostenaufteilung der Grundversorgung regelt. Es ist, glaube ich, gut, dass wir das jetzt angegangen sind, es ist, glaube ich, auch gut, dass es gelingt, dass wir das noch vor der Sommerpause beschließen, weil die Bundesländer ja auch entsprechende Sicherheit brauchen.

Es ist wichtig, dass wir diese Kostenersätze dementsprechend erhöht haben. Der Schlüs­sel ist, wie gesagt, 60 zu 40 – 60 Prozent trägt der Bund, 40 Prozent tragen die Bundes­länder. 2016 wurde das letzte Mal erhöht, also es wird schon Zeit, dass wir das auch wieder entsprechend anpassen. Es sind ja auch keine Riesenschritte. Dass man ein bisschen eine Dimension vor Augen hat: Man erhöht den Satz für organisierte Unterbrin­gung von 21 auf 26 Euro pro Tag, und bei der individuellen Unterbringung steigen die Sätze auf einerseits 165 beziehungsweise 330 Euro für Familien.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir eine nachhaltige Finanzierung dieser Unterbrin­gung anstreben, auch im Lichte dessen, dass es ja nicht einfacher wird, Unterbringungen zu finden. Dass es in den Bundesländern durchaus Schwierigkeiten macht, entsprechen­de Quartiere zu finden, sieht man daran, dass die Quoten in den Bundesländern ja sehr unterschiedlich sind und dass es durchaus noch Luft nach oben gibt. Daher ist es gut, richtig und notwendig, dass wir das heute, wie gesagt, noch vor dem Sommer machen.

Lassen Sie mich, bevor wir jetzt in die Sommerpause gehen, mit einem Dank abschlie­ßen. Ich hatte jetzt Gelegenheit, mit dem neuen Flüchtlingskoordinator in einen Aus­tausch zu gehen. Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung, dass man von dieser partei­politischen Besetzung, die man noch unter Takács gehabt hat, jetzt weg zu einem Ex­perten kommt. Herr Achrainer ist wirklich ein Experte, der als Geschäftsführer der BBU Fachexpertise aus diesem Bereich und natürlich auch eine Expertise aus seinen Erfah­rungen in der Arbeit mit NGOs mitbringt; er ist sehr anerkannt, und das tut in dieser Sache gut. Es wird wichtig sein, da eine kompetente Person zu haben.

Meine Damen und Herren, ich sage herzlichen Dank. Wir unterstützen diese 15a-Verein­barung selbstverständlich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.


17.06.36

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ja, ich freue mich, dass es noch vor dem Sommer gelungen ist, diese sogenannte Bund-Länder-Vereinbarung wieder einen Schritt weiterzubringen und damit zu ermögli­chen, dass möglichst rasch die höheren Tagsätze für die Betreuung von Geflüchteten in Österreich auch ausgezahlt werden können.

Ich habe es gestern schon einmal kurz angesprochen: Normalerweise dauert die Umset­zung einer solchen sogenannten 15a-Vereinbarung, einer Bund-Länder-Vereinbarung, unter Umständen viele, viele Monate. Wir haben jedenfalls aufseiten des Bundes ver­sucht, ein bisschen Dampf dahinter zu bringen, nun ist es möglich, dass das schon heute passiert. Jetzt braucht es „nur“ – unter Anführungszeichen – noch neun Landtage, die Unterschriften der Landeshauptleute hätten wir schon, damit die Sache tatsächlich finali­siert ist.


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Ich hoffe, dass das möglichst bald geschieht, denn es kann nicht sein, dass die Bun­desländer und vor allen Dingen NGOs und viele Private in Vorleistung treten müssen und privat finanzieren und kofinanzieren müssen, wenn es um eine Aufgabe geht, die letztlich von unserer ganzen Gesellschaft, vom Staat, vom Bund, von Österreich zu er­füllen ist, nämlich: die menschenwürdige, die gute Betreuung und Versorgung von ge­flüchteten Menschen. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP sowie der Abge­ordneten Krainer und Krisper.)

Wissen Sie, es gibt mehrere Interviews mit Flüchtlingen aus der Ukraine, die immer wie­der das Gleiche gesagt haben: Ich habe mir vor einer Woche nicht vorstellen können, ich hatte keine Idee davon, dass ich selber Flüchtling werden könnte. Wir alle in Öster­reich haben keine Idee davon, dass uns das einmal geschehen könnte. Uns geht es genauso wie den Menschen in der Ukraine vor dem 24. Februar. Wenn Sie versuchen, sich in diese Menschen hineinzuversetzen, dann werden Sie sehr rasch zum Schluss kommen, dass Sie sich eines wünschen, wenn Sie flüchten müssen: dass Sie gut, dass Sie freundlich, dass Sie menschenwürdig aufgenommen werden.

Wir können als neutrales Österreich in diesen schrecklichen Krieg, den Putins Russland in der Ukraine führt, weder eingreifen, noch können wir intervenieren.

Auch ich stehe zu der Neutralität Österreichs, sie bedeutet aber nicht, dass wir in irgend­einer Weise gleichgültig sind und sein dürfen. Was wir tun können, ist, jenen Frauen und Kindern aus der Ukraine, die zu uns geflüchtet sind, ein möglichst würdiges, ein mög­lichst gutes Leben zu ermöglichen – solange es dauert, egal ob das drei Monate oder drei Jahre sind – und diesen Menschen zu sagen, dass sie willkommen sind. Das können wir tun. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Es ist fast unbemerkt geblieben: Wir haben vor einigen Stunden beschlossen und er­reicht – und darüber bin ich auch sehr froh –, dass Ukrainerinnen mit Kindern rückwir­kend die Familienbeihilfe ausbezahlt wird; gleichgültig ob sie eine Arbeit haben oder nicht, gleichgültig ob sie in Grundversorgung sind oder nicht. Das ist gut und richtig und wichtig so, denn es geht um Kinder in Österreich, die dieses Geld brauchen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Jetzt setzen wir einen kleinen weiteren Schritt zu dieser guten Betreuung von geflüch­teten Menschen in Österreich, und ja, meine Damen und Herren von der FPÖ, dazu stehen wir, und auch wenn ihr euch auf den Kopf stellt, werden wir das weiter tun. – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

17.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


17.11.41

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt sieht man wieder einmal, was von dieser Regierung so verzapft wird, und da wundert es einen auch nicht, dass beim vorigen Tagesordnungspunkt ei­nem Neuwahlantrag nicht zugestimmt wurde. Hier im Haus haben Sie ja noch die Mehr­heit – noch! , aber draußen bei den Bürgern schon lange nicht mehr. Man hört es ja oft: Die ÖVP hat derzeit 71 Klatscher, die immer ganz euphorisch werden, wenn irgendwer von Ihnen von dieser Stelle aus etwas zum Besten gibt. (Abg. Strasser: Wir sind wenigs­tens 71! Schaut, wie viele von euch da sind! – Abg. Stefan: Wo sind die? Alles leer!) Sie wissen natürlich, was bei Neuwahlen auf Sie zukommt, Kollege, Sie wissen ja, was auf Sie zukommt. (Abg. Strasser: Wir sind 71, bei euch ist keiner da!)

Wie viele von diesen 71 Klatschern werden dann übrig bleiben? Und um wie viele werdet ihr bei Neuwahlen weniger werden: um 20, um 30, um 40? (Ruf bei den Grünen: Um wie


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viele seid ihr weniger geworden letztes Mal?) Bei den Grünen stellt sich die Frage, ob dann überhaupt noch ein Einziger von euch hier sitzt, das haben wir ja auch schon ein­mal gehabt.

Aber, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Sie können diese Entwicklung zwar verzögern, aber aufhalten und verhindern werden Sie sie nicht können, weil die Menschen die Nase voll haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Und jetzt zum Thema: Wo ist Kollege Bürstmayr? – Ah, da ist er! Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde jetzt keinen Kopfstand machen, das würde wahrscheinlich auch ein bissel unglücklich ausgehen, und ich gebe dir auch nicht in allen Punkten deiner Argumentation, worum es in der Grundversorgung geht, unrecht, überhaupt nicht. Da geht es darum, Menschen, die bei uns sind, die Deckung des täglichen Bedarfs zu er­möglichen. Da geht es um die Unterkunft, da geht es um die Verpflegung, da geht es um Zugang zu medizinischer Versorgung und zu anderen Leistungen.

Dass wir als Österreich das machen müssen und dass das ja eh klar und auch in Ord­nung ist, wenn die Menschen schon hier sind, das steht auch für mich außer Frage. (Abg. Krainer – in Richtung ÖVP –: Wo ist der Hanger? – Abg. Zarits: Der ist entschuldigt! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Krainer.) Jetzt kommt das große Aber: Ich finde, es ist ein absolut falsches Signal, wenn Sie in Zeiten der massiven Teuerung, in denen die Menschen nicht mehr wissen, wie sie über das Monat kommen sollen – in denen sich die Menschen das Tanken nicht leisten können, die täglichen Lebensmittel nicht leisten können, die Mieten nicht mehr leisten können –, die Grundversorgung für Menschen, die zu uns kommen – oftmals ungebeten, ja, meistens ungebeten – um 20 Prozent erhö­hen. Das versteht kein Mensch und das ist kein gutes Signal. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben uns gestern ja über die Zahlen und über die dramatischen Entwicklungen der Zuwanderung unterhalten. Wir haben im heurigen Jahr bis jetzt schon über 30 000 Asyl­anträge. Wir haben aber schon 85 000 Menschen in der Grundversorgung. Es werden immer mehr. Die Prognosen der Regierung sprechen von 50 000 Asylanträgen, die wir heuer erleben werden – da sind übrigens keine Ukrainer dabei –, aber es werden mehr als 50 000 sein, also das ist ein Fass ohne Boden.

Ja, ich gebe zu, dass in der Grundversorgung auch sehr viele Ukrainer, vorwiegend Ukrainerinnen, dabei sind, aber ich verstehe nicht, warum wir da nicht differenzieren. Wir differenzieren ja auch in der Systematik. Die Ukrainer sind ja zu Recht nicht im Asylsys­tem, weil Krieg kein Asylgrund ist. Das sollten wir auch einmal klarstellen, denn das ist ein riesengroßes Missverständnis. Das Asylrecht ist immer ein individuelles Recht, wobei der Einzelfall, der einzelne Verfolgungsgrund überprüft wird. Wieso aber differenzieren wir nicht auch in der Grundversorgung zwischen ukrainischen Vertriebenen und den il­legalen Migranten aus aller Herren Länder? Das würde mich einmal interessieren. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Der Zustrom – das sieht man, wenn man sich die Entwicklung der Zahlen anschaut – wird ja immer mehr. Wir müssen da jetzt wirklich etwas tun. (Bundesminister Karner: Darüber haben wir gestern gesprochen!) Ich will nicht noch einmal alles wiederholen, was wir gestern besprochen haben, und, Herr Minister, Sie haben auch vieles gesagt, was richtig ist. Die Umsetzung wäre halt hoch an der Zeit. Wir brauchen auch Maßnah­men, und – dazu gehört auch die heutige Debatte zur Grundversorgung, und das ist der nächste Punkt, warum das verheerend ist – wir müssen auch Signale aussenden.

Sie wollen die Schlepper bekämpfen. Ja, da sind wir Ihr Partner. Natürlich gehören diese Verbrecher bekämpft, die mit dem Leid der Menschen ihr schmutziges Geschäft ma­chen. (Bundesminister Karner: Richtig!) Wir wollen auch nicht, dass Menschen im Mittel­meer ertrinken, dass Menschen in irgendwelchen Kühlwägen ersticken, kein Mensch will


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das. Die Schlepperkriminalität gehört ausgemerzt. Dazu gehört aber auch, dass wir Ös­terreich als Zielland unattraktiver machen, und das betrifft auch die Sozialleistungen und die Grundversorgung, aber die erhöhen wir ja noch. (Beifall bei der FPÖ.)

Zusätzlich – Sie haben gestern aus den Rängen aller Parteien die Symbolpolitik des Herbert Kickl damals so kritisiert, er hat aber nicht nur Symbolpolitik gemacht, das sieht man ja an den Zahlen – brauchen wir aber auch Symbole und Signale an die Schlepper und an die Menschen, die sich schleppen lassen, damit sie nicht auf die falschen Ver­sprechungen hereinfallen.

Natürlich ist ein Ausreisezentrum ein besseres, abschreckenderes Signal als ein Aufnah­mezentrum. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Natürlich wäre es gut, wenn Sie die von Kickl eingeführte Grenzschutzeinheit Puma einmal üben lassen würden, diesmal an der burgenländischen Grenze, um zu zeigen: Wir sind bereit und wir können auch etwas zur Abwehr machen. (Bundesminister Karner: Die Puma war gestern im Einsatz, Herr Abge­ordneter!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, handeln Sie also endlich, und schmeißen Sie nicht das Geld mit vollen Händen beim Fenster raus! Denn eines ist bei allem Leid, das es geben mag, auch klar: Wir sind zuerst für die eigene Bevölkerung verantwortlich, und die leidet derzeit massiv. (Beifall bei der FPÖ.)

17.17


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper. – Bitte.


17.17.29

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Innenminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren hier und zu Hause! Zu Grund­sätzlichem komme ich dann, Herr Amesbauer.

Ich möchte zunächst nur klarstellen, dass wir uns schon im Monat vier befinden, seit der Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine begonnen hat und insbesondere Frauen und Kinder durch Europa fliehen und auf der Suche nach Schutz sind, und dass unsere Re­gierung bisher katastrophal unkoordiniert geholfen hat und Handlungsunfähigkeit bewie­sen hat.

Zu dieser möchte ich jetzt auch grundsätzlich etwas sagen, denn daran, dass sie, jetzt im Fall der ukrainischen Frauen und Kinder, nicht handeln konnte, ist sie selber schuld.

Herr Minister, in der gestrigen Debatte der FPÖ hat auch Ihr Redebeitrag gezeigt: Man denkt abseits der Ukraine und hat vor dem Krieg gar nicht mehr an den echten Flüchtling, der zu uns kommen könnte und redlich Schutz braucht, gedacht. Unser System war un­ter Türkis-Blau – Herr Amesbauer hat gerade wieder ausgeführt, wofür er und die FPÖ stehen –, ist aber auch unter Türkis-Grün, weil die ÖVP sich da durchgesetzt hat, auf Abwehr gebaut. Das Wort Flüchtling wird seit vielen, vielen Jahren in Österreich rein negativ konnotiert (Abg. Zarits: Nicht nur in Österreich!), und nach der FPÖ macht mitt­lerweile auch die ÖVP aus Kalkül mit Angst und der kollektiven Abwertung von Schutzsu­chenden Politik. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Krainer und Yılmaz.)

Diese Abwertung macht nicht einmal vor Kindern halt. Es geht so weit, dass unter den ÖVP-Innenministern in den letzten Jahren selbst unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht adäquat, kindergerecht untergebracht wurden, und das, obwohl der Rechnungshof das massiv kritisiert hat.

Wir haben versucht, das mit Innenminister Nehammer – als er noch Innenminister war – zu diskutieren, waren aber erfolglos und sind es bei Ihnen bisher auch. Das heißt, schon in den letzten Jahren haben Kinder unter den Missständen gelitten, dass sie in viel zu großen Einrichtungen nicht kinderadäquat untergebracht waren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 179

Das Problem ist, dass diese herzlose Politik auch hirnlos ist. Die Ideologie der kollektiven Abwertung führt nämlich dazu, dass man nicht den einzelnen Menschen und die Art und Weise, wie er agiert, beurteilt, dass man hier geborene Kinder wie Tina abschiebt oder Lehrlinge, die sich in Mangelberufen – das heißt, wir brauchen sie im Land, die Wirt­schaft braucht sie – qualifiziert haben, abschiebt, nur weil sie als Asylwerber ins Land gekommen sind. Ich vermisse da Herz und Hirn, und das umso mehr von der vermeint­lichen Wirtschaftspartei ÖVP.

In diesem Klima und in dieser Dysfunktionalität unseres Asylsystems kam jetzt der Krieg. Wir NEOS erwarten ja einmal nicht viel, aber dass die Frauen und Kinder ein Dach über dem Kopf haben und ausreichend Geld, um Essen zu kaufen; Herr Amesbauer, um mehr geht es hier einmal nicht, nur um dieses Minimum. Gut.

Die Unterbringung hat vonseiten des Innenministeriums gar nicht geklappt, dort konnte man froh sein, dass Private – die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung war hier enorm – ausgeholfen haben. Das Innenministerium hätte das aufgrund des Desinteresses davor an diesem Thema nicht geschafft.

Essen – Essen klappt auch nicht. Die Grundversorgung ist zu gering, als dass die Mütter sicher sein könnten, dass sie am nächsten Tag ausreichend Essen für sich und ihre Kinder haben. Wir sind in der beschämenden Situation – und das höre ich seit den ersten Kriegswochen von den Betroffenen, von den Helfern, die versuchen, das dysfunktionale Agieren unserer Regierung auszumerzen –, dass es nicht funktioniert, dass da schnell genug Geld ankommt. Der Innenminister, den ich gleichzeitig im Fernsehen reden höre, meint, alle, die Hilfe brauchen, bekommen Hilfe.

Jetzt kommt eine kleine Besserung: Die Erhöhung der Tagessätze – seit Jahren gefor­dert – ist eine Anpassung, seit 2016 wurde nichts gemacht, und ist durch diese Inflation in wenigen Monaten wahrscheinlich schon wieder applaniert. Es ist daher gut, dass heu­te den Frauen beziehungsweise Kindern endlich die Familienbeihilfe gewährt wird.

Es ist aber nicht eine schnelle Hilfe, wenn im Monat vier etwas getan wird. Es sind hier viel zu viele Frauen und Kinder in Notlagen geraten. Ich finde es beschämend, aber ich zwinge mich jetzt dazu, dass ich dazu auffordere, auch die KollegInnen und alle, die in den Genuss der nicht treffsicheren Entlastungsboni wegen der Teuerung kommen, weil die mit der Gießkanne verteilt werden, und sich eigentlich nicht als redliche Empfänger sehen, zu spenden, nämlich für (eine blaue Tafel mit der gelben Aufschrift „cards-for-ukraine.at“ in die Höhe haltend) cards-for-ukraine. Das ist eine Initiative, die nach Notla­ge priorisiert, insbesondere Müttern hilft, die weiterhin nicht wissen, wie sie in den nächs­ten Tagen ihre Kinder in Österreich ernähren sollen – sie sind aus der Ukraine geflohen, haben hoffentlich zumindest ein Dach über dem Kopf und sollen da unterstützt werden. (Beifall bei den NEOS.)

Ich erwarte mir, Herr Innenminister, dass, wenn wir im September das nächste Mal hier über dieses Thema reden, ich dieses Schild nicht noch einmal mitbringen muss. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

17.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Friedrich Ofenauer. – Bitte.


17.22.25

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Mit dieser sogenannten 15a-Vereinba­rung, einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, passen wir die Kostenhöchst­sätze für die Unterbringung und Verpflegung an. Damit soll die Grund- und Erstversor­gung für Geflüchtete aus der Ukraine sichergestellt werden.


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Natürlich kann man diese Maßnahme unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Die FPÖ hat ihre Position im Fremdenwesen, wird sie wahrscheinlich auch nicht mehr ändern, sie polemisiert und emotionalisiert in diesem Bereich aber, ohne Lösungen zu haben.

Wir sehen diese Maßnahme als einen Ausdruck der Solidarität mit den Geflüchteten, aber auch mit den Bundesländern, die jetzt schon höhere Beiträge bezahlt haben. Wir reagieren damit auch auf die aktuelle Teuerung und auf die Ukrainekrise. Die Bundes­länder ihrerseits können diese Vereinbarung nun in den Landtagen beschließen.

Aber, meine Damen und Herren, der Ukrainekrieg betrifft mit seinen Auswirkungen mitt­lerweile viele, wenn nicht gar alle Lebensbereiche. Man muss schon auch feststellen, dass eine vernetzte Welt, eine globalisierte Welt im Allgemeinen Grundlage für Wohl­stand und eine positive wirtschaftliche Entwicklung ist, man sieht aber auch, wie ver­letzlich eine solch vernetzte Welt in einem Fall wie dem Angriffskrieg in der Ukraine ist.

Wir haben aber ein Konzept, ein Konzept, um darauf zu reagieren, das wir wieder mehr ins Bewusstsein rücken müssen, nämlich die sogenannte umfassende Landesverteidi­gung: die wirtschaftliche, die militärische, die zivile und die geistige Landesverteidigung.

Es ist so, wie es Kollege Bürstmayr bereits ausgeführt hat: Die Menschen in der Ukraine konnten sich wahrscheinlich auch nicht vorstellen, dass sie einmal flüchten müssen. Und genauso haben wir auch das Gefühl und das Bewusstsein für Bedrohungslagen, welcher Art auch immer, weitgehend verloren.

Deswegen denke ich, dass wir die geistige Landesverteidigung, dieses Bewusstsein für Bedrohungslagen, welcher Art auch immer, wieder mehr ins Zentrum, wieder mehr in den Mittelpunkt rücken müssen und damit unsere Widerstandskraft – in welcher Art von Krise auch immer – stärken müssen.

Krisenbewältigung gelingt, denke ich, am besten noch mit guten alten Werten. Da wäre einmal die Vorsorge als ein Ausdruck der wirtschaftlichen Landesverteidigung, aber vor allem auch Selbstständigkeit und Solidarität als ein Ausdruck der zivilen Landesverteidi­gung.

Mit dieser 15a-Vereinbarung, die wir heute mit breiter Mehrheit beschließen werden, set­zen wir ein Zeichen für eine solche Solidarität. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

17.25


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.25.26

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist schon von fast allen, zumindest von den unterstützenden Parteien gesagt worden: Wir begrüßen es nicht nur und freuen uns, dass das endlich auf dem Tisch liegt und dass mit der 15a-Vereinbarung die Gebühren für Grundsicherung und Erstversorgung erhöht werden.

Ich habe keine Ahnung, ich weiß nicht, ob das irgendjemand von Ihnen weiß, wie lange es nach Beschlussfassung dauern wird, bis die Betroffenen davon profitieren werden. Ich gehe davon aus, so wie es in Österreich üblich ist, mindestens ein paar Wochen; ein paar Wochen können zwischen zwei und acht Wochen sein.

Je schneller, umso besser – nach vier Monaten Verhandlung ist es mehr als an der Zeit, dass den Menschen geholfen wird, denn wir haben in den letzten drei Tagen immer über die Teuerungen und darüber, was nicht alles teurer geworden ist, gesprochen. Ich neh­me an, Sie haben auch die Flüchtlinge, die bei uns untergekommen sind, mitgemeint, denn die trifft es genauso, doppelt und dreifach. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 181

Was auch sehr begrüßenswert ist und was ich hier erwähnen möchte, ist, dass dieser Beschluss rückwirkend, und zwar ab März 2022, gelten wird, also seit der Verkündung, dass es erhöht werden wird, und das ist nicht zu unterschätzen und verdient Anerken­nung.

Herr Bundesminister, die Sozialdemokratie ist immer schon der Meinung gewesen: Inte­gration ab Tag eins. Das gilt auch für die Ukrainerinnen und Ukrainer, obwohl das ganze Land geglaubt hat, die Menschen kommen, fahren wahrscheinlich aber in zwei bis drei Wochen wieder zurück, weil der Krieg nicht so lange dauert. Ich weiß nicht, woher dieses Ansinnen gekommen ist – ich habe auch dazugehört, ich hatte mir auch gedacht, das ist ein Paar-Tage-Krieg und die Leute kommen, finden Schutz und fahren wieder. Dem ist nicht so.

Heute stehen wir da und keiner von uns, kein Experte, kein Militärexperte, kein Stratege weiß, wie lange dieser Krieg dauern wird. Das heißt, die Menschen werden länger hier­bleiben. Das ist ein Thema, eine Herausforderung, die den Arbeitsmarkt, die Integra­tionsministerin, den Gesundheitsminister, den Bildungsminister, also nahezu alle betrifft.

Meine Bitte: Warten Sie nicht wieder bis September, Oktober, sagen Sie nicht: Schauen wir einmal, machen wir es im Herbst!, sondern setzen Sie sich zusammen und überlegen Sie, wie wir den Menschen ihren Aufenthalt hier so gut wie möglich gestalten, ermögli­chen, Chancen bieten können, denn sie sind auch für unsere Wirtschaft, für unsere Volkswirtschaft eine Chance. Als solche müssen wir sie begreifen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich weiß, das gehört nicht zu Ihrem Ministerium dazu, aber die Frau Integrationsmi­nisterin hat mit dem Herrn Finanzminister über 50 Millionen Euro für Sprachkurse aus­verhandelt, die sind geparkt. Und ich glaube, es ist mehr als an der Zeit, dass dieses Geld dafür verwendet wird, die Leute Deutsch lernen zu lassen, Qualifikationen erwer­ben zu lassen, und so weiter. – Sagen Sie es ihr bitte (in Richtung Bundesminister Kar­ner), denn ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen! (Beifall bei der SPÖ.)

17.29


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Gerhard Karner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


17.29.30

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordne­ten! Ich habe mich bei diesem Tagesordnungspunkt auch noch kurz zu Wort gemeldet, weil ich mich herzlich bedanken möchte. Ich bedanke mich für die signalisierte breite Zustimmung zu dieser Zusatzvereinbarung zur Grundversorgungsvereinbarung nach Ar­tikel 15a.

Das gibt mir Gelegenheit, noch einmal kurz einen Blick zurück zu machen auf das, was hier in den letzten Monaten in Österreich passiert ist: Am 24. Februar hat dieser Wahn­sinn Putins mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen, und nur wenige Tage da­nach haben die europäischen Innenministerinnen und Innenminister die Richtlinie tem­porärer Schutz in Kraft gesetzt, und auch wiederum nur kurz danach wurde das auch auf österreichischer Ebene entsprechend umgesetzt.

Mittlerweile sind 78 000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine erfasst, 72 000 Ausweise sind ausgestellt und 8 400 Beschäftigungsbewilligungen wurden durch das AMS erteilt. An dieser Stelle möchte ich wirklich ausdrücklich ein Dankeschön sagen: Danke an die Länder, danke an die Gemeinden, danke an viele Vereine, Hilfsorganisationen, die Zivil­gesellschaft, die in diesen letzten Wochen und Monaten so Großartiges geleistet ha­ben, Frau Abgeordnete Krisper, ich möchte das ausdrücklich sagen. (Abg. Krisper: Aber


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 182

es ... Staat, der ... trotzdem!) Das ist nicht beschämend, sondern ich finde es großartig, was hier in Österreich für diese Vertriebenen aus der Ukraine getan wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Ihnen allen vielen herzlichen Dank dafür!

Zur Grundversorgung: Es sind derzeit – ich habe das auch schon im Innenausschuss klar­gelegt – rund 88 000 Personen in der Grundversorgung, und davon sind circa 57 000 Kriegs­vertriebene aus der Ukraine, vor allem Frauen und Kinder. Ich möchte an dieser Stelle, weil ich auch den Dank an die Hilfsorganisationen angesprochen habe, ebenfalls ein ausdrückliches Danke dem Flüchtlingskoordinator Generalmajor Michael Takacs sagen, der gemeinsam mit den Ländern, mit den Hilfsorganisationen exzellente Arbeit geleistet hat, als es darum ging, dass er eben eine neue Position einnehmen musste. Es gab innerhalb der Hilfsorganisationen großes Bedauern, dass er diese Arbeit nicht mehr ma­chen wird, aber ich bin sehr dankbar, dass Mag. Achrainer das jetzt übernommen hat. Also: Danke, Generalmajor Michael Takacs, und danke, Mag. Achrainer, für diese Arbeit als Flüchtlingskoordinator! Vielen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieser heutigen Grundsatzvereinbarung sind intensive Gespräche vorausgegangen, viele von Ihnen wissen das. Es hat zwei LandesflüchtlingsreferentInnenkonferenzen ge­geben, und zwar am 30. März und am 10. Mai, in denen intensivst auch darüber beraten wurde, wie diese Tarife angepasst werden sollen, damit – und die trifft es ja in erster Linie, Herr Abgeordneter Amesbauer – die Hilfsorganisationen, die die Flüchtlinge und Vertriebenen betreuen, auch entsprechend zu ihrem Geld kommen und diese auch un­terstützen können. Das sind nämlich letztendlich diejenigen, die auch am meisten davon profitieren. Wie die Tarife rückwirkend mit 1. März erhöht werden, wurde ja bereits von den Vorrednerinnen und Vorrednern auch entsprechend skizziert.

Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen. Ein weiterer zentraler Punkt der Zusatzver­einbarung ist auch die Pauschale für die Ankunftszentren, wo wir von der Bundesseite den Ländern auch klar gesagt haben, dass wir da 100 Prozent übernehmen werden, und wir haben uns da auf 190 Euro pro Vertriebenem als pauschale Abgeltung durch den Bund für die Kosten in den Ankunftszentren geeinigt. Am 8. Juni war die Verabschiedung im Ministerrat und heute sage ich eben ein Danke für diese breite und deutliche Zu­stimmung zu dieser wichtigen Zusatzvereinbarung.

Mein Dank gilt auch ganz besonders den Landeshauptleuten in den Bundesländern, die bereits alle diese Zusatzvereinbarung unterfertigt haben, sodass die erhöhten Tarife, wie gesagt, rückwirkend mit 1. März auch entsprechend ausgezahlt werden können. – Vie­len herzlichen Dank dafür! – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Philipp Schrangl gemel­det. – Bitte.


17.33.57

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, Sie brauchen sich nicht bei den Landeshaupt­leuten zu bedanken, sondern die Landeshauptleute werden sich bei Ihnen bedanken, denn das, was Sie hier machen, ist nämlich eine extreme Ausschüttung an die Landes­hauptleute, denn das sind nämlich die, die wahrscheinlich am meisten davon profitieren werden – und natürlich auch die Organisationen, so wie Sie das richtig gesagt haben – (Bundesminister Karner: 60 : 40, Herr Abgeordneter!) ja, 60 : 40, genau, aber damit er­höht es sich auch für die Landeshauptleute –, und es ist nicht so, wie meine Vorredner hier oft behauptet haben, dass den Flüchtlingen geholfen wird.


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Natürlich setzt sich auch die Freiheitliche Partei dafür ein, dass Menschen, die in Europa vom Krieg bedroht sind, hier in Österreich Schutz und Hilfe gewährt wird, aber man muss schon einmal eines festhalten: Die Österreicherinnen und Österreicher stöhnen extrem unter der Teuerung, und Politiker in Deutschland und in Österreich werden nicht müde, Österreicherinnen und Österreichern Einsparungspotenziale aufzuzeigen: Ich habe nur noch drei Kleider statt acht!, und Co. – Flüchtlingen hingegen, auch wenn es Ukrainer sind, gibt man keine Spartipps, denen erhöht man die Leistungen um 20 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, laut Auskunft der Statistik Austria ist die Infla­tion für diese Leistungen seit der letzten Erhöhung 2016 um 19,2 Prozent gestiegen, und diese Bundesregierung erhöht diese Leistungen um 20 Prozent. Jetzt, meine lieben Ös­terreicherinnen und Österreicher, können Sie sich vorstellen, wem diese Regierung aus Schwarz und vor allem Grün wahrscheinlich – aber die ÖVP macht mit – verpflichtet ist: Sie ist anscheinend nicht den Österreicherinnen und Österreichern verpflichtet, sondern anderen Menschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man – und Frau Kollegin Rendi-Wagner und Kollege Leichtfried haben sich zu Recht darüber aufgeregt – den Ärmsten der Armen in Österreich das Schulstartgeld von 100 auf 80 Euro kürzt, eine Sozialleistung kürzt, aber woanders keine Einsparungstipps gibt, den Flüchtlingsorganisationen keine Einsparungstipps mit auf den Weg gibt, son­dern deren Budgets fett erhöht, dann sehen Sie auch, wem diese Bundesregierung ver­pflichtet ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

17.36


Präsidentin Doris Bures: Es liegt mir jetzt eine weitere Wortmeldung vor, und zwar von Frau Abgeordneter Yılmaz. – Bitte, Frau Abgeordnete Yılmaz, ich erteile Ihnen das Wort. (Abg. Stögmüller: Jetzt kriegen wir eine Brandrede!)


17.36.48

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Schrangl, Sie verdienen 5 000 Euro netto (Abg. Stögmüller: Noch viel, viel mehr! Viel, viel mehr!) und sind es den Flüchtlingen neidig, dass Leistungen für sie von 21 Euro pro Tag auf 26 Euro erhöht werden. Schämen Sie sich! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stögmüller: Der verdient viel, viel mehr!)

Sie verdienen mehr? Es ist wurscht, aber für diesen Platz hier verdienen Sie 5 000 Euro netto. (Abg. Stögmüller: Mindestens! Mindestens! – Abg. Stefan: Und was verdienen die Mindestpensionisten? Warum kriegen die nicht mehr? Es geht doch um die Unge­rechtigkeit! – Abg. Matznetter: Aber der Herr kann nicht einmal ...!) – Ja, ja, aber warum vergleichen Sie? (Abg. Stefan: Es geht doch um die Ungerechtigkeit! Es gibt immer je­manden, der mehr verdient! Das ist doch kein Argument!) Warum vergleichen Sie immer mit jenen Menschen, die noch weniger haben? Haben Sie es geschafft, all die Kürzun­gen, die Sie bei den MindestpensionistInnen durchgeführt haben, die Kassen- - (Abg. Schrangl: Wir haben es erhöht!) – Nein, haben Sie nicht! (Ruf bei der FPÖ: O ja!) Keinen Groschen mehr haben sie bei Ihnen bekommen, sie müssen sich alles selbst bezahlen. (Abg. Stefan: Dann sagen Sie besser nichts, wenn Sie nicht aufpassen!) Durch Sie hat hier in Österreich keine Mindestsicherungsbezieherin und kein Mindestsicherungsbezie­her mehr bekommen als irgendwo sonst. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38


17.38.04

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet.

Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ein Schlusswort wünscht. – Das ist nicht der Fall.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in den Abstimmungsvorgang eintre­ten, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mir in der Zwischenzeit das Stenographische Protokoll des Tagesordnungspunktes 3, das war die Debatte zum Familienlastenaus­gleichsgesetz, habe übermitteln lassen. Bei dieser Debatte kam es zu einem regelrech­ten – sagen wir einmal – Zwischenrufgewitter, und daher war es vom Präsidium her nicht möglich, die Zwischenrufe auch tatsächlich akustisch wahrzunehmen.

*****

Nach Prüfung des Stenographischen Protokolls erteile ich aber nun Herrn Abgeordneten Michael Hammer für seinen frauenfeindlichen Zwischenruf in Richtung einer weiblichen Abgeordneten: „Schon wieder hysterisch!“, einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und Grünen sowie der Abg. Krisper.)

17.39.12

17.39.13*****


Präsidentin Doris Bures: Und nun frage ich, ob wir abstimmen können. – Ich bekomme Zustimmung signalisiert.

Wir kommen zu den Abstimmungen. (Unruhe im Saal.) Können wir zu den Abstimmun­gen kommen?

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegen­heiten, den Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz in 1584 der Beilagen zu genehmigen.

Wer spricht sich für diese Genehmigung aus? – Das ist mit Mehrheit so genehmigt.

17.40.0127. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1527 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Unterbringungsgesetz, das Sicherheitspolizeigesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Notariatsordnung geändert werden (Unter­bringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022) (1561 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 27. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Alma Zadić zu dieser Debatte im Hohen Haus.

Ich erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Agnes Sirkka Prammer das Wort. – Bitte.


17.40.41

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben ein Gesetz hier vor uns liegen, für das es einen sehr traurigen Anlassfall gab. Ich glaube, den meisten, die hier sitzen, ist er als Schlagwort noch bekannt: der Fall Brunnenmarkt. – Das war ein sehr tragischer Mordfall.

Die Umstände, die dazu geführt hatten, waren so dramatisch und so einschneidend, dass wirklich gleich und richtig reagiert wurde. Was nämlich dazu geführt hat, war nicht, dass eine psychisch kranke Person dafür verantwortlich war, es war nicht, dass sie keine Unterkunft hatte, es war nicht, dass sie keine Beschäftigung hatte, es war nicht, dass sie keine Vertretung hatte, sondern es war das Zusammenwirken all dieser Umstände, und


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es war vor allem die mangelnde Kommunikation all der Stellen, die in diesen Fall invol­viert waren.

Genau das hat man sich dann angeschaut: Es wurde eine Kommission eingesetzt, es wurde eine Aufarbeitung vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie durchgeführt. Es wurde dann eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und in dieser Arbeitsgruppe waren wirk­lich sämtliche relevanten Stakeholder vertreten: Da war die Psychiatrie eingebunden, da waren die Patientenanwaltschaften eingebunden, da war die Justiz eingebunden, die Wissenschaft. Es waren auch Betroffene eingebunden, solche, die Psychiatrieerfahrung hatten, aber auch Angehörige. Es waren die sozialen Dienste eingebunden. Es wurde da wirklich, ich möchte fast sagen, ein mustergültiger Prozess aufgesetzt, und das Er­gebnis haben wir jetzt hier. Das Ergebnis ist, dass es institutionalisierte Kommunika­tionswege gibt. Es gibt Kommunikation bei der Entlassung aus einer Unterbringung, die ja eigentlich nur eine Akutsituation beenden soll und nur die Gefährdung in einer Akut­situation betrifft.

Dieses Gesetz, das wir hier jetzt haben, stellt sicher, dass so etwas nicht mehr passieren kann, dass eine Person nicht mehr aus der Unterbringung entlassen wird und dann auf der Straße steht, weil einfach niemand weiß, wie es um die soziale Situation dieser Per­son bestellt ist.

Kann dieses Gesetz hundertprozentig verhindern, dass solche Fälle wieder passieren? Wahrscheinlich – man muss so ehrlich sein – wird man das niemals sagen können. Was aber sicher nicht passieren kann, wenn dieses Gesetz eingehalten wird, wenn die Kom­munikationswege in diesem Gesetz eingehalten werden, ist, dass niemand merkt, dass die Person obdachlos ist, dass niemand merkt, dass sich niemand um die Betreuung dieser Person kümmert, dass niemand merkt, dass diese Person ohne ein gesichertes Einkommen ist, und dass all diese Umstände nicht berücksichtigt werden, wenn so ein Mensch alleine auf der Straße steht, alleingelassen mit seiner psychischen Erkrankung. Es wird dazu führen, dass man einen Platz für ihn sucht. Es wird dazu führen, dass allenfalls eine Erwachsenenvertretung bestellt wird, die sich dann um die weitere psychi­sche Gesundheit, also um die Behandlung seiner psychischen Erkrankung kümmern kann, die die Vorkehrungen treffen kann. Alleine das wird die Situation wesentlich ver­bessern. Es wird die Sicherheit verbessern, aber es wird auch die Situation der psy­chisch kranken Menschen erheblich verbessern.

Vielen Dank für dieses Gesetz. Ich ersuche hier wirklich um breite Zustimmung, weil damit nach einem gut aufgesetzten Prozess ein Missstand behoben und zum Besseren gewandt wird. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.44


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


17.44.45

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministe­rin! Hohes Haus! Ich kann dem Appell meiner Vorrednerin, Frau Abgeordneter Prammer, Folge leisten, indem ich sage, die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion ist zu dem vorliegenden Gesetzesvorschlag gegeben. Wir finden das auch wichtig, aufgrund des wirklich sehr tragischen Vorfalls – das war im Mai 2016 am Brunnenmarkt –, dass ein verwirrter 21-jähriger obdachloser Mann eine Frau völlig grundlos mit einer Eisen­stange getötet hat.

Es wurde diese Sonderkommission, die angesprochen wurde, eingesetzt – ich brauche es nicht zu wiederholen –, es gab 25 Arbeitsgruppensitzungen über einen Zeitraum von August 2018 bis April 2019. Ich möchte mich ganz ausdrücklich hier an dieser Stelle bei diesen Expertinnen und Experten für die Zeit und die Expertise bedanken, die sie in Form eines Berichts und dann in Form von mehreren Vorschlägen dem Parlament über das Justizministerium zur Verfügung gestellt haben.


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Es geht wie gesagt im Grunde genommen um Mängel in der Struktur. Wir haben sehr viele geeignete Einrichtungen, Behörden, Institutionen, aber die Zusammenarbeit funk­tioniert offensichtlich nicht gut, und dadurch konnte die Tat nicht verhindert werden. Da­durch ist es passiert, dass eine Gefährdungseinschätzung nicht richtig erfolgt ist.

Wir finden es auch wichtig, dass diese Zuständigkeiten nun einmal explizit niederge­schrieben werden und dass auch der Austausch der Informationen gewährleistet wird. Wir haben gemerkt, dass die Datenschutz-Grundverordnung sehr viele Unsicherheiten ausgelöst hat. Ich glaube, es ist wichtig, den AnwenderInnen da klare Regeln zu geben.

Uns wurde aber auch ganz deutlich vor Augen geführt, dass die psychiatrische und psy­chologische Versorgung in Österreich bei Weitem nicht optimal ist. Psychisch kranke Menschen bekommen leider nicht die bestmögliche Unterstützung, mit der viele Folge­probleme verhindert werden könnten. Die häufige Erfolglosigkeit des aktuellen Unter­bringungsverfahrens steht demnach in engem Zusammenhang mit den eingesparten Ressourcen im Bereich der Psychiatrie. Daher sollte uns klar sein, dass wir die erforder­lichen Ressourcen zur Verfügung stellen müssen.

Insofern lautet mein abschließender Appell, bei der psychologischen Versorgung in Ös­terreich für Verbesserungen zu sorgen. Es ist hoch an der Zeit, und ich hoffe, dass wir diesen Schritt auch bald gehen werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen.)

17.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Herr Abgeordneter, Sie können jetzt zum Rednerpult schreiten.


17.47.46

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ja, auch wir werden hier zustimmen. Es ist der klassische Fall einer Anlassgesetzgebung. Es wird immer behauptet, es soll keine Anlassgesetzgebung geben, aber man sieht, in Wahrheit ist das sowieso unrichtig. Es gibt ständig Anlassge­setzgebung und es ist auch nicht schlecht.

Auch in diesem Fall sieht man: Es gab diesen tragischen Mord im Jahr 2016 in Ottakring, und das hat dazu geführt, dass man festgestellt hat, dass ein Behördenversagen ganz wesentlich dafür mitverantwortlich war, abgesehen davon, dass natürlich immer der Täter verantwortlich ist und nicht andere Personen. Es gab aber sehr viele Fehler bei den Behörden. Das hat man jetzt aufgearbeitet, und es wurden hier einige Gesetzesän­derungen vorgelegt, die Lücken schließen sollen. Es wurde richtigerweise auch schon gesagt, dass es natürlich keine Garantie dafür gibt, dass so etwas nicht mehr passiert, das ist nun einmal so, aber es soll halt besser werden.

Ja, wir sehen auch, dass die Ansätze richtig sind. Die Kommunikation und Kooperation sollen verbessert werden. Das wird jetzt auch gesetzlich geregelt. Es gibt auch jetzt eine einfachere Möglichkeit der Unterbringung ohne Verlangen und einen größeren Pool an Ärzten. Es wird auch damit nicht alles gelöst sein, aber immerhin sind es gute Ansätze.

Ein Aspekt aber, der in dieser Untersuchungskommission interessanterweise nicht be­handelt wurde, ist jener, der den Täter selbst betrifft. Dieser Täter ist 2008 aus Kenia mit einem Visum nach Österreich eingereist, war also innerhalb kürzester Zeit illegal hier aufhältig. Er hat zahlreiche strafrechtliche Delikte begangen, war aber acht Jahre lang hier in Österreich, ohne abgeschoben zu werden. Man hat also seine Staatsbürgerschaft gekannt und gewusst, er war illegal hier. Es ist jetzt kein Fall eines Asylanten, den man nicht in sein Heimatland zurückschicken kann oder Ähnliches, sondern er ist schlicht und einfach nicht abgeschoben worden, obwohl er kriminell war, obwohl man gewusst hat, dass er gefährlich ist. Dieser Aspekt ist hier überhaupt nicht berücksichtigt worden. Das


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ist eine kleine Schwachstelle, weil ja das fast der wesentlichste Grund wäre. Wäre er nicht da gewesen, wäre das ganze andere Behördenversagen auch nicht mehr relevant gewesen.

In Summe wird es sich in der Praxis weisen, wie sehr wir die Lücken gefüllt haben. Wir stimmen aber zu, weil wir erkannt haben, es ist da wirklich sehr nüchtern aufgearbeitet worden. Es war eine Zusammenarbeit von vielen Organisationen, und wir hoffen, dass dadurch etwas besser wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.50


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Corinna Scharzenber­ger. – Bitte.


17.50.26

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Manchmal ist zuhören wichtiger als selber reden, und genau das haben wir jedenfalls mit dem vorliegenden Reformentwurf zum Unterbrin­gungsgesetz bewiesen. Gemeinsam mit einer Sonderkommission und mit 25 weiteren Arbeitsgruppen haben wir über mehrere Jahre an einem starken Gesetzentwurf gearbei­tet, der praxisorientiert Strukturdefizite bei der Unterbringung beheben soll, denn gerade bei einer Anhaltung von Patienten in einem geschlossenen Bereich oder bei sonstigen Bewegungseinschränkungen ist es wichtig, dass es ein klares Regelwerk gibt, und ge­nau das liegt uns heute vor.

Es gibt jetzt einerseits endlich eine datenschutzrechtliche Grundlage, um Informationen über Identität, Krankheit und Betreuungsbedarf innerhalb der Behörden auszutauschen, denn im Falle einer Unterbringung müssen die einzelnen Akteure auch miteinander kom­munizieren können. Genau das war ja auch der Grund für den Anlassfall am Brunnen­markt, von dem wir heute schon gehört haben, bei dem ein geistig verwirrter obdachloser Mann ohne ersichtlichen Grund eine Passantin mit einer Eisenstange erschlagen hat. Andererseits gibt es jetzt auch eine ganz klare Zuständigkeitsabgrenzung aller Akteure.

Mit Fachleuten haben wir uns ganz genau angeschaut, wo bisher Defizite bestanden haben. Wir haben mit Praktikern und mit Anwendern des Unterbringungsgesetzes viele Gespräche geführt, um herauszufinden, was verbesserungswürdig ist. Aus diesem Grund gibt es jetzt im Gesetz eine genaue Auflistung, wer bei der Unterbringung über­haupt eine Rolle spielt; noch dazu ist definiert, welche Rolle das auch genau ist. Egal ob Polizei, Rettung, Richter, Fachärzte oder Erwachsenenschutzrichter, jeder muss wissen, wo seine Zuständigkeit liegt und wo diese auch endet.

Apropos Ärzte: Die Unterbringung ist zwar eine Amtshandlung der Polizei, aber unsere Exekutivbeamten sind gleichzeitig auf die Mithilfe von Ärztinnen und Ärzten angewiesen. Deshalb fällt natürlich der extreme Ärztemangel bei der Unterbringung auch bei uns im ländlichen Raum so stark ins Gewicht. Wenn ich da an meinen Bezirk denke, den Bezirk Liezen: Wir haben nicht einmal einen Amtsarzt. Ich brauche also, glaube ich, nicht aus­zuführen, dass mit der Unterbringung teilweise ein ganzer Dienst in Anspruch genom­men wird, wenn man zuerst ewig warten muss, bis einer der wenigen Ärzte kommt, und man dann den langen Weg von der Obersteiermark nach Graz auf sich nehmen muss. Deshalb kann der Landeshauptmann in Zukunft zusätzliche Ärzte ermächtigen, die un­tersuchen und bescheinigen, dass die Voraussetzungen einer Unterbringung vorliegen.

Wenn ich schon bei meinem Bezirk Liezen bin: Eine Besonderheit ist eben auch die Distanz zur nächstgelegenen psychiatrischen Anstalt. An dieser Stelle gebührt den Poli­zistinnen und Polizisten ein großer Dank, nämlich dafür, dass sie den Spagat zwischen der Amtshandlung nach Unterbringungsgesetz, wenn sie aus dem Bezirk Liezen nach Graz fahren müssen, und gleichzeitig auch der Gewährleistung der Sicherheit im Bezirk schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Sicherheit ist und bleibt ein Grundbedürfnis für uns. Auch die Leute am Land müssen die Garantie haben, dass die Polizei zur Stelle ist, wenn man sie braucht. Es ist deshalb unsere Aufgabe vonseiten der Politik, dafür zu sorgen, dass unsere Exekutivbeamten nicht aufgrund von irgendwelchen Strukturdefiziten von ihrer eigentlichen Arbeit abge­halten werden.

Genau der vorliegende Entwurf ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir die Leute fragen sollen, die sich auskennen, um dann gemeinsam ein starkes und effektives Reformpaket auf den Weg zu bringen. Ich bitte daher um Zustimmung. – Vielen herzlichen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


17.54.57

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das Unterbringungsrecht ist jetzt 32 Jahre alt. Vorher war die Unterbringung psychisch kranker Menschen mit Eigengefährdungspotenzial oder Fremdgefährdungspotenzial ein rechtsfreier Raum, vielleicht erinnert sich die eine oder andere noch daran. Das waren recht dunkle Zeiten, als diese Menschen teilweise rechtlos weggesperrt worden sind, in Anstalten mit Türen, die keine Türschnallen hatten. Das alles ist jetzt Vergangenheit. Seit 1990 gibt es das Unterbringungsrecht, das das Verfahren regelt, wie und auf welcher Basis Menschen, die eben ein Fremd- oder Eigen­gefährdungspotenzial haben, in ihrer Freiheit beschränkt werden können, indem sie eben in psychiatrischen Anstalten angehalten werden.

Jetzt stehen wir vor einem Reformpaket dieses Unterbringungsrechtes, das durchaus zu begrüßen ist. Das Gesetz wird neu strukturiert, wird übersichtlicher, wird deutlich besser. Der Rechtsschutz für die Unterzubringenden wird noch weiter ausgebaut. Aus meiner Sicht besonders erwähnenswert ist der Umstand, dass es in Hinkunft bei der Unterbrin­gung auf Verlangen nicht mehr möglich ist, dass diese in Vertretung erfolgt. Das kann nur mehr eine eigenberechtigte Person selber in Schriftform erklären. Das ist ein Fort­schritt und zu begrüßen, wie auch das von den VorrednerInnen bereits angesprochene Vernetzen der einzelnen Stellen sehr, sehr wichtig ist. Jeder Erwachsenenvertreter hier im Raum wird das begrüßen, weil natürlich immer das Problem besteht: Jemand wird aus der Unterbringung entlassen – was tut man da, wenn man ganz genau weiß, dieser Mensch ist hilfsbedürftig? Das sind also Standards, die dahin gehend geschaffen wer­den, wie wir mit psychisch kranken Menschen umgehen, die auf der Höhe der Zeit sind und die entsprechen.

Ich muss aber auch heute wieder den Anlass ausnutzen, Frau Bundesministerin, und auf das Thema Maßnahmenvollzug zu sprechen kommen, weil da eben genau diese Standards fehlen, weil diese Standards bei Weitem fehlen. Das ist aber eine ganz ähnliche Konstellation: Wir haben es mit psychisch kranken Menschen zu tun, die fest­gestelltermaßen ein Fremdgefährdungspotenzial haben und die Anspruch darauf haben, dass sie die gleichen Rechte bekommen, den gleichen Rechtsschutz bekommen, indem eine Verlängerung an das Gutachten von zwei Sachverständigen gebunden ist, wie das im Unterbringungsrecht vorgesehen ist. All das fehlt im Maßnahmenvollzug.

Frau Bundesministerin, ich appelliere neuerlich an Sie: Wir haben derzeit wieder 1 460 Men­schen, jetzt in diesem Moment, im Maßnahmenvollzug. Das sind psychisch kranke Men­schen, die wie psychisch kranke Menschen und nicht wie Strafgefangene behandelt wer­den müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 189

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin Zadić.


17.58.09

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Ab­geordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Im Mai 2016 hat uns ein tragisches Ereignis erschüttert. Ein 21-jähriger, geistig verwirrter, obdachloser Mann hat am Brun­nenmarkt in Wien Ottakring ohne ersichtlichen Grund eine Passantin mit einer Eisen­stange erschlagen. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde eine Sonderkommis­sion eingerichtet. Diese hat das Ereignis unter die Lupe genommen und hat leider ziem­lich beunruhigende Versäumnisse festgestellt.

Es wurden daher für das Unterbringungsrecht relevante Empfehlungen ausgesprochen. Es wurde zum Beispiel gesagt, dass es die Schaffung klarer Verantwortlichkeit braucht, ohne dass zwischen den Institutionen ein Kompetenzvakuum entsteht, und dass es auch dringend Verbesserungen der Informationsflüsse benötigt.

Aufgrund dieser Empfehlungen hat das Justizministerium gemeinsam mit dem Gesund­heitsministerium und gemeinsam mit dem Innenministerium das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie mit der Erstellung einer Studie beauftragt, um eine evidenzbasierte Grundlage für die Reform dieses Unterbringungsgesetzes zu liefern. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das Irks hat auch unter breiter Einbindung von ExpertInnen, von ärztlichem Personal, von Richterinnen und Richtern, von der Patien­tenanwaltschaft einen entsprechenden Bericht erstellt.

Auf Basis der Arbeit der Sonderkommission und der Arbeitsgruppe und der entstande­nen Studie haben wir im Justizministerium eine umfangreiche Problemanalyse vorge­nommen und aufgrund dieser eine umfassende und umsichtige Reform des Unterbrin­gungsgesetzes erarbeitet. Damit erreichen wir genau das, was uns auch empfohlen wurde: strukturelle Verbesserungen, klare Regelungen und eine patientengerechtere Unterbringung vor allem auch für Kinder und Jugendliche. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte hier an dieser Stelle einige wichtige Details dieser Reform darlegen: Im Zuge der Arbeiten an der Reform hat sich gezeigt, dass Missverständnisse unter den Akteuren und Akteurinnen und Informationsverluste zu falschen, gefährlichen und unbefriedigen­den Entscheidungen führen können. Es ist daher eines der wesentlichen Ziele der Re­form, mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

Für jede beteiligte Berufsgruppe ist jetzt – natürlich unter Beachtung der Datenschutz-Grundverordnung – für alle denkbaren Situationen geregelt, wer wem welche Daten zu welchen Zwecken übermitteln darf, übermitteln soll und übermitteln muss. Bisher war es so, dass wir immer wieder feststellen mussten, dass PatientInnen manchmal aus psy­chiatrischen Abteilungen entlassen wurden, obwohl sie nicht wussten, wohin sie sich danach wenden sollen. Jetzt haben wir auch dafür eine Regelung: Jeder Arzt, jede Ärztin muss sich im Zuge der Aufhebung der Unterbringung darum bemühen, eine für den Pa­tienten/die Patientin angemessene soziale und psychiatrische Betreuung zu finden, die für diesen Fall erforderlich ist.

Ebenfalls geregelt ist die Aufgabenverteilung. Ich habe es vorhin schon angesprochen, bisher war keine klare Aufgabenverteilung gegeben. Das ist etwas, das wir zukünftig durch eine bessere Strukturierung der einzelnen Bestimmungen verwirklichen wollen: Welche Aufgaben haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes? Welche Auf­gaben haben die einweisenden ÄrztInnen, die FachärztInnen der psychiatrischen Abtei­lungen?

Wir hatten leider auch das Problem, dass wir zu wenige ÄrztInnen hatten, die eine Ein­weisung veranlassen konnten. Mit dieser Novelle ändern wir das, wir erweitern den Kreis der ÄrztInnen, die das machen können, und außerdem befähigen wir auch die Polizei,


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auf Basis ärztlicher Expertise eine Einweisung vornehmen zu können. Auf diese Weise soll Patientinnen und Patienten unangenehme Wartezeit erspart werden und Eskalatio­nen von Gefahrensituationen sollen vermieden werden.

Ein wichtiger Aspekt der Reform – den ich auch ansprechen möchte, weil mir das ein großes Anliegen ist – ist, dass wir das Unterbringungsgesetz mit der UN-Behinderten­rechtskonvention in Einklang gebracht haben. In Zukunft werden wir weniger über die Patientinnen und Patienten sprechen, sondern mehr mit den Patientinnen und Patienten. Natürlich muss man in der Psychiatrie am Zwang festhalten, aber wir müssen uns darum bemühen, alles daranzusetzen, tatsächlich in jeder Phase der Unterbringung mit der be­troffenen Person zu reden und eine Willensbildung mit der Person zu erreichen, nicht über ihren Kopf hinweg. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die VetreterInnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie beklagen seit vielen Jahren, dass das Unterbringungsgesetz zu wenig auf die besonderen Bedürfnisse der untergebrach­ten Minderjährigen Rücksicht nehme. Dem widmen wir jetzt einen eigenen Abschnitt mit Sonderregelungen für Minderjährige. Wir wollen damit dieser Kritik Rechnung tragen und so die Kinderrechte in den Fokus rücken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Arbeitsgruppen meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Ihre Kompetenz und ihre unterschiedlichen Perspektiven sind in die­se Reform eingeflossen und haben diesen Entwurf erst möglich gemacht. Ein ganz be­sonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizressorts, allen voran Sektionschef Dr. Kathrein und Abteilungsleiter Dr. Barth, die mit ihren Teams intensiv und umsichtig an der vorliegenden Regierungsvorlage gearbeitet haben. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Lassen Sie mich noch eine Sache hervorheben: Diese wichtige, große und umfassende Reform ist leider die letzte Reform, die Sektionschef Dr. Georg Kathrein erarbeitet hat, er wird leider mit Ende des Monats in Pension gehen. Ich bin mir sicher, er schaut jetzt zu: Lieber Georg, deine Umsicht, deine grenzenlose Fachkompetenz, dein Engagement, dein Verhandlungsgeschick und auch insbesondere dein Tiroler Schmäh waren für uns alle eine unglaubliche Bereicherung. Es war mir eine besondere Ehre und eine besonde­re Freude, mit dir gemeinsam arbeiten zu dürfen. Ich möchte dir im Namen des gesamten Justizministeriums herzlich danken, dass du die letzten Jahrzehnte das Justizministe­rium und die Justizpolitik geformt hast. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

18.05


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.


18.05.50

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wertgeschätzte KollegInnen! Sehr geehrte ZuseherInnen auf der Galerie, aber natürlich auch zu Hause! Das Unterbringungsgesetz zu novellieren war, wie Sie inzwischen alle gehört haben, aufgrund des Brunnenmarktfalls dringend nötig. Dafür hat es einen langen Prozess mit sehr, sehr vielen Sitzungen gebraucht. Die Frau Bundesministerin hat richti­gerweise darauf hingewiesen, wie engagiert die MitarbeiterInnen und Sektionsleitungen im Justizministerium gearbeitet haben und dass alle Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind, mitgearbeitet haben, weil es da einen dringenden Novellierungsbedarf gab.

Ich kann zusammenfassend sagen, dass psychisch erkrankte Menschen in Österreich mit einem irrsinnigen Stigma behaftet sind. Menschen ohne psychische Erkrankungen, Menschen ohne Behinderungen haben oft keine Ahnung von der Lebensrealität dieser Menschen, haben Berührungsängste, wissen nicht, wie Sie mit Menschen mit psychi­schen Erkrankungen umgehen sollen, dürfen.


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Ihnen allen sind in den letzten drei Tagen bestimmt die verschiedenen Stationen des Sensibilisierungsworkshops aufgefallen. Im Erdgeschoss beim Eingang war der Stand vom Verein Lichterkette, der gegen die Stigmatisierung von psychisch Erkrankten kämpft. Sie erklären das für uns nicht erkrankte, nicht behinderte Menschen sozusagen in einfacher Sprache, um für uns einen Zugang zu schaffen, damit wir unsere Berüh­rungsängste verlieren. Außerdem zeigen sie, wie wir als Gesellschaft den Umgang mit­einander leben können. Mir ist wichtig, das gerade im Hinblick auf psychisch erkrankte Menschen vorauszuschicken.

Frau Brigitte Heller, die Vorsitzende dieses Vereins, hat vollkommen recht – wir haben heute kurz geplaudert und ich habe erzählt, dass das Unterbringungsgesetz novelliert wird –, wenn sie sagt, dass diese Novelle dringend notwendig ist. Es wurde hier schon mehrfach erwähnt, dass die Änderungen wirklich notwendig waren, deswegen gehe ich gar nicht mehr auf die Details ein. Sie hat auch zu mir gesagt: Wissen Sie, Frau Abgeord­nete, was mich am meisten beschäftigt, ist, dass über psychisch Erkrankte medial sehr, sehr einseitig gesprochen wird. Wir werden als GefährderInnen in der Gesellschaft dar­gestellt und kommen wenn, dann nur in diesem Zusammenhang medial vor.

Sie hat mich ersucht, Ihnen Folgendes mitzugeben, und dem komme ich auch nach: Die Mehrheit der Menschen mit psychischen Erkrankungen ist nicht gefährlich. Ich hoffe, dass einige von Ihnen sich zukünftig diesem Thema viel, viel stärker widmen – nicht nur im Zusammenhang mit der Erwachsenenvertretung, mit der einige von Ihnen, wie ich heute gehört habe, schon Erfahrungen gemacht haben. Ich glaube, wir als Gesellschaft haben die ganz, ganz große Aufgabe, uns diesem Thema viel, viel stärker zu widmen.

Es ist auch der Personalmangel in Psychiatrien bereits angesprochen worden, und auch der Volksanwaltschaftsbericht, der gerade dazu herausgekommen ist, zeigt, dass wir da sehr, sehr viel zu tun haben.

Ich danke der Frau Bundesministerin und dem Justizministerium für die wirklich tolle Novellierung des Unterbringungsgesetzes, durch die die Rechte von psychisch erkrank­ten Menschen gestärkt werden und ihre Stimmen wieder gehört werden. – Danke. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Harald Troch, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


18.09.33

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht gerade um keine einfache und keine leichte Mate­rie, sondern um eine sehr, sehr sensible Materie, die Fragen der Grundrechte und des Datenschutzes berührt.

Was wir zweifellos nicht wollen, ist ein simples Wegsperren in die Psychiatrie, das darf es nicht geben. (Beifall bei der SPÖ.) In diesem Sinn ist der Gesetzentwurf, den wir jetzt beschließen wollen, ein wirklich großer Fortschritt.

Frau Bundesministerin, ich darf Ihnen, vor allem aber dem Team gratulieren. Es ist ja schon länger daran gearbeitet worden, und man hat es sich nicht einfach gemacht, frau hat es sich nicht einfach gemacht. Oft bedarf es einer aufrüttelnden Tragödie, sodass die Öffentlichkeit sich bewusst wird, dass da gehandelt werden muss – das war eben der Brunnenmarktfall, dieser Mordfall in Ottakring, der schon angesprochen wurde. Es wurde auch schon erwähnt, in welch großer Zahl da Experten, Expertinnen, Betroffene in 25 Arbeitsgruppen gearbeitet haben.

Das Gesetz ist deshalb eine sensible Materie, weil es um Grundrechte, um Einschrän­kung von Freiheitsrechten geht: Unterbringungsgesetz betrifft eben die angeordnete Un­terbringung in der Psychiatrie. Es ist da ein Gesetz entstanden, das ganz einfach auf der


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Höhe der Zeit ist und das es ermöglicht, dass durch entsprechende Koordinierung, durch eine verstärkte Zusammenarbeit der Behörden Warnsignale erkannt werden, damit auch – eines der Schlagworte ist Casemanagement – jeder einzelne Fall sehr gezielt von verschiedenen Bereichen, von Experten, Expertinnen, den Behörden behandelt und auch abgewogen wird, wieweit ein Fall eben Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung bedeuten kann.

Ich möchte aber die Personalsituation ansprechen: Für Casemanagement braucht man eben entsprechend Personal, und, Frau Bundesministerin, ich ersuche Sie auch dringend, dahin gehend zu wirken. Im Bereich der Sozialarbeiter und -arbeiterinnen, im Bereich der Justiz- und der Sicherheitskräfte wird es auch eine Aufstockung von Personal brauchen.

Abschließend will ich auch sagen: Es ist ein Beispiel für eine konstruktive Oppositions­politik. Es gibt manchmal Vorwürfe vonseiten der ÖVP, die Opposition, das seien perma­nente Neinsager. – Nein, so ist es nicht! In diesem Fall stimmt die Opposition sehr, sehr gerne diesem Gesetz zu, weil da Nägel mit Köpfen gemacht wurden. Die destruk­tive Opposition gibt es also nicht. Wenn die Ministerien, wenn die Regierung, wenn wir gemeinsam gut arbeiten, dann wird die Opposition auch zustimmen. Leider wird im­mer weniger gut gearbeitet (Abg. Sieber: Von der Opposition!), daher gibt es auch we­niger Zustimmung von uns für diese Regierung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Grebien.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.


18.12.59

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die tragische Vorgeschichte, die zur Gesetzesänderung geführt hat, jetzt schon mehrmals gehört: Ein geistig verwirrter junger Mann erschlägt auf offener Straße am Brunnenmarkt eine ihm unbekannte Frau mit einer Eisenstange auf brutalste Art und Weise. Und das wirklich Tragische an diesem Fall ist eben genau das: dass dieser Fall wahrscheinlich zu verhindern gewesen wäre, wenn Behörden miteinander kommuniziert hätten und das auch gedurft hätten. Das lehrt uns eines, nämlich wie wich­tig Kommunikation ist, wie wichtig die Kommunikation unter Menschen, aber vor allem eben auch unter den Behörden ist.

Darum ist es gut, dass wir heute diese Struktur, diese Zuständigkeit, dieses Kommu­nizieren-Dürfen, -Können und -Müssen festschreiben. Das klingt leichter, als es in der Praxis tatsächlich ist, denn Datenaustausch und Kommunikation stehen oft dem Daten­schutz und dem Geheimnisschutz entgegen. Das ändern wir eben heute mit dieser No­velle, damit das möglich ist.

Außerdem war das Unterbringungsgesetz in der Vergangenheit eher ein – unter Anfüh­rungszeichen – „Erwachsenengesetz“. Es ist aber natürlich so, dass auch viele junge Menschen psychische Krankheiten haben, psychische Probleme haben, und auch da werden Änderungen geschaffen, das hat ja auch die Frau Bundesministerin schon aus­geführt.

Damit die RechtsanwenderInnen – die Polizisten, die Justiz, die Patientenanwaltschaf­ten, die Psychiatrie – sich auch auf die Änderung des Gesetzes und der Struktur vorbe­reiten können, darf ich jetzt noch einen Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 193

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. In Art. 1 Z 61 entfallt in § 36a in Z 2 die Wendung „und 3“ und wird das Wort „und“ am Ende der Z 2 durch das Wort „oder“ ersetzt.

2. In Art.1 Z 79 werden in § 42 Abs. 5 in Z 1 die Wendung „1. März 2023“ durch die Wen­dung „1. Juli 2023“ und die Wendung „28. Februar 2023“ durch die Wendung „30. Juni 2023“ ersetzt und in den Z 2, 3 und 4 jeweils die Wendung „28. Februar 2023“ durch die Wendung „30. Juni 2023“ ersetzt.

3. In Art. 2 Z 5 werden in § 94 Abs. 53a die Wendung „1. März 2023“ durch die Wendung „1. Juli 2023“ und die Wendung „28. Februar 2023“ durch die Wendung „30. Juni 2023“ ersetzt.

4. In Art. 5 Z 2 wird in § 189 Abs. 16 die Wendung „1. März 2023“ durch die Wendung „1. Juli 2023“ ersetzt.

*****

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt habe ich ganz oft 2023 gesagt: Das ist das nächste Jahr, da werden die Änderungen in Kraft treten. – Herzlichen Dank für die Ein­stimmigkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Grebien.)

18.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Magª Agnes Sirkka Prammer

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterbringungsge­setz, das Sicherheitspolizeigesetz, das IPR-Gesetz, das Außerstreitgesetz und die Nota­riatsordnung geändert werden (Unterbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 – UbG-IPRG-Nov 2022) (1527 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichtes (1561 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die oben bezeichnete Vorlage wird wie folgt geändert:

1. In Artikel 1 Z 61 entfällt in § 36a in Z 2 die Wendung „ und 3“ und wird das Wort „und“ am Ende der Z 2 durch das Wort „oder“ ersetzt.

2. In Artikel 1 Z 79 werden in § 42 Abs. 5 in Z 1 die Wendung „1. März 2023“ durch die Wendung „1. Juli 2023“ und die Wendung „28. Februar 2023“ durch die Wendung „30. Juni 2023“ ersetzt und in den Z 2, 3 und 4 jeweils die Wendung „28. Februar 2023“ durch die Wendung „30. Juni 2023“ ersetzt.

3. In Artikel 2 Z 5 werden in § 94 Abs. 53a die Wendung „1. März 2023“ durch die Wen­dung „1. Juli 2023“ und die Wendung „28. Februar 2023“ durch die Wendung „30. Juni 2023“ ersetzt.

4. In Artikel 5 Z 2 wird in § 189 Abs. 16 die Wendung „1. März 2023“ durch die Wendung „1. Juli 2023“ ersetzt.

Begründung

In Z 1 sollen zwei Redaktionsversehen beseitigt werden: Die Aufzählung des § 36a Abs. 1 ist alternativ und nicht kumulativ zu verstehen, dies soll durch ein „oder“ am Ende


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der Z 2 deutlich gemacht werden. In § 36a Abs. 1 Z 2 wird auf die nach § 36 Abs. 2 und 3 fehlende Zustimmung eines Vertreters abgestellt, § 36 Abs. 3 regelt aber gerade den Fall, dass ein Patient/eine Patientin keinen Vertreter hat, daher soll der Verweis auf Abs. 3 entfallen.

In den Z 2, 3 und 4 soll ein späteres Inkrafttreten der Novelle vorgesehen werden, zum einen damit die Rechtsanwender/-innen (insbesondere in der Psychiatrie, bei der Polizei, bei der Patientenanwaltschaft und in der Justiz) auf die mit der Reform verbundenen Änderungen vorbereitet werden können, zum anderen weil erst die technischen Voraus­setzungen für das Einsichtsrecht der psychiatrischen Abteilungen in das Österreichische Zentrale Vertretungsverzeichnis geschaffen werden müssen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Es ist zu diesem Tagesordnungspunkt jetzt niemand mehr zu Wort gemeldet, damit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage die Frau Berichterstatterin, ob sie ein Schlusswort möchte? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen aus dem Justizausschuss.

18.16.3928. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1526 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Übernahmegesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Übernahmegesetz-Novelle 2022 – ÜbG-Nov 2022) (1562 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 28. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


18.17.13

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuse­her! Dieses Übernahmegesetz ist eigentlich eine an und für sich normale gesetzliche Novellierung, mit der wir eine EuGH-Entscheidung umsetzen, weil nämlich die Übernah­mekommission, angesiedelt in der Wiener Börse, seitens des EuGH als parteiisch, ihre Ent­scheidungen als risikobehaftet – da in ihnen vielleicht auch Parteilichkeit gesehen wer­den könnte – betrachtet wurde. Deshalb hat der EuGH gesagt, wir brauchen unbedingt einen neuen Instanzenzug, und es wurde der Rekurs statt an den OGH an das Oberlan­desgericht Wien vorgeschrieben.

Wir haben das umgesetzt, das ist an und für sich unspektakulär, und da stehen wir auch dazu. Wir wissen auch, dass die Beibehaltung der kontrollierenden Begleitung notwen­dig ist, auch das wurde von uns akzeptiert. Wo unsere Reise aber endet, liebe Kolle­ginnen und Kollegen, ist dort, wo wir wirklich folgendes Problem sehen: dass die Groß­aktionäre, diejenigen mit den großen Mäulern, immer größer werden, und die Kleinaktio­näre immer kleiner werden. Das passiert nämlich dann, wenn die Bestimmungen zum sogenannten Creeping-in im Sinne einer Teilprivatisierung und einer Teilliberalisierung abgeändert werden, und im konkreten Fall findet eine Liberalisierung statt.


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Frau Bundesministerin, es wundert mich, dass wir die einzige Partei sind, die diesem Gesetz nicht zustimmen wird. Mich wundert wirklich, dass die Grünen es tun und dazu beitragen, denn Creeping-in bedeutet nichts anderes, als dass die Blockade der Großak­tionäre, der Großen, stärker und der Schutz für die Kleinen weniger wird. Gerade in Zei­ten wie diesen wollen wir das nicht. Unsere Fraktion will, dass wir im Sinne einer Vertei­lungsgerechtigkeit immer diejenigen schützen, die weniger haben, und jene, die mehr haben, nicht schützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Übernahmegesetz ist deshalb eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Ich sage Ihnen offen und ehrlich: Ich verstehe es auch seitens der Freiheitlichen nicht. Ich habe im Ausschuss gehört, ihr stimmt zu, ihr werdet das beobachten. Die Grünen sagen: Es ist gerade noch vertretbar! – Die Kollegin wird das nachher sagen. Wir sagen: Das ist nicht vertretbar, das ist unzumutbar! Wir stehen damit auf der Seite derer – Arbeiterkam­mer, Rechtsanwaltskammer, Interessenvertretung –, die sagen: Nein, das wollen wir nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Die sozialdemokratische Fraktion wird gerade in Zeiten der Teuerung, in Zeiten, in denen manche um ihre Existenz kämpfen, nicht dafür sein, dass diejenigen, die weniger haben, noch weniger bekommen, und diejenigen, die mehr haben, noch größere Mäuler bekom­men. Wir werden deshalb – in diesem Sinne – diesem Antrag auch nicht zustimmen.

Wir verstehen auch überhaupt nicht, dass zum Beispiel die Industriellenvereinigung heu­te um 14.33 Uhr bereits nach außen gepostet hat: Das Gesetz kommt; die Großaktionäre werden Vorteile haben; Liberalisierung! – Das ist Ihr Weg. Das ist nicht unser Weg. Es ist nur schade, dass wir die einzige Partei sind, die diesen Weg nicht mitgeht. Wir stehen für die Kleinen und nicht für die Großen, und wir wollen die Großen nicht noch größer machen.

Das ist nicht unser Weg, und dieser Weg ist der Weg, den wir auch weiter beschreiten werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.


18.20.53

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Es geht um die Übernahme­gesetz-Novelle. Mein Kollege, mein Vorredner, hat bereits gesagt, es ist eine Novelle, die aufgrund eines EuGH-Urteils, das wir umsetzen, notwendig ist. Die Entscheidungen der Übernahmekommission müssen nämlich im Falle eines Rekurses sachlich und recht­lich überprüft werden, und das ist derzeit nicht durch den OGH möglich. Daher wird eine zusätzliche Instanz eingeführt, nämlich das Oberlandesgericht, das auch eine sachliche Prüfung durchführen kann.

Das ist etwas, das erforderlich ist, aber wir nehmen das zum Anlass, das Übernahme­gesetz auch zu modernisieren und an internationale Standards anzupassen. Es wurde auch im Ausschuss intensiv diskutiert, und natürlich wurden auch die Rückmeldungen, die in der Begutachtung gekommen sind, berücksichtigt beziehungsweise diskutiert.

Wir sind der Meinung, dass die Regelungen in Bezug auf Creeping-in, das heißt Schutz der Kleinaktionäre bei der Ausweitung von Aktienmehrheiten, natürlich sehr wichtig sind, wir haben aber gleichzeitig im internationalen Vergleich sehr strikte Regelungen, und daher weiten wir die geringfügig aus: Diese Schwelle wird von 2 auf 3 Prozent angeho­ben. Da gab es auch eine große Übereinstimmung im Ausschuss, dass das so weit in Ordnung ist.


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Ein zweiter Punkt ist, dass das Kalenderjahr aus administrativen Gründen als Bezugs­zeitraum genommen wird, und ich denke, auch das ist in dieser Form vertretbar. Insofern bitte ich hier um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Oberrauner. – Bitte.


18.22.57

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Ich darf auch zu diesem Gesetz Stellung nehmen. Ich möchte sagen, dass es, wie schon meine Vorredner ausgeführt haben, natürlich um eine Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes geht. Die Entscheidung ist so gefallen, dass die Entscheidungen der Übernahmekommission von einem nationalen Gericht überprüfbar sein sollten, und das ist auch eine gute Lösung, weil nationale Überprüfung in Ordnung ist, weil das Recht einfach durchgesetzt werden kann. In Zukunft soll daher auch ein Rekurs an das Oberlandesgericht Wien erhoben werden können – auch das ist gut, weil man vor Ort sein Recht durchsetzen kann.

Diese Regelung ist vernünftig und dagegen hätten wir auch nichts einzuwenden. Aller­dings ist im vorliegenden Gesetzentwurf gleichzeitig eine andere Regelung zur Libera­lisierung für Großaktionäre beinhaltet, und da bin ich nicht der Meinung meiner Vorred­nerin. Ich glaube, dass strikte Regeln, auf die sich Leute, auch Kleinaktionäre, verlassen können, eine Standortqualität haben und bringen. Deshalb glaube ich, dass diese Libera­lisierung zum Nutzen der Großen und zum Nachteil der Kleinen keine richtige ist, zumal durch diese Änderung des Zwölfmonatszeitraums – man kann 3 Prozent am 31.12. und 3 Prozent am 1.1. kaufen – das für die Kleinen gar nicht durchsichtig ist, wenn sie kein Angebot bekommen, und das natürlich einen versteckten Kauf von Großen – was die Kleinen gar nicht mitkriegen – beinhaltet.

Ich glaube, das ist kein fairer Zugang zum Aktienmarkt, und ich halte das für keine gute Regelung. Aus diesem Grund glaube ich, dass nicht alles, was modernisiert ist oder in­ternational en vogue ist, auch für Österreich stimmen muss. Wir werden diesem Ge­setzentwurf aus diesen Gründen nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.


18.25.13

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Es ist eigentlich alles zu dieser kleinen Novelle des Übernahmegesetzes gesagt, aber ich möchte mich trotzdem an dich, Christian (in Richtung Abg. Drobits), wenden, weil deine Argumentation mich ein bisschen nachdenklich gemacht hat. Sie fügt sich zwar in diese etwas destruktive Art und Weise deiner Fraktion in diesen Tagen ein, wo gegen alles und jedes gnadenlos populistisch argumentiert wird, wurscht, ob es hinpasst oder nicht, aber in dem Fall, Christian, passt es null.

Diese ganze Reform, diese Novelle hat nichts mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun, sie hat nichts mit einem geringeren Schutz für Minderheitsaktionäre zu tun. Du bezeichnest jene, die größere Anteile halten und damit natürlich ein wesentlich größeres Risiko an der Entwicklung einer Firma tragen, die wesentlich mehr zu verlieren haben, als große Mäuler.

Ich bitte euch halt schon: Irgendwann einmal müssen wir wieder einen Weg finden, wo wir zur Sachlichkeit zurückkehren. Wir haben das jetzt über Tage erlebt, dass uns vorge­worfen wird, dass wir nichts tun, und gleichzeitig ist gegen alles gestimmt worden. Wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 197

haben Tage erlebt, wo jeder unserer Punkte – und sei er noch so sachlich gerechtfer­tigt –, alles, was diese Regierung hier vorgelegt hat, von euch mit Destruktivität und mit Argumenten, die vorne und hinten einfach nicht stimmen, bedacht worden ist.

Ich bitte dich – weil du einer der kompetenten Kollegen der Fraktion bist –, hier keine Verteilungsdebatten zu führen, wenn wir das Übernahmegesetz sanieren, das uns einer­seits von einem Höchstgericht so vorgelegt worden ist und mit dem wir zweitens interna­tionale Standards erfüllen.

Mit diesem frommen Wunsch nach mehr Konstruktivität wünsche ich im Übrigen allen einen schönen Sommer. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


18.27.10

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ein funktionierender Kapitalmarkt ist ein ganz wesentli­ches Element eines lebendigen und florierenden Wirtschaftsstandortes. Natürlich ist es aber so, dass ein Kapitalmarkt nicht ganz ungeregelt sein kann, und daher gibt es eben das Übernahmegesetz, das hauptsächlich dem Schutz von Minderheitsaktionären dient, sei es, dass sie mit erforderlichen Informationen ausgestattet werden müssen, um Ver­kaufsentscheidungen treffen zu können, sei es, dass bestimmte Transaktionen, die maß­geblichen Einfluss auf die strategische Ausrichtung von Unternehmen und damit auf den Wert der Beteiligung haben, transparent dargestellt werden.

Das österreichische Übernahmerecht funktioniert im Großen und Ganzen. In formaler Hinsicht, es wurde bereits ausgeführt, hat der EuGH einen österreichischen Fall zum Anlass genommen, aufzuzeigen, dass der Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Übernahmekommission nicht ausreichend ist. Das wurde jetzt im Gesetz repariert, in­dem gegen Entscheidungen der Übernahmekommission das Oberlandesgericht Wien angerufen werden kann und dann noch gegen die Entscheidung des Oberlandesgerich­tes Wien eine Rekursmöglichkeit an den Obersten Gerichtshof besteht. Das ist zu be­grüßen. Das weitet den Rechtsschutz aus.

Das zweite große Thema ist, würde ich meinen, nicht dafür geeignet, einen großen Klas­senkampf zu sehen. Es geht darum, dass die Schwelle dort, wo eben eine Anzeigepflicht an die Übernahmekommission beziehungsweise eine Anbotspflicht besteht, von 2 auf 3 Prozent angehoben wird. Das scheint uns im Sinne eines lebendigen Kapitalmarktes vertretbar zu sein. Ich denke, dass es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll ist, von gie­rigen Mäulern – oder wie auch immer – zu sprechen, sondern da bin ich eher bei Kolle­gen Fürlinger, denn natürlich trägt ein Mehrheitsaktionär auch das größere Risiko. Das muss man schon immer in der Abwägung sehen.

Wir glauben also, dass die Abwägung, was diese Gesetzesnovelle betrifft, die Neurege­lung des Creeping-in den Marktgegebenheiten, den Risikogegebenheiten durchaus ent­spricht, und stimmen daher dieser Gesetzesvorlage zu. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.29


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

18.30.06Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 27 und 28


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen gleich zu den Abstimmungen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 198

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 27: Entwurf betreffend Un­terbringungsgesetz- und IPR-Gesetz-Novelle 2022 in 1561 der Beilagen.

Hierzu haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Pram­mer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Artikel 1, 2 und 5 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Somit kommen wir gleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Entwurf betreffend Über­nahmegesetz-Novelle 2022 samt Titel und Eingang in 1526 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit so angenommen.

18.31.4629. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Bericht des Bundesministers für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Österreich 2021 (III-671/1575 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Staatssekretärin Kraus-Winkler im Hohen Haus.

Ich erteile dem ersten Redner, Herrn Abgeordneten Franz Hörl, das Wort. – Bitte.


18.32.25

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Tourismus ist jene Wirtschaftsform mit der breitesten Wohlstandsverteilung über Dörfer, Täler und Städte unseres Landes, das wusste schon ein Tourismusberater aus Tirol. Tourismus ist Einsatz und Leistung rund um die Uhr für einheimische und aus­ländische Gäste oder, wie es Wolfgang Schüssel einmal formulierte, ein harter Einsatz mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Jetzt gerade wird in den Betrieben das Abendessen serviert. Damit fällt der Höhepunkt der anfallenden Arbeit mit dem Freizeitvergnügen derer zusammen, die dort einen schö­nen Abend genießen wollen. Genau da liegt die Problematik der Arbeitsmärkte im Dienst­leistungssektor und vor allem im Tourismus: Es fehlen 37 000 Arbeitskräfte im Touris­mus, und das bei einer Arbeitslosigkeit von fast 300 000 Personen und insgesamt 277 000 offenen Stellen.


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Bei einem leer gefegten Arbeitsmarkt und 30 000 Mitarbeitern, die in den letzten zwei Covid-Jahren aus dem Tourismus in andere Betriebe und Branchen abgewandert sind – einige der Betriebe hatten über zehn Monate geschlossen –, ist die Not am Arbeitsmarkt, ist die Not im Tourismus groß – so groß, dass UnternehmerInnen bei den Bezirksstellen weinend nach Hilfe rufen, Betriebe teilweise geschlossen sind, Teile der Betriebe nicht aufgemacht werden können, Gäste inzwischen nicht mehr nach der Kapazität der Hotels eingebucht werden, sondern nach der Leistungsfähigkeit der noch verbleibenden Mitar­beiter rationiert werden. Existenzen sind gefährdet, der Wirtschaft kommen Erträge und dem Staat Steuern abhanden.

Dankenswerterweise konnten wir die ärgste Not mit der Erhöhung des Saisonnierkon­tingents lindern. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Koalitionspartner, mit dem es ein hartes Ringen gab – bei Klubobfrau Sigi Maurer, bei der Tourismussprecherin –, natür­lich auch bei unserem Klubobmann und bei allen, die sich dafür eingesetzt haben. Diese 1 000 Saisonniers, um die wir das Kontingent erhöhen konnten, lindern die ärgste Not. Aber: Wir brauchen auch die Erweiterung der Mangelberufsliste um Kellner und Gast­stättenfachleute. Auch die Regelung für die Stammsaisonniers bringt Erleichterung. Die dauerhafte Einbindung in die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ebenso hilfreich, auch dafür herzli­chen Dank! Das wird helfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die novellierte Rot-Weiß-Rot Karte wird das Hereinholen von Arbeitskräften aus Drittlän­dern erleichtern. Wir brauchen aber auch einen besseren Übergang vom Arbeits- in das Pensionsleben. Genug Menschen würden weiterarbeiten, wenn es sich finanziell für sie lohnt. Ich denke, gerade in dieser Situation ist das dringend notwendig.

Und: Das AMS hätte bei der Vermittlung die Verpflichtung, wenn es keinen einheimi­schen Mitarbeiter hat, einen aus dem europäischen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Diese Aufgabe wird nicht oder nur ungenügend erledigt, zumindest in Tirol ist das überhaupt nicht spürbar. Das muss abgestellt werden; es muss entweder sofort aktiviert werden oder man findet da zusätzliche Lösungen. Wir brauchen auf diesem Sektor, gerade was die europäischen Arbeitsmärkte betrifft, eine Hilfe, wie wir sie damals in den 1990er-Jah­ren hatten, als wir mit den regionalen Arbeitsämtern in Ostdeutschland – in Dresden, in Gotha – vor Ort Mitarbeiter gehoben haben.

1,7 Milliarden Euro an frischem Geld – haben wir heute beschlossen – stellen der Bund und die Länder bis 2027 für Kinderbetreuung zur Verfügung. Jetzt ist es Aufgabe der Bürgermeister vor Ort, eine saisongerechte Kinderbetreuung, eine praxisgerechte Kin­derbetreuung auch für diese Mitarbeiter, die Damen und Herren, die bei uns Vollzeit arbeiten wollen, zu gestalten.

Der Tourismusbericht 2021 bildet einen Teil jener zwei Jahre ab, die hinter uns liegen – zweier brutaler Jahre für die Betriebe und Mitarbeiter, in denen Familien Monate hin­durch nicht wussten, wie es weitergeht; einige Betriebe waren über Monate gesperrt. Der Abend des 12. März 2020 wird mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Es war der Abend, an dem der Tiroler Landeshauptmann das Ende der Wintersaison mit Sonntag, dem 15. März, verkündete. Nur zur Klarstellung: Nach damaligem Wissen wussten wir, dass es in Ischgl einige Fälle gibt und in Sankt Anton zwei. Alle anderen Skigebiete in Tirol waren voll, die Schneelage war perfekt, das Wetter war schön – und trotzdem hat man das Land geschlossen. Das war eine der mutigsten Entscheidungen, die ein Tiroler Landeshauptmann überhaupt seit dem Krieg getroffen hat.

Der verlorene Winter 2020/2021 kostete Österreichs Tourismus über 10 Milliarden Euro. Die Hälfte davon entfiel auf das Bundesland Tirol; dort war es mehr als ein Jahresbudget. Mit knapp 80 Millionen Nächtigungen sank das Niveau des österreichischen Tourismus dramatisch auf das Ergebnis des Jahres 1970. Eine über 50 Jahre stattgefundene Ent­wicklung im Tourismus wurde durch Corona und seine Auswirkungen in diesem Jahr vernichtet. Insbesondere der Anteil der Auslandstouristen sank stark. Auch der Zuwachs


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an österreichischen Gästen konnte die Halbierung des Tourismusanteils am BIP auf 4,1 Pro­zent nicht verhindern.

Gerade in dieser Zeit hat diese Regierung, unterstützt von den Ländern und auch von den Wirtschaftsvertretern und Sozialpartnern, mit 528 verschiedenen, möglichst maßge­schneiderten Hilfsmaßnahmen Sicherheit, Hoffnung und Optimismus verbreitet. 44,5 Mil­liarden Euro an Hilfen wurden bis Ende Mai genehmigt. Das sind elf Jahresbudgets des Landes Tirol – und für die Wiener: drei Jahresbudgets der Bundeshauptstadt Wien –, also unglaubliche Summen, die da aufgebracht wurden. Ich verstehe die Kritik oft nicht, wenn man sieht, was da an Hilfe geleistet wurde. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Kurzarbeitsregelung wurde sicher mehrmals novelliert, aber nicht, weil wir einen Pfusch gebaut haben, sondern weil wir dadurch eine zielgenaue und treffgenaue Lösung erreichen konnten. Wir haben mit dieser Kurzarbeitsregelung den Mitarbeitern enorm geholfen – nicht den Betrieben, sondern den Mitarbeitern.

Auch das Testangebot Sichere Gastfreundschaft um 240 Millionen Euro gab Gästen und Mitarbeitern Sicherheit und entsprach der Sorgfaltspflicht auch im Sinne der Unterneh­merhaftung.

95 Prozent der Urlauber – 9,5 von 10 – empfehlen Urlaub in Österreich weiter. Das ist Qualität, das ist ein Kompliment für rot-weiß-rote Qualität, die man global suchen muss, und diese gilt es zu halten. Dafür wurden auch die Mittel der Österreich-Werbung aufge­stockt und so weiter.

Helfen Sie dem Tourismus und der Wirtschaft im Allgemeinen durch flexiblere Regelun­gen bei einem leer gefegten Arbeitsmarkt! Den Rest machen unsere Unternehmer.

Liebe Frau Staatssekretärin, Ihnen gratuliere ich zum gelungenen Start. Sie sind eine Expertin, unser Vertrauen in Sie ist voll gerechtfertigt! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.39


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Melanie Erasim, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.


18.39.07

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Geschätzte Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zu­seher! Als Tourismussprecherin meiner Fraktion darf ich mit zwei positiven Dingen be­ginnen: erstens, dass es heute überhaupt eine Debatte zum Thema Tourismus gibt. Das war in der Vergangenheit nicht selbstverständlich, und nach einer Bundesministerin Kös-tinger wird man ziemlich genügsam, was die Tagesordnung und die Debatten darüber betrifft. Zweitens hat mit der neuen Staatssekretärin zumindest auf der persönlichen und fachlichen Ebene ein neuer Stil Einzug gehalten.

Dann aber tue ich mir leider auch schon sehr, sehr schwer, Positives in der Tourismus- und Gastronomiepolitik anführen zu können. Leider hat sich bis dato sonst nichts geän­dert. Im Gegenteil: Gestern kündigen Sie, Frau Staatssekretärin, gemeinsam mit der Sprecherin der Grünen via Presseaussendung kurzfristige Sofortmaßnahmen an. Doch wie schauen diese kurzfristigen Maßnahmen aus?

Einerseits soll der Beruf der Kellnerinnen und Kellner in die bundesweite Mangelberufs­liste genommen werden und andererseits das Saisonnierkontingent um 1 000 Personen erweitert werden. Darf ich Ihnen sagen, wie ich diese Maßnahme beurteile? (Abg. We­ratschnig: Sag!) Als Armutszeugnis, geschätzte Damen und Herren (Beifall bei der SPÖ), als ein riesiges Armutszeugnis und gleichzeitig als ein Riesenschuldeingeständ­nis, denn Sie müssen wissen, geschätzte Damen und Herren, innerhalb der Europäi­schen Union herrscht ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit. Was heißt das? – Das heißt, dass


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der Arbeitsmarkt, auf den ohnehin zugegriffen werden kann, rund 450 Millionen Men­schen beinhaltet. Und wenn unter 450 Millionen Menschen, sagen wir, 250 Millionen Menschen, die im arbeitsfähigen Alter sind, niemand zu finden ist, der den Job zu diesen Konditionen machen möchte, dann sollte man sich ernsthaft Gedanken machen, ob es nicht vielleicht doch an den Arbeitsbedingungen liegt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Branche fehlen sage und schreibe – Kollege Hörl hat es auch schon gesagt – rund 35 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und selbst wenn man nicht wie ich und genauso die Expertinnen und Experten des ÖGB sowie der AK der Meinung ist, dass diese Er­höhung zu Lohndumping und einer Verschlechterung der Branche insgesamt beiträgt, würde mit diesen 1 000 Personen rein gar nichts besser werden – ein Tropfen auf den heißen Stein, reine Augenauswischerei.

Seit Monaten, mittlerweile seit Jahren weisen wir als SPÖ auf diesen Missstand hin und werden nicht müde, proaktiv Vorschläge einzubringen – Antrag auf Verlängerung der ÖHT-Haftungen von fünf auf acht Jahre, Antrag auf Bekämpfung des Fachkräftemangels durch die Tourismus-Urlaubs- und Abfertigungskasse, Antrag auf „Maßnahmen für die Lehrlinge der Tourismusbranche“, Antrag auf eine Verbesserung der Erwachsenenlehre. Ich könnte noch fortfahren und das weiterführen. Doch was machen Sie? – Sie vertagen weiterhin alle guten Vorschläge im Ausschuss und berufen einen Krisengipfel – und ich wiederhole: einen Krisengipfel! – für irgendwann im Herbst ein.

Worauf warten Sie? Was muss noch alles passieren, dass Sie die Dringlichkeit erkennen und endlich etwas zustande bringen, was den über 200 000 tüchtigen Menschen in die­ser Branche wirklich hilft? Richten Sie sich nicht im Ausschuss gegenseitig Unfreundlich­keiten aus! Krempeln Sie die Ärmel hoch! Wir, geschätzte Frau Staatssekretärin (Zwi­schenruf der Abg. Tanja Graf), sind gesprächsbereit, und zwar nicht erst im Herbst, son­dern auch den ganzen Sommer über. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.43


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


18.43.38

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staats­sekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe 4 Minuten Zeit, um auf die Ausführungen von Franz Hörl zu reagieren – also bei Gott zu wenig.

Ich möchte damit starten, dass der Tourismus derzeit wirklich eine der schwierigsten Zeiten durchmacht – es fehlen die Mitarbeiter; die Eigenkapitalschwäche; die gesamte weltweite Situation nach der desaströsen Coronapolitik. Das ist in Summe ein Wahnsinn, und trotzdem haben ÖVP und Grüne während der letzten drei Ausschusssitzungen in Summe 36 oppositionelle Anträge nicht angenommen. Sie haben sie nicht angenom­men, nicht abgelehnt, sie haben sie vertagt. Das heißt, über unsere Initiativen wurde nicht seriös diskutiert, obwohl wir von der Mitarbeiterthematik bis hin zur Stärkung des Eigenkapitals in Summe vernünftige Initiativen eingebracht haben. Das heißt, ÖVP und Grüne haben im Tourismusausschuss Arbeitsverweigerung betrieben, und zwar zulas­ten des österreichischen Tourismus. Das möchte ich jetzt einmal ausdrücklich festhalten! (Beifall bei der FPÖ.)

Zweitens, Franz Hörl, du sagst, der Tourismus habe zwei brutale Jahre hinter sich. – Ja, da hast du recht, nur: Die brutalen Jahre, die habt ja ihr im Tourismus verursacht. (Abg. Zopf: Blödsinn!) Ich kann es nicht oft genug sagen (eine Tafel mit der Aufschrift „Öster­reich – Schweiz im Nächtigungsvergleich 2020/2021“ und einem Säulendiagramm vor sich auf das Rednerpult stellend), bitte, nicht oft genug sagen (Abg. Zopf: Blödsinn!): Ihr habt die Tourismusbetriebe zugesperrt (Abg. Zopf: Blödsinn!), nicht der liebe Gott.

Wir hatten vier Lockdowns, wir hatten von 2. November 2020 bis Ende Mai 2021 einen Dauerlockdown, verordnet von der Regierung mit Unterstützung der SPÖ und den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 202

NEOS. Ihr habt die Betriebe zugesperrt. Was war das Desaster? – Während die Schweiz beim selben Virus offen gehalten hat, haben unsere Tourismusbetriebe nächtigungsmä­ßig mehr oder weniger genullt. Ihr habt also dem Tourismus massivsten Schaden zuge­fügt.

Zu den Initiativen, die Sie abgelehnt haben: Eigenkapital. Wir wissen, dass das perma­nente Zusperren in den Betrieben natürlich Eigenkapital verbrannt hat. Wir haben seit zwei Jahren einen Antrag in der Pipeline, der im Ausschuss vertagt wurde, und den bringe ich heute noch einmal ein. (Ruf bei der ÖVP: Na!) Ich gebe euch die Chance, diesen Antrag mit zu unterstützen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnah­men zur Eigenkapitalstärkung für Tourismusbetriebe setzen - Investitionen ermögli­chen – Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des heimischen Tourismus erhöhen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der eine dringend notwendige Stärkung des Eigenkapitals und damit der Bo­nität der Unternehmen unter anderem durch eine bis 31.12.2022 befristete Ermöglichung der Aufwertung des Vermögens mit dem Viertel-Steuersatz sowie durch die Ermögli­chung eines Steuerabzugs für fiktive Eigenkapitalzinsen im Sinne der steuerrechtlichen Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital umgesetzt werden.“

*****

Zwei Jahre gehen wir mit dieser Initiative schwanger (Zwischenruf des Abg. Matznetter), obwohl (Abg. Zopf: Geh! Geh, bitte!) Tourismusexperten nicht müde werden, diese Ini­tiative zu unterstützen.

Ich kann euch abschließend Folgendes sagen (eine Tafel mit der Aufschrift „Zitat: Ma­thias Matzner / ÖHT zur Stärkung des Eigenkapitals“, „,Wir müssen diese Forderung schärfen‘!“, „,... einfache Lenkungsmaßnahme, die allen helfen und ... für große Ent­spannung sorgen würde!“, „,Da sind uns die Italiener wirklich voraus‘“ vor sich auf das Rednerpult stellend – Abg. Zopf: Bitte weniger Hysterie!), was der neue ÖHT-Chef - - (Abg. Zopf: Seien Sie nicht so hysterisch!) Du kannst ja dann selber reden, bitte.

18.47.35*****


Präsidentin Doris Bures: Ja, und Frau Abgeordnete, ich nehme an, es handelt sich um einen absichtlich provokanten Zwischenruf. Ich erteile Ihnen auch für den Ausdruck „hys­terisch“ einen Ordnungsruf. Ich weiß schon, worauf Sie es zurückführen wollen, es ist trotzdem frauenfeindlich (Zwischenruf des Abg. Matznetter), auch wenn Sie es an einen Mann richten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

*****


18.47.52

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin. Typische ÖVP-Manier: Im Ausschuss haben Sie nichts zu sagen und im Parlament schreien sie unqualifiziert dazwischen. Ich bin ja von der ÖVP nichts anderes gewohnt. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kühberger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 203

So, und was sagt Herr Direktor Matzer, der neue Chef der ÖHT: Genau diese Forderung müssen wir schärfen! – Hier (auf die Tafel weisend) bitte nachzulesen. Er sagt: Das ist eine „einfache Lenkungsmaßnahme, die allen helfen und ... für große Entspannung sor­gen würde!“, und er sagt: Die Italiener haben das umgesetzt, die sind uns da wirklich voraus! – Na bumm, wir als Freiheitliche Partei bringen mit der Unterstützung der Exper­ten einen tollen Antrag zur Stärkung des Eigenkapitals, zur Hilfe zur Selbsthilfe ein, und was macht ihr? – Vertagen, vertagen. Heute habt ihr die Chance, der Branche wirklich zu helfen. (Abg. Obernosterer: Bring einmal was Gscheits ...!) Ich bitte um Unterstützung. Danke. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Prinz: Jetzt hast eh wieder doppelt so lang gebraucht!)

18.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung für Tourismusbetriebe setzen -Investi­tionen ermöglichen – Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des heimischen Tourismus erhöhen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 29: Bericht des Tourismusausschusses über den Bericht des Bundesministers für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betref­fend Tourismus in Österreich 2021 (III-671/1575 d.B.) in der 169. Sitzung des Nationalra­tes am 8. Juli 2022

In den letzten zwei Jahren haben sich viele Betriebe und Unternehmen in Folge von COVID-19 massiv verschuldet und befinden sich nach wie vor, wenn auch mit branchen­abhängigen Unterschieden, in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage. Äußerst prekär ist insbesondere die Situation im Gastronomie- und Tourismusbereich: „Wir wer­den in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell“, brachte der damalige ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann die Lage im Tourismus bereits vor eineinhalb Jahren auf den Punkt.

Besonders problematisch wird die Situation in Gastronomie und Tourismus, wo die Ei­genkapitalquote entsprechend niedrig, der Verschuldungsgrad sehr hoch ist, und dem­zufolge Rückzahlungen von Überbrückungskrediten für die Unternehmen eine enorme Belastung darstellen werden. „An der Befürchtung, dass viele Unternehmen die Überbrü­ckungskredite am Ende des Tages aus eigener Kraft nicht zurückzahlen können, sei schon was dran,“ meinte beispielsweise der damalige ÖHT-Generaldirektor Kleemann im Profil vom 1. September 2020.

„Im internationalen Vergleich würden kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Eigenkapitalquote hinterherhinken. 22 Prozent der österreichischen KMU sind über­schuldet, hieß es dazu kürzlich in der Aussendung von Finanzminister Blümel. Zudem erschwere die starke Fremdfinanzierung den Handlungsspielraum und die Kreditaufnah­me in Krisenzeiten. Schon jetzt finanzierten Kleinstbetriebe 39 Prozent ihres Vermögens durch Bankkredite. Bei Großbetrieben seien es acht Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz finanzierten sich fast zwei Drittel der Unternehmen ausschließlich über Eigenkapital.“ (Oberösterreichische Nachrichten, 18.07.2020)

Die Eigenkapitalbasis insbesondere der Tourismusbetriebe ist durch die letzten beiden Jahre der COVID-Krise weiter eingebrochen, wie dies unter anderem Thomas Reisen­zahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung kürzlich bestätigt, wenn er am 15.03.2022 festhält:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 204

„Schon vor der Pandemie war die dünne Eigenkapitaldecke bekanntlich in Hotellerie und Gastronomie ein Problem. In den vergangenen zwei Jahren wurde die Lage noch prekä­rer. „Viel Eigenkapital wurde verbrannt“.

Sein Unternehmen hat anonymisiert die Daten von 200 Tourismusbetrieben analysiert. Zusammengefasst: Die Steuerstundungen laufen aus und die Liquidität ist gefährdet, weil die Eigenkapitaldecke von durchschnittlich 13,7 Prozent in einigen Fällen heute auf unter 8 Prozent gefallen ist. Bei diesem Wert ist in der Regel keine Bankfinanzierung mehr zu bekommen.

(https://www.gast.at/gastronomie/tourismus-warum-die-preise-rauf-muessen-47820)

Ebenso kam der Rechnungshof in einem im März dieses Jahres veröffentlichen Bericht über ausgewählte Tourismusförderungen des Bundes unter anderem zu dem Ergebnis, dass „insbesondere die unzureichende Eigenkapitalsituation der Branche die Gewäh­rung kostengünstiger Investitionskredite erschwere.“

Im genannten Bericht übte der Rechnungshof auch deutliche Kritik an den Tourismusför­derungen und damit auch am zuständigen Tourismusministerium. Willkür und "Mitnah­meeffekte" hätten zu viel Raum und beim Vier-Augen-Prinzip bei Förderentscheidungen über Zinszuschüsse zu Krediten und Vor-Ort-Prüfungen von größeren Projekten gebe es eindeutig Nachholbedarf. Eine Analyse der Förderfälle habe deutlich gemacht, dass die überprüften Förderinstrumente "vielfach nicht investitionsentscheidend waren und teils nur geringe kostensenkende Effekte bei der Finanzierung der Investitionsvorhaben aufwiesen", so der Rechnungshof. (Tiroler Tageszeitung" vom 20.04.2022)

Gerade in einer Zeit, in der es nun laut Österreichischer Hotel- und Tourismusbank (ÖHJT) wieder starke Nachfrage nach Finanzierungen gibt, ist es dringend an der Zeit, dass diese Bundesregierung endlich wirksame Maßnahmen setzt, die eine rasche Stär­kung der Eigenkapitalbasis der Tourismusbetriebe ermöglichen. Nur so kann die Grund­lage geschaffen werden, dass investitionswillige Betriebe auch tatsächlich in den Ge­nuss von Finanzierungen kommen und somit die Wettbewerbsfähigkeit am Tourismus­markt sowie die Attraktivität für die Gäste auch entsprechend erhalten bzw. ausbauen können.

„Österreichs Hoteliers seien nach den zwei Corona-Jahren wieder voller Optimismus und Investitionsfreude“, sagte ÖHT-Chef Matthias Matzer im Ö1-Mittagsjournal. "Wir sehen eine fast ungebrochene Nachfrage nach langfristigen Finanzierungen. Da ist ein sehr starker Grundoptimismus." Aktuell liege der Schwerpunkt der ÖHT bei Land- und Ferien­hotels in Tirol, Salzburg und Vorarlberg." (Tiroler Tageszeitung" vom 20.04.2022)

Entsprechende Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der Betriebe liegen seit Jahren auf dem Tisch:

„Das Problem der geringen Eigenkapitalquote wird sich durch die Covid-19 Krise noch­mals deutlich verschärfen. Bei den Überbrückungsfinanzierungen war diese Problematik bei der Beurteilung der Anträge schon jetzt eine große Herausforderung. Hier schlagen wir eine befristete Übergangsregelung bis 31.12.2022 vor, wonach das Vermögen be­günstigt mit dem Viertel-Steuersatz aufgewertet werden kann und die Bilanzen das echte Eigenkapital aufweisen. Dadurch wird die Bonität gestärkt und langfristig die Abschrei­bungsbasis erhöht", erläutert Dr. Manfred Schekulin von Prodinger-Tourismusberatung.

Darüber hinaus sollte eine steuerrechtliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital insofern erfolgen, dass neben Fremdkapitalzinsen auch fiktive Eigenkapitalzinsen steu­erlich abzugsfähig werden.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und im Sinne der raschen und echten Unterstützung der massiv belasteten heimischen Gastronomie- und Hotelleriebe­triebe stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 205

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der eine dringend notwendige Stärkung des Eigenkapitals und damit der Boni­tät der Unternehmen unter anderem durch eine bis 31.12.2022 befristete Ermöglichung der Aufwertung des Vermögens mit dem Viertel-Steuersatz sowie durch die Ermögli­chung eines Steuerabzugs für fiktive Eigenkapitalzinsen im Sinne der steuerrechtlichen Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital umgesetzt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


18.48.59

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Auf die FPÖ und Coronapolitik, Tourismus gehe ich jetzt nicht ein – ich glaube, das haben wir im Aus­schuss schon zur Genüge behandelt. (Abg. Rauch: ... geben Sie es zu! Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

Was im Moment, glaube ich, im Tourismus gerade dominierend ist, ist sicher der Mitar­beiterInnenmangel, und da kann man nur sagen: Ja, der Hut brennt wirklich. Wir haben Lokale, die nicht aufsperren können, weil sie keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen finden. Und genau darum – Kollege Hörl hat es schon sehr wertschätzend angebracht, habe ich vernommen (Zwischenruf des Abg. Matznetter– haben wir ein dringendes Paket mit Kontingenterhöhungen, Erweiterung der Mangelberufsliste und Verbesserun­gen der Rot-Weiß-Rot-Karte geschnürt. Es war dringend notwendig, dass wir darauf re­agieren.

Ja, Kollegin von der SPÖ, natürlich müssen wir uns die Arbeitsbedingungen und die Rahmenbedingungen in den Tourismusberufen anschauen, aber das eine schließt ja das andere nicht aus.

Ich gehe jetzt kurz auf die Kritik ein: Im Zusammenhang mit der Rot-Weiß-Rot-Karte, den 2 835 Euro, angesichts der Mangelberufsliste auf Basis des Kollektivvertrags und der ortsüblichen Überbezahlung kann man nicht von Lohndumping sprechen. (Beifall der Abg. Salzmann.) Was wir bei der Rot-Weiß-Rot-Karte gemacht haben, ist, dass wir tat­sächlich Verbesserungen für die Saisonniers, die zu uns kommen, erzielt haben. Ich glaube, es ist auch nicht wirklich sinnvoll, wenn man zwischen Arbeitnehmern und ‑neh­merinnen, die in Österreich auf die Welt gekommen sind, und Arbeitnehmern und ‑neh­merinnen, die aus dem Ausland zu uns kommen, unterscheidet und diese in ihren Rech­ten beschneidet. Ich glaube, das hilft niemandem. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Ich glaube, es braucht einfach wirklich ein Miteinander. Wenn gerade die SPÖ bei solchen Sachen auf der Seite der FPÖ steht, dann sollte sie sich vielleicht schon einmal überlegen, ob sie auf der richtigen Seite steht.

Wir müssen schon damit aufhören, so zu tun, als ob wir jedes Jahr wieder davon über­rascht werden, dass wir einen MitarbeiterInnenmangel im Tourismus haben. Natürlich ist der Import von ausländischen Arbeitskräften sicher nicht die Lösung. Was wir ganz klar brauchen, sind langfristige Maßnahmen, um die Situation zu verbessern, und natür­lich müssen wir da auf die Geschwindigkeitstaste drücken. Wir wissen, wo das größte


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Potenzial liegt, und das müssen wir in Österreich ausschöpfen: Das liegt bei den Frauen. Das heißt, wir haben einen Hebel. Das sind auch die touristischen Betriebskindergärten, die wir ausbauen müssen, denn Frauen können nicht arbeiten gehen, wenn sie keine Möglichkeit für Kinderbetreuung haben, wenn die Kinderbetreuungszeiten fehlen. Darum ist das natürlich auch ein Tourismusthema.

Das heißt auch, wir müssen uns den Tourismus im Gesamten anschauen. Ob wir wollen oder nicht, er verändert sich, und ich glaube, ein Weitermachen so wie bisher spielt es nicht mehr. Was wir brauchen, ist, dass wir den Tourismus krisen- und zukunftsfit be­kommen, dass wir Regionen helfen, auf Ganzjahrestourismus umzustellen, dass wir auch von dem Schwarz-Weiß-Denken wegkommen: Im Winter gehen wir Ski fahren und im Sommer gehen wir wandern.

Weil wir gerade beim Thema sind: Ich war letztes Wochenende in den Tiroler Bergen wandern und es war wirklich schön. Das, was ich mir immer wieder denke: Was für ein Glück wir mit unserer Natur in Österreich haben! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Genau darum müssen wir aufhören, über überdimensionierte, über Natur zerstörende Projekte nachzudenken. Ja, Kollege Hörl, wenn überall eine Seilbahn steht, die Natur aber nicht intakt ist, bringt das auch nicht so viel, weil wir nicht vergessen dürfen: Die Natur ist unser touristisches Kapital, das wir in Österreich haben. (Beifall bei den Grü­nen.)

Noch ganz kurz zum MitarbeiterInnenmangel: Ich bin froh, dass wir jetzt gemeinsam mit der Staatssekretärin - - Kollegin von der SPÖ, das startet übrigens nicht erst im Herbst, sie führt jetzt schon Gespräche mit allen Stakeholdern, und im Herbst wird zu einem Gipfel geladen, bei dem die Sozialpartner mit am Tisch sind. Ich glaube, es ist grund­vernünftig, dass wir jetzt wirklich alle an den Tisch holen und über Maßnahmen disku­tieren, denn es ist fünf vor zwölf. Ich glaube, wir kommen daran gar nicht vorbei.

Eines noch: Ich meine, wir müssen auch die Chance nützen, Österreich zu einem nach­haltigen Tourismusland Nummer eins zu machen, wovon die Bevölkerung profitiert, unter dem die Natur nicht leidet und wodurch wir Wertschöpfung im Sinne von Qualität statt Quantität erzielen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Julia Seidl. – Bitte.


18.54.12

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Tourismusbe­richt über 2021 ist natürlich auch von den vergangenen zwei Jahren, von den Coronajah­ren, geprägt. Trotz alledem, muss man sagen, ist es tatsächlich so, dass die Betriebe schon mit einem gewissen Optimismus in die Zukunft schauen. Das finde ich großartig, weil das bedeutet, dass wir trotz eines schlechten Krisenmanagements der Bundesre­gierung in der Pandemie und des ständigen Auf- und Zusperrens Betriebe haben, die nach wie vor optimistisch sind und darauf vertrauen, dass sie selbst einen Beitrag dazu leisten können, dass es wieder bergauf geht, vor allen Dingen im Tourismus und in der Freizeitwirtschaft.

Ich glaube schon, dass es notwendig ist – da bin ich ein bisschen am Zweifeln, ob die Lernkurve der Bundesregierung wirklich sehr steil ist; ich glaube nicht –, auch angesichts dieses ruinierten Vertrauens, den Betrieben eine klare Ansage zu machen, was im Herbst passieren wird. Da kann man nicht sagen, wie Minister Rauch es heute getan hat: Das wissen wir noch nicht so genau, das können wir so pauschal nicht sagen! – Ich


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glaube, dass es für die Betriebe notwendig ist, einen Handlungsfahrplan zu haben. Das ist Krisenmanagement, und ich gehe schon davon aus, dass wir nach zwei Jahren Pan­demie endlich wissen, wie wir das handhaben wollen. (Beifall bei den NEOS.)

Die Vergangenheitsbewältigung ist die eine Seite, aber die zweite Seite ist: Wie geht es in der Zukunft weiter? Wir haben im Wirtschaftsbereich in Österreich in vielen Branchen große Herausforderungen, natürlich auch im Tourismus. Eine besondere Herausforde­rung in diesem Bereich – das haben schon Kolleginnen und Kollegen angesprochen – ist natürlich das Thema Mitarbeitermangel. Ich glaube, da hat Kollegin Erasim vielleicht etwas falsch verstanden: Die Lohnnebenkosten in Österreich sind dermaßen hoch, dass wir uns natürlich aktuell in einem Wettbewerbsmarkt von Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern befinden. Es ist nicht so, dass die MitarbeiterInnen im Tourismus nicht arbeiten wol­len oder nicht zu uns kommen wollen. Es ist einfach so, dass sie in anderen europäi­schen Ländern mittlerweile mehr verdienen und dort für ihren Lebensstandard nicht so viel bezahlen müssen.

An dieser Stelle muss ich Sie wirklich fragen: Die Lohnnebenkostensenkung um 0,3 Pro­zent, ist das ein Witz? Also ganz ehrlich, ich würde mich nicht einmal trauen, das in irgendeine Presseaussendung reinzuschreiben. Die Lohnnebenkosten muss man spür­bar senken, um diesen Wettbewerb am Arbeitskräftemarkt langfristig nicht zu verlieren. (Beifall bei den NEOS.) Diesen Wettbewerb zu verlieren bedeutet nämlich, dass auch der Wirtschaftsstandort verliert.

Ich war die letzten paar Wochen in zahlreichen Betrieben: Es zahlt keiner mehr nach Kollektivvertrag, weil es gar nicht mehr geht. Und es ist keiner mehr bereit, mehr als vier Tage in der Woche zu arbeiten. Es ist keiner mehr bereit, am Wochenende zu arbeiten. – Ja eh, aber man muss auch die Konsequenzen tragen. Es gibt momentan nicht nur einen Mitarbeitermangel, weil grundsätzlich zu wenige da sind, sondern auch deswegen, weil Stunden reduziert worden sind, und zwar im umfassenden Ausmaß. Das heißt natürlich, dass mehr Arbeitskräfte fehlen.

Ich möchte Ihnen noch ein paar Sachen zum Thema Kinderbetreuung mitgeben, weil uns das ein Anliegen ist. Wir haben dazu ja einen Antrag eingebracht, in dem wir fordern, dass mit den neuen ÖHT-Richtlinien Kinderbetreuung  Kinderkrippen, Kinderbildungs­einrichtungen , die Betriebe zur Verfügung stellen, stärker gefördert wird. Wir brauchen diese neuen Richtlinien. Wir haben diesen Antrag eingebracht, er ist leider in die Schub­lade gewandert wie viele andere Anträge von Kolleginnen und Kollegen der Opposition. Es wurde uns aber mitgeteilt, dass es diese neuen Richtlinien geben soll – ich glaube, nächstes Jahr sollen sie in Kraft treten – und dass diesbezüglich etwas drinnen sein wird.

Wir werden uns das genau anschauen, weil ich glaube, dass das wirklich ein zentrales Thema ist, bei dem man etwas machen muss. Man hat jahrelang verabsäumt, anzuer­kennen, dass der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Kinderbildungseinrich­tungen für kleine Kinder nicht notwendigerweise nur eine familienpolitische Maßnahme ist. Ganz im Gegenteil: Das ist zum einen eine Chancenmaßnahme für Kinder und zum anderen eine wirtschaftspolitische Maßnahme. Das hat die ÖVP in den letzten zehn Jah­ren wahnsinnig unterschätzt, und jetzt müssen wir aufholen. (Beifall bei den NEOS.)

18.58

18.58.30*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte jetzt, weil als Nächste die Frau Staatssekretärin zu Wort gemeldet ist und ich sie nicht unterbrechen will, ganz kurz die Gelegenheit nützen, um ein paar persönliche Worte zu sagen. In ein paar Minuten werde ich nämlich den Vorsitz an Herrn Präsidenten Hofer übergeben, und in, ich weiß nicht, circa eineinhalb Stunden wird der Herr Präsident das Ende der ordentlichen Tagung vor dem Sommer verkünden.


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Es ist jemand unter uns, für den das ein Tagungsende der ganz besonderen Art ist; er sitzt links von mir: Dr. Wolfgang Engeljehringer. (Allgemeiner Beifall.)

Dr. Engeljehringer hat 25 Jahre lang, ein Vierteljahrhundert, das Präsidium von dieser Sei­te aus mit seiner sehr gewissenhaften, präzisen, vertrauenswürdigen und verlässlichen Arbeit unterstützt.  Die Arbeit für uns alle hier wäre ohne Sie und alle Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion gar nicht möglich, wir könnten das alles gar nicht bewältigen. Deshalb, Herr Dr. Engeljehringer, bedanke ich mich bei Ihnen im Namen von uns allen und bitte, diesen Dank auch allen MitarbeiterIn­nen, Ihren Kolleginnen und Kollegen auszurichten.

Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen alles Gute für Ihren neuen Lebensabschnitt. Alles Liebe! (Allgemeiner Beifall.  Präsidentin Bures sowie Präsident Hofer schütteln Dr. Engeljehringer die Hand.)

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer (den Vorsitz übernehmend): Frau Staatssekretärin. – Bitte schön.


19.00.30

Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Mag. Susanne Kraus-Winkler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordne­te! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Ich freue mich und bedanke mich, dass wir heute den Tourismusbericht 2021 generell diskutieren können. Ich möchte in Ergänzung zu dem, was wir bisher gehört haben, in den nächsten Minuten noch ein paar Eckpunkte, einige der aktuellen Herausforderungen und auch ein wenig die Arbeitspake­te für Sie zusammenfassen.

Das zweite Pandemiejahr war ja vor allem durch eine sehr lange und mehrfache Lock­downzeit geprägt, die die Betriebe eigentlich im zweiten Jahr noch viel stärker als im ersten Pandemiejahr getroffen hat. Das hat sich auch in der Nächtigungsentwicklung sehr stark niedergeschlagen. Wir hatten 2021 nur mehr 79,6 Millionen Nächtigungen und 22,1 Millionen Ankünfte. Zum Vergleich: 2020 waren das noch 97,9 Millionen, also waren es doch um relativ viele Nächtigungen weniger. Wir sind, wenn man es mit 2019 vergleicht, noch immer bei nur 51,1 Prozent der Nächte von 2019, also quasi bei der Hälfte.

Was erfreulich war, ist, dass der Anteil der inländischen Gäste permanent gestiegen ist. Wir waren 2021 bei 37 Prozent Inlandsnächten im Vergleich zu 26 Prozent bei 2019. Noch eine nicht unwesentliche Zahl: Was die Tourismusausgaben in- und ausländischer Gäste betrifft, hatten wir 2021 20,8 Milliarden Euro, das ergibt 2,4 Prozent weniger als 2020.

Ich glaube, Sie alle können die restlichen Zahlen im Tourismusbericht selber nachlesen. Deswegen möchte ich mich ein bisschen auf die generellen Aussagen und auf die Dinge konzentrieren, an denen wir in der letzten Zeit schon zu arbeiten begonnen haben.

Grundsätzlich war der Sommer 2021 von einer großen Reiselust geprägt, wie auch jetzt der Sommer 2022 davon geprägt ist. Österreich kann auch in diesen zwei Sommern, im letzten und im beginnenden, zeigen, dass wir als Urlaubsdestination weiterhin sehr beliebt sind. Einzig schwierig ist es noch immer für den Städtetourismus, sprich Stadtho­tellerie, Nachtgastronomie und Vergnügungsbetriebe, Veranstalterbranche, die vor al­lem im letzten Jahr ein besonders schwieriges Jahr hatten, weil sie am längsten ge­schlossen waren und der internationale Fernreiseverkehr am stärksten betroffen war.


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Dennoch war 2021 die oberste Priorität, dass wir auf der einen Seite die Pandemie ein­dämmen, auf der anderen Seite aber alles tun, um die Betriebe möglichst stark in ihrem Überleben zu unterstützen. Daher ist auch 2021 eine der Hauptprämissen die Beibehal­tung der Unterstützungsmaßnahmen gewesen, um einfach die wirtschaftlichen Folgen bestmöglich abzufedern.

Was ich hier auch noch einmal erwähnen möchte – es wurde heute schon gesagt –, ist das Thema Kurzarbeit. Man sieht gerade jetzt beim Flughafen Wien, wie wichtig die Kurzarbeit war, weil Wien zeigen kann, dass wir bei den Flugchaosproblemen, die es derzeit europaweit – eigentlich weltweit, vor allem aber europaweit – gibt, einen der Flug­häfen haben, der am besten aufgestellt ist; und das ist wirklich ein gutes Beispiel, um zu zeigen, dass es in so schwierigen Zeiten ein ganz wesentlicher Punkt ist, die Mitarbeiter im Betrieb zu halten. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Erasim.)

Kurz noch zur Winterbilanz: Die diesjährige Winterbilanz war etwas besser als befürch­tet. Wir hatten es geschafft, von November 2021 bis April 2022 in Summe 52,7 Millionen Nächtigungen und auch dort schon wieder 75 Prozent Gäste aus dem Ausland zu haben. Der Winter ist deswegen in Österreich eigentlich immer gut aufgestellt  wenn wir offen haben dürfen –, weil es einen extrem hohen Stammgästeanteil gibt. Wir haben im Winter fast 77 Prozent Stammgäste aus dem europäischen Inland und aus Österreich, daher haben wir da immer eine sehr stabile Nachfrage.

Das einzige Problem, das bei diesem Winter am Anfang des Winters wirklich extrem schwierig war, war, dass kurz vor Silvester einige unserer wesentlichen Herkunftsländer, nämlich Norwegen, Großbritannien, die Niederlande und Dänemark – Großbritannien und die Niederlande gehören im Winter natürlich zu den Hauptherkunftsmärkten –, als Hochrisikogebiete eingestuft wurden und es dadurch relative starke Probleme gegeben hat.

Letztlich ist der 5. März 2022 der Tag gewesen, an dem alle pandemiebedingten bundes­weiten Maßnahmen beendet wurden.

Ich habe noch ein paar für Sie vielleicht wichtige Punkte, die heute noch gar nicht ange­sprochen worden sind, die ich ganz gerne hier noch erwähnen möchte, nämlich die Energiebilanz in der Beherbergung und Gastronomie. Es ist sehr interessant, zu sehen, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger in der Beherbergung und Gastronomie laut Umweltbundesamt bereits bei 54 Prozent liegt. Das ist, wenn man es mit 2008 ver­gleicht – da hatten wir 36 Prozent – ein richtiger Schritt, und auch der Energieverbrauch pro Nächtigung liegt mittlerweile bei 27,6 Kilowattstunden; das waren 2008 noch 51 Kilo­wattstunden. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie bei den Grünen.)

Natürlich müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, und das Ziel 2030 zu erreichen wird uns sicher noch ziemlich in Atem halten, aber man sieht, dass schon deutliche Veränderungen in die richtige Richtung geschehen sind.

Kurz noch zur Österreich-Werbung für die, die es interessiert: Es ist gelungen, dass erst­malig seit 2002 die Mitgliedsbeiträge des Bundes erhöht werden konnten. Das hat im Speziellen bedeutet, dass 2022 4 Millionen Euro mehr ins Budget wandern; das sind dann in Summe 28 Millionen Euro. Im Folgejahr 2023 kommen weitere 6 Millionen Euro dazu, sodass die Österreich-Werbung 2023 letztendlich 30 Millionen Euro Jahresbudget zur Verfügung haben wird. Dazu kam noch ein Sonderbudget in Höhe von 15 Millionen Euro für die Jahre 2022 und 2023, vor allem um diese Sommeroffensive, aber auch die folgende Winterkampagne und vor allem Conventions und Städtetourismus zu unter­stützen.

Ich komme jetzt zu einem der heiklen Themen, die heute schon mehrfach angesprochen wurden, nämlich der Herausforderung touristischer Arbeitsmarkt. Ich gehe jetzt nicht


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mehr auf das diese Woche beschlossene Sofortmaßnahmenpaket ein, das wurde schon besprochen. Ich darf Ihnen aber versichern, dass erstens der touristische Arbeitsmarkt klarerweise und auch logischerweise die höchste Priorität hat, dass in dem Maßnah­menpaket, das beschlossen wird, die Grundtendenz war, auch in die Ganzjahresbe­schäftigung erleichtert einsteigen zu können – wenn man sich das ansieht, kann man das auch erkennen –, und dass wir natürlich mittel- und langfristig verbesserte Konzepte brauchen. Das beginnt bei der Attraktivierung der touristischen Berufe sowie dem Image der Arbeit im Tourismus und geht bis hin zur Lehrlingsausbildung, einer besseren Kom­munikation für Aufstiegs-, Weiterbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten und vie­lem mehr.

Ich darf Ihnen sagen, dass wir noch am gleichen Mittwoch, an dem das beschlossen wurde, ein erstes Stakeholdermeeting hatten, in dem wir bereits den Fahrplan für ein touristisches Arbeitsmarktpapier festgelegt haben. Ich habe auch – es freut mich, das hier zu sagen – am gleichen Tag mit meinen Kollegen in der Vida telefoniert (Beifall des Abg. Koza) und ihnen gesagt, dass sie natürlich genauso in diese Arbeitsgruppe inte­griert sein werden.

Wir werden im September zwar einen Arbeitsmarktgipfel machen, aber damit wir dort nicht erst beginnen – das habe ich auch den Kollegen in der Vida gesagt –, werden wir jetzt, in den nächsten zwei Wochen, schon die ersten Papiere zum Bearbeiten vorlegen und werden dann den ganzen August nutzen, um die Ideen, die von allen eingebracht wurden, mit allen gemeinsam in ein bis zwei physischen Meetings hinsichtlich Umsetz­barkeit noch einmal durchzudiskutieren. Wir werden dann auch alle Tourismussprecher in eine dieser Runden zur Mitarbeit einladen und wollen dann im September bei einem Gipfel schon darüber sprechen, was die Resultate und die Umsetzungsmaßnahmen sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und SPÖ.)

September deswegen, weil wir wenigstens die sechs Wochen brauchen, um konzentriert zu arbeiten, damit wir überhaupt diese Entscheidungen dann sehr schnell treffen kön­nen. Das wollte ich nur noch einmal sicherheitshalber klarstellen. Wir werden also den ganzen Sommer durcharbeiten. (Abg. Erasim: Klarstellen war wichtig!  Abg. Leicht­fried: So wie wir!) – Danke. Wir werden den ganzen Sommer durcharbeiten.

Die gewerbliche Tourismusförderung, eines der wichtigen Arbeitspakete – Sie alle wis­sen, da wurde schon mit der Bearbeitung begonnen –, soll ab Jänner nächsten Jahres gültig sein. Was ist aber das Wesentliche bei der neuen gewerblichen Tourismusförde­rung?  Dass sie ganz auf Nachhaltigkeit und Regionalität ausgerichtet ist.

Das heißt, wir wollen dabei den Grundprinzipien des Masterplans Tourismus folgen. Es fließt alles ein. Wir wollen, dass alle Dimensionen der Nachhaltigkeit integriert werden und darin gestärkt wiedergefunden werden können. Damit können Nachhaltigkeitsinves­titionen, die aktivierungsfähig sind, von allen Gebäudesanierungen bis hin zu energie­effizienteren Geräten auch in der Gastronomie stark gefördert werden, um auch diesen Wandel noch zu unterstützen – und da gehört auch das Thema mit den Betriebskinder­gärten dazu.

Was dort nicht gefördert werden soll, ist Bodenversiegelung. Was dort auch nicht ge­fördert werden soll, sind Neubauten in tourismusintensiven Gemeinden. Das heißt, es gibt da einen sehr klaren Fahrplan. Damit das auch richtig nachvollziehbar ist, wird es auch diesmal die Vergabe anhand eines Punkteschemas geben; sodass die Evaluierung auch leichter möglich ist, damit wir wirklich sichergehen, dass das in die richtige Richtung geht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Ziel all dieser Dinge ist es natürlich, dass Österreich mit zu den nachhaltigsten Tourismusdestinationen gehört.

Ein kurzer Ausblick auf den Sommer: Die Buchungssituation ist auf konstant gutem Ni­veau. Der Frühsommer war zwar etwas schwächer, aber die Hauptmonate des Sommers


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schauen sehr gut aus. Wir haben trotz des Kriegs in der Ukraine eine stabile Nachfra­gesituation vor allem aus Ostmitteleuropa – das war die größte Sorge –, aus Südeuropa, aus den Niederlanden, aus den arabischen Ländern, mittlerweile auch wieder aus den USA und vor allem aus dem Dach-Raum, unseren Nahmärkten, die immer schon sehr groß waren.

Auch die Städte können seit April wieder eine schöne Aufwärtsbewegung verzeichnen. Für die, die es interessiert: Wien liegt im Mai mittlerweile bei einer durchschnittlichen Auslastung von 66 Prozent; und für die, die sagen, die Preise steigen zu stark: Die Wiener Preissteigerung liegt derzeit bei 4 Prozent. Ich gehe davon aus, dass dieser Wert noch stärker steigen wird, aber er liegt derzeit laut Benchmarkdaten bei 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Für Herbst und Winter ist die Entwicklung noch sehr, sehr schwer vorhersehbar oder voraussagbar. Da sei noch einmal erwähnt: Wir haben einen hohen Stammgästeanteil, von dem wir hoffen, dass er uns den Winter auf jeden Fall wieder halbwegs gut rüber­bringt. Wir wissen aber natürlich nicht, wie es mit der Energieknappheit weitergeht. Auch wissen wir nicht, wie es mit der Inflationsrate und der Teuerung weitergeht. Das betrifft auch unsere Herkunftsmärkte. Wir brauchen einen unaufgeregten Umgang mit der Pan­demie. Dazu haben wir auch intensive Gespräche mit Herrn Bundesminister Rauch ge­führt. Es gibt also sehr viele große Fragezeichen, was den Spätherbst und den Winter betrifft, wir hoffen aber trotzdem, dass wir es gut rüberbringen können.

Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich und darf versichern, dass es mir ein Anliegen ist, weiter mit allen gut zusammenzuarbeiten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

19.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank.

Zu Wort gelangt nun Frau MMMag. Gertraud Salzmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.14.19

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseher auf der Galerie und jene, die daheim noch dieser Debatte folgen! Frau Staatssekretärin, Sie haben meinen größten Respekt für diese Ausführungen, die Sie jetzt hier sehr inhalts­reich und sehr fundiert gegeben haben. Vielen herzlichen Dank!

Ich heiße Sie als Mitglied des Tourismusausschusses hier im Hohen Haus sehr herzlich willkommen. Wir verhandeln das erste Mal Themen aus dem Tourismusausschuss, und ich kann nur meinen Eindruck schildern, den ich zutiefst habe: Bei Ihnen ist der Touris­mus in sehr, sehr guten Händen. Sie wissen, wovon Sie reden, und Sie sind eine abso­lute Fachexpertin. Ich bin sehr froh darüber und wünsche Ihnen ganz viel Erfolg in unse­rer gemeinsamen Zusammenarbeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der vorliegende Bericht aus dem Jahr 2021 zeigt, wie Sie, geschätzte Frau Staatssekre­tärin, bereits ausgeführt haben: Es war wiederum ein Jahr, das durch die Coronaein­schränkungen sehr, sehr schwierig war. Der Sommertourismus, die Sommermonate sind in den Ferienregionen nicht schlecht gelaufen, und der Wintertourismus auch, aber die Stadthotellerie im Speziellen hat wirklich sehr, sehr viel abbekommen.

Deshalb haben wir viele Maßnahmen getroffen, nämlich in einem Wertvolumen von 44,5 Milliarden Euro. Ich nenne nur: Ausfallsbonus, Fixkostenzuschuss, Härtefallfonds, Kurzarbeit – ein ganzes Maßnahmenbündel, Sie haben es auch angesprochen.

Österreich, meine Damen und Herren, ist das Land der Gastlichkeit. Daher liegt es uns sehr am Herzen, alle Tourismusbetriebe und Freizeitbetriebe auch wirklich stark zu unter­stützen. Das haben wir im letzten Jahr massiv getan und das werden wir auch heuer tun.


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Als Salzburgerin und Pinzgauerin liegt mir der Tourismus sehr stark am Herzen. Ich habe letzte Woche mit Bundesminister Kocher etliche Betriebe besucht, habe mit den Unter­nehmern, mit den Touristikern gesprochen und wir haben uns die Anliegen vor Ort ange­hört.

Klar ist, und das möchte ich in Richtung SPÖ sagen: Wir brauchen schon jemanden, der den Salat in den Gaststätten wäscht, wir brauchen schon jemanden, der das Schnitzel serviert und der das Schnitzel vorher bäckt; aber bitte, treiben wir nicht einen Keil zwi­schen Unternehmer und Arbeitnehmer! Ich sehe in den Betrieben, dass die Zusammen­arbeit zu einem großen Teil wirklich bestens funktioniert. Zum Teil zahlen die Betriebe auch weit über die Kollektivverträge hinaus. Bitte reden wir da nicht schlecht, was nicht schlecht ist!

Frau Staatssekretärin, ich gratuliere Ihnen vor allem auch zu dieser Einigung, die Sie bezüglich Saisonnierskontingent geschafft haben – 1 000 Personen zusätzlich. Wir ha­ben die bundesweite Mangelberufsliste um den Kellner und die Gaststättenfachberufe erweitert. Und etwas, das für unsere touristischen Betriebe auch wichtig ist: Der Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte ist besonders auch für die Saisonniers leichter geworden. Wir haben die Einkommensgrenzen gesenkt und haben auch die Englischkenntnisse aufge­wertet.

Sie haben von einem ganzen Maßnahmenbündel gesprochen. Ich bin guter Dinge, dass wir trotz dieser schwierigen Arbeitskräftesituation – es fehlen die Arbeitskräfte in allen Branchen, in allen Betrieben – durch die Maßnahmen, die Sie angesprochen haben, durch dieses Paket, auch unsere Tourismus- und Freizeitbetriebe weiterhin kräftig unter­stützen können; denn Österreich ist eines der begehrtesten und beliebtesten Länder in Europa und wir sind das Land der Gastlichkeit.

Ich wünsche allen von dieser Stelle aus einen erholsamen Sommer. Meine Damen und Herren, machen Sie Urlaub in Österreich! Österreich ist das schönste Land der Welt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.18.17

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatssekretärin, Sie haben den Fach­kräftemangel angesprochen. Ich möchte das noch einmal kurz aufgreifen. Es ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig, über dieses Thema noch einmal zu sprechen, denn wir haben da ein echtes Problem. Wir haben ein wirkliches Problem, denn der Personalmangel in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft ist mittlerweile eklatant. Wo ich auch hinkomme, zu Gastwirten, Hoteliers und so weiter, überall wird der Fachkräftemangel beklagt.

Mittlerweile ist es sogar so, dass nicht nur Österreicherinnen und Österreicher, sondern auch viele Arbeitskräfte aus den Nachbarländern Jobs wie Kellner und Koch eben nicht mehr machen wollen. Das ist Ihnen sicherlich nicht neu, Sie haben ja einen Versuch gestartet, um über die Sommersaison zu kommen.

Das ist schon das Stichwort: die Mangelberufsliste. Sie haben Kellnerinnen und Kellner und Gaststättenfachberufe österreichweit zu Mangelberufen erklärt. Das heißt also, das Drittstaatsangehörige eine Rot-Weiß-Rot-Karte erlangen und bei uns arbeiten können.

Das klingt fürs Erste, als würde es das Problem lösen; aber ganz ehrlich, Frau Staatsse­kretärin: Anstatt Drittstaatsangehörige anzuwerben, wäre es dringend an der Zeit – Sie haben das jetzt angekündigt, schauen wir, was herauskommt –, dass wir die Arbeitsbe­dingungen strukturell verbessern. (Beifall bei der SPÖ.)


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Was wir in dieser Tourismusbranche brauchen, sind dringend mehr Lehrstellen für junge Menschen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Kollege Hörl, du warst schon dran! – Damit diese auch langfristig in der Branche bleiben, brauchen wir attraktive und flexible Arbeits­bedingungen, damit Familie, Freizeit und Beruf vereinbar sind, und natürlich nicht zuletzt höhere Löhne, ganz klar, denn alleine vom Trinkgeld können die Menschen in der Bran­che nicht leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Staatssekretärin, wir müssen das Problem an der Wurzel packen. So kann es si­cher nicht weitergehen, denn wir müssen endlich die Strukturen verbessern, im Touris­mus genauso wie allgemein in unserem Land, und da möchte ich kurz noch einmal auf die Teuerung eingehen.

Auch was die Teuerung angeht, brauchen wir einen Systemwechsel. Die Menschen müssen wieder in Beschäftigung kommen (Abg. Obernosterer: Jetzt haben wir Höchst­beschäftigung, hast du es noch nicht gehört?! Vollbeschäftigung!) und müssen auch Löhne verdienen, von denen sie leben können, und das ist das, worum es hier eigentlich geht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Was wir nicht brauchen können, Kollege Obernosterer, ist einerseits das dauernde Rein­schreien, und andererseits eine Bundesregierung, die strukturelle Probleme auf die lan­ge Bank schiebt und zuschaut, während die Menschen das Doppelte für den Sprit an der Zapfsäule bezahlen müssen.

Es kann nicht sein, dass sich Konzerne in der aktuellen Situation die Taschen vollstopfen (Abg. Zarits: Burgenland Energie! Burgenland Energie!) und gleichzeitig die Menschen mit 1 300 Euro Einkommen mit einer einmaligen Zahlung von 250 Euro abgespeist wer­den.

Wenn man sich schon das tägliche Leben nicht leisten kann, wie soll man dann einen Urlaub, zum Beispiel im Skigebiet beim Kollegen Franz Hörl, verbringen können? Wie soll man sich das leisten können? (Abg. Leichtfried: Na dorthin muss man nicht unbe­dingt fahren!) Und ich glaube, Kollege Hörl wird auch keine Freude haben, wenn keiner mit der Seilbahn fährt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rauch.) Also bitte lassen Sie die Menschen nicht im Stich! Wir sind gespannt, was da jetzt rauskommt.

Ich glaube, unsere Tourismussprecherin ist sehr bemüht und wird Ihnen sicher auch behilflich sein, wenn Sie diese Gesprächsrunden haben, aber Österreich und die Men­schen in unserem Land haben sicher etwas Besseres verdient. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Bravo!)

19.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Ing. Johann Weber. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Obernosterer: Das war ein alter Zettel!)


19.22.11

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber geschätzte Damen und Herren auf der Zuschauergalerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ja, wir sind im Sommer ange­langt, und Sommer ist bekannterweise unsere Urlaubszeit, Haupturlaubszeit. Wir freuen uns mit Sicherheit alle schon sehr darauf, auch wir hier im Hohen Haus.

Grundsätzlich ist zu sagen, dass wir dort leben und arbeiten dürfen, wo sehr viele gerne Geld in die Hand nehmen, um Urlaub zu machen. Das sollten wir auch einmal entspre­chend wertschätzen, dass wir gesegnet sind, in diesem Land leben zu dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Österreich – das ist ja auch gesagt worden und das unterstreiche ich – ist wirklich ein Urlaubsland, und ich als Kärntner sage natürlich: Kärnten erst recht. Vom Badestrand


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bis zum Gipfelkreuz, alles haben wir unmittelbar vor unserer Haustür. Zusätzlich haben wir auch noch eine ausgezeichnete Kulinarik, und wir haben tolle, wirklich tolle, ausge­zeichnete Beherbergungsbetriebe.

Jetzt aber zum Tourismusbericht 2021 (Zwischenruf des Abg. Leichtfried): Der besagt, wir sind trotz der Krise gut aufgestellt und halbwegs durch diese Krise durchgekommen. Der Tourismus ist ein beachtlicher und starker Wirtschaftsfaktor sowie schließlich und endlich ein entsprechender Faktor für unseren Wohlstand. Durch touristischen Konsum wurden 20,8 Milliarden Euro in den Wirtschaftskreislauf in Österreich gespült, und da müssen wir wirklich Danke sagen.

Ja, es ist richtig, der heimische Tourismus wurde durch die Pandemie und deren Folgen hart getroffen; und die Bundesregierung war da, sie war zur Stelle und hat gemeinsam mit dem Parlament ordentlich geholfen. Es wurden Maßnahmen wie Ausfallsbonus, Fix­kostenzuschuss, Härtefallfonds, Investitionsprämien, Kurzarbeit, Veranstalterschutz­schirm, Verlustersatz und so weiter beschlossen. Auch das zusätzliche Testangebot Si­chere Gastfreundschaft hat positiv gewirkt.

Ja, die Regierung hat wirklich gearbeitet, das kann man eindeutig sehen. Der Wirt­schaftsmotor läuft nämlich in Österreich – siehe das Wachstum, siehe die niedrigen Ar­beitslosenzahlen, siehe die hohen Beschäftigungszahlen und siehe die vielen offenen Stellen. Ja, wir haben in manchen Bereichen wirklich Vollbeschäftigung. (Beifall bei Ab­geordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Amesbauer und Scherak.)

Das alles ist der beste Beweis, dass die Regierung wirklich sehr, sehr richtig gearbeitet und vieles richtig gemacht hat. Leider machen die hohen Energiekosten derzeit und auch die Inflation dem Tourismus etwas zu schaffen. Ein weiteres Problem, ein wirklich bren­nendes Problem, das ja auch schon mehrfach angesprochen worden ist, ist der Mangel an qualifizierten und auch motivierten Mitarbeitern. Daher hat die Bundesregierung Gott sei Dank auch da wieder rasch reagiert und entsprechende weitere Maßnahmen bereits vorgestern gesetzt: Saisonnierkontingent, Kellnerinnen und Kellner und Gaststättenbe­rufe sind auf die Mangelberufsliste gesetzt worden, die Rot-Weiß-Rot-Karte ist leichter zu beantragen und so weiter.

Geschätzte Damen und Herren, die Regierung arbeitet! Das muss einmal gesagt sein. Aber: Was tut die Opposition? – Nichts. (Ruf bei der ÖVP: Überhaupt nichts! – Abg. Seidl: Stimmt überhaupt nicht! ... Anträge!) Die Opposition tut nichts außer kritisieren, anpatzen, skandalisieren und vorverurteilen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Loacker: Das mit dem Anpatzen, das war Kurz ...!) Das ist das, was die Opposition macht. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Drüberstreuen, das haben wir ja auch schon öfters gehört und das wurde auch mit Recht gesagt: Bis auf einige wenige Ausnahmen stimmen Sie gegen jede Hilfe bezie­hungsweise Entlastung für die Bürger in unserem Land, die jetzt die Hilfen brauchen.

Wofür steht die Opposition? – Das sage ich jetzt aus meiner Beobachtung, ich habe da hinten oben einen sehr guten Platz und bin sehr viel im Hohen Haus anwesend: Die FPÖ steht für Populismus und Spaltung der Gesellschaft und in gewissem Sinne auch für die einen oder anderen Fakenews. (Abg. Lausch: Ihr habt es noch weniger! – Abg. Rauch: Wie halten Sie es mit der Korruption?)

Die NEOS, wofür stehen die NEOS? (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Mein erster Gedanke war: für nichts. Für mich sind die NEOS im Großen und Ganzen Trittbrettfahrer. Sie fahren einmal da mit, einmal dort mit.

Und die SPÖ? – Der SPÖ würde ich empfehlen, den Namen zu ändern, sich umzube­nennen in USPÖ: Unsoziale Partei Österreich. (Beifall bei der ÖVP.) Und wofür steht die USPÖ? – Für Dirty Campaigning. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Scherak: Das ist ja eine Zumutung für die Frau Staatssekretärin, was du redest!)


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Zum Schluss, sehr geehrte Frau Staatssekretärin, vielen, vielen Dank für Ihren Einsatz für den Tourismus und die gesamte Wirtschaft in diesem Zusammenhang in Österreich!

Ich wünsche allen einen wunderschönen, erholsamen Sommer, wenn möglich verbun­den mit einem Urlaub bei uns im wunderschönen Kärnten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Ab­geordnete Erasim zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


19.27.31

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Herr Abgeordneter Weber hat zusätzlich zu seiner Unzahl an unqualifizierten Meldungen behauptet (Abg. Steinacker: He, he, he! Aber wirklich nicht so! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), die Opposition und die Sozialdemokratie würden nichts tun.

Ich berichtige tatsächlich - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich warte gerne, bis Sie wie­der zu sich finden und zur Ruhe kommen, damit wieder alle der Debatte lauschen können.

Ich berichtige tatsächlich, dass alleine im letzten Tourismusausschuss seitens der So­zialdemokratie vier Anträge eingebracht worden sind: der Antrag auf Verlängerung der ÖHT-Haftungen, der Antrag auf Bekämpfung des Fachkräftemangels durch die Touris­mus-Urlaubs- und Abfertigungskasse, der Antrag auf „Maßnahmen für die Lehrlinge der Tourismusbranche“ und ein Antrag auf Verbesserung der Erwachsenenlehre, ebenso noch unzählige Anträge der anderen Oppositionsparteien. – Vielen Dank für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hauser – zur Geschäftsordnung? (Abg. Hauser: Zu einer tatsächlichen Berichtigung!) Zu einer tatsächlichen Berichti­gung. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.28.54

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Kollege Weber von der ÖVP hat behauptet, dass wir als FPÖ nur anpatzen und nichts weiterbringen. Ich stelle richtig: Ich habe ge­rade vorhin in meiner Rede einen Antrag zur Stärkung des Eigenkapitals eingebracht, der nunmehr von der ÖVP und von den Regierungsparteien unterstützt werden darf. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Steinacker: Tatsächliche Berichtigung!)

19.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Michael Seemayer. (Abg. Eßl: Herr Präsident! Das war keine tatsächliche Berichtigung!)

Einen Moment noch! Werte Kollegen, jetzt sage ich euch einmal etwas: Ich stelle mich gerne zur Verfügung, in jedem Klub einen kleinen Vortrag zu halten, wie eine tatsäch­liche Berichtigung wirklich auszusehen hat (Beifall bei der ÖVP), aber ich muss schon sagen, dass es tatsächlich so ist, dass in Wirklichkeit die große Mehrheit der Wortmel­dungen, die für sich in Anspruch nehmen, eine tatsächliche Berichtigung zu sein, das nicht ist.

Wir müssen uns einmal überlegen: Wie gehen wir damit um? Grundsätzlich würde ich alle Klubdirektoren, die ja Profis in diesem Bereich sind (Beifall bei der ÖVP), bitten, die Mandatare zu schulen, damit jeder weiß: Was ist eine Wortmeldung, was ist keine Wort­meldung, und was ist eine tatsächliche Berichtigung? (Beifall bei der ÖVP.)

Bitte, Herr Abgeordneter, Sie gelangen zu Wort.



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19.30.15

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Abgeordneter Weber, du hast hier heraußen geschildert, was alles gut gelaufen ist. Wenn es aber nicht gelungen ist, die qualifizierten Fachkräfte in der Branche zu halten, dann kann nicht alles gut gegangen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sehen das jetzt ganz klar daran, dass über 30 000 offene Stellen nicht besetzt wer­den können, dass Betriebe klagen, dass sie kein Personal finden und kaum Personal aufnehmen können.

Da muss man unterscheiden: Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Betrieben – Be­triebe, die besser durch die Krise kommen, weil sie auf das System Kurzarbeit gesetzt haben, weil sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem System Kurzarbeit halten konn­ten, und Betriebe, die ganz stark auf den Arbeitsmarkt gesetzt haben und die Kolleginnen und Kollegen, die Beschäftigten, in die Arbeitslosigkeit geschickt haben.

Wenn dann manchmal fast vorwurfsvoll geklagt wird, dass Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer in der Arbeitslosigkeit die Branche gewechselt haben und nicht mehr im Bereich des Tourismus zur Verfügung stehen, dann ist das ein Vorwurf, der eigentlich gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerichtet ist. Es kann nicht sein, dass man arbeitslosen Menschen, die genau das tun, was man von ihnen erwartet – nämlich dass sie sich auch in einer anderen Branche Arbeit suchen –, dann den Vorwurf macht, sie seien schuld, dass es jetzt einen Arbeitskräftemangel im Tourismus gebe. (Beifall bei der SPÖ.)

Da ist es auch nicht gerade hilfreich, wie es in der letzten Ausschusssitzung passiert ist, dass man dem AMS seitens der ÖVP den Vorwurf macht, es habe die Sache verschärft, weil das AMS in andere Branchen vermittelt und umgeschult hat, und das hätte das AMS nicht tun sollen. Kolleginnen und Kollegen, wo kommen wir denn hin, wenn das AMS nicht vermitteln soll, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in andere Branchen wechseln sollen? Das heißt, man macht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab­hängig von den Arbeitgebern und abhängig von der Branche. So hätten wir sicher keine Beschäftigten in der eigenen Branche. (Beifall bei der SPÖ.)

Apropos Abhängigkeit: Abhängigkeit ist ja das, worauf manche in der Regierung derzeit ganz stark setzen. Das sieht man auch an den Maßnahmen gegen die Teuerung, denn etwas anderes ist es nicht, wenn man den Menschen in Österreich das Überleben oder den Lebensstandard nur sichert, indem man ihnen Zuschüsse und Einmalzahlungen gibt. Kolleginnen und Kollegen, die Menschen wollen nicht mit Zuschüssen und Einmal­zahlungen ihren Lebensunterhalt bestreiten, sie wollen das aus eigener Kraft schaffen, sie wollen das mit dem eigenem Einkommen schaffen (Zwischenruf des Abg. Kühber­ger), und darum braucht es jetzt ganz klar steigende Einkommen, strukturelle Entlastung (Zwischenruf des Abg. Zarits) und Preisstabilität, gerade in den Bereichen Energie, Le­bensmittel und Wohnen. Da sind unsere Ideen bei Weitem besser als die der Regierung. Dass das die Bevölkerung inzwischen auch so sieht, zeigen ja die aktuellen Umfragen, die übrigens nicht frisiert sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Maria Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.33.45

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Nun zum Positiven! Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Staatssekretärin! Trotz aller vergangenen, gegenwärtigen und auch künfti­gen Problemstellungen, die wir im Tourismus haben, möchte ich mich auf ein paar posi­tive Punkte konzentrieren, nämlich aus dem Tourismusbericht 2021, den wir eigentlich gerade hier im Hohen Haus debattieren. Ja, das Jahr 2021 war wirklich kein einfaches


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Jahr, aber genau deswegen sollte man sich auch wieder einmal auf das Positive kon­zentrieren.

Wenn ich vom Tourismus in Österreich spreche, dann bin ich selbstverständlich sofort wieder bei der Kultur, denn Tourismus und Kultur sind in Österreich natürlich eng mitein­ander verknüpft. Ja, wir hatten 2021 auch im Sommer dank vieler Festspiele wieder ein gutes und sehr zahlreiches internationales Publikum in Österreich, in Bregenz, in Salz­burg, in Grafenegg. Das war nicht nur für den Tourismus wesentlich, sondern es war auch für die eigene Bevölkerung ein Lichtblick.

Ich glaube, man muss sich selbst auch wieder positive Situationen gönnen und sich mit der Kultur auch wieder einmal einen Lichtblick verschaffen, sei es in einem Kabarett, sei es in einem Konzert. Auch die vielen Outdoor- und Freiluftbühnen haben da in einer sehr schwierigen Zeit einen guten Beitrag geleistet.

Ein positiver Punkt ist die Österreich-Werbung. Die Frau Staatssekretärin hat schon eini­ge Punkte zur Österreich-Werbung erwähnt. Nicht zuletzt wurde das Budget 2021 das erste Mal seit dem Jahr 2002 um einige wesentliche Millionen Euro aufgestockt, sodass die Österreich-Werbung auch weiterhin in ihren weltweit 21 Büros die Märkte bearbeiten und auch in schwierigen Zeiten Gäste überzeugen kann, dass Österreich auch in einer Pandemie ein sicheres Urlaubsland ist.

Die Österreich-Werbung hat sich auch 2021 hervorragend präsentiert, nämlich mit unse­rem Land Österreich auf der Expo in Dubai. Es war auch ein Orchester aus Wien dabei. Da war die Musik auch im Tourismus wieder ein verbindendes Element.

Ein Themenschwerpunkt 2021 in der Österreich-Werbung war die Kulinarik. Das war auch ein sehr wichtiges Thema. Da wurde sehr viel Wert auf die Qualität, auf kleine Produzenten, auf Manufakturen gelegt. Man hat Gastronomiebetriebe und auch Hotels präsentiert. Das war ein sehr, sehr wertvoller Beitrag.

2021 wurde auch eine Zusammenarbeit zwischen der Österreich-Werbung und dem Außenministerium neu fixiert. Ich finde, das ist eine sehr logische und gute Idee. Es ist nämlich nicht nur so, dass die Österreich-Werbung viele internationale Büros hat, son­dern auch das Außenministerium hat im Ausland Kulturbüros, Kulturforen. Diese wollen in Zukunft enger zusammenarbeiten.

Sie sehen, ich komme immer wieder zur Kultur. Kultur und Tourismus gehören zusam­men, und deswegen lautet meine Einladung an Sie alle als Touristinnen, Touristen und Einheimische: Besuchen Sie bitte viele Kulturveranstaltungen in diesem Sommer! – Vie­len Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.37


19.37.16

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist ganz offenbar nicht der Fall.

Wünschen die Klubs eine Unterbrechung? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Tourismusausschusses, den vorliegenden Bericht III-671 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Ge­rald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen zur Eigenkapitalstär­kung für Tourismusbetriebe setzen – Investitionen ermöglichen – Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des heimischen Tourismus erhöhen“.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Ich darf die Frau Staatssekretärin verabschieden und bedanke mich für ihr Kommen. – Besten Dank.

19.38.1030. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 17, 21, 25, 27 bis 29, 49, 55, 58, 61 und 62, 65, 73, 75, 82 und 84 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34 und 40 (1632 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 30. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.38.57

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der Bericht des Petitionsausschusses ist leider wie so oft in der Vergangenheit einer, bei dem wir feststellen müssen, dass eigentlich Bür­gerInnenanliegen seitens der Regierungsparteien nur bedingt Gehör finden. Wir erleben immer wieder – und so auch bei diesem Sammelbericht – im Petitionsausschuss, dass zwar Petitionen bearbeitet werden, Stellungnahmen eingeholt werden, aber dann, wenn es darum geht, möglicherweise auch gesetzliche Veränderungen herbeizuführen, die Petition oder die Bürgerinitiative in einem Fachausschuss weiterzubearbeiten, sind Schwarz und Grün leider meistens säumig und es passiert genau das Gegenteil: Der Bericht wird enderledigt und die Petition wird sozusagen zu Grabe getragen. So ist es auch bei diesem Bericht des Petitionsausschusses.

Ich möchte mich nur ganz kurz auf zwei Petitionen beziehungsweise auf eine Petition und eine Bürgerinitiative beziehen.

Die eine befasst sich mit einer Mehrwertsteuerbefreiung im Feuerwehrwesen. Jetzt weiß ich schon, dass wir gestern hier etwas beschlossen haben und wir das ja auch mitge­tragen haben und das eine positive Erweiterung in der jetzigen Situation ist, trotzdem möchte ich noch einmal klar festhalten: Eine einfachere Variante wäre natürlich, dass wir hier ganz einfach für das Feuerwehrwesen eine gleiche, einheitliche Regelung tref­fen, und zwar vom Bodensee bis zum Neusiedler See, und dass es hier eine Mehrwert­steuerbefreiung für Anschaffungen von Fahrzeugen und dergleichen gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man der Meinung ist, eine Mehrwertsteuerbefreiung geht laut EU-Recht nicht, könnte man eine Mehrwertsteuerrückerstattung machen, so wie es zum Beispiel einzel­ne Bundesländer auch machen. Man hat sich für einen komplizierteren Weg entschie­den, den wir gestern beschlossen haben. Man hätte die Petition auch zum Anlass neh­men können, sich im zuständigen Fachausschuss noch ein bisschen genauer mit dem Thema zu beschäftigen, statt eine verkomplizierte Variante zu machen, die dann letzt­endlich den Ländern die Aufgabe übergibt, wobei jedes Bundesland für sich selbst ent­scheiden kann, was es tut oder was es nicht tut.

Der zweite Punkt ist die Bürgerinitiative „Aktion 40.000“, die von mehreren Tausend Per­sonen unterstützt wurde und hier eingebracht wurde, wobei eben die Regierungspar­teien, weil es die sogenannte Aktion Sprungbrett gibt, der Meinung sind, dass es keine Beschäftigungsinitiative für Langzeitarbeitslose, die im kommunalen Bereich oder im sozialen Bereich angestellt und gefördert werden, braucht. Ich finde es schade, wie man


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mit arbeitslosen Menschen in dieser Zeit umgeht, vor allen Dingen auch in einer Zeit der Teuerung, dass man nicht einmal bereit ist, über dieses Thema weiter im zuständigen Ausschuss zu diskutieren. Ganz perfide finde ich die Stellungnahme des zuständigen Sozialministers, ein grüner Minister, der in seiner Stellungnahme der Meinung ist, dass das eine gute Aktion wäre, aber er halt nicht zuständig ist, sondern eben der Wirtschafts- und Arbeitsminister. Somit passiert halt in diesem Bereich nichts. Da müssen sich die Grünen auch einmal überlegen, ob sie eher ihren Sozialminister unterstützen, damit man in diesem Bereich weiter diskutiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich, was den Petitionsausschuss betrifft, vielleicht noch eines an­merken: Da in den letzten drei Tagen sehr oft von den Regierungsparteien – viel stärker von der ÖVP –, was die Krise und die jetzige Situation betrifft, der Schulterschluss gepre­digt wird, möchte ich nur sagen: Schulterschluss ist halt keine Einbahnstraße, und wenn man will, dass die Opposition hier mitarbeitet, dann muss man die Opposition auch ein­binden, dann muss man die Opposition ernst nehmen und dann muss man auch bereit sein, Vorschläge der Opposition zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

Der Petitionsausschuss ist ja nur ein Beispiel von vielen. Es ist ja in Wirklichkeit in allen Ausschüssen so, dass alles vertagt wird, was von den Oppositionsparteien kommt. So schaut halt kein Schulterschluss aus. (Abg. Lausch: Da haben Sie recht, der Kollege Kollross!) Wenn ihr wirklich ernsthaft einen Schulterschluss wollt, dann predigt ihn nicht hier, sondern dann zeigt das in Form eurer Tätigkeit!

In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

19.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Lausch: Kollege Kollross, Sie haben wirklich recht!)


19.43.45

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Der Schulterschluss kommt schon noch, mach dir keine Sorgen, Herr Kollege! Ich darf vorweg ein paar Sätze zum Bereich der Petitionen sagen. Wir haben mehrere Petitionen zur Kenntnis genommen, bei denen es um das Thema Wolf und große Beutegreifer ge­gangen ist, haben unter anderem beim Expertenhearing die Petition betreffend ein er­folgreiches Wolfsmanagement behandelt. Meine Kollegen Johann Singer und Kollegin Bettina Zopf haben mit mir gemeinsam eine Petition „Für ein erfolgreiches Wolfsmanage­ment in Oberösterreich“ eingebracht. Der Experte, den wir eingeladen haben, war Dipl.-Ing. Gregor Grill aus der Landwirtschaftskammer Salzburg.

Ich darf nur ein paar Sätze aus dem Expertenhearing zusammenfassen. Es geht um Menschenschutz, es geht um Schutz für die bäuerlichen Familien, insbesondere für jene bäuerlichen Familien, die Almwirtschaft und Weidewirtschaft betreiben. Wenn man es nüchtern betrachtet und über den Zaun hinausschaut, dann sieht man, dass Herden­schutzmaßnahmen, zu denen es ja auch schon Versuche in Österreich gibt, in Wirklich­keit nichts bringen.

Allein am Beispiel Frankreich sieht man, dass 90 Prozent der Wolfsrisse in Herden pas­sieren, wo Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Daran sieht man, dass das kein taug­liches Mittel ist. Ich beschäftige mich selber auf meinem kleinen Betrieb daheim, den ich mit der Familie bewirtschafte, mit Schafhaltung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die es nicht glauben – das gilt auch für Frau Kollegin Pamela Rendi-Wagner, die sich gut mit den Kollegen unterhält; das ist ihr Recht, aber uns wirft man es manchmal vor –: Wollt ihr wissen, wie Schafhaltung tatsächlich passiert und wie das mit Schafen ist, die im


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Regelfall 24 Stunden am Tag beim Stall raus und rein und auf die Weide hinaus­können? – Wenn ihr wissen wollt, wie das ist, wenn die im Sommer an Tagen mit 28, 30, 32 Grad wirklich auf die Weide hinausgehen, dann lade ich euch herzlich ein. Ihr könnt euch mit mir zusammenreden und einmal vorbeikommen, dann erläutere ich euch das, damit man sozusagen einen Praxistest hat, denn dann weiß man, dass man Schutzmaß­nahmen tatsächlich nicht machen kann, sondern dass der Wolf dort, wo Weidewirtschaft betrieben wird, nichts verloren hat und dort nicht hingehört.

Ein paar Sätze muss ich noch sagen, weil das mit dem Schulterschluss angesprochen worden ist. Herr Kollege Kollross, zur Petition, bei der es um die Feuerwehren geht: Am 28. Juni wurden im Finanzausschuss 20 Millionen Euro plus für die Feuerwehren be­schlossen – und du weißt genauso wie viele andere hier herinnen, dass das, was ihr betreffend Mehrwertsteuer vorgeschlagen habt, einfach klingt, aber europarechtlich nicht so einfach geht (Zwischenruf des Abg. Kollross) –, das ist ganz klar der Weg einer zu­sätzlichen Förderung.

Herr Kollege, wenn du einen Schulterschluss einforderst, dann muss ich ganz direkt sa­gen: Die Aussendung, die von dir zu dem Thema gemacht worden ist, hat mit Schulter­schluss null zu tun, die hat mit Redlichkeit nichts zu tun, hat mit Wahrheit nichts zu tun. (Ruf bei der ÖVP: Frechheit! Frechheit!) Ich habe geglaubt, dass dein Vorgänger als Bürgermeister und auch als Abgeordneter Otto Pendl – Gott habe ihn selig! – sicherlich in manchen Bereichen für dich ein Vorbild sein wird. Nimm ihn dir auch da zum Vorbild, denn das war ein Mensch mit Charaktergröße, mit Anstand und großen menschlichen Werten! Nimm dir das zum Vorbild! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

19.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.47.02

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte gleich eines zu Kollegen Prinz sagen: Ich kenne Kollegen Kollross lange genug, um zu sagen, er hat einen sehr guten und sehr standfesten Charakter. (Abg. Michael Hammer: Und schlagfertig ist er auch! Das hat schon einer gespürt, oder?!) – Genau, und schlagfertig ist er auch: aufpassen, was man sagt!

Werte Kolleginnen, werte Kollegen, ich möchte zur Petition „Für Verbesserungen und den Ausbau des öffentlichen (Bahn)verkehrs im Bezirk Zwettl“ Stellung nehmen. Wir wollten ja die ÖVP in dieser Hinsicht unterstützen, weil die ÖVP, speziell die ÖVP Niederösterreich, immer von der Stärkung des ländlichen Raumes spricht. Zwettl ist eine der wenigen Bezirkshauptstädte, die nicht an den Personenbahnverkehr angeschlossen ist. Deswegen hat es uns umso mehr verwundert, dass die ÖVP eigentlich diese Petition lediglich zur Kenntnis genommen hat und nicht, wie wir wollten, den Verkehrsausschuss damit befasst hat.

Dabei geht es da nicht einmal darum, dass man jetzt etwas umsetzt, sondern es geht in dieser Petition um eine Machbarkeitsstudie, ob man die Franz-Josefs-Bahn über Schwar­zenau an Zwettl anschließen könnte. Da hat die ÖVP gesagt: Nein, nicht einmal eine Machbarkeitsstudie machen wir! – Das wird einfach zur Kenntnis genommen und in die­sem Sinne, wie Kollege Kollross schon gesagt hat, abgedreht.

Jetzt frage ich mich, was die ÖVP unter Stärkung des ländlichen Bereiches, des ländli­chen Raumes versteht. Ich finde es super, wenn die niederösterreichische Landeshaupt­frau überall dort, wo es einen Kirchturm und eine Raika gibt, irgendein Sommerfestival oder ein Sommerkino oder ein Sommertheater mit Steuergeldern subventioniert, nur hat das nichts mit der Stärkung des ländlichen Raumes zu tun. Das hat maximal eher etwas


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mit Brot und Spielen zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strasser: Das macht ihr aber auch!)

Wir brauchen endlich attraktive Zugverbindungen im ländlichen Raum, nicht nur für die PendlerInnen, sondern auch für die Betriebe, um den ländlichen Raum für die Betriebe attraktiver zu machen. (Abg. Strasser: Die SPÖ ist gegen die Kultur! Jetzt wissen wir es!)

Die zweite Bürgerinitiative, auf die Kollege Kollross schon eingegangen ist, ist die „Ak­tion 40.000“. Auch die haben die Regierungsparteien zur Kenntnis genommen – wir woll­ten sie dem Sozialausschuss zuweisen. Es gibt zurzeit in Österreich 90 000 Menschen, die langzeitarbeitslos sind. In der Initiative geht es um Bereitstellung von finanziellen Mitteln, damit man 40 000 Arbeitsplätze im öffentlichen oder gemeinnützigen Bereich subventioniert. Was macht die Regierung, was machen die Regierungsfraktionen? – Sie reformieren die Rot-Weiß-Rot-Karte, damit wir zu Billigstarbeitskräften kommen und damit wir aus Drittstaaten Billigarbeitskräfte anlocken können, statt in die Menschen, die hier arbeitslos sind, zu investieren.

Ihr habt die Zeichen der Zeit, glaube ich, immer noch nicht kapiert, und es ist wirklich höchst an der Zeit für einen Systemwechsel, bei dem der Mensch wieder im Mittelpunkt steht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.49.51

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kollegen! Werte Zuse­her! Der Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen ist mir auch besonders wichtig. Weil ich Bezirksparteiobmann im Bezirk Zwettl bin, geht es mir vor allem – wie es auch der Kollege gerade angesprochen hat – um die Petition „Für Verbesserungen und den Ausbau des öffentlichen (Bahn)verkehrs im Bezirk Zwettl“.

Der Bezirk Zwettl, die Bezirkshauptstadt und eigentlich das ganze Waldviertel werden seit Jahren – ich möchte fast sagen: seit einem Jahrzehnt – in Bezug auf den öffentlichen Verkehr immer stiefmütterlich behandelt. Die Bezirkshauptstadt Zwettl ist eine der weni­gen Bezirkshauptstädte, die nicht an den Personenverkehr angeschlossen sind. (Abg. Leichtfried: Da muss man dann ...!)

Mit Dezember 2010 wurde der Personenverkehr eingestellt, der Güterverkehr findet je­doch nach wie vor statt. Laut der Stellungnahme der ÖBB Holding wurde der Personen­verkehr aus wirtschaftlichen Überlegungen in Abstimmung mit den Gebietskörperschaf­ten eingestellt. Vonseiten des Landes Niederösterreich wurden keine Leistungen, also keine Personenzüge, für diese Strecke bestellt. In manchen Situationen ist es notwendig, dass man nicht immer nur den Rechenstift ansetzt, sondern auch auf die Region schaut, und wenn man das berücksichtigt hätte, würde sich das ein bisschen anders auswirken. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man ein Angebot zielgerichtet herunterfährt, ist der logische weitere Schritt, dass die Nachfrage nicht so hoch ausfällt. Darum ist die Reaktivierung des Personenverkehrs von Schwarzenau nach Zwettl über die Franz-Josefs-Bahn ganz wichtig und sinnvoll, denn dadurch könnten viele Pendler entlastet werden, und es wäre auch mehr Sicherheit bei den Schülertransporten gegeben, bei denen im Winter oft brenzlige Situationen mit den Autobussen und Verspätungen in Kauf zu nehmen sind. Es würde auch unsere ver­nachlässigte Region, das Waldviertel, aufwerten.

Jetzt möchte ich noch einiges zum Wolf sagen: Da haben wir auch einen großen Nach­holbedarf, wie uns die Petition zum Wolfsmanagement in Oberösterreich zeigt. Überall,


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wo sich der Wolf ansiedelt, verbreitetet er Angst und Schrecken in der Bevölkerung, und da kann man wirklich nicht zuschauen. Man muss die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie an­passen, um einen Weg zu finden, dass man den Wolf rechtlich gesichert entnehmen kann. In dieser Situation dauern die Abläufe aber viel zu lang.

Ich möchte jetzt noch etwas zu den Feuerwehren sagen: Wir haben gestern auch den Punkt behandelt, dass die Feuerwehren immer mehr Geld brauchen, weil sie rund um die Uhr, zu jeder Tages- und Nachtzeit für uns alle, für die Bevölkerung da sind. (Abg. Loacker: Der Bogen vom Wolf zur Feuerwehr war jetzt schön!) Das ist auch ganz wich­tig. Für manche nicht, aber für unsere Fraktion ist es ganz besonders wichtig. Da muss man halt auch auf EU-Ebene schauen, dass man die Regelungen bezüglich der Mehr­wertsteuerrückvergütung anpasst. In diesem Sinne hoffe ich, dass es noch ein Umden­ken gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

19.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.53.15

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Vorsitzender! Im letzten Ausschuss hatten wir Gelegenheit, bei einem Hearing von Expertinnen und Experten vertiefende Informa­tionen zu fünf Petitionen zu erhalten. Die Petition „1,2 Milliarden für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung JETZT!“ war eine der Petitionen, die von einer Expertin beleuchtet wurden. Auch sie betonte wieder, wie wichtig der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung wäre. Das hat uns nicht zuletzt die Pandemie vor Augen geführt: Bildungsscheren sind auseinandergeklafft, und insbesondere Kinder aus ärmeren Haushalten haben stark ge­litten.

Eine Lehre daraus hätte sein können, dass es jetzt einen wirklich großen Wurf bei der Kinderbetreuung gibt. Die neue 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung, die Sie heute beschlossen haben, bringt diesen leider nicht. Es werden damit in den nächsten fünf Jahren nur 58 Millionen Euro mehr in den Ausbau und die Aufrechterhaltung eines flä­chendeckenden Angebots investiert. Wenn wir die Kindergärten wirklich als Bildungsein­richtungen sehen, dann wird das einfach nicht reichen.

Zu dieser Petition werden jetzt noch weitere Stellungnahmen eingeholt, und, sehr geehr­te Damen und Herren, ich versichere Ihnen: Wir bleiben dran. Wir bleiben dran beim Rechtsanspruch, beim bundeseinheitlichen Rahmen und bei einer ausreichenden Finan­zierung der Kinderbetreuungseinrichtungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zahlreiche andere Petitionen wurden im Ausschuss zur Kenntnis genommen. Das be­deutet, dass sie heute hier im Plenum zum letzten Mal auf der Tagesordnung stehen. Wir wollen, dass Bürgeranliegen auch im zuständigen Fachausschuss diskutiert werden und nicht pauschal zur Kenntnis genommen werden, wie das jetzt bei fast allen Petitio­nen und Bürgerinitiativen passiert.

Eine davon ist auch die Initiative betreffend „mehr Lärmschutz für Wels-Nord“. Die Lärm­belastung für die betroffenen Anrainer ist unverändert hoch und es gibt überhaupt keine Aussicht darauf, dass zeitnah eine nachhaltige Lösung für sie absehbar wäre. Aus diesem Grund wollten wir dieses Anliegen auch im Verkehrsausschuss diskutieren, was leider von den Regierungsfraktionen abgelehnt wurde. Ich finde das sehr schade für die Bürgerinitiative, die sich seit Langem bemüht, endlich Gehör bei der Politik zu finden. Es ist ein klassisches Beispiel dafür, wie zulasten der Bürgerinnen und Bürger Zuständigkei­ten hin- und hergeschoben werden. Wir finden es sehr schade, wenn mit Bürgerbeteili­gung und Bürgerinitiativen so umgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

19.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 223

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Astrid Rössler. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


19.55.57

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Von den vielen Peti­tionen, die heute behandelt werden, möchte ich auf eine Gruppe Bezug nehmen, nämlich die schon erwähnten Petitionen zum Thema Wolf und Almwirtschaft. Dass es mehrere Petition sind, zeigt, dass da tatsächlich ein Problem ist, für das es noch keine wirklich zufriedenstellenden Lösungen gibt. Den Vorteil an der Behandlung im Petitionsaus­schuss sehe ich vor allem darin, dass durch Einholung von Stellungnahmen oder auch Expertenhearings eine breitere Meinung gebildet werden kann und man gemeinsam versucht, sich auf den Weg zu machen, um Lösungen zu finden.

Im konkreten Fall wurde unter anderem die Stellungnahme des Österreichzentrums Bär, Wolf, Luchs und Goldschakal eingeholt. Das zeigt: Das Österreichzentrum, welches für den Umgang mit Beutegreifern gegründet wurde, ist inzwischen um ein weiteres Tier, nämlich den Goldschakal, der als Wildtier auch zu einem Konfliktfall wird, erweitert wor­den. Dieses Österreichzentrum ist sicher über jeden Verdacht erhaben, einseitig zu sein – nicht pro landwirtschaftliche Interessen, aber auch nicht pro Naturschutzinteres­sen –, es ist sozusagen eine breite Institution, die sich den Lösungen widmet.

Dieses Österreichzentrum wurde 2018 gegründet; relativ spät, weil die ersten Wölfe ei­gentlich schon seit 2010, 2012 in Österreich aufgetaucht sind und das Problem sich schon abgezeichnet hat. Alle Bundesländer sind als ordentliche Mitglieder beteiligt, ge­gründet wurde es vom damaligen Landwirtschafts- und Umweltministerium. Beteiligt sind auch die Almwirtschaft, die HBLFA Raumberg-Gumpenstein, die Landwirtschaftskam­mer, die Bundesforste, also tatsächlich jene Einrichtungen, die unmittelbar an dem The­ma dran sind.

Das Österreichzentrum hat sich mit den Fragestellungen der Petitionen befasst, und das waren drei zentrale Forderungen: die Herabsetzung des Schutzstatus – das ist schon genannt worden –, aber auch die leichtere Entnahmemöglichkeit von Wölfen, also Ab­schüsse, und die Schaffung von sogenannten wolfsfreien Zonen. Das Österreichzen­trum, das sich genau diesen Fragestellungen gewidmet hat, hat diese Anliegen sehr konkret und fachlich sehr gut behandelt, hat die Voraussetzungen für Abschüsse ge­prüft – Abschüsse sind ja derzeit rechtlich nach den FFH-Richtlinien schon möglich –, hat aber auch die Alternativenprüfung gezeigt.

Was bisher noch fehlt, ist, den nächsten Schritt nach der reinen Forderung nach einem Abschuss der Wölfe zu gehen: Was sind denn die Möglichkeiten? – Diese Alternativen­prüfung ist gefordert, um zu wissen, ob keine anderen, gelinden Mittel möglich sind. Das heißt, es geht natürlich um die Frage: Wo sind Herdenschutzmaßnahmen möglich, wo sind sie nicht möglich, und was ist das Paket? – Zäune genügen nicht, das wissen wir inzwischen auch, es braucht mehr dazu.

Interessant ist, dass sich in Sachen Wolfsmanagement in Österreich tatsächlich sehr viel getan hat. Wenn man sich die Website des Österreichzentrums ansieht, sieht man, wie viele zusätzliche Maßnahmen, aber auch Erkenntnisse dort vorhanden sind. Es lohnt sich, dem nachzugehen, und nicht immer nur darüber zu reden, was nicht geht, oder immer nur die Forderung nach Abschuss zu stellen, sondern zu fragen: Was brauchen wir? – Die Konfliktbereiche in der Almwirtschaft sind ja inzwischen leider nicht mehr nur auf Beutegreifer beschränkt. Wir haben das Problem mit freilaufenden Hunden, wir ha­ben die Konfliktzone Tourismus und Almwirtschaft. Auch damit brauchen wir also einen besseren Umgang, um das zu lösen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 224

Abschließend: Ich finde interessant, dass einige Bundesländer – die ja Mitglieder im Österreichzentrum sind – sich sehr wohl schon auf den Weg gemacht haben und sehr gute Förderungen machen, nämlich nicht nur für Zäune.

Ich finde, es muss weit über den Zaun hinausgehen: Die Arbeitszeit muss entlohnt wer­den, es müssen natürlich auch Kosten für Behirtungsmaßnahmen, Arbeitshunde bezahlt werden. Es ist ein Gesamtpaket je nach Standort und je nach Umgebung, das man pro­bieren muss. Auch die EU fordert es und die EU sagt, 100 Prozent davon fördern. Salz­burg fördert 80 Prozent für Zäune und Arbeitshunde, Niederösterreich 50 Prozent, Tirol 60 Prozent – schade, dass Kärnten gar nichts fördert, null, die Steiermark fördert gar nichts und Oberösterreich leider auch nichts.

Der Petitionsausschuss sollte uns ermutigen, bei den Lösungen voranzugehen, aber auch die Expertise, wie hier vom Österreichzentrum, natürlich breit abzurufen; dort sind alle Beteiligten in einem Boot. Und eine Erkenntnis sollte sein, dass der Petitionsaus­schuss dazu führt, dass wir uns auf den Weg der Suche nach Lösungen machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.00.50

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Keine einzige Petition, keine einzige Bürgerinitiative hat das Licht der Welt im jeweiligen Fachausschuss erblickt, um dort auch ernsthaft debattiert zu werden. Von der ÖVP ist nichts anderes zu erwarten, aber für die grüne Partei, die aus einer Umweltini­tiative geboren wurde, ist das, mit Verlaub, wirklich eine Schande. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Gründungsväter, ihre Gründungsmütter, um Freda Meissner-Blau und Günther Nen­ning zu nennen, wären jedenfalls fassungslos, dass eine solche Politik betrieben und den Schwarzen in jeder Sitzung des Petitionsausschusses ständig die Mauer gemacht wird.

In der letzten Sitzung des Petitionsausschusses gab es Hearings. Ich möchte auf das brennende Thema unserer Zeit eingehen: „Kostenlawine stoppen – Entlastung für Öster­reich“. Hand aufs Herz, Regierungsparteien, Sie werden doch nicht ernsthaft glauben, dass Sie mit Ihrer Gutschein- und Einmalzahlungspolitik die Massenarmut von zumin­dest prognostizierten zwei Millionen Menschen verhindern! – Nein, Sie schicken diese Menschen direkt auf den Weg in die bittere Armut. (Beifall bei der SPÖ.)

Besonders betroffen sind Frauen, Kinder, PensionistInnen und Erwerbslose. Dr. Wansch, Rechtsanwalt, sprach beim Hearing jedenfalls folgerichtig davon, dass die Energiekos­tenexplosion nicht kausal am Krieg in der Ukraine liegt, sondern dass vielmehr schon im Vorjahr die Kostenlawine auf die Österreicherinnen und Österreicher zurollte und sie heuer im Herbst/Winter regelrecht verschütten wird. Eine Mehrwertsteuer- und Abgaben­senkung wurde beim Hearing eindringlich empfohlen, ebenso ein Preisdeckel und auch darüber nachzudenken, die Inflationsautomatik – sprich Wertanpassungsklauseln – aus­zusetzen.

Übrigens sind wir bei der Inflation mittlerweile europäischer Spitzenreiter und in wenigen Wochen zweistellig. Wenn der Laib Brot dann 10 Euro kostet und ein entsprechender Konjunktureinbruch der Wirtschaft folgt, sehen wir, diese Einzelmaßnahmen der Regie­rung sind nicht nachhaltig, sondern sie werden, das ist geradezu paradox, die Teue­rungslawine und die Inflation weiter und zusätzlich anheizen.

Sie haben leider keine Strategie entwickelt, die Österreicher wissen das auch ganz ge­nau, und Ihr Vertrauensindex liegt am Boden, und das zu Recht (Beifall bei der SPÖ),


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 225

zumal nicht nur die individuelle Armut zunimmt, sondern auch die kollektive Armut in Richtung Daseinsvorsorge droht. Die Energiekosten treiben die Kosten für die Kommu­nen in astronomische Höhen. Sie gefährden mit Ihrer Politik auch den sozialen Frieden, das muss Ihnen klar sein.

Sie hören nicht auf das Volk, Sie gehen lieber vor Konzernmachtpolitik in die Knie und entlassen mit Ihrer Politik Österreich leider in die Armut. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.04.33

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Men­schen! In der letzten Sitzung des Ausschusses hatten wir wieder die Möglichkeit, eine Anhörung durchzuführen und als Fraktionen Petitionen oder Bürgerinitiativen zu nomi­nieren und Experten dazu zu laden. Solche Hearings sorgen für mehr Bürgerbeteiligung im Ausschuss, ExpertInnen und Betroffene können so direkt zu den Abgeordneten und zum Ausschuss sprechen, die Anliegen vortragen und ihre Expertise für die weitere Be­handlung einbringen.

Beim jetzigen Hearing gab es wieder spannende Themen. Die Grünen haben eine Ex­pertin und selbst Betroffene mit ME/CFS eingeladen, die SPÖ hat das Thema Kinderbe­treuung gewählt und die FPÖ die Teuerung und Kostenexplosion zum Thema gemacht. Wir NEOS haben die Petition „Mental Health Now – stärkt unsere Jugend!“ zur psychi­schen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nominiert, weil Kinder und Jugendliche nicht nur, aber auch unter der Pandemie enorm gelitten haben und wir hier großen Handlungsbedarf sehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch kurz auf die Sensibilisierungsworkshops zu sprechen kommen, die die letzten drei Tage hier im Parlament stattgefunden haben. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an Frau Novakovic, die dies möglich gemacht hat, und an alle Beteiligten der verschiedensten Organisationen, wie HandsUp, Öziv, die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, die uns Einblick in ihre Welt geboten haben. (Allgemeiner Beifall.) Auch der Verein Lichterkette, der sich vorwie­gend mit psychischen Erkrankungen befasst und gegen Stigmatisierung der Betroffenen kämpft, war vor Ort.

Nun aber zurück zum Ausschuss: Was hat die ÖVP nominiert? – Das Thema Wolf, und vonseiten der ÖVP-Abgeordneten wurden im Ausschuss keine Fragen zu den anderen Themen an die anderen ExpertInnen gestellt, nur zum eigenen Thema, zur eigenen Peti­tion. Man könnte sagen, das Interesse der ÖVP-Abgeordneten galt offenbar mehr den 35 bis 50 Wölfen und weniger den 75 000 unterversorgten Minderjährigen in Österreich oder den mindestens 25 000 ME/CFS-Betroffenen.

An dieser Stelle möchte ich auch wieder einmal anmerken, dass wir solche Hearings öffentlich machen sollten, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich die Inputs der ExpertInnen, aber auch die Ausführungen und Fragen der Abgeordneten anzuhören.

Zudem möchte ich auch noch erwähnen, dass vonseiten der Regierung immer wieder betont wird, wie wichtig die Themen im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen sind. Trotzdem passiert es aber immer wieder, dass ebendiese trotz der Wichtigkeit nach ausreichenden Stellungnahmen einfach zur Kenntnis genommen werden, anstatt sie einem Fachausschuss zuzuweisen. Im Ausschuss hätte man dann die Möglichkeit, auch mit bereits ähnlich lautenden Anträgen unter einem ausführlich darüber zu diskutieren, aber anscheinend ist die Regierung auch da arbeitsscheu.


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Abschließend merke ich noch an, dass der Sammelbericht des Petitionsausschusses immer am letzten Tag der Plenarsitzungen sehr spät debattiert wird. Dieser Ausschuss beschäftigt sich mit zahlreichen Anliegen, die alle Themenbereiche betreffen. Die Anlie­gen bilden Ängste und Sorgen und das Stimmungsbild der Bevölkerung ab. Es wäre sehr schön, wenn wir es hin und wieder schafften, diese Punkte nicht immer an den Rand­zeiten zu diskutieren. – Danke. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie des Abg. Weratschnig.)

20.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Ing. Josef Hechenberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.08.07

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier und auch zu Hause! Ich darf in meinem Beitrag auf zwei Petitionen eingehen, zum einen eine von Kollegen Hermann Gahr und zum anderen eine von Kollegin Pfurtscheller und von mir, in denen es einerseits um „Tiroler Almen erhalten und schützen“ und andererseits um „Schutz der Bevölkerung, der Land- und Almwirtschaft, des Tourismus und des länd­lichen Raumes vor großen Beutegreifern“ geht.

Zur Ausgangssituation: Wir wissen, dass der Wolf seit 1992 in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie als geschützte Gattung eingestuft ist, also somit seit rund 30 Jahren. Wir wis­sen auch, dass es rund 25 000 Wölfe in Europa gibt. Seit 2018 ist der Wolf von der Weltnaturschutzorganisation, IUCN, nicht mehr als hochgefährdete Gattung eingestuft und wurde von der Roten Liste genommen, und wir wissen auch, dass er sich explo­sionsartig vermehrt.

Wo liegt nun das Problem? – Einerseits haben immer mehr Menschen, die am Land leben, junge Eltern Angst, dass sie nicht mehr sicher durch den Wald spazieren gehen können, wenn diese Großraubtiere zurückkommen, zum anderen machen sich natürlich viele Bauern auch Sorgen um die Zukunft. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen, man muss sich diese Bilder vorstellen, nämlich dass man einmal auf die Alm kommt, wenn es Risse gibt, und dann die gemordeten, getöteten Schafe und auch jene, die schwerstverletzt sind, daliegen sieht. Wenn das eintritt – und das ist eigentlich meine persönliche große Sorge –, wenn sich dieses Bild einer Bauernfamilie bietet, dann überlegen sehr viele, mit der Landwirtschaft für immer aufzuhören.

Das sind aber genau jene Betriebe – jene Bergbauernbetriebe –, die wir dringend brau­chen, die die extremen Steilflächen bewirtschaften. Wenn die aufhören, hat das massive Auswirkungen. Einige Auswirkungen sind: Wir machen uns noch stärker abhängig von Lebensmittelimporten, es sinkt die Biodiversität, die Gefahr von Naturkatastrophen nimmt massiv zu, wenn diese Flächen nicht mehr bewirtschaftet werden, und letztendlich ist es so, dass wahrscheinlich viele Seitentäler dauerhaft nicht bewirtschaftet bleiben, wenn wir da nicht entsprechend gegensteuern.

Eines ist klar, geschätzte Damen und Herren, in Frankreich hat man gesehen: Der Her­denschutz ist gescheitert, 90 Prozent der Risse passieren im geschützten Bereich.

Wie schaut die Lösung aus? – Die Lösung ist für mich ganz klar: Ich denke, wir brauchen in Österreich ein ordentliches Wolfsmonitoring. Wir müssen uns – und das wäre meine große Bitte – wirklich über alle Parteigrenzen hinweg einsetzen und sehr bemühen, dass der Schutzstatus in Europa gesenkt wird. Wir wissen natürlich, dass die Länder auch eine Bringschuld haben, aber gerade in Tirol haben wir jetzt einen Allparteienantrag – alle Parteien bemühen sich, dieses Problem zu lösen.

Eines ist für mich entscheidend, geschätzte Damen und Herren, eines ist für mich klar: Wir müssen – ich habe mir das in Schweden angeschaut; andere Länder praktizieren es


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 227

ähnlich – schnell zu einer Regulierung des Wolfes kommen, und Regulieren heißt für mich ganz klar: Abschuss. Nur so können wir zukünftig die Almwirtschaft sichern.

Für mich ist eines klar: Ich kämpfe Tag und Nacht für die Almwirtschaft, ich kämpfe Tag und Nacht für die Landwirtschaft, weil ich weiß, dass sie für die Menschen im ländlichen Raum wichtig ist. Aus diesem Grund, denke ich, ist es besser, Steuergeld nicht in un­nötige Herdenschutzmaßnahmen zu investieren, sondern es besser der Bevölkerung zur Verfügung stellen.

Kommen wir zu einer Regulierung! Damit sichern wir auch dem ländlichen Raum eine Perspektive für die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

20.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.11.51

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Was wäre denn besser, als nach dem Tiroler Landwirtschaftskammerpräsidenten Hechenberger zu reden (Abg. Michael Hammer: Der Herr Verschwörungstheoretiker!), der ja die Sache an sich korrekt analysiert hat. (Abg. Michael Hammer: Der Wolf ist sicher wegen Corona, wegen der Impfung!) Ich mache dir, Kollege Hechenberger, wie auch der ÖVP-Fraktion heute ein Angebot (Abg. Michael Hammer: Das ist sicher die Impfung, ... Wolf!), ich bringe nämlich einen Antrag an.

Kollege Hammer, wenn du etwas sagen willst, komm heraus! (Abg. Michael Hammer: Ja?) – Ist dir das nicht zu blöd (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), da in der ersten Reihe wie ein Lausbub permanent dazwischenzuschreien? Fällt dir nichts Besseres ein?


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hauser, ich ersuche Sie wirklich! Bitte, wir haben eh nur mehr eine Dreiviertelstunde. – Bitte. (Abg. Loacker: Die Dreivier­telstunde redet der allein!)


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Herr Präsident, ich bitte Sie schon darum, für Ruhe zu sorgen, damit ich auch meine Ausführungen wirklich korrekt machen kann.


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Hauser, Sie haben ein Mikrofon, Sie haben die Möglichkeit, zu sprechen. Es war ein Zwischenruf, wie es viele gibt. Sie wer­den sich durchsetzen können. – Bitte, sprechen Sie weiter! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Leichtfried.)


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Ich mache also ein schönes Angebot in Richtung ÖVP und bringe einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend (Abg. Mi­chael Hammer: Weltverschwörung!) „der Schutz des Menschen vor Wolfsangriffen muss Vorrang haben“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die dringend notwendigen Schritte für ein ak­tives Wolfsmanagement und insbesondere die Entnahme von Problemwölfen zu setzen.“

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 228

Da sind also (eine Tafel mit der Überschrift „FPÖ-Entschließungsantrag zum Wolf“ und einer verkürzten Version des Entschließungsantrages auf das Rednerpult stellend) zwei wichtige Schlüsselwörter dabei: „aktives Wolfsmanagement“ und „Entnahme von Pro­blemwölfen“. (Die Tafel fällt zu Boden, woraufhin der Redner sie aufhebt und erneut auf das Rednerpult stellt – Abg. Leichtfried: Das hält nicht!)

Ein Punkt, den Kollege Hechenberger und die ÖVP-Vorredner bereits erwähnt haben, ist die Reduktion des Schutzstatus des Wolfes von vier auf fünf. Da hat es parlamenta­rische Initiativen der FPÖ gegeben, die alle Parteien hier im Parlament abgelehnt haben. Ich bin ja schon gespannt, wie es jetzt ausschaut. Wieso? – Weil die ÖVP zuhauf par­lamentarische Petitionen eingebracht hat, die genau dasselbe wollen.

Wisst ihr, wie das mit den Petitionen funktioniert? – Da geht man vor Ort her und sagt zur Bevölkerung: Unterschreibt die Petition, damit wir etwas bewegen! – Die Bevölke­rung glaubt diesen Versprechungen, sie unterschreibt brav – es ändert sich aber nichts. Die Petition wird zur Kenntnis genommen. Der Inhalt der Petition, der heute hier in unserem FPÖ-Antrag fixiert ist und mit eurer Zustimmung auch umgesetzt werden kann: Das wäre die Lösung, das wäre ehrliche Politik – nicht die Leute unterschreiben lassen, sie vorführen und dann im Parlament genau das Gegenteil tun. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage zum Beispiel (der Redner hält einen Zettel in die Höhe), Kollegin Zopf, Nikolaus Prinz und Johann Singer brachten am 9. Juli 2020 eine Petition ein, sagten zur Bevölke­rung: Unterschreibt fleißig!, aber heute werden wir es wahrscheinlich erleben, dass sie genau dagegen abstimmen, genau gegen die Sache, die Sie fordern (Abg. Weratsch­nig: Die Kenntnisnahme ist kein Dagegensein, bitte! Unglaublich! Die Kenntnisnahme ist kein Dagegensein!): wolfsfreie Zonen, unbürokratische Entnahme des Wolfes.

Kollege Hermann Gahr (der Redner hält einen weiteren Zettel in die Höhe), 25. Mai, dasselbe: unbürokratische „Entnahme von Problemwölfen“, „Schaffung von wolfsfreien Zonen“.

Heute könnt ihr da (auf die Tafel auf dem Rednerpult weisend) zustimmen!

Andreas Kühberger detto (der Redner hält einen weiteren Zettel in die Höhe), dasselbe in Grün: Du forderst in deiner Petition wolfsfreie Zonen und die Entnahme von Problem­wölfen. (Abg. Weratschnig: Noch dazu ist das die Bundeskompetenz, das Nächste!)

Dann noch einmal geballte ÖVP-Macht (der Redner hält einen weiteren Zettel in die Hö­he): Kollege Hechenberger, Elisabeth Pfurtscheller, Hermann Gahr – noch einmal das­selbe – fordern die „Entnahme von Problemwölfen“ und eine „wolfsfreie Zone“.

So, bitte, heute habe ich (auf die Tafel auf dem Rednerpult weisend) den Antrag einge­bracht, ihr braucht nur zuzustimmen. So schaut ehrliche Politik aus! Gestern hatten wir den Tag der Ehrlichkeit – belügt die Leute nicht, erfüllt den Leuten bitte das, was ihr ihnen versprecht! Ich bitte um Zustimmung! Besser geht es doch nicht: Hier liegt ein Freiheitlicher Antrag vor, der genau das bringt, was ihr in euren Petitionen fordert.

Abschließend bedanke ich mich beim Verein Weidezone Tirol, der immer Inputgeber für unsere Initiativen ist, für sein Engagement, und hoffe, dass die ÖVP zur Ehrlichkeit zurückkehrt und unsere Initiative heute und hier unterstützt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Weratschnig: Ehrlich gelogen, könnte man sagen! Ehrlich gelogen, könnte man sagen!)

20.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hauser, Angerer, Kainz

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 229

betreffend der Schutz des Menschen vor Wolfsangriffen muss Vorrang haben

eingebracht im Zuge der Debatte über den Sammelbericht des Ausschusses für Peti­tionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 17, 21, 25, 27 bis 29, 49, 55, 58, 61 und 62, 65, 73, 75, 82 und 84 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34 und 40 (1632 d.B.) (TOP 30) in der 169. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 8. Juli 2022.

In seiner Studie mit dem Titel „Wann werden Wölfe für den Menschen gefährlich“1 führt der Biologe Prof. Valerius Geist aus, dass die politisch korrekte Ansicht, wonach Wölfe "harmlos" sind und keine Gefahr für den Menschen darstellen, leider nicht zutreffend ist.

Wenn der Mensch sich nicht verteidigt, werden die Wölfe übergriffig, so der Professor der Umweltwissenschaften an der University of Calgary in Alberta, Kanada. Selbstver­ständlich erfolgen Wolfsangriffe auf Nutztiere oder sogar Menschen nicht aus heiterem Himmel. Vielmehr gehen solchen Attacken verschiedene Phasen der Gewöhnung an den Menschen voraus. Er beschreibt eine Skala mit sieben klar erkennbaren Stufen, bevor ein Wolf einen Menschen angreift: „Seven stages of habituation“, sieben Stufen der Gewöhnung oder auch sieben Schritte bis zu Eskalation.

Stufe 1:

•       Beutetiere sterben massenhaft

•       Beutetiere wandern in menschliche Siedlungen

•       Wölfe habituieren sich durch Müllfressen

Stufe 2:

•       Wölfe beginnen nachts in menschlichen Siedlungen nach Nahrung zu suchen

•       Hunde beginnen sich daher nächtliche Bell-Duelle zu liefern

Stufe 3:

•       Wölfe sind tagsüber gut sichtbar

•       Wölfe beobachten Menschen tagsüber

Stufe 4:

•       Wölfe greifen kleinere Haustiere in der Nähe von Gebäuden an

•       Wölfe attackieren Hunde im Beisein der Besitzer bei Spaziergängen

Stufe 5:

•       Wölfe greifen Nutztiere wir Rinder an; als Anzeichen hierfür finden sich leichtere und schwerere Verletzungen bei den Individuen

•       Wölfe verfolgen Reiter

•       Wölfe schauen durch Fenster von Gebäuden

Stufe 6:

•       Wölfe nähern sich Menschen und beobachten diese

•       Es kommt zu Scheinangriffen

Stufe 7:

•       Wölfe ordnen Menschen als mögliche Beutetiere ein

Trotz einer Vielzahl an freiheitlichen Initiativen, um dem Problem beizukommen – von einer Anpassung der FFH-Richtlinie2 bis zur Errichtung einer Weidezone3 – verharrt die Regierungsmehrheit von ÖVP und Grünen nicht nur in Untätigkeit, sondern bekämpft sogar notwendige Entnahmen von Problemwölfen.4


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 230

Währenddessen nähert sich der Wolf immer weiter dem Menschen. In Obervellach in Kärnten legte ein Wolf ein gerissenes Rotwild mitten am örtlichen Fußballplatz ab.5 In der Ortschaft Stall im Mölltal in Kärnten durchstreift der Wolf bereits das Siedlungsgebiet. „Die Kleinen können nicht mehr im Wald spielen. Jeder hat Angst. Wir lassen weder die Tiere noch unsere Kids aus den Augen. Das Raubtier hat in unserem Tal bereits enor­men Schaden angerichtet. Ich habe wirklich Angst um meine Familie“, berichtet eine Landwirtin, nachdem bereits direkt hinter ihrem Haus ein Wolf gesichtet wurde.6 Im Ti­roler Brixental hat ein Wolf vor ein Reh bis ins Siedlungsgebiet verfolgt und neben einer Kinderschaukel gerissen. Von Scheu ist wenig zu spüren, die Bevölkerung ist verunsi­chert.7 Im Gemeindegebiet von Schön-berg im Tiroler Stubaital wurde der Behörde Mitte Mai ein totes Schaf gemeldet. Eine DNA-Untersuchung soll Gewissheit bringen, ob hier ein Wolf das Schaf gerissen hat. Aufgrund des Rissbildes besteht jedenfalls der starke Verdacht auf ein Großraubtier als Verursacher.8 In der Steiermark wird der Wolf nicht nur in Obdach im Murtal,9 sondern auch bereits nahe Graz gesichtet.10

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die dringend notwendigen Schritte für ein akti­ves Wolfsmanagement und insbesondere die Entnahme von Problemwölfen zu setzen.“

1       Valerius Geist, When do wolves become dangerous to humans?, http://www.rur­alpini.it/file/Valarius%20Geist-Carnegie-2%20part%20article.pdf

2       Antrag betreffen Änderung der FFH-Richtlinien zur Sicherung der heimischen Almwirtschaft (825/A(E)), www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00825/in­dex.shtml; Antrag betreffen Bevölkerungsschutz in wolfsnahen Siedlungsgebieten durch Anpassung der FFH-Richtlinie (1768/A(E)), www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/
XXVII/A/A_01768/index.shtml; Antrag betreffen Steigerung der Wolfrisse um +53%: Es wird Zeit zu handeln!
(1915/A(E)), www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/
A_01915/index.shtml.

3       Antrag betreffen Weidezone Österreich – für den Erhalt der heimischen Kulturland­schaft und Almen (2007/A(E)), www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_02007/
index.shtml.

4       Gewessler lehnt Senkung des Schutzstatus vom Wolf ab, https://www.tt.com/artikel/
30803994/gewessler-lehnt-senkung-des-schutzstatus-vom-wolf-ab; Rechtsgutach­ten zur FFH-Richtlinie wird Fall fürs Parlament!, https://www.fpoe.at/artikel/wolfs-problematik-rechtsgutachten-zur-ffh-richtlinie-wird-fall-fuers-parlament/; Versucht die Umweltministerin Landesgesetze mittels Rechtsgutachten zu Fall zu bringen?
(10667/J), https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_10667/index.shtml.

5       https://kaernten.orf.at/stories/3151543/

6       https://www.krone.at/2707854

7       https://www.topagrar.at/management-und-politik/news/wolf-reisst-reh-neben-kinderschaukel-13072230.html

8       https://www.topagrar.at/management-und-politik/news/wolf-riss-schaf-im-stubaital-13094266.html

9       https://www.kleinezeitung.at/steiermark/murtal/6130223/Nah-an-Wohngebiet_Wolf-in-Obdach_Das-ist-hochproblematisch-wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 231

10    https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6134477/EisbachRein_Ein-Wolf-nahe-Graz-warum-jetzt-mehr-Tiere-unterwegs-sind

20.16.46*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Für den Vorwurf der Lüge erteile ich einen Ordnungsruf.

*****

Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Ver­handlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.16.58

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Petition von Kollegin Petra Wimmer eingehen, die sie ja im Mai 2021 eingebracht hat, in der es eben um den Lärmschutz für Wels geht und zu der die Kollegin ja auch schon kurz Stellung genommen hat.

Es stimmt, Petra: Die Leute, die Menschen, die Betroffenen in Wels laufen schon sehr, sehr lange und versuchen schon sehr, sehr lange, Antworten von der Politik zu bekom­men. Ich kann mich daran erinnern, als die Autobahn dort gebaut wurde, da war ich ein kleines Kind, daran kann ich mich gut erinnern. (Abg. Leichtfried: War das 1940?) Ich weiß auch, da haben Bekannte von uns schon da draußen gewohnt, und die haben damals schon gesagt: Na, wie wird das werden mit dieser Autobahn daneben? – Und sie sind halt damals dorthin gegangen, wo sie natürlich die erste Ansprechperson gese­hen haben: Sie sind zur Stadt Wels gegangen, damals unter sozialdemokratischer Füh­rung, einem sozialdemokratischen Bürgermeister – das hat dann bekanntermaßen 2015 gewechselt, damals hat aber die Sozialdemokratie den Verkehrsstadtrat gestellt. (Abg. Weratschnig: Schau, schau!) Seither ist in Wels halt nicht sehr viel passiert.

Was schon passiert ist, ist, dass die Asfinag hergegangen ist und gesagt hat: Wir ma­chen ein Lärmschutzprojekt, wir projektieren den Lärmschutz für diesen Abschnitt neu. – Und da hat man dann als Asfinag eben auch gesagt – das geht übrigens aus der Stel­lungnahme der Asfinag zu dieser Petition hervor –: Liebe Stadt Wels, wenn wir dort den Lärmschutz neu aufstellen sollen, dann müsst ihr, wie es halt einfach üblich ist, ein Drittel der Kosten übernehmen. – Die Stadt Wels hat darauf halt nicht geantwortet – unter Ver­antwortung eines sozialdemokratischen Verkehrsstadtrates. (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Na ja, es ist halt leider so, es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist halt eben Faktum. (Abg. Matznetter: Nein!) – Doch, es ist so. – So. (Abg. Weratsch­nig: Es gibt bundesweite Spielregeln!)

Dann schreibt ihr in diese Petition hinein, dass man auf dem entsprechenden Autobahn­stück auch gerne eine Temporeduktion haben möchte – eine tolle Forderung, eine ur­grüne Forderung übrigens, die die Grünen in Wels bereits 1984 das erste Mal erhoben haben. Das ist absolut richtig – hundertprozentig dabei! Damit man das machen kann, muss man eben zum Ministerium gehen, muss als Stadt Wels einen entsprechenden Antrag stellen und muss sagen: Wisst ihr was? Wir glauben, dass es gescheit wäre, dort das Tempo zu reduzieren, um eben Lärmbelastungen und Emissionsbelastungen zu re­duzieren. – Auch das ist bis heute nicht geschehen.

Der Höhepunkt in dieser ganzen Geschichte – und das war auch letzte Woche bei einer Versammlung mit den Anrainerinnen und Anrainern Thema – ist dann das: Die Stadt Wels wurde ja dann natürlich auch dazu aufgefordert, zu dieser Petition Stellung zu neh­men, und sie hat es nicht getan. Weder der zuständige Stadtrat noch die Stadt Wels in ihrer Verantwortung hat dazu Stellung genommen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 232

Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, warum das so ist. Es kann natürlich auch daran liegen, dass sich eben die Mehrheitsverhältnisse in Wels geändert haben. Es könnte auch daran liegen, dass dem Stadtrat selbst dieses Thema vielleicht gar nicht einmal so wichtig war, dass er sich vielleicht gar nicht dafür eingesetzt hat. Ich weiß es nicht, ich kann jetzt nur mutmaßen.

In Summe aber stimmt die Aussage, dass da nichts passiert und dass da gar nichts passieren wird, schlicht und ergreifend einfach auch nicht, denn zum einen gibt es die Projektierung durch die Asfinag – die Stadt Wels müsste ein Drittel der Kosten davon übernehmen, das liegt am Tisch –, zum anderen gibt es die Möglichkeit, die Geschwin­digkeit dort eben beschränken zu lassen, wenn man den entsprechenden Prozess an­stößt, und die dritte Information ist: In der Zwischenzeit wurde auch schon ein Termin mit der Asfinag und den Anrainern vereinbart, aber eben nicht vom zuständigen Ver­kehrsstadtrat, sondern vom seit 2021 neu bestellten grünen Umweltstadtrat, der sich jetzt eben dieser Sache auch angenommen hat, damit endlich Bewegung in diese Sache hineinkommt. Das ist, glaube ich, ein guter Grund, warum man diese Petition zur Kennt­nis nimmt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.20


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Hans Stefan Hintner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.21.02

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst ein paar Worte zur Kollegin Fiona Fiedler, die im Ausschuss eine selektive Wahrnehmung hatte, weil es mir persönlich ein großes Anliegen ist, was die Petition betreffend ME/CFS-Erkrankungen anbelangt: Mir selbst sind leider Gottes zwei Men­schen in Mödling sehr, sehr bewusst, eine Person mit einem schwächeren Verlauf und eine andere Person, die wir auch als Beispiel hatten, die 300, 400 Meter von mir entfernt wohnt. Ich glaube, es bestand Konsens unter uns, dass wir jetzt noch die Sachverhalte der Sozialversicherungsträger abwarten werden, dass es aber unser Anliegen ist, dass wir das breitest diskutieren, um gegen diese Erkrankung vorzugehen und auch die not­wendigen Unterstützungen zu geben.

Ich möchte aber auch auf die Petition „Corona-Pflegebonus für alle Held*innen der Kri­se!“ eingehen. Wir können uns ja daran erinnern, dass bestimmte Berufsgruppen beson­ders gefordert waren. Das waren zunächst einmal auch die Handelsangestellten, und ich gehe davon aus, dass, wenn man von so einer Petition spricht, die Gewerkschaften gemeinsam mit den Handelsunternehmen dementsprechende Bonuszahlungen schon geleistet haben, weil diese Petition im Grunde genommen an den Bund gerichtet war.

Wir haben diese Petition zur Kenntnis genommen, und in einer Anfragebeantwortung hat Minister Rauch vollkommen richtig festgestellt, dass der Bund eigentlich nicht der richtige Adressat ist, weil es ja die Aufgabe der Arbeitgeber ist, im Rahmen der Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für besondere Leistungen Boni­täten et cetera auszubezahlen.

Wir haben dennoch im Zuge der Pflegemilliarde 570 Millionen Euro für die einzelnen Träger der Länder beschlossen – leider Gottes nur mehrheitlich beschlossen, weil die SPÖ, die diese Petition ursprünglich auch unterstützt hat, da nicht zugestimmt hat. Des Weiteren sind einige Maßnahmen auch zu dem Geld dazugekommen, wie die Entlas­tungswoche für die Pflege, extra Zeitausgleich in der Nachtarbeit et cetera.

In dem Zusammenhang muss ich aber auch wieder in Erinnerung bringen, dass die SPÖ auch das 26-Milliarden-Euro-Paket abgelehnt hat. Wenn man die 26 Milliarden Euro in Relation zur österreichischen Bevölkerung setzt, dann ist das das größte Unterstüt­zungs- und Entlastungspaket, das es in der Europäischen Union gibt. Ich verstehe


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schon, dass man in der politischen Auseinandersetzung sagt: Nein, das ist nicht meine Idee, das sind nicht meine Ideen!, dass man aber den Ideen anderer nicht zustimmt, durch die das allen zugutekommt, durch die man dann tatsächlich Geld als Einmalzah­lung bekommt – es ist also nachhaltig –, das verstehe ich nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Da fällt mir der immerwährende Satz von Winston Churchill ein, der einmal sagte: „Sozia­lismus ist die Philosophie des Versagens, das Credo der Ignoranz und das Glaubens­bekenntnis des Neids.“ (Beifall bei der ÖVP.)

20.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.24.37

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Ich hätte eine tatsächlichen Berichtigung: Kollege Schallmeiner hat behauptet, dass der Verkehrsstadtrat es im Namen der Stadt Wels unterlassen hätte, eine entsprechende Erklärung abzugeben.

Ich berichtige tatsächlich: Für die Außenvertretung der Stadt Wels ist nicht der Verkehrs­stadtrat zuständig, sondern der Bürgermeister. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Schallmeiner und Weratschnig.)

20.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Andreas Kühberger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.25.16

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Herr Kollege Hauser von der Freiheitli­chen Partei, du hast uns da mit unseren Petitionen etwas unterstellt: Wir bringen Peti­tionen mit dem Ziel ein, sie auch umzusetzen, sie zu erledigen, und wir bringen keine populistischen Petitionen ein wie du. Ich möchte dazu ein Beispiel nennen und zwei Peti­tionen ansprechen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Die eine Petition wurde vom Gemeindebauernausschuss aus Sankt Michael in Oberstei­ermark und dem zuständigen Kammerobmann Andreas Steinegger eingebracht. Worum geht es da? – Um die Aufstellung einer Wetterstation.

Meine Damen und Herren, wir in der Landwirtschaft sind die erstbetroffene Branche, wenn es aufgrund des Klimawandels Extremereignisse gibt. Es gibt da ein gutes Instru­ment, und zwar eine Dürreindexversicherung von der Österreichischen Hagelversiche­rung. Man braucht gewisse Parameter, um eine Dürre festzustellen – es geht dabei um Niederschlags- und Hitzetage –, und dazu braucht man die Wetterstationen, die die ZAMG über ganz Österreich verteilt hat. Vor allem in Sankt Michael gibt es das Problem, dass die Dürre schon wirksam wird, aber die Parameter sagen, dass keine Dürre vor­handen ist, weshalb es kein Geld für die Betroffenen gibt.

Warum ist das so? – Zum einen, weil es keine Wetterstation vor Ort gibt, und zum ande­ren, weil dort die Wetterverhältnisse, wahrscheinlich wegen der geografischen Lage, einfach anders sind. Das Positive ist – und da möchte ich ein großes Danke an die ZAMG hier in Wien sagen; wir haben auch weitere Gespräche in der Steiermark geführt –, dass es jetzt einmal für zwei Jahre eine mobile Wetterstation in Sankt Michael in Obersteier­mark geben wird und man dann schaut, welche Ergebnisse erhoben werden. Ich kann versprechen, wenn es da Abweichungen gibt, werden wir natürlich auch schauen, dass dort eine fixe Wetterstation hinkommt, da das eigentlich für eine wirtschaftlich-finanzielle Planungssicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern ganz wichtig ist. Da auch ein gro­ßes Danke unserem Landesrat Johann Seitinger, der das auch finanziell unterstützt hat. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die Zeit erlaubt es mir, auch kurz auf die andere Petition einzugehen. Herr Kollege Hau­ser, auch die Steiermark hat eine Petition zum Schutz und Erhalt unserer Almen einge­bracht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mir vorstellen, dass einige von Ihnen – ich hoffe, es sind dann mehrere im Sommer – auch eine Alm besuchen.

Ich erinnere Sie daran, dass wir gestern hier im Hohen Haus ein Tierschutzgesetz be­schlossen haben. Es gibt auf unseren Almen, das traue ich mir zu sagen, die tierfreund­lichste Nutztierhaltung überhaupt in Österreich, aber dort findet momentan Tierleid statt. Warum? – Weil der Wolf dort ist. Ich kenne viele Geschichten und Berichte unserer Bäuerinnen und Bauern darüber, wie es ist, wenn sie die Tiere finden, teilweise lebend ohne Gliedmaßen und vieles mehr. Dort herrscht Tierleid, meine Damen und Herren, und wenn wir nichts unternehmen, dann haben wir diesbezüglich ein großes Problem. Zukünftig werden Sie dann wahrscheinlich keine Almen mehr besuchen können, weil diese einfach zuwachsen und es keine Tiere mehr gibt und keinen Ausschank. Aber, Frau Kollegin Dr. Rössler, Sie haben aufgezeigt, Sie sind gesprächsbereit, dass wir das weiterentwickeln.

Kollege Hechenberger hat auch das Monitoring angesprochen. Ich kann Ihnen davon erzählen, dass bäuerliche Vertreter und auch ÖVP-Abgeordnete in Schweden waren – ein EU-Land wie Österreich, das immer auch als Vorbild genannt wird. Dort gibt es einen Erhaltungszustand von 300 Wölfen. Schweden ist fünfmal größer und hat auch eine wolfsfreie Zone. Ich glaube, das muss der Zugang sein, nämlich dass wir auch auf unse­ren Almen wolfsfreie Zonen haben. Ich möchte, dass wir uns zusammensetzen und uns das schwedische Beispiel wirklich genauer anschauen.

Meine Damen und Herren, ich bin quasi schon einer der letzten Redner: Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer – vielleicht verbringen Sie ihn in Österreich oder am Meer unter den Palmen – und ich wünsche unseren Bauern wolfsfreie Almen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Minnich. – Bitte.


20.29.42

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Herr Präsident! Liebe Kollegen! Geschätzte Zuseher! Vor allem aber: Liebe Kameraden bei der Feuerwehr!

Wenn der Pager oder die Alarmapp am Handy laut anspringt, dann sind sie 365 Tage im Jahr zu jeder Tag- und zu jeder Nachtzeit zur Stelle, zu jeder denkbaren Katastrophe, von der Menschenrettung bis zur Tierrettung, vom Brandeinsatz bis zur technischen Hilfeleistung und zum Schadstoffeinsatz.

Mit über 345 000 Mitgliedern leisten unsere freiwilligen Feuerwehren einen unglaubli­chen Beitrag zur Sicherheit in unserem Land. Unser Feuerwehrnetz ist unser Sicher­heitsgarant, gerade im ländlichen Raum. Eines ist ganz klar: Das System der freiwilligen Feuerwehren in unserem Land ist alternativlos und ist überhaupt nur durch das hohe Engagement der vielen Freiwilligen möglich. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Die Petition, die wir heute besprechen, hat den Titel: „Mehr Unterstützung für unsere Feuerwehr!“ (Abg. Matznetter: ... die Mehrwertsteuer ...!) Geschätzte Damen und Her­ren, als aktiver Feuerwehrmann macht es mich stolz, dass wir diese Woche das Feuer­wehrpaket beschließen konnten und damit einen weiteren wichtigen Schritt zur Unter­stützung der vielen freiwilligen Feuerwehren in unserem Land setzen konnten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Durch die Mittelaufstockung im Katastrophenfonds auf 20 Millionen Euro zur Finanzie­rung von Investitionen der Feuerwehren in Fahrzeuge und Ausrüstung wird direkt in den Schutz der Bevölkerung investiert. Das ist wichtig und richtig.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 235

Gott zur Ehr’, dem Nächsten zur Wehr: In den letzten Wochen war ich bei vielen Fahr­zeugweihen, Eröffnungen von Feuerwehrhäusern und Wettkämpfen. Es macht mich jedes Mal sprachlos, zu sehen, wie viele Frauen und Männer diesem Motto treu sind und sich in den Dienst unserer Gesellschaft stellen.

Es ist unsere Aufgabe, liebe Kollegen, diese Menschen in ihrer freiwilligen Arbeit für uns alle zu unterstützen. Als aktiver Feuerwehrmann weiß ich, dass sich neben dem Bund auch unsere Länder und Gemeinden eng an die Seite der Feuerwehren stellen. Dieser Einsatz für die Feuerwehren wirkt sich auch auf die finanzielle Unterstützung aus, wie beispielsweise die Förderungsrichtlinie des Landes Niederösterreich zeigt.

Abschließend gilt es Danke zu sagen: für den unermüdlichen Einsatz sowohl im Kata­strophenfall als auch bei den permanenten Weiterbildungen, den vielen Übungen und der wichtigen Jugendarbeit.

Wir vonseiten der Politik werden auch weiterhin alles tun, um unsere Feuerwehren best­möglich zu unterstützen. – Gut Wehr! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

20.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Zopf. – Bitte.


20.32.59

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause, die Sie der Sitzung noch folgen! Tierschutz und Tierwohl sind mir besonders wichtig. Ich bin Nebenerwerbs­landwirtin und habe 1998 einen sozial-integrativen Bewegungsstall für meine Pferde ge­baut. Das war damals der erste in Oberösterreich.

Weiters leben auf unserem Bauernhof zwölf Hühner, ein Hahn und von Zeit zu Zeit füttern wir uns zwei Schweine zur Eigenversorgung. Meine Landwirtschaft befindet sich auf einem Berg, und bei uns sagt man: Ich lebe dort, wo sich Fuchs und Henne Gute Nacht sagen. Das kann ich bestätigen, denn der Fuchs besucht mich von Zeit zu Zeit – zu meinem Leidwesen beziehungsweise zum Leidwesen meiner Hennen. (Heiterkeit des Abg. Wöginger.)

2007 hat mir der Fuchs im Wochentakt meine Hühner gestohlen. Um 16 Uhr nachmit­tags, mitten unter der Stallarbeit, ist er mit meinem Lieblingshuhn im Fang an mir vorbei­geschnürt. Das war der Anlass dafür, die Jagdprüfung zu machen – und das zum Leid­wesen vom Fuchs, wenn er mich wieder besucht. (Heiterkeit, Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch Kollegin El-Nagashi gebe ich zum Teil recht. Zu hoher Fleischkonsum ist gesell­schaftlich gesehen auch nicht richtig. Jedoch ist Fanatismus, egal wo, immer abzuleh­nen, auch in der Ernährung. Eigenverantwortung ist da angebracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich persönlich lege meiner Meinung nach ein natürliches Verhalten an den Tag. Ich bin Jägerin und Sammlerin, ich esse Gemüse und Obst genauso gerne wie hochwertiges Fleisch aus artgerechter Tierhaltung und weidgerecht gejagtes Wild (Beifall bei der ÖVP) – ein bewusstes Leben von und mit der Natur.

Als Bezirksbäuerin sind mir die Anliegen der Bäuerinnen und Bauern bekannt. Damit komme ich zu meiner Petition: „Für ein erfolgreiches Wolfsmanagement in Oberöster­reich“. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Im Salzkammergut befinden sich zahlreiche bewirtschaftete Almen, die Großraubtiere sind im Vormarsch. Die Sichtung von Bären ist mir genauso bekannt wie schon einige Wolfsrisse von Schafen und Ziegen. Der Leidensdruck steigt. Es geht mir hier nicht darum, den Wolf auszurotten, sondern darum, die Notbremse zu ziehen, bevor unsere


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Bäuerinnen und Bauern die Almen in meiner Region nicht mehr bewirtschaften. Es kann nicht sein, dass wir den Wolf über das Leid unserer Nutztiere und die hochwertige Pro­duktion von Lebensmitteln stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Auch der Almtourismus ist somit in Gefahr, und dann gibt es keine Almen statt Palmen mehr. Und Urlaub auf unseren Almen, Kollegin Neßler, wollen wir ja nach wie vor unse­ren Österreicherinnen und Österreichern bieten.

Jetzt können wir über Herdenschutz diskutieren. Ein betroffener Bauer, Franz Gamsjä­ger aus Gosau, hat angeboten, dass Wolfsbefürworter gerne einen Herdenschutzzaun auf seiner Alm aufstellen können – 2 Stunden steil bergauf, keine Möglichkeit zum Transport, das schaue ich mir an! Man muss hier klar sagen, dass ein gewisser Reali­tätsverlust vorherrscht. Herdenschutz ist auf den Almen in der Praxis nicht möglich! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Ich zitiere Franz Gamsjäger aus Gosau (Zwischenruf des Abg. Matznetter): Jeder, der sagt, der Wolf war schon immer da, dem schüttet einen Sack Flöhe ins Bett und sagt, die waren auch schon immer da! – Zitatende. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Ich glaube, keiner von uns möchte Flöhe in seinem Bett, und ich bin ganz überzeugt, dass die Flöhe trotzdem nicht ausgerottet sind. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Hermann Gahr aus Tirol, einer besonders betroffenen Region, hat für uns bäuer­liche Vertreter, wie Kollege Kühberger schon gesagt hat, eine Reise zum Thema Groß­raubtiere nach Schweden organisiert. Schweden ist uns in vielen Bereichen voraus und wir haben für uns eigene Erfahrungswerte mitgenommen. Es ist unsere Aufgabe, hier gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Es ist nicht fünf nach zwölf, sondern es ist Viertel über zwölf. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Ihrem Antrag, Herr Kollege Hauser: Sie müssen vielleicht auch in den eigenen Reihen einmal schauen, dass die Leute auch hinter Ihnen stehen, hier sind und mitstimmen.

Deshalb abschließend meine Bitte: Suchen wir mit Hochdruck gemeinsam, auf Augen­höhe nach einer Lösung zum Erhalt unseres Lebensraumes! Tiere kennen keine Grund­stücksgrenzen und Raubtiere werden nie Kuscheltiere werden. Es ist, wie Kollege Franz Hörl als Tourismussprecher schon einmal gesagt hat: Kommt der Wolf, geht die Alm. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

20.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weratsch­nig. – Bitte.


20.38.36

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Abgeordnete! Ich wollte zum Thema Wels und Lärmschutz noch etwas sa­gen, doch vorher noch ein Satz zum Thema Wolf: Frau Abgeordnete Zopf, es gibt auf jeden Fall zwei Gemeinsamkeiten. Das sind erstens einmal – und das meine ich jetzt positiv – die Originalität und die Authentizität Ihrer Rede. Zum Zweiten ist uns allen, glau­be ich, klar, dass wir ein Wolfsmanagement brauchen, in den unterschiedlichen Bundes­ländern, mit dementsprechenden Richtlinien. Gerade der Tiroler Landtag hat gestern in einem gemeinsamen Antrag mit allen Oppositionsfraktionen – muss man dazusagen – beschlossen, diesem Thema näher zu treten und die wichtigen Fragen auch zu klären. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was allerdings der falsche Ansatz ist – das geht in Richtung FPÖ –, ist, hier einen Antrag zu stellen, in dem es Eskalationsstufen gibt, und ich nenne da die Eskalationsstufe fünf: Der Wolf schaut ins Gebäude. – Das ist reine Panikmache, reine Angstmache. Das leh­nen wir auf jeden Fall ab. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 237

Ich möchte noch einmal über das Thema Lärmschutz in Wels reden – ich habe mir jetzt noch einmal die dazugehörigen Unterlagen ausheben lassen –: Bereits 2020 wurde der Vertragsentwurf von der Asfinag an die Stadt übermittelt. Betreffend Mitfinanzierung des Lärmschutzes, insbesondere für Wimpassing, lag alles am Tisch. Die Stadt Wels hat damals keine Zusage erteilt. Sie haben es weder diskutiert noch angeschaut; bereits am 6.8.2020 kam die telefonische Mitteilung, dass die Stadt Wels da nicht mitfinanziert.

Ich möchte abschließend noch sagen, dass ich da letztendlich eine Lösung sehe. Es ist eine Lösung erkennbar, die Asfinag und die Stadt Wels sind nämlich bereit, an einer Lösung zu arbeiten. Ich darf an dieser Stelle auch die Unterstützung des Transitforum Austria-Tirol erwähnen, das in Person von Fritz Gurgiser beratend dabei ist.

Es gibt derzeit Besprechungen mit der Stadt Wels, die Ergebnisse liegen noch nicht vor, es wird aber auf jeden Fall eine Lärmschutzmaßnahme im Bereich Wimpassing geben. Die nächsten Gespräche sind für Herbst 2022 geplant. Im Hinblick auf die Mitfinanzie­rung des Bundes – das betrifft ja nicht nur die Stadt Wels, sondern alle Gemeinden ent­lang von Straßen, entlang von Transitrouten – gibt es klare Regeln, die besagen, bei welchen Lärmschutzmaßnahmen mitfinanziert wird. Es braucht auf jeden Fall eine Mehrheit im Stadtrat, und es muss – und da mache ich einen Schlenker in Richtung SPÖ – die Verantwortlichkeit von ReferentInnen, von Stadträten, die dafür gewählt wor­den sind und dafür zuständig sind, geklärt sein. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.42


20.42.10

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Können wir in den Abstimmungsvorgang eintreten? – Ja.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 1632 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Num­mer 17, 21, 25, 27 bis 29, 49, 55, 58, 61 und 62, 65, 73, 75, 82 und 84 sowie der Bürger­initiativen Nummer 34 und 40 zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „der Schutz des Menschen vor Wolfsan­griffen muss Vorrang haben“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag die Zustimmung ge­ben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben heute eine Tagesordnung, die etwas reichhaltiger ist. Wir haben noch etwas vor uns, insbesondere auch in der Zuweisungssitzung, und wir alle wollen, glaube ich, zügig nach Hause kommen.

20.43.3731. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 2683/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 und das ÖIAG-Gesetz 2000 geändert werden (Bundesministeriengesetz-Novelle 2022) (1659 d.B.)


20.43.39

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 238

Wenn es keinen Einwand gibt, kommen wir gleich zur Abstimmung.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1659 der Beilagen.

Ich darf jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen ersu­chen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer dies auch in dritter Lesung tut, wird um ein zustimmendes Zeichen ersucht. – Das ist auch in dritter Lesung mit dem gleichen Stimmverhalten angenommen.

20.44.2432. Punkt

Bericht des Hauptausschusses betreffend die Erstattung eines Vorschlages für die Wahl eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft (1658 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 32.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krisper. – Bitte.


20.44.46

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Denn sie wissen genau, was sie tun, und das ist umso verstörender – ich rede diesmal über die ÖVP, das letzte Mal habe ich über alle drei Großparteien geredet. Es geht um den Bestellungsmodus für die Mitglieder der Volksanwaltschaft. Wir hatten gestern im Hauptausschuss eine Diskussion dazu, und ich möchte, weil Ausschüsse leider nicht-öffentlich sind, diese hier ein bisschen nach­zeichnen.

Es ist das gute Recht der drei mandatsstärksten Parteien, dem Hauptausschuss Vor­schläge zu machen, wen sie gerne als Volksanwälte oder als Volksanwältinnen in Zu­kunft für die Menschenrechte in Österreich kämpfen sehen würden. Die Frage ist nur, was die drei Parteien mit diesem Pouvoir machen. Als Beispiel dient diesmal wieder die ÖVP, weil von ihr die Nachfolge von Werner Amon zu regeln ist.

Gestern im Hauptausschuss verwiesen wir auf Art. 148g Abs. 5 unserer Verfassung. Dort steht: „Die Mitglieder der Volksanwaltschaft müssen zum Nationalrat wählbar sein und über Kenntnisse der Organisation und Funktionsweise der Verwaltung und Kennt­nisse auf dem Gebiet der Menschenrechte verfügen.“

Jetzt ist es so: Man sollte sich ja überlegen, dass es nicht jemand sein sollte, der ein bisschen Kenntnisse hat, sondern es sollte der Beste sein. Das gilt natürlich insbeson­dere für das wichtige Amt der Volksanwaltschaft, bei dem es darum geht, für Menschen in diesem Land und ihre Rechte einzustehen und sich einzusetzen.

Weil unser Kenntnisstand war, dass das hinter verschlossenen Türen entschieden wur­de, haben wir die ÖVP gefragt, wie sie diese Person ausgewählt hat und was ihr interner Prozess war. Wir haben diese Frage auch mit Verweis darauf gestellt – absurderweise gab es erst vor ein paar Wochen eine Diskussion im Volksanwaltschaftsausschuss da­zu –, weil die internationalen Gremien Ganhri und der Unterausschuss für Folterpräven­tion den Bestellmodus in Österreich als völlig intransparent kritisiert haben, da es keine öffentliche Ausschreibung und keine Partizipation der Zivilgesellschaft gibt.

Obwohl wir diese Diskussion hatten, hat sich anscheinend nichts geändert. Daher ges­tern unsere Frage im Hauptausschuss: Wie kam die ÖVP zu ihrem Vorschlag? (Abg. Wöginger: Im Klub, in geheimer Wahl! – Abg. Zarits: Müssen wir dich fragen?) Haben


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Sie sich Kriterien überlegt, wie Sie zur besten Person kommen? Haben Sie öffentlich ausgeschrieben, es öffentlich bekannt gemacht? Wie haben Sie die Auswahl getroffen? Wie kamen Sie zu Ihrem Ergebnis? – Die Antwort war: Gaby Schwarz ist super! (Rufe bei der ÖVP: Eh! Bravo!) Und: Das wurde schon immer so gemacht! Es sind oft Ex-Abgeordnete der eigenen Partei! Die anderen machen es ja genauso! – Das macht es aber um nichts besser.

Als Folge dieses Vorgangs, der genauso wie in den letzten Jahrzehnten stattfand, gab es auch Reaktionen aus der Zivilgesellschaft, von Amnesty und anderen in diesem Be­reich engagierten NGOs, die sich auskennen. Diese haben darauf verwiesen, dass – nach völkerrechtlichen Standards – wieder eine Missachtung des Grundsatzes der Un­abhängigkeit besteht und dass das auch der öffentlichen Wahrnehmung der Volksan­waltschaft schadet. (Ruf bei der ÖVP: Nein! – Abg. Kirchbaumer: Hoffentlich ist die Re­dezeit bald aus!)

Die ÖVP weiß das – lange Diskussion –, der ÖVP ist es egal, sie ist nicht einsichtig, sie ändert sich einfach original gar nicht. (Abg. Kirchbaumer: Eine Frechheit!) Und nein, man müsste dafür die Gesetze nicht ändern, man könnte als Partei einfach sagen: Wir stehen zu Transparenz, Offenheit und Sachlichkeit. (Zwischenrufe der Abgeordneten Baumgartner und Kirchbaumer. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Ruf bei der FPÖ: Zuhören!) Man könnte das einfach leben, werte ÖVP! (Beifall bei den NEOS.)

20.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


20.48.30

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Da­men und Herren im Nationalrat! Liebe Zuseher! Volksanwalt Werner Amon wechselte in die steirische Landesregierung, dort ist er jetzt Landesrat für Bildung, Personal und Euro­pa. Deshalb ist es notwendig, eine neue Volksanwältin zu wählen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit nochmals unserem Volksanwalt Werner Amon für seinen Einsatz im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher recht herzlich danken und ihm alles Gute für die Zukunft wünschen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Frau Kollegin Krisper, bei der Nachnominierung eines Volksanwalts gehen wir nach einem Bestellmodus vor, der in Österreich, aber auch in vielen anderen Ländern so Usus ist. (Abg. Krisper: Usus ist kein Qualitätskriterium!) Dieser Bestellmodus besagt, dass die drei stärksten Parteien im Parlament je einen Volksanwalt nominieren können.

Sie haben gerade Ganhri angesprochen: Ganhri hat uns heuer den A-Status verliehen, und das nach langer Prüfung, also kann das nicht so ganz falsch sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Die ÖVP als nominierende Partei hat schnell die Weichen gestellt und die erfahrene Abgeordnete Gaby Schwarz in der Vollversammlung des Klubs einstimmig zur Kandi­datin gewählt.

Gaby Schwarz – wenn ich ein paar Worte zu ihrer Person sagen darf – hat ihre Karriere im ORF Burgenland gestartet und wurde aufgrund ihres Engagements später zur Pro­grammchefin von Radio Burgenland. Sie hat seit 2014 auch die organisatorische Leitung der Krisenintervention beim Roten Kreuz im Landesverband Burgenland inne und hat daher sehr viel Erfahrung in der Verwaltung. Durch ihren beruflichen und Freiwilligen­dienst hatte sie schon immer mit vielen Menschen zu tun und war stets gefordert, in schwierigen Situationen, etwa was das Kriseninterventionsteam betrifft, schnell zu han­deln, hilfsbereit zu handeln, mit Bedacht und natürlich mit viel Güte und mit viel Herz. Das zeichnet sie besonders aus. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)


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2017 wechselte sie dann in die Politik, fasste als Quereinsteigerin hier schnell Fuß und ist über die Klubgrenzen hinweg beliebt. Durch ihr Engagement war und ist sie eben überall sehr geschätzt. Als Abgeordnete war sie auch Gesundheitssprecherin und Me­diensprecherin. (Abg. Kopf: Du musst sie doch nicht vor der Frau Krisper rechtfertigen!) Gerade als Gesundheitssprecherin leistete sie in der Pandemie wirklich Besonderes in der Krisenintervention. Für ihr Engagement, ihren wertschätzenden Umgang mit ande­ren Menschen und ihren pragmatischen Zugang zu Problemen wurde und wird sie von allen sehr geschätzt.

Gaby Schwarz ist aber auch eine große Fürsprecherin der Menschenrechte und gerade die Menschenrechte sind in der Volksanwaltschaft wichtig. So darf ich auch sagen, sie behandelt alle Menschen gleich. Ich darf nur zwei Beispiele für Dinge hervorheben, für die sie sich gerade im Gesundheitsausschuss sehr eingesetzt hat, und zwar für die dis­kriminierungsfreie Blutspende und auch für das Verbot der sogenannten Konversions­therapie.

Gaby Schwarz wird als kompetente Frau das bestehende Team der Volksanwälte opti­mal ergänzen. Sie ist für die Position wirklich bestens geeignet. – Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit und wünsche dir, Gaby, alles Gute.

Weil wir am Schluss der Sitzung sind, darf ich allen noch einen schönen Sommer wün­schen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Hamann und Maurer.)

20.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte.


20.52.41

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Schwarz, ich weiß nicht, ob Sie es wissen, wir haben ja diese Woche im Hauptausschuss Glück gehabt: Aufgrund eines Formfehlers musste der Herr Präsident unterbrechen, und es ist Kollegen Margreiter von den NEOS zu verdan­ken, dass wir heute keinen Beschluss fassen, der vielleicht nicht gehalten hätte. – Lieber Kollege Margreiter von den NEOS, vielen Dank nochmals dafür, dass wir heute hier die­se Nominierung und diese Namhaftmachung beschließen können.

Kollegin Krisper hat es gesagt: Gemäß Artikel 148g Bundes-Verfassungsgesetz steht natürlich der ÖVP die Nominierung, die Namhaftmachung zu. Wir gehen da natürlich mit, wir unterstützen diese Namhaftmachung, genauso wie wir das im Hauptausschuss ge­macht haben.

Ich muss jetzt ganz ehrlich sein, und das meine ich nicht böse: Als ich Ihren (in Richtung Abg. Gabriela Schwarz) Namen als potenzielle Nachfolgerin für Werner Amon gehört habe, ist mir die Pressekonferenz vom September vorigen Jahres eingefallen, die ein bisschen eigenwillig war (Heiterkeit der Abg. Gabriela Schwarz), und ich habe mir ge­dacht: Kann sie als Volksanwältin wirklich parteiunabhängig agieren?

Ihr Vorgänger, Werner Amon, bei dem ich mich seitens der Sozialdemokratie recht herz­lich für seine Arbeit bedanken möchte (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Maurer), hat bewiesen, dass man als ehemaliger ÖVP-Generalsekretär als Volksanwalt unabhängig agieren kann und agieren muss. Das hat er beim letzten Volksanwaltschaftsbericht, in dem er die Umstellung auf das Finanzamt Österreich sehr wortreich kritisiert hat, unter Beweis gestellt.

Wir kennen uns vom Gesundheitsausschuss, und ich hatte doch da und dort den Ein­druck, dass Sie, Frau Kollegin, nicht immer mit den Maßnahmen der Regierung glücklich waren, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Zweiklassenmedizin oder bei der Pflege­reform oder bei der nicht vorhandenen Patientenmilliarde. Ich möchte Sie auch von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll169. Sitzung, 8. Juli 2022 / Seite 241

meiner Seite ersuchen: Stellen Sie Ihre Erfahrung, Ihr Wissen, Ihre Kraft den Bürge­rinnen und Bürgern unparteilich, überparteilich zur Verfügung!

Als Volksanwaltschaftssprecher der SPÖ freue ich mich auf eine gute Zusammenarbeit und gratuliere Ihnen jetzt schon. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

20.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte.


20.55.04

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Auch ich schließe mich an, was den Dank an den bisherigen Volksanwalt Amon betrifft, und möchte auch ein paar Worte zum Bestellmodus sagen: Wir als Grüne haben, seit wir in diesem Parlament sind, zwar auch einmal eine Volksanwältin gestellt, aber die Kritik am Bestellmodus – und dieser wäre gesetzlich zu ändern – teilen wir.

Es gibt die internationale Kritik, die von den Vereinten Nationen geäußert wurde. Ich glaube auch, dass es gut wäre, den Bestellmodus zu ändern. Es geht letztlich darum: Wie unabhängig kann die Volksanwaltschaft arbeiten? Die Volksanwaltschaft ist die zen­trale Stelle für Menschenrechte in Österreich – das soll sie auch weiter ausbauen und soll sie auch ganz vehement sein. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch zum Positiven kommen. Das, was, glaube ich, für dieses Amt absolut notwendig ist, ist eigenständiges Denken, Unbeirrbarkeit, Hartnä­ckigkeit, die Fähigkeit, den Finger in die Wunde zu legen, auch unangenehme Dinge ansprechen zu können, möglicherweise gegen Ministerinnen und Minister, gegen die öffentliche Verwaltung aufzutreten, den Kritikpunkten, die von Bürgerinnen und Bürgern vorgebracht werden, eine Stimme zu geben und für Verbesserungen zu kämpfen.

All diese Dinge traue ich dir, liebe Gaby, absolut zu. Ich habe dich in den letzten zwei Jahren als jemanden kennengelernt, der durchaus auch gegen die breite Meinung, manchmal auch innerhalb der Volkspartei, durchaus loyal, aber treffende Worte gefun­den hat, und dementsprechend glaube ich und bin ich davon überzeugt, dass du die Unabhängigkeit, die für dieses Amt notwendig sein wird, mitbringen wirst. Ich freue mich selbstverständlich ganz besonders, dass endlich wieder eine Frau in diesem Amt ist. Auch das ist, glaube ich, im 21. Jahrhundert eine gute Sache. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen, ÖVP und NEOS.)

Ich wünsche dir viel Kraft und Mut und Besonnenheit für diese neue, tolle Aufgabe und wir werden dich selbstverständlich unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordne­ten von Grünen und ÖVP.)

20.57


20.57.50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Wahl. – Sind die Klubs bereit? – Ja.

Ich lasse über den vorliegenden Wahlvorschlag des Hauptausschusses, sofern sich kei­ne Einwendung ergibt, durch Aufstehen und Sitzenbleiben abstimmen.

Gibt es Einwendungen? – Das ist nicht der Fall.

Daher bitte ich jene Damen und Herren, die dem Antrag des Hauptausschusses in 1658 der Beilagen, Frau Abgeordnete Gabriela Schwarz für den Rest der Funktionsperiode zu einem Mitglied der Volksanwaltschaft zu wählen, ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Danke schön, das ist die Mehrheit.


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Ich gratuliere recht herzlich zur Wahl. (Anhaltender Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grü­nen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.59.10Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von 20 Ab­geordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls hinsichtlich der Ta­gesordnungspunkte 1 bis 3, 6 und 7, 18 und 19, 23, 26 bis 28 sowie 31 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich verlese:

„TO-Punkt 1:

Der Abänderungsantrag Beilage 1/3 wird abgelehnt [...].

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1576 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 1/2 in zweiter Lesung [...] und in dritter Lesung [...] angenommen.“

„TO-Punkt 2:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1580 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 2/1 in zweiter und dritter Lesung [...] an­genommen.

TO-Punkt 3:“

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1633 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 3/3 in zweiter und dritter Lesung [...] an­genommen.“

„TO-Punkt 6:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1644 der Beilagen in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung [...] und in dritter Lesung [...] angenommen.“

„TO-Punkt 7:

Der Abschluss der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG wird gemäß dem Ausschussan­trag in 1645 der Beilagen [...] genehmigt.“

„TO-Punkt 18:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1610 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

„TO-Punkt 19:“

„Der Rückverweisungsantrag Beilage 19/I wird abgelehnt [...].“

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1611 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

„TO-Punkt 23:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1577 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

„TO-Punkt 26:“

„Der Abschluss der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG wird gemäß dem Ausschussan­trag in 1656 der Beilagen [...] genehmigt.“


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„TO-Punkt 27:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1561 der Beilagen unter Be­rücksichtigung des Abänderungsantrages Beilage 27/1 in zweiter und dritter Lesung [...] an­genommen.“

„TO-Punkt 28:

Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1562 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

„TO-Punkt 31:“

„Der Gesetzentwurf wird gemäß dem Ausschussantrag in 1659 der Beilagen in zweiter und dritter Lesung [...] angenommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäftsord­nung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt. (Abg. Maurer überreicht Abg. Gabriela Schwarz einen Blumenstrauß. – Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hoyos-Trautt­mansdorff: Diese Koalition ist sicher!)

Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass in der heutigen Sit­zung die Selbständigen Anträge 2715/A(E) bis 2734/A eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, den 8. Juli, 21.02 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung –, ein. Die Tagesordnung ist auf schriftli­chem Wege ergangen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.02.05Schluss der Sitzung: 21.02 Uhr

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