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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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162. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 1. Februar 2017

 

 


Stenographisches Protokoll

162. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 1. Februar 2017

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 1. Februar 2017: 9.06 – 17.24 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Elfter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirt­schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

2. Punkt: Jahresbericht 2015 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz

3. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird, sowie Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1928/A)

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016, geändert wird (1960/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 14

Ordnungsruf ................................................................................................................... 78

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 36

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Andreas Schieder betreffend Abwesen­heit des Bundeskanzlers Mag. Christian Kern ...................................................................................................... 122

Fragestunde (22.)

Bildung .......................................................................................................................... 14


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 2

Mag. Elisabeth Grossmann (256/M); Leopold Steinbichler

Brigitte Jank (253/M)

Dr. Walter Rosenkranz (262/M); Gabriel Obernosterer

Dr. Harald Walser (260/M)

Mag. Dr. Matthias Strolz (259/M); Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Gerald Hauser

Ing. Robert Lugar (264/M)

Katharina Kucharowits (257/M)

Asdin El Habbassi, BA (254/M); Dr. Harald Walser

Wendelin Mölzer (263/M); Marianne Gusenbauer-Jäger

Sigrid Maurer (261/M)

Elmar Mayer (258/M); Wendelin Mölzer

Dr. Karlheinz Töchterle (255/M); Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Erwin Preiner

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 14

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  35, 108, 113

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend Verhandlungslegitimation der Bundesregierung zu den Ab­kommen CETA, TTIP und TISA (11638/J)    ............................................................................................................................. 113

Begründung: Mag. Werner Kogler ............................................................................. 117

Staatssekretärin Mag. Muna Duzdar ........................................................................ 122

Debatte:

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................. 126

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 128

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................... 130

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 132

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 134

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 137

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 138

Mag. Christine Muttonen ........................................................................................... 141

Ing. Hermann Schultes .............................................................................................. 142

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 144

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 147

Ulrike Weigerstorfer ................................................................................................... 148

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 149

Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................................................. 151

Ing. Wolfgang Klinger ................................................................................................ 152

Mag. Gerald Loacker .........................................................................................  153, 167

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 155


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 3

Hannes Weninger ....................................................................................................... 157

Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................. 159

Barbara Rosenkranz .................................................................................................. 160

Rupert Doppler ........................................................................................................... 161

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 162

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 164

Peter Wurm ................................................................................................................. 165

Mag. Werner Kogler ................................................................................................... 167

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer verbindlichen Volksabstimmung zu CETA für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizie­rung – Ablehnung ............................................  146, 168

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Umweltausschusses betreffend Elfter Umweltkontrollbe­richt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft (III-316 und Zu III-316/1416 d.B.)                       36

Redner/Rednerinnen:

Mag. Josef Lettenbichler ............................................................................................. 36

Rudolf Plessl ................................................................................................................. 38

Walter Rauch ................................................................................................................ 39

Mag. Christiane Brunner ............................................................................................. 41

Michael Bernhard ......................................................................................................... 50

Ulrike Weigerstorfer ..................................................................................................... 51

Dr. Kathrin Nachbaur ................................................................................................... 53

Erwin Preiner ................................................................................................................ 54

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ............................................................................. 55

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ......................................................... 57

Johann Rädler .............................................................................................................. 59

Walter Schopf ............................................................................................................... 61

Georg Willi .................................................................................................................... 62

Mag. Johannes Rauch ................................................................................................. 63

Mag. Karin Greiner ....................................................................................................... 64

Mag. Michael Hammer .................................................................................................. 65

Harry Buchmayr ........................................................................................................... 66

Dipl.-Ing. Georg Strasser ............................................................................................ 67

Fritz Grillitsch ............................................................................................................... 68

Ing. Manfred Hofinger .................................................................................................. 69

Rupert Doppler ............................................................................................................. 69

Gerhard Schmid ........................................................................................................... 70

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 71

Entschließungsantrag der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverzüglichen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag – Ab­lehnung ....................  40, 72

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Freie Wissenschaft unabdinglich zur Lösung der Kli­makrise – Ablehnung............. 43, 7


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 4

2

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend: Empfehlungen des Elften Umweltkontrollberichts un­verzüglich umsetzen – Ablehnung  45, 73

Kenntnisnahme des Berichtes III-316 und Zu III-316 d.B. ............................................. 72

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Jahresbericht 2015 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien (III-253/1468 d.B.)           ............................................................................................................................... 73

Redner/Rednerinnen:

Mag. Günther Kumpitsch ............................................................................................ 73

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 74

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 76

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 78

Christoph Hagen .......................................................................................................... 80

Dieter Brosz, MSc ...............................................................................................  81, 101

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 83

Dr. Peter Wittmann ....................................................................................................... 85

Mag. Nikolaus Alm ....................................................................................................... 87

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 91

Petra Steger .................................................................................................................. 92

Mag. Helene Jarmer ..................................................................................................... 94

Rupert Doppler ............................................................................................................. 96

Mag. Michael Hammer .................................................................................................. 96

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 97

Rouven Ertlschweiger, MSc ........................................................................................ 99

Mag. Bernd Schönegger ............................................................................................ 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Einhebung von Länderabgaben durch die GIS GmbH – Ablehnung ....................  90, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bestellung eines Selbstvertreters behinderter Menschen in den ORF-Publikumsrat – Ablehnung              95, 102

Kenntnisnahme des Berichtes III-253 d.B. ................................................................... 102

3. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird, sowie Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (1928/A) ................................................ 102

Redner/Rednerinnen:

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 103

Dr. Peter Wittmann ..................................................................................................... 104

Rouven Ertlschweiger, MSc ...................................................................................... 105

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 106

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 106

Rupert Doppler ........................................................................................................... 108

Zuweisung des Antrages 1928/A an den Geschäftsordnungsausschuss .................... 108

4. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsge­setz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016, ge­ändert wird (1960/A) ................................................................................................................ 108

Redner/Rednerinnen:

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 109

Otto Pendl ................................................................................................................... 109

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................... 110


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 5

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 110

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 111

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 112

Zuweisung des Antrages 1960/A an den Geschäftsordnungsausschuss .................... 113

Eingebracht wurden

Berichte ......................................................................................................................... 35

Vorlage 123 BA: Bericht gemäß § 78 Absatz 5 des Bundeshaushaltsgesetzes über das Eingehen, die Prolongierung und die Konvertierung von Finanzschulden und Währungstauschverträgen im Finanzjahr 2016; BM f. Finanzen

Vorlage 124 BA: Bericht gemäß § 4a Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz über die im 4. Quartal 2016 ergriffenen Maßnahmen; BM f. Finanzen

Vorlage 125 BA: Bericht gemäß Art. 50c Abs. 3 B-VG iVm § 6 der Anlage 2 zum GOG (ESM-Informationsordnung) über die im Rahmen des Europäischen Stabili­tätsmechanismus getroffenen Maßnahmen im 4. Quartal 2016; BM f. Finanzen

Vorlage 126 BA: Bericht über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahr 2016; BM f. Finanzen

Vorlage 127 BA: Monatserfolg Dezember 2016; BM f. Finanzen

Vorlage 128 BA: Bericht gemäß § 54 Abs. 12 und § 60 Abs. 3 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen (MVÜ) sowie über zuge­stimmte Vorbelastungen im 4. Quartal 2016; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine öffentliche Finanzierung für Privatuniversitäten (1991/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „verpflichtende Altersüberprü­fungen bei Asylwerbern“ (1992/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Definition des Embryonen-Begriffs in Österreich gemäß Gutachten des EuGH“ (1993/A)(E)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gesamtreform des öffentli­chen Gesundheitssystems“ (1994/A)(E)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zur Umwandlung der A1 Telekom Austria in eine GmbH (1995/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung des EU-Beamten-Pensionssystems und Überführung in nationale Systeme auf ASVG Niveau“ (1996/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaffung der Aus­gleichszulage für ausländische Pensionisten“ (1997/A)(E)

Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Imagekampagne zur Auf­wertung der Lehrausbildung“ (1998/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beendigung des Asylverfah­rens bei Heimaturlaub“ (1999/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 6

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Turnus­ausbildung für Jungmediziner (2000/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Finanzierung und Koordinierung ei­ner Ehrungsstätte für Sportler (2001/A)(E)

Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme der Wachtel­haltung in die 1. Tierhaltungsverordnung“ (2002/A)(E)

Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz und das Landarbeitsgesetz geändert werden (2003/A)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend EU-Verordnung bedroht Artenviel­falt des Tiergartens Schönbrunn – Schicksal der untersagten Tierarten ungewiss! (11509/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend sexuelle Übergriffe und Polizeieinsätze zu Silvester 2016/2017 (11510/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend mangelnder Respekt junger Flüchtlinge gegenüber Exekutivkräften (11511/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Si­cherheit der tschechischen Atomkraftwerke Dukovany Temelín (11512/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend Wahlwerbung durch die Jungen Grünen an Schulen (11513/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Jugendkriminalität im Jahr 2016 (11514/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Leistungen der Bundesforste AG in Österreich (11515/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Verbrennung von Müll aus Rom (11516/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft betreffend Diebstähle an der TU Wien (11517/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Stromkennzeichnung und Wasserkraftzer­tifikate (11518/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Finanzen betreffend Scheinfirmen und Sozialversicherung (11519/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Scheinfirmen und Sozialver­sicherung (11520/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Scheinfirmen und Sozialver­sicherung (11521/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 7

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend die Zukunft des Ferry-Dusika Stadions (11522/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Studie zum Sozialversiche­rungssystem (11523/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Gangbettenmisere in den Spitälern des Wie­ner KAV (11524/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pflegegeldbezug in Öster­reich 2015 und 2016 (11525/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Anmeldung bei den Gebietskrankenkassen und der SVA als Mitversicherte (11526/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend Ausrüstung der Einsatzsoldaten im Assistenzein­satz (11527/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Asylberechtigte und Lang­zeitarbeitslosigkeit (11528/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Schulden ausländischer Krankenkassen ge­genüber österreichischen Krankenkassen, Sozialversicherungsträgern und anderen Kran­kenanstaltenträgern 2016 (11529/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Jörgerbad/Wien und Bäderhygiene Gesamt­jahr 2016 (11530/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Kindergartenträgervereine und Förderung – Standort Wien (11531/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsauszahlungen nach Ungarn und Polen (11532/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsauszahlungen nach Rumänien und Bulgarien (11533/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Floridsdorferbad/Wien und Bäderhygiene Ge­samtjahr 2016 (11534/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsauszahlungen nach Tschechien und in die Slowakei (11535/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 8

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Hebammenversorgung in Österreich (11536/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Gesundheit und Frauen betreffend Einsiedlerbad/Wien und Bäderhygiene Ge­samtjahr 2016 (11537/J)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Sachwalterschafts-, Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren (11538/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Stellenbesetzung des Staatsoperndirek­tors per Umfrage (11539/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Familienbeihilfe 2016 für im Ausland wohnhafte Kinder (11540/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Zigarettenautomaten in Österreich (11541/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Zigarettenautomaten in Österreich (11542/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend UBER und Lohn- und Sozialdumping (11543/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Zigarettenautomaten in Österreich (11544/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Autovermieter Goldcar (11545/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend miese Noten für Grüntees (11546/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend se­xuelle Übergriffe in der Silvesternacht in Innsbruck (11547/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schaumweinsteuer (11548/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Chalara Fraxinea (11549/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Vogelgrippe in der Steiermark (11550/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Ager ruft Wurstprodukt zurück (11551/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Kunststoffteile möglich in Rösterprodukte von Efko (11552/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Ärzte schickten Patientin trotz Schlaganfall weg (11553/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Daunen von lebend gerupften Enten und Gänsen (11554/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend illegaler Tierhändler in Feldkirch überführt (11555/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Arbeitnehmerveranlagung Online (11556/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 9

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Dolmetscherkosten 2016 (11557/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Untersuchungen zur Altersdiagnose 2016 (11558/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Betreuung von Asylwerbern 2016 (11559/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Dauer von Asylverfahren 2016 (11560/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Tempo anpassen“-Inserat des BMVIT in „Ös­terreich“ am 15. Dezember 2016 (11561/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Siehst du“-Inserat des BMVIT in „Österreich“ am 15. Dezember 2016 (11562/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend Österreicher als Grenzschutz im Ausland (11563/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Departures“-Inserat des BMI in „Heute“ am 23. Dezember 2016 (11564/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Pensionsauszahlungen in die Türkei 2016 (11565/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Signatur“-Inserat des BKA in „Österreich“ am 20. Dezember 2016 (11566/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Basiskonto“-Inserat des BMASK in „Heu­te“ vom 20. Dezember 2016 (11567/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Signatur“-Inserat des BKA in „Österreich“ am 21. Dezember 2016 (11568/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Inneres betreffend Raufhandel im Bacherpark (11569/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend „Ganztagsschule“-Inserat des BMB in „Österreich“ vom 23. Dezember 2016 (11570/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Departures“-Inserat des BMI in „Österreich“ am 15. Dezember 2016 (11571/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Projekte und Maßnahmen im Bereich des „e-Tou­rismus“ im Jahr 2016 (11572/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend durch Heirat erschlichene Aufenthaltstitel im Jahr 2016 (11573/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Fit für Österreich (11574/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 10

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Entsendemeldungen von Arbeitnehmern nach Ös­terreich (11575/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend jugendliche IS-Kämpfer und Sympathisanten in Österreich (11576/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Sozioökonomische Betriebe und deren Förderung (11577/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität 2016 (11578/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend in Grundversorgung befindliche Fremde im Bundesland Steiermark 2016 (11579/J)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Skiflug-WM am Kulm (11580/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend überbordender Bürokratie bei der Abrechnung von ESF-Projekten (11581/J)

Petra Bayr, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend den Milchmarkt in der Krise und den Export von Milch und Milchprodukten (11582/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, In­tegration und Äußeres betreffend Werbekosten (11583/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Werbekosten (11584/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Werbe­kosten (11585/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien betreffend Werbekosten (11586/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11587/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11588/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11589/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammren­nens (11590/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11591/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11592/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11593/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 11

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11594/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11595/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11596/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend VIP-Be­such des Hahnenkammrennens (11597/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11598/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11599/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Werbekosten (11600/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Werbekosten (11601/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Werbekosten (11602/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend VIP-Besuch des Hahnenkammrennens (11603/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Werbekosten (11604/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Werbekosten (11605/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Werbekosten (11606/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Werbekosten (11607/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Werbekosten (11608/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Werbekosten (11609/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Werbekosten (11610/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Zunahme des Schädlingsbefalls in heimischen Wäldern (11611/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Kontrolle von krankgemeldeten Arbeitnehmern (11612/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Antibiotikaresistenzen (11613/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 12

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Hautkrebs-Diagnose via Foto-App (11614/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Versorgungsdefizit bei Bestrahlungsgeräten (11615/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Personalaufstockung bei der Polizei (11616/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Fahrerflucht bei Skiunfällen (11617/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Ethik als Unterrichtsfach (11618/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Körberlgeld der Wirtschaftskammer durch Anzeigen gegen eigene Mitglieder (11619/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BKA im Jahr 2016 (11620/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMWFW im Jahr 2016 (11621/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMVIT im Jahr 2016 (11622/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMLVS im Jahr 2016 (11623/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Erbringung von Dienstleistun­gen an das BMLFUW im Jahr 2016 (11624/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMKKVM im Jahr 2016 (11625/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMJ im Jahr 2016 (11626/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMI im Jahr 2016 (11627/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMGF im Jahr 2016 (11628/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMFJ im Jahr 2016 (11629/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMF im Jahr 2016 (11630/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 13

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMEIA im Jahr 2016 (11631/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMB im Jahr 2016 (11632/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Erbringung von Dienstleistungen an das BMASK im Jahr 2016 (11633/J)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Rücküberstellungen nach Ungarn“ (11634/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Arbeiterkammervermögen 2016 (11635/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fami­lien und Jugend betreffend unbezahlte Praktika für junge Flüchtlinge (11636/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fami­lien und Jugend betreffend Partizipation junger Menschen (11637/J)

Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ver­handlungslegitimation der Bundesregierung zu den Abkommen CETA, TTIP und TISA (11638/J)

*****

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates betref­fend Lehrlingsparlament zum Thema „Hate Speech“ (38/JPR)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 14

09.06.03Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsi­dent Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, einen schönen guten Morgen! Ich eröffne die 162. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Dr. Feichtinger, Krainer, Mag. Groiß, Johann Höfinger, Dipl.-Kffr. (FH) Pfurtscheller, Dr. Karlsböck, Ing. Schel­lenbacher, Mag. Schrangl, Strache, Themessl, Mag. Rossmann und Dr. Winter.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundeskanzler Mag. Christian Kern wird krankheitsbedingt durch die Staatsse­kretärin im Bundeskanzleramt Mag. Muna Duzdar, die Bundesministerin für Familien und Jugend Dr. Sophie Karmasin wird durch den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter und der Bun­desminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter wird durch den Bundesminister für Fi­nanzen Dr. Johann Georg Schelling vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird, ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der über 19.40 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.07.29Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch die Bun­desministerin für Bildung vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Dr. Hammerschmid in unserer Mitte und teile wei­ters mit, dass für die Anfrage- und Zusatzfragesteller jeweils 1 Minute Redezeit vorge­sehen ist. Die Beantwortung der Anfragen soll jeweils 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute nicht übersteigen. Wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit werde ich darauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für Bildung

 


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zur 1. Anfrage, das ist jene der Frau Ab­geordneten Mag. Grossmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Guten Morgen aus dem verschnei­ten Wien! Frau Bundesministerin! Im Dezember 2016 wurde die aktuelle PISA-Studie präsentiert. Österreich hat sich da leider in den Bereichen Naturwissenschaften, Ma-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 15

thematik und Lesen im Vergleich zu 2012 verschlechtert. Die sogenannten Risikogrup­pen sind größer geworden, die Spitzengruppen sind kleiner geworden. Wir sehen also, gerade wenn es um Chancengerechtigkeit geht, besteht in Österreich weiterhin mas­siver Handlungsbedarf.

Da Sie ja die Ergebnisse als nicht zufriedenstellend und inakzeptabel bezeichnet ha­ben, möchte ich folgende Frage an Sie richten:

256/M

„Wie werden Sie auf die vor Kurzem präsentierten PISA-Ergebnisse 2015 reagieren?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Geschätzte Frau Präsidentin! Mitglieder des Hohen Hauses! Sehr geehrte Zuseher vor den Fernseh­schirmen! Danke für die Frage, Frau Abgeordnete! In der Tat, die Ergebnisse sind nicht zufriedenstellend, nicht akzeptabel für ein Land wie Österreich. Ich gebe mich mit Durch­schnitt keineswegs zufrieden. Wir müssen handeln, wir müssen dringend handeln.

Einige Initiativen, Maßnahmenpakete sind ja bereits unterwegs beziehungsweise ver­abschiedet. Das Ganztagsschulpaket ist ein Paket, von dem ich mir erwarte, dass im ganztägigen Unterricht – kombiniert, abwechselnd mit Freizeitgestaltung – Fördermaß­nahmen sehr viel besser abgedeckt werden können, damit unsere Schülerinnen und Schüler in den Grundkompetenzen besser werden.

Das Autonomiepaket wird einen weiteren Beitrag leisten, weil dadurch Schule von den Pädagoginnen und Pädagogen völlig neu gestaltet werden kann und sie ganz zielge­richtet Talente stärken können, aber auch schwächere Schüler besonders unterstützen können. Da ist viel Spielraum gegeben – aber das dauert. Das heißt, da braucht es Kurz­fristmaßnahmen, sehr punktuell, vor allem an jenen Schulen, die besondere Herausfor­derungen in diesen Bereichen haben; wir kennen die Ergebnisse.

Unser Anliegen ist es, den Pädagoginnen und Pädagogen Werkzeuge in die Hand zu geben, damit sie jederzeit testen können, wo ihre Schülerinnen und Schüler in den je­weiligen Fächern stehen und wie sie im Vergleich liegen, also Diagnoseinstrumente, und begleitend dazu Instrumente, mit denen Schülerinnen und Schüler auch sehr ge­zielt gefördert und unterstützt werden können. Eine Reihe dieser Förderinstrumente und Diagnosenistrumente insbesondere für die Volksschulen ist schon in der Erprobung, diese werden im nächsten Schuljahr flächendeckend eingesetzt werden.

Dasselbe gilt für die Sekundarstufe: Auch da brauchen wir Diagnosemöglichkeiten, und wir arbeiten daran, damit die Pädagoginnen und Pädagogen jederzeit testen können, wo ihre Schülerinnen und Schüler stehen. Da erwarte ich mir viel. Naturgemäß arbei­ten wir auch mit den Pädagoginnen und Pädagogen in der Aus- und Fortbildung, um da auch punktgenau nachzuschulen und die Pädagoginnen und Pädagogen in diesem Bereich weiter zu stärken. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich habe jetzt im Februar noch eine Bildungsklausur mit externen Experten einberufen, in der wir punktgenau schnelle Maßnahmen beschließen werden, die Österreich wei­terbringen. – Vielen Dank.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Erstmals wurden die Testungen com­puterbasiert durchgeführt. Manche meinen, dass die schlechteren Ergebnisse darauf zurückzuführen seien.

Was sagen Sie dazu?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 16

Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Die Bedingungen waren für alle Schülerinnen und Schüler in allen Ländern gleich. Das heißt, die Umset­zung in digitaler Form war jedenfalls notwendig, es gab überall gleiche Voraussetzun­gen. Ich glaube, wir dürfen uns jetzt nicht aufhalten oder irritieren lassen. Schauen wir nach vorne, und setzen wir alles daran, dass unsere Schülerinnen und Schüler einfach besser ausgebildet werden! Das muss unser Ziel sein.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Steinbich­ler. (Ruf bei der FPÖ: Leo, gib Gas!)

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister, laut PISA-Studie gibt es Probleme beziehungsweise sind die Ergebnisse in den Bereichen Lesen, Schrei­ben, Rechnen nicht zufriedenstellend. Jetzt wird angedacht, Tablets auch in den Grund­schulen einzusetzen.

Ist das, bevor die Kinder die Grundrechenarten können, nicht der verkehrte Weg?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Tablets und Lap­tops können genau das ganz zielgerichtet und sogar sehr gut unterstützen, denn wenn Kinder und Jugendliche Fragestellungen, Aufgabenstellungen bekommen, die über die Tablets gespielt werden, dann müssen sie auch lesen lernen, dann müssen sie sinn­erfassend lesen, und sie tun es vielleicht sogar lieber, weil sie einfach mit den neuen Medien viel spielerischer und viel motivierter umgehen.

Ich erwarte mir in der Tat sogar eine Steigerung der Lesekompetenz, auch über die di­gitalen Tools. Wir müssen sie gut einsetzen. Das ist die Herausforderung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Himmelbauer.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 2. Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Jank. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler. – Abg. Walter Rosenkranz: Nein, das ist jetzt kein Gespräch! Das war’s!) – Sie haben nur eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Medienberichten der letzten Wochen zufolge könnte in Österreich ein Lehrermangel, ein Mangel an PädagogInnen in wichtigen Zukunftsfächern wie beispielweise den Na­turwissenschaften drohen. Die Stadt Wien bestätigt sogar, eine Taskforce gegründet zu haben, um sich darauf vorzubereiten. Viele Pensionierungen stehen an, steigende Schülerzahlen, auch eine Lücke bei den Studienabsolventen könnten dazu führen, dass es tatsächlich dazu kommt, dass Tausende Lehrerinnen und Lehrer fehlen.

Daher meine Frage:

253/M

„Welche Maßnahmen treffen Sie, um den Lehrer/innenberuf zu attraktivieren und junge Menschen für den Lehrer/innenberuf zu begeistern, damit nicht nur einem Pädagogen/in­nenmangel zeitgerecht vorgebeugt wird, sondern wir auch die Besten dafür gewinnen können?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ja, es muss uns wirk­lich daran gelegen sein, gemeinsam das Bild des Lehrers/der Lehrerin in der Öffent­lichkeit zu stärken und den Pädagoginnen und Pädagogen jene Wertschätzung entge­genzubringen, die sie verdienen, denn sie gestalten die Zukunft, sie arbeiten mit unse-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 17

ren jungen Menschen, und das ist ganz, ganz wichtig. Das heißt, wir müssen schauen, dass dieser Berufsstand wieder die Wertschätzung erfährt, die er verdient.

Was tun wir? – Wir haben mit der PädagogInnenbildung Neu neue Maßstäbe gesetzt. Wir haben die LehrerInnenausbildung tertiärisiert, das ist auch eine Form der Wert­schätzung, sage ich jetzt mal. Es gibt vierjährige Bachelorstudien, es gibt ein- bis zwei­jährige Masterstudien, was die Qualität der Ausbildung der jungen Menschen, unserer Pädagoginnen und Pädagogen steigern wird. Das ist überhaupt keine Frage.

Wir haben erstmals auch Aufnahme-und Eignungstests vorgeschaltet. Wir wollen die besten Pädagoginnen und Pädagogen, die besten Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen, die wirklich mit Leidenschaft mit den Kindern arbeiten und das auch als ihr Lebensziel sehen; das heißt, wir wollen punktgenau die Richtigen für das Studium auswählen.

Wir haben mit dem neuen Dienstrecht, wie ich glaube, einen guten Hebel geschaffen, um die Attraktivität des Berufsstands zu erhöhen, weil die Einstiegsgehälter für Jung­lehrerinnen und -lehrer nach dem neuen Dienstrecht wesentlich höher sind, sodass das auch eine Attraktivierungsmaßnahme sein kann, um unsere jungen Menschen für die­sen Berufszweig zu interessieren.

Zu dem prognostizierten Pädagoginnen- und Pädagogenmangel sei gesagt, dass wir in einigen Bundesländern sogar Wartelisten haben, die durchaus umfassend sind, aber natürlich schauen wir sehr genau darauf, was da passiert. Wir sehen an den Zahlen der StudienanfängerInnen an den Pädagogischen Hochschulen und an den Absolven­tInnenzahlen, die wir aus der Vergangenheit gut prognostizieren können, schon, dass wir nicht in ein Delta laufen, das wir keinesfalls bedienen können. Uns ist auch daran gelegen, Quereinsteiger dort, wo es notwendig ist, hereinzuholen, insbesondere auch in den naturwissenschaftlichen Fächern – da kann das sogar sehr gut funktionieren –, und unterstützen das auch mit zusätzlichen Maßnahmen.

In Summe, glaube ich, steuern wir nicht auf einen LehrerInnenmangel zu, aber klar ist: Wir müssen genau schauen, dass diese Ausbildung gut funktioniert, dass die Qualität der LehrerInnenausbildung auf dem Stand der Zeit ist und uns in eine neue Dimension bringt, um die Kinder und Jugendlichen auf Herausforderungen bestmöglich vorzube­reiten.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Brigitte Jank (ÖVP): Lehrerinnen und Lehrer stöhnen auch immer über die überbordenden Dokumentationspflichten; diesbezüglich gibt es jede Menge Nach­fragen und Beschwerden. Wichtig ist, sicherzustellen, dass diese Dokumentstations­pflichten eingeschränkt werden.

Eine AHS berichtet von sieben E-Mails, Erlässen und vielem mehr pro Tag im Zehnjah­resschnitt; das sind also Umfänge, die kaum mehr zu bewältigen sind, daher meine Frage:

Was können Sie unternehmen, damit die Balance zwischen den Dokumentationspflich­ten und dem daraus gezogenen Nutzen wiederhergestellt wird?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Mit dem schon im letzten Jahr im Parlament verabschiedeten Schulrechtspaket haben wir beispielsweise 2 000 Schulversuche außer Kraft gesetzt, weil sie ins Regelschulwesen gekommen sind. Mit dem Autonomiepaket schränken wir Schulversuche weiter massivst ein, da­durch gibt es Gestaltungsmöglichkeiten an der Schule. Das muss nicht mehr jährlich als Schul­versuch beantragt werden, das muss nicht mehr dokumentiert werden, das geschieht jetzt an der Schule, und das wird diese Belastung massiv herausnehmen – schon ein­mal nur in Bezug auf Schulversuche.


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Wir schauen da sehr genau hin – ich nehme das sehr ernst, ich nehme das auch für mein Haus sehr ernst, das ist überhaupt keine Frage –, ich habe mir für das Jahr 2017 selbst auf die Agenda gesetzt, beim Thema Entbürokratisierung und Verwaltungsauf­wand an den Schulen wirklich hinzuschauen, was es braucht – es wird Dinge brau­chen, das ist überhaupt keine Frage – und was wir vielleicht auch einstellen können. Da muss man auch mit den Landesschulräten, mit den Behörden zusammenarbeiten, weil nicht alles an Anfragen und Nachfragen von uns kommt, sondern da kommt ja durchaus auch viel über die Landes- und Stadtschulräte.

Das heißt, wir müssen zusammenarbeiten und schauen, was man sich schenken kann und was zwingend notwendig ist. Diese Balance gilt es zu finden.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 3. Anfrage, das ist jene des Herrn Abge­ordneten Dr. Rosenkranz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Die Überwindung des differenzierten Schulsystems insbesondere durch die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ist Ihrerseits ja offensichtlich ein Anliegen. Jetzt sollen dafür Modellregionen eingeführt werden, wie es im Vortrag an den Ministerrat oder auch in anderen Papieren zu sehen ist, und da gibt es einen ganz konkreten Vorschlag, nämlich dass sogar die Bundesverfassung für diese Modellre­gionen geändert werden soll, dass in der Bundesverfassung ein eigener Buchstabe eingeführt werden soll, wodurch es dann zu einer allgemeinbildenden öffentlichen Pflicht­schule im Sekundarbereich kommt.

Die Bundesverfassung ist nach der Grundnorm eigentlich das Höchste in der Rechts­ordnung in unserem Staat, und sie ist nicht auf Modellregionen beschränkt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass da eine Gesetzesreform, eine Verfassungsreform gemacht wird, die es dann erlaubt, nicht nur in den Modellregionen eine derartige Schule zu ma­chen, was auch einige Elternvereine dazu bewogen hat, das nachzufragen.

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt die Frage formulieren.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Meine Frage lautet:

262/M

„Bedeuten die geplanten ‚allgemeinbildenden Pflichtschulen‘ als Bundesschulen, die pa­rallel zur NMS geführt werden sollen, das Aus der AHS-Unterstufe?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Nein, das bedeuten sie keineswegs. Sie haben ja selbst davon gesprochen, dass wir im Ministerratsvortrag vom 17. November 2015 Modellregionen für eine gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jäh­rigen beschlossen haben. Das Konzept dazu wird im Laufe des ersten Halbjahres 2017 ausgearbeitet, und es braucht dann natürlich eine rechtliche Absicherung, damit diese Modellregionen umgesetzt werden können.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Abgesehen davon, dass in dem Verfas­sungsentwurf von Modellregionen nichts zu lesen ist, sondern das allgemeine Gültig­keit hat, lautet meine Frage:

Gemäß dem Rechnungshof ist die AHS-Unterstufe die günstigste, gemäß diversen Tes­tungen auch die effizienteste Schulform. Warum soll das überhaupt geändert werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 19

Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Wir wissen aus di­versen internationalen und auch nationalen Studien – Nationaler Bildungsbericht, OECD-Studien et cetera –, dass viele Länder, die – weil PISA ein Thema war – sehr viel bes­ser abschneiden, durch Folgendes charakterisiert sind: Erstens sind sie schon lange autonom, zweitens sind die meisten Schulsysteme ganztägige Schulsysteme, und drit­tens sind es über weite Strecken – wenn nicht sogar durch die Bank – Gesamtschulen der 6- bis 14-Jährigen.

Das heißt, das Thema ist nicht einfach vom Tisch zu wischen, das bilde ich mir nicht ein, sondern es gibt wissenschaftlich fundierte Beweise, dass eine gemeinsame Schule viel leisten kann. Wir wollen das probieren, um zu testen, ob das auch in Österreich funktioniert und in welcher Form und welche Konzepte sich auch in Österreich bewäh­ren. Deshalb gibt es dieses Modellregionen-Thema, und das wollen wir so machen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Obernos­terer.

 


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Bundesministerin! Wir von der ÖVP bekennen uns ganz klar zum Gymnasium und damit auch zur AHS-Unterstufe. Im Gro­ßen und Ganzen gibt es diese flächendeckend in ganz Österreich – bis auf ein paar kleine, weiße Flecken; einer davon ist mein Heimatbezirk Hermagor, dort gibt es keine AHS-Unterstufe. Es gibt schon seit Jahren eine Bürgerinitiative zu diesem Thema, die­ses Anliegen wird auch hier im Hohen Haus behandelt. Es ist der einzige Bezirk in Kärnten, der keine AHS-Unterstufe hat. Es bräuchte keine Neubauten und keine Zu­bauten, also diese Kosten würden nicht anfallen.

Unsere Kinder müssen bis zu 100 Kilometer nach Villach auspendeln – und es pendeln immer mehr Kinder aus, um in die AHS-Unterstufe zu gehen – und kommen dann na­türlich nach der 4. Klasse nicht mehr zurück in die Oberstufe in ihrem Bezirk. Dieses Anliegen liegt hier im Haus. Ich würde Sie bitten, sich das noch einmal genau anzu­schauen, damit wir auch in unserem Bezirk Hermagor dieses Bildungsangebot abde­cken können und unsere Kinder nicht zu Pendlern werden.

 


Präsidentin Doris Bures: Ihre Frage, bitte!

 


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (fortsetzend): Kennen Sie das Anliegen des Be­zirks Hermagor bezüglich AHS-Unterstufe? Wann können wir in unserem Bezirk mit ei­ner Zusage rechnen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich kenne das An­liegen; ja, das ist mir bekannt. Ich würde Sie bitten, dieses Anliegen im Wege des Lan­desschulrates – dort gehört dieses Anliegen in der ersten Linie hin – einzureichen; dort wird es auch bewertet, und dann kommt es zu uns ins Haus. Diese Schritte sind so vorgesehen. Ich bitte Sie, diesen Weg auch einzuhalten. Wir werden uns das dann ge­meinsam anschauen. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Obernosterer: Es liegt aber schon hier im Haus!)

 


Präsidentin Doris Bures: Die 4. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Es stand ja heute schon eine ganze Reihe sehr spannender Themen auf dem Programm. Schade, dass wir diese nicht ausführlicher diskutieren können.

Ich muss mich dem schnöden Geld zuwenden. Die Budgetsituation im Bildungsminis­terium ist traditionell trist, Ihr Ministerium ist traditionell unterdotiert. Das war auch schon unter Ihren AmtsvorgängerInnen so. Wir steuern eigentlich in budgetärer Hinsicht auf ein Riesenproblem zu.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 20

Meine konkrete Frage an Sie:

260/M

„Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Fixkosten im Bildungsbereich zu de­cken, ohne bei der Qualität der Schulen und den Betreuungsverhältnissen der Schüle­rinnen und Schüler Abstriche machen zu müssen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Wir haben im Herbst 2016 einen großen Schritt gemacht, um dieses strukturelle Defizit ein Stück zu schließen. Das waren 300 Millionen € mehr, die ins normale Grundbudget für unseren Bereich geflossen sind. Es besteht jetzt in der Tat noch eine Lücke von in etwa 190 Mil­lionen €, das ist korrekt. Ich habe aber auch dazumal schon darauf hingewiesen – wir haben das ja schon öfter diskutiert –, dass wir gemeinsam mit dem Herrn Finanzminis­ter im Frühling darüber reden werden – auch auf Basis der Umsetzungsvorschläge aus dem Autonomiepaket, das will ja auch bewertet sein –, über diese Lücke zu diskutieren und sie zu schließen. Ich habe erst jetzt vor einigen Minuten wiederum mit dem Herrn Finanzminister darüber geredet. Wir werden uns jetzt an einen Tisch setzen, und da gibt es sehr viele positive Signale, dass wir das gemeinsam stemmen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei den Verhandlungen mit dem Herrn Finanzminister. Ich muss Sie aber trotzdem noch ein bisschen aufhalten und eine Nachfrage an Sie richten: Es sind exakt 191 Millionen €, zusätzlich planen Sie ein Autonomiepaket, zusätzlich soll es einen Chancen-Index ge­ben, zusätzlich ist von Digitalisierung die Rede. An den Schulen herrscht doch die gro­ße Befürchtung, dass das Ganze in ein weiteres Sparpaket mündet.

Gibt es von Ihrer Seite her Finanzierungsvorschläge? Ist von Ihrer Seite her daran ge­dacht, die vorhin erwähnten Projekte auch zu dotieren?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Wir müssen uns das Budget in der Zusammenschau gemeinsam ansehen. Wie gesagt, das wird jetzt zu diskutieren sein. Fakt ist, dass wir im Bildungsbudget mit den Gehältern für Pädago­ginnen und Pädagogen und den Mitteln für Schulbau und Miete bereits 95 Prozent quasi gebunden haben. Das heißt, Spielraum ist da wenig gegeben. Deshalb muss man auch Klartext reden, deshalb müssen wir uns auch gemeinsam hinsetzen, die Zusammen­schau machen und diese Lücke schließen.

Ich appelliere auch an Sie alle hier im Nationalrat, mich bei der Schließung dieser Lü­cke zu unterstützen. Es geht um unsere Kinder, es geht um die Zukunft unseres Lan­des, und ich glaube, wir müssen das gemeinsam angehen, dass diese Lücke geschlos­sen wird – keine Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur 5. Anfrage, das ist jene von Herrn Klubob­mann Dr. Strolz. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Frau Ministerin, Schule 4.0 ist ein wichtiger Punkt in diesem Regierungsupdate; das freut uns. Das wird natürlich in den Bereichen Infrastruktur, Hardware, Software und auch Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer eine erhebliche Kraftanstrengung bedeu­ten. Laut Ihren Angaben bei der Budgeterstellung fehlt heuer ein Betrag von 191 Mil­lionen €.


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Meine Frage:

259/M

„Welche Kosten werden die vorgestellten Pläne für die ‚Schule 4.0‘ insgesamt verursa­chen?“

Es interessiert mich dabei der Betrag pro Jahr.

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Damit Schule 4.0 gut gelingen kann, braucht es viele Komponenten. Da geht es um die Breitbandaus­stattung oder um die WLAN-Ausstattung unserer Schulen. Wir haben gerechnet und wissen, dass wir allein für eine durchgängige WLAN-Ausstattung in allen Klassenzim­mern in Summe 92,8 Millionen € brauchen – das sind allerdings Einmalkosten. Diesen Betrag gilt es aufzustellen.

Wir wissen auch, dass Endgeräte entsprechend zugekauft werden müssen. Es geht um Tablets, es geht um Laptops – das gilt es zu finanzieren. Es muss ein Finanzie­rungskonzept verfasst werden, das unterschiedlich ausschauen kann. Ich stelle mir da vor, dass wir mit der Industrie kooperieren. Eine Möglichkeit wäre auch, über die Bun­desbeschaffungsagentur auszuschreiben, weil wir natürlich, wenn wir diese Masse an Tablets und Laptops beschaffen wollen, ganz andere Preise bekommen. Da geht es auch um PPP-Modelle. – Es ist also vieles vorstellbar.

Wir werden für dieses Thema jetzt schon mit den angesprochenen Partnern Finanzie­rungsmöglichkeiten sondieren und bis zum Sommer dahin gehend auch ein Finanzie­rungskonzept vorlegen. Wir müssen ja auch die Pädagoginnen und Pädagogen ent­sprechend mit Laptops versorgen, damit sie gut unterrichten können.

Dann braucht es aber auch weitere Dinge, wenn es um Lehrpläne, wenn es um Kom­petenzen, um PädagogInnenaus- und -weiterbildung geht. Sie haben es richtig er­wähnt: Wir nehmen jetzt aktuell 2,4 Millionen € in die Hand, um das Thema verbindli­che Übung Digitale Grundbildung und Lernplattformen zu finanzieren und die Virtuelle Pädagogische Hochschule zu stärken, weil diese ein großes Angebot für Weiterbildung hat. Übermorgen eröffnen wir das Bundes- und Koordinationszentrum eEducation Austria.

2,2 Millionen € investiert dann noch das Staatssekretariat für Mobile-Learning-Projekte. Da geht es um die Volksschulen, darum, die Volksschulen entsprechend auszustatten und auch ein Portal für Open Educational Resources, programmierte Lernmaterialien zu schaffen. Da ist viel da, diesen Schatz sollten wir nutzen, und den wollen wir in die­ser Lernplattform zusammenführen. Wir haben für die Breitbandoffensive gemeinsam mit dem BMVIT noch im Februar eine Pressekonferenz. Auch in diesem Bereich wollen wir 9 Millionen € investieren, um vor allem auch die Pflichtschulen näher an die Digita­lisierung zu bringen. – Das ist also ein umfassendes Paket. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Das geht ja alles in die richtige Rich­tung, dennoch sind viele Fragen offen. Wie, Frau Ministerin, gedenken Sie, die Opposi­tion beim Thema Schule 4.0 und den anderen Themen einzubinden? Wir müssen ja bei den Paketen, die Sie ins Parlament bringen, dann auch zu einer Meinungsbildung kommen.

Wie wollen Sie die Oppositionsfraktionen in den nächsten Monaten einbinden?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Bei der Umsetzung von Schule 4.0 jederzeit gerne! Ich suche ja auch immer wieder den Kontakt mit Ihnen,


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das wissen Sie, und mit den anderen Oppositionsparteien, um dieses Thema – und auch alle anderen Themen – intensiv zu besprechen. Mir ist es ein Anliegen, da, wo möglich, eine gemeinsame Sicht der Lage zu bekommen – sehr gerne, mache ich gerne!

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Himmel­bauer.

 


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Ministerin, Sie haben es schon angesprochen: Auch das neue Regierungsübereinkommen sieht vor, ab 2017 zu beginnen, die SchülerInnen in der fünften und neunten Schulstufe mit digitalen elektro­nischen Endgeräten auszustatten. Das kommt auch unserem Entschließungsantrag, den wir im Dezember hier im Nationalrat beschlossen haben, nahe, der fordert, die digitale Kompetenz in der Schulausbildung zu stärken. Das kostet natürlich Geld; Sie haben die Zahlen schon angesprochen.

Können Sie ausschließen, dass den Eltern oder auch den Gemeinden als Schulerhal­ter dadurch zusätzliche Kosten entstehen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich habe gerade zu skizzieren versucht, dass wir uns bemühen, diese Pakete finanziell zu stemmen. Wir werden wirklich darauf schauen, dass wir mit unterschiedlichen Partnern Finanzie­rungsmöglichkeiten finden, die nicht zulasten der Eltern, der Schulen oder der Ge­meinden gehen; das ist auch klar, gerade wenn es um WLAN und Endgeräte geht.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Hau­ser.

 


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Wir wissen, es gibt unglaublich viele Probleme im Bereich Schule, obwohl alleine der Bund 8,6 Mil­liarden € in die Schulsysteme investiert. Wir wissen, die letzten PISA-Ergebnisse waren ein Desaster; ein Drittel unserer Schüler kann nicht sinnerfassend lesen und hat Defizite beim Schreiben und Rechnen.

Das Grundprinzip der Neuen Mittelschule war es ja, dass in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik auch Gymnasiallehrer unterrichten. Das hat nicht funktioniert, weil zu wenige Lehrer zur Verfügung gestanden sind. Nun soll ab kommendem Schul­jahr mit Digitaler Grundbildung in der fünften Schulstufe und in der neunten Schulstufe begonnen werden.

Können Sie sicherstellen, dass dafür genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Das wird ein Stu­fenprozess sein müssen. Wir haben schon jetzt 560 eEducation-Expert-Schulen, da­runter auch viele Neue Mittelschulen, wohlgemerkt, an denen das wirklich gut funktio­niert. Uns schwebt ein Peer-to-Peer-Learning-System vor, in dem Pädagoginnen und Pädagogen voneinander lernen, um diese digitalen Kompetenzen und auch Lernmate­rialien, das Wissen, wie diese zu erstellen sind, weiterzugeben.

Ich war selbst bei der Pressekonferenz an einer Neuen Mittelschule in der Koppstraße und habe gesehen, was dort alles geleistet wird. Da ist die Initiative von einem einzel­nen Pädagogen ausgegangen, der sich auskannte und seine Kollegen damit ange­steckt hat. Diese haben sich dem gerne gestellt, haben diese Kompetenzen erlernt, und die Schule läuft. Digitale Kompetenzen sind in allen Fächern als Unterrichtsprinzip implementiert – quer drüber –, und man kann sich dort live anschauen, was gelingen kann.


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Das heißt, wir müssen – ich bin schon bei Ihnen – danach trachten, dass wir alle Grund­kompetenzen stärken, das ist überhaupt keine Frage; aber digitale Bildung ist für mich eine Grundkompetenz, denn wir wissen, dass wir diese digitalen Kompetenzen in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt wie einen Bissen Brot brauchen, und zwar schnell. (Bei­fall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, das ist jene von Herrn Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Minister! In der Bildungspolitik gibt es ja kein gemeinsames Ziel, es gibt nur unterschiedliche Interessenlagen: Man hat heute hier von der ÖVP gehört, dass es unterschiedliche Standpunkte gibt, die Ge­werkschaft ist gegen das Autonomiepaket und kocht auch ihr eigenes Süppchen, die Landeshäuptlinge haben ihre Interessen und stehen der Sache entgegen. Es gibt also ganz, ganz viele verschiedene Interessenlagen, das heißt, ein Gezerre an der Bildungs­politik, aber kein gemeinsamer Weg.

Sie wissen das natürlich und haben wahrscheinlich deshalb im Ausschuss gesagt, dass Sie sich für die nächsten zehn Jahre vornehmen, die Zahl jener, die nicht genü­gend lesen und schreiben können, auf 15 Prozent zu reduzieren – ein Ziel, das nicht ausreichend ist. Das ist wahrscheinlich dem geschuldet, dass es in Österreich keine gemeinsame Linie gibt, dass jeder gegen jeden arbeitet und deshalb nicht viel weiter­geht.

Deshalb meine konkrete Frage:

264/M

„Warum glauben Sie, dass nach dem gefühlten 100. Neustart die Zusammenarbeit“ – mit diesen Akteuren – „besser werden wird?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich sehe das ganz anders. Wir haben mit dem Plan für Österreich ein gemeinsames Konzept entwickelt, ein Maßnahmenkonzept mit ganz klaren Umsetzungszeitplänen. Wir haben uns alle da­zu committet, alle Ministerinnen und Minister haben dieses Paket unterschrieben, und gerade im Bildungsbereich gibt es viel Übereinstimmung mit dem Koalitionspartner.

Dass unsere Schulpartner, dass die Gewerkschaften Fragen haben, wenn wir ein so umfassendes Paket wie das Autonomiepaket diskutieren, das die Schule wirklich in ei­ne neue Dimension, in ein neues Zeitalter führt, ist legitim – das ist keine Frage. Diese Fragen arbeiten wir gemeinsam ab. Erst gestern bin ich mit den Vertretern der Ge­werkschaften zusammengesessen, um diese Fragen zu klären – es war ein durchaus positives Gespräch –, und auch mit den Ländervertretern laufen die Verhandlungen in­tensiv. Ich bin aber total davon überzeugt, dass wir ein gutes Paket schnüren werden und dass wir das auch rasch flächendeckend rausbringen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Auch Ihre Amtsvorgängerinnen
und -vorgänger haben sich ja bemüht, sind aber immer wieder an den gleichen Pro­blemen gescheitert: Länder und Gewerkschaften. Ich sehe da keine Bewegung, auch wenn Sie Gespräche führen; das haben auch Ihre Vorgänger getan.

Die Minister der anderen Partei haben unterschrieben – okay –, aber, wie gesagt, die Gewerkschaften haben nicht unterschrieben, und vor allem die Länder haben nicht un­terschrieben. Wir wissen ja, Niederösterreich stemmt sich auch gegen Ihre Vorhaben.


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Was konkret haben Sie besprochen, um so zuversichtlich in die Zukunft gehen zu kön­nen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Gespräche sind Teil dieses Pakets. Wir müssen den Diskurs suchen und diese Fragen gemeinschaftlich dis­kutieren und ausräumen – und so leicht lasse ich mich nicht entmutigen oder von mei­nem Weg abbringen. Ich bin wirklich guten Mutes – lassen Sie sich in den nächsten Wo­chen überraschen! –, dass wir dieses Autonomiepaket durch den Ministerrat bringen, dann in die Begutachtung und dann hier ins Parlament; davon bin ich überzeugt. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur 7. Anfrage, das ist jene der Frau Abgeordneten Kucharowits. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Schönen guten Mor­gen, Frau Ministerin! Die Digitalisierung ist in aller Munde. Wir sind in Wirklichkeit mit­ten im Zeitalter der Digitalisierung, im digitalen Zeitalter, und es geht nicht darum, was man künftig machen soll, sondern es geht um das Jetzt! Kinder wachsen eigentlich nicht nur mit den neuen Medien auf, sondern sie lernen den Umgang damit wie das Zäh­neputzen.

Kollegin Himmelbauer hat es bereits angesprochen: Wir haben im Dezember einen Ent­schließungsantrag zu dieser Thematik eingebracht. Es geht aber um viel mehr, nämlich nicht nur um den Umgang, sondern vor allem auch ums Fitmachen für digitale Jobs, das wurde auch von Ihnen schon angesprochen.

Deshalb meine Frage:

Welche konkreten Pläne haben Sie, um Kinder sozusagen über den Lehrplan und über die Schule fit zu machen, was das Thema Digitalisierung anbelangt?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 257/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Pläne haben Sie im Bereich Digitalisierung?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Vielen Dank für diese Frage! Ja, digitale Bildung, Grundbildung, digitale Fähigkeiten, Fertigkeiten halte ich wirklich für einen Schlüssel, um Kinder und Jugendliche für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.

Dieses Thema hat viele Facetten: Zum einen müssen wir die entsprechende Infrastruk­tur, über die wir heute schon diskutiert haben, bereitstellen, damit die Schülerinnen und Schüler und die Pädagoginnen und Pädagogen arbeiten können. – Das ist der eine Teil.

Der zweite Teil ist aber, Pädagoginnen und Pädagogen auch auszubilden, weiterzubil­den, denn viele von ihnen sind ja schon länger an den Schulen, in den Klassen, sind keine Digital Natives. Das heißt, man muss ihnen diese Kompetenzen vermitteln, damit sie gut unterrichten können. Wir haben bereits entsprechende Lehrgänge entwickelt, die wir ab Herbst anbieten; an der Virtuellen PH gibt es jetzt schon Lehrgänge dazu. – Dieses Aufrüsten, dieses Stärken der digitalen Kompetenzen der Pädagoginnen und Pä­dagogen ist ein ganz wichtiges Thema.


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Der dritte Punkt ist, dass wir den SchülerInnen und Jugendlichen auch mitgeben, wie sie mit Inhalten umgehen, wie sie mit sozialen Medien umgehen, wie sie Inhalt eben auch kritisch reflektieren, wie sie hinterfragen können, um Themen wie Cybermobbing, Hasspostings und Fake News, die in letzter Zeit aktuell waren, besser einschätzen zu können. Das heißt, auch dieses Einschätzen, diese medialen Kompetenzen, diese ethisch reflektierenden Kompetenzen müssen wir ihnen vermitteln. Wir haben das in den Lehrplänen festgeschrieben, und wir haben ja in den unterschiedlichen Schulstu­fen jetzt auch Kompetenzlevels eingerichtet, die absichern, dass das gemacht wird.

Daneben werden wir versuchen, auch im Bereich Technologie Kompetenzen zu vermit­teln. Coding zum Beispiel kann man schon sehr früh auch spielerisch vermitteln. Tech­nologie, Hardware, Software sind Komponenten, die wir in den Lehrplänen und in un­seren Plänen bereits verankert haben. Das muss jetzt ab Herbst stufenweise und flä­chendeckend ausgerollt werden und ist dann hoffentlich bis 2020/2021 überall Realität. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Es wurde schon viel über die Infrastruk­tur gesprochen, und dazu meine Frage an Sie: Wie ist der Stand der Dinge im Moment, was die notwendige Infrastruktur an Schulen anbelangt? Und: In welcher Form wird sich der Zeitplan sozusagen gestalten, was das In-die-Fläche-Kommen anbelangt?

Es geht ja nicht nur um den städtischen Bereich, sondern wir wollen das auch im länd­lichen Raum gewährleisten. Wie gestaltet sich das zeitlich?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Wir haben in Vorbe­reitung zur Frage, welche Infrastruktur es braucht, eine Umfrage an allen Schulen – an Österreichs Pflichtschulen genauso wie an Bundesschulen – gemacht, um einen Stand zu bekommen.

Bei den Bundesschulen, vor allem an den Berufsbildenden Höheren Schulen, sehen wir genau, dass wir sehr gut ausgestattet sind. Es ist in 96 Prozent aller Klassenräume ein Zugang zum Internet vorhanden, und WLAN gibt es in den Bundesschulen in 50 Pro­zent aller Klassenräume.

Ein anderes Bild sehen wir allerdings bei den Pflichtschulen: Da liegen wir bei 31 Pro­zent WLAN-Ausstattung in den Klassenräumen und bei 78 Prozent Internet-Zugang. Daran sieht man, dass da einiges nachzuholen ist. Wir haben uns zum Ziel gesetzt – und das ist ja auch im Plan für Österreich festgehalten –, dass wir es bis 2020/2021 schaffen wollen, alle Schulen Österreichs mit WLAN auszustatten. Die Laptop-Ausstat­tung erfolgt parallel dazu, denn wenn kein WLAN in der Klasse vorhanden ist, braucht man auch keine Laptops. Daher werden wir das zeitgleich ausrollen und hoffen, dass wir 2020/2021 wirklich so weit sind, dass wir alle notwendigen Infrastruktureinrichtungen haben, damit flächendeckend gearbeitet werden kann.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, jener des Herrn Abgeord­neten El Habbassi. – Bitte.

 


Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Schönen guten Morgen! Die Bundesverfassung, konkret der Artikel 14 Abs. 5a, formuliert einen sehr klaren Bildungsauftrag. Ich darf daraus zitieren:

„Im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientier­ten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die befähigt sind, an den


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sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen. Jeder Jugend­liche soll seiner Entwicklung und seinem Bildungsweg entsprechend zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt werden, dem politischen, religiösen und welt­anschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sein sowie befähigt werden, am Kultur- und Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teilzunehmen […].“

Daher meine Frage an Sie:

254/M

„Was unternehmen Sie, damit Kinder, die an keinem konfessionellen Religionsunter­richt teilnehmen, dennoch eine Wertevermittlung unserer Gesellschaft erhalten?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich darf auch einen Pa­ragrafen zitieren, nämlich § 2 Schulorganisationsgesetz:

„Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Ju­gend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungs­weg entsprechenden Unterricht mitzuwirken.“

Das ist bereits jetzt Gesetz, eigentlich schon lange Gesetz.

Wir haben an den Volksschulen Wertevermittlung, nämlich die Vermittlung von demo­kratischen Grundwerten und die Vermittlung von Kinderrechten im Sachunterricht, in den Lehrplänen implementiert. Wir haben bei der Sekundarstufe I ganz besonderes Au­genmerk darauf gelegt, dass Werteerziehung auch im Fach Politische Bildung eingear­beitet wird.

Wir haben mittlerweile Politische Bildung ab der 6. Schulstufe flächendeckend imple­mentiert. Es sind Module geschaffen worden, um genau diese Wertevermittlung in den Mittelpunkt zu stellen. Bei der Sekundarstufe II sind es Fächer wie Philosophie und Wirtschaftsethik, aber auch Geschichte und Politische Bildung, in welchen diese Wer­tevermittlung geschehen kann und vor allem geschehen soll.

Hinzu kommt, dass Schulen jetzt schon autonom befähigt sind, Schwerpunkte zu set­zen. Es gibt Schulen, die auf den Ethikunterricht einen Schwerpunkt gelegt und diesen in ihr Unterrichtskonzept mit zusätzlichen Stunden implementiert haben. Abgesehen da­von ist es im Deutschunterricht, aber auch in anderen Fächern möglich, Werte zu ver­mitteln. Das halte ich für ganz wichtig.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Da möchte ich konkretisieren: Ist ange­dacht, im Regelschulwesen den Ethikunterricht für all jene, die den Religionsunterricht besuchen, einzuführen? Und wenn ja, sind Sie bezüglich dieser wichtigen Frage auch mit den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften im Austausch?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ethikunterricht für alle ist immer wieder Thema einer Diskussion; das ist keine Frage. Ich bin diesbezüg­lich auch im Austausch mit den Religionsgemeinschaften. Ich habe auch mit Kardinal Schönborn vor nicht allzu langer Zeit darüber diskutiert. Es ging dabei auch darum, ei­nen interkonfessionellen Unterricht zu gestalten. Ein Konzept, was das sein könnte, be­findet sich in Erarbeitung, wo darüber nachgedacht wird, wie man dieses Thema ange­hen könnte.


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Fakt ist – und das verschweige ich nicht –, dass der Ethikunterricht als eigenes Unter­richtsfach 54 Millionen € pro Jahr kosten würde. Das ist eine Herausforderung, das ist klar, aber wir befinden uns in Diskussion darüber.

 


Präsidentin Doris Bures: Eine weitere Zusatzfrage kommt von Herrn Abgeordnetem Dr. Walser. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Ministerin! Wäre es da nicht sinnvol­ler, wenn wir angesichts der zunehmenden Diversität in den Klassen – da sind Schüle­rinnen und Schüler, die katholisch, evangelisch oder islamisch sind, und auch solche, die kein Religionsbekenntnis haben – und in Anbetracht dessen, dass Kinder mit Wer­ten erzogen werden sollen, über Werte diskutieren sollen, überhaupt in Richtung eines gemeinsamen Ethik- und Religionenunterrichts gehen würden, und zwar durchaus nicht gegen die Religionsgemeinschaften gerichtet?

Ich erinnere daran, dass etwa Professor Bucher von der Universität Salzburg, der für die Ausbildung der katholischen Religionslehrer verantwortlich ist, einem gemeinsamen Religionsunterricht durchaus etwas abgewinnen kann. Wie stehen Sie dazu?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich habe es vorhin schon anklingen lassen, dass die Diskussion zu diesem Thema schon eröffnet ist, dass sich auch Vertreter der Religionsgemeinschaften mit diesem Thema auseinanderset­zen, aber das ist ein Prozess, sage ich jetzt einmal. Ich glaube, wir müssen uns ge­meinsam anschauen, was das dann heißt, und in der Folge auch Entscheidungen tref­fen. Es wäre aber jetzt schlichtweg zu früh, Genaueres dazu zu sagen, doch die Dis­kussion darüber gibt es.

Wir wissen, dass an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien auch die Reli­gionslehrerausbildung für den Islam stattfindet. Also die Religionsgemeinschaften rü­cken schon zusammen, wenn es um Religionsunterricht in den Schulen geht. Das heißt, das Interkonfessionelle, Interkulturelle kommt immer stärker in den Mittelpunkt.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 9. Anfrage, jener des Herrn Abgeord­neten Mölzer. – Bitte.

 


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Frau Minis­ter! Frau Minister, Sie planen mit sogenannten Schulclustern – also Zusammenschlüs­sen von zwei bis acht Schulen; maximal acht Schulen, glaube ich – die Verwaltung von Schulen zu vereinfachen. Es soll dann ein sogenannter Clusterleiter eingesetzt werden. Es geht darum, kleinere Schulen und auch Kleinstschulen besser verwalten zu kön­nen.

Da gibt es jetzt aber einige Unkenrufer, die befürchten, dass dadurch die Verwaltung nicht effizienter gemacht wird, sondern in Wirklichkeit sozusagen durch die Hintertüre Einsparungen kommen.

Daher meine Frage:

263/M

„Welche Einsparungen erwarten Sie durch die Schaffung eines neuen Postens, den ‚Clustermanager‘ samt Verwaltungseinheit, und der daraus resultierenden Degradie­rung der jetzigen Direktoren zu Bereichsleitern?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Es kommen da­durch keine Einsparungen; es ist kein Sparpaket. Fakt ist, dass wir, wenn wir Cluster bilden, die Administration und Verwaltung beim Clusterleiter bündeln wollen. So wer-


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den die einzelnen Schulstandorte von der Verwaltung entlastet. Pädagoginnen und Pä­dagogen können wieder das tun – aber das haben wir heute schon besprochen –, was sie gut können, nämlich unterrichten. Noch einmal: Wir wollen die Verwaltung in den Schulen stärker bündeln – Stichwort Entbürokratisierung, die ich heute schon erwähnt habe.

Das heißt, durch die Clusterstruktur, durch die Zusammenführung der Ressourcen fal­len bei den Schulstandortleitern dann die Einrechnungen weg, die sie jetzt als Direk­torinnen und Direktoren haben. Wenn wir diese Einrechnungen hernehmen und zu­sammenrechnen und modellieren, was das sein könnte, was da herauskommt, dann sehen wir, dass wir 700 bis 1 000 Vollbeschäftigungsäquivalente zur Verfügung haben könnten. Die werden an den Schulstandorten verbleiben, und die Cluster können sich überlegen, was sie brauchen: Ist es Verwaltungspersonal oder ist es etwas anderes?, aber es bleibt in der Hoheitsverwaltung des Schulstandortes und man soll besser ge­stalten können. – Und wenn es Verwaltung ist, ist es eben Verwaltung.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Das wäre ja durchaus sehr erfreulich und wür­de, glaube ich, absolut positive Effekte bringen.

Ich habe vorhin schon den Bereich der Klein- und Kleinstschulen erwähnt, die im länd­lichen Raum in ganz Österreich ein Thema sind – Stichwort Kärnten, wo schon mehre­re solcher Schulen geschlossen worden sind; in der Steiermark, glaube ich, ebenso.

Meine Frage: Wie viele kleinere Schulen kann man, meinen Sie, retten beziehungs­weise wie viele derartige Schulstandorte kann man erhalten?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: 77 Prozent der Pflicht­schulen sind Schulen, die weniger als 200 Schülerinnen und Schüler haben. Das heißt, dieses Clusterkonzept ist wirklich dazu da, um Kleinstschulen bewahren zu können, erhalten zu können: durch den Zusammenschluss, durch eine gemeinsame Ressour­cennutzung, durch eine gemeinsame Infrastrukturnutzung, aber vor allem auch, um mit den pädagogischen Ressourcen anders umgehen zu können, zielgerichteter umgehen zu können.

Was heißt das? – Eine ganz kleine Schule hat oft einen Lehrer, der völlig alleinge­lassen ist. Der kann sich mit Kolleginnen und Kollegen pädagogisch nicht austauschen und hat wenige Kontaktmöglichkeiten.

Im Cluster schaut es anders aus: Da sind Kolleginnen und Kollegen da, da kann es Feedback geben, da kann man das unterrichten, wofür man ausgebildet worden ist, näm­lich nicht ein fremdes Fach, sondern das Fach, das man studiert hat. Das ist deshalb möglich, weil es an diesen Clustern einen größeren Personalpool gibt. Das heißt, da ist eine ganz andere Gestaltung möglich, und davon erwarte ich mir wirklich viel.

 


Präsidentin Doris Bures: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Gusen­bauer-Jäger. – Bitte.

 


Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nister! Cluster und Clustermanager sind Begriffe, die im Schulbereich neu sind, und al­les, was neu ist, bringt Verunsicherung. Auch mein Vorredner hat das zum Ausdruck ge­bracht.

Meine Frage: Was sind die konkreten Vorteile der Verwaltung von Schulen in Clustern?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ganz kurz noch einmal zusammenfassend: Wir wollen mit den Clusterverbünden die Verwaltung bün-


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deln. Die Verwaltung muss beim Clusterleiter/bei der Clusterleiterin sein und soll dort zusammengezogen werden. Das heißt, die einzelnen Schulstandorte werden von der Verwaltung völlig entlastet. Das ist das Thema!

Wir können die Ressourcen – so habe ich das darzustellen versucht – und die Einrech­nungen, die sich dadurch ergeben, dafür heranziehen, den Cluster besser auszustat­ten, weil die Ressourcen vor Ort bleiben, aber der Cluster entlang seiner Bedürfnisse und Herausforderungen einfach besser gestalten kann. Effizienz spielt da auch eine Rolle.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 10. Anfrage, jener der Frau Abgeord­neten Maurer. – Bitte.

 


Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie haben die Ein­führung der Digitalen Grundbildung unter anderem mit Dingen wie Hasspostings, Cyber­mobbing, Fake News, mit all den Problemen, die wir derzeit diskutieren, argumentiert. Wir wissen, Schülerinnen und Schüler können alle sozusagen über den Bildschirm wischen – das braucht nicht mehr gelernt zu werden –, aber Sie haben vorhin erklärt, Coding und so weiter soll gelernt werden. Nur: Hasspostings und Fake News erfordern andere Kompetenzen, nämlich die Fähigkeit, Medien auch beurteilen zu können, was die Quelle betrifft.

Daher meine Frage:

261/M

„Wie werden Sie konkret sicherstellen, dass Politische Bildung und Medienkompetenz im Zuge der ‚Digitalen Grundbildung‘ nicht zu einem nebensächlichen Anhang von tech­nologischer Kompetenzvermittlung werden?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Mir ist es ein Anlie­gen, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen mit Medienkompetenzen und jenen Grundkenntnissen ausstatten, dass sie wirklich kritisch hinterfragen können, womit sie es im Internet zu tun haben, dass sie wirklich wissen, wie sie mit sozialen Medien um­gehen sollen, dass sie wirklich bewerten können, wie die Inhalte, die breit, und zwar aus allen Ecken und Enden, hereinkommen, zu bewerten sind, und dass sie beurteilen können, ob sie wahr oder falsch sind.

Diese Grundkompetenzen müssen wir ihnen mitgeben. Die haben wir in den Kompe­tenzlisten – ganz klar auf den einzelnen Stufen – und auch in den Lehrplänen veran­kert. Das darf nicht zum Anhängsel werden, da gebe ich Ihnen völlig recht, deshalb auch deren Verankerung.

Beispielsweise finden in der 8. Schulstufe mit unseren digitalen Kompetenztools Abprü­fungen statt. Da ist das Modul IKT, Mensch und Gesellschaft ein ganz großes Modul, wo genau diese Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinterfragt und abgetestet werden. Dadurch findet das auch Eingang in die Lehrpläne und muss auch in den Schulen entsprechend gut bearbeitet werden. Das ist in vielen Fächern möglich. Das geht in Deutsch genauso wie in Geschichte und in anderen Fächern. Dafür kann es auch ein eigenes Unterrichtsfach geben, denn wir haben ja gesagt, wir machen in der Sekundarstufe eine verbindliche Übung mit zwei bis vier Wochenstunden. Und die Schulen sollen entscheiden, wie sie dieses Thema angehen: Das kann als Unterrichts­prinzip oder als eigenes Unterrichtsfach gestaltet sein; das kann an den Schulstandor­ten autonom entschieden werden.

Aber ich bin ganz Ihrer Meinung: Wir müssen darauf schauen, dass unsere Kinder und Jugendlichen so qualifiziert sind, dass sie mit diesen Themen gut umgehen können


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und dass sie die Inhalte, die sie aus dem Internet und von anderen Medien bekommen, ethisch reflektieren können

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Wir beobachten zunehmend Aktivitäten von Ver­treterInnen der Bertelsmann Stiftung in Österreich und auch einen regen Austausch mit der Politik. Bei der Ankündigung, Schulklassen mit Tablets und Computern auszustat­ten und Digitale Grundbildung einzuführen beziehungsweise die Digitalisierung der Bil­dung zu forcieren, stellt sich auch die Frage, wie das vonstattengehen wird und wer davon wirtschaftlich profitiert. Bertelsmann ist der größte Anbieter, eigentlich fast ein Mo­nopolist, in diesem Bereich.

Wie werden Sie sicherstellen, dass sich Österreich nicht von diesem Monopolisten Ber­telsmann Stiftung abhängig macht?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Wir haben jetzt schon einen wirklich großen Pool an Lernmaterialien, die viele Pädagoginnen und Pä­dagogen wahrscheinlich im Wesentlichen in ihrer Freizeit zusammengestellt und entwi­ckelt haben und die sich sehr gut bewähren. Deshalb wollen wir auch ein Portal ma­chen, wo wir diese Lernmaterialien zusammenfassen und den Pädagoginnen und Pä­dagogen zur Verfügung stellen.

Wir diskutieren auch mit den einzelnen Verlagen, denn „E-Book Plus“ ist ja auch ein Thema für uns, um Lernmaterialien beziehungsweise Schulbücher digital zu bekom­men, die sehr interaktiv sind und die auch besser angenommen werden und für Päda­goginnen und Pädagogen besser gestaltbar sind.

Wir werden beim Infrastrukturthema versuchen – das habe ich auch schon erwähnt –, ein Finanzierungskonzept zu erstellen, und werden auch unterschiedliche Finanzie­rungsmöglichkeiten ausloten, und zwar PPP-Modelle genauso wie Kooperationen mit der Industrie. Wir werden da sehr genau hinschauen, keine Frage.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 11. Anfrage, jener des Herrn Abge­ordneten Mayer. – Bitte.

 


Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Guten Morgen, Frau Präsidentin und Frau Minis­terin! Ich komme zu einem weiteren sensiblen Thema, wie ich meine. Ich kann mich erinnern, dass ich mich bereits als junger Volksschullehrer maßlos geärgert habe, als segregiert wurde, als Kinder mit Legasthenie oder mit Dyskalkulie, wie sich später he­rausgestellt hat, einfach in Sonderschulen im wahrsten Sinne des Wortes abgescho­ben wurden.

Es war eine wichtige Errungenschaft, dass man über die Jahre hinweg im Bereich In­tegration zumindest erreichen konnte, dass Schüler, die einseitige Schwächen und Ähn­liches aufweisen, selbstverständlich ins Regelschulwesen integriert werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention erinnert uns daran und fordert von uns Inklusion, das heißt, eine gemeinsame Erziehung von Menschen mit Behinderung und solchen ohne Behinderung, weil die gemeinsame Erziehung auch große Vorteile für die sogenannten gesunden Kinder hat.

Es ist wichtig, dass man diesen Schritt setzt und schaut, wo das möglich ist. Es gibt ja Modellregionen in Tirol, in Kärnten und in der Steiermark; dort hat man Modellversuche gestartet.

Meine Frage ist: Wie geht es weiter, wenn diese Modellversuche 2020 auslaufen, und was kann man erwarten, wenn der Modellversuch Inklusion abgeschlossen ist?

*****


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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 258/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was passiert nach Ablauf des Pilotprojekts ‚Inklusive Modellregionen‘ in Tirol, Kärnten und der Steiermark nach 2020?“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Sie haben soeben die UN-Behindertenrechtskonvention erwähnt. Wir haben uns dazu bekannt, diese um­zusetzen. Wir haben schon vor längerer Zeit Modellregionen geschaffen, und zwar in Tirol, in Kärnten und in der Steiermark, und diese arbeiten auch. Dabei geht es darum, genau in solchen Regionen auszuprobieren, welche Schulen, welche Unterrichtsmo­delle gut funktionieren. Genau daraus will man ja lernen. Diese Modelle werden wis­senschaftlich begleitet, werden auch immer wieder evaluiert, um zu schauen: Was be­währt sich, und was bewährt sich weniger?, um für Österreich, für ein österreichisches System zu lernen.

Ich war vor Kurzem in Südtirol und habe mir dort eine seit 40 Jahren gelebte Inklusion ansehen können. Dort gibt es keine Sonderschulen mehr, sondern alle Kinder sind in inklusiven Schulen untergebracht, werden in inklusiven Schulen beschult. Es ist wirk­lich sehr eindrucksvoll, wie das dort gelebt wird und wie diese Kinder dann plötzlich Teil der Gesellschaft sind und in der Gesellschaft auch ganz anders aufgenommen werden. Davon können wir viel lernen.

Wir werden immer wieder, wie ich schon erwähnt habe, begleitend evaluieren und hin­schauen, um im Jahre 2020 eine Faktenlage zu haben: Was hat sich bewährt, was hat sich weniger bewährt, und wie kann man dann ein Modell auf ganz Österreich ausrol­len?

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Ich finde die Möglichkeit, das in Modellregionen aus­zuprobieren, gut. Den Fehler, dies nicht zu tun, hat man ja jetzt bei der Neuen Mittel­schule zum Teil gemacht, das muss man ganz offen eingestehen, aber es ist positiv, dass man das jetzt versucht und dann das Ideal miteinbindet.

Meine Frage: Welche Ressourcen stehen dann für die Inklusion zur Verfügung?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich kann Ihnen die Ressourcen nennen, die wir zurzeit im System haben.

Für die Beschulung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind im Schul­jahr 2016/17 6 506 Planstellen vorgesehen; das sind 10,6 Prozent aller genehmigten Planstellen in den Pflichtschulen. Davon profitieren jetzt 30 700 Schülerinnen und Schü­ler. Ein Gutteil davon, in etwa 17 000, werden in inklusiven Schulen unterrichtet und 13 000 Kinder in Sonderpädagogischen Zentren.

Das sind die Ressourcen jetzt, aber diese Modellregionen, wie gesagt, sind genau da­für da, um zu lernen, um dann auch hinzuschauen, wie viele Ressourcen es braucht, wie wir damit umgehen und wie wir diese Ressourcen auch bereitstellen können.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mölzer.

 


Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Wir wissen, dass es auch zahlreiche Eltern von vor allem schwer beeinträchtigten oder schwer be­hinderten Kindern gibt, die keine große Freude mit diesem Modell der Inklusion haben


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und daher Wahlfreiheit einerseits einfordern, wenn sie unter Umständen – wie etwa in Kärnten – schon verloren gegangen oder fast verloren gegangen ist, und andererseits die Beibehaltung der Wahlfreiheit für ihre Kinder für die Zukunft einfordern.

Meine Frage: Wie soll diese Wahlfreiheit nicht nur über 2020 hinaus, sondern auch jetzt schon gewährleistet werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Ich nehme diese Sor­gen der Eltern sehr ernst. Wir haben dasselbe Ziel, nämlich das Beste für die Schüle­rinnen und Schüler, das ist überhaupt keine Frage – deshalb ja auch Modellregionen: um zu testen, was sich bewährt, was sich weniger gut bewährt, um dann ein Modell zu finden, das sich über weite Strecken über Österreich ausrollen lässt. Es wäre schon das Ziel, dass wir das flächendeckend einführen und die Sonderpädagogischen Zen­tren die Ausnahme sind. Das ist der Weg.

Man muss das gut angehen, man muss das hochqualitativ angehen, man muss die Ängste der Eltern ernst nehmen.

Aber noch einmal: Ich war in Südtirol, ich habe mit den Eltern gesprochen, ich habe mit den Betroffenen gesprochen, und dort gab es unisono ein wirkliches Commitment zur Inklusion als die beste Wahl, aber es müssen die Ressourcen da sein, es muss gut gestaltet sein, und es muss auch die räumlichen Infrastruktur passen.

Ich war auch – ich glaube, es war erst vorige Woche – in einer Volksschule in Inns­bruck, und an dieser Schule werden auch schwerstbehinderte Kinder inklusiv mitbe­schult und betreut. Es war sehr beeindruckend, was dort gelingt. Tirol verwendet die Strukturmittel, die es im Rahmen des Finanzausgleichs auch für Bildung bekommt, um genau dieses Unterstützungspersonal zusätzlich dort hineinzustellen, und dann geht es schon – dann geht es sogar qualitativ sehr gut. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Jarmer.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 12. Anfrage, die von Herrn Abgeord­netem Dr. Töchterle gestellt wird. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministra! Sie haben heute am Anfang schon von der tertiärisierten Lehrerbildung gesprochen. Es gibt vom Wissenschaftsrat die Empfehlung, die Pädagogischen Hochschulen hoch­schulförmiger zu machen. Sie haben angekündigt, ihnen mehr Autonomie zu geben – plausibel als ehemalige Rektorin, die die Segnungen der Autonomie selbst erlebt und auch ausgenützt hat.

Daher meine Frage:

255/M

„Wie weit sind Ihre konkreten Planungen, sowohl inhaltlicher wie zeitlicher Natur, ge­diehen, um den Pädagogischen Hochschulen jene Autonomie zu verleihen, die zur Er­füllung ihrer Aufgaben angemessen und zielführend ist?“

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Sie haben schon ei­niges angesprochen. Ich bin zutiefst überzeugt von autonomer Gestaltungsfreiheit an den Hochschulen und Universitäten, weil ich selbst erleben durfte, welchen Qualitäts­sprung Universitäten damit genommen haben.

Derzeit sind unsere Pädagogischen Hochschulen nachgeordnete Dienststellen unseres Hauses mit allem bürokratischen Wildwuchs, der damit einhergeht, weil die Struktur so


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ist, wie sie ist. Deshalb ist mir Autonomie wirklich ein Anliegen, um sie auch tatsächlich vollrechtsfähig, wenn Sie so wollen, zu machen. Es geht um neun öffentliche Pädago­gische Hochschulen, fünf private, die wir einladen, daran teilzunehmen – im Übrigen sind die schon jetzt quasi autonom und vollrechtsfähig, weil sie ja privat sind –, und wir wissen auch, dass wir nur an vier Hochschulen das Gesamtangebot der Lehramtsstu­dien haben. Das heißt, hier liegt eine Bündelung faktisch auf der Hand.

Es gibt ja diese vier Verbundregionen in Österreich, die mit dem Zusammenschluss der Pädagogischen Hochschulen und Universitäten die PädagogInnenbildung Neu ausge­rollt haben, und jetzt ist es naturgemäß und naheliegend an der Zeit, dass wir sie auch in die Autonomie überführen.

Wir machen im Laufe dieses Jahres einen Hochschulentwicklungsplan, der auch den Rahmen festlegen und die Vision, wo wir hinsteuern wollen, zeichnen wird, gemeinsam mit den Pädagogischen Hochschulen, gemeinsam mit den Aufsichtsgremien, und dann geht es in die organisatorische Umsetzung. Dann braucht es auch eine Adaptierung des Gesetzes, ein angepasstes Studienrecht – das braucht es schon viel früher, denn da sind wir schon unterwegs –, und wir müssen ihnen, wie gesagt, die Gestaltung auch ermöglichen, sage ich, denn zurzeit ist es so, dass die Pädagogischen Hochschulen für die Themen Recht, Ressourcen und andere Themen mit Personal nicht entsprechend ausgestattet sind. Wir müssen diese Verwaltungsverbünde in den vier Regionen schaf­fen, damit sie überhaupt in die Vollrechtsfähigkeit und in die Autonomie übergeführt wer­den können.

Wir wollen bündeln, an den jeweiligen Knotenpunkten, die wir jetzt schon haben, Ver­bundhochschulen schaffen. Die Standorte bleiben erhalten – das ist mir ganz wichtig –, weil wir diese Standorte für die Aus- und Weiterbildung vor Ort in den Regionen brau­chen, aber es soll dann pro Region quasi eine Verbundhochschule geben, wo alle zu­sammenwirken, und diese Verbundhochschulen werden auch gemeinsam gesteuert.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Ja, das sind durchaus erfreuliche Pers­pektiven. Es mischt sich allerdings bei mir eine Sorge hinein, und daher stelle ich eine Zusatzfrage; die Sorge ist: die Gefahr von Parallelstrukturen. Es wäre unsinnig, zum Beispiel an den Pädagogischen Hochschulen fachwissenschaftliche Institute zu errich­ten. Teilen Sie diese Bedenken, und wenn ja, wie können Sie sie zerstreuen?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Die PädagogInnen­bildung Neu ist, wie ich immer sage, die Kombination des Besten aus beiden Welten, nämlich die Pädagogik, die Didaktik, die Methode, die Unterrichtsprinzipien und die bil­dungswissenschaftlichen Ansätze aus den Pädagogischen Hochschulen und die fach­wissenschaftlichen Komponenten aus den Universitäten. Das wurde bei der Pädago­gInnenbildung jetzt in, wie ich meine, sehr guter Weise kombiniert.

Es wäre nicht gescheit, Fächer wie Mathematik oder Biologie mit allen wissenschaftli­chen Forschungsprojekten und Themen, die wir an den Universitäten haben, an den Pädagogischen Hochschulen neu aufzubauen. Das wären in der Tat Doppelgleisigkei­ten, und das wollen wir nicht.

Was ich will, ist, dass sich die Pädagogischen Hochschulen auf die Pädagogik, auf die Bildungswissenschaft konzentrieren. Da sollen sie gemeinsam mit den Universitäten forschen, denn wir haben ja auch vor, Doktoratsprogramme gemeinsam zu dotieren und aufzulegen.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Gamon.

 



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Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Um an die Zusatzfrage des Kollegen Töchterle anzuschließen, was das Thema Doppelstrukturen betrifft: Im Plan A des SPÖ-Vorsitzenden Kern war ja auch die Rede von einem Bildungsministerium, das alles beinhaltet.

Wie würden Sie zu der Idee stehen, eventuell auch die Pädagogischen Hochschulen zu Fachhochschulen weiterzuentwickeln und sie an das Wissenschaftsministerium zu übergeben oder das Ganze in einem Ministerium zusammenzufassen, um so auch zu einem besseren Überblick und weniger Verwaltung im Bildungs- und Wissenschaftsbe­reich zu kommen? (Abg. Walter Rosenkranz: … sehr wichtige Frage!)

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Betreffend die Bün­delung der Bildungsthematiken in einem Ministerium rennen Sie bei mir offene Türen ein, das ist aber nicht mein Thema, das ist Teil der nächsten Wahl. Das wird dann das Wahlergebnis bestimmen, wer immer dann über die Regierung verhandelt; das wird ja Teil der Regierungsverhandlungen sein müssen. (Abg. Neubauer: Das ist ja eh nicht mehr lange hin!) Das ist nichts, was wir jetzt gestalten und machen können. Deshalb ist das Zukunftsmusik, und das wird dann zu diskutieren sein, wenn es so weit ist, sage ich jetzt einmal.

Was die Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen betrifft: Wir müssen jetzt einmal den nächsten Schritt tun, wir müssen sie als nachgelagerte Dienststelle aus dem System herausbekommen, wir müssen sie autonom machen, wir müssen sie in die Lage versetzen, auch autonom vollrechtsfähig zu agieren, auch entsprechend For­schung aufzubauen. Was immer dann Sinn macht, gilt es zu diskutieren, aber wir brau­chen den nächsten logischen Schritt, das ist die Autonomie, und das ist jetzt einmal die Verbundhochschule – über alles Weitere werden wir dann diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Preiner.

 


Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Die aktuelle Diskussion betreffend die Bildungsreform geht meiner Meinung nach großteils in die richtige Richtung und ist auch notwendig.

Meine Frage betrifft die Pädagogischen Hochschulen: Wie sehen Sie die Rolle der Pä­dagogischen Hochschulen im Rahmen dieser aktuellen Diskussion zur Bildungsreform? Könnte sich da inhaltlich, vielleicht auch in der Ausbildung, was Methodik, Didaktik be­trifft, etwas ändern? Gibt es Modifizierungen, Neuerungen, neue Gedankengänge Ih­rerseits?

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Die Pädagogischen Hochschulen samt den Universitäten sind für mich in diesem Autonomiepaket ganz, ganz wichtig, weil ich ja immer davon spreche, Schule neu und anders zu gestalten. Da ist die Pädagogik im Mittelpunkt und gefordert, diesbezüglich neue Modelle zu ent­wickeln, und Schulentwicklung und Weiterentwicklung von Pädagogik und Didaktik ist das Kerngeschäft der Pädagogischen Hochschulen.

Sie werden auch in der Ausrollung des Autonomiepakets für die Schulen Partner sein müssen: um Impulse zu geben, um Feedback zu geben, um einfach auch Sparringpart­ner für Schulen, die sich dem Thema Autonomie stellen wollen, zu sein. Da erwarte ich mir viel. Das heißt, sie haben da auch in der Umsetzung des Autonomiepakets, aber natürlich und ganz entscheidend in der PädagogInnenaus- und -weiterbildung eine ge­wisse Rolle. Neue Lernformen, offene Lernformen, gendersensibler Unterricht, digitale


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Kompetenzen: Da gibt es so viel, was quasi neu in die Unterrichtsmaterie hineinkommt, das bearbeitet werden will und gelehrt werden sollte. Da sind sie jedenfalls gefordert.

Wir haben aber mit den Bundeszentren an den jeweiligen Pädagogischen Hochschulen zu den einzelnen Themen gute Strukturen geschaffen, sodass die einzelnen Fachthe­men auch gut pädagogisch abgebildet und den Studierenden jetzt schon weitergege­ben werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Ich danke Ihnen, Frau Bundesministerin Hammerschmid, für Ihr Kommen. Alle Anfragen sind zum Aufruf gelangt, und ich erkläre nun die Frage­stunde für beendet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.10.48Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 11509/J bis 11637/J

Schriftliche Anfrage an die Präsidentin des Nationalrates: 38/JPR

B. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 78 Absatz 5 des Bundeshaushalts­gesetzes über das Eingehen, die Prolongierung und die Konvertierung von Finanz­schulden und Währungstauschverträgen im Finanzjahr 2016 (Vorlage 123 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 4a Zahlungsbilanzstabilisierungs­gesetz über die im 4. Quartal 2016 ergriffenen Maßnahmen (Vorlage 124 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50c Abs. 3 B-VG iVm § 6 der Anlage 2 zum GOG (ESM-Informationsordnung) über die im Rahmen des Europäi­schen Stabilitätsmechanismus getroffenen Maßnahmen im 4. Quartal 2016 (Vorla-
ge 125 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen über die Übernahme von Bundeshaftungen im Jahr 2016 (Vorlage 126 BA)

Monatserfolg Dezember 2016, vorgelegt vom Bundesminister für Finanzen (Vorla-
ge 127 BA)

Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 54 Abs. 12 und § 60 Abs. 3 BHG 2013 über die Genehmigung von Mittelverwendungsüberschreitungen (MVÜ) sowie über zu­gestimmte Vorbelastungen im 4. Quartal 2016 (Vorlage 128 BA)

*****

10.10.50Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsidentin Doris Bures: Der Grüne Klub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsord­nung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung eingebrachte schrift­liche Anfrage 11638/J der Abgeordneten Mag. Kogler, Kolleginnen und Kollegen an


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den Bundeskanzler betreffend Verhandlungslegitimation der Bundesregierung zu den Ab­kommen CETA, TTIP und TISA dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage nach Erledigung der Tages­ordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr behandelt werden.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäfts­ordnung wurde eine Tagesblockzeit von 4,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 61, FPÖ 56, Grüne 47 sowie NEOS und Stronach je 25 Minuten. (Die Abgeordneten Pendl und Schieder sprechen mit Bun­desministerin Hammerschmid.) – Wir kommen jetzt gleich zur Abstimmung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 13 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dieser Redezeitregelung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

10.12.431. Punkt

Bericht des Umweltausschusses betreffend Elfter Umweltkontrollbericht des Bun­desministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-316 und Zu III-316/1416 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum ersten Punkt der Tagesord­nung. Dazu begrüße ich Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler. – Bitte.

 


10.13.11

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Schönen Vormittag, Frau Präsiden­tin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zu­hörerInnen auf den Besuchergalerien, sehr geehrte Zuseher und Zuhörer vor den Fern­sehgeräten zu Hause, im Büro oder unterwegs vor den Laptops oder iPads! Herzlich willkommen! Wir befassen uns bei diesem ersten Tagesordnungspunkt mit dem Um­weltkontrollbericht. Dieser Bericht wird vom Umweltbundesamt alle drei Jahre erstellt und gibt einen gesamthaften Überblick über die Situation der Umwelt hier in Österreich. Ich darf mich bei dieser Gelegenheit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Um­weltbundesamtes für die Berichterstellung herzlich bedanken. Dieser Bericht ist in ge­wohnter Weise sehr professionell und, wie schon gesagt, einen gesamthaften Über­blick bietend ausgefallen.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass Österreich auf dem richtigen Weg ist, um nicht zu sagen: auf einem sehr guten Weg – natürlich gibt es Herausforderungen in dem einen oder anderen Bereich, die es zu bewältigen gilt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 37

Ich darf mich als Energiesprecher in meinem Debattenbeitrag ein wenig auf den Ener­giesektor fokussieren, und da gibt es Erfreuliches zu berichten. Der Bruttoinlandsver­brauch und der energetische Endverbrauch sind in Österreich seit 2010 im Sinken be­griffen. Positiv ist auch, dass die absoluten und relativen Beiträge erneuerbarer Ener­gieträger zum nationalen Verbrauch gestiegen sind.

Der energetische Endverbrauch lag im Jahr 2014 bei 1 063 Petajoule, und damit liegen wir nur mehr knapp über jenem Zielwert von 1 050 Petajoule, den wir uns für 2020 ge­setzt haben. In Österreich entfallen, was den Energieverbrauch betrifft, in etwa 35 Pro­zent auf den Verkehr, 22 Prozent auf private Haushalte, in etwa 30 Prozent auf den pro­duzierenden Bereich, 11 Prozent auf Dienstleistungen und 2 Prozent auf die Landwirt­schaft.

Ein besonders positiver Punkt im Umweltkontrollbericht – und das freut mich – ist, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger in den Jahren 2005 bis 2014 von damals 23 Prozent auf mittlerweile 33 Prozent gestiegen ist. Das, meine Damen und Herren, ist sehr erfreulich, und wir werden auch – das können wir wohl jetzt schon sagen – je­nes Ziel von 34 Prozent im Jahr 2020, das wir uns selbst gesteckt haben, erreichen. Damit wir diesen Zielwert aber nicht nur erreichen, sondern vielleicht darüber hinaus­kommen, braucht es Rahmenbedingungen, die wir als Gesetzgeber festzulegen haben.

Diesbezüglich möchte ich auf das Arbeitsprogramm „Für Österreich“ verweisen, das am Montag von der Spitze der Bundesregierung vorgestellt und gestern hier im Par­lament präsentiert und ausführlich diskutiert wurde. Darin gibt es einen eigenen Be­reich, das Kapitel 3, der sich intensiv mit den Themen Energie und Nachhaltigkeit aus­einandersetzt. Da ist angeführt, dass es im Jahr 2017 zu einer kleinen Ökostromno­velle kommen soll und in weiterer Folge, nach erfolgreichem Abschluss dieser, zu einer großen Ökostromnovelle.

Betreffend kleine Ökostromnovelle ist vorgesehen, dass wir diese in den nächsten Wo­chen verhandeln sollen, und es ist mir eine Freude, dass wir nicht einmal 24 Stunden nach der Ankündigung hier im Parlament und nach der Erklärung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers, der für die Energieagenden zuständig ist, mit diesem Gesetz nun in die Begutachtung gehen werden. Ich lade Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition – Sie wissen ja, das ist eine Zweidrittelmaterie –, herzlich ein, zuzustimmen, damit wir – wie in der Vergangenheit bei der Ökostromnovelle; da hätte es ja beim letzten Mal fast Einstimmigkeit gegeben – auch bei diesem Gesetz mög­lichst Einstimmigkeit erzielen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, aber ich denke, im Diens­te der Sache könnten wir das vielleicht erreichen.

Abschließend will ich, weil die Zeit schon fortgeschritten ist, noch erwähnen, dass es aus dem Bereich der Industrie – ich bin ja auch Industriesprecher – auch Positives zu be­richten gibt. Sie alle wissen ja, dass in Österreich ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Wertschöpfung von der Industrie erbracht wird. Da ist es, wie die Zahlen auch bele­gen, zu einer völligen Entkoppelung hinsichtlich Produktion und Energieverbrauch ge­kommen. Im Jahr 2010 war ein Energiebedarf von 661 Petajoule festzustellen; im Jahr 2014 sank dieser auf 633 Petajoule. Sie sehen also, die Wirtschaft, die Industrie ist gewillt, ihren Beitrag zu dieser Energiewende zu leisten.

Wir wollen gemeinsam mit anderen Sektoren dafür sorgen, dass im Umweltbereich – sprich: auch im Energiebereich – diese positive Geschichte, die wir in den vergange­nen Jahren und Jahrzehnten geschrieben haben, fortgeschrieben werden kann. Wir von der ÖVP wollen hier unseren Beitrag leisten. Und konkret sind Sie herzlich eingeladen, beim Ökostromgesetz mitzuwirken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)


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10.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


10.18.44

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrte Präsidentin! Geschätzter Herr Mi­nister! Meine sehr geehrten Kollegen! Geschätzte Damen und Herren hier auf der Ga­lerie und vor den Fernsehschirmen! Wir beschäftigen uns heute bei Tagesordnungs­punkt 1 mit dem Umweltkontrollbericht 2016 – einem Bericht, der den Zeitraum 1. Jän­ner 2013 bis Juli 2016 behandelt und der sehr umfassend zusammengestellt worden ist.

Ich möchte hier auch die Möglichkeit nutzen, um den Damen und Herren, den Fachleu­ten, den Experten recht herzlich zu danken, namentlich und stellvertretend für alle den Herren Mag. Georg Rebernig und Dr. Karl Kienzl, die auch immer für Auskünfte zur Ver­fügung stehen. – Danke noch einmal für diesen umfassenden Bericht, der als Grundlage für die Arbeit im Umweltausschuss heranzuziehen ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Prinz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Umweltkontrollbericht 2016 ist, wie ge­sagt, sehr umfassend und ausführlich. Ich möchte die einzelnen Obergruppen kurz nen­nen, damit Sie auch erkennen können, welche Bereiche umfasst sind:

„1 Energie“, „2 Industrielle Anlagen“, „3 Mobilität“, „4 Landwirtschaft und Wald“, „5 Was­ser“, „6 Bodenschutz und Flächenmanagement“, „7 Biologische Vielfalt“, „8 Luft“, „9 Um­welt und Gesundheit“, „10 Klimaschutz“, „11 Klimawandelanpassung“, „12 Ressourcen­management und Abfallwirtschaft“, „13 Altlasten“, „14 Chemikalien“, „15 Umwelteffekte der Räumlichen Entwicklung“, „16 Green Economy“ und „17 Nachhaltige Entwicklung“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Rede bezieht sich auf den Bereich Wasser – ein Grundelement, das wir für die Zukunft unserer Kinder und unserer Bevöl­kerung auch weiter sichern müssen. Da gibt es verschiedene Vorgaben, zum Beispiel die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die uns versichert, dass unser Wasser in einem guten Zustand ist. Allerdings wollen wir die Nutzung und den Schutz der Gewässer und der Wasservorkommen auch für unsere Kinder noch weiter vorantreiben und verbessern.

Umweltpolitische Ziele gibt es auch dort, wo die EU-Wasserrahmenrichtlinie als Ober­begriff aufscheint. Wir haben diese auch in die gesetzlichen Bestimmungen beim Grund­wasser, der kommunalen Abwasserentsorgung, der Badegewässervorschriften und so weiter aufgenommen und noch erweitert.

Ein besonderer Punkt ist der Hochwasserschutz, wozu wir in Österreich in den letzten Monaten viele Maßnahmen gesetzt haben und auch in der Zukunft, Herr Bundesminis­ter, noch viele weitere Maßnahmen setzen müssen, damit unsere Bevölkerung ge­schützt ist. Wir wollen auch bei den Oberflächengewässern den ökologischen Zustand der Fließgewässer nicht nur erhalten, sondern weiter verbessern.

Ein besonderes Thema ist die Abwasserwirtschaft. Da haben wir eine Sonderstellung dadurch, dass insgesamt 94 Prozent der Haushalte an das Entsorgungsnetz ange­schlossen sind, ein großes Plus. Von 1959 bis 2016 haben wir über 45 Milliarden € in den Abwasserbereich investiert. Wir müssen hier in den nächsten Jahren weiter inves­tieren, um den guten Zustand unserer Abwasserentsorgung zu erhalten und noch wei­ter voranzutreiben.

Zum Schluss noch ein Punkt: Betreffend Nitrat im Grundwasser gibt es in einigen Re­gionen Problemstellungen, wo wir dringend weitere Sanierungsmaßnahmen setzen müs­sen.

Die Empfehlungen, die in den Umweltkontrollbericht eingeflossen sind, wollen und sol­len wir heranziehen, um weitere gesetzliche Grundlagen zum Wohle Österreichs zu schaffen und umzusetzen. Ich lade natürlich auch die Opposition zum Mitwirken ein. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 39

10.22.51

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Einen wunderschönen guten Morgen, sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es wurde schon von mei­nen Vorrednern erwähnt: Der Elfte Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes ist ganz interessant zu lesen, mit sehr vielen Herausforderungen umweltpolitischer Natur, aber natürlich auch mit kritischen Anmerkungen in Richtung des Ministeriums und auch in Richtung der Regierungsparteien, um den Klimawandel in Österreich hintanzuhalten.

Ein kritischer Punkt, den ich hier gleich vorweg anmerken möchte, ist zum Beispiel – das ist unserer Meinung nach eine zweifelhafte Empfehlung –, dass der Emissionszer­tifikatehandel eine umweltpolitische Maßnahme wäre. Ich sehe nicht ein, warum da­durch, in welcher Form auch immer, die Verminderung von Treibhausgasemissionen er­folgen sollte.

Damit komme ich gleich zum Thema: Der Geschäftsführer des Umweltbundesamtes, Herr Mag. Rebernig, hat ja im Umweltausschuss auf Nachfrage meinerseits, um wel­che Maßnahmen es sich bei diesem Emissionszertifikatehandel handle, die eine Ver­besserung im CO2-Bereich brächten, definitiv gesagt, dass es keine einzige umwelt­politische Maßnahme gebe. Er hat das dezidiert verneint.

Da frage ich mich schon, Herr Bundesminister: Müssten wir vonseiten Österreichs die­sem Emissionszertifikatehandel nicht endlich auf EU-Ebene die Gas abdrehen? (Beifall bei der FPÖ.)

Denn was fördert dieser Emissionszertifikatehandel? Wer fördert …? (Abg. Brunner: Dann sollten wir endlich einmal selbst Maßnahmen setzen, oder?!) – Da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Kollegin Brunner, das ist wichtig. (Abg. Brunner: Dann stimmen Sie mal mit!) Ja, wir stimmen dann mit, wenn es Maßnahmen sind, die auch ökologisch und wirtschaftlich verträglich sind. Das ist unser Weg. (Beifall bei der FPÖ.)

Politik hat etwas mit Hausverstand zu tun (Abg. Brunner: Ja, genau!), und wir setzen unseren Hausverstand ein. Diese Maßnahmen, die Sie zum Beispiel … (Abg. Brun­ner: Sagen Sie uns Ihre Maßnahme!) Ich nenne nur das Murkraftwerk in Graz als Beispiel. (Abg. Brunner: Sagen Sie Ihre Maßnahme!) Sie lehnen eine Umweltmaßnah­me, eine ökologische Maßnahme, wie man Energie erzeugen kann, ab. Sie lehnen das ab, Frau Kollegin! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Brunner: Ja, Sie lehnen nur Dinge ab! Sagen Sie, was Sie vorschlagen!) – Beim Murkraftwerk in Graz sind wir stark dabei, das ist gar kein Thema.

Kommen wir zu einem weiteren Punkt, das ist die Mobilität. Im Verkehrsbereich waren ein wesentlicher Punkt bei diesen Maßnahmen, die im Umweltkontrollbericht enthalten sind, zum Beispiel Umweltzonen und die Aufhebung der Steuerbegünstigung von Die­sel. Da kann ich nur aus eigener Erfahrung sprechen: Graz – wieder das Beispiel Graz – sollte eine Umweltzone einführen. Diese Umweltzone wurde damals von allen Regie­rungsparteien abgelehnt, 2010, 2011, 2012, 2013; sie hätte zur Folge gehabt, dass 90 000 Diesel-Pkw-Besitzer nicht mehr in die Stadt hätten fahren dürfen. Das wäre der erste Schritt gewesen. Der zweite Schritt wäre gewesen, in der Stadt Graz wären 1 500 Ar­beitsplätze gefährdet gewesen. – Das ist nicht meine Erfindung, das steht in einer Stu­die von Joanneum Research, die diese Studie definitiv auf den Markt gebracht hat.

Das sind Maßnahmen, die wirtschaftsfeindlich, auch umweltfeindlich sind, denn eines kann man schon sagen: Wir pendeln und pendeln immer mehr – dem muss man ent­gegentreten.

Die Steuerbegünstigung von Diesel bringt 57 Prozent der Menschen einen positiven Effekt – 57 Prozent! –, auf der einen Seite der Landwirtschaft, auf der anderen Seite der Bauindustrie, auch dem Transportsektor. Wenn wir diese Maßnahme, wie Sie es vor­geschlagen haben, jetzt abschaffen würden, brächte das im Endeffekt eine Mehrbelas-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 40

tung für den Endkonsumenten, für die ganze Wirtschaft – und das lehnen wir entschie­den ab, das darf nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sagen hier ganz klar und deutlich: Eine Zweckbindung der Mineralölsteuer wäre die einzig effektive positive Maßnahme. Damit hätten wir alle umweltpolitischen Maßnah­men und alle Möglichkeiten, die Umweltschäden auch entsprechend zu beseitigen.

Ich bringe abschließend noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend unverzügli­chen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte für einen unverzüg­lichen Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag zu setzen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Wir beziehen in Österreich 16,5 Prozent an Atom- und Kohlestrom. Das ist insgesamt ein Fauxpas, wenn wir unsere klimapolitischen Ziele erreichen möchten. Das sagt auch die Statistik Austria, ist dort genauso manifestiert. Diesbezüglich erwarten wir uns Schritte von Ihnen, Herr Bundesminister, damit wir unsere umweltpolitischen Ziele auch erreichen. Dazu bedarf es endlich Schritte, die wir auf nationaler Ebene einleiten müs­sen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.28


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Werner Neubauer, Walter Rauch und weiterer Abgeordneter betref­fend unverzüglicher Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Umweltausschusses betref­fend Elfter Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-316 und Zu III-316/1416 d.B.), in der 162. Sitzung des Nationalrates, 1.2.2017, XXV. GP.

Vor fast 60 Jahren, am 25. März 1957, wurde mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge die Europäische Atomgemeinschaft – EURATOM – gegründet. Sie besteht heute noch neben der Europäischen Union als eigenständige Internationale Organisa­tion.

„Aufgabe der Atomgemeinschaft ist es, durch die Schaffung der für die schnelle Bil­dung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beizutragen“, lautet Art 1 des Vertrages. Zum überwiegenden Teil wird mit der Übereinkunft die Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet der Kernener­gie geregelt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 41

Die österreichische Bevölkerung hat die Stromgewinnung mittels Kernkraftwerken schon vor Jahrzehnten abgelehnt. Seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 ist die Anti-Atom-Politik gesellschaftlicher und auch parteipolitisch einhelliger Konsens. Es ist da­her nicht vertretbar, dass mit österreichischem Steuergeld die Errichtung von Atom­kraftwerken und Maßnahmen zu deren Laufzeitverlängerung mitfinanziert werden.

Jetzt muss aktiv politisch daran gearbeitet werden, dass die Förderung der Atomener­gie beendet wird. Am besten gelingt dies mit einem Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag, wobei gleichzeitig die frei werdenden Mittel für die Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbarer Energie sowie zur Förderung alternativer Energieträger ver­wendet werden sollen.

Aus den dargelegten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte für einen unverzüg­lichen Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag zu setzen.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner – Bitte.

 


10.28.43

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Umweltminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher hier im Saal und zu Hause! Ich freue mich, dass so viele junge Menschen da sind, denn der Umweltkontrollbericht wird insbesondere sie betreffen.

Zuerst möchte ich mich bei der Geschäftsführung und den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern des Umweltbundesamtes für den sehr ausführlichen Bericht bedanken. Er ist eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit. Er gibt uns Aufschlüsse über die Situation der Umwelt in Österreich; es ist jetzt an uns, die entsprechenden Rückschlüsse zu zie­hen und Maßnahmen zu setzen. Deswegen haben wir Grüne auch das Verlangen ge­stellt, diesen Bericht hier im Plenum zu behandeln.

Die Wissenschaft ist ja generell ganz wichtig für die Politik, insbesondere für die Um­welt- und Klimapolitik. Die internationale Klimawissenschaft hat es uns ermöglicht, auf gemeinsamer Faktenbasis zu arbeiten. Das war auch die Basis dafür, dass wir jetzt endlich einen international verbindlichen Klimavertrag haben. Die internationale Klima­wissenschaft gibt uns auch die Basis für Umsetzungsmaßnahmen im Klimabereich. Vor diesem Hintergrund finde ich es besonders bedenklich, erschütternd und besorg­niserregend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der neue US-Präsident gerade die Umweltbehörde der USA blockiert und klimawissenschaftliche Veröffentlichungen nicht mehr zulässt.

Ich möchte dem US-Präsidenten ausrichten – auch wenn er es nicht glaubt –: Auch Sie werden gegen Fakten keine zukunftsfähige Politik machen können!

Besonders ermutigend finde ich aber die Proteste und das Engagement der Zivilbevöl­kerung in den USA; das benötigt unsere Unterstützung, dazu können wir alle einen Bei­trag leisten.

Deswegen bringe ich heute auch folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 42

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freie Wissenschaft unabdinglich zur Lösung der Klimakrise

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Außenminister und der Bundesminister für Wis­senschaft, Forschung und Wirtschaft werden aufgefordert, Initiativen zu setzen, um bei der US-amerikanischen Regierung auf eine Aufrechterhaltung der Freiheit von For­schung und Wissenschaft als Partner zur Lösung der Klimakrise zu drängen.“

*****

(Beifall bei den Grünen.)

Die Wissenschaft ist, wie gesagt, ein wichtiger Partner zur Lösung der Klimakrise, wen­den wir uns daher den wissenschaftlichen Fakten in Österreich wieder zu! Es ist schon interessant, dass auch bei uns die Fakten ein bisschen unterschiedlich interpretiert werden. Ich finde nämlich, dass die Aussagen des Umweltkontrollberichts hinsichtlich der Entwicklungen in Österreich schon sehr besorgniserregend sind.

Zum Teil wurde es schon angesprochen: Wenn man sich das Jahr 2014 anschaut, das der Umweltkontrollbericht ja auch abdeckt, dann sieht man, dass der Energiebedarf und auch die CO2-Emissionen leicht gesunken sind. Man muss sich aber auch anschau­en, warum: Es gab günstige Wetterlagen in den Jahren davor. Wir haben mittlerweile auch aktuelle Daten, was das Jahr 2015 angeht. Da sehen wir bei beiden Punkten wieder eine Zunahme, also der Energieverbrauch ist wieder massiv gestiegen, auf 1 090 Petajoule. Unsere Zielsetzung für 2020 – das ist nicht mehr lange hin – sind 1 050 Petajoule. Das ist ein weiter Weg, noch dazu, wenn wir jetzt in die falsche Rich­tung gehen. Die CO2-Emissionen sind in Österreich im Jahr 2015 wieder um 3,2 Pro­zent gestiegen. Plus 3,2 Prozent! Das ist extrem viel; wir sind damit wieder maximal zurück auf dem Niveau von 1990, von dem ausgehend wir eigentlich schon massiv hät­ten reduzieren sollen.

Ich finde das wirklich höchst besorgniserregend. Ich fordere Sie alle auf, dass wir aus diesem Umweltkontrollbericht nicht nur die positiven Dinge herausnehmen und von da unsere Schlüsse ziehen, sondern dass wir uns die Fakten wirklich anschauen und auch negative Entwicklungen berücksichtigen. Im Bereich Energie und Klimaschutz geht der Trend ganz eindeutig in eine falsche Richtung. Ich halte es für höchst fahrlässig, wenn das nicht auch berücksichtigt wird und wir aus diesen Empfehlungen keine Maßnah­men ableiten. (Beifall bei den Grünen.)

Der Umweltkontrollbericht sieht eine Reihe von Empfehlungen vor – ich kann jetzt nur ein paar zitieren, es sind immens viele –, zum Beispiel, dass eine national integrierte Energie- und Klimastrategie ambitionierte quantitative Ziele für erneuerbare Energie und Energieeffizienz bis 2030 und 2050 enthalten muss. – Das tut die derzeitige Energie­strategie der Bundesregierung nicht.

Empfehlungen werden dahin gerichtet, dass ein weitestgehender Ausstieg aus der Nut­zung fossiler Energieträger festzuschreiben ist, dass es einen Umsetzungsplan braucht und dass Subventionen für fossile Energieträger zu beseitigen sind.

Es gibt noch eine Reihe von anderen empfohlenen Maßnahmen, auf die meine beiden Kollegen noch eingehen werden.

Ich bringe jedenfalls den Antrag ein, dass alle empfohlenen Maßnahmen umgesetzt wer­den sollen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 43

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Emp­fehlungen des Elften Umweltkontrollberichts unverzüglich umsetzen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Umsetzung aller im Elften Umweltkontroll­bericht an sie und den Bundesgesetzgeber gerichteten Empfehlungen unverzüglich ein­zuleiten.“

*****

Im Regierungsprogramm finde ich leider nichts dazu; Umwelt, Luft, Wasser, Boden, das kommt im Regierungsprogramm gar nicht vor. Herr Umweltminister, vielleicht er­klären Sie uns das einmal! Im Energiebereich steht lediglich das drinnen, was Sie seit Jahren blockiert haben. (Bundesminister Rupprechter: Bei „Energie und Nachhaltig­keit“! Sie müssen schon genau lesen! „Energie und Nachhaltigkeit“ auf Seite 20 bis 22!) – Zum Energiekapitel komme ich noch, hören Sie mir zu! Ich habe vorhin gesagt: Was­ser, Luft und Boden; ich spreche jetzt gerade über Energie. Da steht maximal das drin­nen, was Sie seit zwei Jahren blockieren, nämlich das Ökostromgesetz. (Zwischenbe­merkung von Bundesminister Rupprechter.)

Ich verspreche Ihnen, wir werden da konstruktiv mitarbeiten, wie wir das auch die letzten Male getan haben. Wir würden nur sehr gerne bei viel, viel mehr konstruktiv mitarbeiten. Das Ökostromgesetz allein, so wichtig es ist und sosehr ich mich freue, dass es jetzt kommt, ist halt nicht genug, bei Weitem nicht genug für die Umsetzung des Klimavertrags. Wo ist eine ökosoziale Steuerreform? Wo ist die Abschaffung um­weltschädlicher Subventionen, die uns in eine falsche Richtung führen? (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Ich freue mich auch wirklich, dass Klimaschutz und Energierevolution nun in den Re­debeiträgen von Bundeskanzler und Vizekanzler so prominent vorkommen. Das ist ein Fortschritt, wirklich, aber die dahinterliegenden Maßnahmen sind leider nicht da. Da braucht es noch viel, viel mehr.

Wie gesagt: Bei dem, was vorliegt, werden wir ganz sicher konstruktiv mitarbeiten, aber wir werden mit genauso viel Härte darauf drängen, dass auch der Klimavertrag, den wir hier im Parlament ratifiziert haben, endlich umgesetzt wird. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist absolut notwendig, dringend notwendig. Das ist wichtig für die Zukunft. Der Umweltschutz, der Klimaschutz ist die Chance für den österreichischen Standort, für österreichische Unternehmen, für die österreichische Jugend. In diesem Sinne werden wir darauf drängen.

Ich bin nach wie vor überzeugt davon: Österreich braucht ein eigenständiges, starkes und engagiertes Umwelt-, Energie- und Klimaministerium. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.36


Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Sigi Maurer, Freundinnen und Freunde


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 44

betreffend Freie Wissenschaft unabdinglich zur Lösung der Klimakrise

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Umwelt über den Elften Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-316 d.B. und zu III-316) (1416 d.B.)

Begründung

In Kapitel 11 beschäftigt sich der Umweltkontrollbericht insbesondere mit den Auswir­kungen des globalen Klimawandels und den entsprechenden Maßnahmen in Öster­reich. Doch das Phänomen des durch Menschen verursachten Klimawandels lässt sich nicht national lösen. Nur weltweite gemeinsame Anstrengungen, wie sie insbesondere in den internationalen Klimaabkommen vereinbart wurden, können zu einer Verbesse­rung der Lage führen. Dafür sind evidenzbasierte, wissenschaftliche Forschungen zu diesem Bereich unverzichtbar. Forschungsbeiträge us-amerikanischer Einrichtungen wie etwa der NASA haben hier bisher wertvolle Studien und Messdaten geliefert.

Die Wissenschaft als Grundlage politischen Handelns steht jedoch unter Druck. Jahr­zehntelang verzögerte eine im Sold der Öl- und Gasindustrie stehende Phalanx aus professionellen Faktenverdrehern den Kampf gegen den Klimawandel. Ob die dadurch verlorenen Jahre, angesichts eines sich schnell schließenden Zeitfensters zur Stabili­sierung des Klimasystems überhaupt noch einzuholen sind, bleibt abzuwarten.

Die noch junge Administration Trump hat diese anti-aufklärerische Politik auf eine neue Stufe gehoben. Wo ein Bestreiten des Klimawandels nicht mehr reicht, wird der Wis­senschaft nun ein Maulkorb verpasst.

So hat die neue Regierung in den ersten Tagen ihrer Amtszeit die US-amerikanische Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) laut Medienberichten ange­wiesen, Teile Ihrer Website-Inhalte mit Informationen zum Klimawandel und Hinweisen auf Forschungsergebnisse zu löschen sowie jegliche Interaktion mit Journalisten, Pres­semitteilungen und Beiträge in sozialen Medien bis auf weiteres einzustellen. Jede wis­senschaftliche Studie der EPA muss ab nun von der Regierung abgesegnet werden, be­vor sie veröffentlicht werden darf.

Die freie Wissenschaft ist ein Grundpfeiler unsere Demokratie. Sie ist ein unverzicht­barer Partner der Politik bei der Bewältigung neuer Herausforderungen, wie dem Kli­mawandel. Nur eine freie Wissenschaft kann relevante Ergebnisse produzieren und Ant­worten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit geben.

Jegliche Versuche, die Wissenschaft zu Knebeln, wo sie unbequem ist oder sie parti­kularen Geschäftsinteressen schadet, sind aufs Schärfste abzulehnen. Eine Politik, die bestimmt welche Informationen als Fakten gelten dürfen und welche nicht, ist gefähr­lich.

Die Drohgebärden der Regierung Trump gegen die Freiheit der Forschung sind inak­zeptabel. Wir haben eine Verantwortung - im Angesicht der komplexen Herausforde­rungen durch den globalen Klimawandel größer denn je - darauf zu bestehen, dass öf­fentliche Entscheidungen auf guter Wissenschaft basieren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Außenminister und der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft werden aufgefordert, Initiativen zu setzen, um


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 45

bei der US-amerikanischen Regierung auf eine Aufrechterhaltung der Freiheit von For­schung und Wissenschaft als Partner zur Lösung der Klimakrise zu drängen.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Georg Willi, Freundinnen und Freunde

betreffend Empfehlungen des elften Umweltkontrollberichts unverzüglich umsetzen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Umwelt über den Elften Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (III-316 d.B. und zu III-316) (1416 d.B.)

Begründung

Der Elfte Umweltkontrollbericht zeigt einige positive Entwicklungen und viele, teils alar­mierende negative Trends in der Umwelt- und Klimapolitik der Bundesregierung auf. Der Bericht belegt den Stillstand in der österr. Energie- und Klimapolitik und weist auch in anderen Bereichen wie Gewässerschutz, Raumplanung oder Luftqualität auf erhebli­che Mängel bzw. dringenden Handlungsbedarf hin.

Österreichs aktuelle Treibhausgasbilanz ist in besonderem Maße alarmierend. In nur einem Jahr sind die Emissionen um satte 3,2% gestiegen. Sie liegen mit 87,9 Mio. t wieder leicht über dem Niveau von 1990. (Treibhausgasbilanz 2015, Umweltbundes­amt, Januar 2016) Es wurde also seit Beschluss des Kyoto-Protokolls im Jahr 1990 ab­solut gesehen kein einziges Gramm CO2 eingespart. Im gleichen Zeitraum sanken die Emissionen jedoch EU-weit um 24% (Basisjahr 1990). Im Gegensatz zu fast allen anderen Industriestaaten ist in Österreich auch nicht geplant, die Emissionen bis zum Jahr 2020 wesentlich zu senken. Das 2020-Ziel gemäß Klimaschutzgesetz entspricht einer Stabilisierung der Emissionen ca. auf dem Stand von 1990).

Die Bundesregierung gefährdet mit dieser klimapolitischen Verweigerungshaltung nicht nur die Einhaltung des Klimavertrags von Paris, sondern auch die nachhaltige wirt­schaftliche Entwicklung Österreichs und die Teilhabe an den boomenden globalen Märk­ten für Erneuerbare Energie- und Effizienztechnologien.

Der 11. Umweltkontrollbericht enthält zahlreiche Empfehlungen, Maßnahmen und Wei­chenstellungen für politische Entscheidungsträger, wie die drängendsten umwelt- und klimapolitischen Probleme zu lösen sind. Als vordringlich werden insbesondere die fol­genden im Umweltkontrollbericht empfohlenen Maßnahmen angesehen:

Für Österreich sind in einer nationalen integrierten Energie- und Klimastrategie ambi­tionierte quantitative Ziele für erneuerbare Energie und Energieeffizienz bis 2030 und 2050 zu vereinbaren und verbindlich festzulegen. (Bundesregierung)

In weiterführenden Umsetzungsstrategien sollten klare Verantwortlichkeiten und Ver­bindlichkeiten zur Sicherstellung der Umsetzung vorgesehen werden. Durch die maß­geblichen Ressorts und die Bundesländer sind Maßnahmen sowie Verbindlichkeiten zur Sicherstellung der Umsetzung zu entwickeln und zu implementieren. Dabei sollten potenzielle ökonomische, soziale und budgetäre Implikationen sichtbar gemacht wer­den. (Bundesregierung, Bundesländer)

Der weitestgehende Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger auf Basis der EU-Zielsetzungen ist festzuschreiben und ein entsprechender Umsetzungsplan ist zu erar­beiten. (Bundesgesetzgeber, Bundesregierung, Bundesländer)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 46

Um den Einsatz fossiler Energieträger und CO 2 -Emissionen zu reduzieren, sollte im Rahmen einer aufkommensneutralen öko-sozialen Steuerreform eine schrittweise an­steigende CO 2 -Abgabe auf fossile Energieträger eingeführt werden. (Bundesgesetz­geber)

Subventionen, die den Einsatz fossiler Energieträger und damit CO 2 -Emissionen be­günstigen, sowie Befreiungen und Vergütungen im Bereich von Steuern und Abgaben auf fossile Energieträger, sollten in den nächsten Jahren sukzessive reduziert und ab­geschafft werden. (Bundesregierung, Bundesländer, Gemeinden)

Die Vergütung der Energieabgabe sollte in Bezug auf die Nutzung fossiler Energieträ­ger schrittweise reduziert und abgeschafft werden. (Bundesgesetzgeber)

Für die Erreichung der mittel- und langfristigen Klimaziele ist auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, bis 2030 ergänzend zu ambitionierten Zielsetzungen für erneuer­bare Energieträger auch möglichst ambitionierte Zielsetzungen für die Energieeffizienz festzulegen. (Europäische Kommission, BMWFW)

Zwischen den wesentlichen Akteuren auf Bundes- und Bundesländerseite ist die Zu­sammenarbeit im Klimaschutz zu vertiefen und die Verantwortlichkeiten sind klar zu regeln. Dafür ist die Entwicklung und Implementierung eines Mechanismus, der die Verantwortung für die Umsetzung sektoraler Maßnahmen bei den dafür zuständigen Ressorts - u. a. durch Zahlungen bei Zielverfehlungen - verankert, notwendig. (Landes­gesetzgeber, Bundesgesetzgeber)

In einem Energiewendevertrag auf Ebene des EU-Primärrechts sollte der Vorrang von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz verankert werden. (Europäische Kommis­sion, Bundesregierung)

Vorgesehene Maßnahmen zum Energiebinnenmarkt sollten so gestaltet werden, dass sie nicht der Integration erneuerbarer Energieträger entgegenwirken. Investitionen in ei­ne fossile Energieinfrastruktur sind zu vermeiden, da sie Lockin-Effekte induzieren kön­nen. (Bundesregierung, Bundesländer)

Es ist darauf hinzuwirken, dass die Zielsetzungen zur Energieunion auf eine Dekarbo­nisierung und einen Zeithorizont bis 2050 ausgerichtet werden. (Europäische Kommis­sion, Bundesregierung)

Forschungsinvestitionen sollten vor allem für erneuerbare Energieträger vorgesehen wer­den. (BMVIT)

Um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu forcieren, sollte die ausstehende No­vellierung des Ökostromgesetzes mit dem Ziel erfolgen, die Marktintegration von Öko­strom zu begünstigen und die Kapazität von Ökostromanlagen deutlich auszubauen. (BMWFW, Bundesgesetzgeber)

Für die neue Finanzausgleichsperiode 2017 bis 2020 sollte die 15a-Vereinbarung zwi­schen Bund und Ländern angepasst und weitergeführt werden sowie die widmungs­gemäße Verwendung der eingehobenen Wohnbauförderungsbeiträge sichergestellt wer­den. (Bundesländer, Bundesregierung)

Im Neubau und bei der Sanierung von Wohngebäuden und Nicht-Wohngebäuden sollte der Niedrigstenergie-Gebäude-Standard gemäß der aktuellen OIB Richtlinie 6 und der weiteren Stufen gemäß Nationalem Plan rasch in die entsprechenden landes­rechtlichen Bestimmungen implementiert werden. (Bundesländer, Landtage, Landesre­gierungen)

Bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen im Gebäudebereich sollten soziale Aspekte berücksichtigt werden. Der Energiearmut sollte neben sozialen Transferleis­tungen mittels zielgerichteter Maßnahmen, die auf eine Senkung des Verbrauchs hi­nauslaufen, begegnet werden. (BMASK, Bundesländer)


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Sanierungsbarrieren sollten in allen relevanten Rechtsmaterien für den Altbestand groß­volumiger Wohngebäude identifiziert und abgebaut werden. (Bundesgesetzgeber, Lan­desgesetzgeber)

In Hinblick auf die Dekarbonisierung sind die geltenden Ökodesign-Durchführungs-Ver­ordnungen weiterzuentwickeln und sukzessive im technischen Standard anzuheben. (Europäische Kommission, BMWFW)

Gesetzliche Grundlagen für Stellplatzobergrenzen sollten in allen Bundesländern ge­schaffen werden. Das Instrument der Parkraumbewirtschaftung ist eine Maßnahme, um im Bereich Stellplatzregelung steuernd einzugreifen, und sollte verstärkt angewen­det werden. (Bundesländer, Gemeinden)

Die Masterpläne Radfahren und Gehen sollten konsequent umgesetzt werden. (Bun­desländer, Gemeinden)

Regionalbahnen sollten als wesentlicher Bestandteil eines nachhaltigen Verkehrssys­tems gefördert werden. (BMVIT, BMF, Bundesländer)

Flächendeckende Bemautungssysteme sollten unter Berücksichtigung zeitlicher, topo­grafischer und technologischer Aspekte im europäischen Gleichklang geplant und um­gesetzt werden. (BMVIT, Bundesländer)

Für eine weitere Attraktivierung der Elektromobilität sollte ein Bündel an Maßnahmen ergriffen werden, unter anderem auch fiskalische Maßnahmen wie insbesondere eine stärkere Belastung höher emittierender Fahrzeuge im Rahmen des Normverbrauchs­abgabe-Gesetzes. (Bundesregierung, Bundesländer)

Im Rahmen der öffentlichen Beschaffung sollten vorrangig Elektrofahrzeuge ange­schafft werden. (Bund, Bundesländer, Gemeinden)

Um die Dekarbonisierung im Verkehr voranzutreiben, sollten in der integrierten Ener­gie- und Klimastrategie und in den weiterführenden Umsetzungsstrategien Maßnah­men vorgesehen werden, um die Verkehrsleistung zu beeinflussen und die fahrzeug­seitigen Emissionen zu verringern. Darauf aufbauend sollte ein gesamthafter Aktions­plan für Verkehr, Umwelt und Gesundheit entwickelt werden. (Bundesregierung)

Durch eine Anhebung der Mineralölsteuer soll eine Angleichung der Kraftstoffpreise an das benachbarte Ausland erfolgen, um eine deutliche Reduktion der CO 2 -Emissionen durch Eindämmung des Kraftstoffexports im Tank sowie emissionsreduzierende Effek­te im Inland zu erzielen. (Bundesregierung).

Die CO 2 -Zielwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, aber auch für Lkw ab 2020, sollten im Hinblick auf die EU 2030-Ziele für urbanen Verkehr und schweren Güter­verkehr verschärft werden. Österreich sollte sich auf EU-Ebene verstärkt dafür einset­zen, Testverfahren für Fahrzeugemissionen so zu gestalten, dass sie möglichst reali­tätsnahes Fahrverhalten abbilden. (Europäische Kommission, Bundesregierung)

Die Abgasgrenzwerte, speziell der Stickstoffoxid- und Stickstoffdioxid-Emissionen, soll­ten vor allem im Hinblick auf die EU 2030-Ziele verschärft werden. Des Weiteren soll­ten Abgastestverfahren eingeführt werden, die ein reales Fahrverhalten bestmöglich abbilden. (BMVIT)

Wo dies zur Einhaltung von Grenzwerten gemäß Immissionsschutzgesetz-Luft notwen­dig ist, sind weitere Maßnahmen am hochrangigen Straßennetz - v. a. Tempolimits - und in Städten (z. B. Umweltzonen, temporäre Fahrverbot) einzuführen; dabei ist in den Städten insbesondere auf Diesel-Kfz abzuzielen. (BMVIT, Landeshauptleute)

Um den Anteil an Diesel-Kfz an der Fahrzeugflotte zu reduzieren, sollten geeignete fiskalische Maßnahmen ergriffen werden. (Bundesregierung)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 48

Aufgrund der höheren Störwirkung von Fluglärm sollte der Schwellenwert zumindest auf jenen für Straßenverkehrslärm gesenkt werden. In der Genehmigung von flugver­kehrsrelevanten Vorhaben im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren sollte die Festlegung von Flugrouten und gegebenenfalls erforderlicher Anpassungs­verfahren verbindlich mitgeregelt werden. (BMVIT, BMLFUW)

Um die Fruchtbarkeit der Böden langfristig zu erhalten sowie ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen zu stärken, ist ein schonender Umgang in der Bewirt­schaftung erforderlich. Daher sollten angepasste Bewirtschaftungssysteme, wie z. B. bio­logische Landwirtschaft, angepasste Fruchtfolgen und Bodenbearbeitung, sowie Hu­musaufbau und Begrünung, unter anderem im laufenden ÖPUL-Programm, verstärkt umgesetzt werden. (BMLFUW)

Maßnahmen zu Sanierung, Erhalt und Verbesserung der hydromorphologischen Situa­tion der Gewässer sollten nachhaltig finanziell ausgestattet werden. (BMF, Bundeslän­der)

Einheitliche Methoden zur Identifizierung und Bewertung der Belastung der Gewässer durch (Mikro-)Plastik sollten entwickelt und auf nationaler und internationaler Ebene etabliert werden. (Europäische Kommission, Bundesregierung)

Für die Einhaltung von regionalen Zielwerten sollte ein strategisches Flächenmanage­ment, das die regionalen Besonderheiten und Bedürfnisse berücksichtigt, eingerichtet werden. (Bundesregierung, Bundesländer, Gemeinden)

Die vom Fachbeirat für Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz vorgeschlagenen Maß­nahmen zur Reduzierung des Verbrauchs landwirtschaftlicher Böden sollten umgesetzt werden. Eine regelmäßige Evaluierung auf Basis von Leitindikatoren sollte erfolgen. (BKA, ÖROK, BMLFUW, Bundesländer, Gemeinden)

Um die aktuelle Belastung der Böden mit organischen und anorganischen Schadstof­fen und deren Entwicklung erfassen zu können, sollte ein bundesweit abgestimmtes Bodenmonitoring etabliert werden. (Bundesregierung, Bundesländer)

Zur Reduzierung von Bodenbelastungen durch Blei sollte das Gebot zur Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd auf Wasservögel stufenweise auf sämtliche jagdli­che Aktivitäten ausgedehnt werden. (Bundesgesetzgeber)

Es ist notwendig, Aktionspläne für Einschleppungspfade, Überwachung und Beseiti­gung der invasiven Arten in frühen Invasionsphasen sowie für das Management weit verbreiteter invasiver Arten - insbesondere für invasive gebietsfremde Arten von EU-weiter Bedeutung - zu erarbeiten. (Bundesländer, BMLFUW)

Um die bestehenden Emissionshöchstmengen gemäß Emissionshöchstmengengesetz-Luft einzuhalten, ist - neben einer effektiven EU-Abgasklassengesetzgebung für Die­sel-Kfz - auf nationaler Ebene eine Anpassung des bestehenden NEC-Programms mit Maßnahmen im Verkehr (insbesondere hinsichtlich Diesel-Kfz) und bei industriellen An­lagen zur Stickstoffoxid-Reduktion sowie in der Landwirtschaft zur Ammoniak-Reduk­tion umzusetzen. (Bundesregierung mit Koordination durch BMLFUW)

Zur dauerhaften und vorausschauenden Erreichung der Ziele des IG-L und zur lang­fristigen Annäherung an die WHO-Richtwerte für den PM 2.5 -Jahresmittelwert sollte ein bundesweites Konzept entwickelt werden, wie, zu welchem Zeitpunkt und unter wel­chen Rahmenbedingungen diese Ziele durch kosteneffiziente Maßnahmen auf nationa­ler und regionaler Ebene einzuhalten sind. (Bundesregierung, Landeshauptleute)

Um die (Luft)-Qualität in Innenräumen zu verbessern, sollten weitere Richtwerte für pro­blematische Substanzen abgeleitet werden. Eine Regelung zur Überprüfung dieser Richtwerte in öffentlichen Gebäuden sollte getroffen werden, insbesondere in Kinder­betreuungseinrichtungen und Schulen. (BMGF, BMB, Bundesländer)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 49

Ein nationales Programm für die Entsorgung radioaktiven Abfalls samt strategischer Umweltprüfung zur Umsetzung der RL 2011/70/Euratom ist zu erarbeiten und damit der Prozess zur Schaffung eines Endlagers zu strukturieren. (Bundesregierung)

Gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten mit einem Risiko für die menschliche Gesund­heit sollten priorisiert und Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen ausgearbeitet und umgesetzt werden. (BMGF, Bundesländer)

Als Grundlage für eine weitere Steigerung der Ressourceneffizienz und als Motivation für die Einführung umweltschonender, wenig Material verbrauchender Produkte, sollten die externen Umweltkosten bei den Preisen von Rohstoffen und Gütern berücksichtigt werden. Dies könnte etwa, unter Berücksichtigung der europäischen Rahmenbedingun­gen, durch fiskalische Maßnahmen bewirkt werden. (Europäische Kommission, Bundes­regierung)

Die Abfallvermeidungsmaßnahmen sollten entsprechend dem Abfallvermeidungspro­gramm weitergeführt bzw. umgesetzt werden. Schwerpunkte sollten dabei in den Be­reichen Verminderung des Lebensmittelabfall-Aufkommens, Stärkung von Reparatur­netzwerken und Wiederverwendung gesetzt werden. (Bundesregierung, Bundesländer, Gemeinden)

Im Rahmen der Weiterentwicklung der Ökodesign-Richtlinie sollten abfallwirtschaftliche Aspekte, wie Zerlegbarkeit und Wiederverwendbarkeit, verstärkt berücksichtigt werden. Verbindliche Vorgaben für das Design von elektrischen und elektronischen Produkten, Einrichtungsgegenständen und Bauprodukten sollten eingeführt werden, um die Le­bensdauer dieser Produkte zu verlängern und die Möglichkeiten der Reparatur zu ver­bessern. (Europäische Kommission, Bundesregierung)

Das Thema der hormonschädigenden Chemikalien sollte aufgegriffen und eine natio­nale Plattform sollte eingerichtet werden, um Strategien zum Schutz von Mensch und Umwelt in Österreich zu entwickeln und umzusetzen. Die derzeit laufenden Prozesse auf EU-Ebene sollten durch eine österreichische Position im Hinblick auf regulatorische Schritte zur Minderung der Exposition sowie Forschungsförderungen zu Wirkungen und zur Entwicklung von Testmethoden vorangetrieben und mitgestaltet werden. (Europäi­sche Kommission, Bundesregierung)

Die Umsetzung des Maßnahmenprogramms der ÖREK-Partnerschaft "Energieraum­planung" ist einschließlich Monitoring voranzutreiben. Insbesondere ist eine verdichtete und funktionsgemischte Siedlungsstruktur als wichtiges Ziel der Energieraumplanung in den Raumordnungsgesetzen einheitlich und verbindlich festzulegen. (Bundesregie­rung, Bundesländer, Gemeinden)

Subventionen, die nicht mit Zielen der Energieraumplanung in Einklang stehen, sollten sukzessive reduziert und abgeschafft werden. Die Vergabe von Förderungen sollte ver­mehrt an energieraumplanerische Kriterien gebunden werden. (Bundesregierung, Bun­desländer, Gemeinden)

Der Fokus bei Wachstum und Beschäftigung sollte vor allem auf jenen Sektoren liegen, die wesentliche Beiträge zu einer Green Economy und einer damit verbundenen sozial-ökologischen Transformation leisten können. Um die Zielsetzungen zu erreichen, sollte eine umfassende Green-Economy-Strategie erstellt und ein Umsetzungsplan festgelegt werden. (Bundesregierung)

Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung von Ar­beits- und Sozialstandards sollten geschaffen werden, um eine Sharing Economy zu ermöglichen und nachhaltige Geschäftsmodelle (z. B. Chemikalien-Leasing, Energie­dienstleister etc.) zu forcieren. (Bundesgesetzgeber)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 50

Nachhaltiges Agieren auf den Finanzmärkten sollte durch Ausrichtung auf Langfristig­keit und Nachhaltigkeit mittels entsprechender Regelungen und Anreize (u. a. Finanz­transaktionssteuer), Transparenz, Ausbildung eines Carbon Footprint, Stresstests von Kapitalanlagen in Bezug auf Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sowie Ausweisung und Steuerung von Klimarisiken im Risikomanagement forciert werden. (Europäische Kom­mission, Bundesregierung, Bundesgesetzgeber)

Um den Einsatz fossiler Energieträger und CO 2 -Emissionen zur reduzieren, sollte im Rahmen einer aufkommensneutralen öko-sozialen Steuerreform eine schrittweise an­steigende CO 2 -Abgabe auf fossile Energieträger eingeführt werden. Der Anteil an Öko­steuern am gesamten Aufkommen sollte dabei schrittweise ansteigen. (Bundesgesetz­geber, Bundesregierung)

Vor der Implementierung von Programmen, Strategien, Förderungen und Politiken soll­te frühzeitig und regelmäßig geprüft werden, wie und ob unerwünschte, nicht-nachhal­tige Wechselwirkungen, die die Sustainable Development Goals unterlaufen, ausge­schlossen werden können. (Bundesregierung).

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Umsetzung aller im Elften Umweltkontroll­bericht an sie und den Bundesgesetzgeber gerichteten Empfehlungen unverzüglich ein­zuleiten.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

 


10.36.34

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der Elfte Umweltkontrollbericht ist das Thema, und die Frage, die ich mir in den letzten Tagen gestellt habe – nachdem ich das 35-seitige Arbeitsprogramm der Bundesregierung gesehen habe, wo man gesagt hat, man nehme sich für die nächsten 18 Monate noch einige Leuchtturmprojekte vor –, ist: Wo ist denn die Umweltpolitik ge­blieben?

Der Vorteil daran wäre, dass viele Maßnahmen nicht Geld kosten, sondern tatsächlich Geld bringen könnten. All diese Maßnahmen finden sich aber nicht in dem Arbeitspro­gramm der Bundesregierung wieder. Auf in etwa der Hälfte der 287 Seiten des Um­weltkontrollberichts sind jene Themen aufgelistet, die in der Republik gut auf dem Weg sind, aber die andere Hälfte sind Problemstellungen, hinsichtlich derer man in der Re­publik nicht gut unterwegs ist. Spannend finde ich, dass ich vom Bundesminister immer nur darüber etwas höre, wo man gerade gut unterwegs ist, dass aber noch nie ein kon­kretes Problem erwähnt wurde, das er als nächsten Schritt angehen möchte.

Das passt auch gut zur Arbeitsweise des Umweltausschusses. Es wurde meiner Erin­nerung nach in den letzten drei Jahren noch nie ein Antrag einer Oppositionspartei angenommen, weder wenn er einen konkreten Nutzen gestiftet hätte noch wenn er Steuergeld eingespart hätte noch wenn er der Umwelt gedient hätte. (Zwischenruf des
Abg. Rädler.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 51

Es findet sich einiges zur Energiepolitik, die Energiepolitik gehört aber zum Wirtschafts­ressort von Vizekanzler Mitterlehner. Es finden sich auch sehr konkrete Maßnahmen zur Verkehrspolitik, die aber zum Ressort von Minister Leichtfried gehört. Ich weiß, dass Minister Rupprechter hohe Kompetenz in diesem Bereich hat, aber Kompetenz spiegelt sich nicht in den Maßnahmen wider.

Ich möchte jetzt vier Beispiele nennen, damit man auch etwas besser nachvollziehen kann, wovon ich rede, sonst bleibt das sehr an der Oberfläche.

Wenn ich von Anträgen im Umweltausschuss rede, dann spreche ich zum Beispiel von einem Antrag, in dem der Minister und die Bundesregierung aufgefordert werden, ein kon­kretes Maßnahmenpaket vorzulegen, um den Bereich Umwelttechnologie zu stärken. Wir wissen, dass wir im Wirtschaftsbereich hohe Wachstumszahlen erzielen können, wenn wir weniger Bürokratie und mehr Freiheit für diesen Wirtschaftssektor erreichen könnten. – Es gab bisher nichts. Der Antrag wurde mehrfach vertagt.

Wir haben betreffend HCB-Skandal in Kärnten, bei dem es tatsächlich um die Konta­minierung der Böden und um eine latente Gefahr der Vergiftung der Bevölkerung ging, Konsequenzen und Transparenz gefordert. Unter anderem hat das auch eine Bürger­initiative im Kärntner Görtschitztal gemacht, deren Anliegen auch im Umweltausschuss behandelt wurden. – Es ist bisher nichts passiert.

Wir haben eine Reform der Raumordnung gefordert, weil wir wissen, dass das Bundes­länderkompetenz ist, weil jedes Bundesland das tut, was es möchte. Es gibt keinen ge­samtheitlichen Blick, die Böden werden in einem Ausmaß versiegelt, das wir unseren eigenen Kindern in der Zukunft nie werden erklären können. – Es ist nichts, aber wirk­lich gar nichts, in diesem Bereich passiert.

Wir haben gefordert, dass die Einnahmen aus dem Bereich der Emissionszertifikate – das steht übrigens auch im Umweltkontrollbericht – für nachhaltige Investitionen ver­wendet werden sollen, beispielsweise für die thermische Sanierung, wo es tatsächlich auch Umwelteffekte gibt; nicht in dem Ausmaß, wie das Umweltministerium behauptet, aber es gibt sie. – Passiert ist da nichts.

Das ist die Arbeitsweise, die derzeit in der Bundesregierung und im Umweltministerium im Bereich der Umweltpolitik vorherrscht, und ich muss ehrlich sagen, es gibt wenige Ressorts, in denen ich mehr Stillstand orte.

Ich erwarte, dass Sie – vielleicht auch in Ihrer Rede jetzt, Herr Minister – sehr konkrete Maßnahmen präsentieren, und zwar nicht Maßnahmen, die dann Kollege Mitterlehner oder Kollege Leichtfried umsetzt, sondern Maßnahmen, die Sie in den nächsten 18 Mo­naten umsetzen, die sowohl den Menschen als auch der Umwelt als auch der Wirt­schaft dienen – nicht mehr und nicht weniger ist Ihre Aufgabe. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

10.40


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Weigerstorfer. – Bitte.

 


10.40.56

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Minister! Wer­tes Hohes Haus! Zuerst möchte ich mich dafür bedanken, dass dieser Umweltkontroll­bericht hier im Plenum diskutiert wird und nicht, wie ursprünglich angedacht, im Aus­schuss enderledigt wird. Warum? – Ganz einfach deshalb, weil dieser Umweltkontroll­bericht ein sehr, sehr wichtiges Instrument ist, um im Bereich von Umwelt- und Klima­schutzmaßnahmen entscheidende Weichen in die richtige Richtung zu stellen.

Natürlich zeigt dieser Kontrollbericht auch einige Mängel auf. Fakt ist, unter dem Strich wird, wenn man den Bericht durchliest, immer klarer, dass die Herausforderung der Zu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 52

kunft sein wird, einen Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Umwelt zu schaffen. Das muss gelingen. Umso weniger verstehe ich daher einige Vorgehensweisen.

Der Klimaschutz ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, es ist mir daher unverständlich, warum man zum Beispiel die Mittel für die thermische Sanierung gekürzt hat. Wir wis­sen genau, die thermische Sanierung bedeutet unter dem Strich eine Win-win-Situa­tion, zum einen für die Wirtschaft, zum anderen für die Umwelt und auch für die Sa­nierer, denn jeder hier investierte Förder-Euro hilft beim Energiesparen und erhöht das Wirtschaftswachstum, bringt Arbeitsplätze – von der Reduktion des CO2-Ausstoßes gar nicht zu reden.

Es gibt viele Länder, die da wirklich Vorreiter sind. Wir hören in den Ausschüssen im­mer wieder, wir hören vom Herrn Minister immer wieder, dass Österreich ein Vorrei­terland ist. Dem ist leider schon lange nicht mehr so. Nehmen wir zum Beispiel die Öl­heizkessel her, diese werden in Österreich nach wie vor gefördert. Beispiel Dänemark: 2013 wurde dort schon ein absolutes Installationsverbot im Zusammenhang mit Neu­bauten ausgesprochen. Ich frage mich wirklich, gerade auch angesichts dieses Um­weltkontrollberichts, warum man da nicht endlich in die Umsetzung geht. (Beifall beim Team Stronach.)

Mehrfach angesprochen wurde auch die längst überfällige Ökostromgesetz-Novelle. Wa­rum kann man da nicht wenigstens einmal ein kleines Novellchen starten? Bereits seit dem letzten Jahr wird davon gesprochen, dass man das eh heuer noch umsetzt – bis dato ist das aber immer noch nicht in Angriff genommen worden.

Eines der größten Einsparungspotenziale betreffend Ressourcen liegt – auch dem Um­weltkontrollbericht zufolge – im Verkehrssektor. Da geht man so vor, dass man alles teurer macht, siehe NoVA-Erhöhung, Dieselpreis-Erhöhung oder auch Stichwort MÖSt. Ich denke nicht, dass das der richtige Ansatz ist, um da gegenzusteuern. Vor allem sieht man auch im Arbeitsprogramm „Für Österreich“, dass man versucht, in Zukunft vermehrt den ländlichen Raum zu stärken. Aber wie soll denn das gehen, wenn man zusätzlich die Kosten der Mobilität erhöht? – Das geht sich nicht aus. (Beifall beim Team Stronach.)

Gerade im ländlichen Raum gibt es halt noch nicht so viele Möglichkeiten, mobil zu sein, was in weiterer Folge natürlich Konsequenzen für Arbeitsplätze, Sozialleben et ce­tera hat.

Grundsätzlich sehr positiv finde ich Elektromobilität, aber sie ist leider kein Patent­rezept, wie immer wieder gesagt wird, denn auch dafür hat man eigentlich viel zu we­nig im Vorhinein gemacht.

Wir haben hier eindeutige Zahlen: Laut E-Control bräuchten wir zum Beispiel zwei neue Donaukraftwerke für rund eine Million Elektroautos. Es geht also darum, woher der Strom kommt, vor allem aber auch darum, wie wir ihn transportieren können. Wir wis­sen genau, dass es da in Österreich einige Mängel gibt. Und die nächste Frage, die sich einfach auch stellt, ist, wie mit den Kosten der Strompreiserhöhungen, die es wahr­scheinlich Zug um Zug mit der Elektromobilität, den Elektroautos geben wird, umge­gangen wird.

Wir würden uns wünschen, dass man auch in diesem Zusammenhang präventiv vor­geht, viel vorausschauender vorgeht. Elektroautos sind grundsätzlich gut, weil natürlich der Ausstoß reduziert wird, aber es gibt halt umwelttechnisch schon noch einige Punk­te, in denen man Forschung und Innovation viel mehr forcieren muss. Ich nenne jetzt die Batterien, aber das gilt genauso für Fotovoltaikanlagen, für Windkraft; wir brauchen dafür Lithium, Gadolinium, Neodym, das sind Rohstoffe, die unter großen Anstrengun­gen aus der Erde gewonnen werden. Es sind auch Forschung und Innovationen ge­fragt, um da präventiv und zukunftsorientiert zu agieren.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 53

Zusammenfassend kann man sagen: Der Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Umwelt muss verstärkt werden. Und da muss ich Ihnen, Herr Minister, schon sagen: Lassen wir doch endlich den Worten wirklich auch Taten folgen!

Ich muss auch unterstreichen, dass in den letzten Jahren in den Ausschüssen viel zu wenig weitergegangen ist, das muss man sagen, wenn man dem die tatsächlichen He­rausforderungen gegenüberstellt. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach.)

10.46


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Nach­baur. – Bitte.

 


10.47.02

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Liebe Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Steuerzahler! Und diesmal auch: Sehr geehrte Industrielle! Zunächst einmal herzlichen Dank an unseren Umweltminister für diesen guten, interessanten Umweltkontrollbericht.

Wenn es um die Umwelt geht, denke ich aber immer auch automatisch an unsere In­dustrie. Unsere heimische Industrie trägt im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel zur Wertschöpfung bei und beschäftigt auch überdurchschnittlich viele Menschen, nämlich in Österreich bald eine halbe Million Menschen; man muss natürlich auch die indirekten Arbeitsplätze dazurechnen. Sie ist also ein wirklich wichtiger Faktor in unserem Land. Es ist höchst erfreulich, dass wir so viele tüchtige Industrielle haben.

Problematisch finde ich allerdings, dass die Industrie von der Gesellschaft in Sachen Umweltschutz und Klimawandel oft zum bösen Buben abgestempelt wird – dabei sind die meisten heimischen Industriebetriebe absolute Vorreiter in Sachen Umweltschutz.

Der Finanzchef eines internationalen Industriekonzerns mit Zentrale in der Steiermark hat mir kürzlich erzählt, dass seine Kinder von der Schule nach Hause gekommen sind und gesagt haben: Papi, wir haben gehört, deine Fabrik stinkt! – Dabei ist die Luft, die diese Fabrik verlässt, sauberer als die, die hineinkommt, weil ein Reinraum betrieben wird.

So meine ich, es ist schon die Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch die Bildungs­politik im Besonderen gefragt, ganz allgemein mehr Verständnis für Industrie, Wirt­schaft und auch Technik zu entwickeln und auch die Kinder und deren Interessen in diese Richtung zu fördern. Dass wir mehr Techniker als Soziologen in unserem Land brauchen (Zwischenruf des Abg. Loacker), ist auch eine Tatsache, aber das ist eine andere Debatte.

Wir brauchen jedenfalls eine blühende Industrie in unserem Land, auch die EU sieht das so. (Abg. Loacker: Falsche Rede!) Es gibt mittlerweile eine EU-Strategie zur Rein­dustrialisierung. Diese soll natürlich in einer energieeffizienten, kohlenstoffarmen, emis­sionsarmen und ressourcenschonenden Weise umgesetzt werden und gleichzeitig Wert­schöpfung und Beschäftigung erhalten. Manch einer mag jetzt sagen, das klingt wie die Eier legende Wollmilchsau, aber ich bin davon überzeugt, dass unsere heimische In­dustrie diese Vorgaben nutzen wird, um sich noch besser und noch schneller weiter­zuentwickeln. (Abg. Brunner: Welche Vorgaben?)

Zu weit dürfen wir es mit unserem oft musterschülerartigen Ehrgeiz aber auch nicht treiben, was gesetzliche Regelungen anlangt, denn wenn die Industrie abwandert und anderswo produziert, verlieren wir ja nicht nur die heimischen Arbeitsplätze, sondern das Weltklima hat auch nichts davon, wenn dann anderswo, wo es möglicherweise we­niger strenge Vorschriften gibt, Dreck hinausgeblasen wird.

Im Umweltkontrollbericht steht unter anderem, dass es notwendig ist, in den Indus­trieländern bis Mitte dieses Jahrhunderts weitgehend auf fossile Energieträger zu ver-


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zichten. Besonders wichtig sind meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang die Stromnetze. Stromnetze sind natürliche Monopole, es kann ja nicht jeder sein eigenes Stromnetz aufbauen, man kann Strom international also nur über die existierenden Hochspannungsnetze transportieren und braucht dann für den lokalen Vertrieb öffent­liche Verteilernetze. Im Netz müssen Spannung und Frequenz genau stimmen, das heißt, Angebot und Nachfrage müssen in einem ständigen Gleichgewicht zueinander stehen, was natürlich die Schwächen von Solar- und Windenergie offenbart – die Stär­ken sind ja offensichtlich.

Der Schweizer Wissenschafter Silvio Borner hat in vielen internationalen Studien ge­zeigt, dass Strom aus Solar- und Windanlagen im Netz bei einem Anteil von 30 Pro­zent eine ökonomisch absolut kritische Grenze erreicht. Wenn also nicht Subventionen den eigentlichen Marktwert des grünen Stroms um ein Vielfaches übersteigen sollen und damit den Strom für die Konsumenten viel zu teuer machen, muss noch viel beim Thema Netzentwicklung und Energiespeicherung getan werden. Dekarbonisierung soll nämlich nicht heißen, dass der Kunde, nachdem er die Stromrechnung bezahlt hat, kei­ne Kohle mehr hat.

Es ist also noch viel zu erforschen und zu entwickeln, insbesondere begrüße ich jede staatliche Initiative, die das fördert, beispielsweise auch, dass die Forschungsprämie jetzt auf 14 Prozent erhöht wird. Ich begrüße auch jede Zurückhaltung des Staates in Sachen Bürokratie, damit unsere heimischen Industrieunternehmen das tun können, was sie am besten können, nämlich arbeiten, forschen, entwickeln und neue Produkte erfinden. Bekanntlich hat ja der Staat noch nie etwas erfunden – außer neuen Steuern; aber das hat jetzt dank des Regierungsprogramms Neu ein Ende.

Es wird also jedenfalls der Pioniergeist unserer Unternehmer, der Wirtschaft, der In­dustrie und deren Mitarbeiter sein, der uns allen, insbesondere auch der Umwelt, einen guten Dienst erweisen wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

10.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prei­ner. – Bitte.

 


10.52.30

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kol­leginnen und Kollegen! Werte Zuseher hier auf der Galerie und vor den Fernsehbild­schirmen zu Hause! Auch meinerseits ein herzliches Willkommen! Wir debattieren jetzt den elften Umweltkontrollbericht. Ich danke den Experten sehr herzlich für die Erstel­lung des Berichts. Aus dem Ausschussbericht geht hervor, dass dieser Umweltkon­trollbericht hier im Plenum anscheinend einstimmig beschlossen werden wird – auch das ist etwas sehr Interessantes.

Ich darf erwähnen, dass dieser Umweltkontrollbericht auch Zeugnis davon ablegt, dass wir auf internationaler Ebene in puncto Umweltschutz doch in vielen Bereichen eine Vor­reiterrolle einnehmen. Nach den Ausführungen mancher meiner Vorredner möchte man das kaum für möglich halten, es ist aber tatsächlich so.

Geschätzte Damen und Herren! Österreich hat als einer der ersten Staaten das Pariser Umweltschutzabkommen unterzeichnet, und wir sind gegenwärtig dabei, eine integrier­te Energie- und Klimastrategie auszuarbeiten. Das ist auch im aktuellen Arbeitspro­gramm der Bundesregierung für das laufende Jahr, bis Sommer 2017, so eingeloggt.

Ein diesbezügliches Ziel ist natürlich eine weitere CO2-Reduktion. Ein weiteres wesent­liches Ziel ist, dass wir mehr finanzielle Mittel in Forschung und Entwicklung, auch was erneuerbare Energien betrifft, geben. Ziel ist es, bis 2020 eine Forschungsquote von 3,76 Prozent des BIP zu erreichen. Mit diesem Prozentsatz würden wir den ersten


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 55

Platz in der Europäischen Union einnehmen. Ziel ist es aber auch, dass wir weiterhin intensiv die erneuerbaren Energien forcieren und nutzen. Das schafft Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Green Jobs, vor allem auch in ländlichen Regionen.

Damit bin ich bei einem wesentlichen Thema: Wir wollen bis zum Oktober dieses Jah­res einen Masterplan für ländliche Regionen ausarbeiten und schaffen – diesbezüglich ist vor allem Umweltminister Rupprechter gefordert. Wie ich vorhin bereits erwähnt ha­be, stärkt das auch die ländlichen Regionen und hilft ihnen, wirtschaftlich zu überleben. Das ist eine Forderung meinerseits, die ich schon seit Jahr und Tag erhoben habe.

Betreffend CO2-Reduktion gehen die Bundesländer mit gutem Beispiel voran. Das Bun­desland Burgenland ist bereits seit 2013 stromautark. Das Ziel ist, ab 2020 zu 50 Pro­zent energieautark aus erneuerbaren Energien zu sein.

Ich möchte einige Aspekte erwähnen, die der Umweltkontrollbericht betreffend den Be­reich Landwirtschaft enthält, da ich der Landwirtschaftssprecher der SPÖ-Fraktion bin. Wir haben in Österreich den höchsten Anteil an Biolandwirtschaft in der Europäischen Union, nämlich 20 Prozent – also auch hier eine Vorreiterrolle. Des Weiteren nimmt der Humusgehalt im Boden permanent zu, dadurch wird immer mehr CO2 gebunden. Das Umweltprogramm ÖPUL wird von den LandwirtInnen sehr gut angenommen. Und 27 Pro­zent unserer nationalen Fläche stehen unter Natur- und Landschaftsschutz.

Aus dem Umweltkontrollbericht geht auch hervor, dass die Feinstaubbelastung immer mehr im Abnehmen begriffen ist, und in den letzten Jahren wurden auch 200 Altlasten, was Deponien betrifft, einer entsprechenden Sanierung unterzogen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich denke, das Österreichische Institut für Raumpla­nung und die diversen Landesstellen in den Bundesländern arbeiten gut und nachhaltig für diverse Umsetzungen von raumplanerischen Notwendigkeiten, da wäre daher aus meiner Sicht keine Änderung erforderlich.

Die Herausforderungen für die Zukunft sind ganz klar: Umsetzung der Klimaschutz­ziele, die ich bereits einige Male erwähnt habe. Ein kleiner Wermutstropfen dabei ist das Nitrataktionsprogramm, da ist noch Handlungsbedarf gegeben. Ich bin davon über­zeugt, dass Umweltminister Rupprechter diesbezüglich zeitnah Taten setzen wird.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben, denke ich, erkannt, dass wir nicht nur für uns, sondern auch für die zukünftigen Generationen nachhaltig arbeiten müs­sen (Beifall bei der SPÖ), eine gesunde Umwelt und einen intakten Lebensraum den nachfolgenden Generationen übergeben müssen; dafür ist der Umweltkontrollbericht ei­ne gute Grundlage. – Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

10.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


10.57.07

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Kollege Preiner, die Botschaft hör ich wohl, allein die Fakten sprechen eine andere Sprache. Vergleichen wir doch die Europäische Union in ihrer Gesamtheit seit 1990: CO2-Ausstoß – minus 24 Prozent. Und wo steht Österreich im Jahr 2015? – Eben, auf demselben Niveau bei den Treibhausgasemissionen. Und das ist, meine Damen und Herren, keine Erfolgs­strategie, wenn wir so weitermachen, nämlich nur bei diesen Werten zu bleiben.

Ich weiß schon, Österreich ist eine Industrienation, Frau Kollegin Neubauer (Abg. Nach­baur: Nachbaur!), und es gibt viele innovative Unternehmungen, keine Frage. Das un­terstützen wir auch, und das wollen wir auch, und das müssen wir auch vertiefen, aber: Die Hausaufgaben sind nicht gemacht worden!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 56

Herr Bundesminister, schauen wir uns an, was die Regierung vorgelegt hat: Das Wort Umwelt kommt zweimal vor, einmal in der Präambel. Der Herr Kanzler hat sich auch hingestellt und großartig von der Ausbaufähigkeit der österreichischen Umweltpolitik und auch Wirtschaftspolitik in diesem Zusammenhang gesprochen. – Ja, gut, Über­schriften! Sie, Herr Minister, Sie wären der Fachressortleiter, der genau dieses Thema federführend, aktiv und offensiv voranbringen müsste.

Meine Frage ist – Sie werden sich ja dann zu Wort melden –: Wie werden Sie sicher­stellen, dass tatsächlich unser gesamter Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf den Zielwert 1 050 Petajoule reduziert werden kann? Es ist nicht mehr weit dorthin. Also da stehen Aufgaben vor uns, zu deren Bewältigung wir wirklich ernsthaft gemeinsam an diesem Projekt arbeiten müssen. Darum hat meine Kollegin Brunner auch einen um­fassenden Antrag eingebracht, und ich erwarte mir die Zustimmung von allen Parteien in diesem Haus. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Wir haben ja heute keinen Contra-Redner gegen diesen Umweltkontrollbericht. Es sind also alle der Meinung, dieser Be­richt ist gut, bringt eine gute Analyse und stellt auch die Maßnahmen dar, die not­wendig sind. – Nichts anderes fasst unser Antrag zusammen, Herr Kollege Rädler, und ich erwarte mir, dass Sie unserem Antrag heute zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

Eine ökosoziale Steuerreform, die wir uns im Regierungsprogramm erwartet hätten, ist nicht vorhanden, sie fehlt. Es geht um die Herausforderung der Umsteuerung des Steu­ersystems: weg von der Arbeitskraft, hin zur stärkeren Besteuerung von Energie, ins­besondere fossiler Energie, um diesen Umstieg und den Umbau der Industriegesell­schaft, der notwendig ist, entsprechend zu begleiten. Ja, Herr Minister, das fehlt, dafür haben Sie sich nicht eingesetzt! Im Umweltkontrollbericht wird das als eine der zen­tralen Maßnahmen vorgeschlagen.

Ein Punkt noch: Kollege Preiner hat die positiven Entwicklungen im Bereich der Agrar­produktion angesprochen, insbesondere Biolandbau und Humusaufbau – jawohl, auch da kann ich zustimmen, klar, da gibt es eine Positivstrategie. Was jedoch den Flä­chenverbrauch betrifft, Herr Minister Rupprechter, den Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen, den Bodenschutz, da, sagt der Kontrollbericht, klaffen die Welten ja ganz weit auseinander. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Rupprechter.)

Die Nachhaltigkeitsstrategie verlangt, dass maximal 2,5 Hektar pro Tag verbaut wer­den. Faktum ist, wir liegen derzeit bei 16 Hektar – das ist mehr als das Fünffache!

Meine Damen und Herren, das sind Herausforderungen, bei denen Sie als Landwirt­schafts- und Umweltminister ja sofort gemeinsam mit den Landeshauptleuten aktiv wer­den müssten, um einen Rahmenplan, zum Beispiel in der Regionalpolitik, zu erstellen für eine Raumordnung, ein Rahmengesetz in der Raumordnung, das sicherstellt, dass zum Beispiel interkommunale Wirtschaftsgebiete, interkommunale Betriebsansiedlun­gen zum Normalfall werden und nicht zur Ausnahmesituation.

Das Problem, dass jede Gemeinde Kommunalsteuer haben will und damit die Zersie­delung der Landschaft in unseren Regionen geschieht, ist ein Faktum, und dagegen muss man entsprechende Maßnahmen setzen. (Beifall bei den Grünen.) Auch das ist ein ganz zentraler Punkt des Umweltkontrollberichts.

Ich erwähne noch einige Maßnahmen, die er vorschlägt: Ganz klar und offensiv fordert er die Ressourceneffizienz ein. Das ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts: Wie werden wir es schaffen, mit weniger Ressourcen den Wohlstand zu erhalten und die Ressourcen effizient zu nützen? (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Das beinhaltet etwa Upcycling: Was wir auf der einen Seite haben, ist nicht mehr Ab­fall, sondern der Rohstoff für den nächsten Produktionsprozess, Kollege Rädler! Das bedeutet Umbau des gesamten Produktionssystems in unserer Wirtschaft, und da brau­chen wir endlich konkrete Maßnahmen!


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Abschließend noch ein Punkt, der mir auch besonders am Herzen liegt, Herr Minister: das Thema Pestizidbelastung von Lebensmitteln, aber auch die hormonschädigende Wirkung von Chemikalien. Der Umweltkontrollbericht fordert ganz klar, eine nationale Plattform einzurichten, um dieses Problem endlich auf die Tagesordnung zu setzen, und nicht dem Lobbying der Chemieindustrie oder sonstigen Lobbyisten auf den Leim zu gehen. Österreich soll sich da für eine strenge Umweltgesetzgebung und eine ein­heitliche Vorgangsweise auf europäischer Ebene einsetzen.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch sagen: Wir brauchen umfas­sende Sofortmaßnahmen zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens! Herr Bundesminister Rupprechter, ich erwarte mir, dass Sie jetzt in Ihrer Stellungnahme kon­kret Bezug darauf nehmen, was Sie die nächsten Wochen und Monate bis zum Ju­ni 2017 tun werden, um auch die Opposition bei der Ausarbeitung der österreichischen Klimaschutz- und Energieeffizienzstrategie konkret einzubinden. – Danke schön. (Bei­fall bei den Grünen.)

11.02


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.02.58

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich gehe gerne auf Ihre Ausführungen ein, Herr Abgeordneter Pirklhuber. Ich meine, wir haben ja im Umweltausschuss eine sehr umfassende und sehr konstruktive Debatte zum elften Um­weltkontrollbericht geführt.

Ich möchte mich den Dankesworten an die Mitarbeiter des Umweltbundesamtes an­schließen, die hier ausgesprochen wurden. Die Kollegen Rebernig und Kienzl haben wirklich ausführlich zu allen Fragen und allen Punkten Stellung genommen, die da auf­geführt sind.

Der elfte Umweltkontrollbericht zeigt eigentlich schon sehr erfreuliche, sehr positive Ent­wicklungen im Umweltbereich auf. Ich meine schon, dass das auch zu würdigen ist, wenn Sie sich etwa die Entwicklung der Luftqualität anschauen; auch der ökologische Zustand der Fließgewässer hat sich massiv verbessert. (Abg. Brunner: Schauen Sie sich aktuell die Feinstaubwerte an!)

Die Treibhausgasemissionen sind unterhalb der Obergrenzen des Klimaschutzgeset­zes, die Schadstoffbelastung ist zurückgegangen. Der Anteil der erneuerbaren Ener­gieträger liegt in Österreich bei fast 34 Prozent, das ist einer der Spitzenwerte im euro­päischen Vergleich! Bei der Ressourceneffizienz sind wir überhaupt Nummer eins in der Europäischen Union, ebenso bei den Recyclingraten. – Da sind wir Nummer eins in Europa!

Die Umweltwirtschaft wächst dynamisch im zweistelligen Bereich, und die Landwirt­schaft ist überhaupt ein Musterbeispiel für eine positive Umweltsituation. Einen Anteil von 20 Prozent Biobauern gibt es nirgendwo in Europa und nirgendwo weltweit, da sind wir Nummer eins. 80 Prozent unserer Bauern wirtschaften nach umweltgerechten landwirtschaftlichen Produktionsverfahren in den Agrar-Umweltprogrammen.

Alles schlechtzureden, das ist die Sache der Opposition, und ich muss schon sagen, ich habe – heute und auch im Umweltausschuss – vonseiten der Opposition nicht sehr viele Konzepte, nicht sehr viele Vorschläge gehört. Im Gegenteil: Die Opposition strei­tet untereinander, und die Regierung arbeitet. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Steinbichler. – Abg. Pirklhuber: Konkrete Fragen! – Abg. Brunner: Keine einzi­ge Maßnahme!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 58

30 Jahre ökosoziale Marktwirtschaft wirkt: Unsere Umweltsituation ist so gut wie noch nie. Auch auf internationaler Ebene gibt es zum Glück positive Entwicklungen, und da­zu haben wir unseren Beitrag geleistet. Bei den Verhandlungen zum Pariser Abkom­men waren wir – und Sie, Frau Abgeordnete Brunner, waren selbst mit in Paris dabei – sehr aktiv involviert und haben maßgeblich zum Zustandekommen des Pariser Abkom­mens beigetragen.

Es war das Verdienst dieses Hohen Hauses (Zwischenruf der Abg. Brunner), dass wir im letzten Jahr – auf Vorschlag der Bundesregierung – eines der ersten Länder der Eu­ropäischen Union waren, die dieses Abkommen tatsächlich ratifiziert haben. Wir haben mit dazu beigetragen, dass die Europäische Union ein Schnellverfahren verabschiedet hat, sodass dieses Abkommen mittlerweile bereits in Kraft ist. Weniger als ein Jahr – das hat es noch nie gegeben, und das war auch mit unser Verdienst!

Im September 2015 sind die globalen Nachhaltigkeitsziele festgelegt worden, 17 sehr konkrete Ziele auf Ebene der UNO-Generalversammlung. Das ist eine ökosoziale Agen­da, das ist eine Nachhaltigkeitsagenda. Ökosozial ist auch in der internationalen Staa­tengemeinschaft angekommen, weil ökosozial ein Zukunftsmodell ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Pirklhuber: Umsetzung, und nicht nur Überschriften!)

Natürlich liegen – und das ist ja auch im Umweltkontrollbericht entsprechend darge­legt – große Herausforderungen vor uns, die wir im Sinne der Schöpfungsverantwor­tung im Hinblick auf die nächsten Generationen zu bewältigen haben.

Natürlich gehört der Umgang mit dem Klimawandel zu den vordringlichsten dieser Auf­gaben: die Bewältigung und Bekämpfung einerseits, aber auch die Anpassung an die fortschreitende Erderwärmung andererseits. Die Kreislaufwirtschaft und die Erhaltung der Biodiversität sind weitere solche herausragenden Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben.

Zur Frage von Herrn Abgeordnetem Pirklhuber, wie es mit der konkreten Umsetzung des Pariser Abkommens aussehe: Wir haben schon sehr früh damit begonnen, auch da sind wir im europäischen Vergleich sehr viel weiter als viele der anderen Mitglied­staaten der Europäischen Union. Wir haben im Vorjahr das Grünbuch mit vier Ressorts festgeschrieben: Verkehrsressort, Energieressort, Sozialressort und mein Ressort ha­ben gemeinsam das Grünbuch mit den Optionen erledigt. (Abg. Brunner: Das ist aber auch keine Umsetzung!)

Zweiter Schritt: öffentlicher Konsultationsprozess – eingeleitet, abgeschlossen. Wir hat­ten hier im Hohen Haus eine parlamentarische Enquete zum Klimaschutz (Abg. Brun­ner: Das ist das Parlament!) – auf unsere Initiative hin, bitte! (Abg. Pirklhuber: Auf un­sere Initiative!) Es war unsere Initiative, dass es diese Enquete gibt, die sich sehr posi­tiv und konstruktiv in diese Energie- und Klimastrategie eingefügt hat.

Frau Abgeordnete Brunner und Herr Abgeordneter Pirklhuber! Ich bin überzeugt da­von, dass Sie schon den Endbericht gelesen haben, der am 22. Dezember veröffent­licht wurde. 720 Seiten Ergebnisse der Konsultationen – ich habe das über Weihnach­ten gelesen, und ich bin sicher, Sie auch. Wir werden es ja dann im Umweltausschuss sehen. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Wir arbeiten jetzt nach den Arbeitsgruppen sektoral und integrativ am Weißbuch zur Energie- und Klimastrategie. Auf den Seiten 20 bis 22 ist da übrigens auch der Bereich Energie festgeschrieben. Die Energie- und Klimastrategie wird Ende Juni im Ministerrat verabschiedet und wird natürlich auch im Hohen Haus zu behandeln sein. Auf dieser Grundlage wird der Klimaplan festzuschreiben sein. Wir sind in der Umsetzung, und wir sind vorne mit dabei, darauf können Sie sich verlassen.

Die Treibhausemissionen, das ist richtig, sind im Jahr 2015 um 3 Prozent angestiegen, Sie kennen auch die Ursachen. Wir sind jedoch immer noch unterhalb der 78-Millio-


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nen-Tonnen-Obergrenze des Klimaschutzgesetzes; das ist auch anzuerkennen. (Abg. Brunner: Weil das Klimaschutzgesetz ein Witz ist!)

Die Problembereiche sind uns bekannt: Es sind nach wie vor der Verkehrssektor mit 90 Prozent fossiler Energieabhängigkeit und natürlich auch der Gebäudesektor, wo wir leider, da haben Sie recht, einen sehr hohen Anteil an Ölheizungen haben. Da gilt es anzusetzen.

Mit dem Paket zur E-Mobilität, das Verkehrsminister Leichtfried und ich vorgelegt ha­ben, gibt es gemeinsam mit dem Automobilhandel 72 Millionen € für die Forcierung der E-Mobilität in diesem und im kommenden Jahr. Damit setzen wir genau an diesen Pro­blemstellen an und werden nach einem massiven Zuwachs von Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen im letzten Jahr in den kommenden zwei Jahren einen neuerlichen Schub in diesem Bereich haben. Das ist die richtige Richtung, der richtige Weg.

Was das Städtewachstum angeht – da bin ich Herrn Abgeordnetem Preiner sehr dank­bar für den Hinweis, auch Herr Abgeordneter Auer hat gestern bei der Präsentation des Arbeitsübereinkommens darauf hingewiesen –: Das urbane Wachstum – Wien wächst jährlich fast um die Größe von St. Pölten – ist nicht nachhaltig! Das sind die größten Pro­blemstellen, gerade bei den Speckgürteln um die Ballungszentren herum. Da gilt es da­gegenzuhalten.

Was den Masterplan für die Zukunft des ländlichen Raumes betrifft, so sind wir im Rah­men eines sehr umfassenden Stakeholderprozesses bereits dabei, diesen Masterplan zu erarbeiten. Es ist auch im Arbeitsübereinkommen auf Seite 22 festgeschrieben, dass wir im Herbst dieses Jahres diesen Masterplan im Ministerrat und in weiterer Folge dann natürlich auch im Hohen Haus präsentieren werden.

Natürlich brauchen wir die Energiewende, einen noch stärkeren Ausbau der erneuer­baren Energieträger. Die kleine Ökostromnovelle ist im Arbeitsübereinkommen festge­schrieben und wird heute in Begutachtung geschickt. (Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Wir werden diese im Frühjahr hier im Hohen Haus diskutieren. (Abg. Brunner: Das werden wir sehen!) Das ist eine notwendige und wichtige Maßnahme zur Stärkung und zur Forcierung des Ausbaus auch der Biomasse. (Beifall bei der ÖVP.)

Die große Ökostromnovelle ist ebenfalls festgeschrieben, und angesichts dieses mas­siven Ausbaus der Energiewende bin ich zuversichtlich, dass wir die großen Herausfor­derungen in diesem Bereich, die im Umweltkontrollbericht dargelegt sind, tatsächlich umsetzen und die entsprechenden Ziele erreichen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Steinbichler. – Abg. Brunner: Alternative Facts!)

11.12


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Räd­ler. – Bitte.

 


11.12.31

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Herr Minister Rupprechter! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Das ist eine sehr bemerkenswerte Diskussion und ein sehr bemerkenswerter Diskussionsverlauf, was diese innerburgenländische Differenzierung in der Sichtweise des elften Umweltkontrollberichts angeht.

Danke an Herrn Abgeordneten Preiner, der die Zuversicht und die Erfolge klar darge­legt hat, während Frau Abgeordnete Brunner hier wieder einmal nur die Weltunter­gangsstimmung herbeiredet. Darauf komme ich schon noch zu sprechen, Frau Kolle­gin! (Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Pirklhuber.)

Bemerkenswert ist aber auch, dass Herr Kollege Preiner seitens der SPÖ-Frauen vom Rednerpult weggeklatscht wurde, weil er anscheinend zu lange geredet hat – na ja, das


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 60

ist auch eine eigene Sichtweise innerhalb der Partei. (Abg. Heinzl: Was geht dich das an?!)

Bleiben wir jedoch beim Umweltbericht: Die Sichtweise der Grünen ist jene, dass man natürlich sofort aus der fossilen Energie aussteigen und damit die Handelsbilanz ver­bessern könnte – jährlich um 6 Milliarden €, die man da einspielen könnte. Auf der an­deren Seite haben wir die durch den Klimawandel notwendigen Schritte noch nicht voll­zogen, die Klimaziele nicht erreicht. – Das ist die Position.

Es ist natürlich sehr schwierig, über den Klimawandel zu diskutieren, wenn es so wie jetzt wochenlang minus 8 Grad hat – da braucht man schon ein breites Publikum! (Abg. Loacker: Wollen Sie sich zur Kollegin Winter setzen?) – Wer? Die Kollegin Winter? (Zwischenrufe bei Grünen und NEOS.) – Die ist nicht mehr da, glaube ich, oder? Gibt es sie noch? – Ja, gut. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Zurück zum Thema: Der Energieverbrauch sinkt, aber nicht in dem Maße, wie wir es uns eigentlich gewünscht haben. Der Anteil der erneuerbaren Energie steigt. Ich nenne nur ein paar positive Beispiele, die Bemühungen sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. Die NEOS sprechen ja immer von den dunklen Landesfürsten – die Um­weltpolitik in Niederösterreich, so meine ich, kann man da sehr wohl positiv hervorhe­ben. Wir decken 100 Prozent unseres Strombedarfs aus erneuerbarer Energie – das ist eine Landesumweltpolitik, die herzeigbar ist. Wir haben 30 000 Photovoltaikanlagen. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Es wurde bereits vom Herrn Bundesminister angesprochen, dass im nächsten Jahr für die Elektromobilität rund 70 Millionen € zur Verfügung gestellt werden sollen. Unser Ziel ist es, in den nächsten 30 Jahren 250 000 Elektroautos in Österreich zu erreichen – das ist ein hochgestecktes, aber erreichbares Ziel. (Abg. Steinbichler – ein Foto von Brenn­holzstapeln in die Höhe haltend –: Das ist eure Biomasse!)

Ich darf noch auf die Industrie zu sprechen kommen, die Kollegin Nachbaur angespro­chen hat: Der Gasverbrauch in der Industrie sinkt ebenfalls, das ist erfreulich – auf der anderen Seite müssen wir da noch einiges tun, aber es sind große Chancen vorhan­den. Allein im Bereich der Green Jobs sollen jährlich 20 000 Arbeitsplätze durch neue Technologien geschaffen werden; Elektromobilität und Zulieferindustrie sind da Fakto­ren, aber da gibt es noch weitere gewaltige Chancen.

Auf den Bereich der Siedlungs- und Wasserwirtschaft möchte ich als Bürgermeister auch noch kurz eingehen: In diesem Bereich werden 80 Millionen € investiert, was wich­tig für die Gemeinden ist. Bei Hochwasserschutz und Bodenerosion sind die Gemein­den gefordert und brauchen dringendst die Geldmittel dazu.

Noch einmal zurück zur Position der Grünen: Ich denke an Lambach, ich denke an Graz und das dortige Murkraftwerk – da ist die Position der Grünen eindeutig und klar: verhindern! Es sind 100 Windkraftanlagen in der Warteschleife, es gibt 20 Wasserkraft­anlagen, bei denen es Einsprüche gibt, Frau Kollegin Brunner. (Abg. Brunner: Das liegt an der Verzögerung des Ökostromgesetzes!)

Frau Kollegin Brunner, ich muss Ihnen jetzt einmal etwas zu Ihrer Position sagen! Ges­tern hat es einen Vergleich von Herrn Abgeordnetem Cap mit Herrn Strolz gegeben – ein Vergleich innerhalb Ihrer Partei wäre nicht angebracht. Würde man den Gründer der Grünen, Kaspanaze Simma, mit Ihnen vergleichen, würde er die letzte Kuh verkaufen und auswandern – das ist die wahre Situation! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage Ihnen jetzt eines: Monika Langthaler war auch einmal Umweltsprecherin, und da gibt es einen Qualitätsunterschied zu Ihrer Person. Von Monika Langthaler heißt es:

„In Österreich und Niederösterreich sei die Entwicklung in der Umweltbranche seit 2008 immer wesentlich besser gelaufen als die traditionelle Wirtschaft. Die Beschäftigungs-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 61

zahlen bei den ‚Green Jobs‘ würden kontinuierlich steigen. ‚Durch das Pariser-Klima­schutzabkommen bieten sich auch für österreichische Umwelttechnologieunternehmen unglaubliche Chancen, auch im Ausland mit dieser Technologie aktiv zu sein‘“. (Zwi­schenruf des Abg. Steinbichler. – Abg. Brunner: Das habe ich genau gesagt!)

Davon sind Sie weit entfernt, Sie reden immer wieder vom Weltuntergang. Haben Sie Mut! Reden Sie einmal von der Zukunft und von den Möglichkeiten! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

11.17


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


11.17.46

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister Rupprechter! Lie­be Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn ganz kurz mit dem Antrag beschäftigen, den Kollege Pirklhuber – er ist leider nicht im Raum – unter anderem erläu­tert hat.

Es gibt ja viele Punkte, die in diesem Antrag gut und in Ordnung sind. Es gibt aber, und das ist auch der Grund, warum wir nicht zustimmen werden, auch eine Reihe, eine Vielzahl von Forderungen, die eigentlich an eine falsche Adresse gerichtet sind, weil wir nicht zuständig sind.

Wenn man den Antrag liest, gibt es da die verschiedenen Punkte mit der jeweiligen Zuständigkeit: Forderungen an die Bundesländer, an die Landeshauptleute, an die Ge­meinden, an die Europäische Kommission – so zieht sich das durch. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das ist, meine ich, wirklich ein Problem: Wenn man einen derartigen Antrag einbringt, sollte man schon die Zuständigkeit beachten. Wir sind aber gerne bereit, über manche inhaltlichen Positionen, die da erwähnt und gefordert werden, bei einer der nächsten Ausschusssitzungen zu diskutieren.

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Kontrollbericht führt unter anderem im Kapi­tel 12 – Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft – aus, dass der österreichische Materialverbrauch mit zig Tonnen pro Kopf im europäischen und im internationalen Ver­gleich leider überdurchschnittlich hoch und – das ist ebenfalls sehr problematisch – kei­neswegs nachhaltig ist.

Es liegt daher an uns, der Politik, uns Lösungen für dieses Problem zu überlegen. Es geht hier wohlgemerkt um nachhaltige Lösungen: Die Effekte einer guten – und auch schlechten – Klima- und Umweltpolitik werden zwar nicht wir im vollen Ausmaß erle­ben, aber für unsere Kinder und Enkelkinder, die ganz sicher betroffen sind, ist diese Politik besonders wichtig.

Man muss etwa nicht immer gleich bei jedem kleinen Problem, ob das bei der Wasch­maschine, beim Fahrrad oder bei anderen Produkten ist, dieses Produkt wegwerfen. Es gibt auch andere Möglichkeiten – man kann diese Produkte durchaus auch reparie­ren.

Daher ist es mir wichtig, dass im Text von Plan A unseres Bundeskanzlers vom Vor­schlag einer Reparaturprämie gesprochen wird. Ich denke, dass diese Prämie beson­ders wichtig ist. Durch diese Prämie sollen in Zukunft für Privatpersonen Reparaturen zu 50 Prozent bis maximal 600 € gefördert werden. Diese Förderung bezieht sich auf die Arbeits- und Anfahrtskosten, nicht auf das Material und auf Bauleistungen. Kfz-Re­paraturen sind davon ausgenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 62

Meine Damen und Herren, ich denke, dass die Regierung gut beraten ist, diese Re­paraturprämie durchzusetzen, damit sie im Parlament auch verabschiedet werden kann. Ich bitte auch den zuständigen Minister, dass er in dieser Frage Tempo macht, damit wir in Bälde derartige Beschlüsse hier im Parlament fassen können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.20


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Willi. – Bitte.

 


11.21.04

Abgeordneter Georg Willi (Grüne): Herr Präsident! Herr Umweltminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über den elften Umweltkontrollbericht des Um­weltbundesamtes. Natürlich rede ich über die Zukunft, Herr Kollege Rädler. Es geht im­mer um die Zukunft, denn die beginnt jetzt gerade. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Nur, bevor ich über die Zukunft rede, mache ich einen Blick zurück.

Das Umweltbundesamt wurde 1985 gegründet. 1987 trat ein Mann aus Ihren Reihen auf, Josef Riegler, und hat die ökosoziale Agrarpolitik proklamiert. (Abg. Rädler: Markt­wirtschaft!) – Zuerst war es die Agrarpolitik und dann die Marktwirtschaft. (Ruf bei der ÖVP: Das ist richtig!) Der Herr Minister hatte aus diesem Anlass letzte Woche eine sehr gute Veranstaltung in seinem Ministerium: „30 Jahre Ökosoziale Agrarpolitik und Marktwirtschaft“.

Herr Minister, dieser fast 80-jährige Mann hat eine Rede gehalten, die beeindruckend war. Riegler war ein Visionär, der aufgrund von Problemen der Zeit erkannt hat, dass ra­dikale Änderungen nötig sind. Das sind große Fußstapfen, Herr Minister – auch für Sie.

Zehn Jahre später kam das Kyoto-Protokoll, der erste große Weltklimavertrag. 2015 kam „Laudato si’“. Herr Minister, Sie schätzen den Papst und Sie hören auf den Papst. Ich zitiere einen Satz aus dieser Enzyklika. Dort heißt es, „dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Um­weltdiskussion aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Kla­ge der Erde“.

Diese Enzyklika ist ein ganz großes ökosoziales Manifest. Wenn Sie schon der Op­position nicht glauben, Herr Minister, dann hören Sie wenigstens auf den Papst, denn da steht in Wirklichkeit alles drinnen! (Heiterkeit der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

Jetzt haben wir also diesen elften Umweltkontrollbericht, und ich zitiere daraus drei ganz zentrale Passagen.

Erstes Zitat: „Für Österreich sind in einer nationalen integrierten Energie- und Klima­strategie ambitionierte quantitative Ziele für erneuerbare Energie und Energieeffizienz bis 2030 und 2050 zu vereinbaren und verbindlich festzulegen.“

Zweites Zitat: „In weiterführenden Umsetzungsstrategien sollten klare Verantwortlich­keiten und Verbindlichkeiten […] vorgesehen werden.“

Drittens: „Der weitestgehende Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger auf Ba­sis der EU-Zielsetzungen ist festzuschreiben“.

Das steht da drinnen, Ende 2016.

Jetzt, 2017, kommt das Regierungsübereinkommen, das gestern vorgestellt wurde. Da gibt es zwei interessante Passagen, eine davon beschäftigt sich mit der Flugabgabe. Da steht drinnen: Im April 2017 – ein ganz konkretes Datum, April 2017 – wird die Flug­abgabe halbiert. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die Flugabgabe gibt es in drei Aus­formungen. Für Kurzstrecken – ganz Europa, ganz Russland und Nordafrika, also fast alle Flüge aus Österreich – sind es 7 €. Dann gibt es eine mit 15 € und eine mit 35 €. Genau diese Flugabgabe halbieren Sie. (Bundesminister Rupprechter: Ich nicht!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 63

Das ist unverständlich! In einer Zeit, in der wir über das Pariser Abkommen und dessen Umsetzung reden, halbieren Sie die Flugabgabe und schenken der Luftfahrtindustrie, die ohnehin jede Menge Privilegien hat, 3,5 € pro Flug. Das ist das erste Signal: Wir privilegieren die ohnehin umweltschädliche Luftfahrt.

In der zweiten Passage geht es um die Energie- und Klimastrategie. Ich zitiere: „Bis Sommer 2017 wird die gemeinsame integrierte Energie- und Klimastrategie der Bun­desregierung fertig gestellt und im Ministerrat beschlossen. Ziel ist eine Strategie, die aus volkswirtschaftlicher Sicht das Optimum für Österreich bringt, indem sie Rahmen­bedingen für Investitionen und damit Wachstum und Arbeitsplätze schafft.“ – Das ist also ein sehr volkswirtschaftlicher Blick auf das Ganze. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Herr Minister! Weiter hinten steht dann: „Das Zielquadrat Nachhaltigkeit, Wettbewerbs­fähigkeit, Leistbarkeit, Versorgungssicherheit, sowie EU 2030 & Pariser Klimaziele bil­den den Rahmen“ für die Energie- und Klimastrategie. – Nur: Das ist aus heutiger Sicht Wischiwaschi. Da steht keine konkrete Zahl, da stehen keine konkreten Vorgaben, also all das nicht, was das Umweltbundesamt einfordert. Herr Minister, ich frage Sie: Wie soll das je etwas werden?

Kollege Rädler sagt, wir seien gegen Windräder oder Wasserkraft. Wir sind für Wind­räder, wir sind für Wasserkraft, für Sonnenenergie, wir sind für alle Formen erneuer­barer Energie! (Abg. Rädler: Was war in Graz?) Das heißt aber nicht, dass wir für je­des Windkraftwerk und für jedes Wasserkraftwerk sind. Man muss sich das Umfeld der einzelnen Projekte anschauen, und genau das tun wir. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Rädler, Sie wissen als Bürgermeister genau, dass man bestimmte Ziele hat – und manches davon kann man machen. Man kann Wasserkraftwerke bauen, aber eben nicht jedes. Man kann Windkraftwerke bauen und soll es tun, aber nicht an jedem Stand­ort. Das weiß doch jeder von uns.

Was wir also wollen, Herr Minister, ist, dass Sie nicht nur ein Handelsminister für Agrar­produkte sind, sondern dass Sie endlich in die Fußstapfen Ihres großen Vorgängers Josef Riegler treten. Diese Fußstapfen müssen Sie einmal füllen. Sie können sie nur füllen, wenn Sie endlich das tun, was der Papst, von dem Sie sehr viel halten, Ihnen vorgibt. (Bundesminister Rupprechter: Muss er mich jetzt segnen, oder was?) – Ob er Sie segnet, ist mir egal.

Der Punkt ist aber: Wenn Sie segensreich wirken wollen, dann ist das, was Sie derzeit vorgelegt haben, viel zu schwach. Sie müssen endlich konkrete Zielvorgaben machen, und das ist ein Prozess, zu dem ich nur sagen kann: Nehmen Sie sich ein Beispiel an Josef Riegler! (Beifall bei den Grünen.)

11.27


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Rauch zu Wort. – Bitte.

 


11.27.47

Abgeordneter Mag. Johannes Rauch (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt den Umweltkon­trollbericht. Georg Willi, ich gebe dir recht: Berichte sind immer dann etwas wert, wenn man sie analysiert und dann die Schlüsse für die Zukunft daraus zieht.

Wie zweischneidig aber das Schwert ist, hast du jetzt anhand der Flugabgabe gezeigt. Wenn man A sagt, dann muss man eben auch B sagen. Warum halbiert man die Flug­abgabe? – Du hast natürlich dezent den zweiten Satz weggelassen. Ich denke, es gibt einen Grund, warum man das tut, und ich empfinde das als richtig. Es geht nämlich auch um den Flughafen Wien – so wie es da auch steht, ich zitiere jetzt: „Damit sichert die Bundesregierung die internationale Drehkreuzfunktion des Flughafens Wien lang-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 64

fristig ab.“ (Abg. Moser: Das hat er doch sowieso! – Zwischenrufe der Abgeordneten Brunner und Willi.) Das heißt, daran hängen Arbeitsplätze am Wiener Flughafen. (Abg. Moser: Wegen 3,5 €!)

Ich komme schon zum Nächsten: Du sagst, ihr seid nicht gegen Wasserkraft und Wind­energie. Bei den meisten Projekten – erinnere dich an einige Tiroler Projekte – seid ihr aber dagegen. Da würde ich auch sagen, wer A sagt, muss auch B sagen, und ich würde mir von euch mehr Mut in der Umweltpolitik wünschen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Genau!) Ich denke, es geht ja um die Umsetzung, und wir werden das auch bei diesem neuen Regierungsübereinkommen sehen. Natürlich zählt die Umset­zung, und da wäre oft einfach mehr Mut wünschenswert.

Andererseits muss man etwas erwähnen, wenn wir schon beim Thema Klimaschutz und erneuerbare Energien sind: Wir sind ja beide Tiroler, und ich denke, mit der Tarif­reduktion in Tirol ist gestern zum Beispiel ein Meilenstein gelungen. Ich meine, das ist ein richtiger Schritt, wenn man die Tarife im öffentlichen Verkehr um bis zu 75 Prozent senkt. Man muss auch sagen, dass das eine gemeinsame Regierung aus ÖVP und Grünen gemacht hat.

Da bin ich schon beim nächsten Punkt: Man muss einfach dieses Kirchturmdenken ab­legen – genau so, wie Kollege Bernhard sagt. Das ist in der Zuständigkeit des Ver­kehrsressorts, und jenes ist in der Zuständigkeit des Herrn Mitterlehner im Energie­ressort – ich denke, dieses Kirchturmdenken ist im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich komplett fehl am Platz. Ich glaube, der Bevölkerung und der Jugend – wenn ich Kol­legin Brunner jetzt sehe – geht es nicht darum, welches Ministerium was macht, son­dern darum, dass wir eine Gesamtstrategie haben und dass wir im Klimabereich eben jene Maßnahmen setzen, die einfach wichtig sind.

Zum Abschluss vielleicht noch ein interessantes Zitat von Sigmar Gabriel, damals noch Wirtschaftsminister, jetzt Außenminister: Es ist um die E-Mobilität in Deutschland ge­gangen, er ist auch von den Grünen in Deutschland kritisiert worden, dass zu wenig geschieht. Darauf hat Sigmar Gabriel gesagt, dass man dann eben auch B sagen muss, zum Beispiel in der Autoindustrie: Ein Elektroauto hat weniger Serviceintervalle, es gibt weniger Produktionseinheiten. Das kostet natürlich auch Hunderttausende Ar­beitsplätze in Deutschland. Ich denke, da muss man eben dann auch B sagen, also ehrlich sein und sagen: Okay, wir müssen dann jene Menschen, die aufgrund von E-Mo­bilität vielleicht ihren Arbeitsplatz in dieser Form nicht mehr haben, woanders in der Wirt­schaft unterbringen.

Genau das bedeutet es, auch B zu sagen, wenn man A sagt. Daher appelliere ich an alle in der Umweltpolitik, dann auch immer das B mitzunehmen.

Ich denke aber, wir sind alle auf einem guten Weg. Der Herr Minister leistet hervor­ragende Arbeit. Wir haben es auch jetzt im Regierungsübereinkommen neu drinnen: Ökostromgesetz – kleine Novelle, große Novelle.

Ich spreche noch einmal die Einladung aus, mitzustimmen. Gemeinsam bringen wir im Umweltbereich am meisten weiter. Legen wir dieses Kirchturmdenken ab, dann werden wir in diesem Bereich gemeinsam sehr erfolgreich sein! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Genau um das geht’s!)

11.31


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Greiner. – Bitte.

 


11.31.23

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Was sagt dieser elfte Umweltkontrollbericht aus? – Er zeigt uns den Zustand un­serer Umwelt und wie Maßnahmen wirken, die bisher gesetzt wurden. Es zeigt sich,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 65

dass Österreich im internationalen Vergleich sehr ambitioniert und aktiv agiert. In die­sem Bericht finden sich zudem Empfehlungen der Expertinnen und Experten des Um­weltbundesamtes.

Klimaschutz, Energieeffizienz, Energiewende sind in aller Munde und finden sich auch im Regierungsprogramm. Im Wesentlichen geht es um die Senkung des Schadstoff­ausstoßes, um die generelle Reduktion des Energieverbrauches und um eine Energie­wende weg von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien. Aktuell – wir ha­ben es heute schon ansatzweise gehört – beträgt der Anteil fossiler Energieträger am gesamten Energieverbrauch in Österreich nach wie vor zwei Drittel. Erfreulich ist zwar, dass die erneuerbaren Energien verstärkt genutzt werden, aber da geht noch mehr.

Wo kann man außerdem konkret ansetzen, neben dem Ausbau von Windkraft, Photo­voltaik, Solaranlagen? – Zum Beispiel kann man bei spezifischen Förderungen im Wohn­bau in Richtung Niedrigstenergiehäuser ansetzen.

50 Prozent der Treibhausgase werden vom Verkehr verursacht. Es sind nachhaltige Maßnahmen in der Mobilität gefragt. Diese Maßnahmen erfordern allerdings ein gutes Zusammenspiel diverser Ressorts: Technologie, Innovation, Infrastruktur, Wirtschaft und Umwelt. Der Ausbau der Elektromobilität ist entscheidend. Infrastrukturminister Jörg Leichtfried – Herr Minister, Sie waren auch dabei – hat ein ansehnliches Paket in der Hö­he von 72 Millionen € geschnürt. Diese Maßnahmen greifen bereits im kommenden März.

Bei den öffentlichen Investitionen in Forschung und Innovation im Energiebereich liegt Österreich an einem europäischen Spitzenplatz. Da könnte Österreich aber noch stär­ker fokussiert agieren – gerade in Fragen der Elektromobilität, der Verbesserung der Akku- und Batteriesysteme – und das dann auch verstärkt exportieren. Das hätte ja auch eine nachhaltige Wirkung auf den Wirtschaftsstandort Österreich und vor allem auch auf die Arbeitsplatzsituation.

Erfolgreiche Klimaschutzmaßnahmen haben der Transformation von Wirtschaft und Ge­sellschaft Rechnung zu tragen. Wir wissen, dass viele Leute weg vom Land in städti­sche Gebiete ziehen. Das heißt, öffentlicher Verkehr und Infrastruktur sind zu optimie­ren.

Es geht außerdem auch darum, die Versiegelung der Böden zu stoppen. Es geht da­rum, Bebauung mit Weitblick zu genehmigen und mit einem strategischen Flächenma­nagement dafür zu sorgen, dass Böden wirklich nachhaltig geschützt und genützt wer­den können, und Wasserreserven zu schützen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Umweltkontrollbericht ist eine fundierte Ent­scheidungsgrundlage für alle, die in der Politik auf regionaler, nationaler oder interna­tionaler Ebene Entscheidungen zu treffen haben. Er ist auch für alle Akteure relevant. Setzen wir uns unsere ambitionierten Ziele in einem starken internationalen Zusam­menspiel, damit wir unsere Zukunft nachhaltig und ressourcenschonend gestalten kön­nen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.34


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


11.35.00

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Umweltkontrollbe­richt ist – das wurde ja von einer Reihe von Vorrednern auch schon ausgeführt – ein klarer und guter Spiegel des meiner Meinung nach weltweit einzigartigen Zustands un­serer Umwelt und Natur. Wir sind auch stolz auf unsere Natur, die auch von vielen Tou­risten, die zu uns kommen, geschätzt wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 66

Der Bericht zeigt auf der anderen Seite auch klar auf, welche positiven Effekte Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen haben, die seitens der Bundesregierung, aber auch sei­tens der Länder und der Gemeinden, die in diesem Bereich auch sehr viel machen, ge­setzt werden.

Ich denke – und das sollte man auch betonen –, dass das gestern präsentierte neue, aktualisierte Regierungsprogramm wichtige Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit beinhaltet. Gerade meiner Fraktion, der ÖVP, war das immer sehr wichtig. Wir haben in der Geschichte immer schon auf die ökosoziale Marktwirtschaft gesetzt, die gerade jetzt das 30-jährige Jubiläum gefeiert hat und wirklich ein führendes Zeichen für die Nachhaltigkeit der Politik ist.

Ich meine, mit der jetzt in Erarbeitung befindlichen Energie- und Klimastrategie, die ein abgestimmtes, umfangreiches Programm für die Bundesregierung vorgibt, werden we­sentliche Schritte gesetzt. Es wurde auch schon von einigen angesprochen, dass es natürlich um den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energieträger geht. Das soll aber nachhaltig, ausgewogen und vernünftig geschehen, sodass auch die Versorgungssi­cherheit sichergestellt wird und die Strommärkte nicht ins Trudeln kommen.

Der Umweltkontrollbericht zeigt auch auf, dass ein Knackpunkt der Bereich der Mo­bilität ist. Das ist ja grundsätzlich auch nichts Neues. Natürlich, der Verkehr nimmt zu, und damit auch die Emissionen, die damit verbunden sind. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) Ich denke, es ist ein Zeichen der Zeit, und wir müssen in die Richtung gehen, emissionsarme Antriebs- und Kraftstofftechnologien umzusetzen und vor allem die Elektromobilität zu fördern. Ich glaube, in diesen Technologien liegt die Zukunft des Fahrens. Da können wir positive Effekte für Umwelt und Luftqualität erzielen. Wir müs­sen Anstrengungen in diese Richtung unternehmen. Das vorgelegte Aktionspaket der Bundesregierung zur Förderung der Elektromobilität ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Der Bericht ist ja sehr umfangreich, und man könnte zu vielen Themen der Umwelt­politik Stellung nehmen. Der Bericht zeigt auf, dass unsere Umwelt in einem guten Zu­stand ist, dass viele positive Maßnahmen gesetzt werden, die greifen. Ich darf mich beim Umweltminister und bei der gesamten Bundesregierung bedanken. Wir stehen, was die Umwelt betrifft, gut da. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.37


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Buchmayr. – Bitte.

 


11.37.21

Abgeordneter Harry Buchmayr (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Hohes Haus! Der Umweltkontrollbericht beschäftigt sich von Energie bis nach­haltige Entwicklung mit sehr vielen Themen; das wurde bereits aufgezeigt. Ich möchte mich näher mit dem Thema Chemikalien auseinandersetzen. Für mich ist dieser Be­reich ein durchaus positives Beispiel dafür, wie die EU den einzelnen Ländern durch Verordnungen Vorgaben macht, die oft sehr schwierig durchzuführen sind, aber Syste­matik in das Thema bringen.

Als Beispiel sei die REACH-Verordnung genannt, die gewährleistet, dass auf dem eu­ropäischen Markt nur Chemikalien gehandelt werden dürfen, deren Gefährdungspoten­zial genügend bekannt ist. Alle Ein- und Ausgangsstoffe in Firmen müssen zum Bei­spiel registriert und klassifiziert werden. Die CLP-Verordnung sorgt hingegen dafür, dass alle gefährlichen Gemische mit einheitlichen Kennzeichnungen versehen und mit Piktogrammen gekennzeichnet werden müssen. All diese Verordnungen dienen letzt­endlich dazu, uns Konsumenten eine Übersicht zu bieten und uns vor sehr gefährli­chen Chemikalien zu schützen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 67

Es gibt immer wieder Graubereiche und Problemfälle. Ein Beispiel, das wir vor Kurzem im Umweltausschuss diskutiert haben, betrifft Bisphenol A. Diese Chemikalie wird in Kunststoffprodukten wie Spielzeug, Sichtfenstern und auch bei CD- und DVD-Rohlin­gen eingesetzt. Bisphenol A kann im menschlichen Körper wie das weibliche Hormon Östrogen wirken und wird für die zunehmende Unfruchtbarkeit von Männern verant­wortlich gemacht. Auch für Kleinkinder hat Bisphenol A besonders starke Auswirkun­gen. Daher ist es seit 2011 zumindest in Babyfläschchen verboten. In Österreich ist es zusätzlich in Schnullern und Beißringen verboten.

Ein weiteres aktuelles Beispiel ist die Behauptung einiger Medien, dass die EU Bunt­stifte und Wasserfarben verbiete. In Wirklichkeit wurden nur die Grenzwerte für Blei nach unten gesetzt. Ziel dieser Verschärfung ist es natürlich, Kinder unter drei Jahren zu schützen. Laut Studienergebnissen soll ein Kind nicht mehr als 0,5 Mikrogramm Blei pro Kilogramm Körpergewicht am Tag aufnehmen. Das hört sich sehr viel an. Wenn man einen Wert haben will: Jedes Kind müsste 18 Bleistifte pro Jahr essen. Das tut na­türlich kein Kind.

Besonders freut mich, dass Österreich eine Vorreiterrolle im Bereich der Untersuchung von Nanomaterialien einnimmt. Die Gefahren und Risiken für Mensch und Umwelt durch diese neue Technologie sind zum Teil noch unerforscht. Durch die seit dem Jahr 2000 gültige EU-weite Kennzeichnungspflicht von Nanomaterialien in kosmetischen Artikeln nimmt aber laufend das Wissen über deren Einsatz zu. Da es in der REACH-Verord­nung keine nanobezogenen Detailvorschriften gibt, bitte ich hiermit die Bundesregie­rung, sich dafür verstärkt einzusetzen. Österreich muss weiter eine Vorreiterrolle spie­len und diese Themen ernsthaft vorantreiben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.40


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Strasser gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.

 


11.40.52

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es wur­de bereits erwähnt, dass in Niederösterreich 100 Prozent des Stroms aus erneuerba­ren Energien erzeugt werden. Das ist ein Zeichen dafür, dass nicht nur in Niederös­terreich, sondern in ganz Österreich an vielen Projekten gearbeitet wird und, Frau Brun­ner, ganz schön was weitergeht. (Zwischenruf der Abg. Brunner.)

Eine zweite Zahl aus dem Umweltbericht – da haben wir noch Luft nach oben – betrifft die Analyse, dass zwei Drittel der insgesamt verbrauchten Energie in Österreich aus fossilen Energieträgern stammen. Das macht uns Probleme in der Umwelt und im Kli­maschutz, das macht uns Probleme, weil Kaufkraft ins Ausland verloren geht, und das macht uns Probleme, weil wir in eine gewisse wirtschaftliche Abhängigkeit kommen. Da kann die Land- und Forstwirtschaft in Österreich die Situation verbessern.

Es ist auch noch Luft nach oben, wenn wir die Klimabilanz verändern wollen, wenn wir Arbeitsplätze sichern und schaffen wollen und wenn wir uns aus dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit lösen und die Versorgungssicherheit verbessern wollen. Ich kann Ihnen sagen, im Vergleich mit dem Nahen Osten oder im Vergleich mit Russland sind die österreichischen Bäuerinnen und Bauern mit Sicherheit ein weit verlässlicherer Part­ner.

Ein Szenario aus den letzten Wochen: In Österreich sind wir speziell im Winter sehr von den Stromimporten abhängig, im Winter sind Photovoltaik und auch die Wasser­kraft nur begrenzt verfügbar; und wenn, wie im Jänner geschehen, auch noch eine Wind­flaute dazukommt, dann kann es passieren, dass es zu einem Versorgungsengpass kommt. Das hat dann Einfluss auf den Energiepreis, und so ist es geschehen, dass der


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Börsenpreis der Energie von 28 Cent auf 90 Cent gestiegen ist. Dieses Szenario ist nicht nur teuer, sondern es fördert auch die Abhängigkeit von Atomstrom und auch von Kohlestrom.

Die österreichische Biomasse hätte da ein interessantes Angebot, um diese Abhän­gigkeit, um diese negative Entwicklung positiv zu beeinflussen. Mit Kraft-Wärme-Kopp­lungen und auch mit Biogas sind wir in der Lage, diese Situation zu verbessern. Ich glaube, es ist ein Muss in der zukünftigen Klimastrategie, dass wir österreichische Bio­masse verstärkt in unsere Zyklen einsetzen.

Ganz kurz zum Schluss einige wichtige Punkte aus dem Programm für Österreich, Kapitel Energie und Nachhaltigkeit: Die kleine und die große Ökostromnovelle, der Masterplan für den ländlichen Raum und das Bestbieterprinzip für die Lebensmittel im öffentlichen Einkauf sind wichtige Signale an den ländlichen Raum, sind wichtige Si­gnale für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern, damit wir auch in Zukunft ein verlässlicher Partner in diesem wunderschönen Land sein werden.

Wir geben täglich unser Bestes, mit harter Arbeit und viel Know-how, damit Österreich auf einem guten Weg bleibt. – Danke schön und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

11.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


11.44.04

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine lie­ben Kolleginnen und Kollegen! Dieser Umweltkontrollbericht gibt einen Überblick über die Istsituation in Österreich. Man kann feststellen, dass wir gut unterwegs sind und dass der Minister sehr wohl in die Fußstapfen von Josef Riegler passt, weil er jemand ist, der versucht, die ökosoziale Marktwirtschaft in seiner Regierungsverantwortung um­zusetzen, Herr Kollege Willi! (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Daher danke ich dir recht herzlich, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt natürlich viel zu tun, und ich weiß, dass auch Ihr Vater schon sehr für die öko­soziale Marktwirtschaft eingetreten ist. Mich freut es, dass Sie das auch übernommen haben und dass diese Wurzeln gegeben sind. Jetzt sollten wir halt angesichts der Kli­maveränderung versuchen, Maßnahmen zu setzen, um dem auch gerecht zu werden.

Wie können wir das tun? – Ganz konkrete Maßnahme: Setzen wir uns intensiv, auch hier in diesem Hohen Haus, mit dem Thema Energieeffizienz auseinander! (Abg. Brun­ner: Wir haben ein Gesetz beschlossen, die Regierung hat es nicht umgesetzt!) Prüfen wir alle Möglichkeiten, auch gemeinsam mit der Europäischen Union, mit der Europäi­schen Investitionsbank, mit dem Juncker-Fonds, den Gemeinden, den öffentlichen Ge­bäuden, den Ländern, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, um in Energieef­fizienz zu investieren! Machen wir das, wir haben die Möglichkeiten!

Wir reden seit 20 Jahren oder länger von der Ökologisierung des Steuersystems, wo­bei es darum geht, aufkommensneutral eine Ökologisierung des Steuersystems vorzu­nehmen – auf der einen Seite den Faktor Arbeit, der circa fünfundzwanzigmal so hoch besteuert ist wie die fossile Energie, entsprechend zu entlasten und andererseits An­reize für die Menschen zu schaffen, sorgsamer mit Energie, mit Umwelt und mit Res­sourcen umzugehen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brunner und Steinbichler.)

Das ist ökosoziale Marktwirtschaft, das haben wir verstanden – Ausnahme: Kollege Willi. Aber bei den Grünen habe ich oft den Eindruck, sie kopieren, aber kapieren es nicht, meine Damen und Herren! (Abg. Brunner: Nein, Sie kapieren es nicht! – Zwi­schenruf des Abg. Willi.)

Weiterer wesentlicher Punkt: Warum sind Sie, die Grünen, gegen den Ausbau der Wasserkraft in Graz? Frau Kollegin Glawischnig, erklären Sie heute hier, warum Sie


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gegen das Murkraftwerk in Graz sind! (Abg. Brosz: Weil nicht jedes Wasserkraftwerk intelligent ist!) Das würde, in Kombination mit Biomasse, die Möglichkeit schaffen, Graz zu einer Ökostadt zu machen. Das wollen wir, und das will auch Bürgermeister Nagl, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Ab­geordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Brosz: Machen wir Hainburg auch zu einer Ökostadt?)

11.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Hofinger. – Bitte.

 


11.47.00

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Umweltkontrollbericht zeigt uns, dass wir in Österreich sehr gut unterwegs sind, aber es liegen auch große Herausfor­derungen vor uns. Ich möchte besonders den Klimawandel ansprechen, der vor allem die Landwirtschaft vor große Herausforderungen stellt. Denkt man an die Spätfröste des letzten Jahres oder an die Dürren der vergangenen Jahre, dann weiß man, es kommt auf die Landwirtschaft in der Zukunft ganz schön etwas zu. Im Umweltkon­trollbericht wird das auch beziffert: Bis 2050 werden diese ökonomischen Schäden bis zu 8 Milliarden € betragen. Das muss uns zu denken geben. Ich meine, wir müssen wirklich danach trachten, etwas umzusetzen, um den Energieverbrauch zu senken. Wir müssen auch unbedingt die fossilen Energieträger eingrenzen, und ich glaube, da kön­nen wir schon auf ein sehr gutes Modell zurückgreifen.

Ich möchte mich beim Herrn Bundesminister recht herzlich dafür bedanken, dass er die Elektromobilität besonders fördert. Ich glaube, das ist ein Zukunftsmarkt. Man sieht das auch in Oberösterreich: Im Mühlviertel siedeln sich bereits Firmen an, die in diesen Be­reichen arbeiten. Diese sind sehr gut unterwegs, und ich denke, da haben wir sicher Möglichkeiten, Arbeitsplätze zu schaffen.

Eine Schlüsselrolle nehmen aber auch die Biomassebetriebe in der Landwirtschaft ein, die Energie aus erneuerbaren Energieträgern gewinnen. Sie senken den CO2-Ausstoß, sie schaffen Arbeitsplätze, und sie kurbeln die Wirtschaft an; das ist etwas Besonderes und ganz wichtig. Es freut mich, dass in dem überarbeiteten neuen Regierungspapier auch die kleine und die große Ökostromnovelle besondere Berücksichtigung finden, denn die Leute warten darauf. Die Familien, die dahinterstehen – sehr viele Arbeitsplät­ze –, brauchen eine Antwort, und ich glaube, da sind wir auf einem sehr guten Weg.

Die Landwirtschaft insgesamt ist der beste Umweltanwalt an sich. Das zeigt sich auch darin, dass 80 Prozent der Bauern in Umweltprogrammen aktiv dabei sind, und das, glaube ich, ist wirklich ein Erfolgsmodell. Auch der hohe Anteil an Biobetrieben in Ös­terreich zeigt, dass bei uns mit der Umwelt besonders sorgsam umgegangen wird.

Ich möchte abschließend aber noch ganz kurz einen kleinen Appell an die Konsu­menten richten. Gerade im Lebensmittelbereich müssen die Konsumenten noch mehr sensibilisiert werden, vor allem regionale Produkte zu kaufen, denn gerade die langen Transportwege machen große Probleme. Ich glaube, dass wir da gut unterwegs sind, aber die Konsumenten gehören noch mehr sensibilisiert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.49


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Doppler gelangt als Nächster zu Wort. – Bitt


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 70

e.

 


11.50.05

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren über den elften Umweltkontrollbericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Um­welt und Wasserwirtschaft. Herr Minister, ein herzliches Dankeschön für diese Unter­lage! Ich glaube, das ist ein gutes gemeinsames Paket.

Herr Kollege Willi, wenn dir dieser Bericht nicht gefällt, sei es dir unbenommen, aber der Bericht selbst ist in Ordnung. Ich glaube, der kann sich herzeigen lassen.

Seit dem letzten Umweltkontrollbericht wurden einige Erfolge erzielt. Er zeigt aber auch auf, dass noch einiges zu tun ist. Das steht außer Frage, und das hat auch der Minister selbst so beantwortet. Eine wichtige Aufgabe beim Klimaschutz ist die Senkung des Energieverbrauchs. Dazu wurden mehrere Maßnahmen beschlossen, wie zum Beispiel das Klimaabkommen von Paris 2015 oder, ganz wichtig, das Ökostromgesetz 2012. Da gehört dringend noch nachgeschärft und novelliert, Herr Minister. Eine kleine Novelle ist da zu wenig, weil es in Österreich sehr viele Betreiber solcher Kraftwerke gibt.

Dieser Umweltkontrollbericht zeigt aber auch, dass der Energieverbrauch – nach ei­nem Anstieg bis 2010 – leicht gesunken ist, er ist aber immer noch zu hoch; das steht hinsichtlich der angestrebten Ziele für 2020 außer Frage.

Man könnte viele Beispiele anführen und ausführen, die aus diesem Bericht hervorge­hen – ich nenne das Beispiel Wasser:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Qualität der österreichischen Oberflä­chengewässer ist gut, lobt der Bericht. Was die Qualität der Fließwässer betrifft, soll es noch Verbesserungen geben. Die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 erfor­dern allerdings noch weitere Maßnahmen bei der Sanierung und Verbesserung der Ge­wässer. Hätte diese EU eine solche Qualität wie unser Wasser, dann könnte sie sich glücklich schätzen. – Herzlichen Dank. (Beifall des Abg. Gerhard Schmid.)

11.52


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


11.52.08

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit)|: Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Zum Thema Umweltkontrollbericht: Eine geordnete Umwelt ist un­ser aller Lebensgrundlage, auch in Bezug auf unsere Gesundheit. Unser Leben ist je­doch mehr denn je auf Technik angewiesen beziehungsweise von dieser abhängig. Tech­nik erfordert unter anderem Energie, welche aus unterschiedlichsten Systemen gewon­nen wird. Die Folge dieser Energiegewinnung ist fast immer umweltbelastend.

Unser mitunter alpiner Lebensraum erfordert gerade in den Wintermonaten einen er­höhten Energieaufwand – ein notwendiges Übel. Zum Thema Strom ist anzumerken, dass dieser nicht ohne unser Zutun aus der Steckdose kommt. Wenngleich bei uns Kohlekraftwerke nicht mehr betrieben werden, gehören diese in unseren Nachbar­ländern nicht der Vergangenheit an. Daraus resultierende Schadstoffe können bis auf unser Bundesgebiet gelangen.

Die Erzeugung von Strom kann umweltschonend sowohl über Wind- und Wasserkraft als auch über Fotovoltaik erfolgen, wobei Windenergieanlagen oft mittels Bürgerinitia­tiven bekämpft werden.

Anzusprechen ist auch die nunmehr forcierte Elektromobilität. Mit vermehrter Elektro­mobilität entsteht auch die Anforderung einer erhöhten Stromlieferung; dabei ist der Import von Atomstrom leider nicht auszuschließen. Umstritten ist der Stromtransport mittels 380-kV-Freileitungen, welche keine unerheblichen Landschafts- und somit Um­weltschäden zur Folge haben. Dem Erdkabel ist aus meiner Sicht der Vorzug einzuräu­men.

Zum Thema Wasser ist in aller Deutlichkeit festzustellen, dass es sich dabei um ein äu­ßerst kostbares und für alles Leben erforderliches Gut handelt. Der Verunreinigung


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unseres Grundwassers durch Pestizide und Nitrate, derzeit zwar rückläufig, aber auch durch Kunststoffe wie PVC, nunmehr stark zunehmend, ist der Kampf anzusagen.

Ein ebenso immer größer werdendes Problem für unsere Umwelt stellt die Versiege­lung des Bodens dar. Die Bildung von Retentionsflächen ist unerlässlich. Die Bebau­ung durch Wohnraum und zusätzliche Verkehrsfläche ist durch Überarbeitung der Raum­ordnung zu regeln.

Umweltschutz, gerade für unsere Kinder, ist einzufordern und künftig verstärkt zu för­dern. Bei allen – auch durch die EU vorgegebenen – Grundlagen einer geordneten Um­welt ist deren Finanzierbarkeit zu beachten. – Danke.

11.55


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


11.55.21

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Besuchergalerie und vor den Fernsehgeräten! (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der Paletten mit Brennholz abgebildet sind.) Vor­weg herzlichen Dank den Mitarbeitern im Bundesumweltamt für diesen vorliegen­den Bericht. Er ist tatsächlich in Ordnung und sehr aussagekräftig.

Ich möchte aber auch sogleich zu den Realitäten und zu den Fakten kommen. Wir haben doch gesagt, wir wollen hier über das Leben reden und nicht Schönrederei be­treiben, die ich bei sehr vielen gehört habe. Es sind die Fakten: Wenn von den Vor­rednern immer wieder das Thema Biomasse bemüht wurde, dann muss man einmal schauen, wo sie herkommt.

Biomasse ist selbstverständlich in Ordnung, aber wir wissen, in der Realität werden große Hackschnitzelheizungen stillgelegt beziehungsweise geschliffen. Bei FACC in Ried sagen die chinesischen Mehrheitseigentümer: Wir wollen die billigste Energie!, und da kann mit Atomstrom und russischem Gas niemand konkurrieren. Da gibt es kei­ne Sanktionen.

Ich habe mir erlaubt, ein Bild zu machen (auf die Tafel weisend, auf der Paletten mit Brennholz abgebildet sind), und das könnte man jetzt für die Baumärkte, für die Su­permärkte, für die Lagerhäuser gelten lassen: Brennholz und Pellets kommen aus dem Osten, aus Polen, Rumänien, Tschechien, zum Teil aus den Naturschutzgebieten. Das ist die Realität in einem Land, in dem 47 Prozent Waldfläche sind.

Das ist ja der Wahnsinn an der ganzen Geschichte – dass dadurch natürlich die regio­nale Produktion überall zerstört wird. In den Medien sieht man das Pferd mit dem Bloch und die heile alte Welt, wie es aber in Wirklichkeit nicht passiert, weil man dort mit modernster Technik in die Naturschutzgebiete fährt.

Das nächste Beispiel dazu (die Tafel wendend, auf der nun eine Blumengärtnerei mit einem großen Lkw davor zu sehen ist), weil immer die Lkw-Fahrten angesprochen wer­den: Das kann man auch bei den Blumen gelten lassen. Das ist ein holländischer Jumboliner, der zweimal so groß ist wie die Gärtnerei, vor der er steht, mit den äthiopi­schen Cash-Crop-Blumen, Fairtrade. – Das sind die Realitäten, über die wir reden müs­sen, und darüber muss besonders im Umweltbereich gesprochen werden, Herr Minis­ter. Bei den Konferenzen weiß ich nicht so genau, was da herauskommt beziehungs­weise besprochen wird.

Jetzt kommen wir zur ganz harten Realität, weil Kollege Hofinger gerade die Landwirt­schaft angesprochen hat: Jawohl, ich mache mir größte Sorgen. Wir haben den größ-


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ten Verlust an produktiver Fläche. Wir haben seit 1961 11 Prozent – von 49 Prozent auf 38 Prozent – fruchtbaren Boden asphaltiert oder zubetoniert! Dann kann man sich schon erklären, dass Supermärkte mit dem Klimaschutzpreis werben, den sie durchaus auch von der Bundesregierung bekommen. Ich werde heute natürlich bei der Debatte zu CETA und TTIP noch einige weitere Beispiele bringen.

Ich habe mir gedacht, weil wir so einen Rindfleischüberschuss in Österreich haben – wir haben ja so einen gewaltigen Rindfleischüberschuss! –, haben wir beim Hahnen­kammrennen auf der Streif bei der Party Uruguay-Fleisch gegessen, zum Schutz der Tiroler Rinder. Und dieser Supermarkt, der sich auch in diese Tierschutzdebatte ein­klinkt, verkauft (eine Packung, auf der Rindersteaks abgebildet sind, in die Höhe hal­tend) südamerikanisches Rindfleisch. Da wird das Rindfleisch 12 000 Kilometer nach Österreich transportiert, aber der Supermarkt wirbt mit dem Klimaschutzpreis!

Freunde, das ist die Realität! Reden wir über das Leben, reden wir über die Realität, reden wir nicht über gefälschte Statistiken! (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Die Wirklichkeit zählt, alles andere schadet der Zukunft unserer Kinder und unserer Enkerl, und die ist gefährdet.

Heute hat ein Vorredner oder eine Vorrednerin gesagt: Das ist unser Auftrag. Das muss die Vision einer zukunftsorientierten – und jetzt komme ich zum Höhepunkt –, nachhal­tigen Politik sein. Nichts wird mehr missbraucht als das Wort Nachhaltigkeit. Diese Themen, diese Beispiele, die ich gerade gebracht habe, haben mit Nachhaltigkeit nicht im Entferntesten etwas zu tun, sondern sind genau das Gegenteil und werden mit die­sem Begriff ausgezeichnet.

Herr Minister, wir haben im Umweltbericht auch keine Angaben über den Flugverkehr. Wir haben täglich 3 200 Überflüge.

Und es fehlt besonders im Bereich Landwirtschaft die Kreislaufwirtschaft. Da wird vom Humusaufbau geredet. – Nein, Naturdünger statt Kunstdünger! Wo ist denn im Pro­gramm eine Naturdüngerprämie? – Der Kreislauf Pflanze–Tier–Dünger ist der ökolo­gisch wertvollste, der gesündeste und der nachhaltigste. (Beifall beim Team Stronach.)

Deshalb bitte ich darum, Herr Minister, das in den zukünftigen Berichten zu berücksich­tigen, und ich darf anmerken: Wenn die ökosoziale Marktwirtschaft strapaziert wird – ich war immer ein Anhänger von Joschi Riegler, ich bin auch zur Feier gegangen –, dann bitte ich aber, mir zu erklären, wie man ein CETA- und TTIP-Befürworter sein kann. Das widerspricht sich grundsätzlich. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Zwi­schenruf des Abg. Matznetter.)

12.00

12.00.28

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, den vorlie­genden Bericht III-316 und Zu III-316 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Neubauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend unverzüglichen Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit und daher abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Freie Wissenschaft unabdinglich zur Lösung der Klima­krise.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kol­leginnen und Kollegen betreffend: Empfehlungen des Elften Umweltkontrollberichts un­verzüglich umsetzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

12.01.412. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Jahresbericht 2015 des ORF ge­mäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundesminister für Kunst und Kultur, Ver­fassung und Medien (III-253/1468 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte.

 


12.02.15

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zuseher auf der Galerie! Kolleginnen und Kollegen! Ein Nachmittagsfernsehprogramm am Montag, dem 30. Januar 2017, sieht wie folgt aus: 14.10 Uhr: „How I Met Your Mother“, 14.32 Uhr: „How I Met Your Mother“, 14.53 Uhr: „Malcolm mittendrin“, 15.16 Uhr: „Die Goldbergs“, 14.38 Uhr: „Fresh Off the Boat“, ge­folgt von nochmals zwei Sendungen „How I Met Your Mother“; und so geht das weiter bis zum Morgen.

Meine Damen und Herren! Wenn die Sprache nicht synchronisiert wäre, dann müsste man meinen, ein Sender irgendwo in den USA strahle diese Sendungen aus, denn es sind allesamt amerikanische Produktionen – aber weit gefehlt: Es ist das Nachmittags­programm von ORF eins. Ich wusste nicht, dass amerikanisches Fernsehen im ORF so beliebt ist, denn von 52 gezählten Programmpunkten sind mit Ausnahme von „Wetter“, „ZIB“, „Dschungelbuch“ und ein paar anderen Sendungen alles amerikanische Produk­tionen. (Zwischenruf des Abg. Weninger.) Herr Präsident Trump wird sich freuen, dass seine heimischen Produkte bei uns so beliebt sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn sich nun der ORF in seinem Bericht als eines der erfolgreichsten öffentlich-recht­lichen Unternehmen bezeichnet, dann ist das entweder reine Selbstüberschätzung oder Selbstbeweihräucherung, mit Sicherheit aber vor allem Realitätsverweigerung, denn wer sich durch Zwangsgebühren seine Einnahmen sichern kann, mit einem zu 90 Pro­zent rot-schwarz besetzten Stiftungsrat, der ist locker in der Lage, schwarze Zahlen zu schreiben – und wenn es dann einmal nicht mehr geht, dann macht man wieder eine Gebührenerhöhung von 6,5 Prozent.

Wenn Herr Generaldirektor Wrabetz meint, dass es konsequente Programm- und Stra­tegiearbeit ist, seine Zuseher mit überwiegend amerikanischen Soap-Operas zu be­rieseln, dann brauche ich dazu eigentlich nichts mehr zu sagen, das kann jeder selbst beurteilen. Immerhin kauft der ORF 67,5 Prozent seiner Sendungen zu, er lässt sich das 30,7 Millionen € kosten.

Nun, meine Damen und Herren, komme ich zum öffentlich-rechtlichen Auftrag und zur gelebten Objektivität und Unparteilichkeit des ORF: Im März 2016 durfte der ehemalige Bundeskanzler Faymann in der Sendung „Im Zentrum“ allein auftreten. Herr Oberhau­ser – er ist ehemaliger ORF-Informationsdirektor – bezeichnete das als einen beispiel-


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losen Skandal und einen direkten Angriff auf die Unparteilichkeit des ORF. (Beifall bei der FPÖ.)

Selbst Vizekanzler Mitterlehner beschwerte sich, dass Armin Wolf seine Meinung twit­tert, bevor er überhaupt interviewt wird. Und Frau Thurnher konfrontierte während des Präsidentschaftswahlkampfs unseren Kandidaten Norbert Hofer mit einer falschen Re­cherche zu seinem Aufenthalt in Israel und ließ ihn de facto als Lügner darstellen. – So weit zur Objektivität.

Wenn nun Claudia Reiterer, die Gattin von Lothar Lockl, dem ehemaligen Bundespar­teisekretär der Grünen und Wahlkampfleiter unseres nunmehrigen Bundespräsidenten Van der Bellen, die Nachfolge von Frau Thurnher antritt, dann wird sicher alles wieder besser.

Wenn sich nun Generalsekretär Wrabetz hinstellt und verkündet, dass ServusTV bin­nen eines Jahres ein richtiger Rechts-außen-Sender geworden ist, dann sage ich: Das ist aber gewagt, denn im Gegensatz zum ORF weiß dieser Sender, was Objektivität bedeutet, nämlich dann, wenn es darum geht, ein ausgewogenes Verhältnis unter­schiedlicher Meinungen bei politischen Diskussionen zuzulassen und nicht wie der ORF seine Diskutanten nach dem Motto „Alle gegen einen“ – vornehmlich gegen die FPÖ – einzuladen. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Eines habe ich im Jahresbericht 2015 vergeb­lich gesucht: eine Offenlegung der Gehälter und Zusatzgagen der ORF-Direktoren – ich vermute, aus gutem Grund –, deshalb musste ich auf einen Beitrag im „Standard“ aus den Jahr 2014 zurückgreifen, der titelt „Was die ORF-Chefs verdienen“. Da steht, man muss sich um den ORF beziehungsweise sein Management keine Sorgen ma­chen, denn in diesem Jahr hat Generaldirektor Wrabetz sein Salär von 400 000 € pro Jahr um 10 Prozent aufgefettet bekommen. Auch die übrigen Direktoren bekommen nicht wenig, nämlich 300 000 € im Jahr als Salär zuzüglich Bonuszahlungen in fünf­stelliger Höhe. Das, finde ich, ist schlichtweg eine … (Abg. Lugar: Mehr als der Kanz­ler!) – Ja, mehr als der Kanzler! Und da sage ich, das ist schlichtweg eine … (Abg. Lugar: Vielleicht machen sie auch eine bessere Arbeit als der Kanzler!) – Das lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das eine Zumutung für die Gebührenzahler. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

Und da enttäuscht mich, das muss ich schon sagen, besonders die SPÖ. Eigentlich müssten ihre Mitglieder im Stiftungsrat regelrecht rot werden, wenn sie an die vielen geringen Einkommen ihrer ehemaligen Wähler denken. Wenn sich der ORF schon so top findet, wie er es uns in diesem Bericht glauben machen will, dann wird er wohl kein Problem damit haben, sich dem privaten Wettbewerb zu stellen und uns die Zwangs­gebühren zu erlassen. Tut er das nämlich nicht, dann erwarten wir freiheitliche Gebüh­renzahler, dass er endlich und unverzüglich seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag nach­kommt und auch mit dieser Abräumermentalität aufhört. (Beifall bei der FPÖ.)

Jedenfalls wird es höchste Zeit, dass das ORF-Direktorium seinen interstellaren Raum­flug beendet und endlich wieder festen Boden unter die Füße bekommt. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und Team Stronach.)

12.09


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Cap. – Bitte.

 


12.09.16

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte nur darauf hinweisen: Mein geschätz­ter Vorredner muss gestern eine Daumenlähmung gehabt haben, auf ORF III wurde den ganzen Tag „Roseggers Waldheimat“ gespielt (allgemeine Heiterkeit) – nur, dass Sie das einmal kurz registrieren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brosz und Loacker.)


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Wenn ich mir Ihre Kritik anhöre, dann stelle ich außerdem fest: Sie sind fixiert auf das Nachmittagsprogramm in ORF eins an diesem einen Montag. Sie können sich genauso „Ins Land einischaun“ oder „Wenn die Musi spielt“ anschauen. Also es gibt eine breite Palette, auch für meinen geschätzten Vorredner, wenn er bestimmte Serien nicht mag. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Höbart.)

Das Ganze geht aber auch insofern am Kern vorbei, als dreieinhalbtausend Ange­stellte, Journalisten, Techniker, einen tollen Job im ORF machen, und wir könnten doch als Österreicherinnen und Österreicher ein bisschen stolz darauf sein, dass wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben (Abg. Höbart: Das ist ein Widerspruch in sich!), der in ganz Europa herzeigbar ist und der eine wirklich gute (Abg. Höbart: Das erleben wir tagtäglich!) Leistung erbringt. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wissen Sie, ich sage Ihnen noch etwas: Es gibt 100 Millionen Deutschsprechen­de – wenn wir den Großraum nehmen –, und davon 8,5 Millionen Österreicherinnen und Österreicher. (Abg. Höbart: Fast 9 Millionen!) Ich finde, es sollte in unser aller In­teresse sein, schon aus patriotischen Motivationen, dass wir das österreichische Ele­ment in diesem großen Sprachraum auch wirklich mit Nachdruck unterstützen und das zum Ausdruck kommen kann. (Die Abgeordneten Deimek und Kassegger: Mit „How I Met Your Mother“?!) Und das ist möglich! Wenn Sie sich das anschauen: vom Neu­jahrskonzert bis zu den diversen Sportveranstaltungen, Unterhaltungen, Festspielüber­tragungen, Eigenproduktionen, Auszeichnungen wie die Goldene Palme, Oscarverlei­hungen, Mitwirkung an Filmen – weltweit ist das herzeigbar. (Abg. Deimek: … Super­bowl!)

Wissen Sie, Sie müssen auch eines sehen: Wenn die Tagesreichweite beim Fernse­hen 3,5 Millionen Zuseherinnen und Zuseher in Österreich beträgt, wenn die Radio­reichweite täglich an die 5 Millionen Hörerinnen und Hörer beträgt, dann liegen Sie mit dem, was Sie hier erzählen – was mich wundert, weil Sie immer sagen, Sie haben das Ohr an der Bevölkerung, am Pulsschlag; also da muss das Ohrli ein bisschen verstopft sein –, daneben. Und dann würde ich schon an Sie appellieren, dass Sie wieder zu­rückkehren, zu einem Schulterschluss mit denen, die hier für das Österreichische ein­treten, denn – und jetzt komme ich zu den Zerstörern des ORF – da hat es ein Konzept bei den NEOS gegeben, die vorgeschlagen haben, überhaupt die Infrastruktur zu zerstö­ren; Content sollen die dann noch produzieren, mit Steuergeldern finanzieren und dann an die Privaten verscherbeln. (Abg. Strolz: Stimmt ja nicht!)

Abgesehen davon, dass der Steuerzahler zu so einem Konzept (Abg. Strolz: Wir ha­ben weder …!), ob überhaupt Content produziert und an die Privaten verscherbelt wird (Abg. Strolz: Das ist ein Topfen!), gern gefragt werden möchte, kommt bei diesem Konzept aber noch dazu (Abg. Walter Rauch: Dass Sie kein Interesse haben, dass sich etwas verändert, verstehen wir!), dass gegen die Interessen von den – im Schnitt, Tagesreichweite – 5 Millionen Radiozuhörern und 3,5 Millionen Fernsehzuschauern auf­getreten wird. Noch etwas kommt hinzu: Das ist die Schwächung des Medienstandorts Österreich.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Wir haben jetzt schon eine Schieflage auf dem Wer­bemarkt. Diese Schieflage ist nicht unbeträchtlich, denn – Sie werden das selbst in der Vorbereitung registriert haben – 55 Prozent des Fernsehmarkts wird von deutschen und internationalen Anbietern gehalten, und das ist nicht nichts. (Abg. Walter Rauch: Ist ja klar! Ganz klar!) Und in Wirklichkeit werden 570 Millionen € dem heimischen Markt oh­ne österreichische Programmleistung über die 16 Werbefenster entzogen. Wer den ORF jetzt mutwillig zerstört, schiebt das ganze Geld in Richtung der ohnehin schon dicken und fetten deutschen Medienunternehmungen. (Abg. Deimek: Ist ja nicht wahr! Schau­en Sie es sich im Netz an! – Zwischenruf des Abg. Walter Rauch.)


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Jetzt kommt aber noch etwas, das dicke Ende ist ja der zweite Teil: Google, Facebook und Co. (Anhaltende Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Walter Rauch.) Da sollten wir uns zusammenschließen und gemeinsam dafür kämpfen, dass das Öster­reichische auch im Netz eine Rolle spielt, da sollten wir dafür kämpfen, dass nicht auch diese Werbegelder nach Kalifornien gehen. Jetzt frage ich Sie: Ganz ehrlich, wollen Sie, dass das Geld nach Kalifornien geht? Wollen Sie, dass das Geld nach Köln geht? Wollen Sie das alles? (Abg. Walter Rauch: Wollen Sie, dass alles bleibt, wie es ist?) – Dann sagen Sie es! Dafür werden Sie von österreichischen Journalistinnen und Jour­nalisten, von Künstlerinnen und Künstlern, von den vielen Unternehmungen, von de­nen der Medienstandort Österreich lebt, von den Konsumentinnen und Konsumenten des ORF jedenfalls mit Sicherheit keinen Beifall bekommen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Noch etwas kommt dazu … (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Kommen Sie doch alle auf einmal heraus, und sprechen Sie alle hier gemeinsam! Fünf, sechs Leute von Ihnen, und schauen wir einmal, wie dieses Konzert ankommt! (Heiterkeit und Bei­fall bei der SPÖ.) Wenn Sie wollen, stelle ich mich hierher und dirigiere dann, denn einer muss das ja ordnen. Ohne mich wird das in dem Fall bei Ihnen ja nicht gehen. (Abg. Walter Rauch: Ich glaube, Sie sind kein guter Dirigent!)

Ich sage Ihnen aber noch etwas: Gerade jetzt, in Zeiten wie diesen – siehe Murdoch, siehe das Aufkaufen von Medien, siehe amerikanischer Wahlkampf, siehe, was Trump jetzt wieder gesagt hat: Missliebige Medien muss man entweder aufkaufen oder still­legen!; na super! (Abg. Deimek: Da ist die SPÖ zufrieden!) – stellt sich heraus, dass der Öffentlich-Rechtliche in Wirklichkeit eine wesentliche Funktion für Demokratie und Rechtsstaat hat.

Deswegen stelle ich mich immer hierher und verteidige das. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Auch ich übe manchmal Kritik, auch mir gefällt nicht alles, und Ihnen gefällt auch nicht immer alles, aber schauen Sie: Haben Sie einmal den Mut, stehen Sie ein­mal ein bisschen früher auf und schauen Sie sich „Guten Morgen Österreich“ an! Das ist Österreich. (Zwischenruf des Abg. Stefan. – Heiterkeit des Abg. Walter Rauch.) – Genau, lachen Sie über all jene, die dort auftreten: von den Kapellen über die Experten bis hin zu den einfachen Bürgerinnen und Bürgern! (Abg. Höbart: Da muss er selbst schmunzeln!)

Schauen Sie, Sie sind ohnehin am „Runden Tisch“ vorgekommen, das ist auch Unter­haltung, Sport und Information zugleich, das gibt es auch. Auch das ist der Öffentlich-Rechtliche, der das macht, aber auch das ist Österreich. Und da muss ich schon sagen: Ehrlich gesagt, wir sind – um mit Grillparzer zu sprechen – im Lager von Öster­reich. Sie sollten auch zu uns kommen. Bitte, kommen Sie zu uns, dann wären wir näm­lich vollständig. Und manche Blicke bei Ihnen sagen mir: Ich glaube, ich habe recht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Heiterkeit bei der FPÖ.)

12.15


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Dr. Strolz. – Bitte. (Abg. Lausch: Mit der Rede war das ein Bärendienst für die Unabhängigkeit des ORF! Die SPÖ …! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Lausch: Jetzt wissen wir, wie unabhängig der ORF ist!)

 


12.15.59

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe ORF-Gebührenzahle­rInnen! Wir besprechen heute den 200-seitigen Jahresbericht des ORF hier im Plenum.

Sie wissen, wir NEOS sind in den letzten Monaten durchaus als Kritiker von vielen Um­ständen aufgefallen (Ruf bei der ÖVP: Ihr seid entlarvt!), deswegen möchte ich heute


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auch lobende Worte vorausschicken, weil wir natürlich auch immer dazugesagt haben: Die journalistische Arbeit, die im ORF geschieht, ist an vielen Ecken exzellent. Ich möch­te nur einige Beispiele hervorheben, etwa das Landesstudio Vorarlberg: „Im Kampf ge­gen das Vergessen. Das Vermächtnis der Holocaust-Überlebenden“, eine wirklich be­rührende Produktion; das Landesstudio Kärnten, sehr engagiert in der Mehrsprachig­keit, die in diesem Bundesland gewürdigt wird – ein ganz wichtiger gesellschaftlicher und gesellschaftspolitischer Beitrag; oder die Kolleginnen und Kollegen von Ö1, die mit hervorragend recherchierten Kultur- und Informationsbeiträgen immer wieder auffallen. – Also Chapeau, ich ziehe hier den Hut vor diesen Leistungen!

Gleichzeitig hält NEOS natürlich die Kritikpunkte aufrecht, Josef Cap. Ich laufe nicht mit einer Käseglocke herum und stülpe sie über alles, was sich in dieser Republik bewe­gen soll. Das wollen Sie, Josef Cap! Sie haben es damals bei den Austrian Airlines ge­macht, haben gesagt, wir müssen da irgendwie die rot-weiß-rote Heckflagge schützen – Käseglocke drüber, was rundherum in der Welt passiert, interessiert uns nicht, Augen zu, Ohren zu und durch, heiter weiter!

So ist es nicht, die Welt dreht sich weiter, deswegen müssen wir die Dinge weiterent­wickeln. Das ist die Aufgabe von Politik. Wir sind Hebammen für das Neue. Das wün­sche ich auch dem Josef Cap, dass er ein bisschen mehr Hebammer ist und ein bisschen weniger Betonierer und Besitzstandswahrer. Das wäre wichtig. (Beifall bei den NEOS.) – Danke für die Unterstützung. (Zwischenruf des Abg. Cap.) Einige haben Sie schon durchschaut, Herr Cap, und weitere werden folgen – Achtung! (Zwischenruf des Abg. Weninger. – Abg. Schönegger: … Haselsteiner!)

Liebe Bürgerinnen und Bürger, www.gisabdrehen.at – Sie können weiter unterschrei­ben! 140 000 Menschen – auch offline wird jetzt gesammelt – haben unterschrieben. Es geht darum, die Parteipolitik aus dem ORF hinauszubekommen. (Abg. Grillitsch: Hör auf!) Das ist weiterhin ein wichtiges Anliegen. Und wenn Sie jetzt sagen: Hör auf! – ja, die ÖVP mault schon wieder heraus –, dann darf ich hier aus den Medien zitieren: „Die ÖVP forderte laut APA nicht nur den Posten des Kaufmännischen Direktors, son­dern beanspruchte dem Vernehmen nach auch einen eigenen ORF-Generalsekretär beziehungsweise die Kompetenzen für Personal und Recht. Im Gegenzug“ – Achtung, ÖVP! (Zwischenruf des Abg. Grillitsch) – „standen ein konstruktiverer Kurs in den ORF-Gremien und die Zustimmung zur Erhöhung der Rundfunkgebühren im Raum.“

Was heißt das im Klartext? – Ganz unverschämt will die ÖVP Posten für sich und lässt die Bevölkerung durch höhere GIS-Gebühren zahlen! Das ist eine unendliche Zumu­tung für die Bevölkerung! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Lausch. – Zwischen­ruf des Abg. Amon.)

Ihr solltet mit Schamesröte hier sitzen, ÖVP, dass ihr so offen Postenschacher von den Bürgern bezahlen lasst! Das ist letztklassig! Und dass ihr das sogar noch öffentlich in Medien bestätigt, das ist unerhört! (Zwischenrufe der Abgeordneten Mölzer und Pilz.) Deswegen sage ich: Diesen Widerstand werden wir weiter leisten. Deswegen wollen wir auch die Finanzierung aus dem Parlament, denn so offen, wie Sie hinter verschlos­senen Türen strukturelle Korruption vorantreiben, kann man es im Parlament gar nicht machen – denn hier schauen zumindest die Leute zu. (Abg. Mölzer: Das muss man verstehen!)

Ja, das ist so! Das ist ein Muster struktureller Korruption! Natürlich ist es eines! (Abg. Wöginger: Schlecht geschlafen, oder was ist los?) Ja, Sie können das gerne vor Ge­richt tragen, und wir können es dort verhandeln. Ich stehe jederzeit zu dieser Aussage!

Noch einmal: Sie haben vorgeschlagen, medial auch verbreitet, dass Sie einen Posten für Ihre Partei bekommen, und deswegen sind Sie bereit, den Bürgern bis zu 60 Mil­lionen € an GIS-Erhöhung aufs Aug zu drücken. Wenn das nicht daneben ist, dann


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weiß ich nicht, was daneben ist. (Abg. Amon: Wer hat denn das gesagt, Herr Kol­lege?) – Sie haben das auch mehrfach bestätigt, natürlich in den Freundeskreisen. (Abg. Amon: Das ist eine blanke Behauptung! Das ist unerhört!) Das ist eine „blanke Behauptung“ …

12.20.57*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Klubobmann, für den Vorwurf einer strafbaren Hand­lung erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Strukturelle Korruption, „Muster struktureller Korruption“ habe ich gesagt. Ich nehme den Ordnungsruf an, ich halte ihn nicht für gerechtfertigt.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Sie brauchen das nicht zu kommentieren.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Aber „Muster struktureller Kor­ruption“ ist keine strafbare Handlung, sondern ein Zustand! Und wir werden Zustände benennen, die dieser Republik nicht guttun.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wenn Sie so weitermachen, sind Sie bald das Rederecht los! (Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ.)

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Aha.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Schauen Sie sich bitte die Geschäftsordnung an!

 


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (fortsetzend): Ja, ich werde sie mir anschau­en, Herr Präsident, und ich bitte Sie, sich mit Ihren Kollegen in Ihrer Partei die Zustän­de anzuschauen, die Sie hier in dieser Republik immer wieder mitverlängern. Das ist nicht okay, und das sollten alle wissen, die hier beteiligt sind, und sie sollten ein schlechtes Gewissen haben. Es ist nicht okay! – Und wenn ich in erster Instanz verur­teilt bin, dann würde ich anlässlich dieses Tagesordnungspunkts nicht herausmaulen. (Beifall bei den NEOS.)

12.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


12.21.45

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Eigentlich könnte man fast bei dem anschließen, was Josef Cap gestern gesagt hat. Herr Kollege Strolz, Sie haben offenbar Anleihe bei Jörg Hai­der genommen, hier zu kriminalisieren, Dinge in den Raum zu stellen, die nichts mit der Realität zu tun haben. Ich habe am Beginn Ihrer politischen Bewegung eigentlich gedacht, dass das ganz spannend sein kann, weil Sie mit einem sehr hohen Anspruch an die Politik begonnen haben. Leider Gottes ist von diesem hohen Anspruch einer dif­ferenzierten inhaltlichen Auseinandersetzung kaum mehr etwas zu spüren. Es geht bei Ihnen offenbar nur mehr um Anschüttung und Ähnliches mehr. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Strolz.)

Herr Kollege Strolz! Diese Vorwürfe weise ich zurück, denn das, was Sie da zitiert ha­ben, das sind irgendwelche Meinungen. Da ist keine einzige originäre Aussage auch nur eines unserer Repräsentanten enthalten (Abg. Strolz: Das war in allen Zeitungen zu lesen! Sie wissen haargenau, dass das so läuft! Haargenau!), und das ist eigentlich eine sehr schwache Argumentation, das möchte ich Ihnen sagen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Lieber Herr Kollege Strolz, wissen Sie, wenn man selbst im Glashaus sitzt, dann sollte man nicht mit Steinen werfen. (Abg. Mölzer: Das sagt der Richtige!) Schauen Sie sich nur das Verhalten Ihres Vertreters im Stiftungsrat an! Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Sie brauchen jetzt nicht so aufgeregt zu sein, weil man Sie erwischt hat.

Ich möchte Ihnen etwas sagen: Ich habe mich der Gebührenerhöhung nicht verschlos­sen. Ich habe immer argumentiert, wenn sie mit einem ordentlichen Reformprogramm, mit einem ordentlichen Sparprogramm verbunden ist … (Abg. Strolz: Mit einem Posten für die ÖVP! Dann kann sie hoch sein!) – Herr Kollege Strolz, wie der Schelm denkt, so argumentiert er dann!

Ich möchte an dieser Stelle auch dem Herrn Bundesminister ein Dankeschön sagen, der sich auch massiv dafür eingesetzt hat, dass es nicht zu jener Erhöhung kommt, die ursprünglich intendiert war. Zweimal ist der ORF-Generaldirektor mit seinem Vor­schlag, den er im Übrigen nach dem ORF-Gesetz alle fünf Jahre einbringen muss … (Abg. Strolz: Das war unsere Petition!) – Die Petition ist eine andere Sache. Nach dem ORF-Gesetz muss der ORF-Generaldirektor alle fünf Jahre einen Vorschlag zur Ge­bührenerhöhung einbringen. Zweimal ist er mit seinem Vorschlag nach unten gegan­gen und hat ein 330-Millionen-€-Sparpaket auf den Tisch gelegt. Das möchte ich auch sagen, und das soll man auch anerkennen – und nicht nur madigmachen und hier in Grund und Boden reden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich finde auch, diese Balance, die von Ihnen hier eingefordert wird – ich habe mir hier drei Seiten an Kritik vorbereitet –, auch von Kollegen Kumpitsch im Übrigen, nämlich auf der einen Seite zu sagen, der ORF soll sich im völlig freien Wettbewerb bewegen, aber auf der anderen Seite zu fordern, dass er einen öffentlich-rechtlichen Auftrag er­füllt, und das möglichst ausschließlich, und sowohl eine Steuerfinanzierung als auch ei­ne Gebührenfinanzierung abzulehnen, ja, Herr Kollege Strolz, das wird nicht gehen!

Wenn man im ORF-Gesetz den ORF in seinen Werbemöglichkeiten beschränkt … (Zwi­schenruf des Abg. Strolz.) – Ich persönlich bin eher für noch größere Beschränkungen, dafür aber für einen viel größeren und klareren öffentlich-rechtlichen Auftrag, denn die Kritik ist schon richtig, dass man in manchen Programmen zum überwiegenden Teil ir­gendwelche amerikanischen Komödien, Serien und Soaps und Ähnliches mehr findet. Das wollen wir auch nicht, der Generaldirektor hat sich aber ausdrücklich dazu be­kannt, das im Zuge der Reformmaßnahmen, die er setzen will, zu ändern – und auf die­sem Weg sollten wir ihn unterstützen und begleiten.

Ich bin im Übrigen auch dagegen – und wir sind auch übereingekommen, dass wir das in Zukunft nicht wollen –, dass der Stiftungsrat die Gebühren festsetzt, denn ein biss­chen absurd ist das schon: Auf der einen Seite verpflichtet das Gesetz den Stiftungs­rat, zum Wohle des Unternehmens zu entscheiden, was – notabene – auf der anderen Seite nicht automatisch sozusagen zum Wohle der Gebührenzahler sein muss. Also muss man sich überlegen, ob man das gesetzlich nicht anders ordnet, und da wollen wir auch in ein offensives Gespräch eintreten. Diese Quadratur des Kreises, die Sie hier darzustellen versuchen, die wird aber schlicht und einfach nicht gelingen.

In diesem Sinne glaube ich, dass die Reformmaßnahmen, die hier vorgeschlagen sind, sehr sinnvoll sind, nämlich die Struktur zu ändern, die Digitalisierung entsprechend zu berücksichtigen; in diesem Bereich hat es ja massive Veränderungen gegeben, die der ORF noch nicht in dementsprechender Form nachvollzogen hat. Auch die Frage der Regionalität – Kollege Cap hat das angesprochen – ist ein wesentliches Element des öffentlich-rechtlichen Auftrags, ebenso natürlich die Frage der Information, wo man durchaus noch mehr tun kann, wo man sich auch überlegen muss, in welchen Pro­grammen man das vorsieht. Da ist viel zu tun, keine Frage, aber wenn Sie sagen, Sie


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drehen jetzt von heute auf morgen die Gebühren des ORF auf null, dann gaukeln Sie der Bevölkerung etwas vor, was nicht realistisch ist!

Und ich sage Ihnen eines: ein klares Bekenntnis zu einem starken öffentlich-rechtli­chen Rundfunk und zu einer öffentlich-rechtlichen Information (Abg. Strolz: Das teilen wir ja!); aber das wird nicht mit einer reinen Finanzierung am Werbemarkt einhergehen können, Herr Kollege Strolz, denn dann muss man nämlich mit der Beschränkung von Werbezeiten aufhören, dann ist man in der Unterbrecherwerbung drinnen – und das al­les wollen wir im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht. (Abg. Strolz: … Wider besse­res Wissen!)

Also diese Quadratur, die hüpfen Sie uns einmal vor! (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

12.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.28.06

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nachdem ich mir jetzt die Lobeshymne von Herrn Kollegen Amon auf Herrn ORF-Direktor Wrabetz angehört habe, bin ich schon ein bisschen verwundert, dass die ÖVP gegen diese Besetzung gestimmt hat. (Beifall beim Team Stronach.) Die­se Frage stellt sich wahrscheinlich auch der Zuschauer.

Kollege Cap hat vorhin dazu auch eine Rede gehalten. – Herr Kollege Cap, wenn nicht gerade der Posten des ORF-Direktors besetzt worden wäre, dann hätte ich das als Be­werbungsgespräch gedeutet; so ist mir das vorgekommen. (Beifall beim Team Stro­nach.)

Meine Damen und Herren! Was fällt uns ein, wenn wir „ORF“, „Österreichischer Rund­funk“, hören? Das Erste, was dem Steuerzahler einfällt, ist die GIS-Gebühr. Man kann auch sagen: GIS-Zwangsgebühr, weil es sich der Bürger ja nicht aussuchen kann. Wenn er ein empfangstaugliches Gerät in der Wohnung hat und gar nicht ORF schaut, muss er trotzdem diese Gebühr zahlen. Das ist irgendwie ein bisschen absurd.

Wenn man den ORF-Bericht, über den wir jetzt diskutieren, anschaut, dann sieht man zuerst einmal etwas Positives, und zwar schwarze Zahlen. Das heißt, es werden keine Schulden gemacht. Wenn man das aber einmal ein bisschen genauer anschaut, dann kommt man wieder auf die Gebührenerhöhung zurück, denn: Wie kommt der ORF zu den schwarzen Zahlen? Sobald er die Gefahr sieht, dass er in die roten Zahlen kommt, wird die Gebühr erhöht. – Ich glaube, das ist der falsche Weg. Man sollte sich zuerst einmal überlegen, wo man einsparen kann, und nicht flott drauflos das Geld hinaus­schmeißen. Man sollte sich zuerst überlegen, wo man vernünftig einsparen kann und wo die Knackpunkte sind, was dann letztendlich auch der Steuerzahler, der das Ganze ja bezahlen darf, goutieren würde. (Beifall beim Team Stronach.)

Wenn ich mir die Diskussionen den ORF betreffend in der letzten Zeit anschaue, dann bin ich auch bei der Sendung „Guten Morgen Österreich“, die ich übrigens recht gut finde – da hat Kollege Cap schon recht –, weil man ins Land hinausgeht, weil viel Ös­terreich in der Sendung ist und das Land vorgestellt wird. Ich finde das nicht schlecht und schaue mir sie selbst ganz gerne an, gebe ich ganz offen zu. Was mir dann aber wieder aufgestoßen ist: Der Moderatorin, Frau Pölzl, die übrigens mit einem grünen ORF-Mitarbeiter aus der höheren Ebene liiert ist, hat man einen Sondervertrag mit ei­nem relativ hohen Gehalt zugestanden, der sogar über dem eines Nationalrats liegt. Ob die Frau das wirklich wert ist, das kann man diskutieren, aber das ist eine andere Ge­schichte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Damit kommt das Ganze wieder in ein schiefes Licht, und ich habe das im Ausschuss auch schon angesprochen, dass das vielleicht der falsche Weg ist.


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Öffentlich-rechtlichen Rundfunk finde ich gut, muss ich ehrlich sagen, weil das natürlich auch den Bildungsauftrag beinhaltet – und dazu gehört auch die Berichterstattung über die Politik. Wenn man jetzt alles in Privathand gibt – da hat Kollege Cap schon recht –, dann sind wir ein bisschen manipulierbar. Man braucht nur nach Italien zu schauen: Berlusconi damals, wir kennen die Geschichte. Deswegen: Ja, öffentlich-rechtlicher Rund­funk, in Ordnung, Bildungsauftrag, in Ordnung; aber das heißt nicht, dass die Regie­rungsparteien dort das Sagen haben müssen, sondern ich erwarte mir von einem öf­fentlich-rechtlichen Rundfunk mehr Objektivität.

Wenn ich sehe, dass 90 Prozent der Stiftungsräte von den Regierungsparteien bestellt werden, dann muss ich sagen, das hat schon eine schiefe Optik. Und wenn ich dann höre, dass hinter vorgehaltener Hand ein ORF-Mitarbeiter gesagt hat, die Parteien kom­men im ORF nach ihrer Fraktionsstärke mit Sendezeit vor, dann finde ich das ganz falsch, weil eigentlich der Fleiß im Vordergrund stehen sollte. Wenn eine Partei sehr fleißig ist, auch wenn sie vielleicht klein ist wie das Team Stronach, dann kann sie sehr gute Arbeit leisten und dann sollte der Bürger das auch wissen. Es sollte sich daher die Medienpräsenz nicht nach der Fraktionsstärke richten, nur weil die großen Parteien hier die Macht haben. Die Kleinen auf diese Weise zu beschneiden, das ist der falsche Weg. (Beifall beim Team Stronach.)

Ich möchte ganz besonders das Programm von ORF III loben. Ich muss wirklich sagen, da gibt es sehr objektive Berichterstattungen. Auch die politische Diskussion kommt nicht zu kurz, deswegen können Sie uns jetzt auch live sehen. So können Sie wirklich hören, was die Abgeordneten sagen, und nicht nur einen kurzen Zusammenschnitt von Aussagen, die vielleicht aus dem Zusammenhang gerissen sind. Das ist sicher positiv zu erwähnen, ebenso die dort gezeigten Dokumentationen – also ein sehr empfehlens­werter Sender.

Alles in allem würde ich mich wie gesagt sehr darüber freuen, wenn sich die Berichter­stattung nicht nach der Fraktionsstärke richten würde, sondern nach dem Fleiß der je­weiligen Fraktionen und der jeweiligen politischen Parteien. Das wäre ein guter Schritt, ein Schritt in die richtige Richtung, und dann wäre ich mit dem ORF mehr als zufrie­den. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


12.33.22

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Ich glaube, wenn man im Jahr 2017 über öffentlich-rechtliche Sender diskutiert, über den ORF-Bericht diskutiert – übrigens den aus dem Jahr 2015; das ginge vielleicht auch etwas schneller –, dann kommt man nicht darum herum, eine Grundsatzfrage zu stellen: Braucht es in Zeiten von Fake News, einer Debatte, in der über Lügenpresse diskutiert wird – Grüße an die Kollegen von der FPÖ, die das ja besonders lancieren –, öffentlich-rechtliche Sender mit einem Objekti­vitätsgebot, über das man dann diskutieren kann, mit einem Kontrollmechanismus, der auch vorsieht, dass man gegen Verstöße gegen das Objektivitätsgebot entsprechend vorgehen kann, oder reicht gerade in Österreich, auch angesichts der Konkurrenz mit dem deutschsprachigen Ausland, sprich mit Deutschland, mit finanziell extrem poten­ten Sendern, die freie Wildbahn, um es so zu sagen?

Ich glaube, Österreich wird einen öffentlich-rechtlichen Sender finanzieren müssen. Es kommt noch eine Sondersituation dazu, weil sehr viel Deutschsprachiges reinstrahlt. Und wenn man sich anschaut, welcher Anteil an Informationssendungen vom ORF kommt und welcher von den Privaten, dann ist es, glaube ich, ausreichend erklärt, dass es oh­ne diesen nicht gehen wird. Ich denke, dass das Objektivitätsgebot eine zentrale Vo-


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raussetzung ist. Da sind wir wahrscheinlich alle der Meinung, dass das manch­mal nicht ganz so aufgeht, wie es der Fall sein sollte, aber alle anderen haben das nicht.

Wenn bei Puls 4 beispielsweise die Inszenierung des Bundeskanzlers fortgesetzt wird, der zuerst seine Rede hält, den Plan A vorstellt – welcher immer das war; ich glaube, der mit den Neuwahlen, aber das hat er nicht so genannt –, wenn Puls 4 am nächsten Tag hergeht und eine riesige Inszenierung macht, dann kann man das dort tun. Beim ORF hätten wir uns schon andere Fragen stellen können oder zumindest dort einmal darauf hinweisen können, dass es auch andere Berichterstattungen geben muss. Ich glaube, ohne öffentlich-rechtliche Sender in dieser Zeit wird es in Europa und auch in Ländern wie Österreich nicht gehen, und deshalb sollte es auch einen starken ORF geben.

Jetzt kommen wir schon zu den Punkten, wo noch Luft nach oben ist, und die Be­weihräucherung des Josef Cap geht dann doch in vielen Bereichen etwas zu weit. Ich finde, man sollte es einmal von der Grundsatzfrage her angehen. Stichwort Negativ­berichterstattung: ein Trend, der sich durch alle wissenschaftlichen Erkenntnisse durch­zieht. Der Anteil von Negativberichterstattung ist extrem gestiegen. Das habe ich auch mehrfach mit ORF-Redakteuren zu diskutieren versucht. Die definieren sich so. Die sagen: Alles, was positiv ist, ist nicht unsere Welt, weil wir kritische Journalisten sind, und wenn etwas funktioniert, hat das de facto eine völlig untergeordnete Rolle. Das ist aber auch eine politische Grundsatzentscheidung, so zu berichten – wurscht, von wel­cher Fraktion. (Beifall des Abg. Amon.) Dass es aber auch Dinge gibt, die funktio­nieren, könnte man auch einmal darstellen. Und ob man das „Bürgerforum“ nicht eher als Wutbürgerforum bezeichnen sollte, darüber lässt sich auch trefflich diskutieren.

Also ich glaube, da gibt es Luft nach oben, auch was objektive Berichterstattung be­trifft, denn, egal, was ist, nur auf das Negative zu fokussieren, kann nicht richtig sein. Jeder von uns weiß, wann eine „ZIB 2“-Einladung kommt – wenn es einen Wickel gibt. Die letzte „ZIB 2“-Einladung bei etwas Positivem ist schon lange her, da gibt es nicht viele. Und dieser Fokus ist meiner Meinung nach falsch. Da geht es auch um eine an­dere Form von Demokratiebelebung, und da müssten sich auch einige an der Nase nehmen. Ich adressiere das auch konkret an Frau Zechner, die ja für die Sendung „Bür­gerforum“ verantwortlich zeichnet.

Übrigens: Der ORF hat sich zu Recht darüber aufgeregt, dass von ServusTV der Iden­titären-Chef – als deklarierter Rechtsextremer – eingeladen wurde. Was er vergessen hat: Ins „Bürgerforum“ selbst wurde der vormalige Chef der Identitären eingeladen, Herr Markovics, ohne ihn so zu deklarieren. Danach wurde er noch einmal in einem Ausschnitt in der „ZIB 2“ gezeigt, wo nicht einmal dabeigestanden ist, dass er von den Identitären ist. Auf die angekündigte Erklärung dazu warten wir seit mittlerweile über zwei Jahren; die hat es nämlich nie gegeben, obwohl sie angekündigt war. – Also da gibt es schon einiges, wo der ORF vor seiner eigenen Tür kehren sollte. Da gibt es noch genug Luft nach oben.

Aber es gibt ORF III, es gibt Ö1 – übrigens alles Dinge, Herr Kollege Strolz, die nach Ihrem ursprünglichen Modell so nicht mehr existieren würden. Das wissen Sie auch. (Abg. Strolz: Das stimmt nicht!) – Nein, sagen Sie nicht, das stimmt nicht! Das stimmt natürlich, weil GIS-Abdrehen logischerweise dazu führt, dass es keinen Öffentlich-Rechtlichen mehr gibt. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Ja, das weiß ich eh, dass Sie jetzt wieder mit dem alten Schmäh kommen. Über Ihren Slalomkurs können wir gerne noch reden, Herr Kollege Strolz.

Als Kennung bei Ihrer Unterschriftenaktion steht, glaube ich, drauf: „GIS abdrehen“, das ist Ihr Ding. Das ist interessant, denn heute bringen Sie einen Antrag ein, da steht drauf: GIS aufdrehen. (Abg. Strolz: Ah so?) – Ja, der Antrag, den Sie einbringen, be-


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sagt das. Er ist so kompliziert formuliert, ich glaube, das hat etwas mit Kollegen Alm zu tun, ich lese ihn trotzdem vor, er wird ja dann noch eingebracht werden:

„Die Bundesregierung […] wird dazu aufgefordert, das Rundfunkgebührengesetz da­hingehend zu novellieren, als dass die Gebühren Informations GmbH Gebühren und Programmentgelt gemäß § 31 ORF-Gesetz, nicht aber die Abgaben der Länder ein­bringt.“

Das heißt, die GIS-Gebühren sollen eingehoben werden, nur die Länderabgaben sol­len nicht mehr eingehoben werden. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Das ist ein Pro-GIS-Antrag! Also Sie machen eine Petition, in der Sie die Abschaffung der GIS-Gebüh­ren verlangen, und beantragen heute im Parlament, dass die GIS-Gebühren weiter be­stehen bleiben sollen. Wenn Hirscher diesen Slalomkurs sieht, wird er neidisch wer­den, wirklich! (Abg. Strolz: Das ist nicht seriös, was Sie da machen! Das ist unter Ih­rem Niveau!)

Was Sie in den letzten Wochen mit dem ORF aufführen, ist absurd. Zuerst kommt Niko Alm und sagt: Wir fahren mit der Walze drüber, wir brauchen überhaupt keinen öffent­lich-rechtlichen Sender mehr (Abg. Strolz: Die Grünen sind strukturkonservativ, das wissen wir eh!) – ja, jetzt kommt wieder die Strukturgeschichte –, das kann man alles streichen! Das war Ihr Programm. (Abg. Strolz: Das ist unter Ihrem Niveau!) – Wollen Sie noch einmal reden, oder geht es wieder? (Abg. Strolz: Ja!) – Ja, dann melden Sie sich vielleicht.

Ihr Programm war, den ORF, die ORF-Sender abzudrehen. Ihr Vorschlag war: Es soll Redaktionen geben. – Das kann man alles nachlesen, zum siebenten Mal, auch wenn der Kopf geschüttelt wird; ich weiß, das ist Ihnen jetzt unangenehm. – Ihr Ansatz war, es soll keine ORF-Sender mehr geben, es soll Redaktionen geben, die der Staat be­zahlt, und das, was die produzieren, kauft irgendwer oder kriegt es gratis und strahlt es dort aus. Das ist ein ORF-Programm à la NEOS gewesen. Jetzt ist es weiterentwickelt worden, weil die Reaktion darauf vielleicht nicht ganz so entsprechend war. Dass man jetzt allerdings einen Pro-GIS-Gebühren-Antrag einbringt und gleichzeitig eine Petition gegen GIS macht, das geht vielleicht doch etwas zu weit.

Also kommen wir zurück! Ich glaube, einen öffentlich-rechtlichen Sender braucht es. Wir sollten uns den ORF im Detail anschauen, mit allen Kritikpunkten, mit allen Dingen, die aufrechterhalten werden sollen. Kollege Amon ist jetzt draußen, aber durch den Sparkurs werden wir schon bald sehen, wie groß der Druck auch auf ORF III und auf Ö1 wird, die Sender, mit denen der Kernauftrag des ORF erfüllt wird. Da haben wir ge­nug Fragen der Finanzierung, und da werden wir sehr genau hinschauen, ob dort das Sparpaket auch zuschlägt. Die Infragestellung eines Öffentlich-Rechtlichen in dem Um­feld, wie es Österreich hat, halte ich medien- und demokratiepolitisch aber für völlig un­verantwortlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.39


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.

 


12.40.01

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Damen und Herren vor den TV-Schirmen und auf der Besuchergalerie! Werte GIS-Zahler, die die Debatte wahrscheinlich vor den Fernsehgeräten verfolgen! Es ist heute schon ein paar Mal gesagt worden, natürlich gibt es seitens des ORF sehr gute Arbeit von Journalisten, von Fernsehmachern, von Medienmachern, die durchaus se­henswert ist, die sich auch international sehr gut sehen lassen kann; das ist überhaupt keine Frage. Wir brauchen aber, glaube ich, nicht darüber zu diskutieren, dass das nur ein Teil dieses Riesenkonzerns ist, und es gibt eben sehr viele Bereiche, die durchaus hinterfragenswürdig sind.


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Weil vorhin kurz zum Beispiel die Gehaltsdebatte aufgebrochen ist – Kollege Hagen war es, der das berichtet hat –, so muss man sagen, dass es ganz wesentlich wäre, diesbezüglich die Dinge offenzulegen, weil es einfach wichtig ist, dass man weiß, vor allem bei Journalisten, die Interviews machen und dergleichen, was die einerseits ver­dienen und auf der anderen Seite unter Umständen auch an Werbeverträgen und der­gleichen haben, also wem sie unter Umständen noch Treue schuldig sind. Das ist si­cher nicht ganz unwichtig.

Ich verstehe grundsätzlich, warum mittlerweile auch die Grünen, aber natürlich auch ÖVP und SPÖ den ORF dermaßen verteidigen müssen und sich dementsprechend in die Bresche hauen müssen, denn wenn man sich die innenpolitischen Gegebenheiten der letzten Jahre und die Entwicklungen der letzten Monate anschaut, dann sieht man, dass der ORF für diese beiden Parteien als Sprachrohr immer wichtiger wird.

Ein Freund von mir hat vor einer Woche, glaube ich, bezüglich der Angelobung des neuen Bundespräsidenten Van der Bellen gemeint, Van der Bellen sei die Herz-Lun­gen-Maschine der rot-schwarzen Koalition, die eigentlich schon halb tot ist. Ich gebe ihm grundsätzlich recht, und ich erweitere das: Ich würde sagen, der ORF ist so etwas wie die Herz-Lungen-Maschine einer Dead-Man-Walking-Koalition. Umso notwendiger und überlebenswichtiger ist es natürlich, dass dieser ORF gut ausgestattet und gut do­tiert ist.

Wir kommen damit zu einem Bereich, meine Damen und Herren, der nichts Neues ist: Wir haben heute schon über parteipolitische Postenbesetzungen, die es im ORF defi­nitiv gibt, und dergleichen diskutiert, über Abtausche. Ich kann mich noch erinnern, wie Kollege Amon – jetzt ist er schon weg – im Sommer noch gemeint hat, er wolle nicht more of the same. Da war es noch so, dass man Wrabetz absägen wollte. Das ist jetzt aber alles vergessen. Da dürfte man sich irgendetwas ausgedealt haben.

Wir haben also über Postenschacher im ORF schon gesprochen, aber wir müssen na­türlich auch darüber reden, wie objektiv dieser ORF ist. Und da gibt es zig Beispiele, wo diese Objektivität mehr oder weniger offen verletzt wird. Ein Beispiel, das mich wirklich fast schon wieder zum Lachen gebracht hat, war die Wahlberichterstattung über die US-Präsidentenwahl im November, wo sich dann ein Moderatorenpaar in der „ZIB 1“ – glaube ich, war das – bewusst so anzieht, wie das die US-Demokraten tun, um Solidarität mit Hillary Clinton, die so traurig abgewählt wurde und es nicht geschafft hat, zu bekunden, was eigentlich ungeheuerlich ist. (Abg. Pirklhuber: 3 Millionen Stim­men mehr!)

Das ist schon richtig, und ich will mich jetzt gar nicht mit Donald Trump oder sonst et­was beschäftigen, Herr Kollege Pirklhuber. Es geht, glaube ich, nur darum, und das ist ja wohl klar – unabhängig davon, ob das richtig oder falsch ist, es ist nicht unser Sys­tem –: So viel Interesse wie für die US-Wahl würde ich mir für die eigene Innenpolitik in Österreich wünschen. Aber abseits dessen: Was ungeheuerlich ist, ist, dass ein Mode­ratorenpaar einer prominenten ORF-Nachrichtensendung eine Solidaritätsbekundung in eine politische Richtung abgibt. Das ist ja ungeheuerlich und kann überhaupt nicht sein. Wir sind ja keine Bananenrepublik. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten des Teams Stronach.)

Ähnliche Geschichten gibt es natürlich permanent, etwa als wir jetzt ein Jahr lang Bun­despräsidentenwahlkampf gehabt haben, wo immer subkutan Themen gezielt heraus­geholt wurden, um die eine Seite zu forcieren und die andere unter Umständen schlecht­zumachen, wo mehr oder weniger offen Meinungsjournalismus gemacht wird, von ei­nem Sender, der eigentlich objektiv sein sollte, was eben definitiv nicht der Fall ist oder in vielfacher Weise nicht der Fall ist, wo angeblich unabhängige Journalisten eben mit der Politik verhabert sind und dergleichen, wo man sich schon gar nicht mehr aus­kennt, wer in diesem Verein mit wem verheiratet ist – es wurde vorhin schon Herr Strobl,


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glaube ich, indirekt genannt –, wo man nicht mehr weiß, wo wer mit wem im Hinter­grund gemeinsame Sache macht, wo aber eines klar ist, nämlich dass die Linien meis­tens zu Rot, Schwarz und Grün laufen. Das muss man einmal ganz klar sagen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Und damit ist in Wirklichkeit, weil es ja immer darum geht, parteipolitische Intervention im ORF zu bekämpfen, diese eigentlich gar nicht mehr notwendig, weil ja dort ohnehin ein Großteil der Journalisten politisch richtig geschaltet ist und diese gar nicht mehr fra­gen müssen, was sie richtig berichterstatten müssen.

Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, letzte Woche eine Umfrage von „TV-Me­dia“ veröffentlicht worden, und da wurde ServusTV auf die Frage, ob dieser Sender poli­tisch völlig unabhängig ist, von 19 Prozent der Österreicher auf Platz eins gewählt. Beim ORF glauben nur 4 Prozent der Österreicher, dass er politisch unabhängig ist bezie­hungsweise nicht von politischen Interessengruppen abhängig ist. (Abg. Deimek: … ha­ben nur mehr 4 Prozent, … SPÖ!) – Ja, vielleicht haben sie nur mehr so viel, das ist schon möglich.

Man sieht also, es dringt natürlich in der Bevölkerung auch mehr und mehr durch, dass der ORF alles andere als das objektive Flaggschiff ist, sondern eben ein Sender, der Meinung macht.

Und wenn es dann um den Content geht, darum, dass vor allem ORF eins und Ö3 ei­gentlich kommerzielle Sender sind, so ist das schön und gut, das funktioniert, aber das ist nicht Sinn der Sache und auch nicht der Grund dafür, dass wir 600 Millionen € Steu­ergeld – oder in diesem Fall Gebühren, Zwangsgebühren – einheben müssen.

Meine Damen und Herren! Wir leben eigentlich in einem freien Rechtsstaat – oder soll­ten in einem solchen leben –, in einer freien Demokratie. Wir haben in Österreich Zwangs­mitgliedschaften in Kammern, wir haben diese unselige Zwangsgebühr für den ORF – das lässt sich meines Erachtens nicht mit einem freiheitlichen Rechtsstaat vereinen. Ich bin also, so wie unsere Partei natürlich auch, absolut dafür, dass man diese Zwangs­gebühren abschafft, aber – das muss ich gleich dazusagen – natürlich muss man sich etwas überlegen. Ich bin auch dagegen, dass man einen öffentlich-rechtlichen Sender komplett zerschlägt. Man muss sich schon überlegen, wo man einen Kulturauftrag, wo man einen gewissen Auftrag erfüllen kann, um eben – das sind die Probleme, denen wir uns stellen müssen – einer kommerzialisierten Medienlandschaft entgegenzuwirken.

Nur: In dieser Form kann es definitiv nicht weitergehen. Ich bin der Meinung, wir sollten vielleicht einmal das Volk fragen, denn wenn es so schlüssig ist, wie Kollege Cap es behauptet, dass wir den ORF brauchen, dann wird man das Volk ja wohl auch davon überzeugen können. Da könnte man einmal nachfragen, ob man Zwangsgebühren ha­ben will. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht richtig ist auf jeden Fall eine diesbezügliche Schwarz-Weiß-Malerei: den ORF komplett zerschlagen oder ihn völlig in dieser Form belassen. Ich glaube, da gibt es sicher Mittelwege, die wir finden werden. Und eine deutliche Reduktion der Gebühr und vor allem eine Abschaffung des Zwangs wäre sicher nicht schlecht, denn ich bin der Meinung, dass jeder Bürger in Österreich selbst entscheiden soll, welche Medien er konsumieren will und welche nicht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.46


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. – Bitte.

 


12.46.51

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es prallen zwei Welten aufeinander. Die einen sagen: Gebühren weg! Das bedeutet aber auch, und das


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soll man ruhig auch aussprechen, dass es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr gibt. (Abg. Mölzer: Das ist doch nicht schwarz-weiß! – Abg. Schimanek: Sie haben nicht zugehört! – Abg. Deimek: Jetzt sind Sie Jurist und horchen wieder nicht zu!)

Noch einmal: Entweder man finanziert mit Gebühren den Auftrag, der öffentlich-recht­lich ist, oder man hat keine Gebühren und keinen öffentlich-rechtlichen Auftrag. (Neu­erliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die zweite Geschichte ist: Die anderen versuchen das über den Umweg einer Privati­sierung zu erlangen. Ich gebe da nur ein paar Dinge zu bedenken: Die BBC in Eng­land, eine der weltweit renommiertesten Fernsehanstalten, ist ein öffentlich-rechtlicher Sender; ZDF, ARD in Deutschland sind öffentlich-rechtliche Sender. (Abg. Lugar: Wo ist jetzt das Argument für den ORF?) Also die Zerschlagung in ein ausschließlich pri­vates Fernsehsystem, wie Sie es haben wollen … (Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Na, Sie wollen es halt irgendwie beschönigen, weil Sie gerade noch und irgendwie … (Abg. Strolz: Nein, wir wollen eine zeitgemäße Lösung!) Sagen Sie, wie es ist! (Abg. Strolz: Eine zeitgemäße Lösung wollen wir!) Streuen Sie den Menschen nicht Sand in die Au­gen!

Nicht nur bei uns, sondern weltweit ist es so, dass es in allen großen Demokratien auch öffentlich-rechtliche Sender gibt. Warum gibt es diese? – Schauen wir uns an, was die Besonderheit an diesem amerikanischen Wahlkampf war: dass in den sozialen Medien Trump 85 Prozent Fake News abgesetzt hat. – Fake News! Keiner hat das kon­trolliert! – Da braucht es doch ein öffentlich-rechtliches Medium, das versucht, Objek­tivität in diese Auseinandersetzung zu bringen (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ so­wie der Abgeordneten Pirklhuber und Strolz – Zwischenrufe der Abgeordneten Dei­mek und Schimanek), wo man sich informieren kann und die Informationen wertfrei einander gegenüberstellen kann (Abg. Loacker: … der Tesarek …!) und nicht auf Fake News angewiesen ist.

Also die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders wird in demokratiepolitischer Hin­sicht immer wichtiger, um auch zu Informationen zu kommen, bei denen der Versuch aufrechterhalten wird, sie objektiv zu gestalten. (Abg. Deimek: So ist es ja nicht!) Das wird nicht immer gelingen. (Abg. Schimanek: Bitte, wissentlich, wissentlich macht man das!) Das wird nicht immer gelingen, weil auch Redakteure ihre Meinung haben, aber sie versuchen es wenigstens, und sie sind nicht davon abhängig, dass ihnen je­mand Geld dafür bezahlt, dass sie das sagen, was derjenige, der es bezahlt, hören will. Diese Freiheit müssen wir diesem Land auch lassen! Diese Freiheit müssen wir diesem Land auch geben, und diese Freiheit an Meinungsbildung muss der Bürger zur Verfügung haben! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich warne vor diesen einfachen Lösungen nach der Devise: Wir schaffen die Gebühren ab! (Abg. Haider: Rotfunk! Rotfunk!) Warum hat sich die Europäische Union dafür ent­schieden, auch öffentlich-rechtliche Fernsehsender zuzulassen? – Weil man sagt, den Gebühren, die sie einheben, muss auch ein objektiver Informationsauftrag gegenüber­stehen (Abg. Schimanek: Wenn es wenigstens so wäre!); den anerkennen Sie sogar. Sie aber wollen die Gebühren abschaffen – das heißt: der Informationsauftrag wird ab­geschafft. Sagen Sie es dazu! (Abg. Walter Rauch: Wer sagt denn das?)

Sagen Sie es dazu! Dann sind wir in der Diskussion, die wir wollen – denn Thema der Diskussion muss die Frage sein: Wie kommt der Bürger zu objektiven Informationen? (Abg. Schimanek: Ja, das würden wir gern wissen!) Und diese Auseinandersetzung führe ich gern mit Ihnen. Ich will mich nicht auf Fake News verlassen. Ich will mich ganz einfach auch noch informieren können, wo Meinungen wertfrei gegeneinander ab­gewogen werden. (Abg. Deimek: Rot-grün! Was anderes gibt es eh nicht!) Diese Aus­einandersetzung führe ich gerne mit Ihnen (Abg. Deimek: Die Schwarzen, die …!), weil wir wissen, dass das ein Irrweg ist, sich nur mehr auf Fake News zu verlassen. – Das


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heißt, die Aufgabe des öffentlichen Fernsehens oder der öffentlichen Medien wird im­mer wichtiger.

Ein weiterer Punkt – man vergisst das immer –: Bitte, 560 Millionen € ziehen die deut­schen Fernsehsender aus dem österreichischen Werbemarkt ab! 280 Millionen € blei­ben im Land. Sagen Sie doch bitte: Was bringt denn ein deutscher Fernsehsender an nationalem oder an österreichischem Kulturgut?

Wollen Sie auf die wirklich guten Inszenierungen der Salzburger Festspiele verzichten? (Abg. Kassegger: … eh auf ServusTV!) Wollen Sie auf die Operninszenierungen ver­zichten? Wollen Sie auf das, was Österreich groß macht, verzichten? Wieso wollen Sie das? Ich verstehe Ihre Absicht nicht mehr. Sie wollen das den deutschen Konzernen hinten hineinschieben?! 105 Millionen € werden 2017 für österreichische Filmproduk­tionen ausgegeben. Jeder ist froh, wenn wir dann eine Goldene Palme bekommen – die wir oft bekommen! –, wenn wir für den Oscar nominiert werden, und all diese Dinge.

105 Millionen € fließen in die österreichische Filmwirtschaft! Glauben Sie wirklich, dass irgendein deutscher Sender interessiert wäre, diese 105 Millionen € in die österreichi­sche Kulturlandschaft zu stecken?! Na wie naiv sind Sie denn? (Abg. Strolz: Sie hor­chen nicht zu! Wir wollen einen Öffentlich-Rechtlichen!) Was glauben Sie, was Sie mit dem Kulturbetrieb in Österreich anrichten, was glauben Sie, was Sie mit der Filmwirt­schaft in Österreich anrichten, was glauben Sie, was Sie mit der Meinungsvielfalt in Ös­terreich anrichten, wenn Sie sich den deutschen großen Fernsehsendern ausliefern?! – Ich halte Ihre Argumentation für kurzsichtig, naiv und der Demokratie fast schadend. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte. (Abg. Jarolim: Dann muss man vielleicht den ganzen Tag die obskuren Reisen der FPÖ betrachten! – Gegenrufe bei der FPÖ.)

 


12.52.36

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! (Anhaltende Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.) Sa­gen Sie mir, wann es …!

 


Präsident Karlheinz Kopf: Meine Damen und Herren! Auch Herr Mag. Alm hat so wie alle anderen den Anspruch darauf, gehört zu werden und nicht mit seiner Rede im all­gemeinen Sprachengewirr unterzugehen. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) – Bitte! Haben wir es jetzt? (Abg. Steinbichler – in Richtung SPÖ weisend –: Aber der Kollege hat telefoniert! Das passt auch nicht!) – Kollege Steinbichler, haben wir es jetzt? – Gut, danke.

Bitte, Herr Abgeordneter Alm.

 


Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (fortsetzend): Herr Kollege Wittmann, ich will Ihnen in Ihren medienpolitischen Kompetenzen nicht allzu sehr nahetreten, aber ein bisschen schon. Wie Sie hier frank und frei darüber urteilen, dass private Medien nicht in der La­ge wären, ordentlichen Journalismus zu liefern, ist schon ungeheuerlich. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Walter Rauch.)

Auf Sie, Josef Cap, möchte ich nicht viel Redezeit verschwenden, denn Sie sind mit diesen Vorwürfen immer nur auf einen billigen Lacher aus; und ich glaube, Sie sind auch gar nicht in der Lage, unsere Konzepte zu verstehen, muss ich ehrlich sagen.

Dieter Brosz traue ich das an und für sich schon zu; ich möchte in dieser Hinsicht auch etwas klarstellen: Du beziehst dich immer wieder auf einen Gastkommentar, den ich im August 2015 für „NZZ.at“ geschrieben habe, der zweiteilig war. Das war kein Punkt aus dem NEOS-Programm. Er trug den markigen Titel „Nehmen wir den ORF auseinan-


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der“, und da habe ich über vertikale Desintegration des ORF geschrieben. Das bedeu­tet aber nicht, dass wir dem ORF die Senderstruktur abräumen. Das steht so auch in keinem Konzept. Wir könnten uns einmal darauf einigen, dass es nicht unsere Idee ist, das zu machen. Das war kein ursprüngliches Konzept, das wir geändert haben, das war nie der Plan. Und wir sind nach wie vor nicht der Meinung, dass das passieren soll. Ich werde aber später noch ein bisschen mehr dazu erklären.

Das Ganze hat schon einen medienpolitischen Hintergrund. Warum gibt es Medienpoli­tik? – Um einen pluralistischen Medienmarkt zu gewährleisten, der dafür sorgt, dass journalistisch hochwertige Information zur demokratischen Meinungsbildung verfügbar ist. Und das Instrument staatlicher Intervention – hier, medienpolitisch – sind im We­sentlichen Regulierung und Förderung auf der einen Seite bis hin zum Betrieb eines ei­genen Medienhauses, einer eigenen Infrastruktur, wie wir das in Österreich mit dem ORF und der „Wiener Zeitung“ haben, auf der anderen Seite.

Ob das tatsächlich notwendig ist, darüber könnte man diskutieren, darüber kann man diskutieren. Das mache ich an dieser Stelle nicht. Wir bekennen uns dazu, dass das notwendig ist, ich erneuere dieses Bekenntnis. Wir müssen das auch immer wieder er­neuern, denn es kann sein, dass das in fünf Jahren in dieser Art und Weise nicht mehr gilt. Das ist zu hinterfragen. Wir können es tatsächlich auch schlecht ausprobieren – da gebe ich Dieter Brosz auch recht –: In Zeiten von Fake News und so weiter ist es kein gutes Experiment, zu schauen, ob es ohne den ORF in dieser Form oder ohne Förde­rungen im Medienbereich auch geht. Das geht nicht.

Eine Frage bleibt natürlich: Was und wie viel kann gefördert werden?, und dies im Zu­ge von Digitalisierung, Vernetzung, Globalisierung, vertikaler Reintegration, Konvergenz und vor allem auch geändertem Nutzungsverhalten. Glauben Sie, dass in zehn Jahren die jetzt Zehn-, Zwölfjährigen irgendwie noch linear fernsehen werden? Diese Frage hat­ten wir schon. Das wird einfach nicht passieren. Da hat sich einiges geändert.

Wir können durch diese Förderungen jedenfalls kein Nachfragedefizit an diesen Inhal­ten mehr ausgleichen. Herr Minister Drozda hat ja in seinem Ansatz zur Medienförde­rung Neu auch den Fokus darauf gelegt, dass eben journalistische Inhalte gefördert werden, und liegt damit sozusagen im modernen Mainstream. Diese Sichtweise teile ich auch. Infrastruktur, technische Produktion, Verbreitung sind nicht unbedingt mehr för­derwürdig und, wie im Fall des ORF, nur mehr so weit wie notwendig förderwürdig.

Beim ORF wird aber trotzdem noch versucht, das Nachfragedefizit dadurch auszuglei­chen, dass man diesem Nachfragedefizit eine hohe Reichweite entgegensetzt. Doch das funktioniert nicht mehr, weil die Medienkonsumentinnen und -konsumenten selbst entscheiden, was sie konsumieren und auch wann sie es konsumieren. Es braucht al­so viel mehr einen intelligenten Vertrieb, eine intelligente Verbreitung dieser Inhalte. Das geht auch über Medienkooperationen, und das habe ich gemeint: Man kann sich fremde Medienhäuser auch zunutze machen, um diese Inhalte zu verbreiten, wie zum Beispiel Facebook; der ORF macht das heute, der ORF nützt heute Facebook. Und es gibt beim ORF Menschen, die Facebook gerne als Medium definieren; die wehren sich aber gleichzeitig gegen unsere Vorschläge, dass der ORF bitte andere Medien benüt­zen sollte. Das ist doch paradox. Der ORF tut es, und das ist ja auch richtig so.

Wenn sich also der ORF von diesem Reichweitenfetisch verabschiedet und akzeptiert, dass die Verbreitung in Zukunft weniger linear ist, dann ist er auch bei wesentlich hö­herer Qualität, nämlich mit Fokus auf Public Value, wesentlich günstiger zu betreiben.

Dazu ein kleines Gedankenexperiment, das ich auch schon einmal publizistisch durch­geführt habe: Wenn wir den ORF neu konzipieren würden, und wir würden uns an vergleichbaren Marktbegleitern orientieren – also wir nehmen das Budget zum Beispiel von Puls 4, von Ö3, von „Der Standard“-Print und „Der Standard“-online zusammen und


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runden das auf –, dann kommen wir auf 200 Millionen €. Wenn wir das jetzt verdoppeln und noch einmal schlampig aufrunden, landen wir bei einer halben Milliarde Euro. – Al­so mit einer halben Milliarde Euro müsste ein ordentliches Medienhaus, das das pro­duziert, was wir demokratisch brauchen, wirklich gut zu betreiben sein.

Die Einnahmen des ORF aus den Programmentgelten betragen circa 600 Millionen €, und die sind in den letzten zehn Jahren auch um 30 Prozent gestiegen, während die Inflation in diesem Zeitraum nur 18,8 Prozent betragen hat. Der ORF kommt mit die­sem Geld aber nicht aus. Das wirft die Frage auf, ob da langfristig nicht ein Problem eher auf der Ausgabenseite des ORF als auf der Einnahmenseite besteht.

Ein Zitat aus dem ORF-Jahresbericht 2015, um den es jetzt hier geht: „Der ORF ist eines der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen Europas: Der ORF hat strukturelle Herausforderungen frühzeitig gemeistert, ist stabil in den schwarzen Zahlen und produziert heute mehr Programm denn je.“ – Mit Verlaub, das stimmt nicht! Der ORF hat die strukturellen Herausforderungen eben nicht gemeistert – und wir wol­len ihm dabei helfen, dass er diese Herausforderungen meistert.

Generaldirektor Wrabetz hat im Stiftungsrat im November 2016 eine Finanzierungslü­cke von über 40 Millionen € für 2017 präsentiert, und in Folge wurden die Rundfunk­gebühren dann auch um 6,5 Prozent erhöht – wohlgemerkt: bei steigenden Einnahmen aus den Programmentgelten, 30 Prozent in den letzten zehn Jahren. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Aus den Rechnungshofberichten geht hervor, dass das durchschnittliche Gehalt der ORF-Angestellten – 81 900 € – dem Doppelten des Branchendurchschnitts entspricht. Frauen verdienen beim ORF übrigens 15 Prozent weniger. 685 ehemalige Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter des ORF erhalten mehr als 16 Millionen € an Zusatzpensionen. Das verursacht Kosten von 1 700 € pro Kopf pro Monat.

Vor dem Hintergrund der Gebührenerhöhung im Mai des Jahres steht den Gebühren­zahlerinnen und Gebührenzahlern aber eine transparente Darstellung der Verwendung ihrer Beiträge zu. Das würde die Akzeptanz bei den GIS-Kundinnen und -Kunden erhö­hen, das würde wesentlich zu dieser Akzeptanz beitragen. Wir fordern daher, dass der ORF auch hier Gehaltsschemata offenlegt – natürlich nicht Gehälter auf individueller Ebene –; das würde mehr Transparenz schaffen. Zu einem Mehr an Transparenz sei­ner Tätigkeit gehört auch, dass der ORF, und in diesem Fall sein Unternehmen, näm­lich die GIS, nicht mehr für die Länder als Inkassobüro auftreten muss. Die Landes­abgaben, die zusammen mit Programmentgelt, Kunstförderungsbeitrag, Fernseh- und Radiogebühr eingehoben werden, werden unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit man­cher Bundesländer aufgewendet.

Deswegen bringen wir folgenden Entschließungsantrag ein, den man durchaus als GIS-Aufdrehen bezeichnen könnte: Wenn die Menschen schon GIS-Gebühren zahlen müs­sen – das können wir jetzt ja nicht mehr ändern –, dann hätten wir wenigstens gerne, dass sie die Teile der GIS-Gebühren, die der ORF nicht bekommt, nicht zahlen müssen; die sollen die Länder gefälligst selbst einheben. – Dieter Brosz hat meinen Entschlie­ßungsantrag schon verlesen. Muss ich ihn jetzt noch einmal verlesen? – Ja, wahrschein­lich schon. Ich verlese ihn sicherheitshalber noch einmal.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Ein­hebung von Länderabgaben durch die GIS GmbH

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst und Kultur, Ver­fassung und Medien wird dazu aufgefordert, das Rundfunkgebührengesetz dahinge­hend zu novellieren, als dass die Gebühren Informations GmbH Gebühren und Pro­grammentgelt gemäß § 31 ORF-Gesetz, nicht aber die Abgaben der Länder einbringt.“

*****

Wenn die Gebührenzahler schon mehr zahlen, dann sollen sie wenigstens diese Leis­tungen nicht mitfinanzieren müssen.

Ich kann abschließend nur noch einmal betonen, dass es uns nicht darum geht, den ORF zu zerschlagen, sondern darum, dass wir ihn modernisieren wollen. In dieser Form, in der er jetzt existiert, verliert er schleichend seine Existenzberechtigung. (Beifall bei den NEOS.)

13.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Niko Alm, Kollegin und Kollegen betreffend keine Einhebung von Länderabgaben durch die GIS GmbH

eingebracht im Zuge der Debatte über ORF Jahresbericht 2015 – TOP 2

Jeder österreichische Haushalt, der nicht von den Rundfunkgebühren befreit ist, zahlt im Schnitt 23,51 Euro im Monat für die Nutzung von Radio und Fernsehen (Stand Jän­ner 2017). Die Höhe der Gebühr setzt sich aus Radio- und Fernsehgebühr, Programm­entgelt, Kunstförderungsbeitrag und Landesabgabe zusammen. Die Landesabgabe fließt in das jeweilige Landesbudget, wobei ihre Höhe und Verwendungszweck von den Bundesländern selbst festgelegt wird und demzufolge zwischen Null und 5,4 Euro mo­natlich variiert. Die Verwendung reicht dabei von kulturellen Aufwendungen über Sport­förderung bis hin zur Altstadterhaltung und wird zusammen mit der Rundfunkgebühren­rechnung durch die GIS Gebühren Info Service GmbH eingehoben.

Es erschließt sich nicht, dass das Unternehmen ORF, das sich zu einem Großteil aus den Einnahmen des Programmentgelts der Gebührenzahler_innen finanziert und in des­sen hundertprozentigem Eigentum sich die GIS GmbH befindet, für das Einheben von Abgaben der Bundesländer verantwortlich ist.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst und Kultur, Ver­fassung und Medien wird dazu aufgefordert, das Rundfunkgebührengesetz dahinge­hend zu novellieren, als dass die Gebühren Informations GmbH Gebühren und Pro­grammentgelt gemäß § 31 ORF-Gesetz, nicht aber die Abgaben der Länder einbringt.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 91

13.01.43

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Für alle Zuseherinnen und Zuseher: Wahrscheinlich haben Sie den Ein­druck gewonnen, wir diskutieren hier, ob wir den ORF neu finanzieren oder anders fi­nanzieren sollen. Sie glauben, das steht auf der Tagesordnung; es steht aber nicht auf der Tagesordnung. Auf der Tagesordnung steht der ORF-Jahresbericht 2015, in dem der ORF aus seiner Sicht berichtet, wie dieses Jahr 2015 verlaufen ist und wie viele Ein­nahmen er hatte.

Um noch eine Zahl hereinzubringen, da viel über Gebühren geredet worden ist, damit die Zuseherinnen und Zuseher auch wissen, um welche Größenordnung es da geht: Der ORF hat im Jahr 2015 Gebühreneinnahmen von 593,6 Millionen € und kommer­zielle Einnahmen von 369,1 Millionen € gehabt; also der ORF hat knapp 60 Prozent über Gebühren eingenommen. All diejenigen, die sagen, der ORF soll ohne Gebühren auskommen, müssen einmal darlegen, wie der ORF sein Programm aufrechterhalten kann, wenn es nicht gebührenfinanziert ist, und sie müssen darüber reden, welches Pro­gramm er haben soll.

Ich möchte daher versuchen, zu einer Einigung darüber zu kommen, was die Aufgabe des ORF ist – nämlich die, die im ORF-Gesetz schon drinnen steht. Ich habe das ei­gentlich nicht wirklich als Kritik von Ihnen vernommen, dass Sie das nicht mehr wollen. Wenn Sie das wollen, dann müssten wir eigentlich in dem Punkt weiterdiskutieren kön­nen, in einer Form, wie wir sie im Ausschuss auch vorhaben. Für die Zuseherinnen und Zuseher: Wir diskutieren eigentlich die detaillierten Inhalte in einem Ausschuss, doch dieses Mal hat sie die Freiheitliche Partei nicht im Ausschuss diskutieren wollen, son­dern sie wollte sie ins Plenum bringen, sonst hätten wir im Ausschuss inhaltlich disku­tieren können. (Abg. Steger: Wir haben im Ausschuss schon inhaltlich diskutiert!)

Es kam auch der Vorschlag – ich glaube, von Kollegen Brosz –, dass wir Generaldi­rektor Wrabetz einladen, dass wir das inhaltlich mit dem Vorstand des ORF durchdis­kutieren, dass wir uns einmal seine Sicht anhören, dass wir unsere Sicht einbringen, um dann vielleicht zu einer gemeinsamen Meinung kommen zu können und schauen zu können, wie wir das für den ORF gemeinsam verbinden können. Das würde ich mir unter inhaltlicher Arbeit eigentlich wünschen. Wahrscheinlich wünschen sich viele Zuseherinnen und Zuseher, dass wir uns damit inhaltlich auseinandersetzen und uns nicht wechselseitig Positionen an den Kopf werfen, die uns allen nichts bringen. (Beifall des Abg. Wöginger.)

Daher bin ich sehr froh, dass die Bundesregierung in rund einem Monat – oder viel­leicht etwas mehr, so gegen Ende März, jedenfalls im ersten Quartal – eine Klausur zum Thema ORF machen wird, wie heute der Kaufmännische Direktor des ORF via APA-Interview verkündet hat. Man setzt sich nämlich genau mit den Inhalten auseinan­der, die da sein sollten – und jetzt zitiere ich das ORF-Gesetz nur auszugsweise, weil unser Beschluss darüber, was der Österreichische Rundfunk alles tun soll, wirklich sehr umfassend ist –:

Er soll nicht nur informieren, er soll das Verständnis über das demokratische Zusam­menleben fördern; er soll die österreichische Identität fördern und für die europäische Integration Verständnis erzielen; er soll österreichische Kunst, Kultur und Wissenschaft fördern; er soll die Anliegen der Familien und der Kinder sowie Gleichberechtigung von Frauen und Männern berücksichtigen; er soll die Anliegen behinderter Menschen be­rücksichtigen; er soll die Bedeutung gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsge­sellschaften berücksichtigen; er soll Volks- und Jugendbildung verbreiten und fördern, unter besonderer Beachtung der Schul- und Erwachsenenbildung; er soll über Gesund­heit, Natur-, Umwelt- und Konsumentenschutz informieren; et cetera, et cetera.

Kein Privatfernsehen würde all diese Punkte beachten. Wenn uns wichtig ist, dass wir all diese Punkte weiter diskutieren, dann sollten wir in dem Punkt einfach gemeinsam


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vorgehen und sagen, hier diskutieren wir für den ORF weiter, damit wir ein differenzier­tes Gesamtprogramm zusammenbekommen, mit Information, Kultur, Unterhaltung und Sport, damit wir eine ordentliche Berücksichtigung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion haben und damit wir eine Stärkung des österreichischen An­teils an den Fernsehproduktionen haben.

Gerade heute erleben wir bei den Privatradiosendern, den Privatfernsehsendern, dass etwa ATV an die ProSiebenSat.1-Gruppe verkauft wird. Daher ist es mir wichtig, dass wir sicherstellen, dass wir in Österreich eine entsprechende Medienvielfalt behalten. Wir müssen bei den Konzentrationen aufpassen, sowohl im Privatsektor als auch im öf­fentlich-rechtlichen Sektor. Da gilt es, glaube ich, den Bogen zu spannen zwischen den Privatstationen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, damit jeder seinem Anteil ge­recht wird und auch für alle dieselben Spielregeln gelten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.06.49

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Gleich zu Beginn muss ich meinem Kollegen Alm recht geben: Es ist absolut absurd, Herr Kollege Wittmann – er ist nicht mehr da –, zu be­haupten, dass private Sender nicht in der Lage sein sollen, objektiv zu berichten, aber gerade der österreichische Rotfunk schon. Das ist wirklich mehr als absurd! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe die Ausführungen Ihres Kollegen, natürlich hat die SPÖ Angst, natürlich hat er Angst davor, dass Ihrem Parteisender, also dem österreichischen Rotfunk, die Finanzierung knapp wird. Das hat allerdings nichts mit Objektivität zu tun, sondern rein mit machtpolitischen Interessen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber kommen wir zu dem zurück, worum es eigentlich geht, zum Programmbericht. Einleitend würde ich gerne ein paar Zitate aus diesem Programmbericht vorlesen. Da steht: öffentlich-rechtlicher Programmauftrag erfüllt, „Qualitätsführerschaft mit dem bes­ten Programm Österreichs“, objektive, verlässliche Information über aktuelle Themen. (Abg. Deimek: Ha, ha, ha, das ist ein Scherz!) Sehr geehrte Damen und Herren, dazu ist wirklich nur eines zu sagen: Der ORF ist in der Einschätzung der Qualität seiner Berichterstattung genauso realitätsfremd wie in seiner Berichterstattung selbst. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir gleich zum Thema objektive Berichterstattung: Die objektive Berichterstat­tung des ORF kann man in jeder ZIB sehr gut beobachten. Bei der Flüchtlingskri­se 2015 musste sich der ORF wirklich stark bemühen, zwischen den Horden an Män­nern irgendwo ein Flüchtlingskind vor die Kamera zu zerren. Oder: Moderatoren kön­nen reihenweise ihre eigene politische Meinung gerade nicht zurückhalten und geben bei Interviews oft wirklich schnippische Kommentare bis hin zu inhaltlich falschen Zu­sammenfassungen von sich. (Beifall bei der FPÖ.)

Genauso fair und objektiv ist auch die Einladungspolitik des ORF, die kann man jedes Mal aufs Neue wieder sehr gut beobachten: Für den Fall, dass die FPÖ überhaupt eingeladen wird, befinden wir uns oft in einer Situation, die dann eins gegen fünf oder fünf gegen eins heißt. Oder es wird zum Beispiel auf Zuruf des Kanzleramts eine Dis­kussionsveranstaltung gleich einmal zu einem Soloauftritt des Kanzlers umfunktioniert. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Es gibt so viele Beispiele, meine Redezeit lässt ei­gentlich nicht zu, dass ich die alle ausführe.


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Kommen wir zurück zur Behauptung im Bericht, der öffentlich-rechtliche Auftrag wäre erfüllt: 67,5 Prozent der Sendezeit auf ORF 1 ist Kaufware, und das ist keine gute. Dort kann man dieselbe Folge von irgendeiner amerikanischen Serie wie „Malcolm mitten­drin“, „Scrubs“ oder „Simpsons“ zum hundertsten Mal hintereinander anschauen. – Al­so vom öffentlich-rechtlichen Auftrag ist das mehr als weit entfernt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zugegebenermaßen wurde dieser öffentlich-rechtliche Auftrag in die Spartensender ausgelagert, und da bin ich schon bei ORF SPORT +: Dieser Sender ist mir als Sport­sprecherin und aktiver Basketballerin ein großes Anliegen. Prinzipiell, und das möchte ich hier festhalten, halte ich es für sehr gut und wichtig, dass in Österreich auch Rand­sportarten übertragen werden. Die Frage ist allerdings nur, wie. Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, wenn irgendein Freund zu mir kommt und sagt, Petra, ich hab dich gestern wieder auf ORF SPORT + live im Fernsehen spielen gesehen. Ich denke dann zurück und sage, die letzte Live-Übertragung hat vor ungefähr zwei Jahren statt­gefunden. Also da spielen sie dann ein und dasselbe Match in einer Dauerschleife monatelang. Zugegeben, aus nostalgischen Gründen schaue ich gerne einmal ein zwei Jahre altes Spiel von mir an, aber ich glaube, dass sich das Interesse beim normalen Zuseher wohl eher in Grenzen hält.

Was ich allerdings für einen wirklichen Skandal im Zusammenhang mit ORF SPORT + halte, ist, dass der ORF, der den öffentlich-rechtlichen Auftrag und auch das Budget da­für hat, Sport zu übertragen, dafür extra hohe Zwangsgebühren einkassiert, aber das Geld für Nationalteam-Spielübertragungen zum Beispiel aus dem Sportbudget bezieht. Das heißt, er holt sich von dort auch noch Geld – so geschehen zum Beispiel beim Bas­ketball-Herrennationalteam, wo für drei Spiele 60 000 € aus dem Sportbudget quersub­ventioniert wurden. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein Skandal und gehört dringend abgestellt! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Deimek: … haben das bis heute noch nicht bemerkt!)

Was steht in dem Bericht noch? – Es steht drinnen: bestes Programm Österreichs. Auch das stimmt nicht, wie schon einige ausgeführt haben. In Fernseh- und Programmana­lysen der RTR sowie in Umfragen bei Sehern wird dem Privatsender Servus TV weit mehr öffentlich-rechtlicher Inhalt bescheinigt als dem ORF, dort landet Servus TV re­gelmäßig auf Platz eins und schneidet fünfmal so gut ab wie der ORF. Auch in Sachen Unabhängigkeit und Objektivität könnte sich der ORF bei Servus TV eine gewaltige Scheibe abschneiden.

Apropos Servus TV: Man kann wirklich froh sein, ich möchte das deutlich sagen, dass es diesen Sender überhaupt gibt, ganz besonders jetzt vor dem Hintergrund, dass ATV von der deutschen ProSiebenSat.1-Gruppe, zu der auch Puls 4 gehört, aufgekauft wer­den soll und sich dann neben dem ORF ein zweites, ein aus Deutschland diktiertes Medienmachtzentrum in Österreich entwickelt. Das ist, sehr geehrte Damen und Her­ren, alles andere als gut für die österreichische Medienlandschaft.

Das alles zeigt vor allem eines auf: Das zeigt auf, dass der ORF dringend reformiert gehört. Das sagen nicht nur wir, das sagen zum Beispiel auch die NEOS, aber es tut mir leid, werte Kollegen von den NEOS, es fällt mir ein bisschen schwer, Ihnen abzu­kaufen, dass Sie das wirklich wollen, und zwar aus einem einfachen Grund: Gerade Sie mit Ihrem Großfinancier und Stiftungsrat Haselsteiner waren es, die sich bei der Wahl des Generaldirektors, nämlich der Wahl von Wrabetz, gegen jegliche Erneuerung ausgesprochen haben, indem Sie für ihn gestimmt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strolz: Was haben wir?! Das war eine Wahl zwischen Pest und Cholera!)

Sie haben damit jegliche Reform im ORF erst zunichtegemacht und damit eigentlich auch jeglichen Anspruch verwirkt, sich als Erneuerer dieses Systems aufzuspielen. Was Sie noch gemacht haben: Sie haben indirekt auch grünes Licht für diese Gebührenerhö­hung gegeben, die Sie jetzt so kritisieren. (Abg. Strolz: Nein, nein, nein, nein!) – Na-


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türlich, Sie haben für denjenigen gestimmt, der das jetzt durchzieht! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strolz: Der andere wollte 10 Prozent!) 6,5 Prozent Gebührenerhöhung kommt deswegen jetzt auf die Bürger, auf uns zu. Sie hätten auch für den Gegenkan­didaten stimmen können, dann wäre es sich auch ausgegangen. (Abg. Strolz: Der wollte 10 Prozent!)

Apropos Gebührenerhöhung: Der ORF brüstet sich in dem Bericht auch mit stabilen schwarzen Zahlen. Ich gratuliere! Das ist natürlich nicht schwer, denn sobald das Geld nicht mehr ausreicht, erhöht man einfach die Gebühren, und das Problem ist wieder gelöst. Zwangsgebühren sind das! Ich weiß, der SPÖ gefällt dieser Begriff nicht ganz, aber es ist der Begriff, der am besten dafür geeignet ist, denn was ist es denn sonst, wenn für ein Minderheitenprogramm – das muss man schon sagen –, egal, ob man Konsument ist oder nicht, Gebühren von der Bevölkerung kassiert werden?! Für mich und auch für den Großteil der Bevölkerung sind das eindeutig Zwangsgebühren. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Zusammengefasst kann man nur noch sagen: Angefangen von der Besetzung des Stiftungsrates – SPÖ und ÖVP besetzen bei einem Wahlergebnis von 52 Prozent 90 Pro­zent des Stiftungsrates! – bis hin zur Gebührenfestsetzung gehört der ORF dringendst reformiert. (Beifall bei der FPÖ.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bit­te, Frau Abgeordnete.

 


13.14.30

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprachdolmetscher): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bevor ich anfange, möchte ich zuerst klarstellen, dass der ORF einen öffentlichen Auftrag bekommen und auch einen Pu­blikumsrat mit vielen Vertretern und Vertreterinnen hat, darunter sind unter anderem Menschen, die jugendliche Menschen vertreten, ältere Menschen vertreten und auch Menschen mit Behinderungen vertreten.

Der ORF hat, wie gesagt, einen öffentlichen Auftrag, aber auch ein Problem: Bis dato war es so, dass gerade Menschen mit einer Behinderung nicht in Diskussionen einge­bunden werden und nie eingebunden waren. Das heißt, sie konnten sich im Publi­kumsrat nie selbst vertreten, sondern wurden immer von jemand anderem, nicht Behin­derten vertreten. Derzeit vertritt Herr Fenninger, der nicht behindert ist, diese Men­schen. Er wurde darauf hingewiesen, und seine Antwort war, ich bin zwar nicht behin­dert, aber ich kann das gut machen. Die Frage ist, wie so etwas gut funktionieren kann.

Für diese 14 verschiedenen Bereiche und Vertretungsgruppen kann sich jeder melden und sagen, ich bin jung und ich möchte die Jugend im Publikumsrat des ORF vertre­ten. – Wird vielleicht genommen, kann kandidieren und als Kandidat auftreten. Ein äl­terer Herr kann sagen, ich bin alt, ich kenne mich aus, ich habe Erfahrung und möchte hier meine Personengruppe vertreten. – Er kann kandidieren. Bei Menschen mit Be­hinderungen heißt es, nein, das geht schon, wir reden für dich. – Das ist nicht in Ord­nung!

Herr Kollege Cap! Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ! Es ist leider so, dass dieses Fürsorgemodell noch immer sehr stark in den Köpfen der Menschen verankert ist. Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt in § 4 auch, dass die Zeit dieses Fürsorgemo­dells für Menschen mit Behinderungen bereits abgelaufen ist und dass diesen Men­schen die Chance gegeben werden soll, sich selbst zu vertreten.

Wir haben im Ausschuss bereits einen Antrag gestellt, der wurde vertagt. Aus diesem Grund bringen wir nochmals einen Antrag ein und geben der SPÖ und auch den Kol-


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legInnen der ÖVP nochmals die Chance, dafür zu stimmen, um den Menschen diese Selbstvertretungsposition zu ermöglichen.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bestel­lung eines Selbstvertreters behinderter Menschen in den ORF-Publikumsbeirat

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzu­leiten, der im § 28 des ORF-Gesetzes die verpflichtende Bestellung eines Selbstvertre­ters für den Bereich Menschen mit Behinderungen im Publikumsrat beinhaltet.“

*****

Hier ist Ihre Chance, nutzen Sie sie! (Beifall bei den Grünen.)

13.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Helene Jarmer, Freundinnen und Freunde betreffend Bestellung ei­nes Selbstvertreters behinderter Menschen in den ORF-Publikumsbeirat

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Verfassungsausschusses über den Jahresbericht 2015 des ORF gemäß § 7 ORF-Gesetz, vorgelegt vom Bundesmi­nister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien (III-253 d.B.) (1468 d.B.)

Begründung

Im ORF-Publikumsrat ist kein selbst behinderter Experte/Expertin für den Bereich Men­schen mit Behinderung vertreten. Dies widerspricht der UN-Behindertenrechtskonven­tion, die den Grundsatz der Selbstvertretung von behinderten Menschen in allen sie betreffenden Gremien vorsieht.

In § 28 Abs. 4 ORF-Gesetz ist geregelt:

„Der Bundeskanzler hat für die weiteren Mitglieder Vorschläge von Einrichtungen bzw. Organisationen, die für die nachstehenden Bereiche bzw. Gruppen repräsentativ sind, einzuholen: die Hochschulen, die Bildung, die Kunst, der Sport, die Jugend, die Schü­ler, die älteren Menschen, die behinderten Menschen, die Eltern bzw. Familien, die Volksgruppen, die Touristik, die Kraftfahrer, die Konsumenten und der Umweltschutz.“

Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) und die Selbstbe­stimmt Leben Initiative Österreich (SLIÖ) haben vor der letzten Bestellung des ORF-Publikumsrates fünf qualifizierte behinderte Kandidaten für die Vertretung behinderter Menschen nominiert. Trotzdem kam es dann zur Bestellung eines nichtbehinderten Ver­treters.

Damit in Zukunft sichergestellt ist, dass die Interessen von Menschen mit Behinderun­gen im ORF-Publikumsrat durch eine selbst behinderte Person vertreten werden, und


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damit die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt wird, ist das ORF-Gesetz zu prä­zisieren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzu­leiten, der im § 28 des ORF-Gesetzes die verpflichtende Bestellung eines Selbstver­treters für den Bereich Menschen mit Behinderungen im Publikumsrat beinhaltet.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dopp­ler. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

 


13.18.10

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ORF-Jahresbericht 2015: Zwangsgebühren hebt der ORF keine ein, sagt der zuständige Minister. Gebühren heißt das Zauberwort. Die Gebühren wurden erhöht, die Frage ist, warum die Gebühren er­höht werden müssen, wenn das Unternehmen ORF schwarze Zahlen schreibt, wie wir dem Jahresbericht 2015 entnehmen können. Er hat alle Programmvorgaben sowie den öffentlich-rechtlichen Kernauftrag erfüllt und schwarze Zahlen geschrieben. Was will man mehr? – Laut diesem Jahresbericht 2015 ist der ORF ein Vorzeigeunternehmen.

Oder ist die Gebührenerhöhung damit verbunden, dass sich die wirtschaftlichen Erfol­ge doch nicht im gewünschten Ausmaß, wie man sich das erhofft hat, eingestellt und niedergeschlagen haben?

Generell, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir froh sein, dass es den ORF gibt. Auf die vielen amerikanischen Serien können wir gerne verzichten, und die politische Einflussnahme gehört dringend reduziert und beschränkt, damit der ORF frei von politischem Einfluss weiterhin gut arbeiten kann. – Danke schön.

13.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Mag. Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.19.40

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Der vorliegende Bericht – das hat schon eine Vielzahl an Rednern ausgeführt – gibt grundsätzlich einen guten Überblick über die Gebarung und die Geschäftstätigkeit des ORF. Man kann, wenn man sich den Bericht objektiv anschaut oder sich die Entwicklung des ORF anschaut, natürlich ge­wisse positive Dinge erkennen.

Der Marktanteil ist im Wesentlichen gleich geblieben, wenngleich ORF eins doch deut­liche Einbußen zu verzeichnen hat. Ich glaube, die Entwicklung des Spartensenders ORF III kann man positiv sehen, auch das Online-Angebot sowie die TVthek sind grund­sätzlich nicht so schlecht.

Im Bericht steht auch, dass der ORF seinen Programmauftrag voll erfüllt sieht. Das ist natürlich ein bisschen ein kritischer Punkt, wenn derjenige, der diesen Bericht legt, sich


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da vollinhaltlich auf Kurs sieht. Ich glaube, das wäre unsere Aufgabe, und darum soll­ten wir das auch kritisch hinterfragen.

Ich möchte festhalten, dass man hinsichtlich der Qualität – vor allem der Programm­gestaltung auf ORF eins – schon einiges hinterfragen muss. Die Programmabfolge ist nur kaum merklich oder nur ein wenig anders als bei privaten Fernsehanstalten. Ich glaube, der Konsument sollte den Mehrwert eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks bes­ser erkennen, das sollte sich in einem qualitätsvollen Programm ausdrücken. Das ist halt derzeit nicht so erkennbar, daher ist natürlich auch das Verständnis für Gebühren und deren Erhöhungen nicht so gegeben.

Es wurde heute auch schon angesprochen, dass der ORF betreffend Information – auch politische Diskussionsformate betreffend – auf jeden Fall verbesserungswürdig ist; da gibt es auch Probleme. Viele Bürger sagen uns, dass die politischen Diskus­sionsformate auf den privaten Sendern oder auch auf ARD und ZDF deutlich besser sind. Es wurde heute auch schon das „Bürgerforum“ angesprochen, das eher ein Wut­bürgerforum ist. Ich glaube, solche Formate müssen dringend verbessert werden. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Die Objektivität der Berichterstattung ist natürlich eine Achillesferse, und an der muss man besser arbeiten, vor allem auch, weil der ORF gebührenfinanziert ist. Ich möchte dennoch sagen, dass es den Regierungsfraktionen im Stiftungsrat gelungen ist, die Ge­bührenerhöhung zumindest zu drosseln und geringer ausfallen zu lassen. Man muss aber grundsätzlich über die Finanzierung reden, auch über eine Reform der Gremien. Der Medienminister hat ja schon angekündigt, dass hier breit diskutiert werden wird. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir den ORF entsprechend professionalisieren, gut auf­stellen und auch absichern können, vor allem auch die Landesstudios, die aus meiner Sicht wichtige Informationskanäle in den Regionen sind.

Ich denke, der ORF wird uns noch öfters beschäftigen, nicht nur beim Bericht. Wir wer­den an einer Verbesserung gut mitarbeiten. Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


13.22.29

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn wir heute über den ORF sprechen, sprechen wir über viel Licht und natürlich auch über viel Schatten. Ich möchte mich dem Schatten widmen, und da ist die Frage zu stellen, ob der ORF objektiv ist. Die Antwort ist schwierig, denn wirkliche Objektivität gibt es ja nicht, und deshalb würde ich lieber von Ausgewogenheit sprechen. Ist der ORF ausge­wogen? – Dazu möchte ich anhand einiger Beispiele herausarbeiten, dass das nicht der Fall ist.

Als die Flüchtlingskrise begonnen hat, ist fast ein ganzes Jahr keine der kritischen Oppositionsparteien im Fernsehen vorgekommen. (Abg. Öllinger: Na geh!) Fast ein ganzes Jahr hat der ORF verhindert, dass man auch eine Gegenstimme zu dieser Will­kommensklatscherei und zu dieser Willkommenspolitik im Fernsehen hört. Auf mehr­malige Nachfrage meinerseits und auch der FPÖ hat es geheißen: In einer solch schwe­ren Zeit ist es viel wichtiger, zu hören, was die Regierung zu sagen hat. (Abg. Rädler: Die Grünen!) Man hat das Argument vorgebracht, dass die Solidarität der Bevölke-
rung mit den Flüchtlingen nicht gefährdet werden soll, und so weiter. (Zwischenruf der
Abg. Y
ılmaz.)

Das heißt, man hat hier ganz bewusst Politik gemacht, um die Bevölkerung in eine Richtung zu drängen; damit man all die Dinge, die wir heute wissen – nämlich, dass die


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Regierung das Recht gebrochen hat und dass es der Regierung, zumindest einigen Mitgliedern davon, auch schon leid tut, dass sie das damals getan hat –, im Fernsehen nicht sieht. Das hätte ja die Meinung kippen lassen können, und zwar viel früher. Dass wir uns da möglicherweise Tausende, Zehntausende Flüchtlinge, die wir heute im Land haben und die wir jetzt mühsam wieder zurückschicken müssen, erspart hätten, das steht auf einem anderen Blatt Papier. Der ORF hat hier ganz bewusst Parteipolitik be­trieben.

Ich möchte noch ein Beispiel aus dem Ausland bringen, denn vielleicht ist es dann leichter zu greifen. Wir hatten ja den Syrien-Konflikt (Zwischenruf des Abg. Weninger) und den Krieg in Syrien über viele, viele Jahre im ORF. In den letzten Monaten haben wir erlebt, dass der ORF Propaganda eins zu eins durchgeschaltet hat. Und zwar: Da gibt es eine sogenannte Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, und diese hat den ORF mit Daten und Fakten versorgt. Der ORF hat diese Daten und Fakten eins zu eins durchgeschaltet.

Diese Beobachtungsstelle hat tagesaktuell gewusst, wer wo umgekommen ist, wie vie­le Verletzte es gab, auf welcher Seite die Verletzten und die Toten waren, wo genau diese Todesfälle und Verletzungen zu verzeichnen waren, wie viele Zivilisten gefährdet sind et cetera. Diese Informationen wurden vom ORF durchgeschaltet, ohne sie zu hin­terfragen. Diese syrische Beobachtungsstelle ist ein Syrer – und das wusste der ORF –, der nicht in Syrien sitzt, sondern in einer Zweizimmerwohnung in Großbritannien. Er verschließt sich jeder Transparenz, er gibt keine Interviews, er sagt nicht, wo das Geld herkommt, er sagt nicht, mit wem er zusammenarbeitet, er sagt nichts, aber er liefert tagesaktuell Berichte aus dem Kriegsgebiet und hat angeblich 200 Leute, die vor Ort für ihn arbeiten. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Jeder, der ein bisschen Ahnung hat, müsste wissen, dass dieser Mann nur vorgeschoben ist und nichts anderes tut, als ei­ne Seite im Krieg zu vertreten. In diesem Fall ist es die Seite der Opposition, der Re­bellen – viele sagen, der Terroristen.

Diese Informationen werden mit Unterstützung des ORF eins zu eins verbreitet. (Neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Wie man weiß, können in einem Kriegsgebiet Informationen nur von der einen oder von der anderen Seite kommen, denn alle ande­ren haben keinen Zugang dazu. In Syrien gab und gibt es keinen Zugang für unab­hängige Journalisten (weiterer Zwischenruf des Abg. Öllinger), sondern alle Informa­tionen kommen entweder von den Rebellen – manche sagen Terroristen – oder von der Gegenseite, das waren in dem Fall der syrische Präsident und die Russen.

Der ORF hätte jetzt im Sinne der Ausgewogenheit, wenn er diese Dokumentationsstel­le, diese syrische Beobachtungsstelle, durchschaltet – wohl wissend, dass es die Re­bellen sind, die hier sprechen –, auch Assad oder den Russen eine Plattform bieten müs­sen. Das nennt man Ausgewogenheit. Das tat er aber nicht!

Die Frage ist: Warum tut er das nicht? – Die Antwort ist ganz einfach: Wir leben in ei­ner Demokratie, und wenn die Machthaber einen Krieg führen wollen, dann müssen sie die Bevölkerung davon überzeugen, dass dieser Krieg gerecht ist. (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Warum? – Die Bevölkerung muss ihre Söhne schicken, die dann um­gebracht werden, und muss auch dafür bezahlen, dass Menschen getötet werden. (Zwi­schenruf des Abg. Öllinger.) Die Bevölkerung zahlt mit ihrem Steuergeld dafür, dass Menschen umgebracht werden. Deshalb braucht man die Medien, um Propaganda zu machen! Und deshalb passiert genau das.

Auch in Österreich passiert das, aber aus anderen Gründen; denn wenn man nicht Propaganda für die eine Seite betreibt, dann könnte es sein, dass jemand in der Be­völkerung auf die Idee kommt und sagt: Liebe Freunde, gehen wir einmal zur UNO, schauen wir uns einmal an, ob dieser Krieg überhaupt legal ist! (Zwischenruf des Abg. Öllinger.) Das ist er aber nicht! Vonseiten der UNO gab es unzählige Resolutionen,


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dass Syrien nicht angegriffen werden darf und auch die Rebellen von außen – den USA, der Europäischen Union und vielen anderen – nicht unterstützt werden dürfen. Manipuliert man die Menschen mit derartiger Propaganda nicht, dann kann es pas­sieren, dass die Menschen aufwachen und sagen: Das wollen wir nicht! Wir wollen nicht, dass Kriege geführt werden, wir wollen keine illegalen Kriege, wir wollen, dass das aufhört. (Abg. Öllinger: Ach Gott!) Es kann dann so sein, dass die österreichische Bevölkerung auch den österreichischen Politikern sagt: Setzt euch dafür bei der UNO ein, dass dieser Krieg endlich aufhört! Aber das will man nicht, aus den verschiedens­ten Gründen.

Jetzt bin ich schon wieder zurück beim ORF. Da wir in Österreich einen öffentlich-rechtlichen Sender haben, erwarte ich mir, dass man im Sinne der Ausgewogenheit auch die Gegenseite zu Wort kommen lässt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Öllin­ger.) Im Syrien-Krieg war das zum Beispiel Assad. Ich habe auf YouTube ganz viele Videos von Assad gesehen. (Abg. Öllinger: Ja, das glaube ich!) Zur gleichen Zeit, zu der der ORF Propaganda der Rebellen durchgeschaltet hat, hätte man genauso einmal ein Statement von Assad durchschalten können. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Das nenne ich Ausgewogenheit. Das ist aber nicht passiert, und zwar aus den Gründen, die ich genannt habe. In einer Demokratie muss die Bevölkerung in die richtige Richtung gedrängt werden, dass sie nicht die falsche Entscheidung trifft; nicht im Sinne von Menschenrechten (Zwischenruf des Abg. Weninger), im Sinne von jenen, die diesen Krieg wollen, die diesen Krieg betreiben und Assad weghaben wollen, aus den Grün­den, die wir ohnehin alle kennen. Das ist das Problem und da macht der ORF leider mit.

Wenn ich mir vom ORF etwas wünschen darf, dann das, dass er aufhört, Parteipolitik zu machen, dass er politische Meinungen abbildet und nicht selber politische Meinun­gen erzeugt. Das erwarte ich mir von einem öffentlich-rechtlichen ORF. Und das sollten wir gemeinsam einfordern. – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Wal­ser: Das ist ja unglaublich!)

13.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ertlschweiger. – Bitte.

 


13.29.54

Abgeordneter Rouven Ertlschweiger, MSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den ORF-Jahres­bericht 2015, und der liest sich erfreulich. Das Medienunternehmen befindet sich nach eigener Definition stabil in den schwarzen Zahlen. Es wurde noch nie so viel Programm produziert wie zu dieser Zeit.

Doch die zentrale Frage, die sich mir stellt, lautet: Werden im ORF auch die nötigen Strukturreformen für die Zukunft eingeleitet oder nicht? Wenn man zuletzt die Medien verfolgt hat, dann muss man leider feststellen, dass der ORF im Jahr 2016 wieder ei­nen Verlust schreibt. Daher muss man sich am Küniglberg auch die Frage gefallen las­sen, ob das Geld der Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler auch richtig verwen­det wird. Was meine ich mit „richtig verwendet“?  Stichwort Public Value: ob das Geld für den qualitativen Ausbau des Programms verwendet wird oder in teure Strukturen fließt.

Eines vorweg: Ich bin froh darüber, dass Österreich einen öffentlich-rechtlichen Sender hat, und ich finde es auch wichtig, dass wir diesen Sender haben. Nur, die oberste Prämisse beim ORF muss lauten: Qualität statt Quantität. Es macht wenig Sinn – Kol­lege Kumpitsch hat das bereits ausgeführt –, wenn auf ORF eins die gleichen amerika­nischen Sendungen gespielt werden, die auch im deutschen und österreichischen Pri­vatfernsehen zu sehen sind – noch dazu quasi gleichzeitig! In diesem Zusammenhang sind die Serien „Die Simpsons“ und „How I Met Your Mother“ erwähnt worden.


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Ziel des ORF muss es sein, ein Flächenprogramm mit starkem Österreichbezug zu ge­stalten und zu etablieren und auf den Einkauf und den Zukauf US-amerikanischer Se­rien zu verzichten.

Ziel des ORF muss es sein, die Regionalformate zu stärken und weiter auszubauen, denn gerade die regionale Verankerung ist doch das Alleinstellungsmerkmal des ORF. Das macht dem ORF niemand nach.

Ziel des ORF muss es sein, auch einen Deckel für den Sportrechtekauf einzuziehen. Ich sage das, obwohl ich selber sehr sportaffin bin. Laut Bericht hat man aber im Jahr 2015 80 Millionen € für das Sportbudget ausgegeben, im Jahr 2016 waren es so­gar 100 Millionen €. Dieses Geld, das für die Sportrechte aufgewendet wurde, lässt sich mit der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nur schwer erklären.

Ziel des ORF muss es sein, eine umfassende Digitalisierungsstrategie zu implementie­ren, um sich in einem sich ändernden Wettbewerb zu behaupten – das Stichwort Face­book haben wir heute schon gehört – und in weiterer Folge zu reüssieren. Nur so wird man zukunftsfit sein, nur so wird man auch den Mitbewerber in Schach halten.

Kollege Gerstl, unser Verfassungssprecher hat es heute schon erwähnt: Der in den Medien kolportierte Verkauf von ATV an die deutsche ProSiebenSat.1-Gruppe darf heu­te nicht unerwähnt bleiben, wenn wir eine Diskussion führen, denn sollte dieser Ver­kauf wirklich über die Bühne gehen, wird in weiterer Folge auch der ORF davon be­troffen sein – Stichwort TV-Werbemarkt. Die Bundeswettbewerbsbehörde wird prüfen, wie sehr die Medienvielfalt in Österreich davon betroffen sein wird, aber auch der Wer­bemarkt wird davon eklatant betroffen sein. Kollege Cap hat heute bereits erwähnt, dass am Werbemarkt schon jetzt eine Schieflage zugunsten deutscher Medienkonzer­ne herrscht, und durch diese Übernahme wird sich diese Schieflage natürlich noch ver­schärfen.

Deswegen sage ich: Ich möchte nicht, dass sich dann alle österreichischen Privat­sender – und das wäre bei einem Verkauf so – in der Hand deutscher Medienkonzerne befinden. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schönegger zu Wort. – Bitte.

 


13.33.21

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Haus und zu Hause vor den Fernsehgeräten, die Sie vielleicht, wie so viele Österreicherinnen und Österreicher, in diesen Tagen, mit Grippe zu Hause liegen! Ich hoffe, dass die heutigen Debatten Ihrer Genesung nicht entgegenstehen. (Zwischenruf der Abg. Schimanek: 
… schrecklich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach einer guten Stunde Debatte über den ORF-Jahresbericht 2015 ist im Großen und Ganzen schon alles gesagt, nur nicht von jedem. Daher darf ich es – als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt – noch ein­mal kurz zusammenfassen. Der ORF ist gemäß diesem Bericht eines der erfolgreichs­ten öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen Österreichs – nein, Europas; Freud lässt grüßen! Zudem ist es im Jahr 2015 gelungen, die öffentlich-rechtliche Position doch deut­lich auszubauen.

Dennoch darf man – und ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt – notwendige Reformschritte nicht außer Acht lassen. Ganz im Gegenteil! Man muss sie relativ rasch in Angriff nehmen, auch wenn es exzellente Formate gibt, und das haben wir heute auch schon gehört: ORF III, Ö1, viele Dokumentationen, viele Informationssendungen,


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die wirklich exzellent sind. Der Fokus auf die Regionalisierung ist ein Alleinstellungs­merkmal des ORF. Die flächendeckende regionale Berichterstattung ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt, um den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen. Auch das sollte weiter ausgebaut und stärker fokussiert werden.

Zum Thema Leistungsprofil: Auch dazu ist schon vieles gesagt worden, vor allem zum Programm ORF eins, mit einer durchaus vergleichbare Situation mit deutschen Privat­sendern, die Wiederholung der Wiederholung von amerikanischen Sendungen. Auch hier ist, denke ich, die Qualität betreffend durchaus noch Platz nach oben.

Kollege Ertlschweiger hat bereits die hohen Kosten im Bereich der Sportrechte ange­sprochen. Ich denke, die Sportübertragungen sind auch ein Alleinstellungsmerkmal. Ich denke dabei an die Skirennen in Kitzbühel, an viele andere Dinge, an die Olympischen Spiele und so weiter. Es ist wirklich gut, dass das funktioniert, aber wenn 80 Prozent die­ses Sportbudgets für Sportlizenzen und Sportrechte draufgehen, dann ist das ein Wert, den man durchaus kritisch hinterfragen darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die mediale Welt steht vor wirklich großen Herausforderungen. Die Digitalisierung fordert alle – ganz besonders Medienunterneh­men –, und da ist auch der ORF gefordert, die Qualität auch im Bereich der Digitalisie­rung im Auge zu behalten. Unsere Demokratie braucht einen starken, objektiven und unabhängigen Journalismus. Wir alle werden darauf achten, dass das beim ORF auch weiterhin gegeben ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Wort vielleicht noch zu den NEOS: Kol­lege Strolz, ich muss es Ihnen sagen: Der Lack ist ab! Die Kreide, die Sie im Jahr 2012 gegessen haben und mittels derer Sie versucht haben, uns weiszumachen, das hier eine neue Bewegung kommt, die wertschätzend miteinander umgeht, haben Sie aufge­gessen; sie ist nicht mehr da. Sie haben sich selbst demaskiert. Kollege Cap hat das gestern sehr deutlich aufgezeigt: Sie kopieren und verwenden Schablonen von be­kannten Populisten Österreichs. Ich muss mich geistig eigentlich auch bei den Kolle­ginnen und Kollegen des BZÖ entschuldigen. Ich habe nämlich gedacht, es kommt zu einer Qualitätssteigerung durch den Austausch BZÖ/NEOS. Heute darf ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall! (Abg. Loacker: Sie sind hier der Qualitätsgarant!)

Österreich hat sich mehr verdient als das, was Sie hier abliefern. Österreich hat sich mehr verdient als die Verlängerung des politischen Kinderzimmers, das sich hier ab­spielt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


13.37.20

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Ich sehe die NEOS durchaus positiv, als eine neue Kraft im Parlament. (Abg. Rädler: Genau! Dadurch werden die Grünen we­niger!) – Das ist jetzt auch klassisch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.) In vielen Bereichen nehmen sie Positionen ein, worin wir uns durchaus auch finden. Manchmal gibt es auch einen sportlichen Wettbewerb. Ist ja auch okay. Deswe­gen habe ich mich nur kurz gemeldet, um auch auf Niko Alm noch einmal kurz ein­zugehen. Für die, die jetzt erst dabei sind und vorher bei der Debatte von draußen nicht zugeschaut haben: Es geht um die Frage des NEOS-Konzeptes – auch mit „GIS-Gebühr abdrehen!“ als Kampagnen-Element – und um die Frage: Bleibt der ORF dann eigentlich übrig oder nicht?

Jetzt sagt Niko Alm – ich beziehe mich immer auf ein Papier, das er, glaube ich, vor eineinhalb Jahren oder so geschrieben hat –, dass es letztlich dazu führt, dass es den


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ORF so nicht mehr geben würde. Das wäre sozusagen seine persönliche Meinung ge­wesen und nicht die der NEOS. Es ist ziemlich unfair, dass ich mich immer auf das be­ziehe, was er damals geschrieben hat, das tue ich aber nicht.

Ich beziehe mich auf das, was auf der Homepage der NEOS steht. Das ist das be­schlossene (ein Schriftstück in die Höhe haltend) – wie immer das jetzt heißt, ich weiß nicht, Parteitag ist es ja bei euch vermutlich nicht, bei uns auch nicht, aber wie es ge­nau heißt, weiß ich nicht; also auf jeden Fall in dieser Versammlung, in der man das beschließt – „Positionspapier Radio und Fernsehen geht anders“. Dort steht im Struk­turteil auf Seite 7 – nach der Konzentration auf öffentlich-rechtliche Inhalte, also weg mit dem anderen, Reduzierung auf die Kerninhalte – Folgendes:

„Der ORF wird langfristig zu einem Content-Lieferanten für alle Medienbetreiber – zu einem Journalismus-Produzenten für Inhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert, die für rein am Markt orientierte Medienunternehmen vermutlich wirtschaftlich nicht produzier­bar wären.“

Das ist aber genau das Gleiche, Niko Alm, was in dem Text steht, den du geschrieben hast. Es läuft ja beides aufs Gleiche hinaus, ein Content-Produzent ist kein Fernseh­sender. Vielleicht verstehe ich noch immer etwas nicht, aber ein Content-Produzent ist jemand, der Inhalte produziert, die jemand anderer ausstrahlt. Also es ist sowohl in dem Text, den du geschrieben hast, als auch im Positionspapier der NEOS, das offi­ziell von der Partei beschlossen worden ist, das gleiche Konzept. Es geht mir um Fair­ness und die Darstellung, deswegen wollte ich es noch einmal sagen: Ich beziehe mich nicht auf eine Privatmeinung, sondern auf die Beschlusslage der NEOS, die wir einfach anders sehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.39

13.39.34

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Es gibt keinen Wunsch des Berichterstatters auf ein Schlusswort.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den vorliegenden Bericht III-253 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend keine Einhebung von Länderabgaben durch die GIS GmbH.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bestellung eines Selbst­vertreters behinderter Menschen in den ORF-Publikumsbeirat.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist abgelehnt.

13.40.413. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird, sowie Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsord­nungsgesetz 1975) geändert wird (1928/A)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 103

Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Dr. Scherak als Antragsteller. – Bitte.

 


13.41.10

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Ich würde diese erste Lesung gerne mit einer Anekdote beginnen, die mir der ehemalige Bundespräsident Fischer einmal erzählt hat.

Er hat mir erklärt, dass sich, als er als junger Abgeordneter hier ins Parlament gekom­men ist, ein Abgeordneter darüber beschwert hatte, dass er keine Antwort auf eine An­frage an einen Minister bekommen hatte. Und da hat Alfred Maleta – ich weiß nicht, ob er damals Minister oder Nationalratspräsident war – gesagt: Na ja, lesen Sie einmal den Artikel 52 der Bundesverfassung. Darin steht, ein Abgeordneter darf eine Anfrage stellen. Es steht aber nirgendwo drin, dass der Minister auch antworten muss.

Nun ist es so, dass die Geschäftsordnung des Nationalrates schon vorsieht, dass ein Minister zu antworten hat, aber wir fühlen uns als Abgeordnete doch immer wieder ir­gendwie an diese Anekdote erinnert, weil wir doch sehr oft nicht die Antworten bekom­men, die uns eigentlich zustehen.

Besonders das Verteidigungsministerium fällt in diesem Zusammenhang immer wieder auf – ganz egal, welcher Minister. In einem Fall hatte ich eine Anfrage an den Landes­verteidigungsminister Klug gestellt. Ich fragte ihn danach, mir alle Dienstleistungen aus seinem Ressort, die er vergeben hatte, aufzuzählen und um die entsprechende Auf­gliederung nach Auftragsvolumen, Auftragnehmer, Art des Vertrages und dem genau­en Vertragsinhalt. Er hat mir daraufhin erklärt, mit wem er ein paar Dienstleistungen abgeschlossen hat und schreibt dann zum Beispiel: Die Auftragsvolumina dafür lagen zwischen 600 € und 60 000 €. Das war natürlich nicht das, wonach ich gefragt hatte.

Das Problem ist, dass mir kaum eine Option bleibt, die Antwort zu erhalten, die ich haben will. Das hat zwei Gründe: Einerseits ist es ein verfassungsrechtliches Problem, denn als der Verfassungsgesetzgeber 1929 die Verfassung geändert hat und seitdem die Bundesregierung nicht mehr vom Nationalrat gewählt wird, ist das Prinzip, nach dem ein Organ, das von einem Vertretungskörper gewählt wird, diesem gegenüber nicht an die Amtsverschwiegenheit gebunden ist, im Zusammenhang mit der Bundesregie­rung und dem Nationalrat nicht mehr gültig, da ja die Regierung nicht vom Nationalrat gewählt wird.

Nun ist die Amtsverschwiegenheit grundsätzlich etwas Skurriles, muss man sagen, und nicht mehr zeitgemäß, aber es ist noch skurriler, dass ein Landeshauptmann zum Bei­spiel gegenüber einem Landtag sehr wohl auskunftspflichtig ist und nicht an die Amts­verschwiegenheit gebunden ist, aber die Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat weiterhin an die Amtsverschwiegenheit gebunden ist.

Und es gibt ein zweites Problem, das praktischer Natur ist: Die Minister wollen eben oft einfach nicht antworten. Zurzeit haben wir Abgeordnete in einem solchen Fall als ein­zige Möglichkeit, hier eine Kurzdebatte zu einer nicht ausreichend beantworteten An­fragebeantwortung zu führen. Dann haben wir auch noch die Option, die Beantwortung hier im Parlament nicht zur Kenntnis nehmen. Das geht allerdings nur mit Mehrheits­entscheidung, und selbst wenn das passiert, hat es auch keine Auswirkungen. Schließ­lich bedeutet das nur, dass wir es nicht zur Kenntnis genommen haben.

Die Chance, mich als Abgeordneter hinzustellen und zu sagen, eine Anfragebeantwor­tung ist nicht entsprechend dem verfassungsrechtlichen Prinzip beantwortet worden, ha­be ich nicht.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 104

Deswegen haben der Kollege Brosz und ich vorgeschlagen, ein Organstreitverfahren dafür einführen. Das heißt, wenn ich als Abgeordneter das Gefühl habe, meine Anfrage wurde nicht so beantwortet, wie sie beantwortet werden sollte, dann habe ich die Mög­lichkeit, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen.

Sicher werden ein paar meiner Folgeredner sagen: Das geht alles nicht, das kann man nicht machen, das ist unmöglich. Ich würde daraufhin sagen, dass es ganz einfach zu machen ist. Man muss dazu nur in den Deutschen Bundestag schauen. Dort gibt es ein solches Organstreitverfahren. Dort hat im Übrigen jeder einzelne Abgeordnete das Recht, sich hinzustellen und zu sagen: Die Anfrage ist nicht so beantwortet worden, wie es verfassungsmäßig vorgesehen ist. Er kann zum Bundesverfassungsgericht gehen, das beantragen und beeinspruchen. Solche Verfahren gibt es immer wieder, und es wird den Abgeordneten auch entsprechend recht gegeben.

Kollege Brosz und ich haben uns gedacht: Vielleicht geben wir dieses Recht nicht je­dem einzelnen Abgeordneten. Wir haben fürs Erste einmal fünf Abgeordnete vorge­schlagen. Darüber lässt sich ohne Weiteres diskutieren. Fakt ist aber, dass wir da ein Minderheitsrecht brauchen und es nicht sein kann, dass wir weiterhin als Abgeordnete Anfragen stellen und solche Antworten zurückbekommen, wie es leider immer noch ge­schieht. Es gibt viele Ministerien, die es sehr gut machen, einige, die es nicht so gut ma­chen, und sich dadurch besonders hervortun, wie beispielsweise das Verteidigungsmi­nisterium, dessen Antworten, gelinde gesagt, nicht ausreichend sind.

Wir müssen diese Situation ändern, ansonsten wird unser Interpellationsrecht zum Schluss eigentlich ziemlich ad absurdum geführt, denn wir können zwar fragen, aber frei nach Alfred Maleta: Der Minister muss keine Antwort geben. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

13.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. – Bitte.

 


13.45.28

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Organstreitverfahren ist an sich ein Verfahren, das man sich durchaus überlegen kann – aber nicht in diesem Fall.

Es ist auch nicht richtig, was (in Richtung des Abg. Scherak) Sie dazu gesagt haben, nämlich dass das in Deutschland möglich wäre. In Deutschland ist es ausschließlich möglich, sich im Organstreitverfahren über Fragen des Grundrechtekatalogs des deut­schen Grundgesetzes an den Verfassungsgerichtshof zu wenden, nicht jedoch über Fra­gen des GOG, der Geschäftsordnung. Das heißt, ausschließlich Fragen, die durch das Grundgesetz geregelt sind und zum Streit innerhalb des Grundgesetzes führen, kön­nen dort vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden. (Abg. Moser: Das Interpel­lationsrecht steht in der Verfassung!)

Wenn wir das nun ausdehnen würden – ich will sachlich bleiben und bin nicht unbe­dingt grundsätzlich dagegen –, dann würden sozusagen Fragen des GOG und Beweis­fragen – wenn der eine sagt, das ist inhaltlich zu wenig, und der andere sagt, das ist mir inhaltlich schon zu viel, was ja ausschließlich eine Beweisfrage ist – letztlich dazu führen, dass der Verfassungsgerichtshof aus den Ministerien alle Akten anfordern und dann prüfen muss, ob aufgrund der Aktenlage zu viel oder zu wenig gesagt wurde.

Also ich halte das in dieser Ausformung für eine Lahmlegung des Verfassungsgerichts­hofs. Wir haben 11 480 schriftliche Anfragen, ohne mündliche Anfragen. Wenn wir nur bei einem Bruchteil derartige Organstreitverfahren einführen und alle Akten aus den Mi-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 105

nisterien abgezogen und geprüft werden müssen, um die inhaltliche Frage zu klären, ob das zu viel oder zu wenig einer Antwort ist, dann würde man das Organstreitverfah­ren ad absurdum führen. Und in Deutschland gibt es das auch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ertlschweiger zu Wort. – Bitte. (Abg. Moser – in Richtung des das Rednerpult verlassenden Abg. Witt­mann –: Doch, gibt es! – Abg. Wittmann: Nicht in dieser Form!)

 


13.47.29

Abgeordneter Rouven Ertlschweiger, MSc (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Wir behandeln heute die Einführung eines Organstreitverfahrens vor dem VfGH bei ungenügender Beantwortung einer Anfrage durch einen Bundesminister nach deutschem Vorbild.

Dazu ist Folgendes zu sagen: Die Frage, ob eine schriftliche Anfrage durch das zu­ständige Regierungsmitglied ausreichend beantwortet ist, ist in unserem parlamentari­schen System nach unserer Auffassung eine politische und keine rechtliche Angele­genheit. (Abg. Moser: Es gibt sogar Fragen, die falsch beantwortet werden!) – Frau Kol­legin Moser! Bei aus Sicht der Mandatare unzureichender Beantwortung stehen ja fol­gende Instrumente zur Verfügung: Man hat die Möglichkeit der Einbringung einer neu­erlichen Anfrage, man kann eine Kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung abhal­ten. Man kann den Antrag auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung einbrin­gen oder den Misstrauensantrag stellen. Und das sind unserer Meinung nach gute Lö­sungen.

Da Sie mit dem Vergleich mit Deutschland argumentieren: Der hinkt in einiger Hinsicht. Warum hinkt der Vergleich mit Deutschland? – In Deutschland werden pro Jahr im Schnitt etwa 1 000 schriftliche Anfragen in unserem Sinn gestellt. Dazu kommen noch circa 5 000 Einzelanfragen von Mandataren, die aber auf ganz präzise Fragen be­schränkt sind und nicht im Plenum behandelt und besprochen werden dürfen.

Bei uns sind alleine im Jahr 2016, Frau Kollegin Moser, über 11 500 schriftliche Anfra­gen gestellt worden. Legt man das auf die Größe des Bundestages mit 630 Abgeord­neten zum österreichischen Nationalrat mit 183 Abgeordneten um, heißt das grob ge­rechnet, in Österreich werden mindestens sechs Mal so viele schriftliche Anfragen ge­stellt wie in Deutschland und auch beantwortet. Das heißt, die österreichische Regie­rung ist gegenüber dem Parlament sehr auskunftsfreudig. (Abg. Moser: Ich glaube eher, dass die Mandatare sehr neugierig sind!)

Und – Herr Kollege Scherak, bitte bleiben Sie hier, das betrifft die NEOS! – parlamen­tarische Anfragen in unserem Sinne können in Deutschland nur von 5 Prozent der Man­datare eingebracht werden, du (in Richtung des Abg. Scherak) weißt das. Übertragen auf Österreich hieße das, dass die NEOS, ganz abgesehen davon, dass sie gar nicht im Bundestag vertreten wären, gar keine solchen Anfragen einbringen dürften. Das ist eine Tatsache. Und so gesehen, kann man sagen: Österreich ist viel liberaler als Deutsch­land. (Abg. Scherak: Beim Befragen!)

Aber Sie wissen ja, wir arbeiten derzeit, anders als in Deutschland, an der Abschaffung des Amtsgeheimnisses und an einem Informationsfreiheitsgesetz. Und auch hierin zeich­net sich ein Mehr an Transparenz ab. Das heißt, wir werden uns das im Ausschuss anschauen. Die Diskussion ist sicher nicht beendet, aber ich glaube, die Argumente sind zielführend. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter MMMag. Dr. Kas­segger zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 106

13.50.09

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Vielleicht kann ich in diesem Zusammenhang noch das eine oder andere Argument vorbringen. Das par­lamentarische Interpellationsrecht – das Recht der Abgeordneten, Fragen an die Bun­desregierung zu stellen – impliziert für mich, von Maleta abweichend, selbstverständ­lich auch das Recht, eine ordentliche Antwort zu bekommen – aber Sie haben es ja sar­kastisch gemeint, Kollege Scherak.

Ich glaube schon, dass das tiefer geht. Es geht dabei auch um die Grundpfeiler unse­rer Verfassung. Es geht dabei um das Legalitätsprinzip und die Gewaltenteilung, um das Zusammenspiel von Exekutive, Judikative und Legislative, also in dem Fall um das Zusammenspiel der gesetzgebenden Körperschaft des Parlaments auf der einen Seite und des höchsten Organs der Exekutive, der Bundesregierung, auf der anderen Seite und um die Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen beiden Be­reichen unter der Zuhilfenahme der Judikative, nämlich des Verfassungsgerichtshofs, als Schiedsrichter. Und es ist natürlich klar, dass das seitens der Regierungsvertreter nicht besonders wohlwollend gesehen und nicht unterstützt wird.

Wir als Freiheitliche Partei sehen diesen Vorschlag beziehungsweise Antrag als sehr sinnvoll an. Meinem Kenntnisstand nach hat sich das auch in Deutschland bewährt; aber wir brauchen gar nicht nach Deutschland zu schauen, es hat sich auch während der Untersuchungsausschüsse bewährt. Sie erinnern sich: Da ist geschwärzt, geschwärzt und geschwärzt worden – bis zu einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das festgestellt hat, dass es so nicht weitergeht und die Schwärzungen einzustellen seien. Und wir alle wissen aus Erfahrung, dass eben Anfragen nicht immer zufriedenstellend beantwortet werden, sehr oft nur mit: Nein oder: Ja, mit: Trifft nicht zu, oder: Wir sind nicht zuständig. Meine Lieblingsformulierung ist: Aus verwaltungsökonomischen Grün­den kann das nicht beantwortet werden.

Also wenn wir den Parlamentarismus und die Rolle des Parlaments unter anderem auch als Kontrollorgan der Bundesregierung im Zusammenspiel dieser drei Gewalten, die im Staate implementiert sind, wirklich ernst nehmen, dann müssen wir das parla­mentarische Interpellationsrecht, also das Recht der Abgeordneten, der Bundesregie­rung Fragen zu stellen, erweitern, stärken oder zumindest in Streitfragen die dritte Kraft in der Republik einschalten, nämlich den Verfassungsgerichtshof. Dieser ist dann durch­aus in der Lage, festzustellen, inwieweit die Antwort ausreichend ist oder nicht.

Insofern unterstützen wir diesen Antrag und geben einen kleinen Denkanstoß in die Rich­tung, dass man auch eine Ausweitung auf die sogenannten ausgegliederten Rechts­träger andenken könnte. Sie wissen ja, dass wir da auch immer wieder das Problem der Verschwiegenheitspflicht haben. Ist das im Antrag inkludiert? (Abg. Moser: Das ist inkludiert!) Gut, dann erübrigt sich das. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. – Bitte.

 


13.53.22

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Also überspitzt formuliert könnte man die Frage, wer recht hat – Kollege Scherak oder Kollege Wittmann –, klä­ren lassen, indem irgendjemand, der ein objektiver Schiedsrichter wäre, darauf schaut. Die aktuelle Situation im Parlament betreffend die Frage, wer recht hat, wäre relativ klar: Kollege Wittmann, weil dieser nämlich die Mehrheit hinter sich hat. Und das ist ge­nau die Situation, die wir zurzeit haben, wenn zwischen Regierung und Abgeordneten diskutiert wird. Über die Frage, ob es stimmt oder nicht, entscheidet immer die Re­gierung, da es keine Möglichkeit gibt, irgendwie eine Klärung herbeizuführen, die einen objektiven Charakter hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 107

Sieht man sich die Qualität der Anfragebeantwortungen an, dann ist diese extrem un­terschiedlich. Es stimmt, es gibt mittlerweile auch sehr gute – es gibt Minister, die sich wirklich bemühen. Am besten ist, man sieht sich Sammelanfragen an. Ich kann mich an die Situation erinnern, als ich Sammelanfragen zu Meinungsforschungsaktivitäten der Ministerien gemacht habe. Die Beantwortungen gingen von der Beilegung des Fra­gebogens bis hin zu einer Antwort, die gelautet hat, es sei verwaltungstechnisch nicht möglich, bezüglich dieser Umfragen überhaupt zu schauen, was gemacht worden ist.

So, nun muss irgendjemand recht haben. Es kann nicht sein, dass bei einem Ministe­rium etwas verwaltungstechnisch nicht möglich ist und die anderen mehr liefern, als gefragt war. Da sollte es irgendwo die Möglichkeit geben, zu einer gewissen Objekti­vierung zu gelangen.

Ich empfinde das als besonders dramatisch, da es ja eigentlich um die Frage der Rechte des Parlaments geht, und in dem Fall muss man auch sagen, dass wir nicht einmal einen Schiedsrichter im Haus haben. Man könnte überlegen, ob die Präsiden­ten mehr Gewicht haben sollen, denn diese haben da auch keine Chance. Die können höchstens sagen: Da ist etwas gar nicht beantwortet worden, dann macht man darauf aufmerksam, dass etwas nicht beantwortet worden ist, aber – um Präsident Kopf zu zitieren – wenn die Antwort lautet: Schmecks!, dann reicht das – nämlich: Schmecks!, im Sinne von drei Zeilen, also eigentlich unbeantwortet.

Lieblingsbeschäftigung: Stelle zehn kritische Fragen, was bekommst du als Antwort? – Ich beantworte die Frage eins und vier wie folgt, die Frage zwei und drei lasse ich aus, denn die will ich nicht beantworten, und die Frage sieben habe ich halt nicht gesehen, diese beantworte ich auch nicht. Man kann sich auf den Kopf stellen, man hat keine Möglichkeit, eine Antwort zu erhalten.

Die Frage danach, ob das nun Fragen sind, die von der Geschäftsordnung umfasst sind und ob diese korrekt sind, könnte man extern klären. Das ist ja genau die Idee einer externen Überprüfung. Also ich finde es einfach unparlamentarisch und halte es demokratiepolitisch für ein völliges Missverhältnis, dass die Frage, wer recht hat, aus­schließlich damit beantwortet wird, dass die Regierung sagt: So ist es!, und dass das Parlament das zu schlucken hat.

Entschuldigung, Kollege Ertlschweiger, den Hinweis darauf, dass dann die Mehrheit ei­ne Ministeranklage machen und einen Misstrauensantrag stellen kann, erzählst du mir das nächste Mal beim Fußballspielen, denn ganz ernst kann der nicht gemeint gewe­sen sein. Das ist ja absurd, das hat es auch noch nie gegeben. Also wenn einer böse antwortet, kommt die Regierung daher und sagt: Suche dir etwas anderes, Minister bist du nicht mehr! – Das kann ja niemand ernst nehmen.

Nächste Frage – wir haben es als nächsten Punkt, bei der Dringlichen; auch ein wun­derbares Beispiel –: Das Parlament beschließt eine bindende Stellungnahme. Nach der Entscheidung: Bin ich abgewichen oder nicht?, gibt es klare Verhaltensregeln in der Verfassung, was zu tun ist, wenn man abweicht. Das Problem ist nur, es gibt nie­manden, der definiert, ob abgewichen worden ist. Das hatten wir kürzlich bei CETA – unabhängig davon, wie man inhaltlich dazu steht. Es hat sogar Minister Mitterlehner gesagt, es ist nicht abgewichen worden, während Bundeskanzler Kern im Ausschuss ge­sagt hat, es ist abgewichen worden. Wäre aber abgewichen worden, gibt es ein be­stimmtes Prozedere, wie man im Parlament vorzugehen hat. Auch das könnte man über­prüfen lassen. Das kann man jedoch nicht, weil nur das gilt, was die Regierung sagt. – Genau das ist das Missverhältnis. Es geht einfach darum, das objektiv feststellen zu kön­nen.

Vom Kollegen Kassegger von der FPÖ wurde erwähnt, dass es im Untersuchungsaus­schuss ja funktioniert hat. Übrigens, Grundrechtsfragen waren das, glaube ich, nicht,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 108

was wir im Untersuchungsausschuss als Organstreitverfahren hatten. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) – Aber dein Argument war, es waren Grundrechtsfragen. Die Frage da­nach, ob man gewisse Akten liefern muss oder nicht, ist ja kein Grundrecht. Das wäre genau im Verhältnis: Dort stellt man fest, ob die Aktenlieferung erfolgt ist, da stellt man fest, ob die Beantwortung der Frage wirklich korrekt erfolgt ist.

Nehmen wir uns also als Parlament ernst! Das wäre vielleicht auch ein Tipp für die SPÖ – ich weiß nicht, aber 100 Jahre in der Regierung ist keine besonders wahrschein­liche Variante für die nächste Zeit. Das mit der Opposition könnte auch auf andere zu­kommen – jetzt schaue ich (in Richtung SPÖ und ÖVP) in beide Richtungen –, und die Frage, wie man das Parlament gegenüber der Regierung neu aufstellt, ist ja kein The­ma, das nur uns betrifft, sondern es handelt sich dabei um eine Zukunftsfrage, nämlich wie eine Regierung mit der Opposition umgeht.

Deshalb wurde dieser Antrag eingebracht; über Details kann man reden. Die Antworten haben momentan nicht sehr erfreulich ausgeschaut, weil ich davon ausgehe, dass wei­terhin die Regierung entscheiden kann, ob sie recht hat oder nicht, und das ist parla­mentarisch unbefriedigend. (Beifall bei den Grünen.)

13.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


13.58.03

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! TOP 3, erste Lesung betreffend Änderung des Ge­schäftsordnungsgesetzes. – In Österreich gibt es keine Möglichkeit, Regierungsmitglie­der zu zwingen, schriftliche Anfragen von Abgeordneten ordnungsgemäß und ausführ­lich zu beantworten. Oftmals wird auf laufende Verfahren, die Geheimhaltung und so weiter verwiesen. Ob nun durch Einführung eines Organstreitverfahrens nach deutschem Vorbild oder die Schaffung eines anderen Instruments, es sollte irgendeine Grundlage geben, damit die schriftlichen Anfragen ordnungsgemäß und ausreichend beantwortet werden müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich könnte mir schon vorstellen, wie vom Kollegen Kassegger angesprochen, dass in Zukunft der Verfassungsgerichtshof darüber entscheidet, ob es gerechtfertigt war oder nicht, wenn ein Regierungsmitglied eine schriftliche Anfrage nur teilweise oder über­haupt nicht beantwortet hat. Tatsache ist, dass es stimmt, dass verschiedene Anfragen von unterschiedlichen Ministerien unterschiedlich ausführlich beantwortet werden.

Für uns Abgeordnete ist die schriftliche Anfrage ein sehr gutes und wichtiges parla­mentarisches Instrument, und darauf wollen wir in Zukunft nicht verzichten. – Herzli­chen Dank.

13.59

13.59.35

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1928/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

13.59.404. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Leopold Steinbichler, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016, geändert wird (1960/A)

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 109

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.00.09

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Diesen Antrag betreffend die Änderung des Geschäftsord­nungsgesetzes aus dem Jahre 1975 – die Jahreszahl alleine zeigt schon, welchen Zeit­raum dieses Gesetz bereits überlebt hat – möchte ich wie folgt begründen:

Wir waren mit der deutsch-österreichischen Freundschaftsgruppe unter der Leitung des Kollegen Hechtl im Deutschen Bundestag. Wir haben uns auch die Geschäftsordnung und die Abläufe der politischen Arbeit angesehen und haben bemerkt, dass dort Anträ­ge wesentlich flotter von der Regierung behandelt und abgearbeitet werden. Das ha­ben wir dann bei den diversen Ausschusssitzungen, bei denen wir dabei waren, bezie­hungsweise bei den einzelnen Ministerien hinterfragt.

In Deutschland ist es so, dass mindestens einmal im Jahr ein Ausschuss öffentlich sein muss, den Medien zugänglich sein muss. Ich denke, dass das generell bei allen Aus­schüssen der Idealfall wäre, da wir in Österreich dadurch mehr Parlamentarismus, Ein­beziehung der Bürger umsetzen könnten, aber ganz besonders die oft kritisierte Situa­tion der Nichtteilnahme beziehungsweise der fehlenden Vorschläge der Opposition ver­bessern könnten. Das ist ja das Wesentliche: dass bei uns in den Ausschüssen die Ideen, die Vorschläge der Opposition vertagt werden und damit nicht zur Umsetzung kommen. Ich verweise auf das äußerst notwendige, seit 2009 vertagte Qualitätsgüte­siegelgesetz. Es wäre wirklich höchste Zeit, dieses umzusetzen, es wird aber in den Ausschüssen immer wieder vertagt.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, denken wir, dass dieser Antrag besonders auch aus demokratischer Sicht und zur Einbindung der Opposition in die Regierungsar­beit ein ganz gewaltiger Fortschritt wäre. – Wir bitten um Zustimmung. (Beifall beim Team Stronach.)

14.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.02.18

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zum vorgebrachten Antrag, Kollege Steinbichler, sage ich gleich vorweg: Eigentlich sollten schon alle wissen, was unsere Verfassungssprecher gemein­sam in einem anderen Bereich zu diesem Thema vereinbart haben. Ich wundere mich über diesen Antrag, weil der Vorschlag der Verfassungssprecher wirklich gut ist.

Die Frage einer grundsätzlichen Öffentlichkeit kann man immer interpretieren, das ken­nen wir alle, aber in der Enquete-Kommission, bei der es um die Stärkung der Demo­kratie in Österreich gegangen ist, wurde zwischen den Verfassungssprechern – und da war ich auch dabei; ich sage noch einmal: von allen – Folgendes vereinbart: In Zukunft sollten die öffentlichen Teile der Ausschusssitzungen und Enqueten zusätzlich zur Öf­fentlichkeit wie bisher von der Parlamentsdirektion über einen Livestream angeboten werden. Das wurde von den Verfassungssprechern ausgemacht.

Ich glaube, dass diese Vorgehensweise weit besser wäre, denn wir sehen ja, was wirklich an Öffentlichkeit zu erwarten ist. Wir sollten daher durchaus das, was sich die Verfassungssprecher damals gemeinsam als Vorschlag vorgenommen haben, mitüber-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 110

legen, wenn wir entscheiden, was denn wirklich der bessere Weg ist. Ich denke, wenn es das Angebot wäre, dass das alles über die Parlamentsdirektion den Medien ent­sprechend angeboten werden kann, dann haben wir nicht nur einen Zwischenschritt gemacht, dann haben wir einen Meilenstein gesetzt.

Nicht, dass ich falsch interpretiert werde: Ich bin nicht gegen die Öffentlichkeit, sondern die Frage ist, wie wir es machen. Das sollte man meiner Meinung nach wirklich im Lichte dieser Vereinbarung der Verfassungssprecher auch durchaus zügig gemeinsam besprechen und schauen, dass wir zu einer Lösung kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Stras­ser. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.04.47

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollege Steinbichler, vielen Dank für die­sen Antrag! Dazu nur einige Gedanken zur Aufklärung betreffend die Begriffe öffentlich und nicht öffentlich: Es ist jetzt schon so, dass in den Ausschüssen immer wieder Si­tuationen gegeben sind, die öffentlich gemacht werden. Da gibt es Hearings, da gibt es Experten, die Rede und Antwort stehen, und so weiter. Und wenn etwas nicht öffentlich ist, heißt das ja nicht, dass es geheim oder vertraulich ist, das ist auch ein großer Un­terschied.

Ich möchte aber ganz grundsätzlich Folgendes anmerken: Immer wenn Gruppen von Menschen irgendwie diskutieren und zusammenarbeiten, braucht es auch Situationen, in denen die Gespräche nicht auf der großen Bühne stattfinden. Das erhöht meiner Meinung nach die Qualität einer Diskussion. Ich kann aufgrund der Erfahrungen aus dem Familienausschuss und dem Untersuchungsausschuss sagen, dass in diesem Haus die Ausschusssituation oft von offenen Gesprächen geprägt ist und dass dort auch immer wieder ein Teil der gemeinsamen Meinungsbildung stattfindet.

Aus diesem Grund freuen wir uns auf die Diskussionen, und wir werden schauen, wie die Beschlusslage letztendlich sein wird. – Vielen Dank und alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr MMMag. Dr. Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.06.25

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sie werden sich fragen, warum ich als Wirtschaftssprecher zu Geschäftsordnungsthemen spreche. Die Antwort ist, ich bin als Nachfolger von Gernot Darmann vom Klub als Ge­schäftsordnungssprecher nominiert worden, wofür ich recht dankbar bin, da es mir Ge­legenheit gibt, meine durchaus eingerosteten juristischen Ganglien wieder ein bisschen in Bewegung zu setzen. – Dies nur als Erläuterung.

Zum Vorschlag: Dieser ist aus unserer Sicht überschießend, beziehungsweise – ich möchte es so formulieren – ist der Istzustand, den wir jetzt haben, unseres Erachtens ausreichend. Es gibt eben in § 37a genügend Möglichkeiten und Instrumentarien, die Öffentlichkeit zu Ausschussberatungen zuzulassen und beizuziehen.

Wie vorhin bereits erwähnt wurde, gibt es auch Situationen, in denen es ganz gut ist, nicht in der Öffentlichkeit zu diskutieren, da dies dann ein anderes Gesprächsklima er­möglicht. Würden wir das jetzt so machen, hätten wir die Sorge, dass dann diese Ge­spräche in gesetzlich nicht geregelte Runden sozusagen vorverlagert würden, womit gar nichts gewonnen wäre.


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Das heißt, dem Grunde nach ist das Instrumentarium, das wir momentan im Rahmen der Geschäftsordnung zur Verfügung haben, ausreichend. Wir sehen da keinen Ände­rungsbedarf, vielleicht mit einer kleinen Einschränkung – und das als Anregung und Hinweis –: Hinsichtlich der Enquete-Kommissionen ist durchaus noch eine Lücke ge­geben. Wenn man sagt, Enquete-Kommissionen haben zweierlei Ziele, nämlich zum einen, Themen umfassend mit Experten, der Regierung, den Abgeordneten, aber auch Stakeholdern zu diskutieren, zum anderen aber auch, ein offenes Parlament darzustel­len, sozusagen Werbung für das Parlament zu machen, dann sind die Öffentlichkeits­bestimmungen diesbezüglich durchaus noch ausbaufähig, und zwar insoweit, als der­zeit Medienvertreter und Personen, die in Ausschüssen anwesend sein dürfen, zuge­lassen sind, und die Möglichkeit besteht zu beschließen, Teile der Sitzung öffentlich zu machen.

Was also den Grad der Öffentlichkeit hinsichtlich der Enquete-Kommissionen betrifft, ist die Freiheitliche Partei durchaus gesprächsbereit, wenn es Vorschläge in diese Rich­tung geben sollte. (Beifall bei der FPÖ.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.09.04

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Manchmal könnte man den Eindruck haben, es gibt Geheimausschüsse im Parlament. Das müssen die sein, in denen bei Gesetzesanträgen ernsthaft stundenlanges Ringen stattfindet, dann gibt es drei Abänderungsanträge, man macht etwas, und dann kommt man – die Regie­rung – und sagt: Super, das greifen wir auf, und jetzt haben wir ein neues Gesetz! – Ah, der Herr Weninger nickt. Welcher wäre das? (Abg. Weninger: Das ist die normale Arbeit!) Welcher Ausschuss wäre das? Vielleicht der Umweltausschuss – ich weiß nicht, ob Kollegin Brunner das bestätigen kann –, das wäre eine Vermutung.

Wenn man wirklich so tut, als hätten wir einen Parlamentarismus, in dem man den Aus­schuss vor zu viel Öffentlichkeit schützen muss, da die parlamentarische Arbeit sonst beschädigt würde, weil man dann nicht ernsthaft diskutieren kann und es nur Show wäre – darüber könnten wir ja sogar ernsthaft debattieren –, dann beschreibt das alles, nur nicht die Realsituation des österreichischen Parlaments.

Diese gibt es übrigens in anderen Parlamenten tatsächlich. Stichwort Amerika – bei al­len Dingen, die dort sonst stattfinden –: In Amerika gibt es de facto kein Gesetz, das so eingebracht wird, wie es zum Schluss herauskommt. Dort ist das ein parlamentarischer Prozess. Auch das Europaparlament – an dem man auch viel kritisieren kann – ist ein klassisches Parlament, in dem Ausschussarbeit wirklich zu Veränderung führt. Das ha­ben wir hier schlicht und einfach nicht. Es ist genau umgekehrt.

Es ist interessant, dass auch die FPÖ diese Position einnimmt. Meiner Meinung nach ist es ein Schutz davor, offenbar zu machen – beziehungsweise will man verschleiern –, dass eben diese Arbeit in den parlamentarischen Ausschüssen nicht stattfindet. Letzt­lich haben wir die Regierung, die die Regierungsvorlagen einbringt.

Jetzt muss man sagen, es gibt ja durchaus auch Verhandlungssituationen; die hatten wir auch, richtig, aber nicht in den Ausschüssen. Bei der Untersuchungsausschussre­form hat es intensivste Verhandlungen gegeben – das muss man auch machen, das gestehe ich ja durchaus zu –, mit Experten, in denen man dann um Ergebnisse ringt. Dann gibt es zwar den Konsens, aber wann gibt es den? – In einer Situation, und zwar dann, wenn es um Zweidrittelmaterien geht und wenn es ohne die Opposition nicht geht, denn damit haben wir ja auch eine andere Situation, das wird ja auch die FPÖ wissen. Dann gibt es diese Form von Verhandlungen, bei denen man dann meiner


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Meinung nach am Ende trotzdem sagen muss, der Ausschuss kann ruhig öffentlich sein, da es dabei um die Transparenz geht, die danach gekommen ist.

Wir hatten ja einmal ein historisches Beispiel, bei dem es, glaube ich, um den Über­wachungsstaat gegangen ist, bei dem auch die Frage war, ob es eine öffentliche Dis­kussion gibt. Damals war noch Kollegin Musiol Verfassungssprecherin, und sie hat dann eine Kamera mitgenommen und livegestreamt. Das ist unterbrochen worden, und dann hat man gesagt, wir müssen das akzeptieren, sonst bekommen wir kein Gesetz. Das Spannende an der Debatte war – damals war, glaube ich, Kollegin Fekter Innen­ministerin –: Am Anfang gab es ein großes Tohuwabohu, und zum Schluss – so wurde mir erzählt – haben (in Richtung der Abg. Fekter) Sie dann in die Kamera gesprochen, sich an die Öffentlichkeit gewandt und Ihre Argumente dort vorgebracht. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Dies zeigt schon, dass das Instrument einer öffentlichen Debatte durchaus etwas für sich hat. Es ist einfach dazu da, klarzumachen, wie parlamentarische Prozesse ablau­fen, und da sollte man sich deutlich mehr trauen als bisher. (Beifall bei den Grünen.)

14.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.12.04

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Ich möchte zunächst auf zwei Redebeiträge eingehen. Kollege Pendl hat gesagt, dass es ja eine Einigung der Verfassungssprecher bei der Demokratie-Enquete-Kommission gab. – Das ist so nicht richtig, denn es gibt einen Mehrheitsbericht der Regierungsfraktionen und es gibt zu­sätzlich einen Minderheitsbericht, in dem andere Dinge drinnen stehen. Worauf wir uns jetzt in Verhandlungen geeinigt haben, ist, dass wir zumindest eine Minimalvariante ha­ben, aber das heißt ja nicht, dass man nicht weiterhin für eine generelle Öffentlichkeit bei Ausschüssen kämpfen kann.

Kollege Kassegger hat gesagt, es gebe ja jetzt schon genug Möglichkeiten, das öf­fentlich zu machen. – Ja, schon, aber halt immer mit Mehrheitsentscheidung, und das bringt in der Regel nicht sonderlich viel, denn Sie kennen ja die Mehrheitsverhältnisse und wissen, wie das ist.

Ich bringe in der Debatte immer – denn diese Debatte führen wir ja oft – das Europäi­sche Parlament als Beispiel, und dann heißt es jedes Mal, das könne man nicht ver­gleichen. Ich gebe Ihnen insofern recht, als man es wirklich nicht vergleichen kann, weil das Europäische Parlament in beiden Vergleichsparametern, nämlich qualitativ und quan­titativ, anders arbeitet als das österreichische Parlament. Ich habe mir vorhin kurz das Arbeitsprogramm des LIBE-Ausschusses, des Bürgerrechtsausschusses des Europäi­schen Parlaments, ausdrucken lassen. Dieser tagte im Jänner 2017 acht Mal, jeweils drei Stunden, der Justizausschuss des österreichischen Parlaments hat letztes Jahr sechs Mal getagt, im ganzen Jahr. (Abg. Weninger: Wie viele Ausschüsse gibt es im Europäischen Parlament?) – Wie viele es gibt? Ja, sag es, ich weiß es jetzt nicht aus­wendig! Ich weiß es nicht auswendig, aber es ist halt ein komisches Argument, dass man deswegen nicht arbeiten kann.

Fakt ist, die Ausschüsse im Europäischen Parlament tagen öfter, sie werden offen­sichtlich, obwohl sie öffentlich sind, auch nicht an der Arbeit gehindert. Und wenn man es sich qualitativ anschaut, Kollege Brosz hat ja schon davon gesprochen – offensicht­lich finden da Parallelausschüsse statt, von denen einige nichts wissen –, sieht man, wie im Europäischen Parlament im Ausschuss sehr wohl diskutiert wird und Argumente sinnvoll ausgetauscht werden. Vergleichen wir das mit den Ausschüssen im österrei­chischen Parlament! Da gibt es meistens eine zweistündige Aussprache, dann gibt es,


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weil überzogen wurde, zehn Oppositionsanträge, die dann oft einmal gleich in einem vertagt werden, soweit es von der Geschäftsordnung her geht. Kollege Rädler sieht das offensichtlich ganz anders, der ist auch in den Geheimausschüssen, die ich nicht ken­ne. Diese Argumente sind spannend!

Ich glaube, wir brauchen mehr Öffentlichkeit im österreichischen Parlament und weni­ger Arbeit hinter verschlossenen Türen. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

14.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1960/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

14.14.30Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend Verhandlungslegitimation der Bundesregierung zu den Ab­kommen CETA, TTIP und TISA (11638/J)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftli­chen Anfrage 11638/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Nach der Verabschiedung des Handelsabkommens der EU mit Kanada (CETA) auf eu­ropäischer Ebene im vergangenen Herbst und der Angelobung von Donald Trump als US-Präsidenten, der neuen Protektionismus verfolgt, ist es in der Öffentlichkeit etwas ruhiger um EU-Handelsabkommen geworden. Diese Ruhe trügt aber, da sowohl bei den Handelsabkommen CETA und TTIP sowie beim Dienstleistungsabkommen TISA noch hochrelevante Fragen zu klären sind.

Die berechtigten Bedenken wie die drohende Aushöhlung von Demokratie und Recht­staatlichkeit von der europäischen Ebene bis hin zu den Ländern und Gemeinden so­wie das Absenken von Lebensmittelstandards, Umwelt-, VerbraucherInnen- und Arbeit­nehmerInnenschutz haben 563.000 BürgerInnen in Österreich veranlasst, das Volksbe­gehren gegen TTIP, CETA und TISA zu unterschreiben. Dieser Erfolg ist eine wichtige Unterstützung für die kritischen Kräfte im österreichischen Parlament und darf von der Bundesregierung nicht übergangen werden.

CETA: Ungereimtheiten bestehen weiterhin

Die inhaltlichen Bedenken an CETA bleiben nach wie vor bestehen. Es enthält nicht nur Sonderklagsrechte für ausländische Konzerne, sondern gefährdet hohe Standards in sensiblen Bereichen wie Gentechnikgesetzgebung, Lebensmittelsicherheit oder Kon­sumentInnenschutz und ist geeignet, demokratische Entscheidungsspielräume von der europäischen Ebene bis hin zu den Ländern und Gemeinden einzuschränken. So ist etwa das in der EU geltende Vorsorgeprinzip in CETA nicht verankert. Das bringt Kon­sumentInnenschutz, Gesundheitsvorsorge und Gentechnikfreiheit in Europa in Bedräng­nis.

Bundeskanzler Kern begründete seine Zustimmung letzten Endes damit, dass jene Bereiche, die in nationalstaatliche Kompetenz fallen – wie die umstrittenen Schiedsge-


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richte – erst nach Ratifikation durch die nationalen Parlamente in Kraft treten werden und dass mit einer rechtsverbindlichen Zusatzerklärung zwischen EU und Kanada Ver­besserungen am Vertrag erzielt worden wären. Außerdem müsse Österreich – ver­gleichbar den Forderungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts – die vorläufige Anwendung des Vertrags auch wieder beenden können. Dies habe Österreich – so wie Deutschland – in einer Protokollerklärung zu CETA festgehalten.

Darüber hinaus verlangte der Bundeskanzler weitere Klärungen bei den Schiedsgerich­ten im Zuge des Ratifizierungsprozesses, bis der Vertrag dem Nationalrat als Regie­rungsvorlage zur Beschlussfassung vorgelegt werden könne. Im noch auszuhandeln­den Statut für die Schiedsgerichte solle u.a. die Unabhängigkeit der RichterInnen und der Entscheidungen sichergestellt werden sowie die Berechnung der Höhe von Scha­denersatzforderungen festgelegt werden.

Dass die Ausgestaltung eines Statuts an der prinzipiellen Schieflage des Schiedsge­richtssystems nichts ändert, haben mehr als hundert ProfessorInnen der Rechtswis­senschaften im Oktober 2016 in einer juristischen Stellungnahme klar gemacht. Sie lehnen das in CETA erstmals verankerte System genauso ab, wie das bisher beste­hende ISDS-Regime. Das von der Kommission propagierte neue Schiedsgericht stattet die Investoren im Wesentlichen mit den gleichen Sonderrechten wie bisher aus und pri­vilegiert daher ausländische Investoren gegenüber allen anderen Akteuren in einer Ge­sellschaft, ist in der Stellungnahme zu lesen.

Sowohl bei der Frage, ob die Zusatzvereinbarungen und Protokollerklärungen über­haupt rechtsverbindlich sind, als auch bei der geforderten einseitigen Beendigung der vorläufigen Anwendung des Vertrags durch Österreich scheiden sich die Geister. Im ersteren Fall stellen Rechtsgutachten – wie das zuletzt im profil vom 30.1.2017 zitierte Gutachten von Prof. Maurer von der Universität Innsbruck – die rechtliche Verbindlich­keit der CETA-Beipacktexte als „unklar“, „rein informativ“ und „nicht bindend“ in Frage.

Ob ein Mitgliedsland die vorläufige Anwendung von CETA beenden kann, beantworten die Europäische Kommission und das deutsche Bundesverfassungsgericht unter­schiedlich. Wie das Onlineportal vieuws.eu berichtete, informierten Vertreter der Euro­päischen Kommission die EP-Abgeordneten im November 2016 darüber, dass ein ein­seitiger Ausstieg eines Mitgliedslands aus CETA nicht vorgesehen ist. Demgegenüber beharrt etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem CETA-Beschluss vom 7.12.2016, dass die Möglichkeit zur Beendigung der vorläufigen Anwendung gegeben sei. Je nachdem, wer gefragt wird, gibt es unterschiedliche Antworten. Rechtssicher­heit sieht anders aus.

CETA – Bundesregierung übergeht Nationalrat

Unabhängig vom Beipacktext argumentierte Bundeskanzler Kern, der etwa seine Kritik an den in CETA vorgesehenen Investitionsschutzgerichten bis zuletzt aufrecht erhielt, seinen Schwenk und die damit verbundene Zustimmung zu CETA mit dem drohenden Verlust an Glaubwürdigkeit des europäischen Projekts (Parlamentskorrespondenz Nr. 932). Die Bundesregierung – im Zusammenspiel von Bundeskanzler Kern, Vizekanzler Mit­terlehner und Außenminister Kurz – hat aber mit der Genehmigung von CETA im Rat der EU am 28. Oktober 2016 die verfassungsrechtlich verankerten Mitwirkungsrechte des Nationalrates (Art 23 e B-VG) gröblich übergangen.

Durch die einheitliche Stellungnahme der Bundesländer gemäß Art. 23 d Abs. 2 B-VG vom 11. Mai 2016 und der darauf bezugnehmenden Stellungnahme gemäß Art. 23 e B-VG des Nationalrates vom 22. Juni 2016 war die Bundesregierung daran gebunden, „dem Abschluss von CETA im Rat nicht zuzustimmen, solange die Forderungen dieser Beschlüsse nicht erfüllt sind“. Darin heißt es u.a.: „die Möglichkeit von Schiedsver­fahren gegen Staaten (sog. ISDS-Klauseln) ist nicht vorzusehen; sich dafür einzuset-


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zen, dass Harmonisierungen und wechselseitige Anerkennungen auf Basis des Vor­sorgeprinzips erfolgen oder dass im Rat keine vorläufige Anwendung von CETA be­schlossen wird.“

CETA enthält aber Sonderklagerechte für ausländische Konzerne, das Vorsorgeprinzip wird durchlöchert und überdies soll der Vertrag vorläufig angewendet werden.

Hat der Nationalrat – wie in diesem Fall – eine bindende Stellungnahme abgegeben, sieht Art 23e Abs 3 B-VG vor, dass der zuständige Bundesminister den Nationalrat vor und nach Beschlussfassung unverzüglich zu befassen hat. Ein solcher Bericht durch den zuständigen Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ist bis dato jedoch nicht erfolgt. Von der Einhaltung der verfassungsrechtlichen Verpflichtungen bei CETA durch die Bundesregierung kann daher keine Rede sein. Nicht nur, dass die Bedenken der Bevölkerung nicht ernst genommen werden, werden Beschlüsse des Na­tionalrats, der CETA letztlich ratifizieren muss, auch noch verletzt.

TTIP – Verhandlungsmandat wie eh und je

Noch fragwürdiger ist das Vorgehen der Bundesregierung bei TTIP. Bundeskanzler Kern hat nach der Erfahrung mit CETA behauptet, dass TTIP, das derzeit verhandelte Handelsabkommen der EU mit den USA, auf Basis des derzeitigen Verhandlungsman­dats keine Zustimmung von Österreich mehr habe. Ungeachtet einer Protokollerklä­rung, die der Bundeskanzler beim Europäischen Rat im Oktober 2016 mit dem Ziel der Revision des TTIP-Verhandlungsmandats abgegeben hat, hält die Europäische Kom­mission nach wie vor an den Verhandlungen mit den USA fest. So präsentierten EU-Handelskommissarin Malmström und US-Handelsbeauftragter Froman Mitte Jänner 2017 den Letztstand der Verhandlungen. Auch wenn derzeit nicht klar ist, wie US-Präsident Donald Trump sich zu TTIP verhält, hat sich an den Vorgaben durch die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten für die Verhandlungsführung der Europäischen Kommission nichts geändert. Die sowohl durch Bundeskanzler Kern als auch Vizekanzler Mitterl­ehner in Aussicht gestellte Änderung des TTIP-Mandats bildet sich auf europäischer Ebene jedenfalls nicht ab. Die Europäische Kommission verfolgt den eingeschlagenen TTIP-Kurs unbeirrt von der österreichischen Positionierung weiter.

TISA – Noch intransparenter als CETA und TTIP

Von der Öffentlichkeit unbemerkt, starteten im April 2013 Verhandlungen zwischen 23 Staaten (EU, Australien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Hongkong, Island, Israel, Japan, Republik Korea, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Pa­raguay, Peru, Schweiz, Taiwan, Türkei und Vereinigte Staaten von Amerika) über ein neues plurilaterales Abkommen über Dienstleistungen (TISA – Trade in Services Agree­ment). Für die EU-Mitgliedstaaten führt die Europäische Kommission die Verhandlun­gen. Am 18.3.2013 erhielt sie dafür vom Rat der EU (Landwirtschaft und Fischerei) – einstimmig ohne weitere Debatten – das Verhandlungsmandat. Die österreichische Bun­desregierung hatte den Nationalrat mit dieser Materie wieder einmal nicht befasst.

Nach Angaben der EU-VerhandlungsführerInnen steht TISA kurz vor dem Abschluss. Infolge des Präsidentschaftswechsels in den USA wird derzeit eine Verhandlungspau­se eingelegt. Zu TISA gibt es keine dezidierte Aussage von Donald Trump, weshalb auf EU-Ebene davon ausgegangen wird, dass die Verhandlungen wieder aufgenom­men werden sobald die neue US-Administration eingeführt ist.

Im Zuge der Kritik an den TTIP-Verhandlungen veröffentlichte die EU ihr TISA-Ver­handlungsmandat erst 2015, also zwei Jahre nach Erteilung. Dieses legt das Ziel weiterer Liberalisierungen sämtlicher Dienstleistungsbereiche fest. Von den EU-Ver­handlungsführerInnen war vergangenes Jahr immer wieder zu hören, dass die TISA-Verhandlungen knapp vor dem Abschluss stehen. Weder Europaabgeordnete, natio­nale ParlamentarierInnen noch die Bevölkerung kennen aber den Inhalt bereits verein­barter TISA-Texte. Diese Dokumente sind streng geheim.


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TISA wird auch in anderen Bereichen noch dieselben kritischen Fragen aufwerfen wie TTIP und CETA. Beispielsweise geht Vizekanzler Mitterlehner in einer Information zu TISA an den Nationalrat vom Dezember 2016 davon aus, dass TISA ein gemischtes Abkommen sei, das auch von den nationalen Parlamenten zu ratifizieren sein werde. Demgegenüber vertritt EU-Handelskommissarin Malmström das Gegenteil. Auf eine Anfrage aus dem Europäischen Parlament im Herbst 2015 meinte sie, dass es sich bei TISA um ein „EU-only“ Abkommen handle, das nur von den europäischen Gesetzge­bern Rat und Europäisches Parlament zu beschließen sein werde. Wie wir von CETA bereits wissen, sind europapolitische Konflikte vorprogrammiert, die schädlich sind und auch in diesem Fall von den inhaltlichen Bedenken ablenken könnten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage

CETA

1) Welche konkreten Anforderungen an den Investorenschutz müssen aus Ihrer Sicht auf europäischer Ebene erfüllt sein, damit Sie empfehlen, CETA als Regierungsvorlage dem Nationalrat zur Beschlussfassung zuzuleiten?

2) Welche konkreten Schritte werden Sie hinsichtlich Investorenschutz auf europäi­scher Ebene setzen bzw. den zuständigen Bundesminister für Wissenschaft, For­schung und Wirtschaft ersuchen, zu unternehmen?

3) Werden Sie die Regierungsvorlage an den Nationalrat zur Zustimmung von CETA unterstützen, wenn ausländische Unternehmen gegenüber inländischen AkteurInnen pri­vilegierten Zugang zum Schiedsgericht haben?

4) Sehen Sie nach wie vor Möglichkeiten, CETA ohne Schiedsgerichte zu verab­schieden?

a. Wenn ja, welche?

b. Wenn nein, warum nicht?

5) Kennen Sie den Inhalt des im profil vom 30.1.2017 zitierten „CETA-Rechtsgutachten von Prof. Andreas Maurer“ und wie schätzen Sie dieses ein? Falls Ihnen diese Ex­pertise vorliegt, werden Sie dafür sorgen, dass sie auch veröffentlicht bzw. an den Na­tionalrat übermittelt wird?

6) Welche konkreten Schritte werden Sie setzen bzw. den zuständigen Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft ersuchen, zu setzen, um die widersprüch­liche Einschätzung zur Beendigung der vorläufigen Anwendung von CETA durch Ös­terreich zu klären?

7) Wodurch sehen Sie im Falle von CETA, bei dem der Nationalrat eine bindende Stellungnahme beschlossen hat, die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen der Bun­desregierung gegenüber dem Nationalrat sowohl vor als auch nach Beschlussfassung auf europäischer Ebene gewährleistet?

TTIP

8) Welche Aktivitäten wurden von Ihnen bzw. Ihren Regierungskolleginnen und kolle­gen auf europäischer Ebene gesetzt, damit das TTIP-Verhandlungsmandat neu aufge­setzt wird? Wie erfolgreich waren diese Initiativen?

TISA

9) Welche konkreten Schritte haben Sie bei TISA bisher unternommen,


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 117

a. damit das an die Europäische Kommission 2013 auch mit Zustimmung der öster­reichischen Regierung erteilte Verhandlungsmandat neu aufgesetzt wird, um öffentli­che Dienstleistungen auch in Zukunft eindeutig abzusichern und politischen Gestal­tungsspielraum weiterhin zu erhalten,

b. damit bereits vorhandene TISA-Vertragstexte zugänglich gemacht werden, um eine breit angelegte öffentliche Debatte darüber führen zu können,

c. um dafür zu sorgen, dass die TISA-Verhandlungen wenigstens zukünftig entspre­chend transparent geführt werden, und

d. um sicher zu stellen, dass auch bei TISA unumstritten ist, dass der Vertrag nur nach Beschlussfassung durch die nationalen Parlamente in Kraft treten kann?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Kogler als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsord­nung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.15.05

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Eigentlich war ja eine Dringliche Anfrage angekündigt. Dringliche Argumente gibt es tatsächlich, darauf können Sie sich verlassen, auch die Fragen – an den Bundes­kanzler geplant – werden es in sich haben. Die dringlichen Anfragen sind ja die glei­chen geblieben, das Anliegen auch, allerdings ist der Kanzler krank, zumindest ist das die Mitteilung ans Parlament. (Abg. Prinz: Dann wird es auch so sein!) – Ja, genau, des­halb wünschen wir ihm von dieser Stelle aus gute Besserung!

Was allerdings schon ein bisschen seltsam anmutet, ist, und das passt dann auch zum Thema dieser Dringlichen Anfrage, dass man sich hier zwar entschuldigen lässt, aber um 10.45 Uhr ein Facebook-Posting absetzt – Christian Kern aus dem Bundeskanzler­amt Österreich: „Heute gibt’s einen fantastischen Ausblick. Winter Wonderland vor dem Bundeskanzleramt!“ Davon (eine Tafel mit dem Ausdruck der Facebook-Seite, auf der auch ein verschneiter Teil des Wiener Volksgartens zu sehen ist, vor sich auf das Red­nerpult stellend) können Sie sich selbst überzeugen.

Jetzt ist es halt so, dass das kein glücklicher und gelungener Umgang mit dem Par­lament ist. Da scheinen wir sowieso eine Schwachstelle beim Herrn Bundeskanzler zu treffen, das werden Sie nachher entlang aller sachlichen und vor allem rechtlichen Ar­gumente noch hören, denn nicht mehr oder nicht weniger steht im Raum – und ich wer­de den Vorwurf begründen –, als dass diese Bundesregierung mit dem Kanzler an der Spitze allein schon deshalb einen Verfassungsbruch in Sachen CETA begangen hat, weil sie, die Bundesregierung, die Bindungen und Beschlüsse dieses Hauses hier, also mit Mehrheit von Ihnen gefasst, gebrochen hat. Und der Herr Kanzler hat uns immer den Eindruck vermittelt, wie ein Löwe – wir kennen die Inszenierung ja schon – in Brüs­sel gekämpft und wunderbare Erklärungen herausverhandelt zu haben, die das CETA-Problem entschärfen würden. – Mitnichten! Darauf wird noch einzugehen sein.

Diese Story ist aber auch ein Ausdruck dafür, dass es zumindest an der notwendigen Sensibilität mangelt. Nachdem wir alle draufgekommen sind, ist erwartungsgemäß – das soll der Korrektheit halber nicht verschwiegen werden – Folgendes passiert: Es gibt dann zwei Stunden später ein weiteres Posting, das Winter Wonderland ist immer noch das gleiche, jetzt heißt es aber (eine weitere Tafel mit einem Ausdruck der Facebook-Seite vor sich auf das Rednerpult stellend): „Liebe Grüße vom Team“. (Zwischenrufe bei der


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SPÖ.) – Das ist nicht lächerlich, das ist einfach eine Metapher dafür, wie es hier zu­geht. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt gehen wir davon aus, dass die Frau Staatssekretärin die Fragen entsprechend beantworten wird. Kommen wir einmal zur Gesamtaufstellung. Viele würden ja vermu­ten, dass es diese Dringliche Anfrage gibt, weil ein durchaus sehr erfolgreiches Volks­begehren stattgefunden hat. So ist es aber nicht. Würden Sie die Protokolle der Präsi­diale lesen, hätten Sie schon erkannt, dass wir hier entsprechende Initiativen planen, weil nämlich jedenfalls die grüne Fraktion – ich nehme an, auch andere – es sich nicht weiter gefallen lassen wird, dass hier die Mitwirkungsrechte der Volksvertretung nicht nur übergangen werden – das haben wir im Vorfeld ja noch vorsichtig formuliert –, son­dern – das hat die Recherche des Ablaufs dieser ganzen Geschichte genau bewie­sen – dass die Rechte auch gebrochen wurden, und zwar nicht nur abstrakt, sondern inhaltlich.

Ich gehe jetzt einmal auf diese Sache ein, was das rund um CETA bedeutet. Das Volksbegehren selbst beschäftigt sich im Übrigen noch mit TTIP und TiSA, dazu wer­den wir dann auch noch etwas sagen, auch dazu haben wir Fragen formuliert. Jetzt kann man bei CETA dieser oder jener Meinung sein. Sie wissen, auch ich bin nicht der Meinung, dass deshalb gleich die Welt untergeht, aber es hat jedenfalls eine völlige Schräglage, eingebaut in vielen Fragen des sogenannten Handels in die falsche Rich­tung, da es nämlich in erster Linie kein Freihandelsabkommen ist.

Es ist, wie Sie wissen oder wissen sollten, eigentlich ein Standardsetzungsabkommen – Klammer: wenn man nicht aufpasst, und dazu sind wir auch da, ein Standardherabset­zungsabkommen –, und es ist auch ein Regulierungsabkommen – Klammer: im Zweifel ein Deregulierungsabkommen. Das ist ja der Punkt. Wenn Sie sich einmal die Mühe ma­chen würden, einfach nur die Bezeichnung CETA zu übersetzen, werden Sie drauf­kommen, dass das C nicht für Canada steht, sondern für Comprehensive, und E steht für Economic; es ist also ein umfassendes Wirtschaftsabkommen. Das darf man ja alles wollen, aber es wird einfach anders dargestellt.

Ich wende mich da auch an Zurufer und Kommentatoren von außen, die auch immer wieder so tun, als würden jene, die sich durchaus kritisch damit auseinandersetzen – so viele kenne ich im Übrigen nicht, die den Vertrag wirklich gelesen haben, und das haben auch jene, die da diese Zurufe machen, offensichtlich nicht immer getan –, auch irgendwie zu den Populisten gehören.

Ich sehe von vornherein auch in der Methode die schiefe Ebene, seit vor neun Jahren im Stillsten und im Geheimsten das Mandat gegeben worden ist. Erst als wir dann drauf­gekommen sind, worum es da geht, ist die Sache langsam in Gang gekommen. Das hat dann dazu geführt, dass die Mehrheit dieses Parlaments im zuständigen EU-Aus­schuss – eigentlich Unterausschuss – eine bindende Stellungnahme zu CETA formu­liert hat, die, wie der Name sagt, die Regierung bindet.

Ich darf jetzt die wichtigsten Punkte aus dieser bindenden Stellungnahme vom Ju­ni 2016 kurz zum Vortrag bringen; im Übrigen gibt es die gleiche Stellungnahme von den Bundesländern und vom Bundesrat.

Dazu, was auf keinen Fall passieren darf, wo die Bundesregierung nicht zustimmen darf, wo sie nicht hinverhandeln darf, heißt es hier unter anderem: „Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten“ – das Problem ist hinlänglich bekannt, wird aber un­terschiedlich eingeschätzt – „[…] ist nicht vorzusehen.“ – Wie wollen Sie denn das übersetzen? Wir werden noch darauf zurückkommen, was genau da im CETA-Vertrag drinnen ist. Zweitens, es muss das Vorsorgeprinzip erhalten bleiben, und drittens, es darf keine vorläufige Anwendung von CETA beschlossen werden. – Das ist die Be­schlusslage hier im Haus.


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Kommen wir zu den Schiedsverfahren, Schiedsgerichten: Es ist doch völlig logisch, dass auch diese abgeänderte Sache in CETA ein Schiedsverfahren gegen Staaten ist – worum wird es denn dort sonst gehen? –, noch dazu, und daran entzündet sich ja die Kritik, können das in der Regel nur jene, die überhaupt einen Firmensitz in Kanada haben. Das ist ein ungleicher Zugang, eine Schieflage, und deshalb sind der Deutsche Richterbund und Hunderte europäische Juristinnen und Juristen gegen dieses Abkom­men. Auch diese Dokumente haben wir mit, und die waren auch der Grund für die Beschlüsse dieses Nationalrates. Da sollten Sie doch stolz darauf sein, um Gottes willen! Den Grund für diese Beschlüsse, dass das nicht geht, beschreibt der nüchterne Deutsche Richterbund so: nicht notwendig, nicht juristisch fundiert und im Ergebnis schädlich.

Warum ist das so? – Weil wir in Europa ausgereifte Justizsysteme haben, die diesen Überbau überhaupt nicht brauchen, aber wenn es ihn einmal gibt, stiftet er Schaden, um Gottes willen! (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt hätten wir ja nichts gegen Handel mit Kanada; mit diesen Litaneien können Sie uns heute, bitte schön, verschonen. Natürlich geht es auch um Handel, aber es geht auch um faire Produktionsbedingungen et cetera. Diese Sache hier ist einfach ein Brand­beschleuniger für das, was passiert, wenn in diesen Verträgen irgendetwas drinnen steht, was doch nicht so witzig ist, wie Sie alle tun.

Da kommen wir schon zum Nächsten, dem Vorsorgeprinzip: Es wird immer so getan, als wäre das alles super gesichert. Richtig ist, dieses Wort kommt im ganzen CETA-Vertrag gar nicht vor, aber es gibt einige Stellen – ich erwähne es immer wieder, bis heute hat uns noch keiner widerlegt – in Artikel 25 dieses Vertrags, dass ausgerechnet beim Marktzugang zu Biotechnologie – Herr Schultes, zum Mitschreiben: Marktzugang zu Biotechnologie – der wissenschaftsbasierte Ansatz gilt.

Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, dass das das Gegenteil vom Vorsorgeprinzip ist. Auch wenn dann in diesen Beipackungen auf die WTO rekurriert wird, beschleunigt das das Problem ein weiteres Mal, denn dort wird es dahin gehend übersetzt, dass das eben so zu interpretieren ist, dass man wissenschaftliche Zulassungssysteme braucht – aber nicht der, der etwas in Verkehr bringt, sondern die anderen, die darauf schauen wollen, dass das bei irgendwelchen Gefährdungen nicht so schnell oder gar nicht pas­siert. So wie bei der Asbest-Geschichte: 70 Jahre ist gekämpft worden, bis einmal ak­zeptiert wurde, dass das schwer krebserregend ist, und – Karl Öllinger weiß viel darü­ber – durch die dadurch verursachten Krankheiten ausreichend Opfer zu beklagen sind.

Da ist es eben auch so – es ist nämlich nicht anders zu übersetzen, wenn man alles zusammenzählt –, dass diejenigen, die vielleicht noch aufrichtige Behördenvertreter oder kritische WissenschaftlerInnen sind, beweisen müssen, dass irgendetwas schädlich ist. Das ist das Gegenteil des Vorsorgeprinzips. Da kann in den europäischen Verträgen zehnmal drinstehen, dass dieses im europäischen Rechtsraum gilt, aber CETA wäre ja ein völkerrechtlicher Vertrag, und der steht über diesen Dingen. Da wird auch ständig Ne­bel geworfen, ich bin gespannt, ob wir das heute wieder hören werden.

Wenn uns jemand widerlegt, soll es uns recht sein, denn dass CETA kommt, dafür be­steht zumindest eine Halbe-halbe-Chance. Dann wäre es besser, es wäre so, wie an­dere behaupten. Die Beweisführung allerdings bleibt aus. Dafür wird mit dem Finger auf jene gezeigt, die sich wirklich damit beschäftigen.

Das hat im Übrigen auch der Bundeskanzler gemacht, das ist ihm auch hoch anzu­rechnen. Er hat offensichtlich gute Argumente und Berater gehabt, die ihm gesagt ha­ben, wie die Dinge liegen. Allein die weitere Geschichte, mit der wir uns heute hier be­schäftigen müssen, ist eben die, dass nämlich von diesem hier im Haus beschlossenen Mandat – und bis heute nicht begründet, was den eigentlichen Verfassungsbruch dar­stellt – abgewichen wurde.


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Es kommt noch schlimmer mit der vorläufigen Anwendung – damit wir einmal alle Punkte durch haben –, davon kann sich jetzt jeder überzeugen. Was ist das nun? – Das ist ein Rechtsinstitut, das an sich nicht nur böse ist. Es hat eine gewisse Logik, die da sagt: Alles, was die Kompetenz der Europäischen Union umfasst, darf schon gelten, wenn das Europäische Parlament zugestimmt hat. Wir werden sehen, wie das ausgeht, okay, aber es ist halt in all diesen Vertragskomplexen so vorgesehen, auch in CETA – es wird sogar angemerkt –, dass alle zustimmen müssen. Und das wäre eben die Chance gewesen, das Mandat dieses Nationalrates mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus an­deren Ländern, die es ja bekanntermaßen gegeben hat, umzusetzen und vorläufig eben doch nicht zu unterzeichnen – was aber verfassungswidrig passiert ist –, um diese An­wendungen zu verhindern.

Es ist völlig strittig, ob ein Land diese vorläufigen Anwendungen noch jemals wird ein­fangen können. Auch dazu gibt es schon mehrere Rechtsexpertisen, aber allein darum geht es nicht. Die Bundesländer, vertreten durch neun Landeshauptleute, der Bundes­rat mit großer Mehrheit und der Nationalrat haben beschlossen, dass die Regierung nichts unterzeichnen soll, wo eine vorläufige Anwendung vorgesehen ist. Jetzt ist im Rat der Europäischen Union zugestimmt worden. Im Übrigen trägt das Ganze die Un­terschrift des Herrn Kurz, nur nebenbei bemerkt, der sich da immer fein heraushält – aber natürlich ist das Außenministerium voll involviert. Mitterlehner wollte das sowieso, der ist wenigstens immer zu seiner Meinung gestanden, das muss man sagen.

Letztlich ist es jetzt im Ergebnis aber so, dass nicht nur das, sondern auch die beiden anderen Punkte gebrochen wurden, und zwar wissentlich und von vorne bis hinten: Schiedsverfahren sind vorgesehen, das Vorsorgeprinzip ist durchbrochen – da könnte man noch juristisch streiten, aber das passiert ja nicht, da wird nur herumgegaukelt –, und drittens ist die vorläufige Anwendung sogar schon im Ratsbeschluss drinnen. Da sagen die Vertreter der Nationen, also Herr Kurz: Okay, das und das und das darf vor­läufig angewendet werden! – Und das wollen wir uns nicht gefallen lassen. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb ist es eine hygienische Notwendigkeit, dass wir uns auch auf diese Art und Weise damit beschäftigen, und dass jetzt das Volksbegehren zu diesen Abkommen so erfolgreich war, wird uns nicht daran hindern, das trotzdem zu tun.

Es ist also einmal eine schöne Vorlage gemacht, und die Fragen beziehen sich genau darauf, was diesen Vorgang betrifft, und vor allem, wie wir diese Patsche zukünftig viel­leicht noch sanieren können, denn es ist ja nicht alles vorbei.

Kommen wir dazu, was Kanzler Kern gesagt hat und was er wirklich erreicht hat. Die Schiedsverfahren, das ist das, was allen nur auf die Nerven geht, im Übrigen auch in Kanada. Warum das nicht einfach herausgenommen worden ist, versteht bis heute kein Mensch. Die sind nämlich überhaupt erst Jahre, nachdem die anderen Mandate in den Verhandlungen mit Kanada gegeben wurden, genau als das TTIP-Mandat verge­ben wurde, hineingekommen.

Und das ist ja das Groteske und wirklich Ablehnenswerte und vor allem Intransparente, denn hier herinnen hat davon kein Mensch gewusst, weder vom Mandat bezüglich Ka­nada noch dass im Jahr 2013, im gleichen Moment, als mit den USA die TTIP-Ver­handlungen gestartet wurden, diese Formeln hineingekommen sind.

Wer war in vorderster Reihe dabei, nur um ein paar Monate später ein Inserat dagegen zu schalten? – Die österreichische Bundesregierung. Und laut den Protokollen aus den Ratsarbeitsgruppen, die man dazu lesen kann – die sind an sich ja nicht zu veröffentli­chen –, war Österreich – bis wir das alles aufgedeckt haben – ein Vorreiter dieser Schieds­systeme. Man bekennt sich dazu, dass man das immer wollte. Gleichzeitig ist die Bun­desregierung aufgetreten, wie sie aufgetreten ist.


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Jetzt kann man sagen, da kann der Nachfolger von Faymann, Bundeskanzler Kern, nichts dafür. – Richtig. Was tut er aber? – Also zuerst hat er einmal die Gunst der Stun­de, glaube ich, die er ja gehabt hat – da meine ich weniger die Parteibefragung, denn Partei ist Partei, sondern die Bindung durch dieses Haus, da geht es wirklich um et­was –, nicht dazu genutzt, um in Sachen CETA auf der Bremse zu stehen, bis die Schieds­gerichte aus dem Vertrag herausgenommen worden sind; denn in Wirklichkeit dient es dazu – das ist jetzt vorläufig einmal obsolet, aber auch nicht ewig; wir werden das dann noch hören –, TTIP durch die Hintertür schmackhaft zu machen. Das war das Motiv für diese Sache. Und Kanzler Kern hätte alle Chancen gehabt, er hat aber auf interpreta­tive Erklärungen vertraut, dass man da irgendetwas verbessern will.

Chronisch, seit Jahren, werden diese Schiedssysteme „verbessert“ – unter Anführungs­zeichen –; es gelingt auch ein bisschen etwas – allein es sind privilegierte Zugänge für Firmen, wenn Sie so wollen, Konzerne, die einen Sonderstatus kriegen. Das ist einfach nicht zu brauchen, und das brauchen wir zukünftig für die ganze Welt nicht.

Sie tun dauernd so, als wären das Standards, die man dann auf den Globus ausrollen kann – aber das brauchen wir genau nicht, jedenfalls nicht bei Rechtssystemen zwi­schen zivilisierten Staaten, und das sind wir wohl, das wird ja auch immer wieder ge­sagt. (Beifall bei den Grünen.) Die Chance wurde vertan.

Das wirklich Ärgerliche ist aber, dass der Kanzler – und deshalb auch die Hinweise auf solche zarte Schlampereien: inszenieren statt regieren, mehr Show als etwas anderes, das steht ja im Raum (Abg. Schieder: Da redet der Richtige!) – der österreichischen Öffentlichkeit erklärt hat: Wir haben erreicht, dass das ein sogenanntes gemischtes Ab­kommen ist, also dass wir als nationales Parlament auch noch etwas mitzureden ha­ben – und da sollen wir dann ruhig dagegenstimmen, so auf diese Art; also die Schieds­systeme seien jetzt eigentlich quasi weg, denn wir würden sie hier schon ablehnen. – Ja eh, könnten wir ja auch, sollten wir auch (Abg. Pirklhuber: So ist es!); sollten wir auch, weil sie nicht einzusehen sind, weder die Vorgangsweise noch das Ergebnis.

Jetzt müssen wir aber schauen, was es damit wieder auf sich hat. Dass das ein ge­mischtes Abkommen ist, hat erstens nicht der Kanzler erreicht, das ist schon viele Mo­nate vorher passiert, weil das viele Staaten gemeinsam erreicht haben; für Österreich unter anderem auch unser Oberverhandler Mitterlehner, das muss man auch anerken­nen. Zweitens ist es doch logisch, dass die nationalen Parlamente abstimmen müssen, wenn derart viele nationale Kompetenzen tangiert werden. Da ist in Wirklichkeit nichts zu erkämpfen, es ist nur festzustellen. Es gibt genug Dinge, bei denen ich dafür bin, dass nur mehr das EU-Parlament abstimmt, wenn aber etwas so weitreichend natio­nale Interessen betrifft, dann ist es schon richtig, dass nationale Parlamente abstim­men. Wir haben ja gesehen, wo das überall hineinschneidet. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb sollten wir daraus auch die Lehren ziehen und sagen: Ja, dann lehnen wir das Abkommen eben ab! Blöderweise hat der Kanzler den Eindruck vermittelt, dass man auch eine einzelne Sache, die Schiedssysteme, ablehnen kann, während der Vertrag, der die Union betrifft, aber weiterlebt, wo er glaubt, das ist vielleicht doch nicht so ver­kehrt – das ist nicht mein Kaffee –, aber rechtlich ist es so, dass man nur den ganzen Vertrag ablehnen, nicht nur die Schiedsgerichte herauspicken kann. Das heißt, wir brau­chen dort auch einen Zwischen- oder Neustart, wie auch immer Sie das nennen wol­len, und es ist immer noch in der Hand unter anderem von solchen Ländern wie Öster­reich, zu sagen: Nein, so ratifizieren wir nicht!

Es ist juristisch relativ leicht, diese Giftzähne rauszuoperieren, und dann wird ratifiziert. Diese Möglichkeit besteht immer noch. Wir werden nicht nur den Kanzler beim Wort nehmen, sondern auch Sie beobachten, die Sie ja eigentlich das Mandat gegeben ha­ben, dass das nicht sein darf, was jetzt passieren soll. Also das müssen Sie auch mit


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sich selber ausmachen. Erklären Sie das, wenn Sie dann Ihre Reden halten, und zei­gen Sie nicht mit dem Finger auf andere!

Kommen wir noch schnell zu TTIP und TiSA: TTIP ist deshalb noch nicht tot, weil die Kommission darauf wartet, dass Trump irgendwann verschwindet, und dann geht es weiter, das ist die Strategie. Und die österreichische Bundesregierung hat außer einer Protokollanmerkung noch nichts gemacht. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Schlusssatz – danke schön –: Bei TiSA haben wir genau das gleiche Problem. Auch da gibt es ein geheimes Mandat, geheime Verhandlungen, und da sollen alle Dienstleis­tungen – auch wenn etwas anderes behauptet wird, dient das ganze Abkommen nur dazu – von der Süd-Algarve bis Nordfinnland in der kleinsten Gemeinde mitdereguliert werden. Auch das ist sinnfrei. Handel und fairer Handel, faire Produktion sind etwas anderes, und dafür werden wir eintreten. (Beifall bei den Grünen.)

14.35


*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Klubobmann Mag. Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


14.35.44

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Ich wollte nur klarstellen, dass der Herr Bundeskanzler sich ordnungsgemäß, wie es in unserer Geschäftsordnung eben vorgesehen ist, entschuldigt hat, weil er krank ist, und ich würde daher auch bitten, dass Abgeordnete bei der Begründung für ein Instrument des Parlaments nicht unterstellen, der Bundeskanzler sei nicht krank oder dergleichen. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Hat er ja nicht!) – Oh ja, das hat er ein­gangs so gesagt.

Der Bundeskanzler ist ordnungsgemäß entschuldigt, liegt mit 39 Grad Fieber im Bett, war vor Kurzem gerade beim Arzt. Man braucht nicht zu unterstellen, er sei gar nicht krank, nur weil das Social-Media-Team ein Foto mit der Aussicht aus dem Fenster des Bundeskanzleramtes gepostet hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brosz: Ob das ge­scheit ist, wird man aber schon hinterfragen dürfen! – Abg. Muttonen: Das ist lächer­lich!)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Herr Klubobmann.

*****

Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar zu Wort gemel­det. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


14.36.42

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Werte Abgeordnete! Ich darf heute in Vertretung des Bundeskanz­lers die Dringliche Anfrage beantworten.

Österreich gehört zu den Gewinnern des internationalen Handels. Mittlerweile hängt ja jeder zweite Arbeitsplatz vom Export ab. Gleichzeitig wissen wir, dass die Globalisie­rung zunehmend Gewinner, aber auch Verlierer und Verliererinnen erzeugt. Viele Men­schen haben das Gefühl, den Anschluss zu verlieren, daher ist es unsere Aufgabe, da­für zu sorgen, dass Gewinne wieder gerechter verteilt werden und die Wohlstandszu­wächse tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen.


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Vor diesem Hintergrund ist unser Engagement bei CETA zu verstehen. Zu Beginn wur­den unsere Forderungen noch als österreichischer Klamauk abgetan. Schlussendlich haben wir wichtige Verbesserungen erreicht. Beide Entscheidungen waren richtig, näm­lich zu kämpfen und Veränderungen zu erreichen, aber auch, dem Erreichten schließ­lich zuzustimmen. Das war nicht unser Wunschprogramm, aber es stand auch der Ruf Österreichs als Standort und europäischer Partner auf dem Spiel. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit der rechtlich verbindlichen Zusatzerklärung zu CETA haben wir erreicht, dass die Eu­ropäische Union und ihre Mitgliedstaaten weiterhin umfassend regulieren können. Zu­dem haben wir den Schutz öffentlicher Dienstleistungen sichergestellt. Das bedeutet, dass der Gesundheits-, Sozial- und Bildungsbereich, Wasser und Wohnbau in öffent­licher Hand bleiben und wir weiterhin das Recht haben, Privatisierungen rückgängig zu machen. Beim besonders umstrittenen Investitionsschutz haben wir zudem auch si­chergestellt, dass ausländische Investoren nicht bessergestellt werden als inländische und somit österreichische Gesetze nicht ausgehebelt werden können. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die rechtsverbindliche Erklärung enthält zum ersten Mal die klare Verpflichtung der Eu­ropäischen Union, die Errichtung eines multilateralen Handelsgerichtshofes als vollwer­tiger internationaler Handelsgerichtshof zu unterstützen. Am allerwichtigsten ist aller­dings, dass CETA den nationalen Parlamenten zur Entscheidung überhaupt vorgelegt wird. Das bedeutet, dass bis zur endgültigen Ratifizierung durch die nationalen Parla­mente die Investitionsgerichte noch nicht eingerichtet werden können und somit derar­tige Entscheidungen ordentlichen österreichischen Gerichten vorgelegt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was sind die Lehren daraus? – Die erste Lehre betrifft TTIP. Was bei den Verhandlungen zu TTIP vorliegt, bleibt weit hinter dem Abkommen mit Kanada zurück. Wesentliche kritische Bereiche sind dabei der Investi­tionsschutz, die regulatorische Zusammenarbeit, die geografischen Herkunftsbezeich­nungen oder der Bereich Kultur. Daher hat der Bundeskanzler beim Europäischen Rat unmissverständlich klargestellt, dass es auf Basis des bestehenden Verhandlungsman­dats keine Zustimmung von Österreich geben wird.

Folgende Grundsätze müssen weiters erfüllt sein:

Erstens: Sowohl die Erbringung als auch die Art und Weise der Erbringung von öffent­lichen Dienstleistungen darf von Handelsabkommen nicht berührt sein.

Zweitens: Investitionsgerichte müssen folgende Prinzipien erfüllen: Transparenz, Un­abhängigkeit, keine Möglichkeit prohibitiver Entschädigungsleistungen zur Vermeidung eines Chilling-Effekts, keine Besserstellung ausländischer Investoren gegenüber inlän­dischen Investoren.

Drittens: Das Vorsorgeprinzip darf nicht berührt werden.

Viertens: Regulatorische Zusammenarbeit darf ausschließlich freiwillig und ohne Ver­pflichtung zur Umsetzung durch die Europäische Union und die Mitgliedstaaten der EU stattfinden.

Diese Grundsätze sind auch in der vom Bundeskanzler beim Europäischen Rat ab­gegebenen Erklärung nachzulesen.

Eine weitere wichtige Lehre betrifft die Art und Weise, wie diese Abkommen zustande kommen. Verhandlungen müssen in Zukunft transparenter geführt werden, und alle be­troffenen Interessengruppen sind einzubeziehen. Es ist nicht zu akzeptieren, dass wäh­rend der Verhandlungen keine Informationen über den Verhandlungsstand preisgege­ben werden und nach deren Beendigung argumentiert wird, dass es nun für Änderun­gen zu spät sei. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Handelsabkommen neuen Typs kann man nicht mit der Uraltmethode der Intranspa­renz durchpeitschen. Dies ist umso dringlicher, da Handelspolitik zunehmend zu einem Feld der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung geworden ist, das viele Politikfelder betrifft. Daher braucht es in Zukunft auch einen viel breiteren Diskussions­prozess, bei dem alle Vor- und Nachteile abgewogen werden können. Nur so kann die Akzeptanz in den einzelnen Mitgliedstaaten und die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger gewonnen werden. Dafür braucht es von Anfang an eine viel stärkere Ein­beziehung der nationalen Parlamente. Gemeinsam mit dem Europäischen Parlament können nur sie europäischen Handelsabkommen die notwendige demokratische Legiti­mierung verschaffen.

Die EU ist heute die größte Handelsmacht der Welt. Unsere hohen Standards bei Ar­beitnehmerInnenrechten, beim VerbraucherInnenschutz, beim Umwelt- und Gesund­heitsschutz sind im globalen Vergleich auch vorbildlich. Das ist etwas, worauf wir sehr stolz sein können. Das gibt uns auch allen Grund dazu, selbstbewusst aufzutreten und eine aktivere Rolle bei der Durchsetzung von fairen Spielregeln einzunehmen. Ganz im Sinne einer europäischen Smart Power sollten wir uns darauf konzentrieren, die Stan­dards im internationalen Handel nach oben und nicht nach unten zu entwickeln und die Interessen unserer ArbeitnehmerInnen effizient durchzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nur so schafft globaler Handel Wohlstandszuwächse für alle Teile der Gesellschaft. Nur so kann die Europäische Union in den Augen der Bürgerinnen und Bürger Schutz vor den Risiken der Globalisierung bieten. Nur so können die europäischen Institutionen Vertrauen zurückgewinnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf nun zur Beantwortung der Fragen kommen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Die in der gemeinsamen Erklärung Kanadas, der Europäischen Union und der Mitglied­staaten verankerten Bedingungen müssen jedenfalls vor der Beschlussfassung einer Regierungsvorlage erfüllt sein. Dies betrifft insbesondere den Code of Conduct und das Vergütungssystem für Richterinnen und Richter des Investitionsgerichts sowie die Fort­schritte bei den Arbeiten an einem multilateralen Investitionsgericht, in das der Streit­beilegungsmechanismus aus dem Investitionsschutzabkommen überführt werden soll. Die Bundesregierung und der zuständige Bundesminister werden sich in diese Arbei­ten auf europäischer Ebene nach Vorlage der Vorschläge durch die Europäische Kom­mission einbringen.

Zu Frage 3:

Nein. Die gemeinsame Erklärung stellt klar, dass ausländischen Investoren nicht mehr Rechte eingeräumt werden dürfen als inländischen. Diese Bedingung muss selbstver­ständlich erfüllt sein.

Zu Frage 4:

Das gemeinsame Auslegungsinstrument zum umfassenden Wirtschafts- und Handels­abkommen CETA zwischen Kanada und der Europäischen Union und ihren Mitglied­staaten sieht vor, dass einerseits noch wesentliche Implementierungsfragen des in CETA geplanten Investitionsgerichtshofs geklärt werden müssen. Darüber hinaus ist festgehalten, dass sich die Vertragsstaaten für die Errichtung eines multilateralen In­vestitionsgerichtshofs einsetzen werden, in dem alle bisher in Investitionsschutzver­trägen ausgehandelten Schiedsinstanzen aufgehen sollen. Es gibt bereits Vorarbeiten der Europäischen Kommission zu diesem Thema, und man sollte da auch bereits be­stehende Einrichtungen wie den EFTA-Gerichtshof als Vorbild nehmen.


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Zu Frage 5:

Soweit bekannt, handelt es sich dabei um ein von Herrn Professor Maurer für Abge­ordnete des Europaparlaments verfasstes Diskussionspapier. Ich kann nicht auf De­tails eingehen. Die medial kolportierte Ansicht, dass es sich bei dem gemeinsamen Auslegungsinstrument um kein rechtserhebliches Dokument handle, steht jedoch im krassen Widerspruch zur Rechtsmeinung der juristischen Dienste der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates, vor allem auch zu der im Text formulierten Intention der Erklärung und auch zu dem öffentlich zum Ausdruck gebrachten Ver­ständnis der Vertragsparteien von CETA, also auch Kanadas.

Zu Frage 6:

Österreich hat gemeinsam mit Deutschland aus Anlass des Ratsbeschlusses über die Unterzeichnung erklärt, dass die vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens durch eine einseitige schriftliche Erklärung beendet werden kann. (Abg. Kogler: Das stimmt nicht!) Dies entspricht auch dem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes.

Zu Frage 7:

Der Nationalrat hat am 22. Juni 2016 eine Stellungnahme gemäß Artikel 23e B-VG betreffend CETA an die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung gerichtet. CETA ist unter anderem auf Betreiben der österreichischen Regierungsvertreter bei der Un­terzeichnung von der Europäischen Union als gemischtes Abkommen qualifiziert wor­den. Auf Betreiben der österreichischen Regierungsvertreter wurde zu CETA eine ge­meinsame interpretative Erklärung aller Vertragsparteien abgegeben, durch welche die Anliegen der Bundesländer zu hohen Umweltschutzstandards, zur regulatorischen Zu­sammenarbeit und zum Vorsorgeprinzip berücksichtigt werden.

Auf Betreiben der Bundesregierung wurde auch erreicht, dass die vorläufige Anwen­dung des Unionsteils von CETA sich nicht auf den Investitionsschutz einschließlich der Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten erstreckt. (Abg. Kogler: Das ist ja sowieso in nationaler Kompetenz!) In einer einseitigen Erklärung der Republik Öster­reich für das Protokoll über die Tagung des Europäischen Rats am 20. und 21. Oktober 2016 wurde die Bedeutung des Vorsorgeprinzips und der Freiwilligkeit der regulatori­schen Zusammenarbeit betont.

Zu Frage 8:

Auf die schriftliche Erklärung des Bundeskanzlers zum Protokoll der Sitzung des Euro­päischen Rats vom 20. und 21. Oktober 2016 habe ich bereits verwiesen. Derzeit fin­den keine Verhandlungen mit den USA statt, und es erscheint aus heutiger Sicht ex­trem unwahrscheinlich, dass die Verhandlungen auf Basis des existierenden Mandats wieder aufgenommen werden können. Die Bundesregierung bekennt sich grundsätz­lich zu Handelsabkommen und befürwortet auch ein Handelsabkommen mit den USA, einem der wichtigsten Handelspartner Österreichs, dieses muss aber den oben erwähn­ten Kriterien entsprechen.

Zu Frage 9 a:

Bezüglich TiSA ist auf die oben getroffenen Feststellungen zu TTIP zu verweisen. Grundsätzlich ist dazu aber auch anzumerken, dass der Versuch, über internationale Abkommen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen zu erzwingen, von uns ab­gelehnt wird. Wie auch im Rahmen von CETA und der gemeinsamen Erklärung fest­gehalten, ist es Angelegenheit der politischen Organe eines Staates, festzulegen, wel­che Dienstleistungen öffentlich erbracht werden und welche privat.

Zu den Fragen 9 b und 9 c:


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Die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen zu bisherigen Handelsverträgen hat wesentlich zu einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber diesen Rechtsinstru­menten beigetragen. Es ist daher im Interesse aller, die Verhandlungen transparent und offen zu gestalten. Die Bundesregierung hat sich entsprechend auch im gestern hier von Bundeskanzler und Vizekanzler vorgestellten Arbeitsprogramm 2017/2018 explizit für transparente Verhandlungen ausgesprochen.

Zu Frage 9 d:

Die österreichischen Regierungsvertreter werden darauf hinwirken, dass TiSA, so wie CETA, als gemischtes Abkommen abgeschlossen wird, sodass sein Inkrafttreten auch eine Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten erfordert. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gehen nun in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte, Frau Klub­obfrau.

 


14.50.16

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatsse­kretärin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher, auch zu Hause! Bei Wahrung aller Höflichkeit muss ich doch sagen, dass die­se Beantwortung eines so drängenden Themas wirklich eine Ohrfeige für die mehr als eine halbe Million Menschen, die dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, war. Das tut mir wirklich leid, Frau Staatssekretärin! (Beifall bei den Grünen.)

Sie lassen mich hier wirklich mit Widersprüchen zurück. (Rufe bei der SPÖ: Das ist ei­ne Frechheit!) Ich werde sie, einen nach dem anderen, auch wirklich sachlich abhan­deln, denn ich denke, wenn so viele Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ihre Sor­gen zum Ausdruck gebracht haben, kann man sich mit den Widersprüchlichkeiten einer Bundesregierung schon ernsthafter auseinandersetzen, als sie einfach erneut zu be­stätigen.

Ich fange einmal mit dem ersten Widerspruch an: Einerseits behaupten Sie, dass diese sozusagen rechtlich verbindliche Zusatzerklärung die Begründung dafür war, dass ge­gen massive Bedenken und Widerstand aus der Bevölkerung die Bahn für die Unter­zeichnung von CETA frei gemacht wurde. Jetzt stehen wir vor diesem unauflösbaren Widerspruch, dass die SPÖ-Abgeordneten im Europaparlament ein Rechtsgutachten – oder was auch immer es gewesen ist – in Auftrag gegeben haben, das für sie Anlass und Begründung war, gegen CETA zu stimmen, das genau das ausführt – nämlich: nicht bindend, unklar, rein informativ. Es bestätigt neuerlich auch die Bedenken und Sorge, dass dieser Beipacktext keine Wirkung hat, und wird von SPÖ-Europaabgeord­neten als Begründung dafür genommen, nicht zuzustimmen.

Wie erklären Sie mir jetzt diesen Widerspruch? Sie stellen sich hier her und sagen nicht einmal etwas zum Gutachten – oder wie haben Sie es jetzt genannt? –, zum Dis­kussionspapier. – Dann stellen Sie es uns wenigstens zur Verfügung, sodass wir selbst nachlesen können, was drinsteht. (Beifall bei den Grünen.)

Sie reden von Transparenz – ich meine, das wäre ja das Mindeste (Abg. Schieder: Gebt ihr uns dann auch eure Fraktionspapiere? Schickt einmal eure Evaluationspapie­re!) – und behaupten weiterhin, das sei rechtlich verbindlich und das habe alles ge­rettet, während der andere Teil von Ihnen in Brüssel genau das Gegenteil behauptet und das zum Anlass und zur Begründung für ein Abstimmungsverhalten in einem wich-


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tigen Gremium, dem Europaparlament – das ist ja nicht irgendwer! – nimmt. Erklären Sie mir bitte diesen Widerspruch! Und wenn Sie das nicht können: Bitte seien Sie so fair und stellen Sie uns Abgeordneten des Nationalrates dieses Diskussionspapier zur Verfügung, dann können wir uns ein eigenes Bild machen! Das wäre auch im Sinne der Bevölkerung, denke ich. (Beifall bei den Grünen.)

Die Organisatoren des Volksbegehrens werden dies natürlich hier im Parlament einfor­dern, sobald sie im Ausschuss die Möglichkeit haben, sich selbst zu Wort melden, und bitten, man möge zumindest dieses Diskussionspapier zur Verfügung stellen.

Der zweite Punkt, der mich irgendwie ziemlich ratlos zurücklässt, ist Folgender: Ich mei­ne, die verfassungsrechtliche Vorgabe für die Mitglieder der Bundesregierung in euro­parechtlichen Fragen ist wirklich sehr deutlich. Es ist eines der stärksten Rechte des österreichischen Parlaments, und von einer verfassungsrechtlichen Bindung des Natio­nalrates abzugehen, verlangt eine gute Begründung und ein bestimmtes Prozedere – das hat Werner Kogler sehr ausführlich und sehr nachvollziehbar, wie ich glaube, ge­schildert.

Sie haben in Ihrer Stellungnahme erneut von Schiedsverfahren und einer verbesserten Situation gesprochen. – Ich weiß nicht: Wo werden Schiedsverfahren verhandelt, wenn nicht vor Schiedsgerichten?

Ich darf Ihnen den Text der bindenden Stellungnahme des Nationalrates noch einmal in Erinnerung rufen: Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten […] ist nicht vorzusehen. – Jetzt erklären Sie mir bitte auch diesen zweiten Widerspruch! – Sie re­den von Schiedsverfahren und davon, dass es besser geworden ist. Wenn diese nicht vor Schiedsgerichten abgeführt werden, wo dann? Der rechtlich bindende Auftrag des Nationalrates war glasklar.

Sich hierherzustellen und zu sagen: Diese Wand ist nicht braun, sondern dunkellila, das ist – ich sage es noch einmal – eine Ohrfeige ins Gesicht der UnterzeichnerInnen des Volksbegehrens. (Beifall bei den Grünen.) Solche Widersprüche einfach zu igno­rieren, so zu tun, als gäbe es das nicht – ich bin wirklich fassungslos.

Der dritte Punkt, den man in Zukunft noch viel schärfer wird diskutieren müssen, ist der Umgang mit TiSA. Wir haben schon bei CETA wirklich gelitten, was Intransparenz be­trifft; wir haben bei TTIP gelitten, was Intransparenz betrifft; wir mussten um jeden Fuzzel Papier im Parlament raufen, uns irgendwie in Räume hineinquetschen, wir hat­ten einen begrenzten zeitlichen Rahmen und durften keine Experten/Expertinnen mit­nehmen. – Das alles war ja ein Eiertanz an Intransparenz, den es im 21. Jahrhundert eigentlich nicht mehr geben dürfte! Der Skandal ist: Jetzt passiert bei TiSA genau die­selbe Nummer noch einmal. Das ist noch intransparenter: Weder Europaabgeordnete noch nationale ParlamentarierInnen noch die Bevölkerung kennen die bereits verein­barten Inhalte.

Damit sind wir jetzt wieder beim Ausgangspunkt, den ich bei CETA schon erwähnt habe: Wann ist Ihrer Meinung nach, Frau Staatssekretärin, der richtige Zeitpunkt für die Bevölkerung, für die kritische Öffentlichkeit, sich einzubringen, wenn man vom Anfang bis zum Ende die Dokumente nicht einsehen kann? – Natürlich ist es am Ende schwierig und europapolitisch eine Herausforderung, ein fixfertig ausverhandeltes Ab­kommen abzulehnen, weil es in wesentlichen Punkten nicht passt – aber wenn Sie uns schon wieder nicht vorher Einsicht nehmen lassen, Frau Staatssekretärin.

Ich wiederhole es: Das ist eine Missachtung von vielen Menschen, die hier mobilisiert haben und in diesen Fragen einen anderen Umgang wollen – da geht es um die Grund­rechte der Gemeinden, um die Daseinsvorsorge. (Beifall bei den Grünen.)

Bitte, können Sie zu diesen Widersprüchen, zu diesen drei wirklich zentralen Punkten noch einmal Stellung nehmen und das noch einmal aufklären?! – Jeder, der jetzt vor


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dem Fernseher sitzt, denkt sich: Das kann ja nicht wahr sein! (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) – Nein, Verzeihung! Bitte, klären Sie das auf! Können Sie mir erklären, wa­rum wir bei TiSA schon wieder keinen Einblick in die Unterlagen bekommen, Herr Kol­lege Jarolim? Warum? Warum dürfen wir bereits vereinbarte Texte nicht anschauen? Was ist die Begründung dafür? Warum schon wieder solch große Intransparenz? – Also diese Verhandlungen sind ja eine demokratiefreie Zone! – Warum? (Abg. Jaro­lim: Nein, die Darstellung ist absolut unerträglich!)

Es geht um Grundrechte, um Daseinsvorsorge, um alles, was Ihnen so wichtig ist. Sie sagen, es ist unerträglich, wie ich das jetzt darstelle? – Ich sage Ihnen: Es ist wirklich unerträglich, diese Beantwortung einer solch wichtigen, relevanten Frage und dass ge­nau dieselben Fehler noch einmal gemacht werden, dieselbe Missachtung von Bürge­rinnen und Bürgern bei TiSA. (Beifall bei den Grünen.)

Bitte kommen Sie heraus und rechtfertigen Sie das, dass wir keinen Einblick in diese Unterlagen bekommen! Genau derselbe Eiertanz! (Abg. Matznetter: Das ist unprä­zise! – Abg. Schieder: Der Eiertanz ist Ihre Rede!) – Nein, Herr Kollege Schieder, ich finde das wirklich niveaulos. Ich habe sehr genau ausgeführt und kann es noch einmal zusammenfassen. Sie argumentieren einerseits für die Zusatzvereinbarung, die es Ös­terreich ermöglicht hat, CETA zu ratifizieren und der vorläufigen Anwendung grünes Licht zu geben, weil es eine rechtlich verbindliche Zusatzerklärung ist – es gibt aber kei­ne rechtlich verbindliche Zusatzerklärung. Erklären Sie uns diesen Widerspruch!

Der zweite Widerspruch ist die Abweichung von der parlamentarischen Vorgabe; diese ist glasklar. Es gibt nach wie vor Schiedsverfahren, sie sind nach wie vor verankert. So zu tun, als wäre das alles wegverhandelt worden, ist einfach nicht richtig. Deswegen frage ich mich, in welcher Welt Sie – was Transparenz und Demokratiedefizit betrifft –angekommen sind.

Zum Abschluss: Der Umgang mit solchen Deregulierungsabkommen ist eine große Ver­trauensfrage für die Bevölkerung. Es gibt bei Globalisierungsthemen sehr viel Verunsi­cherung. Ich finde, hier aufrichtig zu spielen, der Bevölkerung auch mit Wahrheit und Transparenz entgegenzukommen, ist eine wesentliche Frage von demokratiepolitischer und Vertrauenskultur in Österreich.

Wir haben es bei diesem Abkommen noch unter Kanzler Werner Faymann über Jahre erlebt, der auf der einen Seite das gepredigt hat – dem Boulevard, der „Kronen Zei­tung“ – und auf der anderen Seite unterschrieben und weitere Mandate gegeben hat. Bei CETA war es besonders schlimm, denn bei CETA war ursprünglich überhaupt kei­ne Schiedsgerichtsbarkeit in den Verträgen vorgesehen. Da wurde das Mandat mit der Zustimmung Österreichs erst vor zweieinhalb Jahren erweitert. – Das ist ja das Un­glaubliche.

Ich bitte Sie, gehen Sie mit diesen Fragen anders um! Nehmen Sie die Bevölkerung in diesen Fragen eine Spur ernster als in dieser wirklich schrägen Beantwortung ohne ir­gendeine vernünftige Auswegsituation! Ich finde es demokratiepolitisch sehr gefährlich, genau denselben Weg weiterzugehen und so zu tun, als wäre diese braune Wand da hin­ten lila. (Beifall bei den Grünen.)

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Matznet­ter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

 


14.58.39

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretä­rin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Damen und Her­ren, die Sie zuhören und zuschauen! Ich schätze Sie sonst sehr, Frau Klubobfrau Gla-


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wischnig-Piesczek, doch diese Bemerkung, mit der Sie eine sehr sachliche Beantwor­tung der Frau Staatssekretärin quasi als unfair wegwischen, war in keiner Form not­wendig. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frau Staatssekretärin hat präzise auf die Fragen geantwortet. Es würde bei solch einer Diskussion, die Sie selbst beantragen, ausreichen, sich außerhalb aller Polemik – und jetzt surfen wir einmal auf der Zustimmung der Österreicher – sachlich damit aus­einanderzusetzen. (Abg. Glawischnig-Piesczek: Gehen Sie auf die Kritik ein!) Das wäre eine Hilfestellung für alle, denn wie Sie zu Recht sagen, erwartet die Bevölke­rung, dass sie auf solch eine Frage auch Antworten bekommt.

Zumindest die oberflächlichsten Polemiken könnte man weglassen, wie zum Beispiel die Frage: Wo steht denn das, dass die Deklaration verbindlich ist? – Sie brauchen nur die ersten Absätze zu lesen und einen Blick hineinzuwerfen: Ist das jetzt eine ver­bindliche Erklärung im Sinne des Artikels 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention, ja oder nein? (Abg. Kogler: Na, Entschuldigung, wo steht das, wo?!) – Ja, steht drinnen, in der Erklärung selbst! Kollege Kogler, du wirst es doch zustande bringen, den sie­benten Absatz zu lesen! (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Das ist doch Polemik, was ihr da macht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brosz: Warum stimmen eure Europaparla­mentarierInnen dann dagegen?)

Es ist eine verbindliche Erklärung aller Vertragsparteien, die im Sinne des Artikels 31 der Wiener Konvention – da wirst du nicht drüberhüpfen können – als verbindlich für die Auslegung des Vertrages gilt. Und daher ist auch wahr, was die Staatssekretärin gesagt hat, daher ist es wahr, dass das right to regulate abgesichert ist. (Abg. Kogler: Geh bitte!) Daher ist es natürlich wahr, dass die Regulierungsmöglichkeit bestehen bleibt, die Möglichkeit zur Rücknahme von Privatisierungen ebenfalls. Daher ist es auch wahr, dass es keine private Schiedsgerichtsbarkeit mehr gibt. Es gibt nämlich schon im Vertrag selbst einen ersten Schritt zu einem internationalen Gerichtshof, weil Gabriel da­mals angesichts der Schwierigkeiten in Deutschland verlangt hat, dass es keine private Schiedsgerichtsbarkeit geben darf. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin ja kein Freund dessen, dass das die endgültige Lösung ist. Glaubt ihr jedoch wirklich, dass ihr mit einer populistischen Geschichte – ihr surft jetzt einmal auf 500 000 Unterschriften – den richtigen Beitrag zu einem vernünftigen Verhandlungser­gebnis liefert? – Nein! Das, was ihr manchmal an anderen kritisiert, macht ihr in dieser Frage selbst. (Abg. Brosz: Die EuropaparlamentarierInnen der SPÖ auch!)

Wir haben den Kampf noch lange nicht gewonnen, aber Kern hat einen ganz, ganz wichtigen Schritt durchgesetzt. (Abg. Brosz: Eure EuropaparlamentarierInnen sind da anderer Meinung!) Selbst die Wallonen haben nicht mehr durchgesetzt, nicht einmal die. (Abg. Kogler: Na eben!) Das, was Kern erreicht hat, war dann die Basis, auf der in Wirklichkeit auch die Wallonie ihr Okay gegeben hat, mit dem Zusatz (Abg. Kogler: Die hätten mehr durchgesetzt, wenn …!), dass die Anfechtung vor dem EuGH durch die belgische Zentralregierung erfolgt, die klären soll, ob der ICS, so wie er jetzt ist, mit dem EU-Recht konform ist. Das wird uns nützen! (Abg. Kogler: Wir brauchen ein an­deres Medikament und nicht einen neuen Beipackzettel!)

Ist es wirklich so ein Spaß, Populismus zu veranstalten, anstatt sachlich zu argumen­tieren? Ist das so ansteckend, dass man das immer machen muss, Werner? Jetzt ken­ne ich dich schon so lange. Warum nur? Warum nicht weiter sachlich eine durchaus von gemeinsamer Intention getragene Debatte führen, um ein modernes Abkommen zu erreichen, das mit dem Recht, die Arbeitsstandards, die Umweltstandards zu regu­lieren, die Daseinsvorsorge so zu organisieren erlaubt, wie wir das wollen? Wir haben da ohnehin die gleiche Meinung, nur, die Strategie und Taktik, fundamentalistisch zu sagen, alles, was unter dem Titel CETA, TTIP daherkommt, was immer es auch ist, ist etwas Schlimmes, ist des Teufels und abzulehnen, bringt nichts. (Abg. Kogler: Ja, eh!)


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Völlig egal, was wo rechtsverbindlich ist, wir behaupten einfach weiterhin … (Abg. Brosz: Wie ist das mit den SPÖ-EuropaparlamentarierInnen?) Offensichtlich seid ihr schon in der postfaktischen Gesellschaft verankert und sagt: Wir haben eben alter­native Fakten. Es steht ausdrücklich drinnen, das ist nach Artikel 31 verbindlich. – Da stellt ihr euch her und sagt: Wo ist das verbindlich? Da gibt es doch aus Innsbruck irgendetwas. (Abg. Walter Rosenkranz: Da gibt es doch auch einen SPÖ-Bürgermeis­ter aus Niederösterreich!) Warum? (Ruf bei den Grünen: Ihr müsst halt die Koalition mit der ÖVP aufrechterhalten! – Ruf bei der FPÖ: Mitgehangen, mitgefangen!) Das sehe ich nicht ein.

Ich habe selbst gekämpft. (Abg. Kogler: Und jetzt nicht mehr!) Werner Kogler, du weißt, dass ich mich auch immer für die Beschlüsse, die wir hier gefasst haben, einge­setzt habe. Wenn es Verbesserungen gibt, kann ich doch nicht, weil es so Spaß macht und toll ist, weiter dagegen zu sein, unsachlich weiter so vorgehen wie bisher. Ich finde das nicht lauter! Gerade deshalb, weil wir gemeinsam in eine bestimmte Richtung wol­len, sage ich: Das ist taktisch und strategisch falsch!

Es dient vielleicht den Interessen einer Oppositionspartei, die darauf reiten will. Schaut euch einmal an, wer eure Bündnispartner sind! (Abg. Brosz: Die SPÖ-Europaparla­mentarierInnen zum Beispiel!) Nach links kann man da zu Herrn Trump schauen oder zu wem auch immer; man sollte immer wissen, wo man ist, wenn man etwas tut.

Eine fortschrittliche Kritik muss eine sachliche sein, und da ist es unfair, eine ehrliche und offene Beantwortung, die nicht emotionell war, die namens des Herrn Bundeskanz­lers durch die Frau Staatssekretärin präzise vorgetragen wurde, runterzumachen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Das braucht man nicht herunterzumachen, sondern man kann sich sachlich damit aus­einandersetzen. Ich denke, das hat sie verdient, das haben die Bürgerinnen und Bür­ger, die zu Recht beunruhigt sind, verdient, und das hat das Hohe Haus verdient.

Wir bleiben bei unserem Kurs, dass wir am Ende ein gutes Abkommen wollen, oder wir werden es nicht ratifizieren. Daran hat sich nichts geändert – kein Grund zur Aufre­gung, kein Grund für Polemik und erst recht nicht für Populismus bei den Grünen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.04


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Winzig. – Bitte.

 


15.04.12

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­te Frau Staatssekretärin! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ.) – Jetzt beruhigen wir uns wieder!

Ohne meiner Nachrednerin, Frau Kollegin Karl, vorgreifen zu wollen, möchte ich schon eines klar festhalten: Bei diesem CETA-Zustimmungsverfahren hat unsere Bundesre­gierung rechtskonform gehandelt. Das möchte ich nicht in Zweifel gezogen wissen, Herr Kollege Kogler!

Ich bin aber trotzdem froh, dass Sie dieses Abkommen und auch das Volksbegehren heute diskutieren wollen. In Wirklichkeit freue ich mich schon seit Samstag darauf, denn ich habe beim Einkaufen ein interessantes Gespräch gehabt. Damit schließt sich der Kreis wieder, denn Sie, Herr Kollege Kogler, haben vorhin gesagt, sie sind einer der wenigen, der dieses Abkommen gelesen hat, und genau so ist das. Also: Eine Ver­käuferin hat mich gefragt – denn sie muss am Montag etwas unterschreiben, sie weiß aber nicht, worum es geht, sie muss einen Ausweis mitnehmen und auf die Gemeinde gehen –, was das ist und ob ich ihr da helfen kann. Ich habe mir verkniffen, sie zu fragen, wer sie dazu beauftragt hat, habe ihr das Volksbegehren kurz erklärt und habe


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ihr Folgendes mitgeteilt: Wenn Sie das unterschreiben müssen, gehen sie dort hin, ma­chen Sie das, die Welt wird davon nicht untergehen, und wir setzen uns dann einmal in Ruhe zusammen, und ich erkläre Ihnen das Abkommen! (Abg. Brosz: Na das ist aber eine Geschichte! Sachliche Argumentation auf allerhöchstem Niveau!)

Ja, da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen, welcher Informationsbedarf diesbezüglich in der Bevölkerung herrscht. Ich habe mich geärgert, dass bei diesem Volksbegehren drei Abkommen miteinander vermischt wurden, wovon zwei ohnedies total unrealistisch sind. In Wirklichkeit geht es jetzt eigentlich nur mehr um CETA, und es geht um echte Nicht- und Fehlinformation, und die finde ich auch in der Begründung Ihres Antrags wieder. (Abg. Brosz: Wo genau?)

Daher ist es umso wichtiger, neben den wahren Inhalten auch die Motive und Hinter­gründe dieser sogenannten Handelskrieger, wie sie Gernot Bauer im „Profil“ beschreibt, einmal aufzuzeigen: Der Herr Kollege hat den SPÖ-Bürgermeister schon erwähnt, den Initiator des Volksbegehrens, der vor laufender Kamera gesagt hat: Ich habe von CETA nur acht Seiten gelesen, dann kam ein Satz mit 15 Zeilen und dann bin ich ausgestie­gen. Es ist sicherlich nicht sehr kompetent, dieses Acht-Seiten-Wissen dann weiterzu­geben. (Ruf bei den Grünen: Wie viele Seiten im Original haben Sie gelesen?)

Ich verstehe die NGOs, ich verstehe Attac, ich verstehe Global 2000 und ich verstehe Green Peace. Widerstand gegen die Globalisierung ist ihr Geschäftsmodell. Mir wäre es lieber, ihr Geschäftsmodell wäre, einmal den Versuch zu starten, die Globalisierung aktiv und sinnvoll zu gestalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Worüber ich mich aber besonders geärgert habe, sind einige Kollegen von den Grü­nen: über Frau Kollegin Lichtenecker – ich weiß, sie hat den ökonomischen Weitblick –, dass sie das da mitgetragen hat! Auch über Kollegen Pirklhuber – Herr Pirklhuber, Sie saßen in den Aussprachen. Wir haben viele Aussprachen mit der Kommission sowie mit Vertretern Kanadas gehabt. Sie sind dort zustimmend nickend wie ein Wackelda­ckel drinnen gesessen … (Zwischenrufe bei den Grünen.)

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr. Winzig, ich würde Sie bitten, das zu­rückzunehmen.

 


Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (fortsetzend): Gut! Zustimmend nickend saßen Sie dort drinnen, haben sich die Expertenmeinungen angehört, aber offensichtlich haben Sie das dann doch nicht nach außen vertreten, wozu Sie drinnen noch genickt haben. (Ruf bei der ÖVP: Genau! – Abg. Kogler: Pirklhuber hält längere Reden gegen CETA als ich!)

Herr Kogler! Offensichtlich sind bei Ihnen doch die meisten im geschützten Bereich und nicht im realen Wirtschaftsleben angekommen, denn sonst wären Sie nicht von Miss­trauen und Angst getrieben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Gamon. – Zwischen­rufe bei den Grünen.)

Und ich glaube mittlerweile schon, Sie haben den Verfolgungswahn von Herrn Pilz übernommen. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Grünen. Abg. Pilz erhebt sich von seinem Platz und wendet sich mit Gesten Richtung Präsidium. – Abg. Rädler: Wahr­heit bleibt Wahrheit!)

 


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete! Wir haben uns darauf verständigt, dass wir in der Ausdrucksweise auf die Würde des Hauses achten. Ich sage Ihnen, zu jeder Plenarsitzung bekomme ich derart viele Schreiben von Bürgerinnen und Bürgern und mich sprechen auch immer wieder die Zuseherinnen und Zuseher an, die vor den Fern­sehschirmen sitzen, und die sehen das zu Recht wirklich sehr kritisch. Ich würde Sie ersuchen, dass wir diese ohne Zweifel wichtige Debatte sehr sachlich weiterführen. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 132

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (fortsetzend): Ganz skurril wird es aber, wenn sich ein Handelskonzern unter Einsatz massiver finanzieller Mittel und nur zum eigenen Vor­teil gegen ein Handelsabkommen positioniert, ein Konzern, über dessen Vorsitzenden wegen Preisabsprachen bei Milchprodukten eine Rekordkartellstrafe in Höhe von 30 Mil­lionen € verhängt wurde und eine zusätzliche Strafe von 10,2 Millionen € wegen weite­rer Preisabsprachen sowie eine Strafe wegen falscher Arbeitszeiterfassungen. Es wäre sicherlich sinnvoller gewesen, diese Millionen in einen besseren Milchpreis für unsere Bauern zu investieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Deswegen kann die Regie­rung aber auch nicht die Bedingungen umgehen, die das Haus aufgestellt hat! – Abg. Pilz: So sieht also Ihre Aufklärung aus!)

Auch die „Kronen Zeitung“ spielt ein Doppelspiel. Dass die Herausgeber gerne in Ame­rika leben, das ist Privatsache. Wenn sie jedoch ihre Auseinandersetzungen vor einem privaten Schiedsgericht in Zürich, in der Schweiz austragen und nicht vor einem öster­reichischen Gericht, dann ist das für mich Doppelmoral. Und ich verstehe dann auch die Frage des Nachrichtenmagazins „Profil“: „Wer schützt uns vor ,Krone‘ und Spar?“ (Abg. Kogler: Was soll das jetzt sein? Sachliche Aufklärung?)

Ich weiß, wer uns schützt: Unsere heimischen Betriebe, die tagtäglich und mit großem Aufwand erfolgreich international tätig und wettbewerbsfähig sind. Die Großbetriebe ge­nauso wie die KMUs als Zulieferbetriebe leisten da Hervorragendes. Ihnen verdanken wir auch unsere 60-prozentige Exportquote, die unsere Sozialsysteme und unseren Wohl­stand sichert.

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Amerika und Russland haben kein großes Interesse an einem wirtschaftlich erfolgreichen Europa. Was passiert, wenn Trump und May einen Handelsvertrag abschließen? Wandern unsere Betriebe dann nach England ab, errichten dort einen Standort, damit sie leichter in unsere zweitgrößte Exportdesti­nation liefern können? Auch die Konflikte im Nahen Osten verunsichern unsere Unter­nehmen und hemmen deren Entwicklung.

Die entscheidende Frage, die Sie mir bis heute nicht beantwortet haben: Was passiert mit unseren Systemen, mit unseren Sozialsystemen, wenn unsere Exportquote sinkt? Heute wäre ein guter Zeitpunkt, das einmal zu beantworten. (Abg. Kogler: Wieso soll die denn sinken?) – Diese großen Herausforderungen, die wir haben: Wissen Sie, ob unsere zweitstärkste Exportdestination USA in den nächsten Jahren für uns noch ge­nauso zur Verfügung stehen wird? Dann sind Sie ein Wahrsager, Herr Kogler! (Abg. Kogler: Und wie hilft uns da jetzt CETA genau?)

Nutzen wir die Chance! Wir alle sind Teil der Weltwirtschaft, nutzen wir die Chance, sie sinnvoll zu gestalten – und wir haben sie mit CETA sinnvoll gestaltet. CETA ist ein gut verhandeltes Abkommen; das hat die Frau Staatssekretärin schon ausgeführt, auch Kol­lege Matznetter. (Abg. Kogler: Wir brauchen vernünftige Verträge und keine mit Gift­zähnen!)

Ich möchte mich bei allen unseren exportorientierten Betrieben bedanken, bedanken für ihren tagtäglichen Aufwand, der wirklich unter großen Herausforderungen bewältigt wird. Ich kann nur garantieren: Die ÖVP und auch die Außenwirtschaftsorganisation werden unsere Betriebe bei ihren Exporttätigkeiten weiterhin unterstützen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Gamon.)

15.12


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Kassegger. – Bitte.

 


15.12.21

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Dan­ke für die Dringliche Anfrage, sie gibt mir als Wirtschaftssprecher der Freiheitlichen Par-


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tei unter anderem auch Gelegenheit, einige Dinge klarzustellen, ein für alle Mal deut­lich klarzustellen: Die Freiheitliche Partei ist (Abg. Rädler: Ist dagegen! Gegen TTIP!) Befürworter von Freihandelsabkommen, ist Befürworter des freien Handels. Alles andere wäre angesichts der Struktur der österreichischen Volkswirtschaft als kleines, stark ex­portabhängiges Land blanker Unfug. – Erster Punkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Zweiter Punkt: CETA und TTIP sind, wenn man die Packungen sozusagen als Freihan­delsabkommen bezeichnet, eine Mogelpackung. In diesen Packungen sind nämlich nicht nur Freihandelsabkommen drinnen, sondern auch ganz andere Dinge, die wir vor­behaltlos ablehnen, und deswegen sind wir auch gegen CETA und TTIP. (Beifall bei der FPÖ.)

In dieser Packung sind vielleicht 20 Prozent Freihandel. Ich war bei allen Debriefings, die in den letzten Monaten stattgefunden haben, anwesend, habe genau zugehört. Wenn man genau zuhört, hört man da zwischen den Zeilen doch das eine oder andere heraus.

Was ist in dieser Mogelpackung, auf der Freihandel draufsteht, eigentlich drinnen? – Ein kleiner Teil Freihandel – das ist der erste Punkt –, auf Englisch Market Access, al­so Marktzugang. Da geht es um die Minimierung von Zöllen, da geht es um Zugang zu Beschaffungsmärkten et cetera. Also da sagen wir: Ja, ist in Ordnung. Das ist Freihan­del, das gehört gefördert.

Ich verstehe es allerdings nicht, wenn zum Beispiel Bundeskanzler Kern jetzt in seinem Plan, oder es ist jetzt sogar im Regierungsplan drinnen, Schutzzölle auf chinesischen Stahl oder was auch immer einfordert. Präsident Trump geht auch in diese andere Richtung. Was will ich damit sagen? – Wenn wir diese Abkommen jetzt abschließen, dann bleibt vom eigentlichen Kern Freihandel wahrscheinlich nur relativ wenig übrig. Und die Hoffnungen europäischer Unternehmen, ganz stark in die amerikanischen Be­schaffungsmärkte eindringen zu können, halte ich auch für übertrieben. Ich nenne dazu als Stichwort nur den Buy American Act. Die Amerikaner wissen also sehr genau, bei wem sie kaufen, nämlich bei amerikanischen Firmen. Das wird von Trump auch noch verstärkt werden. Es bleibt also von dieser Überschrift Freihandel wenig bis gar nichts übrig.

Was sind die zwei übrigen Bereiche in diesem Abkommen, die wir ablehnen? – Die sogenannten regulatory issues – das ist der zweite Bereich von insgesamt drei Berei­chen –, also die regulatorische Zusammenarbeit. Da wird uns erzählt, dass es da um Abstimmungs- und Vereinheitlichungsprozesse in verschiedenen Branchen geht, dass also beispielsweise der amerikanische Blinker nicht mehr gelb ist und der europäische rot. Man will Verfahren vereinheitlichen und so weiter und so fort.

Worum geht es dabei aber wirklich? – Im Debriefing: Die Amerikaner verstehen unter regulatory issues eine Form der Beschlussfassung, die unterhalb der Parlamente er­folgt, also ein Prozedere der Beschlussfassung, das an den Parlamenten vorbei, also unterhalb der Parlamente erfolgt. Dafür gibt es den Rat für regulatorische Kooperation. In diesem sitzt kein einziger Parlamentarier, das sind vielmehr hohe Beamte, Kommis­sionsvertreter, Lobbyisten und so weiter. Ich spare mir detaillierte Erläuterungen dazu jetzt einmal, aber merken Sie sich den Rat für regulatorische Kooperation.

Dritter Bereich: die rules, also die Marktregeln. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Da sind das Schiedsverfahren – das lehnen wir ab; die Gründe dafür sind schon zigfach vorgebracht worden, die brauche ich hier nicht wieder zu erläutern – und Herkunftsbe­stimmungen drinnen, da werden wir, was unseren Parmesan und unseren Champag­ner betrifft, bei den Amerikanern nur wenig bis nichts erreichen.

Wir lehnen also den zweiten und den dritten Bereich ab. Vom ganzen Freihandel bleibt nur ein minimaler Restbestand. Lassen Sie mich jetzt noch auf das meines Erachtens


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wirklich Gefährliche eingehen, nämlich die regulatory issues, die regulatorische Zusam­menarbeit, die Kooperation. Was ist darunter zu verstehen? – Nach der angloamerika­nischen Rechtsphilosophie gelten TTIP und CETA als sogenannte living agreements, also als lebendes Papier, als lebender Vertrag. Das ist nach unserem Rechtsverständ­nis ungewöhnlich, ungewohnt.

Was ist damit gemeint? – Es ist ein lebendiges völkerrechtliches Abkommen, das nach der Ratifikation durchaus noch wachsen kann, adaptiert werden kann, sich fortentwi­ckeln kann. Wer ist für diese Fortentwicklung zuständig? – Genau die regulatorische Kooperation, also der Rat für regulatorische Kooperation. Die legen das dann fest und entwickeln das weiter, und das völlig an den Parlamenten vorbei, völlig am Gesetzge­ber vorbei.

Beispiel: Sie könnten etwa die Höchstgrenzen für Inhaltsstoffe von Lebensmitteln än­dern, anheben, was auch immer. Das geht also darüber hinaus und ist noch ein biss­chen ein rechtsunsicherer Bereich. In Wirklichkeit ist das jedoch die grundlegende Phi­losophie dieses Agreements.

Nach all dem, was ich heute hier gehört habe, ermöglicht das natürlich auch ein be­stimmtes Prozedere für diejenigen, die uns und dem österreichischen Volk diese Mo­gelpackung unter der Bezeichnung Freihandel aufs Aug drücken wollen, obwohl da Dinge drinnen sind, die mit Freihandel überhaupt nichts zu tun haben, die schlecht sind, die schädlich sind – also die Schiedsgerichte und eben diese regulatorische Kom­mission. Sie sagen also: Ja, ratifizieren wir eben ein entschärftes TTIP. Da schreiben wir die Dinge nicht so scharf hinein und achten auch darauf, wogegen Widerstand in der Bevölkerung erwächst. Das nehmen wir dann heraus – alles ruhig! –, und in wei­terer Folge wird dieser Rat für regulatorische Kooperation das dann Stück für Stück wieder reinentwickeln – wie gesagt: living paper! –, und das völlig an den Parlamenten vorbei.

Wir Freiheitliche lehnen das grundsätzlich ab – Sie werden bemerkt haben, dass ich jetzt zehn Minuten lang nicht das Chlorhuhn bemüht habe –, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist das eine Mogelpackung, auf der Freihandel draufsteht und in der ganz andere Dinge drinstecken, die mit den Grundprinzipien unserer Bundesverfassung, näm­lich vor allem jenem in Artikel 1, dass das Recht vom Volk auszugehen hat, überhaupt nicht vereinbar sind. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Gerhard Schmid.)

15.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.

 


15.18.52

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Frau Präsidentin! Ich möch­te heute mit einem Spiel beginnen: Wer hat es gesagt: Donald Trump oder Eva Gla­wischnig?

Erstes Zitat: Dieses Abkommen ist Wahnsinn, dieses Abkommen sollte nicht unter­stützt werden und darf nicht in Kraft treten. – Das war Donald Trump über das transpa­zifische Abkommen TPP, dessen Zukunft er mit einer Executive Order relativ schnell besiegelt hat. Das wird also wahrscheinlich nicht in Kraft treten.

Nächstes Zitat: Diese Art der Verträge sind vollkommen neue Abkommen von einer ganz anderen Qualität, mit einem wahnsinnig tiefen Eingriff in unsere Souveränität. – Das wiederum war Eva Glawischnig.

Was will ich damit sagen? – Populismus bleibt Populismus, egal, aus welcher Ecke, aus welcher ideologischen Ecke er kommt – vollkommen unabhängig davon! (Beifall bei den NEOS.)

Die Grünen werden sich mit dem Ruf anfreunden müssen, im Kampf gegen den Frei­handel auf einer Linie mit Donald Trump und der FPÖ zu sein. Damit werden sie sich in


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 135

Zukunft abfinden müssen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Das ist die Wahrheit!)

Jetzt kommt ganz sicher: Wow, das ist jetzt ein bisschen hart, unzulässige Verknap­pung, vielleicht sogar polemisch von mir! – Na ja, Herr Kollege Kogler hat vorhin von Giftzähnen gesprochen, die gezogen werden müssen. Jetzt darf ich mir vielleicht auch ein bisschen Polemik erlauben. (Zwischenruf der Abg. Windbüchler-Souschill.)

2016 haben wir hier oft über Freihandel gesprochen. Da war immer die Rede davon: Wir haben ja Verträge, die das schon alles regeln, wir haben ja schon Freihandel, es passt alles. Das war 2016! Wir haben nun 2017 und die Welt ist eine andere, vor allem der Freihandel ist ein anderer, seitdem Donald Trump an den Schalthebeln der Welt­wirtschaft sitzt. (Abg. Kogler: Sind ja keine Handelsverträge!) Da haben wir jemanden, der Strafzölle androht, der den Börsenkurs eines internationalen Unternehmens mit ei­nem Tweet in den Boden rasseln lassen kann und zum weltweiten Protektionismus zu­rückkommen will.

Ein Gedankenspiel: Was passiert denn eigentlich, wenn unter WTO-Regeln Strafzölle verhängt werden? Wenn es so wäre, dass die Deutschen wirklich klagen könnten das ist ja ein bisschen kompliziert, dass das dann wirklich greift –, dann könnten sie vor einem WTO-Schiedsgericht klagen. Wenn der Klage recht gegeben wird  man könnte jetzt einmal davon ausgehen, das wäre so, wenn deutsche Autobauer direkt durch Straf­zölle diskriminiert würden, wenn sie direkt aus Deutschland exportieren –, dann würde den Deutschen eben recht gegeben werden. Das Einzige, was dann passieren würde, ist aber, dass die Deutschen selber das Recht bekommen, wiederum Strafzölle zu ver­hängen. (Abg. Pirklhuber: Na, die Amerikaner müssen was zahlen! Das stimmt nicht!)

Was ist dann das Ergebnis? Das ist dann ein Handelskrieg. Man verhängt gegenseitig Rachestrafzölle hin und retour. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Das bedeutet sinken­den Wohlstand für uns alle. (Zwischenruf des Abg. Kogler.) Das ist wirtschaftliches Mittelalter. (Beifall bei den NEOS.) Wir haben jetzt eine Zeit erreicht, in der diese Ge­dankenspiele nicht mehr Panikmache sind. Wir müssen uns entscheiden, in welche Richtung wir gehen wollen.

Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem wir uns entscheiden müssen: In wel­che Richtung wollen wir, dass diese Welt geht? (Abg. Kogler: Nur weil Trump durch­geknallt ist …!) Gerade jetzt zeigt sich, dass diese Verträge der WTO nicht mehr zeit­gemäß sind, die hätten schon längst weiterentwickelt werden müssen. Intransparente Schiedsgerichte sind nicht mehr zeitgemäß, die müssen weiterentwickelt werden. (Abg. Pirklhuber: Stimmt ja nicht!)

Die Gegner von TTIP und CETA sind genau diejenigen, die diese Weiterentwicklung des globalen Freihandels verhindern. Sie machen moderne Regeln des globalen Zu­sammenlebens und des globalen gemeinsamen Wirtschaftens unmöglich, sie verhin­dern das. (Abg. Kogler: Stimmt ja nicht! Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Machen wir aber mit dem Spiel weiter, das ist wirklich lustig!

Zitat: „US-Banken haben mit Millionenzuwendungen an die TTIP-Verhandler versucht, auf die Verhandlungen Einfluss zu nehmen“. Zitat Eva Glawischnig.

Nächstes Zitat: Die Einzigen, die es politisch unterstützen, sind Leute, die von Lob­byisten bestimmter Konzerne kontrolliert werden. – Zitat Donald Trump. (Abg. Kogler: Des is’ a Idiot, aber in dem Fall hat er recht!)

Nun aber zurück zum Thema: Wir haben nämlich Zuversicht, dass die Vernunft siegen und es verantwortungsvolle Politiker in unterschiedlichen Ländern geben wird, die da­für sorgen werden, dass wir unseren Wohlstand durch Freihandel auch weiter erhalten können.


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Im Zuge des Volksbegehrens, der Ankündigung von Donald Trump, Strafzölle einzu­führen, des Wunsches eines „Hard Brexit“ von Theresa May haben sich heute zum Beispiel auch WU-Professoren zu Wort gemeldet, um eindrücklich vor protektionisti­schen Maßnahmen zu warnen.

In der europäischen Perspektive sind wir ja jetzt gemeinsam mit der Wallonie zu zwei kleinen gallischen Dörfern der wirtschaftlichen Unvernunft geworden. Wir stehen – ab­gesehen von der Wallonie, da haben wir doch noch einen kleinen aufmüpfigen Freund gefunden – vollkommen alleine da.

Die Grünen begründen in ihrer Dringlichen Anfrage, dass die inhaltlichen Bedenken hinsichtlich CETA nach wie vor bestehen bleiben. Na wo denn? Wo, bitte, bleiben sie noch bestehen? (Abg. Kogler: Sogar Nationalratsbeschlüsse werden gebrochen!) Wir hatten hier eine Enquete, die EU-Kommissarin ist hergekommen, wir hatten die kana­dische Handelsministerin da, die stellvertretende Generaldirektorin der Europäischen Kommission, die das verhandelt hat, Sabine Weyand, war hier und hat genau erklärt, dass diese Bedenken schon ausgeräumt sind.

Zum Vorsorgeprinzip hat die Dame nämlich gesagt, das kann gar nicht ausgehebelt werden, das ist die Raison d’être der Europäischen Union, die kann man durch einen internationalen Vertrag gar nicht umgehen, das ist nicht möglich.

Wie schon vom Kollegen Matznetter erwähnt wurde, gibt es jetzt kein Schiedsgericht mehr, es gibt einen Schiedsgerichtshof (Abg. Pirklhuber: Des is’ doch kein normales Gericht, das ist Irreführung der Bevölkerung, Frau Kollegin Gamon!), es gibt ein Han­delsgericht, das transparent funktionieren wird, das fair entscheiden wird, das nicht mehr so funktioniert wie in den alten Verträgen. Das ist eine Verbesserung! (Beifall bei den NEOS. Zwischenrufe bei Grünen und Team Stronach.) Zu diesen Privatisie­rungen, vor denen immer gewarnt wird: Es ist explizit erwähnt, dass das nicht gemacht werden muss, dass Privatisierungen sogar zurückgenommen werden können.

Gut, es gibt jetzt einen Vertragstext, eine Interpretationshilfe, da bekommt man das Gefühl, dass die Gegner hier im Saal vielleicht gar nicht daran interessiert sind, dass ihre Bedenken ausgeräumt werden. Vielleicht wollen sie das ja auch gar nicht, viel­leicht spielen sie gerne mit der Gefahr, vielleicht nehmen sie diese Angst vor Glo­balisierung, die sie weiter schüren, gerne in Kauf, vielleicht ist sie ihnen nützlich? Es muss aber schon auch klar sein: Wenn man diese Ängste vor Globalisierung, vor Marktwirtschaft, vor Kapitalismus ausnützt, zerstört man das Vertrauen in alle unsere demokratischen Institutionen.

Man zerstört das Vertrauen in die Europäische Kommission. Man zerstört das Vertrauen in die gesamte Europäische Union, die dieses Verhandlungsmandat hat und damit die­se Verträge ausverhandelt. (Abg. Lugar: Ist ja unglaublich! Das ist nicht logisch, was Sie da sagen!  Zwischenrufe bei den Grünen. Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz.)

Zum Abschluss machen wir aber noch einmal weiter mit dem Spiel, denn das ist, wie gesagt, sehr lustig.

Zitat: Nicht nur wird das Abkommen unsere Wirtschaft aushöhlen, es wird auch unsere Unabhängigkeit untergraben. Das ist das, was hier passiert. Das Abkommen kreiert ei­ne neue internationale Kommission, wo die Bevölkerung nicht länger ihr Veto einlegen kann. – Zitat Donald Trump!

Es wird von reichen Leuten vorangetrieben, die uns ausnutzen wollen. Diese Globali­sierungswelle hat unsere Mittelklasse komplett vernichtet. Es muss nicht so sein. Wir können das Ruder herumreißen, und wir können es schnell machen. – Zitat Donald Trump.

Wir müssen massiv Widerstand leisten. Da drohen Plünderungsvorhaben gegenüber Volkswirtschaften. – Zitat Eva Glawischnig. Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Ab-


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geordneten der FPÖ. Abg. Walter Rosenkranz in Richtung der Abg. Glawischnig-Piesczek : In der Frisur gibt es Unterschiede!)

15.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ing. Diet­rich. – Bitte.

 


15.26.17

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzte Frau Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Rund 500 000 Menschen haben das Volksbegehren gegen CETA, TTIP, TiSA unterzeichnet, weil sie Sorgen und Ängste haben, und wir nehmen diese Sorgen und Ängste ernst, meine geschätzten Damen und Herren! (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Kollegin Winzig! Bei diesem Volksbegehren geht es schon längst nicht mehr um ein Freihandelsabkommen, es geht mittlerweile um den Fortbestand der Europäischen Uni­on. Es geht darum, wie es den Menschen geht, was sie fühlen, welche Ängste sie ha­ben. (Abg. Rädler: Was sagt Stronach?) Nicht die Unterzeichner gefährden den Fort­bestand der Europäischen Union, sondern jene, die von den Rednerpulten in allen na­tionalen Parlamenten mit Arroganz und Hochmut auf das Empfinden der Bevölkerung reagieren.

Meine geschätzten Damen und Herren, zur Diskussion zu CETA: Es ist absolut so, dass jeder hier im Saal sagen wird, dass Kanada ein hoch entwickeltes Land und ein Handelspartner ist, aber darum, wie gesagt, geht es nicht.

Es geht darum, dass die Menschen das Gefühl haben, die Europäische Union fährt drüber, agiert mit Intransparenz, nimmt die Sorgen der Menschen nicht ernst. Die Men­schen haben das Gefühl: Na ja, die verstehen uns nicht mehr! Hört man sich den Brandbeschleuniger Präsident Juncker an, der noch sagt: Na ja, wenn die Parlamente nicht so abstimmen wollen, wie wir wollen, dann machen wir das Ganze in Brüssel!, dann weiß man: Das ist hausgemacht! (Abg. Rädler: Polemik ist hausgemacht!) Brexit ist hausgemacht, Trump ist hausgemacht. Das ist der Arroganz von Politikern zu ver­danken. (Beifall beim Team Stronach.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Europäische Union hat sich in den letzten Jahren sicher nicht unbedingt durch Lösungskompetenz ausgezeichnet, wenn wir ganz ehrlich sind. Schauen wir uns einmal die Migrationswelle an: Aus dem: Wir schaffen das!, ist mittlerweile bei der Bevölkerung das Gefühl: Wir schaffen das nicht, wie soll das gehen?, entstanden. Das betrifft nicht nur die Migrationswelle, das betrifft die Fi­nanz-, die Wirtschaftskrise, das betrifft die Situation, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden und dass es den Mittelstand de facto nicht mehr gibt.

Schauen wir zur Jugendarbeitslosigkeit: Wenn das System so gut funktionieren würde, wie hier die meisten behaupten, dann hätten wir im Süden doch bitte nicht mehr als 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit! Da sagen dann die arroganten Brüsseler auch noch: Na ja, die verlorene Generation! Ich sage Ihnen ehrlich, wir wollen uns damit nicht ab­finden. Die Jugend braucht eine Chance, die Jugend braucht Arbeitsplätze und die Ju­gend braucht eine Zukunft. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dass die Ängste den Jobverlust betreffend real sind, nämlich wirklich beim Bürger ge­landet sind, darüber haben wir gestern diskutiert. Ja warum flaggen denn 40 Prozent der Frächter aus, wenn es im internationalen Wettbewerb so gut geht? Warum haben wir keine Textilindustrie mehr? Warum sind die Bauern vor allem die Milchbauern – im Moment am Limit?


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Die schaffen die Kurve nicht, die können zu diesen Kosten, zu diesem Milchpreis, den sie bekommen, nicht mehr produzieren. Das ist die Wahrheit, sie sind nicht wettbe­werbsfähig mit Holland, mit Polen, mit anderen Ländern. (Zwischenruf des Abg. Räd­ler.) Das sind Fakten.

Warum hat die Stahlproduktion nur wenige Chancen, wenn es nicht einen Schutzzoll gegen China gibt? Auch das, glaube ich, ist Konsens unter allen Abgeordneten. Wa­rum werden Paneele für Photovoltaik bei uns nicht mehr produziert? Wieso kommt der Großteil aus China? Das sind Fakten, die man einfach nicht wegdiskutieren kann; das spüren die Leute.

Viele haben ihren Job verloren und machen sich Sorgen. Speziell jene, die schlechter ausgebildet sind, am Arbeitsmarkt nicht unterkommen, fragen sich: Wie soll das wei­tergehen? Sie haben das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Europäischen Union verloren. Das ist Faktum.

Deshalb gibt es nur einen Weg, und der heißt: Transparenz, die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen. Es muss Schluss mit diesem Gemunkel und mit diesem Bes­serwissen in Brüssel sein. Viele Abgeordnete glauben, es besser als das Volk zu wis­sen. Diese Arroganz muss der Vergangenheit angehören! (Beifall beim Team Stro­nach. Abg. Walter Rosenkranz: Arroganz! Abg. Rädler: Wie der Trump!)

Meine Damen und Herren! Auch das Versprechen der Vergangenheit, dass es durch das Öffnen der Grenzen, durch Freihandel mehr Jobs geben wird, glauben die Bürger mittlerweile nicht mehr. 562 552 ernst zu nehmende Personen haben dieses Volksbe­gehren unterzeichnet. Ich sage Ihnen: Ich auch! Es geht nicht gegen Freihandel, son­dern es geht darum, wie man Macht verteilt. Gibt man Konzernen so viel Macht, dass sie über Parlamente entscheiden, oder ist die Macht der Entscheidung nach wie vor beim Parlament? Das wollen wir, denn das Parlament ist vom Volk gewählt und soll Gesetze und Rahmenbedingungen formulieren können, und es sollen nicht Schiedsge­richte Staaten einengen und dazu zwingen, enorme Abschlagszahlungen zu leisten. (Beifall beim Team Stronach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn nun dieses Abkommen so außer Streit stehen würde, dann frage ich mich wirk­lich, warum beim EU-Handelsausschuss 25 Abgeordnete dafür gestimmt haben, aber 15 dagegen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Es ist doch absolut nicht so, dass bei jenen, die für den Handel in der EU stehen, Konsens herrscht, dass dieses Abkommen ausschließlich positiv sein wird.

Abschließend möchte ich sagen: Ich glaube, es wäre wichtig, Transparenz einzufüh­ren, und es wäre wichtig, die Giftzähne zu ziehen. Darunter verstehe ich, dass es auf keinen Fall zu einer vorläufigen Anwendung kommt; das gehört abgeblockt. Es darf zu keiner Einengung der Parlamente kommen, auch die Schiedsgerichte im CETA-Verfah­ren müssen weg. Es muss die Möglichkeit zum Austritt geschaffen werden, bei allen Verträgen muss es auch eine Exit-Möglichkeit geben, und der Führungsausschuss darf auf keinen Fall ohne Beteiligung von EU-Parlamentariern tagen.

So könnte ich mir vorstellen, dass ein Handel auf Augenhöhe stattfinden könnte und es nicht zu einer Knebelung der Staaten kommt. (Beifall beim Team Stronach.)

15.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pirkl­huber. – Bitte.

 


15.33.58

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Ich kann tatsächlich an die Ausführungen der Kollegin Dietrich an­knüpfen, und zwar in einem Punkt, den sie auch hervorgehoben hat, nämlich in der Fra-


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ge der Regulierung, der Gestaltung der demokratischen Optionen, die man im Rahmen des Handels hat.

Ich erinnere ganz klipp und klar an die Parlamentarische Enquete. Wir haben ein Jahr gebraucht, dass wir sie durchgesetzt haben, und dann haben die Experten, auch jene vom WIFO (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz– ich erinnere daran, das sind die Fakten, Kollege Matznetter, von denen du sprichst und die du jetzt offensichtlich nicht mehr verstehen, geschweige denn hören willst –, klar gesagt: Es geht kaum oder gar nicht mehr um den Handel, es geht um Regulierung.

Paul Krugman ist zitiert worden, und auch andere Expertinnen und Experten. Der Kol­lege vom WIFO hat auf die Frage, was geschieht, wenn CETA nicht beschlossen wird, geantwortet: Ja, den wirtschaftlichen Effekt muss man sowieso mit der Lupe suchen. – Das einmal vorweg.

Im Zentrum steht Regulierung oder Deregulierung, das ist auch die Sorge der öster­reichischen Bevölkerung. Meine Damen und Herren, wir haben ja international Freihan­delsverträge, wir haben die WTO-Regeln, wir haben einen globalisierten Handel. Das ist Faktum. Nur mehr ganz wenige Bereiche sind entweder geschützt oder mit Zöllen belegt. – So schaut es aus.

Wenn wir CETA ablehnen, bricht der Welthandel nicht zusammen, so wie offensichtlich plötzlich ÖVP und SPÖ hier den Eindruck erwecken wollen. Das ist Nonsens, meine Damen und Herren. Bleiben Sie auf dem Boden der Fakten! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kogler: Bravo!)

Da es um eine Regulierung geht, hat die Bevölkerung zu Recht Sorgen. Die Fragen sind: Wer reguliert? Wer kontrolliert? Wo bleibt die Transparenz dieser Prozesse? Ge­nau das sind die Fragen und Fakten. Die Leute sind nicht dumm, unsere Bürgerinnen und Bürger sind mindestens so gescheit wie wir hier im Haus. Die können auch strei­ten, das haben sie in vielen Diskussionen, die wir mit ihnen geführt haben, auch getan. (Abg. Peter Wurm: Die Amerikaner auch!) – Das ist richtig, das betrifft auch die ame­rikanische Gesellschaft. Wir hatten auch Kontakt mit kanadischen und amerikanischen NGOs, die sich auch gegen diese Art von Konzernregulierung und für unsere Art der Bürgerbeteiligung einsetzen. Das ist nämlich das Thema: Wir wollen Transparenz und wir wollen fairen Handel!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist die Devise: Europa muss sich neu aufstellen, geopolitisch ist die Lage wirklich anders als noch vor zwei, drei Jahren. Wir sind ge­fordert. Wo bleiben denn die europäische Vision und die Perspektive, um die es geht? Da meine ich schon, Kollege Cap, dass wir hier aus dem Parlament eine Initiative zu einem europäischen Handelsgipfel starten könnten. So wie wir unsere Parlamentari­sche Enquete durchgesetzt haben, könnten wir auch einmal einen Handelsgipfel in Eu­ropa starten, der die europäische Handelspolitik auf den Prüfstein stellt und dort an­setzt, wo es notwendig ist.

Wie soll es weitergehen? Wie verdichten wir unseren Handel in Europa, unsere Zu­sammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich? Das bringt Arbeitsplätze in den Regionen. Das erwarten sich die Menschen. Sie erwarten sich, dass wir ökologisch, sozial aus­gerichtet und regional unsere Wirtschaft weiterentwickeln. Dann können wir auch ge­meinsam fragen: Was heißt das für den europäischen Außenhandel, was heißt das für europäische Importe, was sind unsere Ziele?

Das ist insofern so wichtig – wir haben heute auch schon über Klimaschutz diskutiert –: Zwei internationale Verträge haben wir unterschrieben, das Klimaschutzabkommen von Paris und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Beide Abkommen wur­den weltweit unterzeichnet und eröffnen ganz neue Perspektiven, meine Damen und Herren.


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Wir sollten gemeinsam an Nachhaltigkeitsstrategien arbeiten, an einem Umbau der Öko­nomie, weg von den fossilen Energien, weg von einem konzernorientierten Freihandel auf Kosten von Natur, von Menschen, von Arbeitsplätzen und von Strukturen gehen, die wir alle erhalten wollen. Das ist schlicht und ergreifend das, was die Bürgerinnen und Bürger bewegt.

Dem sollten wir hier im Parlament auch Rechnung tragen, und da wundere ich mich heute wirklich, dass ein Abgeordneter der SPÖ kein Wort über wirklich engagierte Bür­germeister verliert. Ich schätze die regionalen Politikerinnen und Politiker, die sich in den Gemeinden wirklich Gedanken machen müssen: über die Integration von Flüchtlin­gen, über die Energiebilanz, über ihre sozialen Leistungen, über ihre Schule im Ort. Da gibt es viele, viele Aufgaben, die sie erfüllen müssen, und sie wollen dabei auch den Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen verlieren.

Ich war selbst bei Veranstaltungen in Niederösterreich, bei denen auch diese SPÖ-Bürgermeister dabei waren, und da haben wir diskutiert. Natürlich haben wir, die nie­derösterreichischen Grünen, gesagt: Ja, selbstverständlich unterstützen wir euch! Selbst­verständlich unterstützen wir kritische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die ver­antwortungsvoll erwarten, dass sich die Politik mit ihren Sorgen beschäftigt. Dazu hätte ich mir heute eine Antwort vom Kollegen Matznetter erwartet, aber es kam kein Wort zu seinen eigenen Bürgermeistern. (Beifall bei den Grünen.)

Wo immer sie waren, das waren viele Gemeinden, viele, viele Gemeinderäte haben hier mitentschieden und haben gemeinsam Resolutionen dagegen verfasst; es sind meh­rere Hundert Gemeinden in Österreich. Ich kann diesen Bürgermeistern, diesen Ge­meinderätinnen und Gemeinderäten versichern, dass die Grünen alle parlamentarischen Mittel ausreizen werden, damit diese Transparenz wirklich hergestellt wird.

Hinsichtlich der Beantwortung muss ich schon sagen: Sie, Frau Staatssekretärin, kön­nen nichts dafür, der Kanzler ist krank, das ist die einzige Entschuldigung, die ich an Ihrer Stelle heute geltend machen würde.

Aber es gibt ja Auflagen der Bundesländer, die ganz klare Option: Wir wollen keine Schiedsgerichte. Das ist die Position der Bundesländer, klipp und klar: Keine Zustim­mung zu CETA, keine Zustimmung zu einer vorläufigen Anerkennung, wenn diese For­derung nicht erfüllt ist. Was ist passiert? – Das Gegenteil! Ja wo leben wir denn? Wie verbindlich ist die politische Vereinbarungskultur in diesem Land, wenn das nicht ernst genommen wird? Haben wir den Mumm nicht mehr, zu unseren eigenen Diskussionen und zu unseren eigenen Beschlüssen zu stehen? Das muss man bei dieser Gelegen­heit einmal anmerken.

Daher, meine Damen und Herren, auch noch kurz ein Wort zur wirklichen Situation bei einigen Dingen, die die Landwirtschaft und die Lebensmittel betreffen. Die Dinge sind nicht geregelt. Warum? – Das Vorsorgeprinzip, Kollege Kogler hat es ausgeführt, ist in keiner Hinsicht gewährleistet, auch nicht mit der Zusatzvereinbarung. Warum? – Mit kei­nem Wort wird tatsächlich auf die Vorsorgeprinzipien der europäischen Verfassung Be­zug genommen – und das wäre es.

Ich habe mich von Anfang an gefragt, wie Kollegin Malmström sich als Handelskommis­sarin überhaupt hinstellen und eine Verhandlung führen kann, ohne die Grundrechte, die in den europäischen Verträgen festgelegt sind, zu berücksichtigen und auch hinein­zuverhandeln. (Abg. Kogler: Die Kanadier habenʼs ja verweigert!) Das wäre ihre Auf­gabe gewesen. Wenn sie das getan und das Vorsorgeprinzip wirklich verankert hätte, dann hätte ich auch ein gewisses Vertrauen zu dieser Strategie. So kann ich nur sa­gen: Leider nein!

Importkontingente für Schweinefleisch: 80 000 Tonnen; für Rindfleisch: 65 000 Tonnen; für Weizen: 100 000 Tonnen. Meine Damen und Herren, das ist keine Perspektive für


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die europäische Lebensmittelpolitik. Von den 1 400 geschützten geografischen Anga­ben, die es in Europa gibt, wurden in diesem Abkommen nur 145 unter Schutz gestellt. Was ist mit den anderen 1 300? Das ist auch kein Erfolg!

Ein Wort noch zur Gentechnik: Das ist ein trojanisches Pferd, und zwar offensichtlich! Beispiel: In Kanada ist der gentechnisch veränderte Lachs inzwischen seit Mai 2016 als Lebensmittel anerkannt, und er wird praktisch nicht gekennzeichnet, denn es gibt keine Kennzeichnungsregeln. Wie viel Zoll gibt es derzeit bei Import von Lachs in die Europäische Union? 15 Prozent Zoll ist noch drauf. Wenn das Handelsabkommen in Kraft tritt, wird dieser Zoll innerhalb der nächsten Jahre abgebaut – abgebaut ohne Kennzeichnung! So schautʼs aus: keine Kennzeichnung, Zollabbau. (Abg. Loacker: Musst halt Forelle essen!)

Dasselbe gibt es beim Obst. In Kanada gibt es am Markt gentechnisch veränderte Äpfel. Der entsprechende Zoll bei Import in die Europäische Union beträgt 9 Prozent, Kollege Schultes. So schautʼs aus. Dann kommen diese Produkte plötzlich – und das wird dann der große Aufschrei sein – irgendwie doch auch beim Konsumenten in Eu­ropa an. Das ist keine Strategie, die wir unterstützen können, daher wirklich: Zurück an den Start! Keine Unterstützung hier im Parlament!

Wenn wir wollen, dass wir uns in den nächsten Jahren noch in den Spiegel schauen können, müssen wir diesen Vertrag ablehnen. Das ist ein Appell an alle Kolleginnen und Kollegen, auch im Wissen darüber, was Ihre Bürgermeister und Bürgermeisterin­nen – es sind nämlich meistens ÖVP- und SPÖ-BürgermeisterInnen – draußen vor Ort beschlossen haben. Die wissen, worum es geht: um die Lebensbedingungen ihrer Bür­gerinnen und Bürger. Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Muttonen. – Bitte.

 


15.43.18

Abgeordnete Mag. Christine Muttonen (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretä­rin! Meine Damen und Herren! Die Sorge um mögliche negative Auswirkungen der Glo­balisierung ist in der Bevölkerung stark zu spüren, das stimmt, und es ist ja tatsächlich sehr vieles in Bewegung. Wir erleben gerade einen umfassenden Umbruch unserer bis­herigen Weltordnung, sowohl, was die militärische Sicherheit betrifft, als auch, was die wirtschaftliche Grundlage unserer sozialen Gesellschaften in Europa betrifft.

Klar ist natürlich auch, dass Österreich – wir wissen das alle – als Exportland zum Schutz seiner Wirtschaft, seines Sozialstaates und seiner ArbeitnehmerInnen auf gute und verlässliche Handelsbeziehungen mit seinen europäischen und globalen Partnern angewiesen ist.

Die schon mehrfach hier erwähnte Politik des neuen US-Präsidenten, aber auch die Entscheidung der Briten, den Binnenmarkt der EU zu verlassen, all das wird die inter­nationalen Handelsbeziehungen sicherlich grundsätzlich verändern. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Slogan „America First“ ein Slogan bleibt und nicht dazu führt, dass die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Firmen und unserer Arbeit­nehmerInnen plötzlich hinten anzustehen haben. Wir brauchen jetzt erst recht eine star­ke gemeinsame Wirtschafts- und Handelspolitik der EU, denn nur mit einer starken EU können wir diesen neuen, erschreckend egoistischen und aggressiven Tendenzen, die man von jenseits des Atlantiks bis hierher hört, entgegentreten.

Wir müssen uns also klar sein: Die Bedingungen des Welthandels, von dem auch wir in Österreich fundamental abhängen, werden gerade neu bestimmt. Entweder wir suchen


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uns gleichgesinnte Verbündete und versuchen, unsere Vorstellung durchzubringen, näm­lich die Vorstellung vom fairen Handel, der auf Win-win abzielt und aufbaut, die Vor­stellung von hohen Standards für Umwelt, Gesundheit und für soziale Rechte, oder an­dere bestimmen die Regeln – das ist eben die zweite Seite der Medaille (Abg. Pirkl­huber: Richtig!) –, seien es China, Indien oder die USA. Das ist mit Sicherheit nicht die Lösung, die wir wollen, das ist sicher nicht in unserem Interesse. Nein, wir wollen jetzt stärker vorangehen und neue Partnerschaften schließen.

Kanada ist, wie hier schon gesagt wurde, für uns sicherlich ein Partner mit großen ge­meinsamen Interessen und vergleichbaren Standards. CETA kann – und ich sage: kann  daher ein wichtiges und gutes Abkommen werden. Entscheidend ist, dass wir es auch vernünftig umsetzen. Dazu haben wir uns sowohl im Plenum als auch in der Bundes­regierung mehrfach und eindeutig geäußert.

Es gibt auch in CETA noch ernstzunehmende Schwächen beim Schutz unserer Stan­dards, beim Schutz der Daseinsvorsorge, bei den Schiedsgerichten – das war ja jetzt lange das Thema –, aber vielleicht kann man da auch den Schiedsgerichten eine Ent­wicklung zugestehen, indem man sagt, da gibt es erste Schritte und weitere müssen noch folgen. Vielleicht geht das auch nicht alles an einem Tag.

Hier gilt es einfach, ganz in diesem Sinne Veränderungen durchzuführen. Trotzdem bleibt klar – und das hat der Kanzler auch in Brüssel eindeutig klargestellt –: Die Schiedsge­richte sind eindeutig von der vorläufigen Anwendung ausgenommen, und Zustimmung von diesem Parlament wird es letztendlich nur geben, wenn dort, wo Schwächen beste­hen, eindeutig nachgebessert wird.

Wir wollen qualitativ gute und transparente Handelsabkommen. Das hat auch noch ein­mal das neue Arbeitsprogramm der Regierung gezeigt. Die bekommen wir aber mit Si­cherheit nicht durch die USA und China, wie ich schon gesagt habe; das erreichen wir nur, wenn wir selber handeln. Transparent und gut bedeutet, dass wir CETA und dann alle weiteren Abkommen weiter intensiv hier im Parlament behandeln – auch und vor allem durch dieses Volksbegehren, dessen Kritikpunkte wir sehr ernsthaft und sehr aus­führlich debattieren werden.

Eine egoistische Abschottungspolitik kann nicht unser Weg sein, das ist für ein kleines Land wie Österreich auch praktisch gar nicht möglich. Wir wollen aber Handelsabkom­men, hinter denen die Österreicherinnen und Österreicher auch stehen können (Beifall der Abg. Kucharowits), weil sie fair sind, weil sie umweltfreundlich und sozial sind und weil sie hier bei uns die Arbeitsplätze sichern, anstatt sie zu gefährden. Dafür werden wir uns in den nächsten Wochen weiter einsetzen und verhandeln, hier im Plenum, im Rat in Brüssel und mit unseren Handelspartnern weltweit. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schultes zu Wort. – Bitte.

 


15.49.08

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Ge­schätzte Frau Staatssekretär! Wir wissen, dass Österreich mit seinem Wohlstand und seinen hohen Sozialleistungen, mit der Sicherheit, die wir bieten können, an der Spitze der Länder der Welt liegt. Wir wissen, dass wir das auf Dauer nur haben können, wenn wir selber dafür arbeiten und uns das selber erwirtschaften.

Wir können das aber nur erwirtschaften, wenn wir immer vorne dabei sind: Die besten Betriebe, die innovativsten Ideen, die besten Patente; immer wieder müssen wir einen neuen Schritt tun, um vorne dabei zu sein, damit wir Produkte haben, die Menschen brauchen können, die sie dann auch gut bezahlen. Nur die, die Kaufkraft haben – in


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der ganzen Welt –, werden unseren Wohlstand sichern können. (Abg. Hübner: Aber da brauchen wir nicht CETA dazu!) Daher ist es selbstverständlich, dass wir den freien Handel, den geschützten, geregelten, guten Handel brauchen, und den brauchen wir mit allen Ländern der Welt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Peter Wurm: … Bau­ern!)

Dieses Abkommen, das wir besprechen, ist zwischen Kanada und Europa gut verhan­delt worden. Das sind zwei Wirtschaftseinheiten, die auf Augenhöhe miteinander reden können, auf hohem Niveau miteinander verhandeln, hohe Rechtssicherheit haben und ein gutes Ergebnis zustande gebracht haben. Das wäre abzuhaken, das ist auch schon oft genug geschehen.

Die Fernsehzuschauer werden sich denken: Da wird so viel gestritten, da sind so viele dagegen und nur wenige dafür. Ich muss mich entschuldigen. Wir haben eben sechs Fraktionen im Parlament, zwei sind Regierungsfraktionen, die anderen vier leben da­von, dass sie dagegen sind und Wirbel machen (Zahlreiche Zwischenrufe bei FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach. – Abg. Loacker: Das nehmen Sie jetzt bitte zu­rück!), daher muss auch das Verhältnis für die Zuschauer so ausschauen, dass eben vier dagegen und zwei dafür sind. (Abg. Loacker: Die NEOS sind auch dafür!) – Die NEOS sind auch dafür? (Ruf: Es steht drei zu drei!Okay, Entschuldigung, es steht drei zu drei. (Zwischenrufe bei FPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach.) – Es ist aber wirklich so. Frau Gamon hat ja ganz entzückend argumentiert, ich muss das wieder er­wähnen.

Ich hätte jetzt noch ein Thema, das im Zusammenhang mit dieser Frage vielleicht in­teressant ist: Wenn wir über fairen Handel reden, dann reden wir über fairen Handel nicht nur mit irgendjemandem, sondern auch bei uns in Europa. Wir haben jetzt etwas Interessantes erlebt: Es hat ja auf europäischer Ebene eine Taskforce der Europäi­schen Kommission gegeben, die den Handel in Europa geprüft hat. Die haben heraus­gefunden, dass in der Lebensmittelkette – von den Bauern bis zu den Konsumenten – sehr unfaire Verhältnisse herrschen, Machtverteilungen gegeben sind, die zu Machtmiss­brauch führen können und geändert werden sollen. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.)

Das Erstaunliche war dann die Frage: Gibt es das auch in Österreich? Ja, in Ös­terreich gibt es das auch. Es gibt bei uns wenige Handelsketten, die alles in der Hand haben, hohe Macht haben. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Steinbichler.) Kann es sein, dass es da zu Missbrauch kommt? – Ja, das kann sein. In Österreich ist sogar ei­ne Handelskette wegen unerlaubter Methoden beim Einkauf direkt bei den Produzen­ten verurteilt worden. Diese Strafe war eine ganz gewaltige: 30 Millionen €. Es sind dann noch 10 Millionen € dazugekommen.

Das ist etwas, das wir in Österreich diskutieren müssen: Unlautere Methoden sind öf­fentlich geworden, der Richter hat entschieden, und dann hat sogar einer dieser Kon­zernbosse versucht, die Erhebungsbehörden unter Druck zu setzen, hat ein Verfahren von der Korruptionsstaatsanwaltschaft bekommen und hat dann in dem Verfahren im letzten Augenblick die Notbremse gezogen, ein Diversionsverfahren bekommen und darf jetzt Sozialarbeit leisten – das zum Thema faire Handelsverhältnisse.

Jetzt frage ich Sie: Von wem würden Sie sich eine Expertise über unfaire Handelsver­hältnisse erwarten, wenn wir über CETA diskutieren? – Von jemandem, der als Experte für unfaire Handelsverhältnisse verurteilt wurde, würde ich sagen. Es ist ganz klar, der sagt nicht: Aufpassen!, sondern er sagt: Schützt meinen Raum und beendet Verhand­lungen, die die Handelsverhältnisse besser machen könnten! Weg mit CETA, denn dort wird ja geregelt, was fair sein könnte! (Abg. Pirklhuber: Ich glaube, das ist Marketing!)

Da frage ich jetzt: Hallo, geht das nicht von der verkehrten Seite los? Hallo, wie war denn das möglich? Hat da jemand seine 140 Millionen € Werbebudget eingesetzt, um eine andere Geschichte wegzuräumen und als der Gute in Österreich dazustehen? Könn-


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te das sein? Könnte es sein, dass wir in unserer Demokratie plötzlich Player haben, die gar nicht wirklich am Thema interessiert sind, sondern Marketing betreiben und selber nur ihr Geschäft machen wollen? Könnte es sein, dass da eine Allianz von NGOs und Konzernen entstanden ist, die uns wirklich an der Nase herumführen will? Könnte es sein, dass die sich bemühen, 500 000 Menschen einzuspannen? (Abg. Kitzmüller: Kann das sein?)

Ich sage Ihnen etwas: Jeder, der hingegangen ist, das zu unterschreiben, hat sich auf­gemacht, seine Stimme zu erheben. Das muss man sehr ernst nehmen, aber man muss auch die ernst nehmen, die sich bemüht haben, die Menschen für ihre Ziele einzuspan­nen. Da müssen wir gemeinsam aufpassen, ob wir die Demokratie wirklich noch vertei­digen.

Ich sage das an einem wichtigen Tag, denn heute findet im britischen Parlament die Debatte über den Brexit statt. Die haben lange zugeschaut, wie mit falschen Argumen­ten, mit Lügen, mit einer Internetaktion, mit Facebook eine Entscheidung herbeimani­puliert wurde, wobei alle nachher gewusst haben, dass sie Dinge versprochen haben, die nie eintreffen werden. Jetzt haben die Parlamentarier das Problem, zu prüfen, ob sie der Regierung eine Mehrheitsentscheidung des Volkes als Auftrag geben. Dabei wis­sen sie aber selber, dass das nicht funktionieren wird.

Das wird heute diskutiert. Ich habe mir die Diskussion durchgelesen. Die haben ein Pro­blem. (Abg. Kogler: Wir haben drei Bindungen an die Regierung …! Die sind alle ver­letzt!) Daher ersuche ich Sie alle: Nehmen Sie bitte den demokratischen Vorgang ernst, der da passiert, und reden Sie mit den Menschen ehrlich über das, was im Vertrag steht! Der Vertrag ist gut. Er ist gut für die Landwirtschaft, er ist gut für unsere Wirtschaft und vor allem für die Klein- und Mittelunternehmen, die Exportbetrieben zuliefern. (Abg. Kog­ler: Das ist ein Wahnsinn!) Er ist gut für unseren Wohlstand und die soziale Sicher­heit. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Bauernverräter! – Weite­re Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


15.55.43

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Kollege Schultes, kann es vielleicht sein, dass Sie den Unterschied zwischen Antidumpingbestimmungen, kar­tellrechtlichen Bestimmungen, unlauterem Wettbewerb und Freihandel nicht kennen? Kann das sein? – Nur einmal so in den Raum gestellt. (Beifall bei FPÖ und Team Stro­nach.)

Herr Kollege, kann es sein, dass es zur Rechtfertigung eines Abkommens den Leuten nicht reicht, wenn man sagt, das ist gut für Österreich, das ist gut für die Arbeitsplätze, das ist gut für die Industrie und das ist gut für die Bauern, Punkt? Kann es sein, dass das nicht reicht und dass die Leute aus diesen Gründen in einer Zahl von 562 000 und einigen zu einem Volksbegehren gehen? Es ist eine ziemliche Mühe, sich diese Arbeit zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Kann es weiters sein, dass in der gesamten bisherigen Diskussion über CETA und TTIP – ich werde mich aber vor allem auf CETA beschränken – keine wirklich klaren Ar­gumente dafür herausgekommen sind, dass wir diese Abkommen brauchen, außer dass man sagt: Wir brauchen sie einfach, und wenn wir sie nicht haben, ist unser Wohl­stand und sind unsere Arbeitsplätze gefährdet? (Eine Mitarbeiterin des FPÖ-Parla­mentsklubs bringt dem Redner ein Schriftstück.) – Ich habe das mit, ich habe das ein­gesteckt, danke. (Ruf bei der ÖVP: Ruck, zuck!) – Das Service ist gut. (Ruf: Gut zuge­arbeitet!) – Gut zugearbeitet, ja, aber ich bin so gut, dass ich heute ausnahmsweise ein­mal keinen Zuarbeiter brauche.


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Gehen wir einmal weiter bei den Sachen, die sein können: Kann es sein, dass wir uns vielleicht in der jetzigen Situation – in der TTIP ja auf des Messers Schneide steht be­ziehungsweise TTIP erfreulicherweise zu kippen scheint – vieles nicht überlegt haben, in Bezug auf die Bedeutung von CETA und seinen Konsequenzen? CETA gilt ja zwi­schen der EU und Kanada und nicht zwischen der EU und den USA, das heißt, dass kanadische Unternehmen und Unternehmen, die in Kanada wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten entfalten, egal, wem sie gehören, die Rechte aus CETA in der gesamten Europäischen Union geltend machen können. Die Europäische Union kann aber diese Rechte natürlich nur in Kanada geltend machen.

Kann es nun sein, dass 79 Prozent der Exporte aus Kanada in die USA gehen, 69 Pro­zent der Importe aus den USA kommen und Kanada daher ein wirtschaftlicher Wurm­fortsatz der Vereinigten Staaten ist? Kann es weiters sein, dass in der kanadischen In­dustrie praktisch ausschließlich amerikanische Unternehmen, die ganz oder überwie­gend unter amerikanischem Einfluss oder unter amerikanischer Kapitalkontrolle stehen, die Wirtschaft bilden? Es gibt Ausnahmen, es gibt Bombardier und so weiter. (Abg. Matznetter: Magna, Stronach!) Es gibt auch Magna, das ist auch eine Ausnahme, aber Sie würden sich wundern, wenn ich Ihnen die Aktionärsstruktur von Magna heute dar­lege. Das ist nicht die Familie Stronach. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznet­ter.) Wie viel kanadischer Einfluss da noch ist, kann man auch sehen.

Kann es daher sein, dass wir, wenn wir jetzt CETA in Kraft setzen, den amerikanischen Unternehmen, und zwar allen, die in Kanada wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten ent­falten und ein Geschäft mit Europa durchführen, damit die Möglichkeit geben, europäi­sche Vorschriften über die in CETA enthaltenen Investitionsschutzklauseln auszuhe­beln und uns selbst diese Möglichkeit gegen amerikanische Gesellschaften und für den amerikanischen Markt nicht holen? Kann es daher sein, dass wir, auf gut Deutsch gesagt, einen Schuss haben müssen, dieses Abkommen so zu unterzeichnen? (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und Team Stronach.)

Ich glaube, es kann sein. Ich glaube nicht, dass es, wie Kollege Schultes das so ele­gant gesagt hat, Krawallmacher und Wirbelschläger sind, die dieses Volksbegehren un­terstützt und unterzeichnet haben. Wir sind der Ansicht: Wenn es einen so breiten Wi­derstand in der Bevölkerung gibt, wenn es eine so starke Unterstützung für ein Volks­begehren gibt, wenn es so viel Unbehagen und Widerstand in den Koalitionsparteien gegen dieses Abkommen gibt, wenn es bei den Experten – wir waren ja selbst bei den Hearings dabei – eine so große Überzahl von kritischen Stimmen dagegen gibt, wenn es auch die Möglichkeit gibt, wie ich es ein bisschen zu skizzieren versucht habe, sich mit einigen wenigen Überlegungen von der – vorsichtig ausgedrückt – Problematik der Ratifizierung des Abkommens zum jetzigen Zeitpunkt zu überzeugen, und wenn es – um auf die Kollegin Muttonen noch einzugehen – nichts mehr zu verhandeln gibt, weil es verhandelt und im Rat, mit Zustimmung des Rates, bereits vorläufig in Kraft gesetzt ist – die Zustimmung des Europäischen Parlamentes ist aufgrund der dortigen Mehr­heitsverhältnisse nur noch eine Formsache –, heißt das, wir können nur noch Ja oder Nein sagen. Wir können es ratifizieren oder nicht ratifizieren.

Wir sind daher der Meinung – wir sind es der Bevölkerung schuldig –: In einer so um­strittenen Sache, die so tief in die demokratische Grundstruktur, in unsere Rechte und unsere Rechtstraditionen eingreift, müssen wir die Bevölkerung mitreden lassen. Ich brin­ge daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhal­tung einer verbindlichen Volksabstimmung zu CETA für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung


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„Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich – für den Fall der Zus­timmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung – politisch für eine verbindliche Volksabstimmung des CETA-Abkommens stark zu machen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Begründung: In einer so umstrittenen, in einer so existenziellen Sache soll nicht eine Mehrheit des Nationalrates entscheiden – wie auch immer diese Mehrheit zustande kommt –, sondern da ist das Volk zu fragen. Ein solcher Beschluss soll daher nur vor­behaltlich des Ausganges einer dann anzuberaumenden verbindlichen Volksabstimmung wirksam sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.01


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Hübner, Dr. Kassegger und weiterer Abgeordneter betreffend Ab­haltung einer verbindlichen Volksabstimmung zu CETA für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung,

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage betreffend Verhandlungs­legitimation der Bundesregierung zu den Abkommen CETA, TTIP und TISA der Abg. Kogler, Glawischnig-Pieszcek und anderer, in der 162. Sitzung des Nationalrates in der XXV. GP am 1.2.2017.

Exakt 562.552 Österreicher haben gegen die umstrittenen Handelsabkommen CETA, TTIP und TISA durch Unterfertigung des Volksbegehrens ihre Stimme erhoben. Die Ini­tiatoren sprachen am Tag nach der Auszählung von einem "überwältigenden Ergebnis".

Die Bedenken sind bekannt: die Abkommen bedeuten unter anderem ein Absacken der heimischen Lebensmittelqualität sowie einen Todesstoß für die österreichischen Bauern. Österreich wird nicht mehr der „Feinkostladen“ Europas sein. Weiters drohen durch die­se Abkommen Gefahren in vielen Bereichen, wie für den heimischen Verbraucher-, Ar­beitnehmer- und Umweltschutz. Das Ende des Vorsorgeprinzips sowie die indiskutable Einrichtung von Schiedsgerichten, die es amerikanischen und kanadischen Konzernen ermöglichen würden, gegen vitale Interessen unseres Landes und unserer heimischen Bevölkerung vorzugehen, sind weitere, klar abzulehnende Punkte.

Abgesehen von faktisch belegten Risiken und Gefahren in den Abkommen ist auch der Willensbildungsprozess rund um diese Abkommen aus demokratiepolitischer Sicht in­akzeptabel und der Widerstand in der österreichischen Bevölkerung – verständlicher­weise – dementsprechend groß, geht doch die Ablehnung des CETA-Abkommens quer durch alle Bevölkerungsschichten und politischen Lager.

Für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizie­rung sollen die Mitglieder der Bundesregierung daher politisch gefordert sein, sich für eine verbindliche Volksabstimmung des CETA-Abkommens stark zu machen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 147

„Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich – für den Fall der Zu­stimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung – politisch für ei­ne verbindliche Volksabstimmung des CETA-Abkommens stark zu machen.“

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Schellhorn, Sie sind als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.01.51

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Ja, es dauert ein bisschen, bis das Redner­pult nach Kollegen Hübner wieder herunten ist.

Kollege Schultes ist leider nicht da, aber ich möchte ihm etwas ausrichten: Wenn er zu Kollegin Gamon sagt – weil es hier einen Debattenbeitrag gegeben hat –, dass ihr De­battenbeitrag sozusagen entzückend ist, dann ist das despektierlich. Ich weise das zu­rück und ich bitte um eine Entschuldigung. (Beifall bei NEOS, Grünen und Team Stro­nach. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Entzückend kann sein Bauernbundball in Mistel­bach sein, aber nicht ein Debattenbeitrag einer Kollegin. Das ist aufs Schärfste zurück­zuweisen. (Beifall bei NEOS, SPÖ, Grünen und Team Stronach sowie der Abg. Karl. – Ruf bei der ÖVP: Unglaublich! – Abg. Rädler: Was haben Sie gegen Mistelbach? – Wei­tere Zwischenrufe.) – Mir ist nur Mistelbach eingefallen.

Klubobfrau Glawischnig hat von Widersprüchlichkeiten gesprochen. Ich möchte auch auf diese Widersprüchlichkeiten eingehen. Sie hat noch einmal Transparenz erwähnt; ich frage: Wo wurde vonseiten der Grünen Transparenz beim kürzlich abgeschlosse­nen Handelsabkommen mit Südkorea gefordert? Wann wurde das bei uns hier im Ple­num behandelt? Wo haben wir diese Transparenz eingefordert? – Nein, es ist be­schlossen worden. (Abg. Rädler: … populär ist!)

In den letzten zwei Jahren wurden Handelsabkommen mit Moldawien, Georgien, Koso­vo, Südkorea und Bosnien geschlossen. (Abg. Rädler: Nicht populär!) Natürlich, bis auf Südkorea geht es allen schlechter als uns. Da ist Transparenz nicht so wichtig. Aber bei der Transparenz mit Amerika? – Getrieben ist da die Ideologie einzig vom An­tiamerikanismus! Jetzt mag man dazu stehen, wie man will, aber dieser Antiamerika­nismus kommt auch vom EU-Klub der Grünen, insofern als alles schlecht ist, was von da drüben kommt. Das, glaube ich, ist zurückzuweisen! Davon sollten wir uns entfer­nen. Ich denke, das ist hier einfach auch einmal angebracht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte jetzt ein Zitat von André Heller abwandeln: Warum sachlich, wenn es popu­listisch auch geht? – Dieser Antiamerikanismus ist klarer Populismus. Das steht sogar im Einklang mit der FPÖ, die kein Problem damit hat, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, denn dort sind wahrscheinlich die Standards noch viel besser als zwi­schen Kanada und uns. Das CETA-Abkommen ist das am besten ausverhandelte Ab­kommen, das es gibt. Das wissen Sie alle. Das wissen Sie alle, und dagegen sträuben Sie sich. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

Sie haben einfach kein Programm mehr, genauso, wie sich die Grünen in dem Fall ein neues Bedrohungsszenario ausdenken müssen, wenn das ratifiziert ist. Dass es mit TTIP nicht klappen wird, das hängt nicht an den Grünen oder das hängt nicht an Ihnen, liebe FPÖ. Das hängt auch nicht am Spar-Konzern und an der „Kronen Zeitung“ – so ehrlich müssen wir einmal sein –, denen Sie auf den Leim gegangen sind, und zwar dra­matisch auf den Leim gegangen sind, sondern es hängt daran, dass wir hier einfach nicht mehr klar und sachlich differenzieren können. (Abg. Walter Rosenkranz: Wir be­danken uns bei den NEOS für den österreichischen Staatsvertrag!) Sie sind denen auf den Leim gegangen, ganz einfach!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 148

Wenn es darum geht, dass wir kein neues Bedrohungsszenario brauchen, dann be­trachten wir die nächste Generation. Da oben sitzt ein 14-jähriger Bursche, das ist der Luis, der möchte einmal Unternehmer werden. Er möchte ein mittelständischer Unter­nehmer werden, wie ich es einer bin. Er will nicht damit konfrontiert sein, dass er Han­delszölle wie Herr Staud mit seinen Essiggurkerln hat. Er möchte diese Handelshemm­nisse weghaben, er möchte diese Parallelstrukturen weghaben, denn der Einzige, der davon profitiert, ist der Mittelstand.

Das Einzige, wofür das profitabel ist, ist die Wohlstandssicherung, auch jene der Klein- und Mittelbetriebe. Das ist es! Die Klein- und Mittelbetriebe profitieren von diesem CETA-Abkommen, und nicht die großen, weil die es sich ja ohnehin schon geregelt ha­ben. Das wisst ihr, die ihr hier herinnen sitzt, ganz genau, ihr fallt nur auf diese populis­tische Masche rein. Das eine muss man jetzt auch noch einmal sagen: Wenn schon der Spar-Konzern Ihr Partner in dieser unheiligen Allianz ist – da fehlt noch die Kirche, denn für die Kirche ist ja Profit auch Sünde –, ist es gar nicht schlecht, dass Sie alle in einem Verbund sind, dann können Sie sich darüber einigen, wie das jetzt weiterläuft. Wie läuft das nämlich? – Der Handelskonzern Spar, liest man, hat Abschlüsse mit deut­schen Bauern getätigt, weil dort die Butter streichfähiger ist. In Wirklichkeit ist sie billi­ger und zwingt die österreichischen Bauern dazu, dass sie noch billiger verkaufen. (Bei­fall bei NEOS und ÖVP.)

In Wirklichkeit beschäftigen wir uns gar nicht damit, welche Chancen es geben würde, welche Chancen ein CETA-Abkommen für euch bedeuten würde. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wenn man schon, wie Kollege Pirklhuber, davon spricht, dass man geschei­ter ist: Ich glaube an den mündigen Bürger! Ich glaube an die Intelligenz des Bürgers, und dass er sehr wohl zwischen einer kanadischen Butter, die wir nie oder selten in unsere Regale bekommen werden, und einer österreichischen Butter unterscheiden kann. Ich glaube, dass Qualität sich auszahlt.

In Wirklichkeit ist es doch so: Wir alle, wie wir hier sitzen, kaufen immer nach dem Preis und nicht nach der Qualität, weil wir es uns nicht leisten können, weil uns auf der einen Seite der Staat viel zu viel nimmt, um uns qualitativ hochwertige Produkte leisten zu können. Darum brauchen wir das, darum brauchen wir billige Produkte.

Aber setzen wir voraus, dass ein Wettbewerb auch bessere Produkte produziert, dass ein Wettbewerb (Zwischenruf des Abg. Zanger) mit dem Wegfall von Handelshemm­nissen eine Qualitätssteigerung bedeutet. Wir sollten demnach das CETA-Abkommen auf jeden Fall unterschreiben, weil es um unsere Unternehmer, um unseren Mittelstand und unsere Absicherung für die Zukunft geht, weil es um diesen jungen Mann da oben geht, der 14 Jahre alt ist und irgendwann einmal keine Handelshemmnisse haben will. Darum sollten wir unterschreiben und nicht dem Populismus anheimfallen. – Danke viel­mals. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

16.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Weigerstorfer. – Bitte.

 


16.08.21

Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (STRONACH): Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Ho­hes Haus! Ich möchte noch kurz auf Herrn Kollegen Schellhorn eingehen. Ich muss Ih­nen ein Kompliment aussprechen: Mutig! Mutig zum einen, derart für CETA zu werben, und mutig, sich hierher zu stellen und zu sagen, die Bevölkerung hat sich bemogeln lassen von Spar, „Kronen Zeitung“ et cetera. Das finde ich wirklich mutig, aber eigent­lich nicht Ihrem Niveau entsprechend. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Rädler: Ist aber die Wahrheit!)

Wenn wir schon beim Marketing sind, sollte man sich überlegen, ob nicht der Wortlaut Freihandelsabkommen durchaus marketingtechnisch auch sehr, sehr klug gewählt ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 149

Wir haben einen freien Handel zwischen Amerika und Europa, zwischen Kanada und Europa, und die Zölle liegen im Schnitt bei 3,5, 3,6 Prozent. Also darum kann es nicht gehen. Fakt ist: Handel ja, bitte unbedingt! Freier Handel, natürlich! Aber dann muss man gezielt auf die Zölle gehen und nicht das mitverkaufen, was hier einfach mitver­kauft wird, um einen angeblichen freien Handel zu haben. Ich sage Ihnen, die Bevölke­rung ist sehr, sehr klug, denn sie hat sich informiert und sie macht sich ein Bild. Deren Ängste nicht so ernst zu nehmen, finde ich einfach unverantwortlich.

Wir haben heute zum Thema CETA, TTIP und TiSA schon einige fachliche Inputs ge­hört. Ein schwerwiegender Grund ist natürlich dieser Investorenschutz und einiges mehr. Es gab diesbezüglich auch die Entschließung des Nationalrates, wo man ja auch den Beipacktext, den Beipackzettel formuliert hat. In letzter Zeit hat die Diskussion rund um diese Freihandelsabkommen wieder neuen Wind bekommen, und darauf möchte ich ein bisschen näher eingehen. Zum einen berichtet das Magazin „profil“ über ein inter­nes SPÖ-Gutachten, das den rein informativen Charakter des Beipacktextes bestätigt – also rechtlich nicht bindend – und damit auch feststellt, dass keine Verbesserungen be­wirkt werden.

Die SPÖ-Mandatare im Europaparlament haben daraufhin richtig gehandelt und haben im Handelsausschuss gegen CETA gestimmt. Das wiederum stellt aber auch die Argu­mentation des Bundeskanzlers, der ja wieder gemeint hat, dass der Beipacktext durch­aus die wichtigen Bedenken zur Seite räumt, meines Erachtens sehr in Frage. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

Für ebenso bedenklich halte ich die Aussagen einiger Politiker. Während den CETA-Skeptikern Angstmache unterstellt wird, sind es mitunter die Befürworter, die diese Angst eigentlich sogar schüren. Als Beispiel: Der Salzburger Bürgermeister Schaden et­wa richtet einen dringenden Appell an die Bevölkerung, dieses Volksbegehren nicht zu unterschreiben, und ÖVP-Europaparlamentarier Karas bezeichnet das Volksbegehren sogar als unverantwortlich. Direkte Demokratie ist nie unverantwortlich, und genau dort­hin muss die Reise gehen. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ.)

Unverantwortlich sind meines Erachtens Knebelverträge, aus denen es keinen Aus­stieg gibt, die kein Szenario zulassen, zu sagen: Okay, es geht doch nicht, man kann nicht halten, was man verspricht! – Das ist meiner Meinung nach unverantwortlich.

Ich glaube, die Antworten der Bevölkerung auf CETA, TTIP und TiSA sind ganz klar. Die einzige Frage, die hier noch im Raum steht, ist: Warum agieren österreichische Poli­tiker oder Europaparlamentarier über den Willen der Bevölkerung hinweg? – Diese Fra­ge, bitte, beantwortet sich jeder selbst. (Beifall bei Team Stronach und FPÖ sowie der Abg. Glawischnig-Piesczek.)

16.12


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.

 


16.12.46

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Freihandelsabkommen: Wer von uns – und bei manchen gibt es sicher­lich Ausnahmen, da entschuldige ich mich jetzt schon – hat sich mit der Thematik Frei­handel vor TTIP, vor CETA, vor TiSA in dieser Intensität befasst? – Ich glaube, nicht vie­le. Also ich persönlich auch nicht, offen gesprochen.

Begonnen mit der intensiven Auseinandersetzung habe ich und haben, glaube ich, viele oder mehrere von uns, als uns bewusst wurde, dass Standards, nämlich Arbeit­nehmerInnenschutz, Lebensmittelstandards, der Umweltschutz, Umweltstandards, das hohe Gut der öffentlichen Daseinsvorsorge, also die hohen Standards, die wir in Ös­terreich auch kennen, gefährdet sein könnten.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 150

Vorweg: Freihandel per se ist nichts Schlechtes. Die Frau Staatssekretärin ist auf die Fakten, auf die Exportabhängigkeit Österreichs und die damit im Zusammenhang ste­henden Arbeitsplätze eingegangen. Das ist wesentlich für Österreich. Aber, wie gesagt, die Ausgestaltung der Abkommen macht das Ganze so brisant und hat das Thema auch in die Breite gebracht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen gegangen ist, aber bei etlichen Gesprächen, bei Straßenaktionen, auch gegen diese Freihandelsabkommen, musste man eigentlich nicht mehr wirklich erklären, worum es bei diesen Kürzeln geht. Gefühlt hat sich nahezu ganz Österreich mit der Thematik auseinandergesetzt, und ich bin der Meinung, diese Breite war und ist gut so.

Was aber hat uns, was hat die Zivilgesellschaft, was hat Expertinnen und Experten, was hat die Bürgerinnen und Bürger so auf die Barrikaden gebracht? – Klar, die Ge­fährdung von Errungenschaften und Rechten, das ist das eine, wie schon erwähnt. Da­zu aber kommt die Intransparenz, die bei den Verhandlungen einfach geherrscht hat. Das hat uns wirklich wütend gemacht, das Ausklammern von Mitsprache, von Mitbe­stimmung, das ganz klare Ausklammern von Abgeordneten, der Zivilgesellschaft, der Bürgerinnen und Bürger. (Abg. Rädler: Die Adabeis …!)

Die Ausgestaltung der Abkommen wurde dann durch Leaks an die Oberfläche ge­bracht. Eine Einbindung und offene Kommunikation zu CETA, TiSA und TTIP hat zu Beginn überhaupt nicht stattgefunden und später erst durch knappe einzelne Infos. Wir Abgeordnete haben erst Endverhandlungen gelesen oder einzelne Berichte über TTIP durch Debriefings, die heute auch schon erwähnt wurden, erfahren, die oftmals, mit Verlaub, sehr, sehr widersprüchlich gestaltet wurden. Die Kommission hat im Gehei­men verhandelt und Abgeordnete erst auf Druck informiert. Liebe Kolleginnen und Kol­legen, so kann das einfach nicht funktionieren, demokratische Institutionen wie Parla­mente hier außen vor zu lassen! Das geht einfach nicht! Das taugt nicht nur mir nicht, nicht nur uns nicht, sondern ist in Summe einfach brandgefährlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Diesen Anspruch, nämlich den der Transparenz, müssen wir auch vehementer bei den restlichen rund 40 Abkommen, die im Moment verhandelt werden, einfordern. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum erneut diese Intransparenz und Geheimniskrämerei herrschen. Fehler, die einfach bei CETA, TTIP und TiSA im Rahmen der Verhandlungs­runden gemacht wurden, wiederholen sich auch wieder.

Wir Abgeordnete, wir als Parlament müssen aufstehen, wir müssen uns einbringen. Es braucht diese Selbstverständlichkeit. Das soll auch verpflichtend sein, weil wir eben nicht nur informiert werden wollen, sondern wir, die Zivilgesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger, mitgestalten wollen. Das ist kein Wunsch, sondern entspricht den Ansprü­chen und den Gepflogenheiten einer modernen Demokratie. Also die Kommission darf einfach nicht so weitertun, denn Sie wissen alle, wir wissen alle: Das Misstrauen, was die Europäische Kommission anlangt, ist leider sehr, sehr groß und wird durch solche Aktionen untermauert. Wir müssen die Stimme erheben – für uns alle, für die Bürge­rinnen und Bürger. Darum geht es. (Abg. Brunner: Haben wir doch gemacht!)

Nicht zuletzt durch ein Volksbegehren haben Bürgerinnen und Bürger ein großes Zei­chen gesetzt. Unglaubliche 562 552 Unterschriften hat dieses Volksbegehren erhalten! Es war ein großer Erfolg, wir werden es auch im Parlament mit höchster Priorität und Ernsthaftigkeit behandeln. Mit der endgültigen Verlautbarung der Bundeswahlbehörde geht es dann indirekt für uns hier im Parlament los. Dieses Volksbegehren wird uns in weiteren Verhandlungen, die uns dann auf parlamentarischer Ebene erwarten, nicht nur begleiten, sondern auch als Grundlage dienen. Genau darum geht es: um eine ernsthaf­te Auseinandersetzung mit der Kritik, die bei dem Volksbegehren auch geherrscht hat.

Sie alle wissen, wir befassen uns heute nicht das erste Mal mit der Thematik. Etliche Ausschüsse haben sich mit den Freihandelsabkommen auseinandergesetzt, bis hin zu


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einer parlamentarischen Enquete, die im letzten Halbjahr stattgefunden hat, die die un­terschiedlichen Kritikpunkte aufgezeigt und auch argumentativ untermauert hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Deshalb ratifizieren wir hier im Haus CETA jetzt nicht, ich würde das im Übrigen auch jetzt nicht tun. Wir werden erst in mehr als einem Jahr mit den nationalen Teilen konfrontiert sein. Bis dahin läuft der Prozess, die Ver­handlungen und die Arbeit gehen weiter. Deshalb, liebe Unterzeichnerinnen und Unter­zeichner des Volksbegehrens gegen CETA, TTIP und TiSA: Wir werden Ihren Punkten weiterhin mit aller Vehemenz Ausdruck verleihen, denn das, was wir auf der europäi­schen Ebene verlangen, verlangen wir auch hier, das heißt Einbindung und Stärkung von direktdemokratischen Elementen.

Wir nehmen Ihre Unterschriften ernst, um Umwelt- und ArbeitnehmerInnenschutz so­wie die öffentliche Daseinsvorsorge, so wie wir sie kennen, in hoher Qualität und durch unsere hohen Standards auch weiterhin hochzuhalten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 


16.18.39

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs möchte ich festhalten, dass es sehr zu begrüßen ist, wenn sich Bürgerinnen und Bürger politisch engagieren und sich der Möglichkeit unserer direkten Demokratie bedienen. Selbstverständlich wird auch je­des erfolgreiche Volksbegehren hier im Nationalrat fair und seriös behandelt.

Lassen Sie mich nun aber zur Dringlichen Anfrage kommen. Hier wird, wie es Kollege Kogler auch ausgeführt hat, der Bundesregierung ein Rechtsbruch vorgeworfen. Dieser Vorwurf lässt sich leicht entkräften. In der im Ständigen EU-Unterausschuss beschlos­senen Stellungnahme wurden Bedingungen für eine CETA-Zustimmung aufgestellt, und diese wurden erfüllt.

Vizekanzler Mitterlehner hat sich auf EU-Ebene erfolgreich dafür eingesetzt, dass CETA als gemischtes Abkommen eingestuft wird, sodass auch die nationalen Parlamente CETA zustimmen müssen. Zudem hat er erreicht, dass die in der Stellungnahme abge­lehnten privaten Schiedsgerichte nicht kommen, sondern durch ein Investitionsgericht ersetzt werden, Herr Kollege Kogler!

Dieses neue internationale Gericht zeichnet sich dadurch aus, dass seine Richter nicht wie bisher durch die Vertragsparteien – ich korrigiere –, nicht wie bisher durch die Streit­parteien – Entschuldigung! –, sondern durch die Vertragsparteien, nämlich Kanada und die EU, auf Zeit bestellt werden sowie unabsetzbar und unabhängig sind. Gerade an die Unabhängigkeit der Richter werden hohe rechtsethische Anforderungen gestellt. Zu­dem gibt es erstmals auch eine Berufungsinstanz.

In der vorliegenden Dringlichen Anfrage werden auch die Sonderklagerechte für aus­ländische Konzerne kritisiert. Dass ausländische Unternehmen andere Möglichkeiten ha­ben, um sich gegen staatliche Diskriminierungen zu wehren, ist aber nichts Neues. Be­trachten Sie etwa die EU-Regelungen! Ein ausländisches Unternehmen kann sich ge­gen Diskriminierungen, zum Beispiel durch eine österreichische Behörde, vor dem EuGH zur Wehr setzen. (Abg. Kogler: Ja, das ist richtig so!) Ein österreichisches Unterneh­men, das in Österreich in gleicher Weise diskriminiert wird, kann sich hingegen nicht an den EuGH wenden. Das ist geltendes Recht, meine sehr geehrten Damen und Her­ren! (Abg. Kogler: Es ist trotzdem ein Schiedssystemverfahren!)

Herr Kogler, Sie haben auch kritisiert, dass das Vorsorgeprinzip durch CETA obsolet wird. Zu Recht haben Sie auch darauf hingewiesen, dass dieses Prinzip im EU-Primär-


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recht verankert ist. Daher kann es nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag wie CETA abgeschafft werden. (Abg. Kogler: Eben doch!)

Was den vom Kollegen Kogler erhobenen Vorwurf eines Alleingangs einzelner Bun­desminister betrifft, dazu möchte ich Folgendes festhalten: Seit dem 18. Oktober 2016 gibt es bezüglich der Zustimmung zu CETA ein Einvernehmen der Bundesregierung. Von einem Alleingang kann hier also keine Rede sein! Die am 28. Oktober 2016 er­teilte schriftliche Zustimmung des österreichischen Botschafters erfolgte auf Basis die­ses Einvernehmens der Bundesregierung. Zudem erging die Weisung an den Bot­schafter über das Außenministerium in Akkordierung mit dem Bundeskanzleramt. (Abg. Kogler: Das ist richtig!)

In der vorliegenden Dringlichen Anfrage ist auch davon die Rede, dass durch CETA hohe Standards in sensiblen Bereichen gefährdet werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, vergessen Sie bitte nicht, dass es bei CETA um ein Handelsabkommen mit Kanada geht – also somit mit einem Land, das uns sehr ähnlich ist, das auch von seinen Standards her keineswegs hinter Europa herhinkt! (Zwischenruf des Abg. Pirkl­huber.) Ganz im Gegenteil: Die kanadischen Standards liegen teilweise sogar über den unsrigen!

Zudem bestätigt der Text des Abkommens, dass unsere hohen Qualitätsstandards, et­wa für Produktsicherheit, Daten-, Verbraucher-, Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz, auch in Zukunft gesichert sind. Auch das staatliche Regulierungsrecht ist ausdrücklich festgeschrieben. Die Vertragsparteien können daher das Schutzniveau, insbesondere für Gesundheit, Sicherheit, Konsumenten-, Arbeits- und Umweltschutz, nach eigenem Er­messen festlegen. (Abg. Kogler: Das ist eine Selbstverständlichkeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist daher unseriös und unverantwortlich, so zu tun, als würde ein Handelsabkommen mit Kanada eine große Bedrohung für uns darstellen. Vor allem muss man bedenken: Wenn wir schon mit Kanada ein Problem haben, ja mit welchem Land wollen wir denn dann Handelsabkommen abschließen?! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Brunner.)

16.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klinger. – Bitte.

 


16.23.41

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin Duzdar! Kolleginnen und Kollegen! Geehrte Zuhörer auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen! – Geschätzte Frau Dr. Karl, Sie haben das gemischte Abkommen ins Spiel gebracht, das unser Wirtschaftsminister hier eingefor­dert hat. Jetzt soll quasi über dieses ganze Verhandlungskonvolut auch in den nationa­len Parlamenten abgestimmt werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Enquete über CETA und TTIP, bei welcher ganz klar herausgekommen ist, dass dieses gemischte Abkommen nicht dazu angetan ist, das vorläufige CETA-Abkommen zu verhindern. Nein, dieses gemischte Abkommen ist nur dazu da, festzustellen, dass die Europäische Kommission beauftragt wurde, dieses Konvolut auszuverhandeln, und dass gleichzeitig die restlichen Rechtsbestände, die die Nationalstaaten betreffen, dann eben von den Nationalstaaten abgestimmt werden können. Das heißt aber im Klartext, wir sprechen hier von einer Gesetzesmaterie, die zu 85 Prozent durch die EU und zu circa 15 Prozent durch das nationale Parlament bestimmt wird

Wenn wir jetzt diesem CETA-Abkommen in fröhlicher Erwartung entgegensehen, dann muss man schon bedenken, was es bedeutet, wenn es heißt, wir sind die größte Wirt­schaftsmacht auf diesem Globus. Das heißt im Klartext: Diese Europäische Union ist das Wunderwerk der letzten Geschichte. Dabei stellt sich für mich die Frage: Wer wa­ren denn die wahren Gewinner des Beitritts zur Europäischen Union? War das der Klein-


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und Mittelstand? Waren das unsere Bauern? Oder waren das tatsächlich jene, die die Großkonzerne vertreten oder die großen Gesellschaften oder die großen Transportge­sellschaften?

Ich weiß auf alle Fälle eines: dass durch die Gruppenbesteuerung, so wie wir sie jetzt haben, die Banken die großen Nutznießer dieser Europäischen Union gewesen sind, weil sie nämlich ihre Verluste in den ehemaligen Oststaaten bei uns in Österreich mit unseren Steuergeldern wieder wettmachen konnten. Und dem muss Einhalt geboten werden. Wenn eine Großbank 690 Millionen € Gewinn in Österreich erwirtschaftet und dann nur 19 Millionen € Steuern in Österreich bezahlen muss, weil sie aufgrund der Verluste durch die Gruppenbesteuerung so viel Steuern bei uns einsparen kann, dann ist das der völlig falsche Weg.

Wir haben in diesem gemeinsamen Europa auch ganz gewaltige Unterschiede, was das Bruttoinlandsprodukt betrifft. Wir haben einen ganz langen und schweren Weg vor uns, das Bruttoinlandsprodukt auf eine annähernd gleiche Schiene zu bringen, genau­so wie wir die Sozialstandards in diesem europäischen Einheitsstaat auf ein gleiches Niveau anheben sollten. Wenn ich mir anschaue, was in Bulgarien oder in Portugal los ist und damit Deutschland und Österreich vergleiche, dann muss ich sagen: Da haben wir noch sehr viel Arbeit vor uns.

Ich stelle fest: Wenn in einem so großen Handelszusammenschluss wie der Europäi­schen Union auch die Sicherheit noch unter die Räder kommt, dann wird die ganze Sache massiv kritisch. Denn Sie werden mir doch alle recht geben, dass es heute nicht mehr so einfach ist, sein Haus unversperrt zu lassen, und dass es nicht mehr so ein­fach ist, in den Ballungszentren, in den Städten allein nach Hause zu gehen, und zwar vor allem dann, wenn man eine Frau ist. Und ich habe es satt, immer wieder predigen zu müssen, dass es notwendig ist, die Kontrollen an den Grenzen, wie wir sie jetzt ha­ben, in Zukunft zu verschärfen, nämlich dahin gehend, dass wir den Kriminalimport, durch den wir immer mehr Kriminalität zu uns hereinfluten lassen, hintanhalten können.

Wenn ich bedenke, dass die Autoindustrie von Österreich und Deutschland mit all ihren Zulieferfirmen bis nach Bulgarien ausgewandert ist, um so zu billigen Arbeitskräften zu kommen, dann bin ich der Meinung, dass wir genug zu tun haben.

Eines muss hier auch gesagt werden: Es ist nicht klar, ob wir bei diesen Schiedsgerich­ten, wenn man in einem Streitverfahren ist, die Kosten, auch wenn man obsiegt, zu­rückbekommt. Und es ist auch nicht klar, wie die Ratifizierungen zu erfolgen haben. Deswegen ist es für mich bei dieser Gesetzesmaterie eine unabdingbare Sache, hier im Nationalrat gegen dieses CETA-Abkommen zu stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


16.28.48

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Duzdar! Hohes Haus! Ja, die Grünen sind shocked, weil ein Freihan­delsabkommen vor der Tür steht. Denn: Das kann ja nur schlimm werden! Und wenn wir uns an die Diskussion über den EU-Beitritt Österreichs zurückerinnern, so stellen wir fest, auch damals waren es die Grünen und die Freiheitlichen, die gedroht haben, was da alles kommen wird. Von der berühmten Blutschokolade und den Schildläusen im Joghurt und vom Niedergang, eigentlich vom Ende der österreichischen Landwirt­schaft wurde damals gesprochen.

Und was sehen wir heute? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Eine bessere Qualität hat die österreichische Landwirtschaft noch gar nie produziert, als wir es heute erleben, ob­wohl Sie von der FPÖ uns den Untergang durch den EU-Beitritt vorausgesagt haben. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)


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Damals ist die kleine österreichische Volkswirtschaft mit 8 Millionen Einwohnern in den großen europäischen Markt eingetreten, der inzwischen 500 Millionen Einwohner um­fasst, und diese kleine Volkswirtschaft hat sehr davon profitiert.

Wenn Abgeordneter Klinger fragt: Wie haben die kleinen Leute davon profitiert?, dann sage ich Ihnen nur ein einziges Beispiel, das jeden Österreicher betrifft: das Telefonie­ren. Damals hat, als ich in Wien studiert habe, eine Minute Festnetztelefonat von Bre­genz nach Wien 6,67 Schilling gekostet, also 50 Cent. (Ironische Heiterkeit des Abg. Peter Wurm.) Heute wären Sie bei keinem Anbieter bereit, innerhalb von Österreich um 50 Cent zu telefonieren. Also da hat jeder profitiert. Auch wenn die Oma das Enkerl anruft, kommt es billiger als vor über zwanzig Jahren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

Mit zweierlei Maß messen, das können Sie – das können die Freiheitlichen und das können auch die Grünen –, und es ist mir ein Genuss, diese beiden Parteien im selben Atemzug zu nennen. Den Hans Niessl würde ich auch noch mitnehmen; ich weiß nicht, ob Erwin Preiner da ein braver Diener seines burgenländischen Herrn ist.

Mit zweierlei Maß messen die Grünen und die Freiheitlichen, denn es gibt für sie of­fensichtlich – mein Kollege Schellhorn hat das schon ausgeführt – gute und böse Han­delsabkommen. Sepp Schellhorn hat einige Beispiele angeführt, mit welchem Land die Österreicher einen Vertrag haben. Fakt ist, dass wir erst im Oktober, und zwar am 13. Oktober, in diesem Haus ein EU-Partnerschaftsabkommen mit dem Irak abge­schlossen haben, und diesem Vertrag haben alle zugestimmt, auch die Freiheitlichen und bis auf zwei, drei Ausnahmen auch die Grünen. In diesem können Sie in Artikel 64 folgende die Bestimmungen über die Schiedsgerichte nachlesen, denen Sie zuge­stimmt haben. Also beim Irak ist es okay, aber bei Kanada ist es nicht okay. Das heißt, da wird mit zweierlei Maß gemessen. (Beifall bei den NEOS.)

Nicht von der Hand zu weisen ist natürlich die Tatsache, dass europäische Staaten in der Folge von Kanada oder von kanadischen Unternehmen bei Schiedsgerichten ge­klagt werden könnten – und umgekehrt!; das muss man natürlich auch immer dazusa­gen –, wenn ein EU-Mitgliedsland eine kanadische Firma ohne Entschädigung enteig­net oder diskriminiert. Aber das, was da oft kolportiert wird, nämlich die Klagen wegen entgangenen Gewinns, wäre völlig aussichtslos und ohne jede Chance auf Erfolg. Da von Sonderklagsrechten zu sprechen ist absurd. Auch andere, ähnliche Wortkonstruk­tionen sind an den Haaren herbeigezogen. Es gibt 60 Investitionsschutzabkommen der Republik Österreich mit anderen Ländern. Darin sind Schiedsgerichtssystematiken ent­halten, die sich international über viele Jahre bewährt haben. Und dieses System wur­de im Zuge der CETA-Verhandlungen auch noch weiterentwickelt, wie bereits ausge­führt wurde.

Dabei ist auch festzuhalten: Davon profitieren natürlich KMUs viel mehr als die bösen Großkonzerne, so wie es heute schon jemand formuliert hat. Weil große Konzerne um­fangreiche Rechtsabteilungen unterhalten, ist für diese ein solcher Prozess normales Tagesgeschäft, aber ein Mittelbetrieb, der das nicht hat, profitiert von solchen Abkom­men eigentlich mehr als diese. (Abg. Steinbichler: Das ist etwas ganz Neues!)

Was auch gern von den Propagandisten herangezogen wird, ist die Geschichte mit Ägypten und dem Mindestlohn. Angeblich hat ein Unternehmen den Staat Ägypten ge­klagt, weil die dort den Mindestlohn angehoben haben. Was aber ist dort tatsächlich pas­siert? – Die Firma Veolia hat im Rahmen eines Weltbankprojekts den Auftrag bekom­men, die Ausgasungen von Mülldeponien in der Nähe von Alexandria zu reduzieren. Das war ja in Wirklichkeit ein Klima- und Umweltschutzprojekt. Das Projekt war befristet und fertig kalkuliert. Aber nachdem die Vereinbarung abgeschlossen war, hat Ägypten die Mindestlöhne für diesen Bereich angehoben, und damit war die Kalkulation kaputt, und deswegen hat Veolia die Differenz eingeklagt. So ist das gelaufen! (Zwischenruf des


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Abg. Pirklhuber.) Wenn heute österreichische Unternehmen in der Türkei oder in Russ­land wirtschaften und sie die dortige Rechtssicherheit kennen, dann sollten sie froh sein, wenn es andere Möglichkeiten gibt, als dort vor den staatlichen Gerichten zu klagen.

Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, haben in Ihrer Dringlichen Anfrage auch geschrieben, es käme die Gesundheitsvorsorge in Bedrängnis. Um Gottes willen! Wie kommen Sie darauf, dass bei einem Abkommen mit Kanada die Gesundheitsvorsorge in Bedrängnis kommen könnte?! Sie sollten sich einmal anschauen, wie die Gesund­heitsvorsorge in Kanada funktioniert. Dort gibt es nämlich den Canada Health Act. Und wissen Sie, was der festschreibt, und zwar staatlicherseits? – Der schreibt fest, dass alle Bundesstaaten einen einheitlichen Standard der Gesundheitsversorgung garantie­ren müssen, und zwar ist diese öffentlich organisiert. Wenn Sie sich in Kanada legal auf­halten, dann dürfen Sie das öffentliche Gesundheitssystem in Anspruch nehmen.

Bei uns hingegen gibt es 18 Sozialversicherungsträger und 16 KFAs, die alle andere Standards bieten, mit und ohne Selbstbehalte. In Kanada gibt es jedoch einen Health Act, dort ist die Gesundheitsversorgung für alle gleich und garantiert, sie ist dort eigent­lich besser als bei uns. Darüber müssten Sie eigentlich froh sein, aber es ist ja in die­sem Abkommen vorbehalten, dass jedes Vertragspartnerland das für sich so ausge­stalten darf, wie es ihm beliebt.

Was Sie offensichtlich auch nicht verstanden haben – sowohl die Freiheitlichen als auch die Grünen, beide nicht –, ist folgender Umstand: Kanada ist ja aktuell das Ge­genbeispiel schlechthin. Das Kanada des Justin Trudeau ist das exakte Gegenmodell zu den USA des Donald Trump. Der moderne Trudeau, der international Verbindungen sucht und der sein Land nach vorne bringt, macht eine zeitgemäße Politik. Dem steht gegenüber der nach innen gekehrte, protektionistische Trump. Und gegen dieses Ka­nada treten heute die Grünen auf. Von den Freiheitlichen haben wir das erwartet, von den Grünen nicht. Ihre Politik ist national, sie ist protektionistisch und sie ist rückwärts­gewandt. (Beifall bei den NEOS.)

16.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Abg. Steinbichler begibt sich mit zwei vollen Einkaufstaschen und einer Schautafel zum Rednerpult. – Oje-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Steinbichler: Ich bin extra einkaufen gegangen!)

 


16.36.04

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Duzdar! Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehgeräten und auf der Galerie! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf welcher drei EU-Gemeinschaftszeichen abgebildet sind, die folgende Überschriften tragen: „Geschützte geografische Angabe“, „Geschützte Ursprungsbezeichnung“, „Garan­tiert traditionelle Spezialität“.)

Vorweg ein Dank an alle Unterzeichner und Unterzeichnerinnen des Volksbegehrens gegen CETA und TTIP. Ich denke, das sind mündige Bürger, die wissen, dass da et­was im Busch ist, und dieses Demokratieverständnis gehört natürlich auf allen Ebenen unterstützt.

Ich darf gleich überleiten zu der diesbezüglichen Enquete, die hier in diesem Haus statt­gefunden hat. Es haben zahlreiche Experten daran teilgenommen, und nicht einmal die Befürworter, nicht einmal die größten Optimisten haben bei TTIP und CETA große Ge­winnchancen, Gewinnmargen gesehen, nämlich maximal 0,8 bis 1 Prozent, verteilt auf zehn Jahre. Na, da wissen wir, wovon wir reden! Da gibt es bei der Inflation mehr Hoff­nungsschimmer.


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Ich erinnere auch daran, wie sich die Regierungssprecher eingegraben haben, aber durchaus auch die Kollegen von den NEOS. Wenn ich mir jetzt die neue Wirtschafts­theorie des Kollegen Loacker angehört habe, so muss ich sagen: Das ist überhaupt eine neue These. Du hast da anscheinend große Erfahrung, wenn du sagen kannst, dass sich die Konzerne irrsinnig um die Klein- und Mittelbetriebe kümmern. Das ist ja eine ganz neue Sichtweise. Sprich einmal mit den Klein- und Mittelbetrieben, die an die Konzerne liefern, über die großen Gewinnmargen, die sie haben! Die wissen gar nicht mehr, wo überall sie noch ein Schloss bauen sollen, weil sie so gut verdienen. Aber man kann auch etwas schönreden, was sicher im Detail zu denken geben soll.

Ich frage mich: Warum konnte die Lenzing AG, warum konnte Magna, warum konnte die Firma Sticht, warum konnte Red Bull ohne Freihandelsabkommen, ohne Regulie­rungsabkommen so großartige internationale Erfolge erzielen? Also da muss es ein an­deres Interesse geben.

Ich bin dem ORF dankbar, dass er sich zunehmend auch dem Thema Ernährung wid­met. Wer heute früh die Morgensendung von „Zeit im Bild“ gesehen hat, in der eine Haubenköchin zum Thema gesunde Ernährung, von Slow Food gesprochen hat, war erstaunt, denn auf die Frage, ob sich die Leute gesunde Ernährung leisten können, ob das nicht zu teuer wäre, hat sie gesagt: Nein, wir werden dazu gezwungen, denn wir zerstören gerade einen Planeten mit unserer raubtierkapitalistischen Einstellung! (Bei­fall beim Team Stronach. – Abg. Heinzl: Woah!)

Und wenn ich mir vor Augen führe, was hier gesagt wird, wenn von teuren Lebensmit­teln gesprochen wird, dann muss ich sagen: Wir haben eine Realitätsverleugnung hier im Hohen Haus. Denn: 6,5 Prozent gibt der Österreicher/die Österreicherin für Grund­nahrungsmittel aus. Ich betone: 6,5 Prozent! Schauen wir einmal, wo die tatsächlichen Kostenfresser sind!

Aber meine größte Sorge gilt folgendem Faktum – ich habe es heute bei der Debatte über den Umweltbericht und auch in der gestrigen Sitzung dargelegt –: Bei nur mehr 38 Prozent nutzbarer Fläche haben wir die Ernährungssouveränität verloren. Wir brau­chen tatsächlich eine Nachhaltigkeitsstrategie. Wir müssen die lokalen Gegebenheiten in den Vordergrund stellen: Wie sieht es mit der Energiesouveränität aus? Wo sind wir bei den Stromimporten angekommen? Ist das die Wirtschaftsfähigkeit, die wir brau­chen, um nach Kanada zu exportieren?

Ich habe auch einige Beispiele mitgenommen, damit man sieht, was ohne diese Frei­handelsabkommen möglich ist. Ich habe hier Rindersteaks (eine Packung, auf der Steaks abgebildet sind, in die Höhe haltend), die 12 000 Kilometer weit transportiert wurden. – Sehr umwelt- und klimagerecht!

Natürlich haben wir hier in diesem Hohen Haus schon öfters das Weinwunder be­schwört. Herr Vizepräsident des Österreichischen Bauernbundes Schmuckenschlager ist dafür auch verantwortlich. Ich bin ja stolz darauf. Interessant wäre allerdings, warum wir dann in den österreichischen Supermärkten, die mit dem Klimaschutzpreis ausge­zeichnet werden (eine Weinflasche in die Höhe haltend), einen australischen Zinfandel brauchen. – 14 000 Kilometer, Kolleginnen und Kollegen! Was werden da die Erzeuger bekommen? Was werden da die Erzeuger in Australien und, lieber Kollege, was wer­den die Erzeuger im Burgenland und in Niederösterreich bekommen?

Und hier (einen Plastiksack mit Äpfeln in die Höhe haltend) ist Obst, das man unbe­dingt importieren muss, weil wir das in Österreich ja nicht haben. Wir haben ja in Öster­reich keine Äpfel und wir haben keine Obstbauern. Die Äpfel muss man natürlich aus Süd­tirol herankarren; auch wieder 400 Kilometer Transportstrecke! – Deshalb, so meine ich, müssen wir hier grundsätzlich umdenken.


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Kollegen, wenn man das mit Freihandel untermauern will, wenn man dafür Verträge ma­chen will, damit das Ganze noch nebuloser wird, dann wird das letztendlich für die Ei­genversorgung, für die Souveränität der Länder zu einem fatalen Ende führen.

Wir haben es gesehen! Wenn Präsident Schultes hier dieses Abkommen verehrt und – ich habe es gestern erwähnt – sich der Bauernbund im „Neuen Volksblatt“ zu diesem Freihandelsabkommen bekennt, dann frage ich die Vertreter dieser bäuerlichen Ge­nossenschaften, die hier den Handel so hart kritisiert haben: Wer liefert den Handels­konzernen, wer liefert den Handelsriesen die No-Name-Eigenmarken? Wer produziert die billige Eigenmarke, egal wie sie heißen mag? Wer liefert die? Wer hat da die Fäden in der Hand? Und wer jammert hier? – Das ist ja an Scheinheiligkeit nicht zu überbie­ten!

Ich verstehe, dass der Präsident nicht im Haus ist, weil er sonst nämlich anfangen müss­te nachzudenken, was er hier von sich gibt und was er zu vertreten hätte. (Beifall beim Team Stronach.) Das sind die Probleme, die man in diesem Kontext diskutieren sollte.

Jawohl, hier in diesem Haus müssen wir die Grundsatzentscheidung treffen: Wollen wir Österreich als Nationalpark, wollen wir hier eine schöne Wohnlandschaft, wollen wir eine Kulturlandschaft, wo uns niemand stört? – Schauen wir, wer das pflegen wird, wer das bewirtschaften wird! Vielleicht die Wirtschaftsflüchtlinge, die dann aus den Ländern kommen, wo unsere Nahrungsmittel herkommen?! Wir haben dann die Nahrungsmittel aus dem Regenwald.

Damit (die am Rednerpult lehnende Tafel umdrehend, wodurch eine Werbung für ein But­ter-Ersatzprodukt sichtbar wird) möchte ich schließen. Das sind die Fakten. Die Kon­zerne werden uns natürlich Industriefood liefern. Das wird auch geschmacklich in Ord­nung sein, aber sehen wir das auch einmal von der Seite der Gesundheit, sehen wir das aus dem Blickwinkel der echten Nachhaltigkeit, nicht vom missbrauchten Schlagwort Nachhaltigkeit, und sehen wir das bitte ganz besonders aus Sicht unserer nachfolgen­den Generationen! Wir können hier das höchste Gut verspielen: die Zukunft unserer Kin­der und Enkelkinder. – Danke. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Pirklhuber und Julian Schmid.)

16.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. – Bitte.

 


16.42.59

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir uns hier im Parlament sehr hitzig, teilweise sehr fundiert, aber leider manchmal auch eher oberflächlich mit der Thematik der Freihandelsabkommen und anderer internationaler Ab­kommen beschäftigen.

Es sei einmal ein klares Bekenntnis zu internationalen Abkommen vorausgeschickt. Es gibt Abkommen wie den Weltklimavertrag oder die Verständigung auf die nachhaltigen Entwicklungsziele, die in schwierigen Prozessen, in großen Konstellationen über eine lange Zeit, aber sehr offen und transparent diskutiert zu positiven und allgemein akzep­tierten Ergebnissen geführt haben. Das kann man bei CETA, TTIP und TiSA leider nicht sagen, und – meine Kollegin Kucharowits hat das angesprochen – es gibt eine gewisse Grundskepsis, die vielleicht nicht immer im Detail mit den tatsächlichen Vertragstexten übereinstimmt, und das verunsichert die Menschen. Das führt dazu, dass Wahrheit und Dichtung sehr nahe beieinanderliegen, nur tragen die Verantwortung dafür nicht nur die­jenigen, die heute immer wieder als Freihandelsskeptiker kritisiert wurden, sondern da­für hat auch die Europäische Kommission eine Mitverantwortung zu tragen.

Ich erinnere mich an viele Debatten in Ausschüssen, in Enqueten, zum Beispiel mit Kom­missarin Malmström. Wenn mir jemand sagt: Wartet mit der Diskussion und den Frage-


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stellungen, bis wir fertig sind, dann lest ihr den Text und könnt ihr darüber diskutieren!, und, wie zu erwarten ist, dann sagt: Jetzt ist es fertig, jetzt brauchen wir nicht mehr zu diskutieren!, nährt das natürlich Widerstand – und dieser Widerstand ist tief in der ös­terreichischen Bevölkerung angekommen. (Abg. Rädler: Und was sagt der Kern?)

Liebe Kollegin Winzig, ich schätze Sie ja als wirklich kämpferische Befürworterin dieser Freihandelsabkommen mit offenem Visier, aber die Verkäuferin, die du zitiert hast, hat wahrscheinlich auch das Gefühl, dass dieser Freihandel für sie persönlich keinen wirt­schaftlichen, keinen sozialen Aufstieg bringt. Sie wird sich wahrscheinlich Folgendes den­ken, und damit bleibe ich jetzt bei einem ganz simplen Beispiel, das immer wieder – nicht von mir, sondern von anderer Seite – gekommen ist; ich wiederhole es hier, vielleicht kannst du das der Verkäuferin sagen: Wenn 11 Prozent Zoll auf Mineralwasser gegen­über Kanada abgebaut werden, kann das natürlich zu einer Wirtschaftsbelebung füh­ren, aber vielleicht spürt die von dir zitierte Verkäuferin, dass sie dann in ihrem Ge­schäft Mineralwasser aus Kanada, aus den Rocky Mountains, verkauft, und in Kanada soll dann das Vöslauer Mineralwasser getrunken werden.

Natürlich, vom Volumen her steigert sich der Handel, aber ob das nachhaltig ist, ob das sinnvoll ist, ob das im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten ist, ist etwas an­deres. Daher auch die Grundskepsis.

Wir Sozialdemokraten sehen uns verantwortlich dafür, all diese Bereiche, die Nachhal­tigkeit in der Umweltpolitik, die Arbeitsbedingungen, die sozialen Auswirkungen, voran­zustellen und dann Ja oder Nein zu sagen. (Abg. Peter Wurm: Was heißt das jetzt? Was heißt das jetzt für die Sozialdemokratie?) – Das sage ich dir als Schlusswort.

Und noch einen Hinweis, weil der Initiator dieses Volksbegehrens, Bürgermeister Her­bert Thumpser, angesprochen wurde. Er hat gesagt, er hat irgendwann einmal nach ein paar Seiten aufgehört, den Text zu lesen. – Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die meis­ten Österreicherinnen und Österreicher lesen nicht alle Gesetzestexte bis zum Schluss, aber sie spüren politisch und sozial, ob da etwas Gutes für sie passiert oder etwas Ne­gatives. (Abg. Walter Rosenkranz: Na, was machts ihr jetzt? – Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

Deshalb ein herzliches Dankeschön nicht nur an Herbert Thumpser und seine Mitstrei­terinnen und Mitstreiter, sondern auch an all diejenigen, die aus unterschiedlichen Grün­den dieses Volksbegehren unterstützt haben, die uns einen Auftrag mitgeben. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Rädler: Und was sagt da jetzt die SPÖ?)

Als konkrete Antwort – danke für den Zwischenruf, Kollege Rädler –: Dieses Abkom­men ist in der derzeitigen Verfasstheit für uns nicht ratifizierbar! (Ruf bei den Grünen: Richtig!) Es gibt offene Fragen. Wir können jetzt den Weg diskutieren, ob wir in Rich­tung Verbesserung dieses Abkommens arbeiten wollen oder ob wir es sofort ad acta legen. (Abg. Peter Wurm: Trotzdem, wenn das …! Es tritt in Kraft, Herr Kollege!)

Da bin ich beim Kollegen Kogler: Es nützt uns nichts, wenn Kollege Kogler zum Bei­spiel EU-Grundrechte infrage stellt. Das mag eine Debatte beleben, das mag hier he­rinnen im Diskurs vielleicht witzig wirken, aber es verunsachlicht die Debatte. Wir ha­ben im EU-Grundrecht das Nachsorgeprinzip klar verankert. Es gibt dagegen viele an­dere politische Fragen, die ganz offensiv diskutiert werden.

Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Wir sind deshalb so skeptisch, weil die Menschen ein Grundgefühl haben, Angst haben, dass Deregulierungsmaßnahmen, Liberalisierungsmaßnahmen ihre sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen nicht ver­bessern, sondern verschlechtern.

Deshalb lade ich ein, dass wir weiterverhandeln im Sinne eines europäischen und von mir aus kanadischen, eines gemeinsamen sinnvollen Mechanismus, wie wir die sozia-


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len und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Menschen in beiden Regionen ver­bessern können. Wenn das durch ein Handelsabkommen erreichbar ist, dann soll es so sein, aber nicht durch ein politisches Regulierungsprogramm, das das österreichische Parlament und damit die Bürgerinnen und Bürger entmündigt. (Beifall bei SPÖ und Grü­nen.)

16.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Nachbaur. – Bitte.

 


16.49.36

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staats­sekretärin! Liebe Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Steuerzahler! Ich kenne Ka­nada sehr gut, ich habe dort zwölf Jahre lang gelebt, und ich kann Ihnen sagen, als Österreicher fühlt man sich drüben sehr bald daheim. Die sind uns in Kanada kulturell doch wesentlich näher als ihre südlichen Nachbarn, als die USA. Daher möchte ich in meiner Rede auch gerne ein paar wichtige Unterschiede zwischen CETA und TTIP her­vorheben – die werden nämlich manchmal in einen Topf geworfen, und das sollte nicht so sein. Aber zunächst einmal zu Kanada.

Beim Einkaufen ist mir schon aufgefallen, dass man mehr auf die Qualität achten muss als bei uns in Österreich. Hormonsteaks von mit Mais gefütterten Rindern gibt es regel­mäßig. Sie schmecken übrigens hervorragend, aber der Hausverstand und auch die Waage zeigen einem schon, dass man da ein bisschen aufpassen muss. Als liberaler Mensch denke ich mir aber, dass der Konsument selbst entscheiden soll, was er ein­kauft und was er verspeist. Die Wahlfreiheit setzt natürlich die entsprechende Informa­tion voraus, und daher gibt es im CETA-Abkommen eine klare Kennzeichnungspflicht.

Ich finde, gesunde Ernährung ist in Kanada doch ein bisschen teurer als bei uns, das zeigt aber, dass unsere heimischen Produzenten da durchaus Chancen haben. Dank unserer Bauern sind unsere Lebensmittel ja qualitativ sehr, sehr hochwertig, und be­kanntermaßen nimmt das Gesundheitsbewusstsein vor allem in der entwickelten Welt überall deutlich zu. Da ist also absolut eine Chance gegeben.

CETA unterscheidet sich allerdings nicht nur beim Thema Kennzeichnungspflicht we­sentlich von TTIP. TTIP ist ja unter anderem wegen mangelnder Transparenz zu Recht sehr kritisiert worden; aber dieses Abkommen kommt jetzt dank Donald Trump ohnehin nicht. Die Grünen befinden sich hier in einer bemerkenswerten Allianz mit Donald Trump – wer hätte sich das gedacht? (Heiterkeit des Abg. Peter Wurm. – Zwischenruf des Abg. Walser.) Jedenfalls ist beim fertig ausverhandelten Kanada-EU-Abkommen der gesamte Text seit zwei Jahren öffentlich und zugänglich, während sich die USA-Ver­handler regelmäßig in Schweigen gehüllt haben.

TTIP wäre auch bei der Regulierung weit über CETA hinausgegangen: Bei CETA müs­sen Importeure nämlich weiterhin lokale Standards anwenden, und Best-Practice-Ideen sollen über die Behörden ausgetauscht werden – that’s it. Auch in der Streitschlichtung ist es bei CETA ganz anders als bei TTIP, es geht nämlich bei CETA um einen per­manenten Gerichtshof mit fest angestellten Richtern und mit einer Berufungsmöglich­keit.

Immer wieder steht auch der Vorwurf im Raum, dass das alles nur für die großen Kon­zerne gemacht wird. Ich komme aus der Privatwirtschaft, aus einem Konzern und dachte mir, das hinterfrage ich persönlich. Ich habe also mit einigen mir gut bekannten Indus­triellen und Managern von Konzernen über Freihandelsabkommen gesprochen, und die haben mir gesagt, sie brauchen das eigentlich nicht dringend. Es ist nämlich ganz ein­fach: Wenn ihr Produkt wettbewerbsfähig ist, wird es auf der ganzen Welt nachgefragt und verkauft, Zölle hin oder her.


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Anders schaut es da schon für die KMUs aus: Da können die Zölle tatsächlich ent­scheidend sein, ob exportiert wird oder nicht. So müsste beispielsweise ein österrei­chischer Marmeladenhersteller, der nach Kanada liefert, 13 Prozent Zoll zahlen und für Essiggurkerln immerhin noch 8 Prozent, was den Export natürlich denkbar unattraktiv macht.

Beim weltweiten Handel geht es aber natürlich um mehr als um den Zoll auf Gurkerln. Wenn man sich die Handelsverträge der vergangenen dreißig Jahre anschaut, sieht man schon, dass China, Indien, Thailand, Südkorea und Malaysia sich enorm weiter­entwickelt haben. Hunderte Millionen von Menschen wurden aus der Armut und ins­besondere vom Joch des Kommunismus befreit. Die Globalisierung hat die Ungleich­heit auf der Welt dramatisch verringert – die Kehrseite ist allerdings, dass viele Pro­duktionsbetriebe aus unseren hoch entwickelten und teuren Ländern in diese billigeren Länder abgewandert sind, und so ist beispielsweise die portugiesische Textilindustrie kaputtgegangen. Vor allem niedrig qualifizierte Arbeiter sind Globalisierungsverlierer – und ja, es gibt wirklich viel zu viele Globalisierungsverlierer. Genau dafür haben wir in unseren entwickelten westlichen Ländern die Sozialsysteme geschaffen, die das abfe­dern und abfedern müssen.

Problematisch wird das mit den Sozialsystemen aber genau jetzt, wo Menschen aus anderen Ländern und Kontinenten draufgekommen sind, dass auch sie sich diese So­zialsysteme zunutze machen könnten. Der Sozialstaat wird zu einem Magneten, und das ist die wirklich große Herausforderung der Zukunft. Bei uns ist der Sozialstaat das sinnvolle Komplement einer weltoffenen Freihandelspolitik, aber für Masseneinwande­rung kann das nicht designt sein.

Zum Abschluss zitiere ich Milton Friedman, Nobelpreisträger und einer der einfluss­reichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts: You can have open borders or you can have a welfare state, but you cannot have both. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


16.55.07

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Ho­hes Haus! Sehr verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ist Ihnen aufgefallen, dass genau die Befürworter, die Sachlichkeit einfordern und sich über Populismus beklagen, die polemischsten Reden gehalten haben? (Beifall bei der FPÖ. – Ruf: Ja, genau!) Und haben Sie bemerkt, dass jene, die unterstellen, dass die anderen keine Argumente hät­ten, sondern eben nur populistisch vorgehen würden, genau ihr Wissen ganz bei sich be­halten haben, keine Argumente auf den Tisch gelegt haben? (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen bis jetzt nicht, warum es für uns besser sein soll – und wir führen ja keinen Glaubenskrieg, sondern wir behandeln eine höchst pragmatische Frage, nämlich ein wirtschaftspolitisches Abkommen –, den jetzigen Zustand zu beenden – wir haben frei­en Handel mit Kanada, keine Rede von Protektionismus – und auf ein neues Abkom­men überzugehen. Ich weiß es nicht! Herr Loacker, Sie haben es mir nicht erklären kön­nen, und ich glaube, dass es auch viele derer, die zweifeln und skeptisch sind, jetzt auch nicht anders sehen als vorher. (Beifall bei der FPÖ.)

660 000 Leute haben unterschrieben, und vor allem hier hat man ihnen vorgeworfen, sie sind ängstlich, haben irrationale Ängste, sie sind populistisch verführt, ein bisschen dumm sozusagen, und sie haben das Abkommen nicht gelesen – was übrigens nicht ihre Pflicht ist, sondern jene, die das wollen, müssen einfach und deutlich erklären, wa­rum es für Österreich gut sein soll. Sie haben auch, das wage ich zu sagen, nicht ge­gen den Freihandel votiert, natürlich nicht, sondern sie haben festgestellt, dieses Ab-


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kommen ist schon von seiner Entstehungsgeschichte her etwas, was sich schwer ver­dächtig gemacht hat.

Es gab Intransparenz, Geheimniskrämerei – das haben Sie selbst zugegeben und ge­sagt, so dürfen wir nicht weitermachen, das muss besser dargestellt werden, aber bes­ser ist es nicht geworden. Die Debatte, die dann geführt worden ist, nachdem Sie schon einbekannt haben, dass das so nicht gut war, als Sie bemerkt haben, dass der Wider­stand groß ist, hat dennoch nichts zur Aufklärung beigetragen. Es wird auch so blei­ben, dass die wirklichen Dinge nicht offen debattiert werden, dass sich die Bürger nicht entscheiden können, ob sie es so oder so sehen, weil sie das möglicherweise auch gar nicht wirklich wollen.

Jetzt komme ich zu dem Punkt zurück, der schon mehrfach angesprochen worden ist und der ja auch der Kernpunkt ist: Es ist kein einfaches Handelsabkommen, das sagen ja seine Befürworter selbst. Ich war bei einigen dieser Hearings und Gespräche dabei. Man sagt, es ist ein modernes Abkommen, es ist kein konventionelles Abkommen, es geht weit über die üblichen Dinge hinaus. Das wurde dann immer auch als Lob dar­gebracht, und es ist auch so: Nur 20 Prozent – Axel Kassegger hat es gesagt – drehen sich um den Abbau von tarifären Handelshemmnissen, der Rest sind völlig andere Be­stimmungen. Und da darf ich auf eines eingehen, das ich für gefährlich halte, das ist die sogenannte regulatorische Zusammenarbeit.

Liebe Zuseherinnen und Zuseher, was ist darunter zu verstehen? – Das heißt, wenn der Staat A vorhat, ein bestimmtes Gesetz zu ändern, dann muss er, wenn er einen Vertrag mit Staat B hat, diesen Staat vorab außerhalb des Parlaments, vor parlamen­tarischen Beratungen darüber informieren. Wozu soll das gut sein? – Damit nämlich Staat B dann auf die weitere Gesetzwerdung Einfluss nehmen kann. Das heißt, dieses Abkommen ist kein Abkommen, das über etwas Ausgehandeltes, Bestehendes, zu dem man Ja oder Nein sagen kann, entscheidet, sondern es ist vom Prinzip her darauf aus­gerichtet, dass es sich immer weiter entwickelt und ausdehnt.

Konkretes Beispiel: Ein Unternehmen im Staat A hat entdeckt, dass es im Staat B we­gen mangelnder Umweltschutzgesetzgebung sehr lukrativ ist, in den Holzhandel einzu­steigen, hat dort massiv gerodet, ohne wieder aufzuforsten. Das war natürlich für das Un­ternehmen des Staates A herrlich: große Gewinnspanne, lukratives Geschäft, allerdings auch verheerende Umweltfolgen. – Staat B nimmt sich vor, seine Umweltgesetzgebung etwas anzuziehen, um eine Wiederaufforstung zu verlangen; das Unternehmen inter­veniert, lobbyiert bei seiner Regierung, in seinem Parlament, und dieses Parlament ver­sucht zu verhindern, dass Staat B seine Umweltschutzgesetzgebung etwas besser ge­staltet. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist ein konkretes Beispiel, und so wird es auch sein. Das ist natürlich eine angenehme Regelung, wenn der Staat stark ist; wenn der Staat – und das haben wir schon mehrmals gesehen – nicht so stark ist, wie unserer, wenn er gern nachgibt, immer fünf gerade sein lässt, dann ist das natürlich ei­ne schwere Bedrohung.

Dieser Vertrag lässt es zu, dass wirtschaftliche Interessen, dass Lobbyinteressen auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen. Und allein deswegen werden wir dem nicht zu­stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.00


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


17.00.21

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr als eine halbe Million Menschen hat das Volks­begehren gegen CETA, TTIP und TiSA unterschrieben. Das ist ein ganz wichtiges Sig-


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nal. Es ist auch ganz wichtig, dass nicht alles so kommentarlos hingenommen wird. Und es ist ein ganz klares und starkes Signal in die Richtung, dass die Aushöhlung der De­mokratie nicht vorangetrieben werden darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt muss sich das Parlament, ob es will oder nicht, mit diesem Freihandelsabkommen CETA befassen, erneut befassen. Ob jetzt die Giftzähne gezogen werden oder nicht oder ob man alle Zähne zieht – wir wer­den sehen. Ganz wichtig und richtig ist, dass dieses bereits ausverhandelte Freihan­delsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada aufgeschnürt werden muss. Man kann die Interessen und die Befürchtungen der Bevölkerung nicht einfach so igno­rieren, wie es die Bundesregierung und die EU getan haben.

Ich möchte schon noch festhalten, dass immer wieder behauptet wird, dass diese Frei­handelsabkommen und vor allem auch die EU so viele Arbeitsplätze schaffen würden oder geschaffen hätten. Zweifelsohne: Es wurden Arbeitsplätze geschaffen, aber es wurden auch Arbeitsplätze vernichtet. Man spricht immer von der Stärkung des länd­lichen Raumes, das ist ein ganz wichtiges Anliegen, aber: Wie viele kleine Geschäfte, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem auch Greißler, sind nach dem EU-Beitritt verschwunden? Für ein florierendes Dorfleben, für die Infrastruktur einer Ge­meinde ist es ganz, ganz wichtig, dass diese Geschäfte weiterhin bestehen, denn sonst wird es auch in Zukunft weitere Abwanderung geben.

Deshalb darf ich mich auch bei den Organisatoren, bei den Unterzeichnerinnen und Un­terzeichnern dieses Volksbegehrens herzlichst bedanken. – Danke schön. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Gerhard Schmid.)

17.02


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte.

 


17.02.28

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Zu­schauer! In der Menschheitsgeschichte gab es ja so einige Irrwege, wie wir alle wissen. Die Atomkraft zum Beispiel war so ein Irrweg. Damals, in den Fünfziger- und Sechzi­gerjahren, als man sogar Atomkraftwerke in Autos einbauen wollte, hat man all jene, die das kritisch gesehen haben, diffamiert, schlechtgemacht. Es ist immer wieder die Ar­gumentation gekommen, man sei fortschrittsfeindlich, man wolle wieder zurück in die Höhle, man wolle nicht, dass die Menschen voranschreiten und etwas Positives umset­zen. So hat man damals die Atomkraftgegner, die es in den Sechziger- und Siebziger­jahren noch nicht so zahlreich gab, diffamiert.

Heute ist es ähnlich mit jenen – und da gibt es in Europa ganz viele davon –, die nichts von der grünen Gentechnik halten, die also nichts davon halten, dass man Lebensmit­tel verändert, und zwar nicht nur, wie man es bisher gemacht hat, durch Züchtung, son­dern dass man ganz gezielt artfremde Gene einschleust, das heißt, von einer Pflanze in eine andere Pflanze, von einer Tomate in den Weizen, oder von einem Tier in ein an­deres – und das Ganze auch noch artfremd.

Das Spannende an der Sache ist, dass sich keiner Gedanken darüber macht, ob es negative Auswirkungen auf die Gesundheit geben könnte. Worüber man sich Gedan­ken macht, ist Folgendes: Man will mehr Umsatz machen, man will mehr Ertrag haben, man will mehr Gewinn abschöpfen, und man will die Eigenschaften dieser Lebensmittel verändern, um sie industriell besser verarbeiten zu können; ob es dann gesundheitli­che Probleme beim Konsumenten gibt, darum kümmert sich in den USA niemand.

Jetzt sind wir beim Handelsabkommen. Wir haben nämlich einen Glaubenssatz, der uns hier in Europa bisher vor diesen Lebensmitteln geschützt hat, nämlich dass wir sa­gen: Wenn jemand solche Lebensmittel in Verkehr bringt, muss er beweisen, dass sie


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unschädlich sind. In den USA ist es genau umgekehrt, das heißt, dort müssen jene, die das kritisch sehen, beweisen, dass von diesen Lebensmitteln eine Gefahr ausgeht. Das nennt man bei uns das sogenannte Vorsorgeprinzip.

Dieses haben wir uns mühsam bewahrt – gegen alle Widerstände, gegen all jene, die vonseiten der Industrie Druck auf alle möglichen Leute ausüben, um endlich die Seg­nungen der Gentechnik auch in Europa verfügbar zu machen. Das ist der Hintergrund dieses Abkommens.

Wir haben es heute ohnehin schon gehört: Da geht es nicht um Freihandel, es geht im Lebensmittelbereich darum, dass man all jene Lebensmittel, die dort mit Gentechnik, mit Hormonen, mit all den Blödheiten versehen sind, die ja wieder einmal aus den USA kommen, so wie die Atomkraft, dass man all das auch nach Europa exportieren will, weil die Industrie vor Ort das so will.

Jetzt sagen viele: Wir müssen das ja nicht kaufen. Nur: Wenn man die Verträge genau liest, dann sieht man, da steht ja nicht gentechnisch verändert drauf, sondern das wird mitverarbeitet, das heißt, das ist dann in einem verarbeiteten Lebensmittel, und dann ist es verboten, es zu kennzeichnen. Wenn wir es kennzeichnen und draufschreiben würden, dass das gentechnisch veränderte Lebensmittel aus den USA sind, und keiner würde diese mehr kaufen, dann entstünde den Betrieben ein Schaden, sie könnten kla­gen und bekämen auch noch Recht.

Das ist ja das Problem. Das heißt, was hier mit diesem Abkommen gemacht wird, ist nichts anderes, als dass man versucht, den europäischen Konsumenten diese minder­wertigen, nur auf Profit ausgerichteten Lebensmittel unterzuschieben, und wenn es die Europäer nicht schlucken, dann werden sie verklagt. So kann man es auf eine einfache Formel bringen. Das ist der Hintergrund. (Beifall beim Team Stronach.)

Jetzt sagen viele, ich sei fortschrittsfeindlich, denn die Gentechnik bringe auch viele Vorteile wie mehr Ertrag und bessere Eigenschaften im Sinne der Weiterverarbeitung in der Industrie. – Ja, das stimmt alles, aber schauen Sie sich einmal an, wo uns das hingeführt hat! Wir haben mittlerweile Lebensmittel, die nichts mehr mit den Urlebens­mitteln zu tun haben. Die Lebensmittel werden immer minderwertiger, der Konsument hat letztlich die Probleme zu tragen.

Deshalb: Ich halte viel von Freihandel, ich halte viel von Fortschritt, ich habe auch kein Problem damit, wenn wir billige Bohrmaschinen aus China um 20 € geliefert bekom­men, die nach dem dritten Bohrloch bereits den Geist aufgeben. Damit habe ich kein Problem, da kommt niemand zu Schaden, aber wenn wir Lebensmittel auf den Tisch bekommen, wobei wir als Konsumenten gar nicht mehr entscheiden können, ob wir sie auf den Tisch bekommen wollen, die uns langfristig krank machen – und es gibt genug Studien, die das beweisen –, dann ist es ein Problem und dann bin ich fortschrittsfeind­lich, denn in diesem Bereich brauchen wir keinen Fortschritt. (Beifall beim Team Stro­nach.) Wir brauchen ihn überall, bei allen anderen Dingen, wir brauchen ihn aber nicht bei den Lebensmitteln, sodass wir auf der einen Seite minderwertige Lebensmittel auf den Tisch bekommen, die nur jenen nützen, die sie produzieren, und auf der anderen Seite dadurch unsere Bauern umbringen und es uns letztlich in der Krisensituation nicht einmal möglich ist, uns selbst zu versorgen. Das ist das Problem.

Deshalb: Dieses Abkommen ist abzulehnen. Ich glaube, dass eine halbe Million Ös­terreicher nicht irren kann, und wenn sich mehr Leute hier herinnen genau damit be­fasst hätten, dann, so bin ich der Meinung, hätte das auch hier keine Mehrheit.

Also denken Sie noch einmal darüber nach, informieren Sie sich, und Sie werden se­hen, dass das eine Schnapsidee ist! – Vielen Dank. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Gerhard Schmid.)

17.08



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 164

Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


17.08.15

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Frau Staatssekretä­rin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möch­te mich zuerst bedanken, und zwar bei allen Initiatorinnen und Initiatoren dieses Volks­begehrens, bei den NGOs, die das Volksbegehren unterstützt haben, und bei allen, die die Mühe auf sich genommen haben, zu den Gemeindeämtern gegangen sind, und die­ses Volksbegehren unterstützt haben. Ich freue mich, dass es so viele Menschen in Ös­terreich gibt, die sich auch politisch für eine Sache engagieren. Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auch aufs Schärfste zurückweisen, dass alle Men­schen, die sich kritisch mit einer Sache auseinandersetzen, jetzt irgendwie als Popu­listen und Angstmacher hingestellt werden. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Ich denke, wenn man gute Argumente hat, dann kann man sie einfach austauschen, es gibt für beide Seiten Argumente, aber dann ist es nicht notwendig, dem Gegenüber Populismus zu unterstellen. (Abg. Rädler: Wenn es aber so ist?!)

Ich nehme das sehr ernst, was fast 600 000 Menschen unterschrieben haben. (Abg. Kogler – in Richtung ÖVP –: Das ist ja unglaublich! Ihr wisst nicht mal, was ihr selber beschlossen habt!) Diese fast 600 000 Menschen haben offensichtlich Sorge, was in Zukunft ihre Lebensbedingungen angehen wird, welche Lebensmittel sie in Zukunft es­sen werden, wie ihre Arbeitsbedingungen in Zukunft ausschauen werden, wie die Um­welt in Zukunft ausschauen wird und wer darüber entscheiden wird. Die Sorge ist nämlich, dass die Kontrolle darüber aus der Hand gegeben wird, und zwar nicht von einer politischen Instanz zur anderen, sondern von politisch gewählten VertreterInnen an Konzerne. Diese Sorge ist nicht unberechtigt, und es ist unsere Verantwortung, da­mit umzugehen.

Herr Kollege Loacker! Ich danke Ihnen für Ihr Beispiel, das ist nämlich genau das, warum die Sorge besteht: Ein Unternehmen geht in ein Land, nicht ein Unternehmen, ein Konzern in Ihrem Fall geht in ein Land und möchte dort ein Projekt umsetzen. Das Land ändert die Sozialstandards – so war es in Ihrem Fall – oder in einem anderen Fall vielleicht die Umweltstandards, und dann klagt das Unternehmen. (Abg. Loacker: 
… der Vereinbarung!) 
Na ja, aber das ist ja genau der Punkt. Das heißt, wann immer ein Konzern in ein Land geht, hat der Staat danach nicht mehr die Möglichkeit, Um­weltstandards oder Sozialstandards zu erhöhen, gerade das werden wir aber brau­chen, wenn wir zukunftsfähige Politik machen wollen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Barbara Rosenkranz.)

Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich finde, wir hier im Nationalrat haben diese Aufgabe auch wahrgenommen. Darauf sollten wir stolz sein und uns nicht darum herumschwindeln. Wir haben ganz klar festgelegt und die Regierung gebunden, dass wir keine Schiedsverfahren wollen, dass wir das Vor­sorgeprinzip sichergestellt haben wollen und dass wir keine vorläufige Anwendung die­ser Abkommen haben wollen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Hübner. – Bra­voruf des Abg. Kogler.)

Diese drei wichtigen Punkte sind nach wie vor nicht erfüllt. Frau Staatssekretärin! Nichts für ungut, aber zumindest die Frage 7, wie Sie sichergestellt sehen, dass die Bundes­regierung ihre verfassungsrechtlichen Verpflichtungen, nämlich sich an diese bindende Stellungnahme zu halten, eingehalten hat, wurde einfach nicht beantwortet. Diese Fra­gen sind nicht beantwortet, und die Verpflichtungen sind nicht erfüllt.

Ich freue mich aber, dass vom Kollegen Weninger, mit dem ich sonst nicht immer einer Meinung bin, heute hier klar festgehalten wurde, dass das Abkommen in der Form auch für Sie, für die SPÖ nicht ratifizierbar ist. Für uns Grüne ist das jedenfalls so.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 165

Ich möchte noch auf drei Aspekte eingehen: die internationalen – wie sie auch immer heißen – Schiedsverfahren, Schiedsgerichte in irgendeiner Form. – Ich finde das höchst bedenklich. Wir haben einen Klimavertrag. Die Verträge, die hier ausgehandelt werden, widersprechen diesem Klimavertrag; da kann nicht über Verfahren außerhalb von Staa­ten darüber hinweggegangen werden.

Das Zweite ist die Transparenz. – Ja, ich kenne das durchaus, dass BürgerInnen im­mer wieder gesagt wird: Regt euch nicht auf, lasst uns zuerst zu Ende verhandeln, dann schauen wir uns das alles an! Und dann, wenn man sich einbringen möchte, ist es aber zu spät, denn dann ist es schon fertig, dann kann man nichts mehr machen.

So gewinnen wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht. Auch da: Schauen Sie sich bitte an, wie die Klimaverhandlungen geführt werden! Transparent in jeder Se­kunde; sobald es hiezu auch nur einen Zwischenentwurf gibt, kann sich das jeder Mensch auf dieser Welt mit Internetzugang anschauen. Das war ein Erfolgsgeheimnis dieser Abkommen, dass sie letztlich auch so breit akzeptiert wurden, weil sich eben jeder ein­bringen und das transparent verfolgen konnte.

Das Dritte sind Exporte. – Natürlich wollen wir alle Handelsbeziehungen haben. Öster­reich handelt ja auch und Österreich ist ein Exportland. Ich finde es komisch, dass das gerade von jenen kommt, die den Exportschlager der Zukunft immer wieder blockieren. Sogar die Wirtschaftskammer sagt, dass erneuerbare Energien, Umwelttechnologien der Exportschlager der Zukunft für Österreich sind. Diese Maßnahmen werden aber von Ihnen auf der einen Seite blockiert, und auf der anderen Seite müssen wir dann irgendwelche schwindligen Abkommen abschließen.

So geht es nicht! Ich finde: Setzen wir mutig einfach den Klimavertrag von Paris um! Das ist die Chance für die Wirtschaft in Österreich. (Beifall bei den Grünen.)

Abschließend noch ein Wort zum Entschließungsantrag der FPÖ. Wir werden ihm nicht zustimmen, und ich möchte auch erklären, warum. Wir Grüne lehnen dieses Abkom­men aus inhaltlichen Gründen ab. Für uns ist das Volksbegehren Willensbekundung der Bevölkerung genug. Eine Volksabstimmung hat die Bedingung, dass wir zuerst hier im Haus ein Gesetz beschließen müssen. Und ich sage es Ihnen ganz persönlich: Ich als Abgeordnete werde keinem Gesetz zustimmen, damit das CETA-Abkommen ratifi­ziert wird, meine Fraktion auch nicht. Wir wollen CETA nicht, deswegen kann es dann auch keine Volksabstimmung geben. (Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Ich verspreche allen, die sich da engagiert haben: Wir Grüne werden alle Möglichkei­ten, die wir hier im Parlament haben, nutzen, um dieses Abkommen zu verhindern. – Vie­len Dank. (Beifall bei den Grünen.)

17.15


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.

 


17.15.09

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Werte Kollegen! Werte Zuseher! Das war die erwartet breite Diskussion zum Thema CETA und TTIP.

Vielleicht, weil er sehr oft genannt wurde, ein Wort zum aktuellen US-Präsidenten Trump: Ich denke, man sollte sich schon einmal angewöhnen, eine demokratische Wahl – und ich glaube, die USA sind ja eines der Mutterländer der Demokratie – zu akzeptieren. Trump ist gewählter Präsident der Amerikaner. Das haben wir zu akzeptieren. Wir soll­ten in Österreich darauf achten, dass wir unsere Wahlen durchführen, und nicht dau­ernd die Zivilgesellschaft in den USA bemühen.

Es hat im Übrigen nicht das stattgefunden, was angekündigt wurde. Es haben weder Hollywoodstars noch sonstige Sänger und Bands die USA fluchtartig verlassen. Es


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 166

sind alle noch in ihren Villen in Kalifornien oder in Miami. Das heißt, die USA sind auch noch nicht zusammengebrochen. – So viel zu Beginn. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Doppler.)

Dann möchte ich ganz gerne kurz die ÖVP und die SPÖ und vor allem die NEOS be­ruhigen: Die Allianz zwischen Grünen und FPÖ bei diesem Thema ist keine wirkliche, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen. Die Grünen sind hier nur quasi bei uns mit im Boot, um all die NGOs nicht zu beleidigen. (Heiterkeit bei Grünen und ÖVP. – Beifall bei den NEOS. – Ruf bei den Grünen: Umgekehrt! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Herr Pirklhuber, Sie wissen es: Dieser Kampf ist in Wirklichkeit schon lange vorbei. Das Copyright zu CETA und TTIP darf ich schon uns Freiheitlichen umhängen. Wir ha­ben bereits vor mehr als drei Jahren ein Buch darüber geschrieben, das können Sie nachlesen, das gebe ich Ihnen auch gerne. Die Grünen sind deshalb auf das Thema aufgesprungen, weil sie merken, dass die Leute draußen diese Entwicklung nicht mehr haben wollen.

Herr Pirklhuber, Sie haben es immer wieder gesagt, Sie geben es ja auch zu, wir ha­ben – wir, und zwar vor allem die Europafanatiker inklusive Grüne ganz vorneweg –, ihr habt das Verhandlungsmandat der Europäischen Union übergeben. (Abg. Pirklhuber: Die Regierungschefs!) Dann bitte sich jetzt nicht aufzuregen, wenn das Mandat über­nommen wurde und das Ergebnis vorliegt. In letzter Konsequenz werden die Grünen immer, wenn die Entscheidung ansteht: Österreich oder Europa?, aufseiten der EU ste­hen. Die Einzigen, die auf Österreichs Seite stehen, sind wir Freiheitliche. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht noch ganz kurz … (Abg. Matznetter: Österreich ist …!) – Herr Matznetter, Sie haben ja fachlich keine Ahnung, leider Gottes! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Matznetter: Hallo!)

Darf ich ganz kurz etwas sagen? – Es hat ein Geheimprojekt gegeben, und zwar den TTIP-Leseraum. Wir Abgeordnete hatten letztes Jahr die Möglichkeit, den TTIP-Lese­raum zu besuchen; diese Möglichkeit haben relativ wenige wahrgenommen. Ich war dort, kann aus erster Hand berichten und möchte hier auch gleich den Herrn Schulz, den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten, als Lügner bezeichnen, ganz offiziell hier, weil der Herr Schulz gesagt hat … (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hören Sie mir zu! – Der Herr Schulz hat gesagt: TTIP ist weit von einer Einigung entfernt.

Ich habe mir die Protokolle angeschaut, durchgelesen und kann bestätigen, dass die Verhandlungen zwischen Europa und den USA zum Thema TTIP im Frühjahr und Früh­sommer 2016 bereits nahezu abgeschlossen waren. Jeder, der etwas anderes behaup­tet, lügt.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Wurm! (Abg. Peter Wurm: Bitte, Herr Präsident!) Sie wissen, was jetzt kommt, oder? (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Peter Wurm: Schulz!) – Die Bezeichnung, auch wenn er nicht Mitglied dieses Parlaments ist, eines Abgeordneten eines anderen Parlaments als Lügner zieht einen Ordnungsruf nach sich. Ich bitte Sie wirklich, von solchen Qualifizierungen Abstand zu nehmen.

 


Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Er hat die Unwahrheit gesagt, er hat nicht ge­logen. – Das zum Thema TTIP. (Heiterkeit bei FPÖ und Team Stronach.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich habe auch nur gesagt: Das „zieht einen Ordnungsruf nach sich“. Da Sie das jetzt zurückgenommen haben, habe ich ihn auch nicht erteilt. (Hei­terkeit und Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.) Danke für Ihr Entgegenkommen.

 


Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Das zum Thema TTIP. Interessanterweise wird ja TTIP durch Präsident Trump, den großen Feind der Zivilgesellschaft der ganzen Welt, jetzt plötzlich gestoppt. – Auch ein Treppenwitz der Geschichte.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 167

Zum Thema CETA noch ganz kurz: Wir haben hier die Enquete gehabt. Und es war auch entlarvend, als uns der kanadische Chefverhandler mitgeteilt hat, dass für die Eu­ropäische Union und auch für Österreich quasi über CETA die Hintertür auf den ame­rikanischen Markt führt. – Das geht natürlich auch in die andere Richtung. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)

Abschließend noch einmal ganz klar: Wir Freiheitliche fordern eine verbindliche Volks­abstimmung zu diesem Thema.

Und der allerletzte Satz: Frau Staatssekretärin, ich würde Sie bitten, die Kreuze in den Schulen in Ruhe zu lassen und sich um Integration zu kümmern. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.20


Präsident Karlheinz Kopf: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeord­neter Mag. Loacker. – Bitte.

 


17.20.33

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Jetzt noch einmal für die Grünen: Es ist ein Unterschied, ob es einen Ver­trag unter Privaten gibt oder ob ein Privater eine Vereinbarung mit einem Staat trifft. Und wenn – wie im konkreten Fall in Ägypten, den ich geschildert habe, Frau Kollegin Brunner – eine Vereinbarung zwischen einem Unternehmen und einem Staat zustande kommt, weil es eine Ausschreibung gegeben hat – das Unternehmen bewirbt sich, hat die Leistung kalkuliert und auf Basis dieser Kalkulation angeboten –, und nachträglich eine der beiden Vertragsparteien die Konditionen ändert, dann geht das natürlich nicht. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Und für solche Fälle sind solche Schiedsgerichte gedacht, nämlich damit nicht eine Ver­tragspartei das einseitig machen kann und nachher das Unternehmen vor einem ägyp­tischen Gericht gegen den Staat Ägypten prozessieren muss, denn darauf hat ein ver­nünftiger Unternehmer keine Lust. (Beifall bei NEOS und ÖVP.)

17.21


Präsident Karlheinz Kopf: Weiters hat sich Herr Abgeordneter Kogler zu Wort gemel­det. Restredezeit des Klubs: 1 Minute. – Bitte.

 


17.21.56

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Da wäre eine tatsächliche Berichtigung ja komfortabler und auch angemessen gewesen, aber bleiben wir bei der Wortmeldung, ich mag mich mit den NEOS in dieser Frage an sich nicht so streiten.

Aber: Schauen Sie die Studien und die Stellungnahmen des Deutschen Richterbunds an – ich habe sie hier – oder die Stellungnahme zum Investitionsschutz, zu diesen Streit­beilegungsklauseln von über 100 Rechtsprofessorinnen und ‑professoren Europas, und ur­teilen Sie dann hier so salopp. Es ist eigentlich enttäuschend, dass die NEOS hier so agieren.

Diese Schiedssysteme braucht man in dieser Form nicht – das ist ja der Punkt –, sie sind im Zweifel aber schädlich. Ich sage ohnehin nicht, dass die Welt untergeht, zum hundertsten Mal, aber im Zweifel sind sie schädlich. Wozu mache ich etwas, was ich nicht brauche, obwohl ich weiß: aber dann, wenn es kommt, ist es blöd? – Diese Hal­tung ist ungeschickt. Und darum geht es uns.

Ein Letztes – mein Gott, wenn wir schon im Parteipolitischen landen –: Ich glaube, wir haben den CETA-Vertrag auf Englisch schon auf 1 400 Seiten studiert, ihn kritisiert und aufgearbeitet, und zwar schon im August 2014 – damals haben Sie noch darüber nach­gedacht, wofür das C, E, T, A eigentlich steht. (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll162. Sitzung / Seite 168

Also: Lassen wir das! Kehren wir zurück! 560 000 Unterschriften sind auch schon ein Auftrag. Und eine Volksabstimmung, die die Ratifizierung voraussetzt, sodass man nach­her die Volksabstimmung machen kann, ist ein Holler, denn dann sind wir völkerrecht­lich schon gebunden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Stefan: Unter der Bedingung, dass!)

17.23

17.23.18

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hübner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer verbindlichen Volks­abstimmung zu CETA für den Fall der Zustimmung des österreichischen Nationalrates zur CETA-Ratifizierung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minder­heit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

17.23.45Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 1991/A(E) bis 2003/A eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 17.24 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.24.14Schluss der Sitzung: 17.24 Uhr

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1017 Wien