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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

38. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 18. Juni 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

38. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                 Donnerstag, 18. Juni 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 18. Juni 2020: 9.06 – 19.33 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020)

2. Punkt: Bericht und Antrag des Budgetausschusses über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 ge­ändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 605/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweck­zuschussgesetz)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 620/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bun­desgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona COVID-19-Pandemie

5. Punkt: Bericht über den Antrag 622/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 165/A(E) der Abgeordneten Hermann Weratsch­nig, MBA MSc, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach

7. Punkt: Bericht über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz betref­fend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geän­dert werden

8. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Ver­waltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 2

9. Punkt: Bericht über den Tierschutzbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

10. Punkt: Bericht über den Antrag 280/A(E) der Abgeordneten Dietmar Keck, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern zugunsten von Tier, KonsumentIn und Österreichs Bauernhöfen

11. Punkt: Bericht über den Antrag 248/A der Abgeordneten Yannick Shetty, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst geändert wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 447/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleit­ner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit der Ungleichbehandlung – die Entlohnung der unfreiwillig verlängerten Zivildiener auf die der freiwilligen Zivildiener anheben!

13. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Österreich 2019

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 617/A(E) der Abgeordne­ten betreffend „ein Amnestiegesetz im Zusammenhang mit der zum Teil frag­würdigen bzw. unverhältnismäßigen Vollziehung der COVID-19 Gesetzgebung“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 23. Juni 2020 zu setzen – Ablehnung     36, 252

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 36

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka betreffend Nichtzulassung des Entschließungsantrages der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Abberufung von ÖBAG-Vorstand MMag. Thomas Schmid“ ........................................ 52

Wortmeldungen im Zusammenhang mit der Nichtzulassung des Entschlie­ßungsantrages der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen:

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 53

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 54

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 55

Michael Schnedlitz ................................................................................................  55, 57

August Wöginger ......................................................................................................... 55

Erwin Angerer ............................................................................................................... 56

Sigrid Maurer, BA ......................................................................................................... 56

Stellungnahme des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka .........................  54, 54, 56

Fragestunde (1.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 12


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 3

Peter Haubner (3/M); Petra Wimmer

Mag. Jörg Leichtfried (7/M); Hermann Gahr

Dr. Susanne Fürst (1/M); Dr. Helmut Brandstätter, Gabriela Schwarz

Dr. Astrid Rössler (12/M)

Josef Schellhorn (10/M); Dr. Christoph Matznetter, Mag. Gerald Hauser

Mag. Wolfgang Gerstl (4/M)

Kai Jan Krainer (8/M); Mag. Wolfgang Gerstl

Christian Hafenecker, MA (2/M); Dr. Helmut Brandstätter, Katharina Kucharowits, Mag. Klaus Fürlinger

Mag. Meri Disoski (13/M); Rosa Ecker, MBA

Michael Bernhard (11/M); Barbara Neßler

Mag. Friedrich Ofenauer (5/M)

Gabriele Heinisch-Hosek (9/M)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc (6/M); Mag. Nina Tomaselli

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  34, 230, 230

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise“ (701/A)(E)   ............................................................................................................................. 175

Begründung: Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ...................................................... 177

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ... 182

Debatte:

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 186

Peter Haubner ............................................................................................................. 190

Dr. Christoph Matznetter ..................................................................................  192, 221

Peter Wurm ................................................................................................................. 194

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ..................................................................................... 197

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 199

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................... 201

Rainer Wimmer ........................................................................................................... 203

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 205

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................... 206

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 208

Nico Marchetti ............................................................................................................. 209

Mag. Dr. Petra Oberrauner ........................................................................................ 211

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 212

Lukas Hammer ..................................................................................................  214, 220

Henrike Brandstötter (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 216

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 216

Maximilian Lercher ..................................................................................................... 218

Andreas Ottenschläger .............................................................................................. 219


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 4

August Wöginger ....................................................................................................... 220

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung ÖBAG Vorstand Schmid“ – Ablehnung .........................................  189, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „sofortige Beendigung des Maskenzwangs für die Beschäftigten in Gastronomiebetrieben“ – Ablehnung    196, 222

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 701/A(E) betreffend „Si­cherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise“                                                             221

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordne­ten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommu­nalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.)      ............................................................................................................................... 36

2. Punkt: Bericht und Antrag des Budgetausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiege­setz 1977 geändert werden (227 d.B.) 36

3. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 605/A der Abgeord­neten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder auf­grund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz) (228 d.B.) ........................................................................................................................ 36

4. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 620/A der Abgeordne­ten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona COVID-19-Pandemie (229 d.B.) .................................................................................... 36

5. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 622/A der Abgeordne­ten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (230 d.B.) ............................................. 37

6. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 165/A(E) der Abgeord­neten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach (231 d.B.)                                                                                     37

RednerInnen:

Erwin Angerer ............................................................................................................... 37

August Wöginger ......................................................................................................... 41

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ...................................................................................... 43

Andreas Kollross .......................................................................................................... 48

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 49

Dr. Elisabeth Götze ...................................................................................................... 52

Michael Bernhard ......................................................................................................... 57

Ing. Manfred Hofinger .................................................................................................. 59

Christian Ries ............................................................................................................... 60

Alois Schroll ................................................................................................................. 63

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 111

Mag. Sibylle Hamann ................................................................................................. 111

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 113


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 5

Angela Baumgartner .................................................................................................. 113

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 115

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 115

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 123

Christoph Stark .......................................................................................................... 117

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 119

Christoph Zarits .......................................................................................................... 122

Klaus Köchl ................................................................................................................. 123

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................... 124

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Haftungsobergrenze für Gemeinden“ – Ablehnung ............................................  40, 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Investitionsfonds für Gemeinden“ – Ablehnung                                            45, 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Geld folgt Transparenz – Transparenzzuschüsse für Gemeinden“ – Ablehnung          47, 126

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung von ÖBAG-Vorstand MMag. Thomas Schmid“ – nicht zugelassen ..  51, 52

Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Errichtung des Autobahn-Anschlussstückes der A3 (Südost Au­tobahn) zwischen Wulkaprodersdorf und Klingenbach in der im Bundesstraßenge­setz 1971 unter § 37 angeführten Beschreibung unter Einbeziehung von Schutz­maßnahmen gegen Lärm- und Schadstoffbelastung“ – Ablehnung       62, 127

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Erwin An­gerer, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteili­gungs AG (ÖBAG)“ – Ablehnung ...........  120, 126

Annahme der fünf Gesetzentwürfe in 226, 227, 228, 229 und 230 d.B. ..................... 125

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 231 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach“ (63/E)                                                    125

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 619/A der Abgeord­neten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Be­gleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsan­waltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert wer­den (206 d.B.) ....................................................................... 127

8. Punkt: Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz ge­ändert wird (207 d.B.) .......... 128

RednerInnen:

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 128


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 6

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 131

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 132

Dr. Christian Stocker ................................................................................................. 134

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 135

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................. 139

Mag. Georg Bürstmayr .............................................................................................. 140

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 140

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 141

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 142

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................... 143

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 144

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 144

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 145

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Generalamnestie bei Corona-Strafen“ – Ablehnung                               136, 148

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 206 und 207 d.B. ........................................ 148

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (III-84/66 d.B.) ............. ... 149

10. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 280/A(E) der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern zugunsten von Tier, KonsumentIn und Österreichs Bau­ernhöfen (67 d.B.) ................................................ 149

RednerInnen:

Dietmar Keck .............................................................................................................. 149

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 154

Alois Kainz .................................................................................................................. 155

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 156

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 157

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 159

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 161

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 163

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ............................................................................................ 164

Rudolf Silvan .............................................................................................................. 165

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 167

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 168

Clemens Stammler ..................................................................................................... 170

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................... 171

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 172

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 175


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 7

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte – Initiative auf euro­päischer Ebene dringend notwendig“ – Ablehnung ...........................................................................................................  152, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte – nationale Schritte umgehend umsetzen“ – Ablehnung      152, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit freiem Zugang zur Natur gehalten werden (,Freigängerkatzen‘)“ – Ablehnung .....................................................................  153, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „mehr Kontrollen von Tiertransporten auf der Straße“ – Ableh­nung ............................  158, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz“ – Ableh­nung ..............  166, 223

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Verbot des Tötens männlicher Kücken“ – Ablehnung ....................................................  174, 223

Kenntnisnahme des Berichtes III-84 d.B. .................................................................... 222

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 67 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 280/A(E)           ............................................................................................................................. 222

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 67 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Kennzeichnung für Ei-Produkte, klare Transparenz für Kon­sumentinnen und Konsumenten“ (64/E)      ............................................................................................................................. 222

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 248/A der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst geändert wird (202 d.B.) ...................................... 223

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 447/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Schluss mit der Ungleichbehandlung – die Entlohnung der unfreiwil­lig verlängerten Zivildiener auf die der freiwilligen Zivildiener anheben! (203 d.B.)                                                                                                          223

RednerInnen:

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 223

Michael Seemayer ...................................................................................................... 224

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 226

David Stögmüller ........................................................................................................ 227

Yannick Shetty ............................................................................................................ 228

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 202 und 203 d.B. ............................. 230

Zuweisung des Antrages 248/A an den Ausschuss für Arbeit und Soziales .............. 230

Zuweisung des Antrages 447/A(E) an den Ausschuss für Arbeit und Soziales ......... 230

13. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Bericht der Bundesmi­nisterin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Ös­terreich 2019 (III-138/224 d.B.)    ............................................................................................................................. 230

RednerInnen:

Karl Schmidhofer ....................................................................................................... 230

Petra Vorderwinkler ................................................................................................... 231

Christian Ries ............................................................................................................. 232

Barbara Neßler ............................................................................................................ 233

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 235


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 8

Bundesministerin Elisabeth Köstinger .................................................................... 237

MMMag. Gertraud Salzmann ..................................................................................... 239

Petra Wimmer ............................................................................................................. 241

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 242

Clemens Stammler ..................................................................................................... 245

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 246

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 248

Karl Schmidhofer (tatsächliche Berichtigung) ........................................................... 249

Michael Seemayer ...................................................................................................... 249

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 250

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Fe­rienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“ – Ablehnung           244, 252

Kenntnisnahme des Berichtes III-138 d.B. .................................................................. 252

Eingebracht wurden

Petitionen ...................................................................................................................... 35

Petition betreffend „Petition zum Erhalt und der Modernisierung der Polizeiinspek­tion Zirl“ (Ordnungsnummer 20) (überreicht vom Abgeordneten Hermann Gahr)

Petition betreffend „Schutz der Bevölkerung, der Land- und Almwirtschaft, des Tourismus und des ländlichen Raumes vor großen Beutegreifern“ (Ordnungsnum­mer 21) (überreicht von den Abgeordneten Ing. Josef Hechenberger, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller und Hermann Gahr)

Petition betreffend „Selbstbestimmtes Sterben in Würde“ (Ordnungsnummer 22) (überreicht vom Abgeordneten Michael Bernhard)

Anträge der Abgeordneten

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise (701/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Generalamnestie bei Corona-Strafen (702/A)(E)

August Wöginger, Josef Muchitsch, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz geändert wird (703/A)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rückerstattung von Studien­beiträgen für das Sommersemester 2020 (704/A)(E)

Ralph Schallmeiner, Gabriela Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020) (705/A)(E)

Ralph Schallmeiner, Gabriela Schwarz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (Ärztegesetz-Novelle 2020) (706/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (707/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 9

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (708/A)

Mag. Romana Deckenbacher, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionsgesetz 1965 und das Bundesbahn-Pen­sionsgesetz geändert werden (709/A)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend COVID-19-Aufzahlung für Notstandshilfebezieher durch AMS (710/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sommerschule für alle Schülerinnen und Schüler ermöglichen (711/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend VKI-Geschäftsführerbestellung (712/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Netto­ersatzrate beim Bezug des Arbeitslosengeldes (COVID-19-Maßnahme) (713/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der Überziehungszinsen bei Banken auf fünf Prozent (714/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket gegen die sektorale Arbeitslosigkeit in Österreich (715/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtsverletzungen in Südafrika stoppen (716/A)(E)

Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtsanwaltsordnung (RAO), RGBl. Nr. 96/1868 1, geän­dert wird (717/A)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend medizinische, qualitativ hochwertige Versorgungssicherheit in Österreich (718/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend medizinische, qualitativ hochwertige Versorgungssicherheit in Österreich (719/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend E-Learning-Infra­struktur an Schulen (720/A)(E)

Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Son­derbeauftragter der Europäischen Kommission für Religionsfreiheit (721/A)(E)

Karlheinz Kopf, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert wird (722/A)

Dr. Christoph Matznetter, Erwin Angerer, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Be­teiligungs AG (ÖBAG) (723/A)(E)

Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels (724/A)(E)

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer unabhängigen Beschwerde- und Untersuchungsstelle bei Misshand­lungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte (725/A)(E)

Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung der türkischen Luft­angriffe im Nordirak (726/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 10

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der Ein­bindung und Anhörung der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) in Fragen des Datenschutzes durch die Bundesregierung“ (727/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend NGOs müssen unabhängig, transparent und demokratisch sein (728/A)(E)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erfassung des gesundheitli­chen Zustandes von jungen Frauen in Österreich (729/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Reformbedarf im Heeresgeschichtlichen Museum (2291/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend „Härtefallfonds der WKO“ (2292/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend antisemitische Widmung des ehemaligen Vizekanzlers (2293/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Warum macht die Industriellenvereinigung die österreichischen Statistiken? (2294/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Kurzbericht Härtefallfonds gem. Art. 15 des 2. Covid-19-Gesetz (31.05.2020) (2295/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Kurzbericht Härtefallfonds gem. Art. 15 des 2. Covid-19-Gesetz (15.05.2020) (2296/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Wie oft schätzen Sie die Steuereinnahmen? (2297/J)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Der Fall Thomas Schmid (2298/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Auszahlung von Corona-Hilfen an Unterneh­men der Reisebürobranche (2299/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Probleme mit Jugendgruppe in Weiz (2300/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Familie und Jugend betreffend Aufzahlung für Notstandshilfebezieher (2301/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bestellung der neuen Geschäftsführung im VKI (2302/J)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Lärmemissionen und Pumpentausch KW Malta Hauptstufe (2303/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Sozialarbeiter der Justizanstalt Krems verschickt Nacktfotos (2304/J)


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Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fehleinschätzungen bei Akutpa­tienten (2305/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Verfahrensverzögerungen in Pflegschafts- und Familienrechtsangelegenhei­ten (2306/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pflegegeldeinstufungen von Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen (2307/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Offenlegung des Vertrages zwischen Bundesregierung und Lufthansa Group hinsichtlich des Fortbestands der Austrian Airlines (AUA) (2308/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Offenle­gung des Vertrages zwischen Bundesregierung und Lufthansa Group hinsichtlich des Fortbestands der Austrian Airlines (AUA) (2309/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Offenlegung des Vertrages zwischen Bundesregierung und Lufthansa Group hinsichtlich des Fortbestands der Austrian Airline (AUA) (2310/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Contact Tracing“ aus politischen Gründen (2311/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Con­tact Tracing“ aus politischen Gründen (2312/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Contact Tracing“ aus politischen Gründen (2313/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Messerattacke eines jungen Afghanen gegenüber einem Jogger (2314/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend digitale Ausstattung an den Schulen (2315/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Auszahlung von Corona-Hilfen an Unternehmen der Reisebürobranche (2316/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fragen zu regionalen Unter­schieden bei Kniegelenksoperationen (2317/J)

*****

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend mehr Personal und mehr Geld für den ÖVP-Präsidenten (9/JPR)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1556/AB zu 1561/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 12

09.06.25Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.06.27*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete, ich darf Sie nach der langen Sitzung gestern recht herzlich in alter Frische um 9 Uhr morgens begrüßen! Ich begrüße den Herrn Bundeskanzler, die Bundesminister, ich begrüße die Medienvertreter und vor allem unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten! Die 38. Sitzung des Nationalrates ist damit eröffnet.

Die Abstimmungen über die Verhandlungsgegenstände finden jeweils am Ende der Ver­handlungen über alle Vorlagen eines Ausschusses statt – daran ändert sich gegenüber dem gestrigen Sitzungstag nichts –; darüber hinaus kann die Sitzung vor Abstimmungen jeweils kurz unterbrochen werden.

Für die heutige Sitzung entschuldigt sind die Abgeordneten Cornelia Ecker, Mag. Phi­lipp Schrangl und Petra Steger.

*****

Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III bis 19.15 Uhr übertragen wird; anschließend wird die Sitzung in der TVthek kommentiert übertragen.

09.07.30Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen. Ich bitte darum, sich bereits vorbereitend dorthin zu begeben, damit wir das zügig abwickeln können. Die Beantwortung durch den Bundeskanzler erfolgt vom zentralen Rednerpult aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragsteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage soll jeweils 2 Minuten, jene der Zusatzfrage 1 Minute nicht übersteigen. Ich werde vor Ablauf der Redezeit jeweils darauf aufmerksam machen; das ist angesichts des Glasschildes vor mir ein bisschen schwierig, aber ich werde mich zur Seite beugen.

Bundeskanzleramt


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur 1. Frage. Ich darf den Herrn Bundeskanzler zum Rednerpult und Herrn Abgeordneten Haubner um die Frage bitten.

09.08.30


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Guten Mor­gen, Herr Vorsitzender! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Corona hat uns gezeigt, wie anfällig die ganze Welt ist und wie schnell das gewohnte Gefüge sowohl im Bereich Gesundheit als auch im Bereich Wirtschaft aus den Fugen geraten kann. Die österreichische Bundesregierung hat von Anfang an Maßnahmen gesetzt und hinsicht­lich der Gesundheit und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger einen konsequenten Weg eingeschlagen. Der internationale Vergleich macht uns sicher, dass wir den richti­gen Weg gegangen sind. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 13

Nun gilt es, die Wirtschaft wieder zu einem erfolgreichen Comeback zu bringen; dazu hat die Bundesregierung eine Reihe von Paketen für die Wirtschaft geschnürt. Aufgrund der Vielfältigkeit der Wirtschaft und der starken Vernetzung mit dem Ausland waren un­terschiedliche Pakete notwendig, und gerade in den letzten Tagen hat die Bundesregie­rung wichtige Branchenpakete auf den Weg gebracht.

Herr Bundeskanzler, meine Frage lautet:

3/M

„Was sind die Erwartungen an das Rettungspaket für besonders betroffene Branchen, das im Rahmen der Regierungsklausur vorgestellt wurde?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Zunächst einmal: Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Herr Präsident, liebe KollegInnen in der Bundesregierung! Die Herausforderung ist, dass wir eine sehr exportorientierte Volkswirtschaft und natürlich auch ein Tourismusland sind. Wir sind daher sehr stark auch von externen Einflüssen abhängig, und eine Weltwirtschaftskrise geht nicht spurlos an uns vorbei. Es ist uns daher wichtig erschienen, neben den notwendigen Hilfen für die Zeit der Schließung Maßnahmen zu setzen, die die Unternehmen, die auch in der nächsten Zeit – vielleicht sogar längerfristig – mit deutlichen Umsatzeinbußen zu rechnen haben, unterstützen.

Es gibt nicht eine einzelne Maßnahme, die für alle Betriebe, für alle Branchen, egal ob groß oder klein, gleichermaßen wirkt, und daher haben wir uns für ein Bündel an Maß­nahmen entschieden – von der Verlängerung des Fixkostenzuschusses über den Ver­lustrücktrag bis hin zu weiteren Steuerstundungen und Kreditmoratorien –, um sicherzu­stellen, dass so viele Unternehmen wie möglich gut durch diese Krise kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sie haben es erwähnt, Herr Bundeskanzler, wir sind international stark vernetzt. Wir verdienen 6 von 10 Euro im und mit dem Ausland, wir sind natürlich von den ausländischen Gästen abhängig, speziell im Tourismus, und selbstverständlich braucht auch unsere Exportwirtschaft die ausländischen Partner. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Maßnahmen gesetzt haben, und die eingesetzten Gelder zur Unterstützung der Wirtschaft zeigen uns ja, dass wir da auch im interna­tionalen Spitzenfeld liegen.

Jetzt würde mich interessieren, welches Geldvolumen dieses Rettungspaket insgesamt umfasst.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: In Summe haben wir seit Beginn der Krise rund 50 Mil­liarden Euro bewegt. Ein Großteil davon fällt auf die Rettung. Jetzt, bei der Regierungs­klausur, sind noch einmal 7,5 Milliarden Euro an Geldern zusätzlich für die Rettung zur Verfügung gestellt worden sowie über 5 Milliarden Euro für Entlastungsmaßnahmen und über 6 Milliarden Euro für ein Investitionspaket, das die Wirtschaft wieder beleben soll.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Petra Wimmer stellt eine Zu­satzfrage. – Bitte.


Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Bundeskanzler, in den letzten Wochen haben wir eine Reihe von Hilfspaketen präsentiert bekommen; auch der Familienhärtefonds als rasche und unbürokratische Hilfe für die Familien wurde von der Regierung angekündigt.

In der Realität sieht es dann leider so aus, dass die Familien nicht benachrichtigt werden, dass die Bearbeitungsdauer sehr lange ist und dass das Geld einfach nicht bei den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 14

Familien ankommt. Von den 60 Millionen Euro sind bisher nur 4 Millionen Euro ausbe­zahlt worden. Meine Frage lautet:

Was werden Sie unternehmen, damit die Familien, die durch die Coronakrise in Not ge­raten sind, jetzt rasch und unbürokratisch zu ihrem Geld kommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Also zum einen ist versucht worden, alles zu tun – auch mit zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern –, um eine Struktur zu schaffen, damit die Anträge möglichst schnell bearbeitet werden können. Wie in anderen Berei­chen auch ist die Herausforderung, dass bei Strukturen, die dafür eigentlich nicht ge­schaffen sind, Hunderttausend Anträge eingegangen sind, die jetzt so schnell wie mög­lich abgearbeitet werden müssen.

Darüber hinaus haben wir in der Koalition der Grünen und der Volkspartei versucht, Maßnahmen zu setzen, die generell, querdurch, ohne einen Antrag Familien entlasten, wie die 360 Euro pro Kind, die in diesem Jahr zusätzlich ausbezahlt werden sollen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte.

09.13.35


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Ich würde gerne zur Lufthansa schwenken. Wir wissen ja, Sie haben sich von den Deut­schen, also von der Bundesregierung und der Lufthansa-Führung, quasi über den Tisch ziehen lassen (Widerspruch bei der ÖVP) und haben Ihr Versprechen gebrochen, dass sich Österreich an der Lufthansa beteiligen wird (Zwischenruf des Abg. Matznetter), wenn es Unterstützung und Hilfen gibt. Das ist nicht zustande gekommen. Mich würde jetzt interessieren: Warum eigentlich haben Sie dieses Versprechen gebrochen? (Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 7/M, hat folgenden Wortlaut:

„Warum haben Sie Ihr Versprechen, dass es eine Hilfe für die AUA nur mit einer Beteili­gung an der Lufthansa geben wird, gebrochen, obwohl das Geld der österreichischen SteuerzahlerInnen damit viel besser besichert wäre?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich beantworte Ihnen gerne das, was man vielleicht als Frage herausfiltern kann, nämlich wie es zu der Entscheidung gekommen ist (Abg. Kuntzl: Die Frage war klar!), sich mit der Lufthansa auf dieses Paket zu einigen.

Uns ging es immer darum, Arbeitsplätze zu sichern und vor allem das Drehkreuz Wien zu erhalten. Uns ging es nie darum, einen Betrieb zu führen oder eine Beteiligung an der Lufthansa zu haben, allerdings haben wir das, was wir am Ende in den Verhandlungen erreicht haben, zu Beginn als fast nicht möglich erachtet.

Es stimmt: Hätte es die Standortgarantie nicht gegeben, so wäre eine Beteiligung durch­aus eine Möglichkeit gewesen – allerdings ist das, was wir bekommen haben, wesentlich attraktiver, nämlich eine Zehnjahresgarantie für das Drehkreuz Wien, auch für Standort und Marke. Das hat zu Beginn der Verhandlungen fast unerreichbar gewirkt, und ich bin froh, dass dieses Paket so gelungen ist. Es ist unter anderem auch von, wie ich glaube, der Gewerkschaft und Vertretern Ihrer Fraktion, aber auch von der Stadt Wien, die ja,


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wenn sie auch in Zukunft Weltstadt sein möchte (Ruf bei der SPÖ: Sie ist Weltstadt!), maßgeblich am Flughafen und der AUA hängt, sehr positiv gesehen worden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Danke für diesen Teil der Beantwortung. Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein. Wenn es so ist, dass alles gut geht, verdienen die Aktionäre; wenn es so ist, dass es schiefgeht, dann sind 450 Millionen Euro der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weg – bitte ja, wenn Sie meinen, das ist gut!

Mich würde nur interessieren: Was, schätzen Sie, hätte eigentlich eine Beteiligung von 450 Millionen Euro an Beteiligungsprozentsatz gebracht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Das ist etwas, bei dem ich jetzt nicht mutmaßen möch­te. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass - - (Abg. Leichtfried: Oder ist das nie geprüft worden?)

Was ich Ihnen gerne beantworte, ist, dass wir einen Zuschuss in Höhe von 150 Millionen Euro geleistet haben; die Lufthansa hat einen Zuschuss in derselben Höhe geleistet. Das ist deutlich weniger gewesen als ursprünglich kolportiert und erwartet (Zwischenrufe bei der SPÖ), und über die Standortgarantie, glaube ich, können wir alle sehr froh und dankbar sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.


Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben es ja gerade erwähnt: Der Flughafen Wien fungiert als internationales Drehkreuz. Dies wird hauptsächlich durch die heimische Fluglinie AUA sichergestellt. (Abg. Schellhorn: Das ist keine heimische! – Abg. Meinl-Reisinger: Heimische Fluglinie ist ein weiter Begriff!) Ich glaube, es geht hier um eine Gesamtbetrachtung: Welche Vorteile bietet das Hilfs­paket für Österreich?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass wir als Republik Österreich mit dem Flughafen Wien ein Tor zur Welt haben, und ein National Carrier, mit dem es auch Langstreckenflüge gibt und von dem aus viele Städte dieser Welt direkt angeflogen werden, ist einfach ein massiver Vorteil für Headquarters in Wien, für heimische Unternehmen, die exportorientiert sind, für den Tourismus, für den Kon­gressstandort, für den Kulturstandort und vieles darüber hinaus.

Es war daher nicht überraschend für mich, dass sich von der Wirtschaftskammer bis hin zur Gewerkschaft, von der Landeshauptfrau in Niederösterreich bis zum Bürgermeister in Wien alle dafür eingesetzt haben, dass es eine Rettung der AUA gibt und dass vor allem das Drehkreuz Wien abgesichert wird.

Die Absicherung, die wir jetzt bekommen haben, nämlich eine Standortgarantie, dass sich das Drehkreuz Wien in den nächsten zehn Jahren proportional zu München, Frank­furt oder Zürich entwickelt, ist etwas, das wir zu Beginn der Verhandlungen für fast unmöglich erachtet hätten. Uns ging es nie darum, eine Fluglinie zu führen oder zu besitzen – wir glauben nicht, dass die Republik das besser kann als ein privates Unter­nehmen –, sondern worum es uns geht, ist, Österreich und den Standort Wien zu stär­ken, und das ist mit diesem Abkommen sichergestellt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

09.18.36



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 16

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Fürst. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Betrachten Sie die gezielte Verbreitung von Angst als politisch vertretbares Mittel? Ich stelle Ihnen diese Frage, da Sie ja laut einem Protokoll einer Expertenrunde im Bundeskanzleramt vom 12. März 2020 folgende Aussage tätigten, nämlich „dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen“ oder „Angst davor, dass Eltern/Großeltern sterben“. – Wie beurteilen Sie dies heute?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 1/M, hat folgenden Wortlaut:

„Betrachten Sie die gezielte Verbreitung von Angst als politisch vertretbares Mittel, zumal Ihnen die Aussage, wonach ‚die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen oder Angst davor, dass Eltern oder Großeltern sterben‘, laut einem Protokoll einer Ex­pertenrunde im BKA vom 12. März 2020 zugeschrieben wird?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Da ich bei der Sitzung dabei war, kann ich beurteilen, was ich gesagt habe, und so wie Sie das darstellen, ist das nicht gesagt worden (Abg. Belakowitsch: Ist das Protokoll falsch? – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Matznetter), sondern es ging um eine Debatte unter Experten, in der Experten da­rauf hingewiesen haben, dass viele, weil sie die Krankheit weder sehen noch riechen können, im Moment noch zu wenig Bewusstsein diesbezüglich haben. Ich habe darauf hingewiesen, dass es legitim ist, wenn sich Menschen vor einer Ansteckung fürchten, ich habe aber dazugesagt, dass mir wichtig erscheint (Abg. Belakowitsch: Ist das Pro­tokoll falsch?), dass die Menschen sich nicht vor dem Zusammenbruch unserer Systeme oder der Versorgungssicherheit fürchten. Darum ist es gegangen.

Ich halte es als Bundeskanzler für verantwortungsvoll (Abg. Belakowitsch: Ist das Pro­tokoll falsch?), wenn ich einen Informationsvorsprung habe, auf die Gefahren einer An­steckung und einer Erkrankung hinzuweisen. (Abg. Wurm: Wenn die Antwort die Un­wahrheit ist!) Und ich bleibe dabei: Die verharmlosenden Vergleiche mit der Grippe wa­ren falsch und gefährlich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch, wenn Sie Fragen stellen wollen, dann melden Sie sich bitte an! Ich würde Sie herzlichst bitten, den Fragen­den und den Beantwortungen Raum zu geben.

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Fürst? – Bitte. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Ich habe nur aus dem Protokoll zitiert.

Im Zuge der Coronakrise, die ja mit sehr viel Angst- und Panikmache befeuert wurde, kam es zu tiefen Grundrechtseingriffen, mit massiven Auswirkungen auf die Menschen. Es wurden Existenzen vernichtet, Kinder wurden von der Schule, von ihren Freunden ferngehalten, ältere Menschen wurden monatelang isoliert. Finanzielle, aber auch so­ziale Kollateralschäden sehr großen Ausmaßes wurden in Kauf genommen. Es gab viele widersprüchliche, verwirrende Aussagen für die Menschen.

Da es viele Maßnahmen gab, die einfach auch – wie sich herausgestellt hat – zu einem guten Teil auf rechtswidrigen, verfassungswidrigen Verordnungen beruht haben, und da die Exekutive vom Innenminister ja offensichtlich angewiesen war, sehr streng vorzuge­hen und sehr hohe Strafen gegen die Bürger wegen mehr als geringer Vergehen zu


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verhängen, kann ich mich mit Ihrer Aussage, dass es sich da um juristische Spitzfin­digkeiten handelt, wenn man die Rechtswidrigkeit dieser Verordnungen moniert, nicht anfreunden. Es wird hier auch noch eine Nachbereitung dazu geben.

Meine Frage lautet daher: Sollte die gezielte Verbreitung von Angst den systematischen Eingriff in unsere Grundrechte erleichtern und aufbereiten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Der Gesundheitsminister hat selbstverständlich auch mit Unterstützung des Verfassungsdienstes immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt – davon bin ich überzeugt – und alles versucht, um in kurzer Zeit Verordnun­gen zu erarbeiten, genauso wie Sie im Parlament selbstverständlich versucht haben, hier in kürzester Zeit zu handeln und die entsprechenden Gesetzesbeschlüsse auf den Weg zu bringen.

Ich bin dankbar für den nationalen Schulterschluss, den wir über die Parteigrenzen hin­weg zu Beginn der Coronakrise hatten, und ich bin froh darüber, dass das Handeln in Österreich dazu geführt hat, dass wir besser durch die Krise gekommen sind als viele andere Länder und uns Schlimmeres erspart geblieben ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Dr. Brandstätter, bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, den Menschen ist ja nicht nur Angst gemacht worden, sie sind objektiv auch falsch in­formiert worden. Die Geschichte, dass es nur vier Gründe gäbe, das Haus zu verlassen, war ja objektiv falsch, es waren manchmal auch nur drei. Es sind sehr viele Strafen verhängt worden. Jetzt ist eine Diskussion entstanden, was denn mit diesen Strafen pas­sieren soll. Das ist keine juristische Spitzfindigkeit, sondern relativ einfach: Der Ge­sundheitsminister könnte ja über die Landeshauptleute im Sinne der mittelbaren Bun­desverwaltung anordnen, dass diese Strafen durch die Bezirkshauptmannschaften ent­sprechend erlassen werden. Sind Sie dafür, dass das passiert?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich halte es für richtig, dass in einem Rechtsstaat nicht nur Gesetze und Verordnungen überprüft werden, sondern natürlich auch das Vorgehen der Behörden und jeweils passende Entscheidungen getroffen werden. Das ist aber nicht meine Entscheidung, wie jetzt damit umgegangen wird. (Abg. Brandstätter: Aber die Information war falsch! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Brandstätter: Na ja, aber stehen Sie dazu, dass Sie die Leute falsch informiert haben?)

Wir haben uns stets bemüht, als Bundesregierung transparent zu arbeiten, bestmöglich zu informieren. Ja, wir haben alles getan, um auch mit einfachen Worten zu übersetzen, was in Verordnungen und Gesetzestexten oftmals sehr kompliziert niedergeschrieben ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Schwarz, bitte.


Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Den Zurufen zum Trotz eine Frage, die, glaube ich, auf relativ neutralem Boden basiert: Es hat sich im Zuge der Covid-19-Krise herausgestellt, dass es zwei unterschiedliche Handlungs- und Denkweisen gab, innerhalb Europas, aber auch weltweit. Da gab es die Länder, die so wie Österreich sehr konsequent und rasch mit einem Shutdown, einem Lockdown reagiert haben, dadurch unzählige Menschenleben gerettet haben – das steht definitiv fest –, und die anderen, die gesagt haben: Wir lassen es, wie es ist, und lassen die Wirtschaft weiterlaufen! – Schweden ist da ein Beispiel, ganz furchtbar ist jetzt auch die Situation in Brasilien, die uns das deutlich vor Augen führt.


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In der Nachbetrachtung jetzt: Ist der Weg nach wie vor richtig gewesen? Würden Sie es genau so wieder machen, sich dafür zu entscheiden, Menschenleben zu retten und die Wirtschaft jetzt aufgrund der Tatsache, dass die Lockerungen in Kraft treten können, wieder zu fördern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich bin fest davon überzeugt, dass es sowohl gesund­heitspolitisch als auch wirtschaftlich richtig war, schnell auf die Coronakrise zu reagieren. Wir wissen, dass in Österreich die Gesundheitsfolgen deutlich geringer waren als in vie­len anderen Ländern. Wir kennen die Situation in Schweden, und was noch dazukommt, ist, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen in jenen Ländern geringer sind, in denen auch die gesundheitspolitische Situation besser ist. Das bedeutet, je früher, je intensiver man reagiert, desto schneller kann man auch die Wirtschaft wieder hochfahren. In Öster­reich zum Beispiel haben die Lokale seit über einem Monat wieder geöffnet, in Paris ist es so, dass die Cafés erst vor wenigen Tagen wieder vollständig aufsperren durften.

Man sieht also, die rasche Reaktion war nicht nur gut, was die Rettung von Menschen­leben betrifft, sondern auch, was die Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen be­trifft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 4. Anfrage, jener der Abgeord­neten Rössler. – Bitte.

09.26.01


Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Bundeskanzler, die Covid-Krise, die Kli­makrise und auch die aktuell weltweit größte Biodiversitätskrise haben gemeinsam, dass wir die Lösung nur durch vermehrte Anstrengungen für einen nachhaltigen Lebensstil und Wirtschaftsstil schaffen werden. Dafür bieten sich der Green New Deal der EU, aber auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen an.

Meine Frage lautet:

12/M

„In welchen österreichischen Wirtschaftssektoren sehen Sie die größten Potenziale für das Ziel ,SDG 12 für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster‘ der UN Nachhaltig­keitsagenda 2030?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, Sie sprechen da ein wichtiges Thema an. Zunächst möchte ich festhalten, dass ich froh bin, dass Österreich, was die Umsetzung der SDGs betrifft, auf einem internationalen Spitzenplatz liegt. Wir müssen uns gemein­sam in der Regierung anstrengen, dass wir diesen Weg konsequent weitergehen. Ich halte insbesondere die Wasserwirtschaft und die biologisch bewirtschaftete Landwirt­schaft für ganz entscheidend; da liegen wir auch europaweit im Spitzenfeld. Ich freue mich, dass wir in der Bundesregierung jetzt auch zum Beispiel übereingekommen sind, dass wir die Kreislaufwirtschaft noch stärker forcieren wollen. Ich glaube, das alles sind Maßnahmen, die in die richtige Richtung zeigen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Rössler? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Meine Zusatzfrage ist etwas allgemeiner: Welche weiteren Beiträge soll Österreich in den nächsten zehn Jahren zur Erfüllung der Nachhaltigkeitsagenda leisten?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben jetzt – ich glaube, es war auch ein Vor­schlag der Grünen – freiwillig einen nationalen Umsetzungsbericht der Ergebnisse der


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Wirkungsziele in Österreich erstellt. Das sind Erkenntnisse, die wir da zusätzlich gewin­nen können und die uns auf dem Weg, die SDGs bestmöglich umzusetzen, auch un­terstützen.

Kernbereiche sind aus meiner Sicht sicherlich die Digitalisierung – da haben wir bei der Coronakrise wieder einmal erlebt, wie wesentlich das ist –, der Bereich Frauen, Jugend und sozial benachteiligte und ausgegrenzte Gruppen, aber natürlich auch Klimaschutz und Kampf gegen den Klimawandel. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 5. Anfrage stellt Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

09.28.33


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Bundeskanzler, Sie haben bei der Frage des Kollegen Haubner ausführlich erwähnt, dass diese 50 Milliarden Euro bewegt wur­den. Wir wissen ja, dass bei den EPUlern, den Einpersonenunternehmen, aber auch im Klein- und Mittelbetriebsbereich relativ wenig bis gar nichts ankommt. Es ist suboptimal, das können wir, glaube ich, beide konstatieren.

Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass das Geld dort nicht ankommt, wenn 50 Milliarden Euro bewegt wurden – was wir natürlich anders sehen, weil es Steuerstundungen sind? Gab es Schnittstellenprobleme? In welchem Bereich funktionierte es wirklich nicht?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 10/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was waren die Gründe dafür, dass in den vergangenen drei Monaten die wirtschaftliche Hilfe bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht angekommen ist?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Guten Morgen, Herr Abgeordneter! Zunächst: Ich glaube, Sie haben vollkommen recht, man muss zwischen Steuerstundungen und Hilfen unterscheiden. Im Fall der Steuerstundungen ist vieles sehr, sehr schnell gegangen. Im Normalfall gab es da eine Bewilligung innerhalb von 48 Stunden. Bei den Hilfen war es natürlich notwendig, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, Verordnungen zu erarbeiten. Gerade wenn große Summen ausgezahlt werden, dann muss es auch eine gewisse Form der Kontrolle geben.

Bei der Kurzarbeit zum Beispiel war es eine Herausforderung, dass die Struktur des AMS schlicht und ergreifend für einige Hundert Fälle pro Jahr ausgelegt war und man schlag­artig mit 100 000 Anträgen konfrontiert war. Das ist so, wie wenn Sie als Wirt es gewohnt sind, am Abend 100 Personen zu bewirten und für 100 Personen zu kochen, und auf einmal kommen an einem Abend nicht 100 Gäste, sondern 10 000 Gäste zu Ihnen. (Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Sie werden auch einige Zeit brauchen, Ihre Struktu­ren so zu adaptieren, dass Sie dem gerecht werden können.

Was den Härtefallfonds betrifft: Da ist es so, dass bis zu 80 Prozent des Einkommens mit einer Obergrenze von 2 500 Euro netto pro Monat ersetzt werden sollen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schellhorn? – Bitte.


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Mir ging es eher um die Schnittstellen, weil das Geld nicht ankommt. Das ist ja das Thema und das ist ja der Grund für die Unzufrie­denheit. Ich frage mich dann schon, wen die Wirtschaftstreibenden jetzt wählen würden.


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Meine Zusatzfrage geht aber in die Richtung, dass Sie – also vor allem die Gastronomie­ministerin, wie sie seit Kurzem genannt wird – Steuerermäßigungen für Speisen und Ge­tränke angekündigt haben. Meine Frage – weil Sie auch immer wieder von der Krise in der Hotellerie, in der Stadthotellerie gesprochen haben – lautet: Warum haben Sie nicht auch da eine Steuerermäßigung auf die Logis auf 5 Prozent vorangetrieben?

Beziehungsweise: Wie können Sie es begründen – weil in der Hotellerie ja gar keine Hilfen angekommen sind –, dass die Bauern, die sagen können, dass sie in der letzten Zeit gar keine Verluste gehabt haben, ein 500-Millionen-Euro-Paket kriegen? (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Na ja, es wurde ja immer wieder argumentiert, dass man den Bauern Dank ausgesprochen hat, weil die so viele Lebensmittel produziert haben, nicht? (Abg. Wöginger: ... exportiert ...!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich versuche, auf all Ihre Fragen einzugehen. (Abg. Schellhorn: ... die Zwischenrufe ...!) – Ja, ja, ich versuche, auf all Ihre Fragen einzuge­hen. Zunächst einmal beginne ich mit dem letzten Teil: der Landwirtschaft. Ich glaube schon, dass es da eine große Betroffenheit gibt, da viele Landwirte natürlich eng mit der Gastronomie zusammenarbeiten, mit dem Tourismus, weniger Leute im Land sind, die Preise dadurch teilweise gefallen sind. Das heißt, in einer Branche, die teilweise ohnehin schon betriebswirtschaftlich schwierig zu führen ist, ist es natürlich problematisch, wenn die Preise, der Umsatz um 20, 30 Prozent fallen.

Zum zweiten Bereich, den Sie angesprochen haben, zum Tourismus: Sie haben voll­kommen recht, dass der Tourismus eine ganz besonders betroffene Branche ist. Darum haben wir uns auch dafür entschieden, den Fixkostenzuschuss auf das ganze Jahr zu verlängern, um insbesondere die Städtehotellerie zu unterstützen. Die Idee der Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen wurde von vielen Touristikern unterstützt, weil viele Tou­rismusbetriebe ja nicht nur die Nächtigung anbieten, sondern natürlich auch einen Gas­tronomiebetrieb und die Verpflegung dazu.

Zum ersten Punkt – die Hilfen kommen nicht an oder niemand hat etwas bekommen –: Ich verstehe jeden, der ungeduldig ist, der unter irrsinnigem Druck ist, der sagt: Mir geht es schlecht, weil die Weltwirtschaftslage einfach eine furchtbare ist! – Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass wir in Österreich 80 000 Betriebe haben, die bisher schon Kurzarbeitsgelder bekommen haben. Wir haben die Situation, dass die Steuer­stundungen innerhalb von 48 Stunden funktioniert haben. Wir haben die Situation, dass wir eines von ganz wenigen Ländern sind, die für die Kredite 100-Prozent-Garantien vergeben. Das hat einige Wochen gebraucht, weil das die beihilferechtlichen Regelun­gen der Europäischen Union zu Beginn nicht hergegeben haben. (Abg. Meinl-Reisin­ger: Das war schon im April der Fall! Das ist nicht wahr! Das ist ja lächerlich! Wir haben Juni!) Wir haben die Situation, dass der Fixkostenzuschuss im Durchschnitt innerhalb von sechs Tagen bearbeitet wird, die Abrechnung der Kurzarbeit – sobald sie abgege­ben wird – innerhalb von sieben Tagen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Matz­netter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundeskanzler, an dem ominö­sen Wochenende vom 14./15. März vor dem Lockdown hat die von Ihnen geführte Bun­desregierung und die Mehrheitsfraktion von ÖVP und Grünen versucht, einen seit dem Epidemiegesetz 1950 bestehenden gesetzlichen Anspruch auf vollen Schadenersatz und Verdienstentgang abzuschaffen. Danach waren die Personen, viele Zigtausende Unternehmer, gezwungen, als Bittsteller, als Almosenempfänger – von Ihnen selbst de­finitorisch zu Härtefällen degradiert – Ansprüche zu stellen.

Meine Frage ist: Warum haben Sie nicht wie die Nachbarländer Schweiz und Deutsch­land einen Weg gewählt, bei dem wie in der Schweiz innerhalb von vier Tagen nach dem


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Lockdown alle ihr Geld gehabt haben, weil es gegen nachfolgende Überprüfung mit der Steuer ausbezahlt wurde, oder wie in Deutschland, wo das durch die Finanzverwaltung erfolgt ist und der Effekt der sofortigen Zahlung der war, dass in Deutschland die Ar­beitslosigkeit in einem viel geringeren Ausmaß gestiegen ist als in Österreich?

Warum wurde der Weg – x Institutionen: WKO, AWS, AMS, ÖHT, Cofag und was es da noch alles gibt – mit Richtlinien kompliziert im Wochentakt geändert, ein Bürokratie­monster geschaffen, statt den erfolgreichen Weg wie in der Schweiz und in Deutschland zu gehen: einfach sofort auszahlen? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Wenn das, was Sie sagen, stimmen würde, dann müsste es ja so sein, dass nur in Österreich ein Wirt­schaftseinbruch stattgefunden hat und die Situation an der Schweiz oder an Deutschland spurlos vorbeigegangen ist. Wenn Sie sich den prognostizierten wirtschaftlichen Ein­bruch anschauen, dann ist der in sehr vielen Ländern sehr, sehr ähnlich, inklusive Deutschland, der Schweiz und Österreich. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Rei­singer, Drozda und Rendi-Wagner.) Insofern kann ich Ihnen nur sagen, dass ich Ihre Darstellung so nicht teile.

Warum sind verschiedene Maßnahmen auf unterschiedliche Institutionen aufgeteilt wor­den? – Weil die Institutionen sonst schlicht und ergreifend zusammengebrochen wären. Wenn wir eine Institution, die auf einige Hundert Anträge pro Jahr ausgelegt ist, auf einmal für 100 000 Anträge verantwortlich machen, dann kann das gerade noch irgend­wie funktionieren; aber wenn man einer Institution alles umhängt, dann gibt es einen Zusammenbruch. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir haben es an den Referenzzahlen gesehen!)

Noch dazu ist Ihre Darstellung der Schweiz vollkommen unrichtig. Da in der Schweiz, wie Sie vielleicht wissen – oder auch nicht –, vieles föderal ist, sind die Wirtschaftshilfen innerhalb der Schweiz überhaupt nicht ident, sondern von Kanton zu Kanton stark unter­schiedlich (Abg. Meinl-Reisinger: ... aber besser!), und ich habe Rückmeldungen von Unternehmen bekommen, die teilweise zufrieden und teilweise unzufrieden sind, je nachdem, in welchem Kanton sie wirtschaftlich tätig sind. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Zwischenruf bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Hau­ser. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! So ganz nach dem Motto: Täglich grüßt das Murmeltier, setzen wir uns ja schon seit zwei­einhalb Monaten für die kleinsten Beherbergungsbetriebe in Österreich ein.

Es sind immerhin 41 000 Betriebe, die jetzt nicht vor der Situation stehen, Hilfsgelder zu spät zu bekommen, sondern die bis jetzt vollkommen durch den Rost gefallen sind, weil sie überhaupt nicht anspruchsberechtigt sind. Das sind die kleinsten der Kleinen, das sind die privaten Vermieter von Ferienwohnungen, die ihre Ferienwohnung mit maximal zehn Betten im Zuge des häuslichen Zu- und Nebenerwerbes betreiben, also auch un­glaublich wichtig für den ländlichen Raum sind.

Uns ist es nach zweieinhalb Monaten Einsatz noch immer nicht gelungen, zu erreichen, dass diese privaten Vermieter von Ferienwohnungen – so wie die Vermieter von Urlaub am Bauernhof, die bereits seit Ende März über den Härtefallfonds entschädigt werden – überhaupt anspruchsberechtigt sind.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, was denken Sie, wenn diese jetzt die Fragestunde mitansehen und hier permanent Zahlen von 50 Milliarden Euro und anderen Summen durch die Gegend schwirren - -



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kommen Sie zur Frage! Sie haben die Rede­zeitbeschränkung von 1 Minute schon erreicht.


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Darf ich die Frage stellen?

Wieso kommen die privaten Vermieter von Ferienwohnungen nicht in den Genuss, über den Härtefallfonds entschädigt zu werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir werden uns bemühen, diesbezüglich eine Lösung zu finden. Die Herausforderung ist, dass Sie natürlich irgendwo Trennlinien und Abgren­zungen setzen müssen.

Vermietung ist ein sehr weiter Begriff. Diese kann dauerhaft sein und gar nicht im Zu­sammenhang mit Corona stehen, und es kann sich um Ferienbetriebe handeln, bei de­nen Sie dann inhaltlich natürlich recht haben. Das ist eine gar nicht so einfache Ab­grenzungsfrage. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker, Leichtfried und Matznetter. – Abg. Martin Graf: Das wird denen jetzt aber helfen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur 6. Anfrage, jener des Ab­geordneten Gerstl. – Bitte.

09.39.29


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, schö­nen guten Morgen! Österreich war aufgrund seiner Nachbarschaft zu Italien eines der ersten Länder in Europa, in welchen das Coronavirus ausgebrochen ist. In der Zwischen­zeit gibt es über acht Millionen bestätigte Coronafälle und über 440 000 Todesfälle.

In Österreich – im Unterschied zu vielen anderen Ländern der Welt – ist die Infektions­welle so rasch nach unten gegangen wie in kaum einem anderen Land. Sie haben mit Ihren besonders guten internationalen Kontakten, wie zum Beispiel zu Südkorea oder zu Israel, viele Informationen nach Österreich geholt, sodass es Ihnen möglich wurde, sehr rasch Maßnahmen zu setzen, die in Österreich viele Tote vermieden haben. (Zwi­schenruf des Abg. Leichtfried. – Abg. Meinl-Reisinger: Ischgl! Italien!) Wie eine inter­nationale Studie zeigt, sind es sogar 66 000 Tote weniger, als wir sonst zu erwarten ge­habt hätten.

Herr Bundeskanzler, meine Frage lautet:

4/M

„Wie funktioniert der Austausch mit den anderen EU-Staaten während der Corona-Krise?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Mittlerweile funktioniert er wieder auf einem sehr guten Niveau. Es wird hoffentlich im Juli erstmals wieder einen physischen Europäischen Rat geben. In den letzten Monaten fand dieser selbstverständlich nur über Videokonfe­renz statt. Was die Bewältigung der Krise betrifft, bin ich sehr froh, dass wir als Bun­desregierung einerseits auf Experten in Österreich gesetzt haben, andererseits aber auch auf den Austausch mit Singapur, Südkorea und anderen, die uns rechtzeitig ge­warnt und gute Hinweise gegeben haben, wie zum Beispiel jenen zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz, das wir eingeführt haben, bevor es noch eine WHO-Empfehlung dazu gab, was sich als sehr, sehr zielführend erwiesen hat.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gerstl? – Bitte.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Herr Bundeskanzler, Sie haben den Aus­tausch innerhalb der EU-Staaten angeschnitten. Ein wichtiger Diskussionspunkt ist da­bei, dass wir innerhalb der Europäischen Union versuchen, auch alle Länder, die von


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Corona besonders betroffen sind, zu unterstützen. Sie haben immer die Haltung ver­treten, dass ein Nettozahlerland, so wie Österreich, nicht dazu da ist, um die Schulden anderer Länder abzudecken, sondern dass es, wenn man eine Hilfsmaßnahme zu Co­rona setzt, wichtig ist, dass diese treffsicher und zeitlich befristet ist. Können Sie uns sagen, wie die derzeitigen Verhandlungen für diesen Wiederaufbaufonds in Europa stehen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Was gut gelungen ist, ist, dass wir sehr schnell den ESM aufgestellt haben, also direkt Liquidität für Staaten sicherzustellen, die besonders hart von der Krise getroffen worden sind. Was gut funktioniert hat, war, dass wir ge­meinsam mit dem Gesundheitsministerium und den Bundesländern auch Coronapa­tienten aus anderen Ländern behandelt haben, dass wir Masken und andere Schutzaus­rüstung in die Balkanstaaten und auch andere Staaten geschickt haben, um diese zu unterstützen. Was den Recoveryfund betrifft: Da laufen die Verhandlungen nach wie vor ergebnisoffen. Die Positionen sind teilweise sehr unterschiedlich. Ich hoffe, dass am Ende des Tages ein Kompromiss möglich ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Krainer. – Bitte.

09.42.41


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen! Der Untersu­chungsausschuss zu Ibiza hat begonnen, wir erinnern uns alle: zack, zack, zack! Da wurde von Superreichen, von großen Konzernen bestellt, es wurde bezahlt und es wurde von Teilen der Politik jedenfalls geliefert. Der Untersuchungsausschuss hat erst wenige Tage Befragungen hinter sich, aber wir sehen bei den privaten Krankenanstalten genau dieses Bild: Es gibt bei der FPÖ einen Spender, der 10 000 Euro an die FPÖ spendet, der selber ein Privatspital betreibt. Wir haben die SMS zwischen Strache und diesem Privatspitalbetreiber: Welches Gesetz soll ich für dich ändern?

Auf der ÖVP-Seite gibt es einen viel größeren Betreiber von Privatspitälern, der spendet 50 000 Euro an die ÖVP, an Ihre Partei. Wir haben ja das E-Mail von ihm an Ihren ehe­maligen Vizekanzler, in dem er schreibt: Ich habe das alles mit Löger und Blümel verein­bart – mehr oder weniger –, diese Gesetzesänderung ist auf Schiene! – Wir sehen dann im Bundesgesetzblatt - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kommen Sie bitte zur Frage, 1 Minute ist schon vorbei!


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Sehr gerne, Herr Präsident! Wir sehen dann im Bundesgesetzblatt: Dieses Gesetz kam. 5 Millionen Euro für den ÖVP-Spender, 1 Million Euro für den FPÖ-Spender. Insofern darf ich Sie fragen:

8/M

„Gibt es auf Basis der Beweiserhebungen für den Ibiza-Untersuchungsausschuss Initia­tiven der Bundesregierung, um die Möglichkeit des Gesetzeskaufs in Zukunft zu unter­binden?“ (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sie haben hier einigen Personen strafrechtlich rele­vante Handlungen unterstellt, das möchte ich nicht kommentieren. Ich möchte darüber hinaus als Vertreter der Exekutive jetzt auch nicht die Arbeit des Untersuchungsaus­schusses bewerten, das ist Aufgabe des Parlaments. (Ruf: Das war auch nicht gefragt!)

Was die Thematik der Transparenz betrifft, haben wir als Regierung unabhängig vom Untersuchungsausschuss im Regierungsprogramm zahlreiche Maßnahmen vereinbart:


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Transparenzmaßnahmen wie die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, das einklagbare Recht auf Informationsfreiheit, Verschärfungen im Strafrecht und vieles mehr. Der Vize­kanzler und ich stimmen überein, dass es gut für Österreich ist, all diese Maßnahmen rechtzeitig, rasch und zügig, sehr gerne auch gemeinsam mit Ihnen im Parlament um­zusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Krainer? – Bitte.


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident, ich wollte nur darauf hinweisen, dass ich bei einer Hauptfrage natürlich 2 Minuten Fragezeit habe und nicht 1 Minute. Ich wollte hier aber trotzdem sagen, beim Ibiza-Untersuchungsausschuss geht - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist ein Hinweis, der falsch ist. Sie haben nur 1 Minute, aber Sie dürfen fortfahren. (Abg. Loacker: Nein, er hat 2! Zusatzfrage hat 1! – Abg. Belakowitsch: Seit wann? – Ruf: Er hat 2!)


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Schauen Sie, es wird gerade geblättert (auf einen Mitarbeiter der Parlamentsdirektion weisend), man wird es Ihnen sagen. Ich halte mich aber eh auch bei der Zusatzfrage kurz, aber wenn Sie schon so aufzeigen, dann kann ich das gleich als Beispiel heranziehen.

Hinsichtlich Ibiza geht es ja auch darum, dass am Rechnungshof vorbei an parteinahe Vereine gespendet werden soll und Kooperationen durchgeführt werden sollen. Jetzt ist im Untersuchungsausschuss das Alois-Mock-Institut aufgetaucht, bei dem der Herr Prä­sident Initiator und auch Präsident ist und bei dem zumindest bereits Kooperationen mit der Novomatic im Raum stehen. Laut eigenen Aussagen des Vereins hat es darüber hinaus noch mit anderen Glücksspielkonzernen und mit anderen Firmen Kooperationen, Sponsorings und so weiter gegeben.

Wie werden Sie als ÖVP-Chef und vor allem auch als Bundeskanzler dafür sorgen, dass es nicht mehr vorkommt, dass es da parteinahe Vereine gibt, in denen ausschließlich ÖVP-Funktionäre sind, die nicht - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie sind schon wieder über der Minute, und ich darf Ihnen sagen: Paragraf 96 sieht nicht mehr als 1 Minute vor, Herr Krainer, es tut mir leid, dass ich Sie korrigieren muss. Für die Antwort steht Ihnen eine Sollzeit von 2 Mi­nuten zur Verfügung. Ich würde Sie daher doch freundlich bitten, nach 1 Minute und 6 Se­kunden zur Frage zu kommen!


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Ich war mitten in der Frage, aber es wun­dert mich nicht, dass Sie mich bei dieser Frage unterbrechen, wenn es um das Alois-Mock-Institut - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nein, ich unterbreche Sie nicht wegen der Frage, sondern weil Sie die Zeit überschritten haben.


Abgeordneter Kai Jan Krainer (fortsetzend): Es wundert mich gar nicht, dass Sie mich hier unterbrochen haben, Sie sind ja Präsident des Alois-Mock-Instituts. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie wollen Sie in Zukunft verhindern, dass in ÖVP-nahen Vereinen, ohne dass es im Rechenschaftsbericht aufscheint, Spenden von Firmen und von reichen Personen an­kommen? (Abg. Wöginger: Pensionistenverband!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Zunächst einmal sind Spenden, die eine gewisse Summe überschreiten, laut Gesetz, wenn sie an eine Partei gehen, dem Rechnungshof zu melden. Die ÖVP – und ich gehe davon aus, dass sich auch alle anderen Parteien daran halten – tut das. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Alle weiteren Fragen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 25

können Sie mir gerne im Untersuchungsausschuss stellen, ich bin ja nächste Woche bei Ihnen zur Aussage zu Gast. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler. – Zwischenruf bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Wir kennen alle den Spruch: Wer im Glas­haus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Obermaier und Obermayer haben in ihrem Buch über die Ibizavideoaffäre festgestellt, dass bei dem Punkt: „Novomatic zahlt alle“, nur bei einer Partei ein unmittelbarer Zahlungsfluss feststellbar ist, nämlich 3 500 Euro von Novomatic direkt an den Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband. (Oh-Rufe bei der ÖVP. – Heiterkeit des Bundeskanzlers Kurz.) Wir werden das selbstverständlich auch ganz genau im Untersuchungsausschuss untersuchen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie als Vertreter der Exekutive, Herr Bundeskanzler, haben angesprochen, dass es Ih­nen ein Anliegen ist, die Strafverfolgungsbehörden zu stärken. Sie haben das im Rah­men des Budgets auch zum Ausdruck gebracht. (Zwischenrufe des Abg. Vogl.) Welche Initiativen setzt die Bundesregierung zur Stärkung der Strafverfolgungsbehörden, um solche Dinge zu verhindern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Genau das, was Sie gerade angesprochen haben, Herr Abgeordneter. Wir haben versucht, im Budget die Notwendigkeiten bestmöglich ab­zubilden, um ein gutes und unabhängiges Arbeiten zu gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Hafen­ecker. – Bitte.

09.49.09


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanz­ler! In der Causa Casag gab es ja diese berühmte anonyme Anzeige, die dann auch zu einigen Hausdurchsuchungen geführt hat. Gegen Sie wurden natürlich – Sie wurden ja auch angezeigt – sofort die Ermittlungen eingestellt, während bei anderen Leuten Haus­durchsuchungen durchgeführt, Handys abgenommen worden sind und so weiter und so fort.

Wir haben im Untersuchungsausschuss mit Herrn Strache gesprochen, und er hat uns gesagt, dass Ihre Kommunikation punkto Regierungsangelegenheiten hauptsächlich über Messengerdienste und SMS stattgefunden hat, von Parteichef zu Parteichef. Das heißt, wenn man in der Causa Casag unterstellt, dass es Absprachen bei Gesetzen ge­geben hätte, wäre es wohl lebensnahe, davon auszugehen, dass man auch darüber kom­muniziert hat.

In der Soko Tape wurde festgestellt, dass diese Chatverläufe, die es zwischen Ihnen und Strache gab, nicht relevant für die Sache sind, sie sind daher dem Untersuchungs­ausschuss bis heute nicht vorgelegt worden. Das ist auch einer der Gründe, warum wir der Meinung sind, dass die Soko Tape aufgelöst und neu aufgestellt gehört. Meine Frage lautet daher:

Wie erklären Sie sich den Umstand, dass dem Untersuchungsausschuss keine zwischen Ihnen und Ihrem Vizekanzler Strache zugesandten SMS vorliegen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 2/M, hat folgenden Wortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 26

„Wie erklären Sie sich, dass dem ‚Ibiza-Untersuchungsausschuss‘ keine zwischen Ihnen und dem ehemaligen Vizekanzler zugesandten SMS- oder Messenger-Nachrichten über­mittelt wurden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass das Bundeskanzleramt entsprechend den Beweisbeschlüssen dem Untersuchungsaus­schuss alle relevanten Akten in vollem Umfang vorgelegt hat. Was die Vorlage von anderem, wie beschlagnahmten Handys und Sonstigem, betrifft: Das ist Zuständigkeit der Justiz, der Staatsanwaltschaft und der Oberbehörde und nicht meine Entscheidung als Bundeskanzler. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Es bleibt Ihnen natürlich vorbehalten, sie selbst vorzulegen.

Ich habe vorhin schon erwähnt, dass auch bei Herrn Schmid eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Es gibt ja diese Drogenvorwürfe gegen ihn, und es gibt jetzt ein Gutachten, das besagt, er hätte keine Drogen genommen. (Ruf bei der ÖVP: Wer, der Strache?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Übrigens hat das das gleiche Institut gemacht, das auch den Test von Herrn Gudenus durchgeführt hat. Die Drogenvorwürfe stehen also jedenfalls im Raum. Herr Schmid sitzt mittlerweile der Öbag vor, das ist die Unternehmensverwaltung der Republik, da geht es um Milliarden. Er sagt auch, er sei einer Ihrer wichtigsten Vertrauten.

Meine Frage an Sie, Herr Bundeskanzler: Halten Sie an Herrn Schmid fest? Ist es die richtige Entscheidung gewesen, ihm ein so wichtiges Amt zu geben? Wird Herr Schmid auch in Zukunft Öbag-Chef sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Das ist eine Beurteilung, die dem Aufsichtsrat obliegt. Ich für meinen Teil bewerte weder laufende Verfahren noch Aussagen oder Ermittlun­gen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Glaube ich Ihnen, danke!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Frage: Herr Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.


Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Herr Bundeskanzler, Sie haben im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage mitgeteilt, dass Sie vor der Besetzung des Vorstandes der Oesterreichischen Nationalbank keine diesbezüglichen Gespräche mit Vizekanzler Strache geführt hätten. Der frühere Vizekanzler Strache hat im Ibiza-Untersuchungsausschuss sehr klar gesagt, dass es natürlich Kontakt, auch per SMS und über andere Dienste, zwischen Ihnen und Strache zum Thema Oesterreichi­sche Nationalbank gegeben habe.

Erstens: Bleiben Sie bei dieser Aussage? Zweitens: Mittels welcher Dienste – SMS, Sig­nal, Whatsapp, Telegram oder anderer – haben Sie mit Herrn Strache verkehrt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich habe mit dem Vizekanzler sowie mit allen Minis­terinnen und Ministern in der Bundesregierung zu zahlreichen Themen in unterschied­licher Art und Weise kommuniziert – persönlich, telefonisch, per SMS oder Whatsapp.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 27

Was Personalentscheidungen betrifft: Natürlich werden in einer Bundesregierung zahl­reiche Personalentscheidungen getroffen, das beginnt beim Verfassungsgerichtshof, geht weiter bei Aufsichtsräten in Bereichen, in denen die Bundesregierung die Eigen­tümerin, nämlich die Republik Österreich vertritt, und reicht bis hin zu vielen anderen Funktionen im öffentlichen Dienst und anderen Entscheidungen, die in einer Bundesre­gierung zu treffen sind.

Viele dieser Entscheidungen werden in einer Bundesregierung vorher besprochen, man­che werden sogar vorab mit dem Bundespräsidenten besprochen, und einige davon wer­den sogar im Ministerrat beschlossen, wie zum Beispiel die Bestellung von Verfassungs­richtern. Diese Beschlüsse sind dort einstimmig zu fassen. Natürlich werden da zuvor Gespräche geführt, ganz gleich ob es eine Koalition zwischen Sozialdemokratie und Volkspartei, zwischen Freiheitlicher Partei und Volkspartei oder jetzt zwischen Grünen und Volkspartei ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brandstätter: Das überrascht mich nicht ... muss ich schon sagen dürfen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Frage: Abgeordnete Kucharowits. – Bitte. (Abg. Brandstätter: ... die parlamentarische Anfrage war ...! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Abgeordneter, es gibt nur eine Frage! Frau Kollegin Kucharowits ist dran.


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler, es ist allgemein bekannt, dass in Ihrem Haus umfassend geschreddert wurde. Unbekannt sind dem Untersuchungsausschuss aber leider etliche Ihrer Akten. Ich frage Sie ganz ehrlich: Haben Sie keinen Terminkalender beziehungsweise warum stellen Sie uns Ihren Terminkalender nicht zur Verfügung? Gibt es irgendetwas, das Sie zu verbergen haben? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Oder wurde Ihr Terminkalender auch geschreddert? (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich kann die Frage nicht wirklich nachvollziehen. Ja, ich habe, wie wahrscheinlich alle anderen Menschen auch, einen Terminkalender. Ich glaube, als Bundeskanzler bin ich überhaupt eine der medial meistbeobachteten Perso­nen, ein Großteil meiner Termine ist ohnehin öffentlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie können mich im Untersuchungsausschuss gerne zu allen Gesprächen, Terminen und Sonstigem, wozu Sie mich fragen wollen, befragen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wir fragen Sie hier! ... Fragestunde! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Frage: Herr Abgeordneter Fürlinger. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, span­nend waren die Hauptfrage und die Zusatzfragen von Personen, die gemeinsam mit mir im Untersuchungsausschuss gesessen sind. Dort hat uns der Oberstaatsanwalt der Wirt­schafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Frage eigentlich ausreichend beantwor­tet. Er hat uns nämlich das Auswertungsmodell vorgestellt. Gemäß diesem Auswer­tungsmodell sind nur jene Messengerbotschaften im Akt enthalten, die irgendeinen ver­dächtigen Inhalt haben; andere sind nicht enthalten.

Meine Frage ist daher: Auch in der Bundesregierung werden Messengerdienste ver­wendet, die die ganze Bevölkerung gern verwendet, egal ob Whatsapp oder SMS, also nichts Inkriminierendes. Können wir der österreichischen Bevölkerung versichern, dass ihre Whatsapp-Nachrichten und SMS, die keine verdächtigen Inhalte haben, auch nicht in irgendwelchen Gerichtsakten auftauchen? (Ruf bei der FPÖ: Die Frage hat die ÖVP ausgewählt! – Abg. Matznetter: Die Soko Tape, die das ...! – Ruf bei der SPÖ: Was ist die Frage?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 28

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich gehe doch davon aus - - (Abg. Kollross: Wenn man keine Frage stellt, kriegt man eine Antwort! – Ruf bei der ÖVP: Hat er ja! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Ihr freuts euch auch schon über alles!) Ich gehe doch davon aus, Herr Abgeordneter, dass es Allgemeinwissen ist, dass Menschen kommunizieren. Jeder in der Bevölkerung tut das, jeder tut das in seinem Job und jeder Politiker macht das genauso. Ich nehme an, Sie verfügen alle über ein Handy, Sie verfügen alle über einen Kalender. Ich weiß nicht, was daran strafrechtlich relevant sein sollte. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage kommt von Frau Abgeordne­ter Disoski. – Bitte.

09.56.55


Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundes­kanzler! Vielfach ist in den letzten Wochen festgehalten worden, dass die Covid-19-Pan­demie bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen wie durch ein Vergrößerungs­glas aufzeigen würde. Eine dieser Diskriminierungen oder Ungleichheiten ist, dass Frau­en auch im Jahr 2020 noch mit zahlreichen Benachteiligungen am Arbeitsmarkt kon­frontiert sind: Sie verdienen um 20 Prozent weniger als Männer, fast jede zweite Frau ist teilzeitbeschäftigt und von den vollzeitbeschäftigten Frauen ist jede dritte im Niedriglohn­sektor tätig.

Nicht nur während der Coronakrise sind Frauen Trägerinnen der Gesellschaft, die unse­re Systeme am Laufen halten und dazu beitragen, dass wir auch Krisen gut überstehen können, ob das im Lebensmittelhandel, in der Produktion, im Pflege- und Sozialbereich oder in Frauenhäusern ist. Frauen tragen mehrheitlich die wichtigsten Systeme, ohne entsprechend entlohnt zu werden. Daran anknüpfend meine Frage, Herr Bundeskanzler, an Sie:

13/M

„Welche Maßnahmen planen Sie, um die von Ihnen angekündigte Aufwertung der sys­temrelevanten Berufe (wie z. B. Pflege- und Sozialberufe, Versorgung, Reinigung etc.) umzusetzen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Also zunächst einmal möchte ich Ihnen recht geben, Frau Abgeordnete, dass in sehr vielen der systemrelevanten Berufe Frauen tätig sind. Oftmals sind das Frauen, die nebenbei noch eine Familie haben, Kinder großziehen oder sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Es sind nicht nur Frauen, es sind auch Männer, aber überproportional sind es Frauen, und ihnen gebührt unser großer Dank.

Es ist aber auch wichtig, dass man von diesen Berufen ordentlich leben kann und dass möglichst viel auch netto überbleibt. Ich bin daher froh, dass wir uns schon während der Krise in der Bundesregierung darauf verständigt haben, dass Bonuszahlungen und Zula­gen bis zu 3 000 Euro steuerfrei sind (Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Vogl), damit diese Bonuszahlungen auch wirklich netto bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Beispiel von Supermarktketten ankommen.

Darüber hinaus haben wir uns als Bundesregierung jetzt dazu entschlossen, ein Entlas­tungsprogramm durchzuführen, nämlich die Senkung der untersten Progressionsstufe der Lohn- und Einkommensteuer, inklusive einer Negativsteuer für Personen (Abg. Hei­nisch-Hosek: 100 Euro!), die keine Einkommensteuer in Österreich bezahlen. Ich hoffe sehr, dass das Geld einen Beitrag dazu leistet (Ruf bei der SPÖ: Sicher nicht!), dass diesen Menschen, die einen sehr, sehr wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten, auch mehr zum Leben bleibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? Frau Abgeordnete, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Ich habe eine Zusatzfrage, ich wollte nur den Applaus abwarten und nicht unterbrechen, weil es ja auch schön ist, wenn einmal applaudiert wird.

Mit der Zusatzfrage komme ich noch einmal auf die Geringverdienerinnen zurück: Die Steuererleichterungen sind jetzt ein Schritt. Welche nächsten Schritte wären aus Ihrer Sicht denkbar?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Also ich glaube, dass es wichtig ist, natürlich alles zu tun, damit die Menschen, die ihre Jobs verloren haben beziehungsweise in Kurzarbeit sind, jetzt möglichst rasch wieder in volle Beschäftigung zurückkommen. Gerade wenn es weniger Arbeitsplätze gibt, sind oft die gering ausgebildeten Niedrigverdiener dieje­nigen, die als Allererste betroffen sind.

Darüber hinaus gibt es natürlich die Möglichkeit, bei Lohnverhandlungen zwischen den Sozialpartnern gerade auch in wirtschaftlich guten Zeiten entsprechende Steigerungen zustande zu bringen. Was wir als Bundesregierung, glaube ich, tun sollten, ist, unseren Weg der Entlastung auf allen Ebenen – gerade für geringe Einkommen – weiterzugehen, damit diesen Menschen, die hart arbeiten, ein bisschen mehr zum Leben bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordnete Ecker. – Bitte.


Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Bundeskanzler, arbeitende Menschen in systemrelevanten Berufen starten oft mit einer Lehrlingsausbildung oder mit einem Lehrgang und entsprechenden nicht gut bezahlten Praktikumszeiten, sehr oft aufgrund des hohen Frauenanteils danach auch mit einem Einkommen im unteren Durchschnitt des Lohnniveaus.

Sehen Sie da eine Möglichkeit des Einwirkens – mit entsprechendem Nachdruck Ihrer­seits – auf die Sozialpartner, um genau diese Lehrlingsentschädigungen beziehungswei­se diese geringe Bezahlung der Praktikumsstunden monetär signifikant zu erhöhen, um eine sukzessive nachhaltige Erhöhung des Lohnniveaus anzustoßen und sicherzustellen?


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, mittelfristig haben Sie absolut recht, und Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an. Allerdings sind wir jetzt gerade mit der Situa­tion konfrontiert, dass wir alles tun müssen, damit es nicht zu wenig Lehrstellen für die jungen Menschen in unserem Land gibt. Wir versuchen daher als Bundesregierung, jetzt einmal mit einem Bonus Lehrstellen zu unterstützen, damit nicht die Krise dazu führt, dass es viele junge Menschen gibt, die nicht die Möglichkeit haben, eine Lehre oder eine ordentliche Berufsausbildung zu machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

10.01.47


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! In un­serem Land leben 2,4 Millionen Familien, knapp 1,2 Millionen davon sind vom Shutdown und dessen Auswirkungen wirtschaftlich betroffen: Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern ist der Umsatz von einem Tag auf den anderen weggebrochen.

Sie haben den Familienhärteausgleich geschaffen, um diesen Betroffenen zu helfen. Bisher haben 108 000 Familien um diesen Familienhärteausgleich angesucht, und knapp die Hälfte hat eine Antwort erhalten. Abgesehen davon, dass wir als NEOS den


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Nachweis erbracht haben, dass es in den ersten Wochen nicht so gut funktioniert hat, wie es hätte funktionieren können, auch in einer Krise, ist es noch immer so, dass die andere Hälfte zwar teilweise eine Nummer erhalten hat, aber 20 000 bis 30 000 Familien noch gar keine Information darüber haben, wie es weitergehen soll. Das sind 20 000 bis 30 000 Familien, die sich die Frage stellen: Bekomme ich die Hilfe oder nicht?

Meine konkrete Frage lautet:

11/M

„Bis zu welchem Tag werden alle betroffenen Familien, die bis zum 31. Mai 2020 für eine Unterstützung aus dem Corona-Familienhärtefonds angesucht haben, spätestens eine Auszahlung oder Antwort erhalten haben?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sie sprechen ein wichtiges Thema an. Es ist dort mas­siv aufgestockt worden, Sie haben es schon gesagt: Rund die Hälfte der Anträge sind bearbeitet, und das Ziel ist natürlich, dass die andere Hälfte der Anträge so rasch wie möglich bearbeitet wird, das ist ganz klar. Darüber hinaus haben wir uns als Bundes­regierung entschieden, auch eine Einmalzahlung von 360 Euro pro Kind zu beschließen, damit es neben diesem Härtefonds für die ganz besonders betroffenen Familien auch für alle Kinder eine Leistung von 360 Euro gibt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das ist einerseits für die Familien gut, gerade für die sozial schwachen Familien, an­dererseits aber wird das Geld in vielen Fällen auch direkt in den Konsum fließen und dadurch hoffentlich die Wirtschaft beleben, wodurch wieder Arbeitsplätze geschaffen werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Diese Antwort ist für jene Familien, die sich jetzt fragen, ob sie die Miete überweisen oder das Geld für den Essenseinkauf zurück­halten sollen, nicht zufriedenstellend.

Ich möchte meine Nachfrage auf ein zweites wichtiges Problem lenken und hoffe, es bekommt Ihre Aufmerksamkeit: Die Kurzarbeit wurde glücklicherweise ab dem 1. Juni verlängert. Man kann also länger in Kurzarbeit bleiben und damit seinen Job sichern. Beim Familienhärteausgleich sind aber noch immer die drei Monate vorgesehen, die ursprünglich bei der Kurzarbeit vorgesehen waren. Bleibt man länger in Kurzarbeit, hat man keinen Anspruch auf den Ausgleich. Ist von Ihrer Seite vorgesehen, diese An­spruchsdauer auch beim Familienhärteausgleich zu erweitern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Derzeit ist er so, wie er konzipiert ist, aber vielleicht darf ich hier eine Ankündigung machen: Wir haben das Kurzarbeitsmodell so konzipiert, dass es für sechs Monate besteht, allerdings wollen wir natürlich auch danach ein wei­teres Kurzarbeitsmodell anbieten. Wir arbeiten daher in der Regierung daran, dass es nach den sechs Monaten der Kurzarbeit ein Modell gibt, das attraktiver ist als das frühe­re, alte Kurzarbeitsmodell, wenn auch mit gewissen Adaptierungen zu dem jetzigen. Daran wird gerade gearbeitet, um ganz besonders auch Menschen, die in besonders betroffenen Branchen tätig sind, über die sechs Monate hinaus zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Bar­bara Neßler. – Bitte.


Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Die Coronakrise ist speziell auch für Familien eine besonders schwierige Zeit. Eltern, insbesondere Frauen, müssen die zweifache, dreifache Arbeit verrichten, Kinder waren in ihren sozialen Kontakten reduziert, waren


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beim Lernen teilweise auf sich allein gestellt, waren in ihrer Bewegungsfreiheit einge­schränkt; aber nicht nur die psychischen Belastungen, sondern vor allem auch die fi­nanziellen Belastungen bringen Familien – besonders Alleinerziehende, besonders öko­nomisch schlechter gestellte Familien – an ihre Grenzen.

Daher lautet meine Frage: Welche konkreten Maßnahmen wurden abseits der bisher genannten gesetzt, um Familien zu unterstützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Es war ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Sie haben vollkommen recht, Frau Abgeordnete, Familien sind oft ganz besonders betroffen: fi­nanziell natürlich, aber auch wenn es darum geht, während der Coronakrise auf engem Raum zusammenzuleben und neben dem Job auch noch das Homeschooling zustande zu bekommen und zu bewerkstelligen. Insofern gibt es neben dem Härtefonds, neben den 360 Euro pro Kind natürlich auch zahlreiche Beschlüsse, die wir jetzt gerade fassen, wie jene hinsichtlich der Sommerbetreuung betreffend die Möglichkeit, die Kinder auch im Sommer gut betreut zu wissen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das sind alles wichtige Maßnahmen, gerade für Eltern, die Beruf und Familie unter einen Hut brin­gen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Ofenauer. – Bitte.

10.06.46


Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Die Covid-19-Pandemie hat die Be­völkerung weltweit vor große Herausforderungen gestellt, und entgegen der Darstellung, der Wahrnehmung mancher Fragesteller heute sind wir in Österreich offensichtlich auf­grund der raschen Reaktion und der Information durch die Bundesregierung sowie auch aufgrund des raschen Einschreitens des Nationalrates bei der Gesetzgebung doch ver­hältnismäßig gut über diese Krise hinweggekommen. Dennoch gibt es natürlich auch Gruppen, die besonders betroffen sind.

Meine Frage lautet daher: Wie werden im Zuge der Bewältigung der COVID-19-Pan­demie besonders betroffene Gruppen und Personen mit niedrigem Einkommen unter­stützt und entlastet?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 5/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie werden im Zuge der Bewältigung der COVID-19 Pandemie besonders betroffene Gruppen und niedrige Einkommen unterstützt und entlastet?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben das zum einen einmal durch die Kurzarbeit gemacht, die möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Über eine Million Menschen sind in Kurzarbeit, darunter sind viele, deren Jobs ohne die Kurzarbeit wahrscheinlich weg­gefallen wären. Darüber hinaus sind es Maßnahmen wie zum Beispiel die Senkung der untersten Progressionsstufe bei der Einkommensteuer – also rund 350 Euro für arbei­tende Menschen, die auch voll Steuern zahlen –, die Maßnahme von 360 Euro pro Kind und andere Unterstützungsleistungen, die da helfen und gleichzeitig die Wirtschaft bele­ben sollen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr


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Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Diese Steuersenkungen und Unter­stützungen für Familien kommen natürlich den Familien und auch den Kindern zugute. Meine konkrete Frage lautet daher: Wie viele Kinder werden davon profitieren und wie viele Mittel werden dafür zur Verfügung gestellt werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wenn ich richtig informiert bin, dann haben wir rund 1,8 Millionen Kinder in Österreich, also allein die 360 Euro pro Kind sind ein großes Volumen, das da bewegt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

10.08.39


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Guten Morgen! 200 000 Menschen sind im März, Herr Bundeskanzler, unverschuldet arbeitslos geworden (auf der Galerie wird von Abgeordneten der SPÖ ein rotes Transparent ausgerollt, auf welchem in wei­ßen Großbuchstaben „Rauf mit dem Arbeitslosengeld, Herr Kurz!“ zu lesen steht – Beifall bei der SPÖ – Rufe bei der ÖVP), leider durch Ihre Politik. Es ist Ihre Verantwortung, durch die Aushebelung des Epidemiegesetzes ist das so passiert. Das Leben dieser Leute ist teilweise auf den Kopf gestellt. Es ist nichts mehr so wie vorher, und jetzt heißt es: bitte warten. Warum wird das Arbeitslosengeld nicht erhöht, Herr Bundeskanzler?

9/M

„Warum speisen Sie arbeitslose Menschen in Österreich mit einer Einmalzahlung von 450 Euro ab, während Sie den Aktionären der deutschen Lufthansa 150 Millionen Euro schenken, die 2019 einen Gewinn von 1,2 Milliarden Euro ausschüttete?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Die beste Antwort auf Arbeitslosigkeit ist die Schaf­fung von Arbeitsplätzen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

Wenn Sie hier sagen, es ist unsere Verantwortung, dass die Menschen arbeitslos sind, dann muss ich das entschieden zurückweisen. Wir haben es mit einer Weltwirtschafts­krise zu tun (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), bei der Sie hoffentlich nicht davon ausgehen, dass diese um Österreich einen Bogen macht.

Wir haben in Österreich deutlich konsequenter reagiert als in vielen anderen Ländern. Wir haben daher nicht nur eine bessere Gesundheitssituation, sondern auch eine bes­sere wirtschaftliche Situation als in vielen anderen Ländern. Wir haben mit der Kurzarbeit und anderen Maßnahmen dazu beigetragen, dass viele Jobs erhalten werden konnten.

Wenn Sie sagen, wir schenken der Lufthansa 150 Millionen Euro, dann bitte ich Sie, mit dem Bürgermeister von Wien zu sprechen. Ich bin sicher, dass dieser Ihnen einen guten Überblick dazu geben kann, wie viele Jobs in Wien und in Niederösterreich unmittelbar vom Flughafen und den Austrian Airlines abhängig sind und wie viele Menschen durch diesen Abschluss mit der Lufthansa und den Austrian Airlines nicht nur bei der AUA direkt, sondern auch bei vielen Betrieben drum herum ihren Arbeitsplatz erhalten konn­ten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kuntzl: Man hätte es auch anders machen können!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich Sie bitten, das Transparent wieder ein­zurollen? Wir haben es gesehen. Darf ich Sie bitten? Es ist üblich, dass wir nach einer Zeit das Zeigen von Transparenten oder Taferln wieder einstellen. (Auf der Galerie rollen Abgeordnete der SPÖ das Transparent wieder ein.) – Danke.

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek? – Bitte.



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Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich habe Sie gefragt, warum Sie sozusagen die 200 000 zusätzlich unverschuldet in Arbeits­losigkeit geratenen Menschen so im Regen stehen lassen und sie mit 450 Euro ab­speisen.

Meine Zusatzfrage bezieht sich aber auf die Situation der Frauen in der Coronakrise – es wurde vorher schon gefragt. Wir haben 1 000 Frauen in ganz Österreich gefragt, die betreffend die Verschlechterung ihrer beruflichen Situation nach der Krise wirklich viele Ängste artikulieren. Die Frau Arbeitsministerin hat uns bis dato absolut keine Antworten geliefert, wie sie Ausbildungsprogramme für Frauen gestalten möchte.

Ich frage daher Sie: Was werden Sie tun, Herr Bundeskanzler? Es ist wirklich auch Ihre Verantwortung, damit diese Doppelbelastung, damit diese Zahl an betroffenen Frauen – die doppelten Verliererinnen in der Coronakrise – verringert werden kann.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir sind in der Bundesregierung übereingekommen, dass wir mit Ende der Kurzarbeit eine Arbeitsstiftung in Österreich schaffen wollen, um alles zu tun, um diese Menschen, deren Jobs gerade weggefallen sind, wenn sie im Herbst noch immer arbeitslos sind, schnellstmöglich umzuschulen und fit für andere Branchen zu machen. Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, diese Menschen mit entsprechender Ausbildung zu unterstützen, damit sie möglichst rasch in anderen Be­reichen Fuß fassen können, wieder einen Arbeitsplatz haben und wieder selbst für sich und ihre Familien sorgen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordnete Himmel­bauer. – Bitte.

10.13.06


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir haben heute schon mehrfach über die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie und die raschen Hilfestellungen gesprochen, die die Bundesre­gierung gegeben hat, um Unternehmerinnen und Unternehmern, aber in weiterer Folge natürlich auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Familien unter die Arme zu greifen.

Eine Maßnahme oder eine Bestrebung der Bundesregierung nicht nur jetzt, sondern auch in den vergangenen Jahren war, auch immer wieder den Wirtschaftsstandort zu stärken, eine aktive Standortpolitik zu betreiben, um die Attraktivität zu steigern, Firmen nach Österreich zu bringen und diesbezüglich Stabilität und Sicherheit zu vermitteln et cetera.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Frage bitte!


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (fortsetzend): Meine Frage lautet:

6/M

„Welche Maßnahmen wurden im Rahmen der Bewältigung der Corona-Pandemie zur Absicherung des Wirtschaftsstandorts Österreich getroffen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich glaube, ein wichtiger Punkt ist die Senkung der Steuerlast. Das macht unseren Standort wettbewerbsfähiger und ist gerecht, weil arbei­tenden Menschen mehr zum Leben bleibt. Darüber hinaus haben wir uns in der Re­gierung – der Vizekanzler, der Finanzminister, die Wirtschaftsministerin und ich – auf Maßnahmen wie zum Beispiel die Förderung von Unternehmensgründungen, die Er­leichterung in diesem Bereich, aber auch auf Erleichterungen bei Unternehmensübergaben,


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zum Beispiel von einer Generation auf die nächste, geeinigt, um auch Unternehmertum in Österreich, gerade in einer so schwierigen Zeit wie dieser, bestmöglich zu fördern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Himmelbauer? – Keine.

Die nächste und letzte Zusatzfrage stellt Abgeordnete Tomaselli. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Bundeskanzler, 50 Milliarden Euro oder 50 000 Millionen Euro, das ist die fast unvorstellbare Summe, die unter dem Vor­zeichen Coronaförderung ausbezahlt wird. Noch nie wurde so viel Geld aus der Steu­ergemeinschaftskassa irgendwohin bezahlt. Jetzt hat die Gemeinschaft natürlich das berechtigte Interesse, dass diese Gemeinschaftsgelder, diese Steuergelder zu den Men­schen fließen, die es besonders brauchen, oder dorthin gehen, wo sie besondere Wir­kung entfalten können, was Beschäftigung und Wirtschaft anbelangt.

Wie wollen Sie als Bundeskanzler auf diese Sorge der in Österreich lebenden Menschen eingehen? Oder anders gesagt: Auf welche Weise wollen Sie für absolute Transparenz sorgen, was die Unterstützungen an die Unternehmen anbelangt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.


Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum es da nicht absolute Transparenz geben sollte. Das Ziel der Maßnahmen ist, Unternehmen, die durch die Krise in Not geraten sind, zu unterstützen, damit die Arbeitsplätze erhalten werden können. Das Ziel der Maßnahmen ist, dass trotz einer Weltwirtschaftskrise maximal viele Menschen in Österreich in Beschäftigung sind. Das ist eine Herausfor­derung, die uns noch Jahre beschäftigen wird, aber ich bin froh, dass wir bisher besser als viele andere Länder durch die Krise gekommen sind. Ich bin auch froh, dass Ös­terreich ein wirtschafts- und finanzstarkes Land ist, dass wir die letzten Jahre über gut gewirtschaftet haben, damit solche Hilfsprogramme überhaupt möglich sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Alle Fragen wurden gestellt, die Fragestunde ist damit zu Ende.

Ich bedanke mich bei allen Fragestellern und beim Herrn Bundeskanzler für die Beant­wortung der Fragen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.16.54Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisung darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2291/J bis 2317/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates:

9/JPR

2. Anfragebeantwortung: 1556/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:


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Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 20 betreffend "Petition zum Erhalt und der Modernisierung der Polizeiins­pektion Zirl", überreicht vom Abgeordneten Hermann Gahr

Petition Nr. 21 betreffend "Schutz der Bevölkerung, der Land- und Almwirtschaft, des Tourismus und des ländlichen Raumes vor großen Beutegreifern", überreicht von den Abgeordneten Ing. Josef Hechenberger, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller und Her­mann Gahr

Petition Nr. 22 betreffend "Selbstbestimmtes Sterben in Würde", überreicht vom Abge­ordneten Michael Bernhard

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung:

Forschungsfinanzierungsnovelle 2020 (239 d.B.)

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitstelematikgesetz 2012 geändert wird (232 d.B.)

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird (233 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (236 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zu­letzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020 geändert wird (238 d.B.)

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, die 11. Schulorganisationsge­setz-Novelle, das Schulunterrichtsgesetz, das Privatschulgesetz, das Land- und forst­wirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Bundesgesetz über die Österreichische Biblio­thekenverbund und Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung und das Prüfungs­taxengesetz geändert werden (237 d.B.)

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Bundesgesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außenwirt­schaftsgesetz 2011 geändert wird (240 d.B.)

Wissenschaftsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz über Privathochschulen erlassen wird und das Fachhochschul-Studien­gesetz geändert wird (234 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird (235 d.B.)

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der NEOS hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 701/A(E) der Abgeordneten Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung erfolgt die Behandlung des Dringlichen Antrages um 15 Uhr.


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Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters darf ich mitteilen, dass Frau Abgeordnete Yildirim beantragt hat, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 617/A(E) eine Frist bis zum 23. Juni 2020 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlung der Sitzung zur Abstimmung gebracht.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 1 bis 6, 7 und 8, 9 und 10, 11 und 12 der Tagesordnung jeweils zusammenzu­fassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es wurde Einvernehmen über die Redezeiten erzielt: 7,5 „Wiener Stunden“ Tagesblockzeit. Daher entfallen auf die ÖVP 146, auf die SPÖ 101, auf die FPÖ 83, auf die Grünen 75 sowie auf die Fraktion der NEOS 60 Mi­nuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, 30 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit pro Debatte mit 5 Minuten festgesetzt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die dargestellten Redezeiten.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig an­genommen.

10.18.491. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinves­titionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.)

2. Punkt

Bericht und Antrag des Budgetausschusses über den Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 geän­dert werden (227 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 605/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz) (228 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 620/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend


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Änderung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pandemie (229 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 622/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (230 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 165/A(E) der Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach (231 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen sogleich in die Tagesordnung ein und gelangen nun zu den Punkten 1 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Angerer. – Bitte.


10.19.29

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren und vor allem geschätzte Bürgermeisterkollegin­nen und -kollegen sowie Gemeindemandatare! Bei den Tagesordnungspunkten 1 bis 6 reden wir heute wieder über Hilfspakete im Zuge der Covid-19-Krise und unter anderem über ein Kommunalinvestitionspaket, das wir Freiheitlichen mit mehreren Anträgen hier im Parlament seit Wochen gefordert haben und das jetzt umgesetzt wird.

Vorausgeschickt seien vielleicht ein paar allgemeine Sätze betreffend Gemeinden: Wir haben in Österreich Steuereinnahmen von rund 130 Milliarden Euro, die sich wie folgt aufteilen: Circa zwei Drittel entfallen auf den Bund, circa 22 Prozent gehen an die Länder und 11 Prozent an die Gemeinden. Die Gemeinden sind die einzige Gebietskörper­schaft, die mit diesem Geld seit Jahren auskommt. Beim Bund war es zuletzt erstmals seit 65 Jahren wieder der Fall, dass er mit dem Geld, das er von den österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zur Verfügung gestellt bekommen hat, ausgekom­men ist.

Ich möchte auch noch ein paar Worte zum Antrag der NEOS sagen. Diese haben im Ausschuss einen Antrag gestellt, dass die Gemeinden mehr Transparenzbestimmungen unterliegen sollten, da sie intransparent sind. Sie fordern oder sie schreiben in ihrem Antrag, das BMF müsse dafür Sorge tragen, dass die Vergabe von Geldern nicht im stillen Kämmerlein stattfindet.

Frau Kollegin Doppelbauer! Liebe KollegInnen von den NEOS! Das mit dem stillen Käm­merlein war woanders, das war in Brüssel – das hat Herr Martin Schulz einmal erwähnt, dass dort Milliarden im stillen Kämmerchen verschoben werden – und nicht in den ös­terreichischen Gemeinden. Man sollte daher einmal in diese Richtung nachdenken. (Bei­fall bei der FPÖ.) Das ist eben der Zentralismus, den Sie fordern. Brüssel ist noch keine Gemeinde Österreichs – sollte es so weit kommen, dann müssen wir über diesen Antrag nachdenken.

Dann vielleicht noch ein Wort zu den 15 Milliarden Euro, die den Gemeinden von den 130 Milliarden zur Verfügung stehen, damit man einen Vergleich hat: Diese 15 Milliarden Euro sind das Gesamtbudget der österreichischen Gemeinden – circa 2 000 Gemeinden


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haben dieses Gesamtbudget von 15 Milliarden. Gleich viel haben Sie, die Grünen und die Schwarzen, mit der Regierung in die Cofag geschoben. Da entscheiden jetzt zwei Vorstände mit ihrem Aufsichtsrat über 15 Milliarden Euro, also über ein Budget, das gleich hoch ist wie jenes, über das alle österreichischen Gemeinden verfügen – und das ohne Kontrolle, bei völligem Entzug der Kontrollmöglichkeit durch das Parlament. Die entscheiden frei und vergeben 15 Milliarden Euro, das ist wirklich bedenklich.

Jetzt vielleicht zum Thema Kommunalinvestitionsgesetz. Wir haben dieses seit Wochen gefordert, aber leider hat man es – wie bei allen anderen Hilfspaketen – wieder äußerst verkompliziert und hat dementsprechende Vorgaben festgelegt. Das Programm regelt mittlerweile in 18 Punkten, für welche Investitionen dieses Geld in den einzelnen Ge­meinden verwendet werden darf. Darunter sind Punkte, bei denen ich mir wirklich die Frage stelle: Was hat das mit Investitionen zu tun? Wenn ich etwa lese, dass mit maximal 3 Prozent des Geldes, das der Gemeinde zusteht, Sommerferien finanziert werden kön­nen, dann weiß ich nicht, inwiefern das der Wirtschaft helfen soll. Was ist das für eine Investition? Und was ist das für ein Verhältnis? Wir zahlen, in einer kleinen Gemeinde, in unserem Kindergarten jedes Jahr 100 000 Euro dazu – und jetzt bekommen wir aus dem Investitionspaket 100 000 Euro, könnten also 3 000 Euro für die Sommerbetreuung in den Kindergärten verwenden. Das ist also ein völliger Schwachsinn! Das ist sinnlos, wird auch nicht passieren. Das Geld wird auch nicht dafür eingesetzt werden, wird keinen Betreuungsplatz schaffen, wird also keine Wirkung in der Wirtschaft erzielen.

Man hätte das Ganze in einem einzigen Punkt festlegen können, nämlich indem man den Gemeinden ermöglicht, dass sie mit dem Geld einfach gemeindeeigene Infrastruktur ausbauen können, den Ausbau damit finanzieren können. Damit wäre alles gesagt ge­wesen. Jetzt hat man sich Gott sich Dank darauf geeinigt, dass man Straßen sanieren darf; ich habe aber schon im Ausschuss gesagt: Sanieren allein ist zwar ein wichtiger Punkt, weil ja jede Gemeinde und vor allem der Bürgermeister auch in der Haftung steht, was den Erhalt der Straßen betrifft, aber warum ist nicht auch Neubau von Straßen da­von umfasst? Wenn man heute sagt, es kann ein Wohnbau errichtet werden, dann ist es oft so, wenn man mit Wohnbaugenossenschaften zusammenarbeitet, dass die Wohn­baugenossenschaft den Wohnbau errichtet und die Gemeinde die Aufschließung macht und die öffentliche Straße baut. Das darf aber die Gemeinde mit diesem Investitions­paket jetzt wieder nicht!

Ich habe im Ausschuss schon zu den Grünen gesagt, dass ich auch noch kein Elektro­auto fliegen gesehen habe. Warum man gegen Straßen ist, weiß ich daher nicht. Dass man es heute einmal generell und grundsätzlich für böse hält, eine Straße zu errichten, kann ich nicht nachvollziehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb bringen wir noch einen Abänderungsantrag ein, um noch besser zu ermögli­chen, dass das Geld wirklich dort ankommt. Herr Kollege Wöginger – du sitzt ja selber in einer Gemeinde –, ich glaube, es ist wichtig, dass das Geld ankommt und dass es in weiterer Folge direkt in die Wirtschaft geht und in Projekte investiert wird. Das muss man so aufmachen, dass das funktioniert. Deshalb bringe ich – als Ergänzung zu den 18 Punkten, die ihr schon in eurem Antrag angeführt habt – folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investi­tionen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020), in der Fassung des Aus­schussberichtes (226 d.B.) wird wie folgt geändert:


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1. Im § 2 Abs. 2 lautet die Z 15:

„15. Neubau, Verlegung, Instandhaltung und Sanierung von Gemeindestraßen“

2. Im § 2 Absatz 2 werden nach der Z 15 folgende Z 16 und 17 angefügt:

„16. Errichtung, Instandhaltung und Sanierung Gemeindeeigener und Touristischer In­frastruktur

17. Maßnahmen zum Erhalt der Nahversorgung“

*****

Ich glaube, auch die Nahversorgung ist in den Gemeinden ein wesentlicher Punkt. In diese müssen viele Gemeinden investieren, und das sollte man dementsprechend erwei­tern. Es fällt euch auch kein Stein aus der Krone – wenn ihr wollt, dass das Geld in den Gemeinden ankommt, solltet ihr diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, den ich auch im Ausschuss schon angesprochen habe – auch das ist ein konstruktiver Vorschlag von uns, es ist gar keine Kritik, ich will es einfach nur noch einmal sagen, weil viele Bürgermeister wissen, wovon ich spreche –, ist die Liquidität der Gemeinden. Wir müssen den Gemeinden die Liquidität zur Verfügung stellen, damit sie diese Investitionen auch tätigen können. Da gibt es natürlich mehrere Ansätze. Der eine Ansatz ist, dass man die Möglichkeit schafft, dass sie zumindest Kredite aufnehmen können. Diese Möglichkeit hat man vielen Gemeinden genommen, indem man die Haf­tungsobergrenze auf 75 Prozent der ordentlichen Einnahmen herabgesetzt hat; sie war vorher mit 120 Prozent festgelegt. Die Herabsetzung ist 2016, 2017 unter der SPÖ-Re­gierung passiert, und diese Regelung sollte man zumindest für die Zeit der Krise wieder aufmachen.

Ich stelle daher auch dazu einen Antrag, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Haftungsober­grenze für Gemeinden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen.“

*****

Es ist einfach wichtig, dass diese Liquidität gegeben ist.

Ich mache euch noch einen Vorschlag oder bringe noch eine Idee: Ansonsten könnte man vielleicht einen Ertragsanteileausfallfonds einrichten, über den man den Gemein­den die Ertragsanteile zumindest zum Teil ersetzt, damit die Liquidität gegeben ist, damit sie ihre Hausaufgaben erledigen können, damit sie auch Investitionen tätigen können. Und in weiterer Folge werden sowieso wir alle diese Schulden, die wir jetzt eingehen, zurückzahlen müssen. Es ist also völlig egal, ob die Schulden der Bund macht, ob sie das Land macht oder ob die Gemeinden sie machen, irgendwann wird sie der Steuer­zahler zahlen müssen. Wichtig ist aber, dass jetzt wieder Schwung in die Wirtschaft kommt, dass die Gemeinden investieren können.


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In diesem Sinne: Weniger ist oft mehr. Herr Finanzminister, vielleicht sollten Sie weniger Regeln für Ihre ganzen Hilfspakete erfinden, damit sie dann auch in der Wirtschaft an­kommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Kollross.)

10.27

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investitio­nen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.), in der 38. Sitzung des Nationalrates, am 18.6.2020

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investi­tionen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020), in der Fassung des Aus­schussberichtes (226 d.B.) wird wie folgt geändert:

1. Im § 2 Abs. 2 lautet die Z 15:

„15. Neubau, Verlegung, Instandhaltung und Sanierung von Gemeindestraßen“

2. Im § 2 Absatz 2 werden nach der Z 15 folgende Z 16 und 17 angefügt:

„16. Errichtung, Instandhaltung und Sanierung Gemeindeeigener und Touristischer In­frastruktur

17. Maßnahmen zum Erhalt der Nahversorgung“

Begründung

Die im Antrag vorgesehenen Maßnahmen sollen im Bereich Gemeindestraßen um den Bereich Neubau, Verlegung und Instandhaltung von Gemeindestraßen ergänzt und um die Bereiche Touristische Infrastruktur und Maßnahmen zum Erhalt der Nahversorgung erweitert werden. Diese Bereiche sind wichtige Faktoren für Gemeinden und Städte; die entsprechenden Investitionen dienen den Standorten bzw. stärken und sichern auch weiterhin die Regionalität und Daseinsvorsorge.

*****

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Haftungsobergrenze für Gemeinden

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investitio­nen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.), in der 38. Sitzung des Nationalrates, am 18.6.2020


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Mit der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 haben Bund und Län­der die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen vereinheitlicht. Der Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden wurde dabei von 120% auf 75% der Be­messungsgrundlage verringert.

Die Haftungsobergrenze orientiert sich an den Einnahmen der Gemeinden. Da der über­wiegende Teil der Gemeinden coronabedingt mit Einnahmenausfällen konfrontiert ist, die zudem in vielen Fällen signifikant ausfallen, ist zu befürchten, dass viele Gemeinden die derzeit festgelegten 75% überschreiten und somit keine Zwischenfinanzierungen mehr aufnehmen können, die aber vor allem bei der Finanzierung von Projekten und deren Umsetzung oft erforderlich sind.

Zumindest für die nächsten Jahre soll daher die Haftungsobergrenze wieder auf die ur­sprünglichen 120% angehoben werden, da ansonsten zu befürchtet ist, dass das in Aus­sicht gestellte Kommunalinvestitionspaket seine Wirkung verfehlt, da die Gesamtfinan­zierung von Projekten nicht dargestellt werden kann.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG vom 16. August 2017 betreffend die Regelungen zu den Haftungsobergrenzen auszusetzen und den Berechnungsfaktor für die Haftungsobergrenze von Gemeinden zumindest bis zum 31.12.2022 wieder mit 120% festzulegen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Anträge sind beide ordnungsgemäß einge­bracht, ausreichend unterstützt und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte.


10.28.06

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, genau das machen wir mit diesem Paket, nämlich die regionale Wirtschaft unterstützen, und zwar mit 1 Milliarde Euro direkt für die Ge­meinden – das sind 1 000 Millionen. Ich möchte es nur kurz auch auf die Bundesländer herunterbrechen. Es erhalten das Burgenland rund 31 Millionen Euro, Kärnten 62 Mil­lionen, Niederösterreich 180 Millionen, Oberösterreich 162 Millionen, Salzburg 62 Millio­nen, die Steiermark 137 Millionen, Tirol 82 Millionen, Vorarlberg 43,5 Millionen und Wien 239,5 Millionen Euro. – So setzt sich diese Milliarde zusammen.

Was wollen wir damit bezwecken? – Die Gemeinden und Städte sind wichtige Partner, insbesondere für die regionale Wirtschaft. Und – ich gebe Kollegen Angerer recht – ja, wir haben gewaltige Einnahmenausfälle, was die Ertragsanteile anbelangt, natürlich auch auf der kommunalen Ebene. Deshalb schnüren wir hier gemeinsam dieses Paket, aber unter besseren Bedingungen. Wir haben das vor einigen Jahren schon einmal ge­macht, damals in der Koalition von SPÖ und ÖVP, wobei der Fördersatz aber nur 25 Prozent betragen hat und letzten Endes nur Projekte in der Zukunft gefördert werden konnten. Davon unterscheiden wir uns jetzt mit diesem Vorschlag diametral. Warum? – Weil wir die Projekte bis zu 50 Prozent fördern und weil auch Projekte, die bereits im Voranschlag einer Gemeinde abgebildet sind, noch mit eingebracht werden und mit unterstützt werden können. Darum geht es, denn wenn jetzt eine Schulsanierung steht,


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wenn eine Gemeindestraßensanierung steht, wenn ein Projekt wie zum Beispiel auch eine Sportstätte oder was auch immer jetzt zum Stehen gekommen ist, weil wir diese Einnahmenausfälle haben, dann ist das das Rettungs- und Hilfspaket, mit dem jetzt weitergebaut werden kann, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich bin seit mehr als 22 Jahren in der Kommunalpolitik tätig, und es sind auch viele Bür­germeisterkolleginnen und -kollegen hier als Mandatare tätig, also müsste man ja davon ausgehen, dass dieser Beschluss doch einstimmig gefasst werden kann, weil das ja Di­rektunterstützungen für die Gemeinden sind und damit natürlich auch die regionale Wirt­schaft und die Arbeitsplätze verbunden sind, und darum geht es uns.

Bei Kollegin Maurer möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit insgesamt bedanken. Wir beide haben noch einige Abänderungen zustande gebracht, die ich doch für sehr essenziell halte.

Ja, die Sanierung von Gemeindestraßen ist ein wichtiger Punkt, und ich habe mit den Bürgermeistern, mit denen ich im Bezirk Schärding in engem Kontakt stehe, natürlich auch diese Thematik besprochen.

Herr Kollege Angerer! Es geht um Projekte wie die Sanierung der Gemeindestraßen, die Errichtung der Geh- und Radwege, die Errichtung und Sanierung von Einsatzorganisa­tionsgebäuden, sprich des Feuerwehrhauses oder einer Dienststelle einer Rettungsor­ganisation, und um zusätzlich 3 Prozent für Kinderbetreuung, die ich schon erwähnen möchte. Es ist richtig, dass damit nicht unmittelbar ein Betrieb verbunden ist, aber wir reden hier von 30 von diesen 1 000 Millionen Euro. Heuer stehen viele Eltern vor einer ganz besonderen Situation, was die Kinderbetreuung im Sommer anlangt, weil aufgrund der Coronakrise viele schon ihren Urlaub verbrauchen mussten, und da sind diese 30 Millionen Euro, die gedeckelt sind, auch ein wichtiger Impuls für die kommunale Struktur, damit auch den Gemeinden geholfen werden kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Bürgermeister in meiner Heimatgemeinde sagen: Gust, damit können wir was anfan­gen!, wenn sie zum Beispiel noch ein wichtiges Projekt im Bereich Straßensanierung umsetzen wollen. Sie können ansuchen.

Natürlich – und das ist ein Ersuchen auch an die Bundesländer – müssen die zweiten 50 Prozent auch finanziert werden, das ist natürlich richtig, aber letztes Mal waren es 25 Prozent, und es hat funktioniert, also muss es jetzt mit 50 Prozent auch funktionieren. Dieses Ersuchen, diese Bitte haben wir. Die Hälfte des Projektes ist mit dieser Unter­stützung aber sozusagen schon einmal finanziert.

Ich bin überzeugt davon, dass das den Gemeinden einen gewaltigen Schub in einer ganz schwierigen Situation gibt und dass die Gemeinden letzten Endes dieses Geld auch abholen können. Das wollen wir! Wir wollen, dass diese Milliarde in die regionale Wirtschaft geht, dass die Projekte weitergeführt werden können. Das ist auch dann möglich – der Beschluss gilt rückwirkend ab Juni 2019 –, wenn die Arbeiten an einem Gebäude schon begonnen worden sind und jetzt halt zum Stehen gekommen sind, oder auch dann, wenn ein Projekt für die Zukunft geplant ist; bis Ende 2021 ist es möglich, Finanzierungsprojekte abzuwickeln.

Es geht um Kindergärten, es geht um Schulsanierungen, um den öffentlichen Verkehr, um Energieeffizienzmaßnahmen, um die Instandsetzung von Bauwerken rund um den Ortskern im kulturellen Bereich bis hin zu Kirchensanierungen, wofür die Gemeinden auch immer um Unterstützung angefragt werden, um den Ausbau des Breitbanddaten­netzes. Mit den vier Punkten, die wir mit dem Abänderungsantrag erfassen – also die Sanierung der Gemeindestraßen, Geh- und Radwege, die Errichtung und Sanierung von Gebäuden von Rettungsorganisationen und diese 3 Prozent Kinderbetreuung –, ist das insgesamt ein wirklich gutes Paket.


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Ich nenne noch drei Beispiele aus meinem Heimatbezirk Schärding: Ich selber wohne in einer 800-Einwohner-Gemeinde, und wir können uns 86 000 Euro abholen. Meine Nach­bargemeinde, Andorf, hat 5 200 Einwohner und kann sich 550 000 Euro abholen. Und die Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, eine Gemeinde mit knapp 2 900 Einwoh­nern, kann sich 300 000 Euro über dieses Paket abholen.

Es ist ein Investitionspaket in den ländlichen Raum, in die regionale Wirtschaft, um dort vor allem auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Deshalb ersuche ich wirklich, auch die Zu­stimmung zu geben, damit dieses Geld rasch dort hinkommt, wo es hingehört, nämlich in unsere ländliche Infrastruktur und in die kommunale Investitionsschiene. – Herr Bun­desminister, vielen herzlichen Dank, dass wir dieses Gesetzespaket in dieser kurzen Zeit auf den Weg bringen konnten.

Ich bedanke mich bei allen, die kommunalpolitisch tätig sind, vor allem bei den Bürger­meisterinnen und Bürgermeistern, bei den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten, die jetzt wahrlich auch keine einfache Zeit haben, die aber einen ganz wichtigen Beitrag vor Ort leisten und immer ein offenes Ohr für die Bevölkerung haben und sozusagen auch das Rückgrat des politischen Handelns auf der kommunalen Ebene sind. – Vielen herz­lichen Dank – und holen Sie sich das Geld ab! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doppel­bauer. – Bitte.


10.35.10

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und liebe Zuse­her! Auch ich habe in letzter Zeit mit vielen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und mit vielen Gemeindevertreterinnen und -vertretern geredet, aber das Einzige, was ich da ehrlich gesagt nicht gehört habe, wäre (erheitert): „Gust, damit können wir was anfan­gen!“ (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS sowie Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) – Vielleicht ist das ein Innviertelspezifikum; im Hausruckviertel war es schon wieder ein bisschen anders.

Was aber wahr ist und worin wir uns, wie ich glaube, alle einig sind, worum es geht, ist wirklich, dass die Kommunen im Augenblick einen Ausfall von 2 Milliarden Euro im Jahr haben. Das ist natürlich sehr dramatisch. Wenn man mit den Gemeindeverantwortlichen redet, dann wird man darin bestärkt: Das ist ein verdammt großes Loch und das muss man irgendwie füllen. Deswegen finden wir es ja prinzipiell auch gut, dass jetzt dieses Paket von der Regierung erarbeitet wurde, dass man 1 Milliarde Euro auflegt.

Das hat positive Aspekte – da bin ich dabei –: Investitionszuschüsse von 50 Prozent, Ersatzinvestitionen und Sanierungen, auch die ganz, ganz wichtige Wiederbelebung der Ortskerne, die darin festgeschrieben ist, und natürlich auch Förderung von ökologischen Maßnahmen oder auch die Kinderbetreuung. Das macht alles Sinn, da sind wir dabei, das unterschreiben wir auch sofort. Was wir aber bemängeln, ist – wie man auch schon bei den Hilfspaketen für die Unternehmerinnen und Unternehmer gesehen hat –: Es ist wieder kompliziert, und man weiß am Ende des Tages nicht, ob das Geld wirklich abge­holt werden kann.

Warum sagen wir das? – Der eine Punkt ist der: Es braucht eben 50 Prozent Eigenkapi­tal vonseiten der Gemeinden. Im Augenblick haben aber viele Gemeinden echt ein Pro­blem damit, überhaupt die laufenden Kosten irgendwie zu stemmen und abzudecken. Das heißt, daneben noch 50 Prozent für zukünftige Investitionen oder für bestehende Investitionen aufzustellen, fällt vielen schwer.

Jetzt hören wir natürlich: Das geht dann schon auch über andere Förderungen, es gibt auch Förderungen vom Bund oder Förderungen vom Land, die da zusätzlich abgeholt


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werden können, und dann braucht es weniger Eigenkapital. – Da denke ich persönlich dann wieder: Was ist mit der Transparenz und mit der Effizienz der eingeforderten Gelder? Kommt es wieder zu Doppelförderungen? Wie kann das sehr effizient gemacht werden? Da fehlt wirklich die Transparenz.

Der dritte Punkt: Man sagt – Kollege Angerer hat es ja auch gesagt –, dann sollen die Gemeinden sich halt weiter verschulden. – Das kann man schon sagen. Natürlich kann man in diesen Zeiten, die sehr schwierig sind, durchaus Schulden machen, aber letzt­endlich ist es schon auch so, dass manche Gemeinden das in der Vergangenheit wirklich schon ausgereizt haben. Das heißt, für die ist es nicht leicht, jetzt noch einmal weitere Schulden zu machen, und das ist aus meiner Sicht auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Deswegen wäre es ganz wichtig, dass man ein einfaches und transparentes Paket abschließt, weil es wirklich tragisch ist, wenn viele Gelder vielleicht nicht ankom­men werden.

Wir wissen alle, dass die Gemeinden der Motor am Land sind, dass sie die kleinen Un­ternehmen unterstützen, dass dort für die Wirtschaft wirklich einiges getan wird. Deswe­gen haben wir einen Alternativvorschlag gemacht. Es geht uns darum, dass wir einen Investitionsfonds für die Gemeinden einsetzen möchten, und zwar einen, der dann eben ermöglicht, dass man auch mit sehr geringen Eigenmitteln neue Investitionen tätigen kann. Der Staat soll zusätzliche Anreize schaffen, damit man auch privatwirtschaftlich, mit privaten Investitionen etwas tun kann. Es gibt auch eigentlich schon sehr viele För­derungsmaßnahmen und -pakete, die man verwenden könnte; ich sage nur Förderung von Forschung und Entwicklung, Digitalförderprogramme, die es schon geben würde, die man wirklich gut nützen könnte.

Der letzte Punkt: Die Krise bietet natürlich auch eine Chance. Es gibt jetzt eigentlich auch die Chance, dass man sagt, man geht zu einer weitreichenden Reform des österrei­chischen Steuersystems über. Das System, das wir haben, ist längst überholt. Der Bund nimmt die Steuern ein, dann wird auf Länder und Gemeinden huldvoll verteilt. – Das hat in den letzten Jahrzehnten zu sehr viel geführt, das wissen wir alle, nämlich zu Intrans­parenz, und das ist natürlich teuer. Es ist letztendlich die Verschwendung von Steuer­geld, die dadurch ermöglicht wurde.

Deswegen bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Investitionsfonds für Gemeinden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert, einen eigenen Investitionsfonds (mit entsprechend niedriger Erfordernis der Ei­genkapitalsanteile) für Gemeinden aufzustellen, der laufende und geplante kommunale Investitionsvorhaben sichert und zusätzlich neue kommunale Investitionen ankurbelt, wobei Bund und Länder gemeinsam ein Konzept und eine übergeordnete Planung er­arbeiten und festlegen sollen, um die effiziente Verwendung der Gelder sicherzustellen. Darüber hinaus sollen zusätzliche Anreize zur Ausweitung privater Investitionen durch entsprechende Förderprogramme geschaffen werden. Solche Förderprogramme kön­nen entweder technologieoffen gestaltet sein oder sich auf Bereiche konzentrieren, von denen ein besonders positiver Effekt für die mittel- und langfristige wirtschaftliche Ent­wicklung zu erwarten ist (bspw. FuE-Förderung, Digitalförderprogramme). Des Weiteren soll die Steuerautonomie der Länder sowie Gemeinden erhöht werden. Dabei soll es nicht zu Steuererhöhungen kommen, sondern die Einkommens- und Lohnsteuersätze


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auf Bundesebene so weit gesenkt werden, dass es den subnationalen Gebietskörper­schaften möglich ist, durch – nach oben hin beschränkte – Aufschläge auf eben diese Steuern autonom Steuern zu erheben.“

*****

Abschließend auch noch ein Wort zum Thema Transparenz. Worum geht es uns? – Im Prinzip geht es uns darum, dass wir Kennzahlen bekommen, Kennzahlen für die Ge­meinden, damit man zum Beispiel auch Gelder aus solch einem Investitionstopf gerecht und fair aufteilen kann. Und es wäre natürlich ein echter Anreiz, ein erster wichtiger Schritt in Richtung Reform des Finanzausgleichs – darum geht es uns ja eigentlich bei diesem Thema.

Deswegen bringe ich noch einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geld folgt Transparenz – Transparenzzuschüsse für Gemeinden“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, ein Kennzahlensystem bezüglich der Transparenz der Gemeinden zu entwickeln und sämtliche Unterstützungsmaßnah­men seitens des Bundes zur Förderung von kommunalen Investitionen an dieses zu knüpfen. Dabei sollen folgende Kriterien ihre Berücksichtigung finden:

- Veröffentlichungspflicht der Gemeindefinanzen und der Finanzen der Einheiten des öffentlichen Sektors auf Gemeindeebene lt. ESVG 2010, Förderungen sowie der Verga­beentscheidungen bei Auftragsvergaben der Gemeinden

- Mehr politische Partizipation durch Übertragung der GR-Sitzungen und einer Veröf­fentlichung der Protokolle

- Veröffentlichungspflicht von Leistungsdaten zur Daseinsvorsorge (Kinderbetreuung, Schulen, Pflege, Arbeitsstätten, Pendlerströme).“

*****

Meine Damen und Herren! Man kann natürlich einzelne Punkte diskutieren, das ist ganz klar, aber letztendlich geht es da um die Zukunft. Unsere Konzepte liegen hier auf dem Tisch, und ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie als Bundesminister endlich auch einen klaren Willen zu Veränderungen zeigen würden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

10.41

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Investitionsfonds für Gemeinden

eingebracht im Zuge der Debatte in der 38. Sitzung des Nationalrats über das Kom­munalinvestitionsgesetz (226 d.b.) – TOP 1


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Im Zuge der COVID-19-Krise, dem Einbruch der konjunkturellen Entwicklung und der deutlichen Verschlechterung am Arbeitsmarkt sind Gemeinden einerseits mit erhebli­chen Einnahmenrückgängen und andererseits mit finanziellen Zusatzbelastungen konfrontiert. Daher ist zu erwarten, dass die Gemeinden ihre - gerade zur Konkunktur­belebung so wichtige - Investitionstätigkeit zurückfahren werden. Neben den Einnah­menrückgängen aus den Gemeindeertragsanteilen, die das KDZ und der Gemeinde­bund auf bis zu 10 % schätzt, wirkt sich die Verringerung der Einnahmen aus der Kom­munalsteuer negativ auf die österreichischen Gemeindebudgets aus. Abgesehen vom Rückgang an Beschäftigung und eventuellen Stundungen ist vor allem der starke An­stieg an Kurzarbeit, auf die keine Kommunalsteuer fällig ist, hierfür maßgeblich verant­wortlich.

Da Gemeindeinstitutionen von Kurzarbeit ausgeschlossen sind, ist ein dementsprechen­des kostensenkendes Gegensteuern in diesem Bereich kaum möglich. Auch bei den Gebühren ist ein Rückgang der Einnahmen zu verzeichnen, zum Beispiel durch den teil­weisen Entfall von Parkentgelten, Stundungen von Gebühren und Mieten oder den Aus­fall von Tourismusabgaben und Kurtaxen in Tourismusgemeinden. In absehbarer Zeit rechnen Gemeinden auch mit einem deutlichen Anstieg bei den Ausgaben aus der Um­lage für Sozialhilfe und Krankenanstalten. In Summe rechnet der Gemeindebund mit Kosten der Krise von bis zu 2 Mrd. EUR.

Neben entsprechenden Kompensationsmaßnahmen braucht es daher vor allem einen eigenen Investitionsfonds für Gemeinden, der laufende und geplante kommunale Inves­titionsvorhaben sichert und zusätzlich neue kommunale Investitionen ankurbelt. Darüber hinaus sollte der Staat zusätzliche Anreize zur Ausweitung privater Investitionen durch entsprechende Förderprogramme schaffen. Solche Förderprogramme können entweder technologieoffen gestaltet sein oder sich auf Bereiche konzentrieren, von denen ein be­sonders positiver Effekt für die mittel- und langfristige wirtschaftliche Entwicklung zu er­warten ist (bspw. FuE-Förderung, Digitalförderprogramme). Im letzteren Fall sollte unbe­dingt darauf geachtet werden, dass die Ziele des Förderprogramms mit den Interessen der Beschäftigten im Einklang sind.

Mittelfristig braucht es darüber hinaus eine weitreichende Reform des österreichischen Steuersystems. Die von Expert_innen schon seit Jahren wiederholt geforderte erhöhte Steuerautonomie von subnationalen Gebietskörperschaften wurde jedoch bis dato im­mer noch nicht angegangen. In Österreich hebt der Bund Steuern ein – und gibt sie teilweise an Länder und Gemeinden weiter. Diese Transfers verursachen zusätzliche Verwaltungskosten und bringen Länder und Gemeinden in eine passive Empfängerrolle. Sie bekommen Geld, ohne für dessen Einhebung verantwortlich zu sein. Das führt oft­mals zu überhöhten Forderungen an den Bund. Auch im Kontext der derzeitigen Krise wären wir froh, wenn wir in der Diskussion um entsprechende Kompensationsmaßnah­men bereits wesentliche Schritte in Richtung erhöhte Steuerautonomie von Ländern so­wie Gemeinden gesetzt hätten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert, einen eigenen Investitionsfonds (mit entsprechend niedriger Erfordernis der Ei­genkapitalsanteile) für Gemeinden aufzustellen, der laufende und geplante kommunale Investitionsvorhaben sichert und zusätzlich neue kommunale Investitionen ankurbelt, wobei Bund und Länder gemeinsam ein Konzept und eine übergeordnete Planung er­arbeiten und festlegen sollen, um die effiziente Verwendung der Gelder sicherzustellen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 47

Darüber hinaus sollen zusätzliche Anreize zur Ausweitung privater Investitionen durch entsprechende Förderprogramme geschaffen werden. Solche Förderprogramme kön­nen entweder technologieoffen gestaltet sein oder sich auf Bereiche konzentrieren, von denen ein besonders positiver Effekt für die mittel- und langfristige wirtschaftliche Ent­wicklung zu erwarten ist (bspw. FuE-Förderung, Digitalförderprogramme). Des Weiteren soll die Steuerautonomie der Länder sowie Gemeinden erhöht werden. Dabei soll es nicht zu Steuererhöhungen kommen, sondern die Einkommens- und Lohnsteuersätze auf Bundesebene so weit gesenkt werden, dass es den subnationalen Gebietskörper­schaften möglich ist, durch - nach oben hin beschränkte - Aufschläge auf eben diese Steuern autonom Steuern zu erheben."

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Geld folgt Transparenz - Transparenzzuschüsse für Gemeinden

eingebracht im Zuge der Debatte in der 38. Sitzung des Nationalrats über das Kommu­nalinvestitionsgesetz (226 d.b.) – TOP 1

Im Zuge der COVID-19-Krise, dem Einbruch der konjunkturellen Entwicklung und der deutlichen Verschlechterung am Arbeitsmarkt sind Gemeinden mit erheblichen Einnah­menrückgängen konfrontiert. Daher ist zu erwarten, dass Gemeinden ihre - gerade zur Konjunkturbelebung so wichtige - Investitionstätigkeit zurückfahren werden.

Vor diesem Hintergrund haben wir NEOS daher die Position vertreten, dass Gemeinden einen eigenen Investitionsfonds benötigen, der laufende und geplante kommunale In­vestitionsvorhaben sichert und zusätzlich neue kommunale Investitionen ankurbelt.

Es ist jedoch besonders wichtig zu betonen, dass dieses an wesentliche Transparenz­kriterien geknüpft sein muss, denn die Gemeindegebarung ist für einen Großteil der Bevölkerung oft nur sehr schwer nachvollziehbar, da die Rechnungsabschlüsse in der Regel mehrere hundert Seiten umfassen.

Daher gilt es, einen klaren Katalog mit Transparenz-Kennzahlen für Gemeinden zu er­stellen. Das BMF muss dafür Sorge tragen, dass die Vergabe der Gelder nicht im stillen Kämmerchen stattfindet und stattdessen hundertprozentige Transparenz garantieren. Anhand dieses Transparenz-Katalogs sollen „transparente“ Gemeinden entsprechende Unterstützung erhalten.

Das ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung Reform des Finanzausgleichs. Denn schlussendlich soll sich der künftige Finanzausgleich stärker an Transparenz-Kennzah­len orientieren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, ein Kennzahlensystem bezüglich der Transparenz der Gemeinden zu entwickeln und sämtliche Unterstützungsmaßnah­men seitens des Bundes zur Förderung von kommunalen Investitionen an dieses zu knüpfen. Dabei sollen folgende Kriterien ihre Berücksichtigung finden:


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•             Veröffentlichungspflicht der Gemeindefinanzen und der Finanzen der Einheiten des öffentlichen Sektors auf Gemeindeebene lt. ESVG 2010, Förderungen sowie der Vergabeentscheidungen bei Auftragsvergaben der Gemeinden

•             Mehr politische Partizipation durch Übertragung der GR-Sitzungen und einer Ver­öffentlichung der Protokolle

•             Veröffentlichungspflicht von Leistungsdaten zur Daseinsvorsorge (Kinderbetreu­ung, Schulen, Pflege, Arbeitsstätten, Pendlerströme).“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Beide Anträge sind ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und stehen daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kollross, seines Zeichens Bürgermeister. – Bitte.


10.41.55

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Kollegin­nen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte einmal mit etwas Positivem beginnen, nämlich insofern, als ich festhalten möchte: Endlich hat die Regierung erkannt, haben die Regierungsfraktionen erkannt, dass die Finanzen bei den Gemeinden und Städten zu Ende gehen und dass es dort schnelle Hilfe braucht. Das Problem ist aber: Dass die Regierung das erkannt hat, heißt ja leider noch lange nicht – das wissen wir ja mittlerweile –, dass sie auch eine prakti­kable Lösung bringt. Wir kennen das von den vielen Hilfspaketen, die mittlerweile be­schlossen wurden. Ich erinnere nur an die Hilfspakete für die Unternehmen, für die Familien, für die Gastro und so weiter und so fort. Am Ende des Tages waren all die bisherigen Pakete keine Hilfspakete, sondern Hilflosenpakete. Dasselbe ist auch der Fall, wenn es um die Gemeinden geht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Punkt ist – da möchte ich gleich bei Kollegen Wöginger anschließen –: Es gibt leider keine schnelle Hilfe, und das ist eines der größten Probleme dieser Pakete, denn in Wirklichkeit bedeutet dieses Paket: Die Gemeinden müssen alles einmal zu 100 Prozent vorfinanzieren, und irgendwann, wenn das alles halbwegs unbürokratisch funktioniert, bekommen die Gemeinden dann möglicherweise einen Teil wieder zurück. Das Problem ist – möglicherweise ist das wirklich noch nicht angekommen –, dass den Gemeinden in Summe heuer – das ist nur für heuer – 2 Milliarden Euro an Einnahmen fehlen. Und jetzt kommt die Regierung mit der tollsten Lösung, die es gibt: Wir haben das erkannt, wir geben euch 1 Milliarde Euro! – Jeder – und dafür muss man kein ausgewiesener Mathe­matiker sein; die ÖVP hätte sogar einen – weiß: Da stimmt etwas nicht! Das kann sich nicht ganz ausgehen!, aber trotzdem wird das hier als supertolles Paket verkauft.

Das ist der erste Schönheitsfehler in dieser Konstellation. Der zweite, noch viel größere Schönheitsfehler ist, dass es ja nur um eine Kofinanzierung geht. Jetzt kann man schon abfeiern und sagen: Wir haben bisher schon so ein Paket gehabt und da haben wir nur 25 Prozent gefördert!, ja, aber wir haben bisher auch nicht eine solche Situation gehabt. Anscheinend ist noch nicht angekommen, dass die Situation eine ganz andere ist, und deshalb braucht es in Wirklichkeit auch ganz andere Antworten.

Wenn ihr jetzt hergeht und sagt: Wir fördern jetzt eh mit maximal 50 Prozent!, dann muss man sich Folgendes überlegen: Okay, 2 Milliarden Euro fehlen, 1 Milliarde Euro gibt es möglicherweise, aber zuerst müsst ihr eine zusätzliche Milliarde aufbringen, dann könnt ihr vielleicht 1 Milliarde Euro vom Finanzminister zurückholen! – Es ist ja wohl ein Trug­schluss, dass das irgendwie funktionieren wird. All die kleinen Gemeinden, eure ÖVP-Gemeinden im Waldviertel, im Weinviertel, im Mühlviertel und so weiter und so fort,


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werden das Geld nicht abholen können, weil ihnen die Kofinanzierung nicht hilft, weil das Geld in Wirklichkeit zu spät kommt. Das, was die Gemeinden brauchen, ist dasselbe, was die Familien brauchen, ist dasselbe, was die Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen, nämlich schnelle Hilfe. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bleiben wir dabei, dass dieses Paket, das Sie jetzt hier schnüren, ein Hilflosenpaket ist, dass es vielen Gemeinden nicht helfen wird, dass die Hilfe nicht rasch genug erfolgen wird und dass es in Wirklichkeit etwas ganz anderes braucht – Kollege Schroll wird diesbezüglich dann noch einen Abände­rungsantrag einbringen –, nämlich – und das ist unser Vorschlag – 250 Euro pro Ein­wohner und das sofort. Danach wird das einmal abgerechnet, und mit 31. August soll das Geld ausbezahlt werden, damit die Investitionen in den Gemeinden wirklich stattfin­den können.

Die Kollegin von den NEOS hat natürlich völlig recht mit dem, was sie sagt: Der größte Auftraggeber und der größte Wirtschaftsmotor in dieser Republik sind die Gemeinden und Städte. Und wenn ihr den Gemeinden und Städten die Gelder nicht gebt, dann wer­den wir im Herbst – Herr Finanzminister, ich gebe Ihnen das schriftlich – eine riesen­große Pleitewelle erleben. Dann könnt ihr euch aber nicht mehr auf den Virus ausreden, das ist euer Wirtschaftsvirus, den ihr selbst organisiert habt! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden dann eine riesengroße Pleitewelle erleben, und aufgrund dieser Pleitewelle werden wir eine riesengroße Arbeitslosenwelle haben – und dann braucht ihr euch auch nicht auf den Virus auszureden. Das ist euer Verschulden, und es ist an der Zeit, dass ihr munter werdet und dass ihr wirklich einmal Hilfspakete schnürt, die auch tatsächlich helfen. Anscheinend kann die Regierung eines nicht: wirklich helfen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kaniak. – Bitte.


10.47.22

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte diskutieren wir ja wieder einmal sechs Tagesordnungspunkte unter einem. Mir scheint es immer so, als wäre es für die Regierung ganz angenehm, wenn man sich hier auf einzelne Themen konzentrie­ren kann und viele andere Themen unter den Teppich gekehrt werden können, die im Ausschuss aber sehr wohl sehr kontrovers diskutiert worden sind. So darf ich nun in meinen Ausführungen auf die Tagesordnungspunkte 3, 4 und in weiterer Folge auch auf Tagesordnungspunkt 5 eingehen.

Bei Tagesordnungspunkt 3 geht es um einen Zweckzuschuss für die Bundesländer, da­rum, einen Kostenausgleich für die Beschaffung von Schutzausrüstung zu beschließen. Bei Tagesordnungspunkt 4 geht es um eine Ausnahmeregelung im Medizinproduktege­setz für die erleichterte Inverkehrbringung von nicht zertifizierten Masken.

Diese beiden Tagesordnungspunkte bieten mir die Gelegenheit, einmal Licht auf die Be­schaffungsvorgänge der Bundesregierung zu werfen, darauf, wie die rechtzeitige Be­schaffung der Schutzausrüstung von der Bundesregierung angegangen wurde. Dazu muss man wissen, dass eine der ersten Handlungen des neuen Gesundheitsministers eine abschlägige Beantwortung einer Anfrage aus Brüssel war. Mitte Jänner hat nämlich die Europäische Union versucht – im Bewusstsein der Bedrohung durch Covid –, für ihre Mitgliedstaaten eine gemeinsame Beschaffung von Schutzausrüstung zu initiieren. Es gab eine Bedarfsanfrage an Österreich, ob Interesse oder Bedarf an der gemeinsamen Beschaffung von Schutzausrüstung besteht. Und eine der ersten Handlungen unseres neuen Gesundheitsministers war, diese Anfrage negativ zu beantworten, das abzulehnen


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und keine gemeinsame Beschaffung zu beschließen, obwohl zu diesem Zeitpunkt natür­lich die Schutzausrüstung auf dem Weltmarkt noch gut verfügbar gewesen wäre.

Wir haben dann am 27. Februar einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir genau diese Beschaffung von Schutzausrüstung noch einmal gefordert haben. Das wur­de von den Regierungsparteien natürlich abgelehnt, stattdessen wurde vom Herrn Bun­desminister eine Verordnung zum Thema Arzneimittelexportverbot erlassen, um wenige Wochen später mit Schrecken festzustellen, dass die deutsche Bundesregierung im Ge­genzug ein Exportverbot für Schutzausrüstung erlassen hat, durch das die Versorgung der österreichischen Spitäler mit den gewohnten Schutzausrüstungen und Schutzmas­ken aus Deutschland zum Erliegen gekommen ist.

Das heißt, wir haben also nicht an der zentralen Beschaffung teilgenommen, wir haben aber im nationalen Alleingang einmal Exportverbote beschlossen und uns dann in wei­terer Folge über die Exportverbote der Chinesen, der Deutschen und der Inder aufge­regt, weil unsere Versorgung dadurch dann überraschenderweise zusammengebrochen ist und nicht ausreichend Schutzausrüstung vorhanden war.

Nichtsdestotrotz hat die Bundesregierung dann ohne jede wissenschaftliche Evidenz eine allgemeine Maskenpflicht beschlossen, obwohl natürlich weit und breit keine ausrei­chende Schutzausrüstung vorhanden war. Man hat dann den Kunstgriff gewählt, einfach das Medizinproduktegesetz auszuhebeln, die Qualitätsstandards, die Sicherheitsbe­stimmungen für alle Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch – in weiterer Folge natürlich – für alle Gesundheitsberufe und alle chronisch Kranken einfach auszuhebeln und die Inverkehrbringung von sogenannten Schnellmasken zu erlauben, die überhaupt keine Anforderungen erfüllen müssen – nämlich tatsächlich überhaupt keine Anforde­rungen.

Nun soll heute diese Verlängerung beschlossen werden, obwohl mittlerweile kein ein­ziger Staat in Europa einen Mangel an Schutzausrüstung hat. Mittlerweile haben wir auch eine nationale Produktion von Schutzausrüstung gestartet und haben in gewissen Bereichen sogar schon eine Eigenversorgung aufgestellt. Nichtsdestotrotz aber möchte die Bundesregierung nun diese Ausnahmeregelung zum Schaden der österreichischen Konsumenten bis Jahresende verlängern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was soll das?

Es passiert noch eine weitere Sache: Der österreichische Markt ist durch diese Ausnah­meregelung der einzige Markt in ganz Europa, auf den nun gezielt nicht zertifizierte Schutzausrüstung aus ganz Europa, die im Rahmen der Krise nach Europa gebracht wurde – nicht zertifizierte minderwertige, gefälschte Ware –, hineinverkauft wird, weil wir der einzige Absatzmarkt sind, auf dem diese internationalen Handelsunternehmen diese gefälschte Ware legal in Verkehr bringen dürfen. Bravo, ich kann der Bundesregierung zu diesem Vorgehen nur gratulieren! Ich habe von Anfang an davor gewarnt, und genau das, wovor ich gewarnt habe, ist eingetreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum nächsten Tagesordnungspunkt – Tagesordnungspunkt 5 –, der Änderung im Epidemiegesetz. Es geht da um eine Fristverlängerung für die Anspruchgeltendma­chung für Schäden nach dem Epidemiegesetz, sprich bei Betriebsschließungen und Einkommensverlusten. Das ist grundsätzlich eine sehr vernünftige Regelung, dass man den Betroffenen eine längere Frist zugesteht, um den Schaden geltend zu machen und Anspruchsforderungen einzuheben. Allerdings stellt sich mir die Frage, warum unserer Grundforderung, dass alle Geschädigten nach dem Epidemiegesetz eine vollständige Verdienstentgangsentschädigung bekommen, dass alle Unternehmen entsprechend vollständig entschädigt werden, nicht stattgegeben worden ist – gerade gestern erst wurde ein entsprechender Antrag erneut abgelehnt. (Zwischenruf der Abg. Oberrauner.)

Es zeigt einfach nur, dass es der Bundesregierung offensichtlich gar nicht so wichtig ist, tatsächlich unbürokratisch und schnell zu helfen, sondern – so wie wir es auch bei den


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aktuellen Hilfspaketen sehen – möglichst bürokratisch, möglichst mit Abwicklung über die eigenen Organisationen, möglichst so, dass die Geschädigten zu Bittstellern ge­macht werden, anstatt eben eine direkte, schnelle Hilfe zu veranlassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun setzen wir uns heute bei den ersten beiden Tagesordnungspunkten mit den ak­tuellen Hilfspaketen für die Gemeindefinanzen auseinander – meine Vorredner haben das ja sehr ausgiebig argumentiert. Es geht dabei doch auch ganz stark darum, einen raschen Konjunkturimpuls für die österreichische Wirtschaft zu setzen, um die Wirtschaft aus dieser fundamentalen Krise, in der sie sich befindet – aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen der Coronakrise, aufgrund des von der Bundesregierung angeordneten Shutdown –, zu holen und um wieder Schwung in die Wirtschaft zu be­kommen.

Was braucht es dafür? – Es braucht nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch Vertrauen in die Wirtschaft, und es braucht verlässliche Strukturen. Wenn dann Berichte bekannt werden – so wie es aktuell der Fall ist –, dass beim Alleinvorstand der staatlichen Betei­ligungsholding Öbag ein begründeter Verdacht auf Drogenkonsum besteht (einen Aus­druck eines Zeitungsartikels mit der Überschrift „Trotz Drogen-Ermittlungen: Thomas Schmid darf weiter ÖBAG-Chef bleiben“ in die Höhe haltend) und dieser Alleinvorstand weiterhin die Geschäfte dieser wichtigen, milliardenschweren staatlichen Beteiligungs­holding führen soll, dann, muss man sagen, ist das etwas, das nicht gerade zum Ver­trauen in den Wirtschaftsstandort Österreich beiträgt, ist das etwas, das nicht gerade Vertrauen in die politischen Akteure und die Handlungsfähigkeit der österreichischen Regierung bringt. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Herr Bundesminister (in Richtung Bundesminister Blümel), Sie sind selber am Dienstag­vormittag im Budgetausschuss auf den Fall Thomas Schmid angesprochen worden. Es wurde Ihnen konkret die Frage gestellt, wann eine Aufsichtsratssitzung stattfinden wird, bei der das Thema behandelt wird. Sie haben am Dienstagvormittag im Ausschuss ge­meint, Sie wissen es nicht so genau, vermutlich am 22. Juni. – Das war Ihre Aussage im Budgetausschuss.

Nun frage ich Sie, wie es das gibt. Ich habe hier einen aktuellen Zeitungsbericht von heute (erneut den Ausdruck des Zeitungsartikels in die Höhe haltend), in dem steht, dass Montagabend eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung der Öbag stattgefunden hat. Ich frage mich nun, wie es das gibt, dass Sie am Dienstagvormittag keine Kenntnis da­von gehabt haben – Sie als verantwortlicher Finanzminister, von einer Sitzung, die am Vorabend stattgefunden hat! (Abg. Matznetter: Das ist gemein, er weiß nie was! – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Entweder waren Sie von Ihren eigenen Beteiligungsfirmen nicht informiert, dass eine Aufsichtsratssitzung zu einem derart medial besprochenen Thema stattfindet, oder Sie haben im Ausschuss schlicht und ergreifend die Unwahrheit gesagt. Eines von beiden muss der Fall sein (Zwischenruf des Abg. Stöger), aber was, kann ich nicht beurteilen, vielleicht können Sie uns das beantworten. (Beifall bei FPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir sehen auf jeden Fall in diesem Vorgehen und auch in der Bestätigung von Thomas Schmid als alleinigem Geschäftsführer der Öbag eine große Schädigung des Wirt­schaftsstandortes Österreich und bringen deshalb den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen ein.

Der Nationalrat wolle beschließen: Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Abberufung von MMag. Thomas Schmid als Öbag-Vorstand zu bewirken. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Parlamentsdirektion hat Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Antrag in keinerlei Zusammenhang mit dem Tages­ordnungspunkt 1 steht und daher nach § 55 Abs. 1 der Geschäftsordnung keine Mög­lichkeit besteht, den Antrag zuzulassen. (Rufe bei der SPÖ: Was? – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


10.55.39

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Liebes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen, ob zu Hause oder nicht! Mit dem Gemeindepaket des Bundes werden die Kommunen in die Lage versetzt, vor Ort zu investieren und zusätzliche Fördermittel für Projekte im Ort zu lukrieren. „Mit diesem Hilfspaket schaffen wir gemeinsam zigtausende Arbeitsplätze in allen Regionen und bringen die Wirtschaft wieder in Schwung“. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) – Das ist nicht mein Zitat, sondern ich habe es abgelesen, das sagt nämlich der Präsident des Gemeindebunds und damit der Interessenvertretung der Gemeinden und Städte in Österreich, Alfred Riedl.

Es ist nicht neu, was wir hier machen, es hat ein Vorbild: das Kommunalinvestitionsge­setz 2017, und das hat seine guten Gründe. Dieses KIG hat nämlich super funktioniert. Ich weiß das auch deshalb, weil ich selber zu jenem Zeitpunkt Vizebürgermeisterin war und wir in meiner Heimatgemeinde Eichgraben mit dem KIG 2017 einige Projekte durch­führen konnten.

Es wurde schon gesagt: Wie geht sich das aus?, Wie sollen das Gemeinden finanzie­ren?, und überhaupt: Es ist so kompliziert! – Ganz im Gegenteil! Ich habe heute Früh noch mit der Amtsleiterstellvertreterin bei uns im Ort, in Eichgraben, telefoniert, und sie hat gesagt: Das war die unkomplizierteste Förderung, die ich je abgewickelt habe, und zwar sowohl was die Fördereinreichung als auch die Abrechnung danach betrifft! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt. Das ist ganz unkompliziert, insofern be­zweifle ich, dass manche, die sich hier Kommunalpolitiker nennen (Abg. Stöger: Ganz unkompliziert! – Heiterkeit und weitere Zwischenrufe bei der SPÖ – Abg. Stöger: Ganz unkompliziert!) – ganz unkompliziert, richtig! –, mit dem operativen Geschäft in der Ge­meinde beschäftigt sind (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), denn bei der Einrei­chung der Projekte im Rahmen des KIG 2017 erfolgte die Auszahlung so wie jetzt wieder noch vor der Abrechnung, das heißt, man bekommt davor liquide Mittel. Es ist also quasi sogar eine gewisse Zwischenfinanzierung.

Konkret haben wir in Eichgraben dann im Zuge dieses Projekts 2017 im Mai 2018 ein Abwasserprojekt, also ein Kanalprojekt, und eine Schulfreiraumförderung eingereicht. Abgerechnet wird heuer. Das heißt, wir haben, ich glaube, Ende Mai eingereicht, und Anfang Juli ist das Geld geflossen, also innerhalb von fünf Wochen, und nachdem wir dazwischen die Rechnungen bezahlt haben, wird jetzt abgerechnet – also unglaublich! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Das KIG 2017 war super, und nun stocken wir sogar auf, von ursprünglich damals 175 Millionen Euro auf jetzt 1 Milliarde Euro, von damals 25 Prozent Förderung auf jetzt 50 Prozent Förderung. Wie damals schon kann mit weiteren Fördermitteln aufgestockt werden, zum Beispiel mit Klimaaktiv, mit – wie in unserem Fall – dem Schul- und Kinder­gartenfonds, Leader-Förderungen – all das ist möglich –, mit 80 Prozent Förderung für die Umstellung auf LED oder mit zusätzlichen Förderungen für den Bau von Fotovol­taikanlagen.

Was mir auch ganz wichtig ist: Das geht nicht nur für laufende Projekte, die momentan begonnen werden, sondern auch rückwirkend. Wenn eine Gemeinde also ein Projekt


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bereits gestartet hat – vor mehr als einem Jahr –, kann es diese Förderungen lukrieren, da sich oft die Finanzierung nicht mehr so einfach ausgeht. Natürlich sind diese Projekte aber projektiert und budgetiert, das heißt, es werden de facto eigentlich Mittel frei. In unserem Fall werden Mittel frei, und wir können damit mehr machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vom Volumen her sind es Pi mal Daumen circa 100 Euro pro Einwohner, im Falle von Eichgraben mit 4 719 Einwohnern sind es 483 000 Euro an Förderung. Das ist wirklich viel Geld. In unserem Fall haben wir beispielsweise bereits die Sanierung der Wasser­leitung geplant, wir wollen Buswartehäuschen errichten, eine Fotovoltaikanlage bauen und auf LED umstellen. All das können wir jetzt sehr zügig umsetzen, wahrscheinlich in größerem Umfang, als wir es ohne die 50-Prozent-Förderung plus Förderungsaufsto­ckung je gekonnt hätten.

Zusätzlich überlegen wir jetzt auch noch, mit der Radlobby gemeinsam Radwege im Ort zu errichten. Das wäre sich ohne diese außerordentlichen Förderungen nie ausgegangen.

Zusammenfassend kann man sagen, es werden viele wichtige Projekte im Ort gefördert. 2017 hatten wir eine Förderliste mit zehn Projektbereichen, jetzt wurde diese auf 18 aus­geweitet. Einige sind schon genannt worden: Schule, Kindergarten, Herstellung von Bar­rierefreiheit, hocheffiziente Straßenbeleuchtung, Kreislaufwirtschaftsanlagen, Ladeinfra­struktur für E-Mobilität. Es ist also unglaublich viel dabei, alles, was das Leben im Ort lebenswert macht, was den Ort belebt: Ortsentwicklung, Begegnungszentren werden gefördert. Ganz wichtig sind auch ökologische Aspekte, beispielsweise müssen Gebäu­de im Eigentum der Gemeinde nach Klimaaktiv-Silberstandard errichtet werden.

In dem Sinn, glaube ich, ist es wirklich ein tolles Projekt. In Eichgraben wird es in An­spruch genommen, und ich bin davon überzeugt, auch in vielen anderen Gemeinden.

Vielleicht noch abschließend: Das Geld, das übrig bleibt, weil es Gemeinden nicht oder nicht voll ausschöpfen, wird an strukturschwache Gemeinden ausgeschüttet. Das ist also nichts, was sich der Bund dann zurückbehält. Er hat also kein Interesse daran, möglichst wenig auszuschütten – im Gegenteil: es bekommen die Gemeinden, die keine Projekte eingereicht haben. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kaniak zur Geschäftsbehand­lung. – Bitte.

*****


11.02.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich halte es zumindest für grob bedenklich, um nicht zu sagen, für einen Skandal, dass unser Entschließungsantrag nicht zugelassen wurde, denn ich habe den inhaltli­chen Zusammenhang zur Wirtschaftspolitik, zu den wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die wir heute unter diesem Tagesordnungspunkt diskutieren, mehr als deutlich darge­stellt.

Wie Sie wissen, sieht die Geschäftsordnung vor, dass auch Tagesordnungspunkte nur dann zusammengezogen werden können, wenn ein inhaltlicher Zusammenhang be­steht. Ich denke doch, dass das Verhalten des Alleinvorstands der Öbag – mutmaßlicher schwerer Drogenkonsum dieser Person – eine sehr große Relevanz zu den wirtschaft­lichen Maßnahmen im Rahmen der Coronahilfspakete hat, zumindest deutlich mehr als der geplante Lückenschluss der A 3 im Burgenland. Auch diesen Tagesordnungspunkt verhandeln wir gemeinsam damit und sehen da einen inhaltlichen Zusammenhang. (Bei­fall bei FPÖ und NEOS.)


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Ich glaube, dass diese Ablehnung inhaltlich absolut nicht gerechtfertigt ist. Hier wird ein politischer Schützling aus der Schusslinie genommen und eine politische Debatte im Parlament verhindert. Der Herr Finanzminister als zuständiges Aufsichtsorgan sieht ein­fach weg und will die Debatte am besten nicht einmal im Parlament haben. Das schädigt nicht nur den österreichischen Wirtschaftsstandort, sondern das schädigt auch das An­sehen des Parlamentarismus in Österreich. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie bei Ab­geordneten der SPÖ.)

11.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter! Es ist schon seit Langem Auf­gabe der Parlamentsdirektion, Anträge dahin gehend zu prüfen, ob sie mit den gegen­ständlichen Tagesordnungspunkten in Zusammenhang stehen. (Abg. Martin Graf: Das ist Aufgabe des Präsidenten, nicht der Parlamentsdirektion!) Das ist immer so gewesen, und der letzte Antrag, der offiziell zurückgewiesen worden ist, war – wie uns erinnerlich ist – aus dem Jahr 2008. Es tut mir leid – über die inhaltliche Situation kann man natür­lich diskutieren –, dass dieser Antrag mit dem Tagesordnungspunkt nicht im Zusammen­hang steht. (Abg. Martin Graf: Das kann man so oder so sehen!) Daher hat man natürlich nach § 55 Abs. 1 keine Möglichkeit, ihn hier zuzulassen. Normalerweise – das sagen die Damen und Herren, die mich am Präsidium unterstützen – ist es der Fall, dass wir mit den Fraktionen vorab Kontakt aufnehmen. Wir haben auch mit Ihnen Kontakt aufgenom­men und haben Ihnen das mitgeteilt.

Daher würde ich Sie bitten, von Unterstellungen und von Worten wie Skandal Abstand zu nehmen. Ich weise das für das Präsidium und auch für meine Vorsitzführung striktest zurück. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte.


11.05.27

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Mir ist ähnlich wie Kollegen Kaniak natürlich bewusst, dass das eine unange­nehme Situation für die ÖVP ist, aber ich würde doch ganz gerne zwei Dinge klarstellen:

Erstens liegt es in Ihrer Vorsitzführung und nicht an der Parlamentsdirektion – es ist nicht die Aufgabe der Parlamentsdirektion –, zu entscheiden, ob ein inhaltlicher Zusammen­hang vorhanden ist. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zusätzlich würde ich Folgendes ganz gerne konkret wissen, weil es mir jetzt nicht klar war: Die Geschäftsordnung sieht vor, dass ein inhaltlicher Zusammenhang bestehen soll. Kollege Kaniak hat den aus seiner Sicht bestehenden inhaltlichen Zusammenhang ausgeführt. Mir war nicht klar, wieso der aus Ihrer Sicht nicht gegeben sein soll. Es wäre einfach gut, wenn wir eine Begründung hören könnten. Man kann ja dazu unterschiedli­cher Meinung sein, das ist ja legitim. Ich würde es nur ganz gerne auch begründet haben, weil ich den Ausführungen von Kollegen Kaniak zumindest teilweise folgen kann und das auch als Möglichkeit sehen würde. (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

11.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Begründung kann ich Ihnen leicht geben: Im Antrag 542/A ist mit keinem Wort die Öbag erwähnt noch ist sie in irgendeinem Zusam­menhang zu sehen. Es geht nur um kommunale Investitionen. (Abg. Amesbauer: Sie wollen einfach nicht reden darüber! Um das geht es!) Da müssen Sie mir erzählen, wo es im Entschließungsantrag um kommunale Investitionen geht. Ich verlasse mich da letzten Endes auf die Beratung mit den Damen und Herren am Präsidium. Das werden auch Sie verstehen, dass da kein Zusammenhang besteht, und daher ist der Entschlie­ßungsantrag nicht zuzulassen. (Abg. Amesbauer: Lasst den Antrag halt zu!)

Herr Abgeordneter Klubobmann Leichtfried. – Bitte.



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11.07.07

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsi­dent! Ich muss auch sagen, dass ich schon – auch ich habe Kollegen Kaniak sehr genau zugehört – diesen inhaltlichen Zusammenhang sehe, und ich würde mich auch den Aus­führungen von Kollegen Scherak anschließen.

Abgesehen davon, was bis jetzt gesagt wurde, möchte ich aber schon auch einwenden, dass es natürlich auch so etwas wie eine Übung im Haus gibt. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen: Wir haben gestern unter Punkt 22 der Tagesordnung „Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 593/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ein starkes Zeichen gegen Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTIQ-Personen setzen“ diskutiert, und die ÖVP hat einen Antrag eingebracht, der sich mit der innenpolitischen Situation der Vereinigten Staaten beschäftigt. (Abg. Wöginger: Rassismus, nicht?!) Dieser Antrag hat wahrscheinlich noch weniger als der heutige Antrag des Kollegen Kaniak mit dem Thema zu tun. (Abg. Martin Graf: Überall gibt es OMV-Tankstellen! In jeder Kommune!)

Ich finde die Wertung, die Sie hier machen, nicht fair und eigentlich auch nicht der Usance dieses Hauses entsprechend, und deshalb würde ich Sie dringend ersuchen, diesen Antrag so zuzulassen. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

11.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäfts­behandlung? – Kollege Schnedlitz, bitte.


11.08.43

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf auch noch einmal darauf hinweisen, dass Ihre Ausführung, dass die Parlamentsdirektion zu prüfen hätte beziehungsweise – das haben Sie auch in den Raum gestellt – dass die Parlamentsdirektion entscheiden würde, ob ein Antrag zuzulassen ist, nicht zutrifft. Sie als Vorsitzender haben entschieden, den Antrag nicht zuzulassen.

Für uns ist das absolut nicht nachvollziehbar, denn ich darf noch einmal darauf hin­weisen, dass zum Beispiel mit Blick auf die Zusammenführung der Tagesordnungs­punkte die A 3 definitiv weniger mit Tagesordnungspunkt 1 zu tun hat als die Öbag, wenn es um unseren Standort geht. Ich darf Sie wirklich noch einmal darauf hinweisen, Ihre Vorsitzführung – selbst wenn es um ein unangenehmes Thema für die ÖVP geht – unab­hängig auszuüben, diesen Antrag zuzulassen und dementsprechend auch diesem Haus und den Abgeordneten, die hier etwas für die Bevölkerung erreichen wollen, Respekt entgegenzubringen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Klubobmann Wögin­ger. – Bitte.


11.09.54

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Jetzt geht die Ge­schichte dann doch etwas zu weit (Ah-Rufe bei SPÖ und FPÖ), denn das Zusammen­ziehen von Tagesordnungspunkten wird letzten Endes in der Präsidialkonferenz ent­schieden (Abg. Belakowitsch: Aber ein inhaltlicher Zusammenhang ...!), und wir haben uns darauf verständigt, dass diese Punkte zusammengeführt werden.

Zum Zweiten: Bei unserem Antrag von gestern, Herr Kollege Leichtfried, in der Angele­genheit George Floyd, geht es eindeutig um Diskriminierung! (Abg. Leichtfried schüttelt den Kopf.) – Das ist das Zweite. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Das Dritte ist, dass der vorsitzführende Präsident oder die vorsitzführende Präsidentin seit Jahrzehnten von den MitarbeiterInnen der Parlamentsdirektion in solchen Angele­genheiten beraten wird. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das ist Usus hier im Haus. Entweder richten Sie Ihren Antrag so her, dass er im Zusammenhang steht, dann wird er auch zugelassen, oder nicht! Bei diesem ist es anscheinend der Fall, dass es keinen Zusammenhang gibt, und daher ist er nicht zuzulassen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Angerer wünscht das Wort zur Geschäfts­behandlung. – Bitte.


11.11.01

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Lie­ber Gemeinderatskollege Wöginger! Zum Zusammenhang von kommunalen Investi­tionen und Öbag: Wir haben die Post bei uns im Ort. Viele Gemeinden zahlen die Infrastruktur für Posteinrichtungen, Postpartner, was auch immer. Wir haben den Ver­bund bei uns im Ort. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Der Verbund ist Mitglied eines Verbandes bei uns im Mölltal für die Verbauung der Seitengräben und der Möll. Wenn also da kein kommunaler Zusammenhang besteht, dann weiß ich nicht, wo ein Zusammenhang besteht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (erheitert): Herr Abgeordneter Angerer! Sie wissen so wie ich, dass Verbund und Post in der Gestionierung vollkommen frei sind und durch die Öbag in keinster Weise in irgendeiner Form in ihrer Politik beeinträchtigt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Entschuldigung! Der Schmid ist Aufsichtsratsvorsitzender! Hal­lo?) Diesen Zusammenhang herzustellen ist eine krude Sache, ich kann aber nur sagen: Ich diskutiere es gerne in der Präsidiale.

Wenn ich mir ansehe, was ich seit gestern erlebe – Aktuelle Stunden, Debatten über Dringliche Anträge, bei denen mit keinem Wort auf den Antrag eingegangen wird –, dann muss ich sagen: Wir sollten uns wirklich überlegen, wie wir, wenn wir Instrumente ver­wenden, sie auch dementsprechend so begründen, dass sie mit der Geschäftsordnung übereinstimmen. Dazu bin ich gerne bereit. Ich schlage vor, dass wir das in der Präsidiale diskutieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Liebe Kollegin, schauen Sie, es ist Usance, sich zu beraten, und mir ist das auch so mitgegeben worden. Ich habe mir das selbst angesehen. Natürlich entscheidet der Präsident und sonst niemand.

Zur Geschäftsbehandlung ist Abgeordnete Maurer zu Wort gemeldet. (Abg. Schnedlitz tritt ans Mikrofon in den Abgeordnetenreihen der FPÖ.) – Nein, Abgeordnete Maurer ist zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. Die Reihenfolge wird vom Präsidenten fest­gelegt. – Bitte.


11.12.56

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Zur Güte (Ah-Rufe bei der SPÖ): Wir hatten in der letzten Präsidiale auch eine Diskussion, angeregt von Kollegin Bures, dahin gehend, dass wir den Ruf zur Sache wieder ein bisschen stär­ker berücksichtigen sollten und uns daran orientieren sollten, was in den Tagesord­nungspunkten tatsächlich enthalten ist. Daran haben sich alle drei Nationalratspräsiden­tInnen beteiligt (Abg. Deimek: ... Präsidenten ...! Was hat ... gesagt?), und wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir das versuchen wollen.

Es ist richtig, dass das bei den bisherigen Aktuellen Stunden vielleicht nur mittelmäßig gut gelungen ist. Zur jetzt nachträglich versuchten Herleitung mit der Post muss ich sagen: Hut ab für große Kreativität! In diesem Sinne aber mein Vorschlag zur Güte: Die Geschäftsordnung sieht vor (eine Ausgabe der kommentierten Geschäftsordnung des


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Nationalrates in die Höhe haltend) – ich zitiere –: „Ist der inhaltliche Zusammenhang nicht gegeben“ – und das wurde vom Präsidenten so entschieden – „, ist der EntschlAntrag nicht in Verhandlung zu nehmen, sondern über Wunsch des [...] Antragstellers [...] als selbständiger Antrag (§ 26) einem Ausschuß zur Vorberatung zuzuweisen“. – Das würde ich in dieser Situation vorschlagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Amesbauer: Und dann kommt es zu einer Vertagung, und ...!)

11.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Abgeordneter Schnedlitz. – Bitte.


11.14.15

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Wenn Sie über die gestrige Dringliche Anfrage und Ähnliches sprechen, dann müssen wir auch über die Fragestunde sprechen.

Es kann nämlich auch nicht sein, dass ein Kanzler ins Haus kommt, der einfache Ja/Nein-Fragen, wie sie zum Beispiel von Herrn Abgeordneten Brandstätter hier gestellt wurden, nicht beantwortet, und es kann nicht sein, dass ein Kanzler zur Fragestunde ins Parlament kommt und auf einen anderen Termin verweist. Seinen Terminkalender hat ja anscheinend die Soko Tape besser im Griff als er selbst. Wenn er, anstatt die Frage zu beantworten, auf einen anderen Termin verweist, bei dem man ihm Fragen stellen könne, dann ersparen wir uns künftig auch eine Fragestunde und dann sollten wir uns grundsätzlich darüber unterhalten, inwiefern wir hier unsere Instrumente einsetzen. (Un­ruhe im Saal. – Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir werden uns diesbezüglich in der Präsidiale beraten. (Abg. Martin Graf: Da wird schon wieder abgemauert! – Abg. Belakowitsch: Ja! Alles abgedreht! – Abg. Martin Graf: ... Freimaurer!)

*****

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.


11.15.13

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch ein Wort zur vorhergehenden Ge­schäftsbehandlungsdebatte: Wenn einer im Haus der Meinung ist, dass sich alle ande­ren immer falsch verhalten, nur der eine nicht, könnte vielleicht ein bisschen Selbstre­flexion helfen, um zu erkennen, dass es an dem einen liegt und nicht immer an allen anderen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jetzt zurück zum Budgetausschuss. Sie müssen wissen, dass es, glaube ich, eine un­geschriebene Regel gibt: Je unverdächtiger und langweiliger sich ein Gesetz anhört, desto verdächtiger muss es sein. Es gibt das COVID-19-Zweckzuschussgesetz – das hört sich sehr verdächtig unverdächtig an. Wir haben uns das genauer angeschaut und gefragt: Was ist denn eigentlich das Thema? (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Es geht darum, dass Ausgaben, die die Bundesländer während der Covid-19-Krise ge­tätigt haben, im Nachhinein durch den Bund finanziert werden. Da würde man auf den ersten Blick sagen: Na ja, ist ja logisch, es war eine Krisensituation, da braucht man besondere Maßnahmen, das kostet etwas, das soll später der Bund zahlen. Wenn man aber genauer schaut und sich anschaut, was das im Detail bedeutet, dann ist ein Blick nach Oberösterreich sehr hilfreic


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h.

Da gibt es den ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer, der, weil der Bund aus seiner Sicht nicht schnell genug gehandelt hat, eigenmächtig Schutzausrüstung gekauft hat. Er hat diese aus Shanghai bestellt, er hat sie in Oberösterreich, am Flughafen in Linz, in Empfang genommen und hat gesagt: Das Heimatland ist gesichert, Oberösterreich hat sich selbst um seine Oberösterreicher und Oberösterreicherinnen gekümmert. – Alles wieder in Ordnung, der heilige Stelzer wird es richten. (Abg. Vogl: Der heilige Thomas! – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wenn man sich dann aber anschaut: Wie hat denn Oberösterreich diese eine Bestellung vorgenommen?, dann stellt man fest: Man hat das auf eine Art gemacht, wie man das normalerweise nur bei der ÖVP findet. Man ist hergegangen und hat einerseits die Landesholding mit einer Bestellung beauftragt und hat gesagt: Da braucht es natürlich den Markt, da braucht es ein Unternehmen, das Erfahrung hat und das rasch in China entsprechende Schutzausrüstung organisiert.

Das Unternehmen hat sich sofort gefunden, es wurde nämlich Anfang April gegründet – extra –, und zwar natürlich von Privatpersonen, die ehemalige ÖVP-Funktionäre sind. Der ehemalige Chef vom Gemeindeservice der ÖVP Oberösterreich nämlich – Walter Schnauder ist sein Name – hat dieses Unternehmen Anfang April gegründet – mit einer wahnsinnigen Vorexpertise also – und hat dann für die Landesholding diesen 68 Millio­nen Euro teuren Auftrag entsprechend abgewickelt – über Nacht! (Abg. Meinl-Reisin­ger: Ein Wahnsinn! Freunderlwirtschaft!)

Genau das meine ich: Je unverdächtiger ein Gesetz klingt, desto verdächtiger ist es, weil die ÖVP damit zumindest ihre Netzwerkkassen füllt. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt frage ich mich natürlich: Man führt auf Landesebene im Vorfeld eine Bestellung durch, die nicht den Bundeskriterien, also nicht der Kontrolle, nicht den Ausschreibungs­kriterien entspricht. Diese ergeben im Übrigen auch wenig Sinn, denn wenn man für das ganze Land bestellt, für den Bund, braucht man natürlich andere Mengen und kriegt bessere Preise. Oberösterreich hat zum Höchstpreis eine durchschnittliche Qualität be­stellt, abgewickelt vom ÖVP-Netzwerk – und dieses Gesetz soll den Bund jetzt, im Nach­hinein, zahlen lassen. Das ist das Gesetz, das heute beschlossen werden soll!

Damit komme ich zu einem zweiten Punkt, der nicht weniger wichtig ist, und zwar zur generellen Rolle der Bundesländer beim Budget: Es gibt da einen zweiten Passus, der wirklich sehr seltsam anmutet. Wir sollen heute ein Gesetz beschließen, das nicht näher ausformuliert ist, jedenfalls aber einmal die ÖVP-Netzwerke nicht weiter belasten soll, die ÖVP-Länder entlasten soll. So ist der Plan.

Der Bund traut sich aber nicht einmal, Richtlinien festzuschreiben. Der Bund sagt: Wir wollen jetzt einmal ein Gesetz im Nationalrat beschließen. Die ÖVP – und leider auch die Grünen – sagt also: Wir wollen dieses Gesetz im Nationalrat beschließen, aber die Richtlinien soll dann nicht das Bundesministerium alleine in irgendeiner Form definieren. Da steht dann drinnen: Vor einem entsprechenden Inkrafttreten eines Bundesgesetzes soll die Anhörung aller Bundesländer sichergestellt sein. – Es wurde auch im Ausschuss extra noch einmal nachgefragt, ob eh sichergestellt ist, dass mit Anhörung gemeint ist: im Einvernehmen mit allen Bundesländern. – Wir sollen also – und „wir“ heißt jetzt: die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – für die ÖVP wie die Deppen pecken! Das ist das, was in dem Gesetz am Ende des Tages drinnen steht.

Da kommt man zu einer zweiten Frage: Wir reden am Ende des Tages von Maßnahmen, die auf Landesebene passiert sind. Wir haben vorhin – Frau Kollegin Doppelbauer hat es schon ausgeführt – darüber gesprochen, dass es eine Gemeindemilliarde geben soll. Glaubt denn irgendjemand in diesem Haus ernsthaft, dass diese Gemeindemilliarde für die Projekte herangezogen wird, wenn wir schon auf Landesebene nur die ÖVP finan­zieren? (Beifall bei den NEOS.)

Es wird auch auf Gemeindeebene so sein, dass es dann wieder die ÖVP-Projekte sind, die finanziert werden. Wir hören ja auch von den Unternehmen: Der ÖVP-Funktionär


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geht zum ÖVP-Wirten! – Dort landen die Beihilfen, dort landen die Zuschüsse, dort lan­det der Umsatz (Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Schellhorn –: I’ gangat a zu dir ...!); und wer bleibt über? – Am Ende des Tages bleibt die Wirtschaft über. Die kriegt keine direkten Zuschüsse, die hat nicht die Möglichkeit, schnell irgendwo eine neue Unterneh­mung zu gründen und sich nachher den Sack vollzumachen. Die warten nach wie vor auf die Almosen, die diese Regierung versprochen hat. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


11.21.08

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Michael Bernhard, ein paar Sachen möchte ich schon klarstellen. (Abg. Bernhard: Ich bitte darum!) Eines fällt mir bei deiner Rede besonders auf: Eine positive Stimmung für Gemeinden an sich ist da überhaupt nicht erkennbar gewesen (Abg. Meinl-Reisinger: Ha, ha, ha! Das ist ja lä­cherlich!), das muss ich schon einmal feststellen. Nur über ÖVP-Zugeständnisse zu sprechen, ist, glaube ich, wirklich der falsche Zugang unsere Gemeinden betreffend. (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Gemeinden haben in dieser besonderen Zeit viel geleistet. (Ruf: Er hat gezeigt, dass er nicht wehleidig ist, alle anderen schon ...!) Unsere Bürgermeister standen an vorderster Front und haben in dieser Krise die ganzen Herausforderungen gemeistert. Einen herzlichen Dank für ihre Bemühungen, deshalb sind sie so gut über die Krise ge­kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es zeigt auch, dass es in so besonderen Zeiten eine starke öffentliche Hand braucht, wobei die Strukturen gegeben sind, gut ausgebaut sind und funktionieren. Das, glaube ich, ist etwas ganz Wesentliches. Man sieht, dass die Regionalität trotz der Globalisie­rung ein ganz wesentlicher Teil ist. Man könnte schon fast von einer Renaissance des Föderalismus sprechen.

Unsere Gemeinden sind ein wichtiger Wirtschaftsmotor und ein ganz großer Arbeitgeber. Sie halten den ländlichen Raum attraktiv, schlagkräftig und krisensicher. Gemeinden ha­ben sehr vielfältige Aufgaben zu erledigen, ob das Infrastruktur, Kanal, Wasser, Breit­bandausbau, Glasfaserausbau, Kinderbetreuung, Vereinswesen und Feuerwehrwesen oder all diese Dinge betrifft. Sie sind abhängig von den Steuereinnahmen des Staates – das sind die Ertragsanteile – und von den Arbeitsplätzen in den Gemeinden, den daraus lukrierten Kommunalsteuereinnahmen. Der Gemeindebund sagt, man verzeichnet unge­fähr 10 Prozent weniger Einnahmen. Daher hat die Regierung ein Gemeindeinvestitions­paket geschnürt.

Wieso ist das so wichtig? – Unsere Gemeinden sind selbstständige Institutionen mit ei­nem eigenen Finanzhaushalt, der ausgeglichen sein muss, um die ganzen Aufgaben, wie zum Beispiel Kinderbetreuung, erfüllen zu können. Die regionale Wirtschaft, viele Handwerksbetriebe sind wichtige Partner der Gemeinden. Sie geben sehr vielen Men­schen Arbeitsplätze und brauchen Aufträge.

Nun liegt dieses Investitionspaket in Höhe von 1 Milliarde Euro vor, das von der Regie­rung und den Regierungsfraktionen – ich bedanke mich ausdrücklich auch bei unserem Koalitionspartner – mit dem Nationalrat, dem Gemeindebund und den Bürgermeistern geschnürt worden ist. Es orientiert sich am Kommunalinvestitionsgesetz von 2017, mit dem Unterschied, dass die Unterstützung wesentlich höher ist. Es sieht nicht 25 Prozent, sondern 50 Prozent vor. Es ist attraktiver und wirksamer.


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Viele Projekte werden entstehen. Auf Basis der Gemeinderatsentscheidungen in den einzelnen Gemeinden kann dieses Geld zielgerichtet eingesetzt werden. In Gesprächen mit den Bürgermeistern werden viele gute Projekte für das Wohl der einzelnen Bürger entstehen: ob das neue Radwege oder Gehwege sind, Ortskernbelebung, -sanierung, der Bau von Kinderbetreuungseinrichtungen, die Unterstützung für Einsatzorganisa­tionen, Senioreneinrichtungen oder Straßensanierungen – ich bin sehr froh, dass diese aufgenommen worden sind –, genauso der Ausbau der PV-Anlagen auf den öffentlichen Gebäuden und im öffentlichen Verkehr. (Beifall bei der ÖVP.)

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Unterstützung von Projekten ist ein Ei­genmittelanteil der Gemeinden von 50 Prozent – und jetzt komme ich zu einem der Kri­tikpunkte, der uns immer vorgeworfen wird –: In Gesprächen haben mir viele Bürger­meister erzählt, dass sie zahlreiche Projekte schon geplant haben, die erst durch diese Unterstützung umgesetzt und realisiert werden können, und auch, dass die Eigenmittel gegeben sind.

Sollte es trotzdem zu einem Engpass bei den Eigenmitteln kommen, haben wir die Mög­lichkeit geschaffen, dass wir gemeinsam mit den Bundesländern die Mittel aufstellen können. Außerdem ist die Möglichkeit von Mehrfachförderungen gegeben.

Noch ein paar Worte zum Budgetausschuss, zum Antrag der SPÖ betreffend Gemein­deinvestitionspaket: Ich möchte dies deswegen kurz erwähnen, da in Oberösterreich, glaube ich, jede Gemeinde von der SPÖ einen Brief bekommen hat, in welchem die SPÖ 2 Milliarden Euro für die Gemeinden ohne genaue Zweckbindung fordert. Ganz nach dem SPÖ-Motto: mit der Gießkanne über alle Gemeinden ausleeren.

Wo wir da hinkommen, möchte ich anhand eines Beispiels hervorheben (Zwischenruf des Abg. Kollross), und zwar anhand der Gemeinde Ybbs an der Donau mit ihrem Bür­germeister Herrn Abgeordneten Alois Schroll. Er hat den Einnahmenausfall mit 1 Million Euro beziffert und würde nach den Berechnungen der SPÖ 1 300 000 Euro bekommen – also ein schönes Körberlgeld, gut gemeint, aber populistisch und in der Krisenzeit ab­solut unverantwortlich. Wir brauchen einen gemeinsamen Schulterschluss zwischen den Gemeinden, den Ländern und natürlich dem Bund und unseren Bürgern. (Beifall bei der ÖVP.)

Es bringt überhaupt nichts, mit marktschreierischem Zuschieben der Verantwortung, ohne Rücksicht auf Verluste zu handeln. Wir gehen hier einen ganz anderen Weg. Wir geben das Geld nach dem größtmöglichen volkswirtschaftlichen Nutzen aus. (Abg. Meinl-Reisinger: Ha, ha, ha!) Dieser Investitionsturbo wird Folgendes bewirken: Ers­tens einmal stärkt er die Gemeinden, zweitens einmal entstehen Investitionen in ökolo­gische Mehrwertprojekte mit einem Hebel von über 2 Milliarden Euro, und er sichert und stärkt die regionale Wirtschaft mit vielen Arbeitsplätzen.

Ich als Kommunalsprecher der ÖVP-Fraktion möchte mich beim Herrn Finanzminister und seinen Mitarbeitern (Zwischenrufe bei der SPÖ), bei den Länder- und Gemeinde­vertretern und bei allen Experten und Expertinnen, die an diesem Gemeindeinvesti­tionspaket mitgearbeitet haben, recht herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.) Es un­terstützt die schönen Gemeinden und Städte Österreichs. Ich lade alle Bürgermeister ein, bei diesem Gemeindeinvestitionspaket mitzustimmen. – Danke! (Beifall bei der ÖVP.)

11.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.


11.28.14

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Die Verlängerung der Südost-Autobahn A 3 vom Knoten Eisenstadt bis zur Staatsgrenze mit Ungarn bei Klingenbach ist seit Jahren ein viel dis­kutiertes Thema im Norden des Bundeslandes Burgenland.


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Obwohl der Wunsch nach Verlängerung der A 3 damals durch einen Beschluss der Lan­desregierung im Landtag zustande gekommen ist, distanzieren sich heute die damals federführenden Fraktionen ÖVP und SPÖ von diesem selbst angestrebten Beschluss. Nicht zuletzt aufgrund dieses Beschlusses wurde mit der Republik Ungarn ein Memoran­dum of Understanding eingegangen, in welchem sich die beiden Staaten darauf ver­ständigt haben, die österreichische A 3 an der Staatsgrenze mit der ungarischen M 85 zusammenzuführen. Das Thema dieser Verlängerung ist nun aktueller denn je, denn Ungarn ist seinen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen und wird spätestens 2024 die Straße errichtet haben.

Jetzt sprechen sich SPÖ und die Grünen im burgenländischen Landtag zurzeit für eine Streichung der A 3 aus dem Bundesstraßengesetz aus, das heißt: keine Weiterführung dieser Straße. Die ÖVP fordert überhaupt ein Gesamtverkehrskonzept für alle Regionen und zeigt, wohin es langgehen soll, nämlich auf die lange Bank, auf die gerne alles hin­verschoben wird. Die ÖVP hat sich hier im Haus in den letzten Monaten ja auch den Ruf eingetragen, die österreichische Vertagungspartei zu sein.

Worum geht es jetzt wirklich bei der A 3? – Derzeit ist es so, dass die A 3 beim Knoten Eisenstadt in eine Bundesstraße, in die Bundesstraße 16, einmündet. Die Asfinag sagt, es herrsche absoluter Handlungsbedarf, denn das Verkehrsaufkommen ist dort stark an­gestiegen. Rot und Grün im Burgenland meinen, der Ausbau der A 3 würde verstärkt Verkehr nach sich ziehen; aber: nicht der Ausbau der A 3! Schon allein wenn die Ungarn ihre Straße fertiggestellt haben, wird es unweigerlich zu einer Erhöhung des Verkehrs­aufkommens kommen. Das ist so, ob wir wollen oder nicht. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich das ganze Verkehrsgeschehen auf einer bestehenden Bundesstraße abspie­len, und das zum Schaden der Anrainer.

Bei der Errichtung eines Anschlussstücks der A 3 an das ungarische Straßennetz könnte nach Gesichtspunkten des modernsten Lärm- und Schadstoffschutzes vorgegangen werden, sodass es für die Anrainer eine wesentliche Erleichterung des jetzigen Zustan­des wäre. Auch der Bau einer Unterflurtrasse wäre eine attraktive und bürgerschonende Variante, die man ins Auge fassen könnte. Mit dem Weiterbau der A 3 wäre überdies vice versa auch ein Rückgang des Transitverkehrs auf der Bundesstraße 50, auf den 35 Kilometern von Neusiedl nach Eisenstadt, verbunden. Der ganze Verkehr rollt dort durch fünf Ortskerne, und genau diesen Orten könnte man jetzt helfend zur Seite springen.

Werte Damen und Herren! Der Umstand, dass die Straße in Ungarn in naher Zukunft eröffnet werden wird, ist seitens der Republik Österreich nicht mehr beeinflussbar. Die Zeit des Verschiebens, des Blendens und des Vertröstens ist endgültig vorbei. Daher heißt es aus unserer Sicht: Jetzt handeln! Um diese ständige Verschleppung einer not­wendigen straßenbaulichen Maßnahme endlich zu beenden, bringen wir folgenden Ent­schließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen betreffend die „Errichtung des Autobahn-Anschlussstückes der A3 (Südost Autobahn) zwischen Wulkaprodersdorf und Klingenbach in der im Bundesstraßengesetz 1971 unter § 37 angeführten Beschrei­bung unter Einbeziehung von Schutzmaßnahmen gegen Lärm- und Schadstoffbelas­tung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, bis 30.9.2020 eine


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Bauvariante auszuarbeiten und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die dem Inhalt des geltenden Bundesstraßengesetzes 1971 gerecht wird, den modernsten An­forderungen der Verminderung von Emissionen entspricht und damit zu einer spürbaren Entlastung der großräumigen Verkehrsbelastung im Großraum Nordburgenland führt.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Ries und weiterer Abgeordneter

betreffend die Errichtung des Autobahn-Anschlussstückes der A3 (Südost Autobahn) zwischen Wulkaprodersdorf und Klingenbach in der im Bundesstraßengesetz 1971 unter § 37 angeführten Beschreibung unter Einbeziehung von Schutzmaßnahmen gegen Lärm- und Schadstoffbelastung.

eingebracht in der 38. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 18. Juni 2020 im Zuge der Debatte zu TOP 6, Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 165/A(E) der Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach (231 d.B.)

Die Verlängerung der Südostautobahn A3 vom Knoten Eisenstadt bis zur Staatsgrenze bei Klingenbach ist seit Jahren ein vieldiskutiertes Thema im Bereich des nördlichen Burgenlands. Obwohl diese Verlängerung der A3 auf Beschluss des burgenländischen Landtags zustande gekommen ist, distanzieren sich die damals federführenden Frak­tionen des Landtags SPÖ und ÖVP besonders in Vorwahlzeiten von diesem selbst an­gestrebten Beschluss. Nicht zuletzt aufgrund dieses Landtagsbeschlusses wurde auch mit der Republik Ungarn ein „Memorandum of Understanding“ abgefasst und unterfertigt, wo sich beide Staaten darauf verständigten die österreichische A3 an der Staatsgrenze mit der ungarischen Autostraße M85 zusammenzuführen.

Das Thema rund um die Verlängerung ist nun aktueller denn je, da auf ungarischer Seite bis Ende 2020 die Umfahrung der Grenzstadt Ödenburg und bis 2024 die Autostra­ße M85 mit Anschluss an die M1, eine Autobahn zwischen Wien und Budapest, fertig gestellt sein soll. Derzeit mündet die A3 beim Knoten Eisenstadt in die zur Staatsgrenze führende B16. Laut der ASFINAG ist der Ausbau der Autobahn insofern notwendig, da der Verkehr auf der B16 stark zugenommen habe und hier Handlungsbedarf herrscht.

Nicht der Ausbau und Anschluss der A3 an die M85 bringt eine Steigerung des Verkehrs­aufkommens durch Transit- und Schwerverkehr, mit sich, sondern schon allein die Ver­bindung der M1 mit der M85 auf ungarischer Seite bringt eine Abkürzung der Fahrstrecke und wird deshalb mit einer Steigerung des Verkehrsaufkommens verbunden sein. Dort wird dann der Verkehr für etwa 4 km auf die B16 Richtung A3 ausweichen müssen und führt damit zu einer, in der jetzigen Ausbauversion der B16, unzumutbaren Belastung für die Anrainer vor allem der Gemeinden Siegendorf, Zagersdorf und Wulkaprodersdorf. Mit einer Errichtung des im Bundesstraßengesetz 1971 vorgesehenen Anschlusses der A3 an die M85 im Bereich der Staatsgrenze könnte, unter Einbindung der Experten der ASFINAG, eine Variante gefunden und nach den modernsten Gesichtspunkten des Lärm- und Schadstoffschutzes bestückt werden, so dass es für die Anrainergemeinden eine Verbesserung bereits des jetzigen Zustands bedeuten würde. Auch der Bau einer Unterflurtrasse wäre dabei, analog der Stadtumfahrung von Klagenfurt auf der A2, wohl die attraktivste und bürgerschonendste Variante.


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Mit der Errichtung dieses Anschlussstückes der A3 wird überdies auch vice versa ein Rückgang des Transitverkehrs auf der Bundesstraße 50 von Neusiedl, Abfahrt A4 Ost Autobahn, bis Eisenstadt zur Auffahrt auf die A3 verbunden sein. Dort muss zurzeit be­trächtliches Verkehrsaufkommen von der A4 über eine Strecke von 35 km über die B50 ausweichen, wobei insgesamt fünf Gemeinden im Ortskern durchfahren werden.

Im Jahre 2024 schließt sich aber ein Zeitfenster. Dann wird der Straßenausbau auf unga­rischer Seite mit der Umfahrung von Ödenburg/Sopron fertiggestellt sein, und somit der Verkehr auch Richtung der Staatsgrenze bei Klingenbach und weiter über die B16 bis zum jetzigen Anschluss an die A3 zu fließen beginnen. Dieser Umstand ist seitens der Republik Österreich nicht mehr beeinflussbar. Durch einen raschen Beginn der Bauar­beiten des Anschlussstückes der A3 bis zur M85 bei Klingenbach, könnte jedoch bei gut geplanter Streckenführung und bei Errichtung von Lärm- und Schadstoff verringernden Einbauten eine wesentliche Verbesserung zum Jetztstand erreicht werden. Speziell der Bau einer Unterflurtrasse würde eine wesentliche Erleichterung bringen.

Um diese ständige Verschleppung einer notwendigen straßenbaulichen Maßnahme zum Schaden der Region Nordburgenland und seiner Bürger zu beenden, stellen die unter­zeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie werden aufgefordert, bis 30.09.2020 eine Bauvariante auszuarbeiten und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die dem Inhalt des geltenden Bundesstraßengesetz 1971 gerecht wird, den modernsten Anfor­derungen der Verminderung von Emissionen entspricht und damit zu einer spürbaren Entlastung der großräumigen Verkehrsbelastung im Großraum Nordburgenland führt.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte.


11.32.58

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Vor allem: liebe Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen, die ihr jetzt in ganz Österreich zuschaut! So, wir werden jetzt einmal ein bisschen Licht in diesen Megawumms hineinbringen.

Vielleicht darf ich gleich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen beginnen. Herr Kol­lege Hofinger! Sie haben selber gesagt, dass wir ungefähr 10 Prozent Verlust in den Gemeinden haben werden. (Ein Schriftstück in die Höhe haltend:) Die Gemeinde Ybbs hat einen ordentlichen Haushalt, ein Budget von 16 734 000 Euro. 10 Prozent sind 1 673 000 Euro. Wir haben einen Verlust von 1,3 Millionen Euro, errechnet durch das KDZ und durch den Gemeindebund des Herrn Riedl. Ich bin also kein Gewinner, wie das im Budgetausschuss berichtet worden ist, und auch keiner, der sein Körberlgeld macht.

Wir werden ein bisschen Licht in die ganze Angelegenheit hineinbringen. Es wurde schon sehr viel davon gesprochen, dass die Gemeinde für sehr, sehr viele Dinge zu­ständig ist – Kinderbetreuung, Rettung, Feuerwehr, Abwasserverband und sehr vieles andere mehr. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen das ganz klar und


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kurz anhand einer Durchschnittsgemeinde wie Ybbs an der Donau mit 5 700 Einwohnern erklären.

Herr Finanzminister, vielleicht passen Sie und auch Frau Klubobfrau Maurer jetzt wirklich gut auf – Sie haben das ja auch schon in einigen Reden vor dieser heutigen Sitzung angesprochen –, und auch Herr Klubobmann Wöginger! Ich war erst letztes Wochenen­de am Attersee, denn meine Mama ist vom Attersee, und keiner vom Attersee, im Vöck­labrucker Bezirk, oder in Ried, wo ich auch war, hat gesagt: Gustl, das ist ein Super­konzept! (Abg. Wöginger: Du bist a net der Gust!) – Ich bin ja nicht der Gustl, genau richtig! (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich werde es Ihnen jetzt vorrechnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Eine Tafel mit der Überschrift „Corona-Krise – Auswirkungen auf Gemeindefinanzen“ und einer Bal­kengrafik in die Höhe haltend:) Das ist die Einnahmensituation der Stadtgemeinde Ybbs an der Donau, der ich als Bürgermeister dienen darf. Sie sehen da die Prozentwerte dargestellt. Wir haben da sogar ein bisschen mehr Prozente angenommen, und zwar minus 13 Prozent bei den Ertragsanteilen, minus 12 Prozent bei den Kommunalsteuern. Das ergibt zusammen 942 000 Euro. Die prognostizierte Steigerung bei der Sozialum­lage, bei der Nökas oder beim Krankenanstaltenverbund von 5 Prozent ergibt 125 000 Eu­ro. Damit kommt man auf rund 1 067 000 Euro plus die Entgeltausfälle, die wir seit dem 14. März haben: keine Hallenbadeintritte, keine Saunaeintritte, wir haben einen eigenen Verkehrsbetrieb, der im ordentlichen Haushalt budgetiert ist. Das heißt, mit einem Ver­lust von rund 1,3 Millionen Euro ist zu rechnen.

So, geschätzter Herr Bundesminister! (Eine Tafel mit der Überschrift „türkis-grünes Fi­nanzierungskonzept für Gemeinden“ und einer grafischen Darstellung der betreffenden Beträge in die Höhe haltend:) Ich habe von Ihnen am 4. Juni einen Brief bekommen, der sehr nett formuliert war, dass ich von Ihnen, vom Bund, 594 411 Euro bekomme. Der Beschluss wird zwar heute erst gefasst, aber ich habe halt den Brief schon vor 14 Tagen bekommen, wie wahrscheinlich viele andere Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen auch. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Jetzt darf ich zwar 594 000 Euro vom Bund bekommen, muss aber 594 000 Euro, die­selbe Summe, kofinanzieren. Damit habe ich dann 1 188 000 Euro. (Die erste Tafel in die Höhe haltend:) 1 300 000 Euro entfallen mir schon durch diese Verluste. So, und jetzt, lieber Herr Finanzminister, müssen Sie oder irgendwer von den Bürgermeisterkol­leginnen und -kollegen mir erklären – wir sind damit bei 2 488 000 Euro! –, wie das zu handhaben ist, dass wir, obwohl wir jetzt schon 1,3 Millionen Euro Verlust haben, 1 188 000 Euro vorfinanzieren müssen.

Die Bürgermeisterkollegen hier herinnen wissen, dass es eine Gemeindeordnung gibt, die besagt, dass man eine Investition ab einer Größenordnung von 3 Prozent der Erträ­ge beim Land genehmigen lassen muss. Das heißt, ich muss eine Genehmigung für 1 188 000 Euro einholen. Ich werde die nicht bekommen, weil ich nämlich in der Gemein­de finanziell ein riesengroßes Problem habe.

Deswegen kann ich nur alle Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen der 2 095 Gemein­den in Österreich, die rund 1 500 Bürgermeisterkollegen der ÖVP, aber auch den Bür­germeister Georg Willi von Innsbruck, ersuchen: Steht endlich mit uns auf! Gehen wir Schulter an Schulter und beschließen wir gemeinsam den Abänderungsantrag der Ab­geordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen, den ich jetzt einbringen möchte, dass wir einen Zweckzuschuss vom Bund von 250 Euro pro Einwohner und Einwohnerin bekommen und die Auszahlung bis spätestens 31. August 2020 erfolgt!

*****


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Nur der Beschluss dieses Antrages kann unsere Gemeinden in Österreich retten, und ja, Herr Bundesminister, die 1 Milliarde Euro dieses Projekts kann als Nummer zwei ein gutes Projekt sein, damit die regionale Wirtschaft angekurbelt wird, damit wir Arbeits­plätze erhalten, Arbeitsplätze schaffen und die Gemeinden nicht in ein finanzielles De­saster schicken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Keck – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Schroll –: Superantrag! Es stimmen auch die Nullen!)

11.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Mag. Dr. Petra Oberrauner, Andreas Kollross, Petra Wimmer, Alois Schroll, Klaus Köchl, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, zur Unterstützung von kommunalen Investitionen 2020 (Kommunalinvestitionsge­setz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 226 d. B. wird wie folgt geändert:

1. In § 1 lautet der zweite Satz:

„Der Bund gewährt den Gemeinden als pauschale Abgeltung für die Covid-19 bedingten Einnahmenausfälle aus den Ertragsanteilen der gemeinschaftlichen Bundesabgaben so­wie der Kommunalsteuer im Jahr 2020, einen Zweckzuschuss von 250 Euro pro haupt­gemeldeter Einwohnerin oder hauptgemeldetem Einwohner (Wohnbevölkerung gem. § 10 Abs. 7 FAG 2017).“

2. § 2 lautet:

„§ 2. Die Summe von 2.212.854.250 Euro wird gemäß Anlage A im folgenden Verhältnis auf die Gemeinden des Bundeslandes verteilt:

2a. Dem Gesetzesentwurf wird die Anlage A angefügt.

3. Die Überschrift vor § 3 entfällt

4. § 3 lautet:

„§ 3. (1) Die Gemeinde hat den Zuschuss zur Förderung der örtlichen Wirtschaft für re­gionale und ökologisch ausgerichtete Infrastrukturvorhaben zu verwenden.

(2) Nicht verbrauchte Mittel sind einer Rücklage zuzuführen und in den Folgejahren für derartige Vorhaben zu verwenden.


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(3) Dieser Zuschuss unterliegt nicht der Landesumlage (§ 6 FAG 2017), sondern ver­bleibt ungekürzt bei der jeweiligen Gemeinde, und wird vom Bund an die Gemeinden und Städte direkt ausbezahlt."

5. § 4 samt Überschrift lautet:

„Überweisung an die Gemeinden

§ 4. Die Überweisung des Covid-19 Finanzierungs-Zweckzuschusses an die Gemeinden erfolgt bis spätestens 31. August 2020. Die finanzielle Bedeckung erfolgt durch Rück­lagenentnahme der Untergliederung der Rubrik 4 unter Anwendung des Art. IX Abs. 8 Bundesfinanzgesetz 2020 (BFG 2020).“


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Begründung

Der zu Grunde liegende Antrag von ÖVP und Grüne in der Fassung des Ausschuss­berichtes1 enthält folgende systematische Problemstellungen für die Gemeinden, die mit vorliegendem Antrag wie folgt verbessert werden sollen:

a)          Mit der Förderung des Bundes von bis zu 50% wird davon ausgegangen, dass alle Gemeinden den restlichen Eigenmittelanteil des Investitionsprojektes von 50% tatsächlich aufbringen können. Angesichts der mehr als angespannten Haushaltslage, da sowohl die Ertragsanteile aus den allgemeinen Steuerein­nahmen als auch die Kommunalsteuereinnahmen der Gemeinden in Folge der Corona-Krise massiv zurückgehen, ist dies eine unrealistische Annahme. Kann die Gemeinde ihren Teil der Kofinanzierung daher nicht aufbringen, erhält sie


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auch keinen Zuschuss, womit der Telos der Maßnahme ins Leere geht – die Ge­meinden würden gerade in eine angespannten Finanzierungssituation das drin­gend benötigte Geld nicht bekommen.

Mit den vorliegenden Änderungen erhalten die Gemeinden die auf sie entfallenden Förderungsanteile unabhängig von einem eigenen Kofinanzierungsanteil.

b)          Zugleich werden die Anwendungsmöglichkeiten auf einige spezifische Vorhaben eingeschränkt.

c)          Die Abwicklung erscheint im Lichte der dringend notwendigen Finanzmittel zu verwaltungsaufwändig.

Mit den vorliegenden Änderungen erhalten die Gemeinden die auf sie entfallenden För­derungsanteile spätestens bis zum 31.8.2020 überwiesen, da die Abwicklung automa­tisch vom BMF vorgenommen werden kann.

d)          Die Gemeinden haben laut den aktuellen Schätzungen zumindest mit Einnah­menausfällen von insgesamt über 2 Mrd. € zu rechnen. In der Fassung des ÖVP/Grüne-Antrags bekommen sie lediglich die Hälfte dieses Einnahmenaus­falles, also nur 1 Mrd. €, im Wege der Bundesförderung abgegolten, der andere Teil muss de facto zwingend über eine Kreditfinanzierung bedeckt werden, um den Zweckzuschuss überhaupt zu erhalten. Damit werden die Gemeinden aber in die Schuldenfalle geschickt.

Mit den vorliegenden Änderungen erhalten die Gemeinden 2,2 Mrd. €, ohne den Ein­nahmenausfall durch einen Kredit bedecken zu müssen.

Die vorgeschlagene Regelung ist daher aus Sicht der aktuell angespannten Finanzlage der Gemeinden insgesamt realitätsnäher in Bezug auf die tatsächlich nicht oder kaum vorhandenen Kofinanzierungsmöglichkeiten im Lichte der hohen Einnahmenausfälle der Gemeinden insgesamt, weniger verwaltungsaufwendig und schneller in der Abwicklung.

Die aktuell größte Gesundheitskrise unserer Zeit hat gravierende Auswirkungen auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, weder sind derzeit die gesundheitlichen noch die wirtschaftlichen Folgen abschätzbar. Bedingt durch die Maßnahmen der ÖVP/Grüne-Bundesregierung, insbesondere Betretungsverbote für Betriebe, die die Ein­nahmen der Unternehmen wegbrechen lassen, stieg die Zahl die Arbeitslosenzahlen dra­matisch an, innerhalb von vierzehn Tagen wurden in der zweiten Märzhälfte 200.000 Men­schen arbeitslos. Diese Entwicklungen haben auch massive Auswirkungen auf die Ge­meindefinanzen und treffen die Bevölkerung daher doppelt.

Durch die Abänderung soll mit dem vorliegenden Antrag eine pauschale Abgeltung der Einnahmenausfälle der Gemeinden aus den Ertragsanteilen als auch der Kommunal­steuer vorgesehen werden. Die Zweckzuwendung ist einmal für das Jahr 2020 vorge­sehen und soll mit 31. August 2020 an die Gemeinden überwiesen werden. Grundlage der Berechnung ist die Bevölkerungsstatistik, die auch § 10 FAG zu Grunde gelegt und mit Anlage A auf die Gemeinden mit 250 Euro pro hauptgemeldeter Einwohnerin oder hauptgemeldetem Einwohner umgerechnet wird. Die Gesamtsumme von 2,212854250 Mil­liarden Euro fließt direkt an die Gemeinden und ist damit eigentlich der erste Teil eines umfassenden wirtschaftlichen Konjunkturpaketes, da die Gemeinden das Geld direkt vor Ort in Leistungen, die der Bevölkerung zu Gute kommen, investieren werden. Aus die­sem Grund sollen diese Finanzmittel den Gemeinden auch nicht durch eine Landesum­lage entzogen werden.

Der letzte Gemeindefinanzbericht des KDZ unterstreicht die Wichtigkeit der Steuerein­nahmen für die Gemeinden. Fast ein Drittel machen die Ertragsanteile aus den gemein­schaftlichen Bundesabgaben aus (30,6%), weitere 11 % die Kommunalsteuer.2 Die Er­tragsanteile sind die wichtigste Einnahmequelle für Gemeinden und hängen wesentlich


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von der wirtschaftlichen Gesamtlage ab. Nicht einmal das Wifo kann momentan die Schwere der heurigen Rezession vorhersagen. Im von der Bundesregierung vorgelegten Paket sind steuerliche Maßnahmen von 10 Mrd. € vorgesehen. Zusätzlich zu den er­wartbaren Minderungen des Steueraufkommens und damit der Ertragsanteile für die Ge­meinden, ist mit einem erheblich reduzierten Aufkommen der von der Lohnsumme ab­hängenden Kommunalsteuer zu rechnen. Die Finanzierung zahlreicher kommunaler Dienstleistungen ist gefährdet, diese müssen aber aufrecht erhalten werden, insbeson­dere jene, welche die Menschen zur leichteren Bewältigung der Krise benötigen. Ge­meinden können sich nicht mit jenen Möglichkeiten, die den Ländern und dem Bund zur Verfügung stehen finanzieren, Banken und Sparkassen sind die häufigsten Finanzierer kommunaler Vorhaben. Gemeinden können sich auch nicht an die Bundesfinanzierungs­agentur wenden, um wie Bund oder Länder günstigere Kredite zu erhalten. Aus diesem Grund ist, trotz zu befürchtenden hohen Einnahmenausfälle, eine rechtzeitige finanzielle Planungssicherheit für Gemeinden notwendig.

Nicht nur der gut ausgebaute Sozialstaat, sondern auch die Leistungen der Gemeinden und deren Angebote für die Bürgerinnen und Bürger haben in der Krise eine wesentliche stabilisierende Funktion. Gemeinden und Städte brauchen eine 100%ige Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Coronakrise. Kommunen sind für Kinderbetreuung, Rettungs- und Feuerwehrwesen, Schulerhaltung, Spitalsfinanzierung, Abwasser- und Wasserver­sorgung und vieles mehr zuständig. Diese Dienstleistungen sind bei nicht entsprechen­der Abgeltung in Gefahr. Gemeinden und Städte sind aber auch wichtiger Auftraggeber für kleine und mittlere regionale Betriebe. Um die Wirtschaft wieder hochzufahren und Arbeitsplätze zu sichern, braucht es neben der 100%igen Abgeltung des Einnahmenent­falls (Kommunalsteuer, Ertragsanteile) auch ein Konjunkturpaket für Gemeinden, damit Projekte zur Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft umgesetzt werden können.

Der von der SPÖ am 22.4.2020 eingebrachte Entschließungsantrag zur Sicherung der Gemeindefinanzen mit dem Entschließungstext

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat ehestmöglich, spätestens jedoch zur Beschlussfassung des Bud­gets für 2020 im Mai diesen Jahres, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem der Bund den Gemeinden die sinkenden Ertragsanteile sowie die reduzierten Einnahmen aus der Kommunalsteuer abgilt, und zusätzlich ein Konjunkturpaket für Gemeinden zur Umsetzung von Projekten für die Ankurbelung der örtlichen Wirtschaft finanziert wird, damit die vollständige Aufrechterhaltung der Gemeindeleistungen für die ÖsterreicherIn­nen und Österreicher in der Krise und der anschließenden Phase der wirtschaftlichen Erholung finanziert werden kann.“

wurde von ÖVP und Grünen zwei Mal in den Sitzungen des Budget-Ausschusses vom 24.04.2020 und 8.5.2020 vertagt. Ein unselbständiger Entschließungsantrag ähnlichen Inhalts wurde in der Nationalratssitzung vom 13.5. abgelehnt.

Die SPÖ hat daher am 27.05.2020 einen Initiativantrag 574/A3 zu einer Novelle des Fi­nanzausgleichsgesetzes eingebracht, der wie auch gegenständlicher Abänderungsan­trag, den Gemeinden eine pauschale Abgeltung der Einnahmenausfälle der Gemeinden aus den Ertragsanteilen als auch der Kommunalsteuer zuweist. Auch dieser Antrag wur­de in der Budgetausschuss-Sitzung vom 16.6.2020 von den Regierungsfraktionen ver­tagt und kann daher nicht mehr rechtzeitig beschlossen werden. Die Dringlichkeit dieser Finanzierungsmaßnahmen für die Gemeinden macht es daher erforderlich, den ÖVP/Grü­nen Antrag um den SPÖ-Vorschlag zu verbessern.

1             https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_00226/index.shtml

2                 https://www.kdz.eu/de/content/gemeindefinanzbericht-2020, Abbildung 8, S. 12


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3                 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00574/index.shtml#tab-Uebersicht

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, wird an alle Abgeordneten verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


11.38.27

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es geht um den Tagesordnungspunkt bezüglich A-3-Ver­längerung nach Klingenbach: Als Tiroler, als Verkehrssprecher der NEOS werde ich da sehr hellhörig. Tatsache ist, wenn dieser Lückenschluss zwischen der M 85 auf ungari­scher Seite und der A 3 auf österreichischer Seite erfolgt, haben wir eine weitere euro­päische Transitachse. Da muss ich schon sagen: Es kann doch wohl nicht sein, dass wir bei uns im Westen um über 8 Milliarden Euro den Brennerbasistunnel bauen, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, und gleichzeitig bauen wir im Osten Österreichs zulasten vieler Gemeinden in einem Gebiet, wie es in Mitteleuropa halt ist, wo es kaum noch Gegenden gibt, die so dünn besiedelt sind, dass da keine negativen Auswirkung entstünden, eine Transitstrecke.

So gesehen unterstützen wir diesen Entschließungsantrag, unterstützen wir diesen An­trag auf Evaluierung dieses Projektes, wobei ich relativ sicher bin, das Ergebnis jetzt schon zu kennen. Das heißt, wir müssen uns jetzt schon den Ausbau der Schienenin­frastruktur überlegen, und das kritisiere ich an diesem Antrag, auch in seiner abgeänder­ten Form, nämlich dass davon mit keinem Wort die Rede ist. Ich erinnere daran: Öster­reich ist EU-Mitglied, wir sind vertraglich gebunden. Die Strecke Orient–östliches Mittel­meer, genau dieser Bereich ist ein Kernnetzkorridor, bei dem es darum gehen würde, dass wir – um unseren europarechtlichen Verpflichtungen entsprechen zu können und die europäische Solidarität zeigen zu können – tatsächlich in die Schieneninfrastruktur investieren, um eine Transitalternative zu bieten.

Dem Kollegen von der FPÖ möchte ich sagen: Die Zeit des Zuwartens ist nicht vorbei. Was vorbei ist, ist die Zeit des Drüberfahrens. Wir können heute bei solchen Infrastruk­turprojekten nicht mehr über die Interessen der betroffenen Bevölkerung in Siegendorf, Klingenbach, Zagersdorf, Wulkaprodersdorf, Müllendorf, Großhöflein drüberfahren. Die­se Menschen haben es verdient, geschützt zu werden, dass sie nicht in die Situation kommen – wie wir sie in Tirol haben –, um teures Geld sanieren zu müssen. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Zarits.)

11.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Sibylle Hamann. – Bitte.


11.41.19

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Bun­desminister! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte über einen kleinen Teil dieses Kom­munalinvestitionsgesetzes reden, über die 3 Prozent der Gesamtsumme, die 30 Millio­nen Euro, die die Gemeinden verwenden können, um Kinderbetreuung jetzt im Sommer kozufinanzieren. Ich freue mich riesig, dass es den Verhandlern Sigi Maurer und August Wöginger gelungen ist – wo sind sie? –, den Finanzminister zu überzeugen. Ich weiß nicht genau, wie schwierig es war, auf jeden Fall ist es ihnen gelungen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)


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Diese 30 Millionen Euro werden nämlich jetzt im Juni einen riesigen Unterschied ma­chen. Warum? – Jeder der Kinder hat, weiß, wie das ist: Normalerweise hat man einen durchgetakteten Sommer vor sich und überlegt sich genau, welche Woche die Kinder bei der Oma sind, welche Woche das Fußballcamp ist, wann man vielleicht noch einen gemeinsamen Urlaub schafft. In diesem Jahr ist das alles komplett anders. Wir haben Unsicherheit, wir haben kaputte Pläne und wir haben auch viele Ängste in den Familien.

Wenn wir uns das aus der Perspektive der Kinder anschauen: Man muss sich überlegen, dass die jetzt teilweise Wochen in Isolation verbracht haben, abgeschnitten von ihren Freunden und Freundinnen, von der Schule, von Bezugspersonen – seien das Sport­trainerInnen, seien das Leute im Jugendzentrum. Ich sage ganz brutal dazu: Es ist nicht für alle Kinder schön, nur ausschließlich in ihrer Familie zu sein. Die Kinder waren alle viel zu wenig draußen, haben zu wenig Bewegung gemacht, waren viel zu lange vor dem Bildschirm; wir kennen das alles. Denen hat echt viel gefehlt.

Die andere Seite ist die Perspektive der Eltern: Die, die arbeiten, haben zum Teil mehr gearbeitet als sonst, haben ihren Urlaub aufgebraucht, andere sind in Kurzarbeit und wissen nicht, wann es wieder richtig losgeht. Leute, die selbstständig sind, kämpfen wo­möglich gerade um ihre Existenz, andere müssen sich völlig umorientieren und sich überlegen, was sie sonst noch im Leben machen wollen. Das heißt, Geld ist knapp, man hat viele Sorgen. Es ist einfach nicht die Situation, in der alle Menschen entspannt mit ihren Kindern den Sommer verbringen können.

Wir sind ja als Grüne auch eine Wirtschaftspartei. Wenn man sich das aus der Perspek­tive von Unternehmen anschaut, die womöglich jetzt gerade damit rechnen können, dass vielleicht wieder Aufträge reinkommen, vielleicht etwas losgeht – ich denke gerade an den Bereich Tourismus, an den Bereich Gastronomie, die Freizeitindustrie –, dann stellt man fest, dass diese vielleicht schnell neues Personal brauchen. Wo kommt das her, wenn Leute sagen: Ich kann leider nicht, ich habe kleine Kinder daheim?

Aus all diesen Gründen war es uns schon lange klar, in diesem Sommer brauchen wir noch dringender als sonst ein niederschwelliges, flächendeckendes Netz von Kinderbe­treuungsangeboten, denn wir haben gewusst, wir müssen den Stress aus den Familien rausnehmen. Wir haben gewusst, da wird auch die Bundesregierung helfen müssen, denn Corona war kein privates Problem, und auch die Wirtschaftskrise, in der wir im Moment sind, darf kein privates Problem der Familien sein.

Jetzt gibt es natürlich immer noch Bürgermeister, und vielleicht kennen Sie ein paar von denen, die sagen: Bei uns brauchen wir so etwas nicht, unsere Mütter schaffen das schon irgendwie! – Das hört man noch. Wir wissen aus Erfahrung, wo immer ein Angebot für Kinderbetreuung da ist, sind die Kinder dort, weil die Kinder das nämlich sehr schnell auch selber wollen. Deswegen hoffe ich, dass dieser Coronasommer, dieser spezielle Sommer, der erste ist, in dem Kindergärten in manchen Gemeinden durchgehend offen haben werden, in dem vielleicht erstmals die Schulsportplätze offen sind und die Kinder dort mit ihren Freunden und Freundinnen, mit denen sie auch sonst in der Volksschule sind, vielleicht Wochen gemeinsam verbringen.

Wenn wir nach diesem Sommer dann irgendwann draufgekommen sind, dass das gut war, so wie es war, dann soll das bitte gefälligst auch eine Dauereinrichtung bleiben. Das wäre gut so. Herzlichen Dank! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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11.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.


11.45.50

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Um vielleicht kurz den Ball aufzunehmen, den Sie, Frau Hamann, da haben liegen lassen: die Kinderbetreuung während der Coronazeit. Da sollten wir uns alle miteinander vielleicht wieder einmal ein bisschen an der Nase nehmen, um jenes zu schätzen, von dem wir Freiheitlichen immer gesagt haben, dass es das Schätzenswer­teste ist, nämlich die ursprünglichste aller Betreuungseinrichtungen, und das ist noch im­mer die Mutter. (Zwischenrufe bei den Grünen. Abg. Meinl-Reisinger: Nein, bitte nicht! Ihre Kollegin Belakowitsch klingt ja schon viel progressiver! Zwischenruf der Abg. Hamann.)

Genau in solchen Zeiten, wenn alles heruntergefahren wird, ist es dann schon so, dass ein Kind zu Hause bleibt, zu Hause unterrichtet wird. Das nehmt ihr alles als selbstver­ständlich hin, so einfach ist das nicht. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Also bitte zeigen wir Respekt und Wertschätzung auch unseren Müttern gegenüber! (Beifall bei der FPÖ.)

Aber jetzt zum Thema kommunales Investitionspaket (Zwischenrufe bei der SPÖ): Kol­lege Wöginger, Gustl, du hast in deiner üblichen Art und Weise sehr gut und sehr genau aufgezählt, welche Sachen bei den Gemeinden gefördert werden. Du hast von den Kinderbetreuungseinrichtungen, von den Seniorenbetreuungseinrichtungen et cetera gesprochen. Du hast dann aber auch gesagt, wenn jetzt irgendein Projekt auf der Hälfte stehen geblieben ist, dann soll das weitergebaut werden können.

Das ist eine Liste mit taxativen Aufzählungen. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Es schaut jetzt einmal so aus, als wäre es umfassend, es kann aber sein, dass es dies nicht ist. Was passiert denn in so einem Fall? – Ich sage jetzt einmal, Hausnum­mer, eine öffentliche Toilettenanlage ist gerade im Bau. Das ist da nicht drinnen. In so einem Fall würde es dann passieren, dass als Erstes deine schwarzen Bürgermeis­terkollegen kommen und sagen: Geh, Gust, schau, da fehlen mir jetzt genau die 50 000 Euro, die da nicht drinnen stehen! Was tun wir da?, dann sagst du: Dann pflanzen wir sie halt irgendwo hinein. (Heiterkeit des Abg. Wöginger.) Dann kommt man drauf, dass eine öffentliche Toilette keine Sportstätte und keine Freizeitanlage und kein öffent­licher Wohnraum et cetera ist (Abg. Wöginger: ... gemeindeeigenes Gebäude, Wolf­gang!) und halt wirklich nirgends hineinpasst. Dann seid ihr die Ersten, die sagen: Ja dann machen wir halt wieder irgendeinen Abänderungsantrag! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Das ist immer so ein halbes Flickwerk, sage ich jetzt einmal, deswegen möchte ich noch einmal auf den Abänderungsantrag unseres Kollegen Erwin Angerer, der wirklich ge­scheit ist, kommen. Der sagt: Warum nennen wir die Dinge nicht beim Namen? Warum sagen wir nicht gleich umfassend, wir fördern die Errichtung, Instandhaltung und Sanie­rung gemeindeeigener und touristischer Infrastruktur genauso und – vielleicht noch ein bisschen expliziter – die Nahversorger, da die ja sowieso ein Problemfall sind? Das ist ja auch euer Klientel, die ganzen Handelstreiber.

Darum stellt euch bitte nicht so stur, geht – auch im Sinne eurer Bürgermeister, die in der Steiermark vor den Wahlen stehen – bei diesem umfassenderen Antrag mit! Wenn ihr da aber stur bleibt, dann – das verspreche ich euch – werden wir Freiheitlichen bei euch noch ein bisschen abknabbern. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Wöginger: Wir sind tief erschüttert! Abg. Leichtfried: Aber Wolfgang, da bin ich mir jetzt nicht sicher!)

11.49


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Angela Baumgartner. – Bitte.


11.49.23

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeindemil­liarde, das Kommunalinvestitionsgesetz, dient der Unterstützung des ländlichen Raumes.


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Die Gemeinden sind Wirtschaftsmotor Nummer eins. Jeder Euro, den eine Gemeinde ausgibt, kommt in der unmittelbaren Umgebung an. Ich verstehe überhaupt nicht, was es an diesem Gesetz auszusetzen gibt.

Herr Kollege Schroll – da oben auf der Galerie bist du! –, Landeshauptmann Kaiser hat gesagt, dass dieses Kommunalinvestitionsgesetz eine ganz tolle Sache ist; das können Sie nachlesen. (Abg. Keck: Das hat er sicher nicht gesagt!) – Doch, das hat er gesagt. (Abg. Wöginger: Der Ludwig hat’s auch gesagt! Der kriegt 240 Millionen!)

Unser Klubobmann Gust Wöginger hat schon sehr viel dazu gesagt, aber ich möchte noch einmal darauf eingehen. In diesem Investitionsprogramm sind wirklich essenzielle Unterstützungen für unsere Gemeinden vorhanden: Maßnahmen zur Ortskernbelebung, Umrüstung auf hocheffiziente Straßenbeleuchtung, Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. Zu­sätzlich wird noch die Sanierung von Gemeindestraßen, die Sanierung und Errichtung von Rad- und Fußwegen und die Sanierung von Gebäuden anerkannter Rettungsorgani­sationen in das Programm aufgenommen. Besonders wichtig ist auch die Möglichkeit des Ausbaus des Breitbandes. Ebenso kann jede Gemeinde 3 Prozent der zustehenden Förderung für die Kinderbetreuung verwenden.

Frau Kollegin Doppelbauer, warum soll die Förderung nicht ankommen? (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Die Palette ist groß und ich bin davon überzeugt, dass die meis­ten Gemeinden ein Projekt in Planung oder bereits in Umsetzung haben, bei dem dieser Zweckzuschuss schlagend wird.

Kollege Angerer, du hast in der Budgetausschusssitzung gesagt oder kritisiert, dass es für finanzschwache Gemeinden nicht möglich wäre, den Eigenmittelanteil aufzubringen. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen. Der Zuschuss kann für bereits laufende oder für zukünftige Projekte beantragt werden, nämlich bis 31. Dezember 2021. Ich kenne meinen Bezirk, bei uns gibt es keine Gemeinde, die noch kein Projekt für das heurige Jahr geplant hätte, und für dieses Projekt muss es bereits einen Finanzierungsplan ge­ben. (Abg. Kollross: Aber es gibt ...!)

Es wird den Gemeinden überlassen, für welche Projekte die Fördermittel verwendet wer­den. Dies ermöglicht es auch den finanzschwachen Gemeinden, den Eigenanteil aufzu­bringen, vor allem dadurch, dass die Förderung auf mehrere Projekte aufgeteilt und wie schon gesagt rückwirkend vom 1. Juni 2019 bis 31. Dezember 2021 beantragt werden kann.

Ja, die Gemeinden haben Einbußen bei den Ertragsanteilen, aber ich sehe es trotzdem als die Aufgabe der Gemeinde, zu investieren, und dieser Zweckzuschuss unterstützt sie dabei. In meiner Gemeinde Sulz im Weinviertel, einer kleinen Gemeinde im nord­östlichen Weinviertel mit ungefähr 1 200 Einwohnern – und wir gehören sicher nicht zu den finanzstarken Gemeinden, Herr Kollege Kollross –, planen wir gerade ein Projekt, nämlich den Zu- und Umbau einer Volksschule, Kostenpunkt ungefähr 2 Millionen Euro. Meine Gemeinde bekommt dafür eine Unterstützung von 126 000 Euro, und das ist für unsere Gemeinde wirklich ein großer Patzen Geld.

Sie beziehungsweise wir als Bürgermeister wissen, dass wir sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig arbeiten müssen. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Wir haben sicher ge­spart, und gemeinsam mit unserem Ersparten, mit dem Zuschuss des Bundes und ge­meinsam mit zusätzlichen Zuschüssen aus dem Schul- und Kindergartenfonds ist es uns möglich, dieses Projekt umzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kollross: ... ÖVP-Gemeinde!)

Mit diesem Kommunalinvestitionsgesetz setzen wir Impulse für die Wirtschaft am Land und schaffen notwendige und moderne Infrastruktur. – Danke. (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.53



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 115

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Ho­sek. – Bitte.


11.53.33

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich habe mich als Niederösterreicherin gerade an einen Artikel erinnert, der vor einigen Jahren im „Profil“ erschienen ist, in dem ziemlich detailliert aufgeschlüsselt war, was rote und schwarze Gemeinden an Bedarfszuweisungen bekommen. Den Rest können Sie sich jetzt selbst dazudenken. (Zwischenrufe der Abgeordneten Schrangl und Gabriela Schwarz.)

Klubobmann Gust Wöginger stellte sich heraus und sagte: Es ist eigentlich ganz einfach, holts euch euer Geld ab! Ich lade jetzt alle 2 000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ein, fahrts nach Wien in die Himmelpfortgasse, gehts zum Herrn Finanzminister und holts euch euer Geld ab! Es ist nämlich ganz einfach! (Beifall bei der SPÖ.)  Aber gar so einfach, glaube ich, ist es nicht.

Es wurde schon erwähnt: Einige haben vor 14 Tagen einen Brief erhalten und heute beschließen wir das Gesetz. – Das ist nicht sehr seriös, Herr Finanzminister! Kollegin Baumgartner dürfte nicht sehr unter sinkenden Einnahmen aus den Kommunalsteuern und -abgaben leiden (Abg. Baumgartner: Sie spart!), sie dürfte nicht sehr unter den geringeren Bundesertragsanteilen leiden, sie dürfte nicht besonders unter steigenden Abgaben und Ausgaben leiden. Andere Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben heute grundehrlich gesagt, dass sie sehr darunter leiden.

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Rechnung nicht ausgehen kann, wenn man 2 Milliarden Euro an Ausfällen hat und vielleicht 1 Milliarde Euro mit Verzögerung bekommt. Das kann sich nicht ausgehen! So könnte die Investitionstätigkeit mancher Gemeinden – Ihrer vielleicht nicht, weil Sie vom Land die Kredite bekommen – auf Jahre verzögert werden oder sogar zum Erliegen kommen.

Wir haben ja in Österreich auch Abwanderungsgemeinden, aus denen jungen Leute wegziehen, weil es keine Arbeitsplätze gibt, weil die Infrastruktur nicht passt, weil die Bildungssituation nicht passt. Wir haben Abgangsgemeinden in Österreich, die es finan­ziell einfach nicht mehr schaffen. Nun kommt ein Zuckerl daher, das in Wahrheit eine bittere Pille ist, denn wenn die ganzen Voraussetzungen nicht passen, kann ich mir überhaupt kein Geld abholen, wenn ich nicht das Gleiche dazulegen kann. Das sollte Ihnen einmal bewusst sein, wenn Sie es sich hier so einfach machen und sagen: Holts euch in der Himmelpforte das Geld ab, es ist nämlich für alle etwas da! – Das stimmt so nicht, das ist Täuschung der Gemeinden. (Beifall bei der SPÖ.)

Da nächste Woche Tag des öffentlichen Dienstes ist, sehr geehrte Kolleginnen und Kol­legen, und für die Daseinsvorsorge, für die Gesundheit, die Pflege, die Bildung, den öf­fentlichen Verkehr in unseren Kommunen über 76 000 Bedienstete, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig sind, möchte ich diesen für ihre Arbeit sehr herzlich danken! (Beifall bei der SPÖ.)

11.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Werat­schnig. – Sie sind schon da, bitte. (Abg. Meinl-Reisinger: Ach, so eine Überraschung!)


11.56.17

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Ab­geordnete Heinisch-Hosek! Kein Bürgermeister, kein Gemeinderat, keine Gemeinderätin muss in die Himmelpfortgasse fahren, um den Antrag zu stellen. (Abg. Heinisch-Hosek: Das Geld abholen, das Geld holen!) Man muss sich eine Stunde Zeit nehmen, um den einfachen Antrag auszufüllen, abzuschicken, und die Sache ist erledigt. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 116

Wo gibt es in Österreich eine Förderung für Gehwege, für Radfahrwege, für Gehsteige, für Lärmschutzwände, bei der 50 Prozent vom Bund übernommen werden? Es ist etwas Einmaliges, werte Abgeordnete, dass da der Bund einspringt und der Bund unterstützt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Alle Gemeinderätinnen und Gemeinderäte wissen, wie das ansonsten abläuft (Abg. Drozda: Wissen wir nicht!), dass man nämlich selbst diese Mittel aufstellen muss, wenn es um die eigenen Straßen geht, um die eigenen Gehsteige. Alle Gemeinderätinnen und Gemeinderäte wissen, wie schwierig es ist, dass man über die Bedarfsmittel der Bun­desländer etwas bekommt. Da gibt es coronabedingt eine einfache Bundesförderung: Schnell wird geholfen, der Antrag ist einfach auszufüllen. – So viel zum Kommunalinves­titionsgesetz.

Zum TOP 6 wollte ich aber etwas sagen, nämlich zur A-3-Verlängerung nach Klingen­bach. Die Faktenlage wurde bereits geklärt. Auf der ungarischen Seite rückt die M 85, die Europastraße, der Staatsgrenze näher, und es wird zu Recht befürchtet, dass sich da eine neue Transitachse in Richtung A 1 und A 2 entwickelt.

Die betroffenen Gemeinden, sie wurden bereits angesprochen, Siegendorf, Klingen­bach, Wulkaprodersdorf und Zagersdorf, und vor allem auch die betroffenen BürgerIn­nen setzen sich durch Initiativen berechtigt zur Wehr, damit es zu keiner Transitroute kommt. Es gibt dazu Resolutionen und es gibt dazu auch vom 16. April den burgenländi­schen Landtagsbeschluss von ÖVP, SPÖ und Grünen, diese A-3-Verlängerung auf un­serer Seite aus dem Bundesstraßengesetz herauszunehmen.

Um das ernsthaft und berechtigt weiter zu diskutieren, zielt der vorliegende Entschlie­ßungsantrag darauf ab, dass wir die Evaluierung bis 21. September 2020 verlängern, um die Auswirkungen und die Fortführung der A-3-Verlängerung dementsprechend zu prüfen. Es ganz entscheidend und wichtig, auch für uns Grüne, dass die Gemeinden und das Land bei allen Varianten, die in Zukunft notwendig sind, unterstützt werden, auch von der Asfinag, und dass es – und das ist ein wesentlicher Punkt im Antrag – ein al­ternatives Verkehrskonzept geben muss, das darauf abzielt, zu verhindern, dass sich M 85 und A 3 zu einer Transitachse entwickeln, was ja zusätzlich Schadstoffe und Lärm in die Gemeinden bringen würde.

Für uns ist ein alternatives Verkehrskonzept auch damit verbunden, dass es Überlegun­gen dahin gehend braucht: Wie können da verkehrslenkende Maßnahmen und Be­schränkungen, sprich auch Tonnagebeschränkungen, wirksam sein, um diesen Verkehr zu lenken beziehungsweise zu vermeiden, zu verhindern?

Wir sind uns sicher, dass ein weiterer Ausbau, eine Ertüchtigung oder auch ein Lücken­schluss mehr Gefahren bringt, mehr Transit in diese Region zieht. Das ist bei allen Ent­scheidungen, bei allen Varianten zu bedenken und – das wurde heute bereits gesagt – die Gemeinden und das Land müssen unterstützt werden. Die Varianten, die von dort kommen, werden wir dahin gehend prüfen, ob sie den Zielsetzungen entsprechen, die im Entschließungsantrag, den wir heute gemeinsam beschließen, enthalten sind.

Ich appelliere an alle, diesem Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen. – Dan­ke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.00


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.00.38

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte zu dem Thema Stellung nehmen, das jetzt am öftesten angesprochen worden ist, nämlich das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 117

kommunale Investitionsprogramm. Wir folgen bei diesem Programm den Grundsätzen, denen wir bei allen Maßnahmen, die wir in den letzten Monaten gesetzt haben, gefolgt sind, um Österreich besser durch diese herausfordernde Situation zu bringen, nämlich Arbeitsplätze zu erhalten, wenn möglich auch zu schaffen und darüber hinaus den Wirt­schaftsstandort zu stärken.

Dieses Paket ist in Anlehnung an das letzte kommunale Investitionsprogramm entstan­den, das ja auch mit der SPÖ ausverhandelt worden ist, es folgt also auch jenen Krite­rien, denen damals eine Vereinbarung mit der SPÖ vorausgegangen ist. Wir haben den Aufteilungsschlüssel und auch die Abwicklungsmöglichkeit genau so gestaltet, insofern verstehe ich die Kritik an der vorgesehenen Abwicklung nicht so ganz. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Darüber hinaus haben wir massive Ausweitungen vorgenommen, nämlich einerseits was die Förderhöhe betrifft und andererseits was die förderbaren Projekte betrifft, also etwa die Sanierung von Einrichtungen wie Kindergärten oder Schulen, Seniorenbetreuungs­einrichtungen, Sportstätten, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Breitband­netzes und so weiter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nach dem entsprechenden Schlüssel – einerseits Einwohnerzahl, andererseits abge­stufter Bevölkerungsschlüssel – gibt es eben die genauen Zahlen für jede einzelne Ge­meinde; diese sind je nach Größe natürlich unterschiedlich. Um nur eine Zahl herauszu­greifen: Die Gemeinde Wien erhält insgesamt 238 Millionen Euro aus diesem Paket.

Weil auch gesagt worden ist, dass es nur um zusätzliche Projekte geht: Das ist nicht der Fall, das war beim letzten kommunalen Investitionsprogramm der Fall. Mittlerweile ist ja auch festgehalten, dass auch Projekte, die bereits ab 1. Juni 2019 begonnen worden sind und deren Finanzierung aufgrund der Mindereinnahmen infolge von Corona nicht mehr möglich wäre, dadurch finanziert werden können. Ich halte das für einen guten Weg, vielen Dank auch für die Unterstützung diesbezüglich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Christoph Stark zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.03.01

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Auch in schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt alle erleben, gibt es Freudentage. Für mich als Bürgermeister und regional Verantwortlichen ist heute ein Freudentag, weil wir das Kommunalinvesti­tionsgesetz beschließen, kurz: das Gemeindepaket, mit dem, und das muss man sich einmal vor Augen halten, 1 Milliarde Euro – 1 000 Millionen Euro! – in die Regionen, in die Gemeinden fließen, um ganz wichtige Projekte fortzuführen und umzusetzen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie mich aber bitte ein paar Wochen zurückspulen, denn am Anfang all dieser Probleme stand die Pandemie! Am Anfang stand die Pandemie, und es war schwer, in dieser Situation alles richtig zu machen, weil es kein Handbuch für die richtigen Maß­nahmen gab und gibt. Vielleicht hat Herr Brandstätter in seiner Bibliothek ein Büchlein dafür, vielleicht kann er es beim nächsten Mal mitbringen. (Abg. Wöginger: Das liest er gerade!)

Damals hieß es von einigen hier: whatever it takes!, und die Bundesregierung hat sich dann langsam an diese Problematik herangetastet und hat nach und nach nachgebes­sert. Und es heißt wieder: whatever it takes!, aber man muss auch wissen, in der Bevöl­kerung gibt es Sorgen, dass man das wirtschaftlich schwer abwickeln kann, weil an die­sen vielen Milliarden auch unsere Nachfahren noch sehr lange zu knabbern haben


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 118

werden. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es hilft aber nichts, wir müssen da durch, und wir müssen auch das gesellschaftliche Leben aufrechterhalten.

Heute verlangen Oppositionspolitiker beim Gemeindepaket wieder: whatever it takes!, es soll nach oben hin keine Grenze geben. Wie man sieht, ist es einfach schwer, aber die Gemeinden – und da stimme ich mit vielen Vorrednern überein – brauchen nun Geld, um ihre öffentlichen Aufgaben, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen; das ist notwendig. Das Kommunalinvestitionsgesetz ist ein ganz wichtiger Meilenstein, den wir heute damit setzen, wir nehmen nämlich unsere Rolle als Konjunkturantreiber der Gemeinden wahr; das ist eine ganz entscheidende Rolle.

Meine Damen und Herren, wenn nun aber die Forderung im Raum steht: mehr, noch mehr und noch mehr, whatever it takes!, dann muss man sich vor Augen führen, dass wir uns Schritt um Schritt an die Gegebenheiten anzupassen haben, dass wir das Wirt­schaftswachstum im Auge behalten müssen, dass wir abwarten müssen, ob die Wirt­schaft wieder anspringt, dass es auch wieder finanzielle Rückflüsse gibt. Das ist es­senziell, meine Damen und Herren. Jetzt auf Knopfdruck alles zu erfüllen, was die eine oder andere Gruppe braucht, ist einfach nicht machbar. Ich bitte, hier unsere Verantwor­tung wahrzunehmen, und ich bitte auch die Gemeindepolitiker, am Boden zu bleiben und zu sagen: Jetzt gibt es 1 Milliarde Euro, und mit dieser Milliarde können wir unserer Wirt­schaft wirklich maßgeblich dienen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte ein Beispiel nennen – ich bin Bürgermeister der Stadtgemeinde Gleisdorf (Zwischenruf bei der SPÖ) –: Ohne dieses Gemeindepaket hätte es zum Beispiel einen Ausbau unserer Kinderkrippe nicht gegeben. Dieser Ausbau hätte heuer aufgrund des Einnahmenrückganges wegen Covid einfach nicht stattgefunden. Mit dem Gemeinde­paket findet er statt, und mit dem Gemeindepaket können wir zum Beispiel das Angebot bei Kinderkrippen plötzlich verdoppeln. – Da soll mir bitte noch einer sagen, was an die­ser Geschichte jetzt schlecht ist! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Wöginger: ... dass für jeden etwas dabei ist!)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, sage ich unserem Herrn Klubobmann als Steirer (Zwischenruf des Abg. Vogl): Lieber Gust, wir können damit etwas anfangen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wöginger: Sehr gut! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Zum Schluss, geschätzte Damen und Herren, darf ich im Rahmen der Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten noch einen Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen zum COVID-19-Zweckzuschussgesetz

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 228 d. B. wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Abs. 1 lautet die Ziffer 3 wie folgt und wird folgende Ziffer 4 neu eingefügt:

„3. für Barackenspitäler im Zeitraum März bis Mai 2020 und

4. durch Verzicht auf seine Ansprüche gegen die Länder gemäß § 1 Abs. 2 des Bundes­gesetzes, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, BGBl. I Nr. 23/2020 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2020, auf Aufrechnung aus der Ver­teilung von medizinischen Produkten, die vom Bund zur Verhinderung der Ausbreitung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 119

von SARS-CoV- 2 sowie zur Behandlung von Covid-19-Patienten im Zeitraum März bis Juni 2020 beschafft wurden.“

*****

Meine Damen und Herren, ich danke vielmals, und ich hoffe auf breite Zustimmung zum Gemeindepaket, gerade von den auch hier anwesenden Bürgermeisterinnen und Bür­germeistern. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

12.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA,

Kolleginnen und Kollegen

zum Antrag 605/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, über einen Zweckzuschuss an die Länder aufgrund der COVID-19-Krise (COVID-19-Zweckzuschussgesetz) (228 d.B.) TOP 3

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichtes 228 d. B. wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Abs. 1 lautet die Ziffer 3 wie folgt und wird folgende Ziffer 4 neu eingefügt:

„3. für Barackenspitäler im Zeitraum März bis Mai 2020 und

4. durch Verzicht auf seine Ansprüche gegen die Länder gemäß § 1 Abs. 2 des Bundes­gesetzes, mit dem eine Ermächtigung zur Verfügung über Bundesvermögen erteilt wird, BGBl. I Nr. 23/2020 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2020, auf Aufrechnung aus der Vertei­lung von medizinischen Produkten, die vom Bund zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV- 2 sowie zur Behandlung von Covid-19-Patienten im Zeitraum März bis Juni 2020 beschafft wurden.“

Begründung

Durch die neue Ziffer 4 soll ermöglicht werden, dass die vom Bund beschafften kritischen Artikel den Ländern ohne Gegenrechnung zur Verfügung gestellt werden können.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Greiner. – Bitte.


12.08.52

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Bürgermeisterinnen und Bürger­meister! Zu Beginn meiner Rede möchte ich noch einmal auf die erste Hälfte der Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten zurückschauen – Herr Präsident Sobotka hat da den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 120

Vorsitz geführt – und dazu etwas anmerken: In vielen Gemeinden – die Bürgermeisterin­nen und Bürgermeister werden das bestätigen – gibt es de facto Unternehmen der Te­lekom, des Verbund und der Post. Wer verwaltet diese Beteiligungen? – Das ist die Öbag, und ich bringe hiezu einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Erwin Angerer, Mag. Beate Meinl-Reisin­ger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend eine Hauptversammlung der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) einberufen zu lassen und alle notwendi­gen Schritte zu setzen, um eine Abberufung von Herrn Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) zu bewirken.“

*****

(Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Zu schon angesprochenen Details des Gemeindefinanzierungspaketes: Es ist gut – das darf ich vorausschicken –, dass den Gemeinden unter die Arme gegriffen werden soll. Sie haben es in dieser Zeit nach der Krise bitter nötig.

Wir wissen auch, sie haben Einnahmenausfälle in der Höhe von gut 2 Milliarden Euro; Sie haben ein Paket im Ausmaß von 1 Milliarde Euro geschnürt. Wie soll diese Milliarde fließen? – Na ja, die Gemeinden können, sofern sie Geld in der Höhe von 50 Prozent einer Finanzierung selbst aufbringen, über diese Milliarde Kofinanzierung lukrieren. Wer profitiert in erster Linie davon? – Das sind natürlich finanzstarke Gemeinden, die selbst­verständlich diese 50 Prozent aufbringen können. Was ist aber mit schwächeren Ge­meinden? Wo nehmen die diese 50 Prozent Eigenmittel her? (Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Die SPÖ hat einen sehr fundierten Vorschlag zur Gemeindefinanzierung ausgearbeitet. Worin besteht der entscheidende Vorteil? – Dass jeder Bürger gleich viel wert ist. Unser Modell sieht vor, dass jede Gemeinde pro Einwohnerin, pro Einwohner 250 Euro erhal­ten soll. Transparent, nachvollziehbar: Das kann man in einer Liste nachlesen. Das Geld wird direkt überwiesen, fließt schnell, nämlich spätestens bis Ende August dieses Jah­res. Das heißt, die Gemeinden haben das Geld sofort, können sofort investieren. (Abg. Wöginger: Da hast dann mehr, wie du zuerst gehabt hast!) Und ich erinnere daran: 1 Milliarde Euro sehen Sie vor; der Einnahmenentfall beträgt über 2 Milliarden Euro. Sie sagen, es ist ein Investitionspaket. – Ja, es kompensiert ja nicht einmal den Einnahmen­entfall! Wo soll denn da investiert werden? (Beifall bei der SPÖ.)

Erinnern wir uns an die Expertenratschläge! Wir müssen uns aus dieser Krise herausin­vestieren, sonst werden wir das nicht schaffen.

Mit diesem Modell dokumentieren wir, dass uns auch die schwachen Gemeinden – und vor allem die schwachen Gemeinden – wirklich gleich viel wert sind wie alle anderen. Ich lade Sie ein, liebe KollegInnen der Regierungsfraktionen: Stimmen Sie unserem Abän­derungsantrag zu! Damit würden Sie ein Signal setzen: Auch Ihnen sind alle Gemeinden gleich viel wert. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 121

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Erwin Angerer, Mag. Beate Meinl-Reisinger

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Abberufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteili­gungs AG (ÖBAG)

eingebracht im Zuge der Debatte zur Top 1 Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 542/A der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, zur Unterstützung von kommunalen Investitio­nen 2020 (Kommunalinvestitionsgesetz 2020 – KIG 2020) (226 d.B.)

Begründung

Die ÖBAG-Holding verwaltet elf staatliche Beteiligungen, unter anderem auch jene der OMV, Telekom, Verbund, Post und Casinos Austria. Diese Unternehmen sind für die Österreichischen Gemeinden von besonderer Bedeutung, da sie z.B. mit dem Aufkom­men aus der Kommunalsteuer zu den Einnahmen der Sitzgemeinden beitragen. Darüber hinaus sind sie für die Gemeinden sehr wesentlich, weil sie vor Ort wichtige Infrastruk­turinvestitionen tätigen und, wie etwa die Post, wichtige regionale Funktionen für die Be­völkerung erfüllen.

Die ÖBAG wird derzeit vom Alleinvorstand Thomas Schmid geführt.

Schmid gilt als enger Vertrauter von Bundeskanzler Kurz, war vor seinem raschen Auf­stieg im Finanzministerium Pressesprecher, unter anderem von Michael Spindelegger und Wolfgang Schüssel. Zudem war er vor seiner Bestellung zum Alleinvorstand der ÖBAG Büroleiter und Generalsekretär des damaligen ÖVP-Finanzministers Löger. In dieser Funktion hat er am 31.1.2019 eine geheime Unterlage des Finanzministeriums zur Lizenzvergabe an Glücksspielunternehmen an den Vorstandsvorsitzenden der No­vomatic, Harald Neumann, abfotografiert und geschickt. In dieser geheimen Unterlage ging es um die Vergabe von Online-Lizenzen. Hier hat Schmid offensichtlich Amtsmissbrauch begangen.

Herr Schmid steht aus medial bekannt gewordenen Chat-Verläufen auch in Verbindung mit Dirty Campaigning-Methoden und wird in der Casinos-Causa als Beschuldigter ge­führt.

Herr Schmid war bis zu seiner Bestellung zum Alleinvorstand der ÖBAG in keiner Füh­rungsposition eines großen Wirtschaftsunternehmen tätig und erfüllt die Qualifikations­voraussetzungen für diese Funktion nicht.

Aus diesen Gründen ist Herr Schmid in der Funktion des Alleinvorstandes nicht tragbar.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, umgehend eine Hauptversammlung der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) einberufen zu lassen und alle notwen­digen Schritte zu setzen, um eine Abberufung von Herrn Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) zu bewirken.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 122

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Zarits. – Bitte.


12.12.43

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine ge­schätzten Herren Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Thema A 3 und zu unserem Entschließungsantrag, den wir gemeinsam mit unserem Regierungspartner, den Grünen, eingebracht haben, Stellung nehmen.

Ich bin selbst aus dem Bezirk Eisenstadt und komme aus einer der betroffenen Gemein­den, aus Zagersdorf. Es sind sieben Gemeinden von einer möglichen Route beziehungs­weise einer möglichen A-3-Verlängerung betroffen, und wir diskutieren seit mittlerweile 18 Jahren – Herr Kollege Ries hat es ja angesprochen – über diese A-3-Verlängerung. Ich spreche hier heute als Gemeindevertreter und im Namen von 14 000 Menschen, die in dieser Region wohnen. Es gibt seitens der Gemeinden und seitens der Bevölkerung eine Ablehnung dieser Verlängerung, weil befürchtet wird, dass das Verkehrsaufkom­men steigt, dass vor allem die Menge des Transitverkehrs steigt. Es wird befürchtet, dass vor allem der Transitverkehr aus Osteuropa enorm zunimmt, was natürlich auch für die Gemeinden nicht vorteilhaft wäre.

Herr Kollege Ries hat es angesprochen: Im Jahr 2002 wurde im Burgenländischen Land­tag beschlossen, die Verlängerung der A 3 in das Bundesstraßengesetz hineinzuneh­men. – Ja, Herr Kollege Ries, das war vor 18 Jahren, damals war ich auch noch nicht politisch tätig beziehungsweise habe ich damals angefangen, politisch tätig zu werden. Ich denke, in der Politik zeugt es auch von Größe, dass man seine Meinung ändern kann und etwas evaluieren kann, das vor 18 Jahren beschlossen wurde. Ich habe mir vor 18 Jahren auch gedacht, dass die Freiheitliche Partei in irgendeiner Form in Ordnung ist (Zwischenruf der Abg. Rosa Ecker), und heute habe ich meine Meinung darüber auch geändert. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Lausch.) Darum ist es, glaube ich, wichtig, dass wir evaluieren, dass wir Varianten andenken und auch andere Möglichkeiten nutzen, auch was den Verkehr in unserer Region betrifft.

Herr Kollege Ries, du bist selber aus unserer Region – du bist aus der Stadt Rust, das heißt aus dem Bezirk Eisenstadt –, du solltest also am besten wissen, wie die Bevöl­kerung in diesen sieben Gemeinden über die Verlängerung denkt. Es gibt Resolutionen der Gemeinden, es gab in der Gemeinde Wulkaprodersdorf eine Volksbefragung, bei der man sich mit sehr, sehr großer Mehrheit gegen die A-3-Verlängerung ausgesprochen hat.

Ich bin stolz, dass wir mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, hier endlich etwas zusammen- und eine Evaluierung zustande bringen, was die Verlängerung der A 3 be­trifft. Das ist ein riesengroßes Thema in unseren Gemeinden, sowohl im Gemeinderat als auch in der Bevölkerung. Du wirst das ja sicherlich auch wissen, und darum verstehe ich diesen Antrag eigentlich nicht.

Wir beschließen heute eine Evaluierung. Der Burgenländische Landtag hat 2019 be­schlossen, dass es keine Verlängerung ohne Zustimmung der betroffenen Gemeinden geben soll. Im Jahr 2020 – vor zwei Monaten, im April 2020 – wurde von der SPÖ, von den Grünen und von der ÖVP beschlossen, dass die Verlängerung der A 3 aus dem Bundesstraßengesetz gestrichen werden soll. Aus dem Jahr 2019 gibt es eine Anfrage­beantwortung aus dem BMVIT, in der steht, dass ein Herausnehmen aus dem Bun­destraßengesetz nur dann möglich ist, wenn es auch eine strategische Prüfung gibt. Mit unserem Antrag stellen wir sicher, dass wir alles aufzeigen, was es hinsichtlich der Ver­längerung der A 3 an negativen Auswirkungen für die betroffenen Gemeinden gibt, und wir wollen auch verschiedene Varianten darstellen, wie sich der Verkehr vermeiden las­sen kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 123

Ich spreche hier nicht nur für meine Region im Nordburgenland im Bezirk Eisenstadt, ich spreche hier auch für vier Gemeinden im Mittelburgenland. Herr Kollege Ries, du weißt ja, dass das Autobahnnetz – du hast es auch in deiner Rede angesprochen – in der Republik Ungarn bereits bis zur Grenze gebaut beziehungsweise fertiggestellt wird, und es ist zu befürchten, dass der Verkehr auch im Mittelburgenland stärker wird. Darum ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit den betroffenen Gemeinden im Bezirk Eisenstadt und im Mittelburgenland Alternativen aufzeigen und eine Lösung finden.

Ich glaube, 14 000 Leute verdienen es, gehört zu werden, und die Politik der Vergangen­heit – der 1970er-Jahre, der 1980er-Jahre –, die die Freiheitliche Partei noch immer lebt und betreibt, ist, so glaube ich, abzulehnen. Wir hören auf die Bevölkerung. Wir nehmen die Anregungen beziehungsweise die Ängste der Bevölkerung sehr, sehr ernst.

Ich spreche hier für sieben Gemeinden. Ich spreche hier auch für vier Gemeinden im Mittelburgenland. Wir werden gemeinsam mit unserem Koalitionspartner eine Lösung finden. Ich bin froh, dass der Koalitionspartner jetzt die Grünen sind und dass es nicht die Freiheitliche Partei ist, weil so endlich auch in der Verkehrsproblematik bei uns im Burgenland etwas weitergeht. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.17


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte.


12.17.58

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Minister! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Gemeinden gab es heute schon sehr viele Redebeiträge. Ich würde mir ganz einfach wünschen, dass sich die Verantwortlichen dieser Bundesregierung, Herr Bundeskanzler Kurz und Herr Finanzminister Blümel – ich habe nämlich schon im April zum ersten Mal hier im Nationalrat darüber geredet, dass die Gemeinden Unterstützung brauchen; damals war das bei der ÖVP-geführten Regierung noch so, als wäre das etwas ganz Neues und als brauchte man das überhaupt nicht –, mit so einer Genauigkeit, wie sie sich für die Me­dien vorbereiten, wie sie Pressekonferenzen machen, sich, Herr Finanzminister, auch wirklich um die Gemeinden kümmern würden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Angerer.)

Das Paket, das ihr jetzt geschnürt habt, ist nämlich ein ausgezeichnetes Paket, dem ist nichts hinzuzufügen – nur ist es einfach zu früh. Ihr müsst dazwischen einen Rettungs­schirm, und zwar einen 100-prozentigen Rettungsschirm, einbringen, mit dem man den Gemeinden diese Ertragsanteile ersetzt. Die Gemeindebundzeitung bringt das immer, da steht jeden Monat ganz genau, um wie viel die Gemeinde weniger hat, und das wer­den bis Ende des Jahres 20, 25 Prozent werden. Darum, Herr Finanzminister, ersuchen wir Gemeinden, uns das abzudecken. Dann ist das Paket mit der 1 Milliarde Euro super, weil das die Wirtschaft nach der Krise ankurbelt, und damit ist den Gemeinden geholfen.

Wir haben nichts davon, wenn wir 300 000 Euro kriegen, so wie bei mir in der Gemeinde, und wir noch einmal 300 000 Euro brauchen; letztendlich haben wir 600 000 Euro nicht zur Verfügung. – Da fehlen jetzt aber keine Nullen, das ist alles in Ordnung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Das war nur ein Spaß. Da fehlen keine Nullen, das ist alles in Ordnung. So geht das aber nicht. Darüber bitte ich euch wirklich nachzudenken! Wenn die ÖVP-Bürgermeister heute sagen, es ist ein Freudentag, so entgegne ich: Für mich nicht, für mich ist da nicht einmal die Hälfte von dem abgedeckt, was eigentlich passieren sollte.

Deshalb fordern wir da wirklich einen Rettungsschirm, wir fordern ganz einfach 250 Euro. Das ist eine ganz einfache Rechnung – das ist leichter, als jedes Budget zu machen –: Das geht im Laufe des Jahres ab, das sind die 10 Prozent und da kommen 250 Euro raus, aufgeteilt auf die Gemeindebürger, ob eine große Stadt oder kleine Gemeinde, für jeden passt das. Das ist etwas Einfaches und Gerechtes.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 124

Herr Wöginger sagt, er ist aus einer Gemeinde mit 825 Einwohnern: Dann kann man sich nach dem ÖVP-Modell 86 000 Euro abholen, wobei man das Geld aber noch auf­bringen muss, und 206 000 Euro sind es nach dem SPÖ-Modell. Wenn er da nachrech­net, weiß er genau, die 206 000 Euro gehen ihm am Ende des Jahres auch ab. Das ist meiner Meinung nach das Entscheidende.

Betreffend Bundesländer: Da darf ich mich besonders bei Kärnten bedanken, bei Lan­desrat Daniel Fellner, der für uns schon ein Paket dazu gemacht hat, das uns zusätzlich helfen wird. Ich glaube, dass das der richtige Weg wäre.

Ich ersuche Sie, Herr Minister, um Folgendes: Da müsste man sich wirklich mit dem Herrn Bundeskanzler noch einmal zusammensetzen und helfen, denn das wäre für die Gemeindebürger und vor allem für die Gemeinden das alles Entscheidende. (Beifall der SPÖ.)

12.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.


12.21.27

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Sie konnten jetzt wiederum ein weiteres Stückchen, sagen wir, nicht besonders gut gelungener Krisenbewältigungsarbeit der ÖVP-Grün-Regierung erleben. Ich schwanke immer zwischen: Sie wollen es nicht oder Sie können es nicht. Bei diesem Teil jetzt neige ich dazu: Sie können es nicht. (Ruf bei der ÖVP: Sie können es nicht!)

Dann nehmen Sie das doch wenigstens zum Anlass, das, was wir hier an Zusatzleis­tungen erbringen, anzunehmen. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Es ist kein Konjunk­turpaket, wenn man nicht zuerst den entfallenen Ertragsanteil an eigenen Einnahmen der Gemeinden ausgleicht; das hat Klaus Köchl Ihnen ja richtig beschrieben. Herr Fi­nanzminister, ich neige dann immer zum Fremdschämen: Man kann auch die Philoso­phische Fakultät absolviert haben und trotzdem rechnen können – glauben Sie mir das, ich habe dort auch ein Studium absolviert, es geht! Machen Sie mit! Es würde mich freu­en, wenn Sie mitmachen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann sehen Sie, dass Kollege Köchl völlig recht hat. Man muss zuerst den Einnahmen­entfall abdecken, dann kann man als Gemeinde zusätzlich etwas investieren. Deswe­gen: Ja sagen zum SPÖ-Paket, das wir in zweiter Lesung zur Abstimmung bringen – wir müssen zu Ihrem derweil Nein sagen. Dann machen wir das Spiel fertig: Sie können lernen, Ja zu sagen; wunderbar, gewonnen, dann hätten wir ein gescheites Paket! Ich fürchte, das wird nicht passieren. Da aber diese zusätzliche 1 Milliarde Euro wenigstens irgendetwas Zusätzliches ist, kündige ich an, dass wir in dritter Lesung zustimmen wer­den.

Es bleibt aber: Sie können es nicht; nicht einmal annehmen, wenn es Ihnen jemand anderer liefert, wenn Sie es selber nicht herstellen können. Das wäre echt ein Fortschritt, sogar für die Grünen und für die hartnäckigsten Unterstützer des Herrn Wögerer (Abg. Schmidhofer: Wöginger!), wie den Hermann. Das könnte ein guter Beitrag sein. Jetzt aufstehen, die richtige Entscheidung treffen, die falsche ablehnen – und dem Land wird das nützen! Ich würde mich freuen, wenn das gelingen würde, dann höre ich gar nicht mehr zu. (Beifall der SPÖ.)

12.23


12.24.02

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 125

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Bevor ich nun zu den Abstimmungen komme, frage ich die Klubobleute, ob eine Sit­zungsunterbrechung gewünscht ist oder ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang ein­treten können. – Gut, dann kommen wir zu einer Reihe von Abstimmungen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend Kom­munalinvestitionsgesetz 2020 in 226 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Stö­ger, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes ab­stimmen lassen.

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen, haben einen Abänderungsantrag betreffend § 1 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend § 2 eingebracht.

Wer sich für diese Abänderung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Weiters haben die Abgeordneten Angerer, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- be­ziehungsweise Abänderungsantrag betreffend § 2 Z 15, Einfügung neuer Ziffern 16 und 17 sowie die sich daraus ergebende Änderung der nachfolgenden Ziffernbezeich­nungen eingebracht.

Wer sich für diese Abänderung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über § 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Überschrift zu § 3 sowie zu §§ 3 und 4 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fas­sung des Ausschussberichtes.

Wer ist dafür? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betref­fend Einfügen einer Anlage A eingebracht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 126

Wer sich für diesen Zusatzantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung dem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehr­heit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Haftungsobergrenze für Gemeinden“.

Wer sich für diesen Antrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Investitionsfonds für Gemeinden“:

Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Geld folgt Transparenz – Transparenzzuschüsse für Gemeinden“.

Wer ist für diesen Antrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Heiterkeit bei den NEOS.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Matznetter, Angerer, Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abbe­rufung von Thomas Schmid als Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG)“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für diesen Entschließungsantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 geändert werden, samt Titel und Eingang in 227 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetz­entwurf ist somit in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Damit kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betreffend COVID-19-Zweckzuschussgesetz in 228 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungs­antrag und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzent­wurfes abstimmen lassen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 127

Die Abgeordneten Obernosterer, Jakob Schwarz, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend § 1 eingebracht.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Ich bitte auch da um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte um Zustimmung in dritter Lesung. – Das ist auch mit Mehrheit so ange­nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betreffend Ände­rung des Bundesgesetzes über das Inverkehrbringen von Mund-Nasen-Schnellmasken während der Corona-COVID-19-Pandemie samt Titel und Eingang in 229 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte um Zustimmung in dritter Lesung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird, samt Titel und Ein­gang in 230 der Beilagen.

Wer sich für diesen Gesetzentwurf ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte um Zustimmung. – Auch in dritter Lesung ist dieser Gesetzentwurf einstimmig so angenommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: die dem Ausschussbericht 231 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Evaluierung der A3 Verlängerung nach Klingenbach“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (63/E)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Errichtung des Autobahn-An­schlussstückes der A3 (Südost Autobahn) zwischen Wulkaprodersdorf und Klingenbach in der im Bundesstraßengesetz 1971 unter § 37 angeführten Beschreibung unter Einbe­ziehung von Schutzmaßnahmen gegen Lärm- und Schadstoffbelastung.“

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.32.597. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnah­men zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 128

JuBG), das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwalts­ordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden (206 d.B.)

8. Punkt

Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesge­setzes, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird (207 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Ich begrüße sehr herzlich die Frauen Bundesministerinnen Zadić und Edtstadler und den Herrn Bundesminister Anschober.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Harald Stefan. – Bitte.


12.34.03

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frauen Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir haben hier im Wesent­lichen zwei Themen zu behandeln. Das erste Thema ist eine kleine Änderung, die auch aufgrund der Covid-Maßnahmen vorzunehmen war, nämlich dass ein Mund-Nasen-Schutz bei verwaltungsrechtlichen mündlichen Verhandlungen zu verwenden ist. Jetzt soll das dahin gehend geändert werden, dass diese Bestimmung herausgenommen wird und auf die jeweils gültige Verordnung abgestellt werden soll.

Wir halten diese Maßnahme, dass bei derartigen Verhandlungen jetzt kein Mund-Nasen-Schutz mehr notwendig ist, natürlich grundsätzlich für richtig, aber der Verweis auf die jeweils gültige Verordnung ist eine Gesetzestechnik, die wir nicht als richtig und gut emp­finden, denn wir wissen aus den letzten Wochen und Monaten, dass zum Teil nicht ein­mal die Minister wissen, was in den Verordnungen steht. Wie soll dann der Normunter­worfene wissen, was gerade gilt? Ein derartiger Verweis ist jedenfalls eine sehr unge­schickte Regelung und wir lehnen diese Bestimmung daher ab. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt weitere Punkte, die hier behandelt werden: Da geht es um Fristerstreckungen, die bereits jetzt durch die Covid-Maßnahmen gesetzt wurden, die noch einmal verlängert werden. Wir sind einverstanden; da geht es darum, dass Unterhaltsvorschüsse auch ohne Exekutionsantrag weiter erstreckt werden, dass Fälligkeitstermine von Ansprüchen des Kreditgebers gegen einen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Kreditneh­mer erstreckt werden, um eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschul­dung, auch da wird erstreckt. Das sind alles richtige Maßnahmen, denen wir zustimmen.

Es ist auch eine Änderung in der Rechtsanwaltsordnung vorgesehen, die auch im Zu­sammenhang mit den Covid-Maßnahmen steht, nämlich sollen bis Ende des Jahres schriftliche Abstimmungen und schriftliche Wahlen zulässig sein. Auch dagegen kann man nichts sagen, wenn das Ganze befristet ist.

Wir haben jedoch ein Anliegen, und dazu werde ich auch einen Abänderungsantrag ein­bringen, das auch im Zusammenhang mit den Covid-Maßnahmen steht. Darin geht es um die Kurzarbeit, und zwar um die Kurzarbeit von Berufsanwärtern, genauer von Rechtsanwaltsanwärtern. Für die ist das insofern ein wichtiges Thema, als ein Rechts­anwaltsanwärter eine bestimmte Zeit seiner Rechtsanwaltsanwärtertätigkeit als Berufs­praxis in der sogenannten Kernpraxiszeit verbringen muss, also direkt beim Rechtsan­walt – und jetzt ist die Frage: Wird die Kurzarbeit da angerechnet oder nicht?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 129

Diese Frage ist völlig offen. Das wird in jeder Länderkammer, und wir haben neun Län­derkammern, unterschiedlich geregelt. Es wird zum Teil so geregelt, dass man sagt, die Anwälte sollen sich das selbst ausmachen. Zum Teil wird gesagt, es wird anerkannt. Es ist also für den Rechtsanwaltsanwärter selbst eine völlig unklare Situation, und man muss sich das schon auch überlegen, das ist für den Rechtsanwaltsanwärter ein wich­tiger Punkt. Da geht es darum, wann er zur Rechtsanwaltsprüfung antreten darf, dafür braucht er eine bestimmte Praxiszeit, und wann er seinen Beruf antreten kann, wann er selbstständig werden kann, wann er Rechtsanwalt werden darf.

Das hängt von diesen Praxiszeiten ab, und da ist es nicht möglich gewesen, eine bun­deseinheitliche Regelung bei den Rechtsanwaltskammern zu finden. Daher bin ich über­zeugt, dass es notwendig ist, dass wir eine gesetzliche Maßnahme treffen müssen.

Ich bringe daher folgenden Abänderungsantrag ein, gemeinsam mit Kollegin Mag. Yil­drim und Kollegen Dr. Margreiter, mit dem in § 2 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung, wo es um die Ausübung der Rechtsanwaltschaft und die praktische Verwendung in der Aus­bildung geht, Folgendes ergänzt wird:

Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätig­keit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit.

*****

Dieser eine Halbsatz wird hier also angefügt, damit klar ist, dass diese Zeiten ange­rechnet werden.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass der Präsident des Rechtsanwaltskammertages diese gesetzliche Regelung nicht wünscht. Ich schätze ihn sehr, unterhalte mich gerne mit ihm und bin auch sehr oft einverstanden mit seinen Anmerkungen. Es liegt mir auch fern, in die Autonomie der Rechtsanwälte oder der freien Berufe an sich einzugreifen, aber wenn es nicht möglich ist, eine einheitliche Regelung zu treffen, finde ich es nicht angebracht, dass man Berufsanwärter in einer derartig unsicheren Situation belässt.

Man muss sich vorstellen, dass die jetzt nicht planen können. Die wissen nicht, ob diese Zeiten angerechnet werden oder in welchem Ausmaß – aliquot oder nur bestimmte Wo­chen – sie angerechnet werden. Das erfahren sie vielleicht erst Wochen oder Monate später, dann haben sie vielleicht schon einen Termin für die Rechtsanwaltsprüfung ver­einbart oder haben schon geplant, wann sie ihre Kanzlei eröffnen. Sie sind in einer völ­ligen Unsicherheit, und ich denke, im Hinblick auf all die anderen Regelungen, die wir jetzt im Zusammenhang mit Covid getroffen haben, wäre es den jungen Anwärtern ge­genüber fair, dass sie Planbarkeit und Rechtssicherheit haben.

Ich denke, dass wir hier nicht neun verschiedene Regelungen, und diese auch noch unsicher, bestehen lassen sollten, und hoffe, dass Sie diesen Weg mit uns gemeinsam gehen, sodass wir die Berufsanwärter nicht im Regen stehen lassen, sondern auch für sie Planbarkeit und Rechtssicherheit bundeseinheitlich regeln. (Beifall bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Stefan, würden Sie kurz zu mir kommen? Es geht um den geänderten Text: Auch die Ziffern ändern sich, somit gilt der Antrag lei­der als nicht ordnungsgemäß eingebracht. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)


Abgeordneter Mag. Harald Stefan (fortsetzend): Damit er ordnungsgemäß eingebracht ist, ergänze ich zu meinem Abänderungsantrag noch, dass die Ziffern 1 bis 5 die Be­zeichnung 2 bis 6 erhalten.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 130

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen den oberen Teil – ab: „Der Nationalrat wolle [...] beschließen“ – komplett verlesen. Das ist eindeutig so geregelt, sonst gilt der Antrag als nicht ordnungsgemäß eingebracht, und das würde nicht Ihrer Intention entsprechen.


Abgeordneter Mag. Harald Stefan (fortsetzend): Dann ergänze ich jetzt noch:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Artikel 3 Ziffer 1 des oben bezeichneten Antrags lautet:

1. § 2 Abs. 1 lautet:

,§ 2 (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dien­lich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem Wirtschafts­prüfer oder Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsan­walt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchti­gung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit. In den Fällen der Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach den §§ 14a und 14b AVRAG oder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für begünstigte Behinderte sowie in den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzge­setz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Nor­malarbeitszeit herabgesetzt wurde.‘“

Und noch einmal: „Die Ziffern 1 bis 5 erhalten die Bezeichnung 2 bis 6.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Stefan, Mag. Yildirim, Dr. Margreiter

und weiterer Abgeordneter

zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 619/A der Abgeordneten Mag. Mi­chaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 1. COVID-19-JuBG), das 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz – 2. COVID-19-JuBG), die Rechtsanwaltsordnung, das Disziplinar­statut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter und das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz geändert werden (206 d.B.), eingebracht zu TOP 7, in der 38. Sitzung des Nationalrates, in der XXVII. GP

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Antrag (619/A) in der Fassung des Ausschussberichtes (206 d.B.) wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 131

1. Der Artikel 3 Ziffer 1 des oben bezeichneten Antrags lautet:

1. § 2 Abs. 1 lautet:

„§ 2 (1) Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dien­lich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem Wirtschafts­prüfer oder Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsan­walt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchti­gung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz sowie Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit. In den Fällen der Herabsetzung der Normalarbeitszeit nach den §§ 14a und 14b AVRAG oder nach dem Behinderteneinstellungsgesetz für begünstigte Behinderte sowie in den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzge­setz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Nor­malarbeitszeit herabgesetzt wurde.“

2. Die Ziffern 1 bis 5 erhalten die Bezeichnung 2 bis 6.

Begründung

Im Zusammenhang mit der derzeit noch herrschenden Corona-Pandemie sind zahlrei­che Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter in Kurzarbeit. Es stellen sich daher die betroffenen Personen in Kurzarbeit die dringende Frage, wie mit der An­rechenbarkeit dieser Arbeitszeiten im Hinblick auf die Kernzeit umzugehen ist.

Gemäß § 2 RAO ist die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Be­einträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz. In den Fällen einer Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz oder dem Väter-Karenzgesetz ist die Ausbildungszeit anzurechnen, auf die die Normalarbeitszeit herabgesetzt wurde.

Die derzeitige Ausnahmesituation rechtfertigt, § 2 RAO analog auf Zeiten der COVID-19 Kurzarbeit anzuwenden und somit zu erreichen, dass Zeiten in COVID-19-Kurzarbeit voll anrechenbar - also auch auf die Kernzeit - für die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin im Sinne des § 2 RAO sind. Außerdem ist da­rauf hinzuweisen, dass die aktuelle Rechtslehre überwiegend die Ansicht vertritt, dass Kurzarbeit keine Teilzeit im Sinne des Bundesgesetzes vom 11. Dezember 1969 über die Regelung der Arbeitszeit (Arbeitszeitgesetz-AZG) ist.

*****


Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals. – Jetzt ist der Abänderungsantrag ordnungs­gemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Als nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.42.32

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 132

Zuseher! Wir haben mit den Covid-Begleitgesetzen zu Justiz und Verwaltung insbeson­dere Fristen verlängert und Vorgänge vereinfacht beziehungsweise Möglichkeiten ge­schaffen, die im Justiz- und Verwaltungsbetrieb die Einhaltung von Maßnahmen zur Ver­hinderung einer Ansteckung ermöglichen. Da wir nicht wissen konnten, wie sich die Si­tuation weiterentwickeln würde, wurden für die einzelnen Instrumente zunächst verhält­nismäßig kurze Befristungen gewählt.

Einige wichtige Instrumente sollen mit diesem Antrag bis 31.10. verlängert werden. Da­bei sei vor allem die Möglichkeit erwähnt, Unterhaltsvorschuss für Kinder zu erhalten, ohne vorher die Exekution beantragen zu müssen. Das ist eine wichtige Unterstützung für viele betroffene Familien. Gleiches gilt für die Möglichkeit, Kreditrückzahlungen zu stunden, um nicht dem Druck einer drohenden vorzeitigen Fälligstellung zu unterliegen. Auch die Möglichkeit, im Falle einer rechnerischen Überschuldung noch keinen Insol­venzantrag stellen zu müssen, wird weiter verlängert, weil immer noch davon auszuge­hen ist, dass eine valide Fortbestehensprognose im Moment kaum errechnet werden kann.

Im Verwaltungsverfahren haben wir die umgekehrte Problematik: Dort wird den Behör­den nunmehr die Möglichkeit gegeben, auf die jeweilige Ansteckungssituation zu reagie­ren, und die Maßnahmen, die während der Amtshandlung zu treffen sind, so anzupas­sen, wie sie jeweils gerade der Ansteckungslage entsprechen. Die Normunterworfenen dieser Bestimmung sind die LeiterInnen der Amtshandlungen, und ich bin mir sehr si­cher, dass diese in der Lage sein werden, die jeweiligen Verordnungen entsprechend zu lesen und zu deuten.

Auf diese Art, mit diesen Bestimmungen können Justiz und Verwaltung – diese beiden wichtigen Säulen des Rechtsstaates – am Weg aus der Krise heraus weiterhin gut und zuverlässig arbeiten.

Was die Justiz vom Parlament braucht, ist, dass wir Budgets beschließen, die sie mit ausreichend Mitteln ausstatten, um ordentlich arbeiten zu können, dass wir Gesetze machen, die ihr das unabhängige Arbeiten ermöglichen, und dass wir sie diese Arbeit machen lassen.

Was die Justiz nicht braucht, sind Zurufe aus dem Parlament, wie sie ihre Arbeit zu ma­chen hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Was sie gar nicht braucht, sind Statements, die diese wichtige Unabhängigkeit infrage stellen (Beifall bei den Grünen), denn das kann das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wirklich nach­haltig erschüttern und damit die Glaubwürdigkeit untergraben. – Das wäre fatal, denn eine funktionierende und in ihrer Unabhängigkeit anerkannte Justiz ist die allerbeste Absicherung gegen Unrecht und Korruption in einem Staat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yidirim. – Bitte.


12.45.53

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die sozialen und wirt­schaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise dauern nach wie vor an. Die Folgen werden uns leider noch lange beschäftigen. Glücklicherweise kennt zwar kaum jemand von uns einen Menschen, der an Covid-19 gestorben ist, wir kennen aber leider viele Menschen, die dadurch unverschuldet in eine wirtschaftliche Notsituation geraten sind.

Daher haben wir im Justizausschuss zu Recht jede Maßnahme, die das Leben der be­troffenen Menschen erleichtern kann, unterstützt. Ob das der erleichterte Zugang zum


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 133

Unterhaltsvorschuss ist oder die Kreditstundungen sind, die über 100 000 Kreditneh­merinnen und Kreditnehmer betreffen: Da kann man sich unserer Unterstützung immer sicher sein, das ist absolut sinnvoll.

Ein anderes Thema, das uns im Justizausschuss beschäftigt hat – Herr Abgeordneter Stefan hat dazu dankenswerterweise neuerlich einen Abänderungsantrag eingebracht ‑, ist, wie mit der Kurzarbeit von Rechtsanwaltsanwärterinnen und -anwärtern umgegan­gen wird. Viele von Ihnen wissen, dass sich diesbezüglich eine Interessenvertretung an das Parlament, an Mitglieder, an einzelne Mitglieder des Justizausschusses gewandt und berechtigte Anliegen vorgebracht hat.

Ich denke, wenn ich diese Argumentation, warum die Regierungsparteien, warum Türkis-Grün im Justizausschuss Nein zu dem Abänderungsantrag gesagt hat, höre, würde ich meinen: Mit heutigem Wissensstand müssten Sie eigentlich zustimmen. Ich erinnere da­ran, dass Sie gesagt haben, Sie möchten der Selbstverwaltung der Länderkammern des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages nicht vorgreifen. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Mittlerweile wissen wir aber, dass Stellungnahmen eingeholt wurden, und mittlerweile wissen wir auch, dass die Bundesländer uneinheitlich vorgehen. Während die Kurzarbeit zum Beispiel in Niederösterreich zum Teil angerechnet wird, gibt es Län­der wie die Steiermark, wo sie gar nicht angerechnet wird, in Wien werden bis zu sechs Monate angerechnet et cetera. Es gibt also eine Unsicherheit, die sich jetzt einzementiert hat.

Ich erinnere an Ihre Argumente, und daran, dass Sie gesagt haben: Wenn das nicht einheitlich geregelt wird, werden wir bereit sein, diese Berufsgruppe zu unterstützen. Sehr geehrte Damen und Herren, letztendlich geht es um Lebenszeit von jungen Berufs­anwärterinnen und Berufsanwärtern. Letztendlich haben wir in verschiedenen Bereichen sehr wohl Möglichkeiten gefunden – ob das die Lehrlinge oder, mittlerweile auch be­kannt, die Notariatsanwärterinnen, -anwärter sind. Wir unterstützen also selbstverständ­lich dieses Anliegen einer arbeitsrechtlichen – oder arbeitnehmerrechtlichen – Forde­rung von jungen engagierten Frauen und Männern in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen zweiten Punkt möchte ich aufgrund der aktuellen Debatte noch anbringen, sehr geehrte Damen und Herren. Sie wissen, dass sehr, sehr viele Menschen – das hat sich mittlerweile anhand einer Anfragebeantwortung herausgestellt – schwerst belastet mit Strafverfügungen und Strafen sind. Sie wissen mittlerweile aufgrund von Gerichtsent­scheidungen – ob das das Landesverwaltungsgericht in Niederösterreich war oder mitt­lerweile auch ein zweites –, dass die Verordnungen nicht gesetzeskonform erlassen worden sind, auch dass Verordnungen in der Umsetzung nicht korrekt angewendet wur­den und viele Menschen zu Unrecht für Situationen bestraft wurden, die nicht unter Stra­fe gestellt worden sind.

Wir haben daher diesen Fristsetzungsantrag zu einem bereits mehrfach von der sozial­demokratischen Fraktion eingebrachten Antrag eingebracht. Ich freue mich, dass mitt­lerweile auch die anderen Oppositionsparteien das unterstützen.

Ich halte es wirklich für sehr wichtig, dass der Behandlung des Amnestiegesetzes im Zusammenhang mit der zum Teil wirklich fragwürdigen und unverhältnismäßigen Voll­ziehung der Covid-19-Gesetzgebung eine Frist bis 23. Juni gesetzt wird. Diesen Antrag haben wir eingebracht und hoffen, dass ihm zugestimmt werden wird.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir alle gemeinsam den Menschen das Leben in dieser Krise etwas erträglicher und leichter machen. Letztendlich wurde ihnen durch die­se unvorhergesehene Pandemie der Boden unter den Füßen weggezogen, also ist es, denke ich, auch in unserer Verantwortung, ihnen entgegenzukommen. – Ich danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

12.50



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 134

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.


12.50.57

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­te Bundesministerinnen! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einmal mehr behandeln wir einen Tagesordnungspunkt, der sich mit den Auswirkungen der Coronakrise be­schäftigt, diesmal betreffend den Justizbereich. Es geht einerseits um die bereits ange­sprochene Verlängerung von Fristen, andererseits um Änderungen im Berufsrecht der Anwälte und der Rechtsanwaltsanwärter, einschließlich des Disziplinarstatutes, aber auch um die Fristen, was europäische Gesellschaften und Genossenschaften anlangt, und letztlich auch um verwaltungsrechtliche Verfahrensbestimmungen.

Hinsichtlich der Fristen ist schon angeklungen, dass jetzt eine Exekutionsantragstellung für den Unterhaltsvorschuss nicht erforderlich ist, das ist bis 30.6. befristet und soll jetzt bis 31.10.2020 ausgeweitet werden, sodass für jene, die auf einen Unterhaltsvorschuss angewiesen sind, eine vereinfachte Antragstellung prolongiert wird. Auch bei den Fristen für Kreditnehmer – insbesondere was Verbraucherkredite und kleine Unternehmen an­belangt – wird der Fälligkeitstermin, der jetzt der 30.6. ist, auf den 31.10.2020 hinausge­schoben.

Es erfolgt auch eine Anpassung der insolvenzrechtlichen Pflichten, was die Antragstel­lung betrifft. Die europäischen Gesellschaften und Genossenschaften haben nun mehr Zeit, sie können die Hauptversammlungen nicht nur in den ersten sechs Monaten dieses Jahres, sondern bis Ende des Jahres nachholen.

Was das Berufsrecht der Anwälte anbelangt, ist es so, dass es schon Bestimmungen über Briefwahl und Briefabstimmung gibt, allerdings ohne dass eine Plenarversammlung entfallen könnte. Da im Zusammenhang mit den Bestimmungen während der Corona­krise die Abhaltung der Plenarversammlungen schwierig sein kann, ist jetzt dafür Sorge getragen, dass eine gesetzliche Grundlage geschaffen wird, dass die Plenarversamm­lung bei Briefwahl und Briefabstimmung entfallen kann, auch wenn deren Abhaltung in der Geschäftsordnung der Kammer vorgesehen ist. Das ist allerdings befristet, weil es ein wesentliches Recht der Anwälte ist, an Entscheidungsprozessen im Rahmen der Selbstverwaltung teilzunehmen. Es ist also ebenfalls mit Ende des Jahres befristet.

Was diesen Abänderungsantrag betreffend das Berufsrecht der Rechtsanwaltsanwärter anbelangt, verstehe ich das Anliegen und verschließe mich diesem Anliegen auch in keiner Weise. Es ist allerdings so, dass ich nicht davon ausgehe, dass die Standes­vertretungen nicht in der Lage sein werden, eine adäquate Regelung zu finden. Es ist ja bekanntermaßen eine fünfjährige Verwendungszeit für die Ausübung der Anwaltschaft vorgesehen, davon drei Jahre sozusagen als Kernzeit bei einem Anwalt, und für die An­waltsprüfung ist vorgesehen, dass eine dreijährige praktische Verwendung stattfindet, davon zwei Jahre bei einem Anwalt.

Jetzt sage ich: Natürlich ist es unverschuldet, wenn ein Rechtsanwaltsanwärter aufgrund von Kurzarbeit Praxiszeit nicht leisten kann, obwohl er sie leisten will. Andererseits muss auch abgewogen werden, dass es ja einen Sinn hat, dass im Berufsrecht festgelegt ist, dass eine bestimmte Dauer der praktischen Verwendung für die Ausübung der Anwalt­schaft vorgesehen ist. Für mich wäre vorstellbar, dass die Anrechnung der Kurzarbeits­zeit allenfalls auf die Zeiten, die nicht auf die Verwendung bei einem Rechtsanwalt entfallen, möglich sein kann. Man müsste auch über Höchstgrenzen reden, weil es ja, wenn die Kurzarbeit verlängert wird, doch zu einem relativ umfangreichen Teil kommen kann, der angerechnet werden soll. Letztlich muss eines auf jeden Fall das Ziel sein,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 135

nämlich die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Ausbildung der Rechtsanwaltsan­wärter auch im Hinblick auf die Anwaltsprüfung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Das heißt, aus meiner Sicht ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir sollten uns noch näher darüber unterhalten, wie diese Anrechnung erfolgt, in welchem Ausmaß die­se Anrechnung erfolgt. Das sollte dann natürlich auch einheitlich sein, sodass alle Be­rufsanwärter in Österreich dieselben Bedingungen vorfinden.

Ein letztes Wort zum Verwaltungsrecht, weil angeführt wurde, dass die Maskenpflicht entfällt: Aus dem Gesetz wird sie herausgenommen und in die Verordnung verlagert. Ich sehe da kein Problem. Wir haben das in anderen Bereichen genauso geregelt. Es wäre da zu einer Parallelregelung gekommen, das heißt, das ist eigentlich nur eine Flexibilisie­rung. Ich sehe kein Problem darin, dass ein Verhandlungsleiter eine Verordnung statt eines Gesetzes anwendet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


12.56.37

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mi­nisterinnen! Geschätzter Herr Gesundheitsminister! Hohes Haus! Am Anfang stand der Schulterschluss. Den Schulterschluss haben wir hier herinnen praktiziert, wir haben relativ einhellig Anfang März, Mitte März diese ganzen Covid-19-Gesetze beschlossen. Da sind natürlich im Übereifer Fehler passiert.

Eines der heutigen Vorhaben korrigiert einen dieser Fehler: Da ist also tatsächlich, was die Verwaltungsgerichte betrifft, die Maskenpflicht in das Gesetz geschrieben worden, was per se eigentlich Unfug war. Jetzt ändert man das; das begrüßen wir, das macht die Arbeit dann viel leichter.

Den Schulterschluss haben aber nicht nur wir hier im Hohen Haus geübt, auch die Be­völkerung ist mitgegangen. Auch die Bevölkerung hat am Anfang alles akzeptiert, was im Zuge dieses Lockdowns angeordnet worden ist. Jetzt, Monate später, bekommt die Bevölkerung doch irgendwie die Rechnung präsentiert, und zwar in einer Form, die mei­nes Erachtens vollkommen unverhältnismäßig ist.

Es hat sich herausgestellt, dass tatsächlich sowohl im Bereich der Gesetzgebung, aber insbesondere auch im Bereich der Verordnungen gepfuscht worden ist, da ist sehr viel Unsicherheit geschaffen worden. Ich erinnere an den Ostererlass, als es plötzlich ge­heißen hat: Ja, jetzt kommt die Polizei und wird daheim kontrollieren, wie viele Personen sich privat treffen. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Dann hat es immer geheißen: Ja, Freunde treffen ist überhaupt nicht möglich. – Heute wissen wir, dass das anders ist. Die Landesverwaltungsgerichte werden also wahnsinnig viel Arbeit haben.

Wir haben in der Zwischenzeit aus einer Anfragebeantwortung die Zahlen: Im Zeitraum vom 16. März bis 10. Juni dieses Jahres – das sind 86 Tage – wurden 34 443 Anzeigen erstattet; das sind pro Tag über 400 Anzeigen wegen Verstößen gegen Covid-19-Ver­ordnungen. Das ist eine Riesenarbeit für die Verwaltungsgerichte, und diese werden, wie ja das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und auch das Landesverwal­tungsgericht Wien bereits vorexerziert haben, sehr vielen Beschwerden stattgeben müssen.

Die Blöden sind dann die, die zunächst einmal einfach brav bezahlt haben, und das sind ja nicht wenige. Es spricht sich aber Gott sei Dank immer mehr herum, dass man sich natürlich mit Rechtsmitteln behelfen kann. Ich habe jetzt folgenden Fall hereinbekom­men – das müssen Sie sich vorstellen! –: Zwei Schüler, 14 und 16 Jahre alt, sitzen an­geblich zu nahe nebeneinander auf einer Parkbank im Freien. Jeder dieser Schüler hat


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eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft bekommen: 360 Euro pro Schüler. (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)

Herr Bundesminister Anschober, haben Sie das gemeint, als Sie die Verordnungen un­terschrieben haben, dass Schüler, die kein Einkommen haben, mit 360 Euro gestraft werden sollen, weil sie auf einem Bankerl angeblich zu nahe beieinander sitzen? – Das kann es ja wirklich nicht sein! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schnedlitz.)

Wir haben hier als der Gesetzgeber, der dieses COVID-19-Maßnahmengesetz be­schlossen hat, doch eine Bringschuld. Ich würde aber auch meinen, dass wir – die Re­gierung als Verordnungsgeber – da doch zusammenfinden und eine Amnestie beschlie­ßen, damit nicht nur die, die sich zu wehren wissen, die Beschwerden einbringen, son­dern dass jeder, der eine derartige Covid-19-Strafe ausgefasst hat, amnestiert wird.

Das ist relativ einfach möglich. Das Verwaltungsstrafrecht sieht in § 52a eine Möglichkeit vor, wie im Aufsichtswege gesetzwidrige Bescheide – und die sind gesetzwidrig – beho­ben werden können.

Daher stelle ich namens unserer Fraktion folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ge­neralamnestie bei Corona-Strafen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich Maßnahmen zu setzen, die sicherstellen, dass alle aufgrund von § 3 Abs 3 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 der Verordnung gem § 2 Z 1 des COVID-19 Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020 idjgF, eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, bereits verhängte Strafen nachgesehen und bereits bezahlte Strafen rückerstattet werden.“

*****

Ich denke, das wäre ein sehr, sehr wichtiges Signal, mit dem man die Bereitschaft, mit dem man den Schulterschluss, den die Bevölkerung bereit war mitzugehen, vergütet, damit nicht das Gefühl groben Unrechts bestehen bleibt. Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Mühlberghuber.)

13.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Generalamnestie bei Corona-Strafen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 38. Sitzung des Nationalrats über den Bericht und Antrag des Justizausschusses über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert wird (207 d.B.) – TOP 8

Durch den Antrag des Justizausschusses (207 d.B.) wird das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geändert. Damit wird festgelegt, dass in Zeiten der Covid-19-Pandemie die Vorschriften von gemäß § 2 Z 1COVID-19-Maßnahmengesetz erlassenen Verordnungen bei Verwaltungsverfahren einzuhalten sind. Auch die Verordnung, in der


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die sogenannten "Ausgangsbeschränkungen" festgelegt wurden, wurde aufgrund § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassen. Es geht also sowohl in der unter TOP 8 behandelten Vorlage als auch im vorliegenden Antrag um in Folge der Covid-19-Pandemie vorgeschriebene Verhaltenspflichten an öffentlichen Orten - wie das Abstand­halten und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes - und die daraus resultierenden Konsequenzen, wie z.B. Strafen bei Nichtbefolgung. Da in den letzten Wochen über 20.000 Anzeigen nach § 3 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz erstattet wurden, ist die im vorliegenden Antrag vorgesehene Generalamnestie eine wichtige und dringend zu setzende Maßnahme.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurde das COVID-19-Maßnahmengesetz beschlossen, dessen § 2 vorsieht, dass beim Auftreten von COVID-19 das Betreten von bestimmten Orten durch Verordnung untersagt werden kann, soweit dies zur Verhinderung der Ver­breitung von COVID-19 erforderlich ist. Gemäß § 3 Abs 3 COVID-19-Maßnahmengesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3.600 Euro zu bestrafen, wer einen Ort betritt, dessen Betreten gemäß § 2 leg cit untersagt ist.

Am 15. März 2020 erließ der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Kon­sumentenschutz eine Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020. Darin ist in § 1 vorgesehen, dass zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 das Betreten öffentlicher Orte verboten ist. In § 2 der Verordnung des BMSGPK wurden folgende Ausnahmen vom Verbot des Betretens öffentlicher Orte nor­miert:

"§ 2. Ausgenommen vom Verbot gemäß § 1 sind Betretungen,

1. die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erfor­derlich sind;

2. die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen;

3. die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Perso­nen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann;

4. die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der be­ruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann;

5. wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist da­bei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten."

Gemäß § 2 Z 5 der Verordnung des BMSGPK sind Betretungen vom Verbot gemäß § 1 ausgenommen, wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemein­samen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich ganz eindeutig, dass das Betreten öffentlicher Orte nicht auf bestimmte Zwecke beschränkt war. Private Räumlichkeiten wurden im gegenständlichen Verbot gar nicht angesprochen. Diese Auffassung bestätigen nicht nur namhafte Jurist_innen, sondern mittlerweile liegt auch entsprechende Judikatur der Ver­waltungsgerichte vor (siehe unten). Dennoch wurde im Widerspruch zur geltenden Rechtslage von verschiedenen Regierungsmitgliedern bei Pressekonferenzen und an­deren öffentlichen Erklärungen vertreten, dass es etwa nur zum "Luftschnappen", "Spa­zierengehen" oder für "Sport" gestattet sei, öffentliche Orte zu betreten und Besuche in privaten Wohnungen verboten seien.

Daraufhin wurden in den Wochen der Geltung der sogenannten "Ausgangsbeschrän­kungen" zahlreiche Fälle bekannt, in denen Menschen für Handlungen bestraft wurden,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 138

die gar nicht verboten waren. Zu zwei Sachverhalten, in denen Personen zu Unrecht bestraft wurden, weil sie Freunde in deren Privatwohnung besuchten, liegen mittlerweile Entscheidungen der Verwaltungsgerichte vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellte in seinem Erkenntnis vom 12. Mai 2020, GZ: LVwG-S-891/001-2020, fest:

"Der Beschwerdeführer hat mit seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau den öffentlichen Ort betreten, um Freunde zu besuchen. Die Verordnung sieht keine Be­schränkung des Zweckes für ein Betreten des öffentlichen Ortes nach der Ausnah­mebestimmung des § 2 Z 5 vor, auch wenn medial immer nur das „Luftschnappen“ oder „Sport“ als zulässig dargestellt wurden. [...]

Der Aufenthalt in der Wohnung des befreundeten Ehepaares ist von den gegenständ­lichen Bestimmungen nicht umfasst, da diese Wohnung kein „öffentlicher Ort“ ist.

Der Aufenthalt in privaten Räumen unterlag zu keinem Zeitpunkt einem Verbot durch die gegenständliche Verordnung."

Das Verwaltungsgericht Wien führte in seinem Erkenntnis vom 5. Juni 2020, GZ: VGW-031/047/5718/2020-2, aus:

"Insofern die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 29.5.2020 die Auffassung vertritt, dass bei Auslegung des § 2 Z. 5 der genannten Verordnung danach zu diffe­renzieren sei, welchem Zweck das Betreten des öffentlichen Ortes im Freien nach dem Willen des Betretenden dienen solle, ist zunächst darauf zu verweisen, dass sich dem Verordnungstext nicht annähernd entnehmen lässt, zu welchen (bloß eingeschränkten) Zwecken dies gestattet sein sollte. Dazu kommt, dass die Nichteinhaltung der genannten Bestimmung unter Strafsanktion steht, sodass der einzelne Normunterworfene bereits zum Zeitpunkt seines Handelns klar erkennen können muss, durch welches Verhalten er sich allenfalls strafbar macht. Dies wäre jedoch dann nicht gegeben, wenn erst im Nachhinein seitens der Strafbehörde (oder des Verordnungsgebers) der genannte Aus­nahmetatbestand dahingehend einschränkend ausgelegt wird, dass das Betreten des öffentlichen Ortes nur zu bestimmten - im Normtext selbst nicht näher genannten – Zwe­cken gestattet sei. [...]

Angesichts des dargestellten unzweifelhaften Auslegungsergebnisses ist dem Umstand, dass der zuständige Verordnungsgeber (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz) allenfalls in Presseerklärungen oder dergleichen eine da­von abweichende Auffassung vertreten hat, keine rechtserhebliche Bedeutung beizu­messen."

Der Umstand, dass über das Ausmaß des Betretungsverbots öffentlicher Orte in der Bevölkerung und bei den Sicherheits- und Gesundheitsbehörden große Unklarheit herrschte, ist maßgeblich auch Mitgliedern der türkis-grünen Bundesregierung zuzu­schreiben. Diese haben mit der geltenden Rechtslage widersprechenden Behauptungen Verwirrung gestiftet, sodass ein Großteil der Normunterworfenen nicht mehr erkennen konnte, was nun verboten ist und was erlaubt. Außerdem kam es in der Folge auch zu zahlreichen Strafen für eigentlich erlaubtes Verhalten, viele in der Höhe von mehreren hundert Euro. Nicht alle Betroffenen haben jedoch ein Rechtsmittel ergriffen oder hatten die Möglichkeit dazu. Damit die die Rechtslage verkennenden Darstellungen der Regie­rung nicht zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen, ist eine Generalamnestie im Zu­sammenhang mit Corona-Strafen geboten. Im Konkreten sollen alle aufgrund von § 3 Abs 3 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 der Verordnung gem § 2 Z 1 des COVID-19 Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020 idjgF, eingeleiteten Verwaltungs­strafverfahren eingestellt, bereits verhängte Strafen nachgesehen und bereits bezahlte Strafen rückerstattet werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 139

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich Maßnahmen zu setzen, die si­cherstellen, dass alle aufgrund von § 3 Abs 3 und § 2 COVID-19-Maßnahmengesetz iVm § 1 der Verordnung gem § 2 Z 1 des COVID-19 Maßnahmengesetzes, BGBl II Nr 98/2020 idjgF, eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, bereits verhängte Strafen nachgesehen und bereits bezahlte Strafen rückerstattet werden."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht auch mit in Verhandlung.

Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte Frau Ministerin.


13.01.44

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich ganz besonders, dass wir heute über diesen Initiativantrag sprechen können, zumal dieser Initiativantrag auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie etwas abschwächen sollte.

Es ist ein Mix an Maßnahmen, welcher die Lasten ausgewogen und angemessen ver­teilen soll. Es soll auch eine finanzielle Verschnaufpause für viele Menschen und viele kleine Unternehmen geben, die aufgrund der Coronakrise unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Das betrifft das Unterhaltsrecht, das betrifft aber auch das Kreditvertragsrecht und das Gesellschaftsrecht. (Präsident Hofer übernimmt den Vor­sitz.)

Kurz vielleicht zum Unterhaltsrecht: In Sachen Kindesunterhalt soll es nun über den 30. Juni hinaus, nämlich bis zum 31. Oktober, möglich sein, Unterhaltsvorschüsse zu beantragen, ohne zugleich einen Exekutionsantrag stellen zu müssen. Damit soll Kin­dern möglichst rasch zum Vorschuss verholfen werden, ohne dass ein Exekutionsver­fahren eingeleitet werden muss.

Ebenso haben wir im Rahmen von Kreditverträgen Erleichterungen geschaffen, denn auch diese sollen bis zum 31. Oktober 2020 gestundet werden können. Das hilft vielen Verbrauchern und vor allem auch vielen kleinen Unternehmen, damit sie die Kreditraten nicht zahlen müssen.

Auch im Gesellschaftsrecht gibt es Erleichterungen. Bei der Societas Europaea gibt es jetzt die Möglichkeit, dass die Hauptversammlung innerhalb der ersten zwölf Monate stattfindet. Dadurch ist ein bisschen mehr Zeit gewährleistet.

Zum Insolvenzrecht: Sie wissen, dass viele Unternehmen die Sorge haben, ob sie jetzt einen Insolvenzantrag stellen müssen oder ob sie das nicht müssen. Im Gesetz gibt es ja grundsätzlich eine Insolvenzantragspflicht bei der Überschuldung. Diese haben wir ausgesetzt beziehungsweise verlängert, um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, eine valide Fortbestehensprognose zu erstellen. Zudem soll auch geprüft werden können, ob das Unternehmen aufgrund der Unterstützung – die auch beschlossen wer­den soll – fortbestehen kann und daher keinen Insolvenzantrag stellen muss.

Um die Krise zu überwinden haben wir auch Regelungen geschaffen, dass es für die Gesellschafter eines Unternehmens Erleichterungen bei der Kreditgewährung gibt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 140

Ich hoffe sehr, dass wir mit diesem Bündel an Maßnahmen manchen Menschen und Unternehmen auch Unterstützung leisten können, damit sie leichter aus dieser Krise kommen.

Zum Abschluss möchte ich auch die Gelegenheit nutzen, um noch einmal Danke zu sagen. Zunächst bedanke ich mich bei Frau Abgeordneter und Justizausschussvorsit­zender Mag. Steinacker und auch bei allen Abgeordneten des Justizausschusses dafür, dass es möglich war, diesen Justizausschuss so kurzfristig einzuberufen, damit wir auch diese Maßnahmen heute hier beschließen können. Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Abg. Drobits.)

Es hat mich gefreut, dass dieser Antrag die Zustimmung des gesamten Ausschusses gefunden hat, und ich hoffe, dass er auch hier im Plenum einstimmig angenommen wird. Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.05.44

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es sind tatsächlich nur vergleichsweise kleine Änderungen, die wir heute diskutieren, aber sie tragen dazu bei, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Justiz weiter gut funktionieren können, dass sie flexibler reagieren können, je nachdem wie sich die gesundheitliche Lage weiterent­wickelt, und dazu, dass das Werkl weiterläuft, dass das System nicht stehen bleibt, dass das große Stück von der Gerechtigkeit jeden Tag neu auf der Bühne zur Aufführung kommen kann.

Ich habe während meines Studiums ein halbes Jahr am Theater gearbeitet, und zwar als Lichttechniker. Mit dem Licht am Theater ist es so: Wenn man es richtig macht, dann merkt es niemand, aber wenn man es verbockt, dann ist es auf der Bühne finster, dann geht gar nichts. Justiz und Verwaltungsgerichtsbarkeit liefern das Licht für die Trans­parenz, für den Rechtsstaat, für die Gerechtigkeit und letzten Endes für jedes Stück, das auf der Bühne der Demokratie gegeben wird. Deshalb bin ich sehr froh, dass dieser Bereich im Justizausschuss so sachlich, unaufgeregt und lösungsorientiert diskutiert wird, weil von der Vorsitzenden Steinacker abwärts alle, egal welcher Fraktion, zu dieser Sachlichkeit beitragen, und ich denke, wir sind alle froh, dass es nach Jahren des Halb­dunkels wieder gelungen ist, die Gerichtsbarkeit in all ihren Formen ausreichend zu fi­nanzieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dass wir also sozusagen wieder genügend Strom haben, um diese Bühne auszuleuch­ten, war uns Grünen ein zentrales Anliegen in den Regierungsverhandlungen, und wir werden weiter darauf schauen, dass sie funktioniert, unsere Justiz. Es mag sein, dass das dann kaum jemand merkt, so wie am Theater, wenn man als Lichttechniker alles richtig gemacht hat – und dann ist es gut. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte schön Herr Abgeordneter.


13.08.21

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun, in der Covid-Gesetzgebung gibt es Licht und Schatten. Der heutige Initiativantrag wurde bereits mehrfach ange­sprochen: Es gab eine sachliche Diskussion, es gab am 9.7. einen einstimmigen Be­schluss in der Ausschusssitzung, und ich behaupte, dass hier wichtige Bestimmungen im Sinne von Fristverlängerungen gemacht worden sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 141

Die Frau Bundesminister hat vorhin von einer finanziellen Verschnaufpause gesprochen. Ich möchte betonen, dass das sicherlich ein richtiger Begriff ist; schützenswerten Grup­pen, wie zum Beispiel Kindern, wurde ein Unterhaltsvorschuss ohne bürokratische Hür­den gegeben, es wurde für Kreditnehmer und Verbraucher, aber auch für Bankkunden und Kleinstunternehmen die Möglichkeit zur Stundung geschaffen, sodass Rückzahlun­gen, Tilgungen und Zinsenbegleichungen später vorgenommen werden dürfen. Es wur­de im Endeffekt wirklich danach getrachtet, dass in dieser Phase der wirtschaftlichen und sozialen Probleme niemand unter die Räder kommt.

Dahinter ist viel Licht, es gibt aber auch viel Schatten, wenn ich mir die Covid-Gesetz­gebung anschaue. Der Schatten liegt auf einem Instrument, nämlich dem Datenschutz. Das Grundrecht auf Datenschutz, aber auch das Grundrecht auf persönliche Freiheits­rechte wurde meiner Meinung nach während der gesamten Gesetzgebung zu Covid im­mer wieder mit Füßen getreten.

Ich möchte das am Beispiel des Fußballs erklären: Beim Fußball gibt es im Nachwuchs­fußball eine blaue Karte. Der Herr Bundesminister kennt sich im Fußball aus und weiß genau, dass das im Nachwuchsfußball eine präventive Maßnahme ist. Die blaue Karte wurde in diesem Fall dem Datenschutzrat gegeben, weil man gemeint hat, man macht keine Begutachtungen, nur Initiativanträge und braucht dadurch keinen Datenschutzrat.

Es wurde aber auch die rote Karte vergeben, die das gefährlichste Instrument im Fußball ist, und diese wurde der Datenschutzbehörde gegeben. Die Datenschutzbehörde ist bei uns ein Organ, das in der Datenschutz-Grundverordnung, aber auch im Datenschutzge­setz, einem österreichischen Gesetz, legitimiert ist. Die Datenschutzbehörde hat eine gesetzliche Verpflichtung, nämlich eine Anhörungspflicht bei allen Bundesgesetzen, die erlassen werden. Ich sehe nicht ein, dass gerade bei einer Covid-Gesetzgebung die Datenschutzbehörde ausgeschlossen wird. Deshalb werden wir auch parlamentarische Anfragen einbringen, die genau in die Richtung gehen, dass dieses Anhörungsrecht, diese gesetzliche Legitimation eingefordert wird. Ich werde mir auch erlauben, allen Mi­nistern, insbesondere auch dem Präsidenten des Nationalrates, die Frage zu stellen, warum die Datenschutzbehörde nicht eingeschaltet worden ist.

Wir werden auch einen Entschließungsantrag in diese Richtung einbringen, damit wir zukünftig die Schäden in diesem Bereich hintanhalten können. Ich würde Sie alle ein­laden, diesem Entschließungsantrag zu folgen.

Abschließend bedanke ich mich für die gemeinsame Vorgehensweise im Ausschuss. Ich bin der Meinung, dass wir nur gemeinsam sowohl im Datenschutz als auch in allen an­deren Bereichen eine Lösung finden können. – In diesem Sinn: Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

13.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Ulrike Fi­scher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.12.01

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen! Sehr geehrter Herr Minister! Die Sitzung des Justizausschusses am 9. Juni hat ein paar Verbesserungen gebracht. Ich möchte heute hier herausgreifen, dass es, wenn Verbraucher, Verbraucherinnen Kredite haben, die jetzt fällig werden, wenn kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 2 Millionen Euro nicht wissen, wie der Kredit, der jetzt fällig wird, zurückgezahlt werden soll, eine gute Nachricht gibt: Wir haben das Gesetz insofern geändert, als dass Kredite, die bis zum 31. Oktober 2020 fällig werden, für 7 Monate gestundet werden. Das bedeutet, wenn man in Not ist, wenn man in Bedrängnis ist, wenn man sich jetzt vielleicht sogar den Lebensunterhalt nur schwer leisten kann, hat man die Möglichkeit, in dieser schweren sozialen Situation Luft zu bekommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 142

Das ist kein kleiner Wurf, das ist sehr wichtig, und das hat auch eine APA-Meldung ge­zeigt: 111 000 erfolgreiche Stundungen sind bis Ende Mai eingelangt. In Beträgen – ich habe mir das aufgeschrieben – wurden 5 Milliarden Euro quasi von den Banken gestun­det. Ich glaube, dass es in dieser Zeit sehr wichtig ist, genau diesen Menschen zu helfen, damit sie nicht in eine soziale Krise schlittern, damit eben diese unvorbereitete Situation gut abgefedert werden kann; so können wir Jobverlust, Kurzarbeit und andere Notsitua­tionen regeln. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit: Der Dank gilt unserer Frau Justizmi­nisterin und unserer Ausschussvorsitzenden, die das so gut vorbereitet haben, sowie unserer Fraktion – vielen Dank, ich hoffe, wir werden weiterhin kleine, aber wichtige Bau­steine setzen, um diese – es ist noch keine soziale Krise – soziale, wirtschaftliche Unsi­cherheit gut zu überbrücken. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.14.45

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Damen und Herren Mi­nisterInnen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte beim Unterhaltsteil des Ge­setzesvorhabens anknüpfen; es ist ja schon einiges zu der Frage der Erleichterungen für den Unterhaltsvorschuss gesagt worden.

Das ist durchaus zu begrüßen, nur wird Covid irgendwann einmal vorbei sein, die Er­leichterungen werden irgendwann einmal vorbei sein, aber die Probleme für die Alleiner­zieherInnen werden bleiben. Ich möchte daran erinnern, dass wir fast 300 000 Eineltern­haushalte in Österreich haben, und in der bei Weitem überwiegenden Zahl der Fälle sind es die Mütter, bei denen die Kinder leben. Fast 40 Prozent der Einelternhaushalte sind armutsgefährdet – das ist die größte Gruppe der Haushaltstypen, in denen Armutsge­fährdung und Armut vorherrschen. Fast die Hälfte aller AlleinerzieherInnen lebt in Armut, und nur die Hälfte aller Mütter gibt an, regelmäßig Kindesunterhalt vom Vater des Kindes zu bekommen. Diese sind dann auf staatliche Unterhaltsvorschüsse angewiesen, und wir wissen, es kann Jahre dauern, bis diese Unterhaltsvorschüsse auch wirklich fließen.

Was wäre zu tun, damit auch nach der Zeit der Coronakrise das Leben von Alleinerzie­henden in diesem Bereich ein bisschen einfacher wird? – Es ginge zum Beispiel darum, den Regelbedarfssatz nicht zu unterschreiten, sondern wirklich dieses Geld zumindest weiter auszuzahlen. Auch Sonderbedarfsansprüche – das sind in den allermeisten Fäl­len zusätzliche Aufwände entweder für krankheitsbezogene Ausgaben oder für Ausbil­dungen – sollen darin angerechnet werden können. Der Unterhaltsvorschuss muss auch für über 18-Jährige gerade dann gewährleistet werden, wenn diese in Ausbildung sind. Es wäre zum Beispiel logisch, das mit dem Bezug der Familienbeihilfe zu koppeln. Unterhaltsgarantie wäre ein ganz wichtiger Anspruch, den es einzulösen gilt, und die Auszahlung des Vorschusses, wenn zum Beispiel der Schuldner im Ausland in Haft ist oder eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, wäre auch dann zu zahlen, wenn das Regres­sieren – natürlich – schwieriger ist, denn es ist ja nicht die Schuld der Mutter oder des Kindes, dass es schwieriger zu regressieren ist.

Es muss gleiche Standards bei den beschlussfassenden Gerichten geben. Ich denke, dass ein Auszug einerseits vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger und ande­rerseits vom Melderegister der Standard sein soll, aber es soll überall der gleiche Stan­dard sein. Es muss eine Anpassung der Richtsätze des Vorschusses geben, und dazu bedarf es einer aktuellen und neuen Kinderkostenanalyse. Die Zahlen, auf denen wir aufbauen, stimmen einfach schon lange nicht mehr. Die Kosten für Kinder sind wesent­lich höher als das, was berechnet wird. Es gibt auch noch einige andere Dinge.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 143

Ich erinnere Sie: Vielleicht haben Sie dieses Bild noch im Kopf, als bei einer Fernseh­debatte im Nationalratswahlkampf 2017 alle Spitzenkandidaten aller antretenden Par­teien ein Ja-Schild in die Höhe gehalten haben und es hieß: Ja, in der Tat, der Unter­haltsvorschuss muss verbessert werden, es muss einen leichteren, besseren Zugang geben. – Seitdem ist nichts passiert! Seitdem werden die Mütter, die alleinerziehenden Eltern weiterhin im Regen stehen gelassen. Ich denke, es ist wirklich höchst an der Zeit, einen sinnvollen Regenschirm aufzuspannen und dadurch vor allem Kinderarmut zu ver­meiden. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Mag. Karoline Edtstadler gemeldet. – Bitte, Frau Bundesminister.


13.18.28

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Es zeigt sich gerade in einer Krise, wie der Zusammenhalt in einer Gesellschaft ist. Dass wir heute, vor allem was die gesundheitsmäßigen Aus­wirkungen dieser Krise betrifft, so gut dastehen, ist dem Umstand geschuldet, dass die Gesellschaft zusammengehalten hat, dass die parlamentarischen Parteien, die hier ver­treten sind, über alle Parteigrenzen hinweg einen Schulterschluss geschlossen haben und gerade am Anfang auch einstimmig Gesetze beschlossen haben und dass natürlich auch die Regierung zusammengehalten hat und auch weiter zusammenhält.

Was heute mit den Berichten des Justizausschusses hier am Programm steht, ist eine kleine, aber sehr wesentliche Änderung für das Verwaltungsverfahren. Da geht es näm­lich darum – Herr Abgeordnete Stefan hat das ja sehr umfangreich dargelegt –, dass im Rahmen der jeweils geltenden Verordnung auch die entsprechenden Sitzungsanordnun­gen im Bereich der Verwaltung getroffen werden können. Wir sind da ständigen Ände­rungen unterworfen. Gott sei Dank geht es in Richtung neue Normalität, Gott sei Dank können auch im Verwaltungsbereich im Ermessen der Behörde wieder Verhandlungen stattfinden. Das ist jetzt der Weg, den wir beschreiten, damit wir nicht ständig das Gesetz ändern müssen.

Eines aber möchte ich schon auch ganz klar sagen: Dieses Gesetz tritt mit 31.12. dieses Jahres ohnehin außer Kraft, und wir hoffen, dass wir dann auch diese Krise überwunden haben.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass es der Justizministerin, aber auch mir als Verfassungsministerin immer darum gegangen ist, die Funktionsfähigkeit des Staates aufrechtzuerhalten, dass staatliche Verwaltung auch im Verwaltungsbereich im­mer gelebt werden konnte, dass niemand Nachteile hat, weil er direkt oder indirekt von dieser Krise betroffen war, entweder weil er selbst krank war oder weil der Parteienver­kehr zurückgefahren wurde. Deshalb haben wir am Anfang Fristunterbrechungen be­schlossen, deshalb haben wir auch Fristhemmungen für die behördlichen Entscheidun­gen beschlossen – aber jetzt soll es in Richtung neue Normalität gehen, jetzt wollen wir uns an den Verordnungen orientieren, die jeweils aktuell auch vom Gesundheitsminister erlassen werden.

Ich möchte an dieser Stelle ganz explizit Danke sagen: an die Justizministerin, an die Vorsitzende des Justizausschusses, aber auch an Abgeordneten Margreiter, der genau diese Änderung angeregt hat. Auch das möchte ich zum Ausdruck bringen: Es war ein Vorschlag von einer Nichtregierungspartei – wir haben das aufgegriffen. Das zeigt den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen Danke dafür sagen und Sie auch um breite Zustim­mung zu dieser Änderung bitten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.21



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 144

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.21.23

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Es geht ja hier um eine Verlängerung der Coronaregelungen, der Coronagesetze. Ein Punkt davon betrifft den Unterhaltsvorschuss. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Unterhaltsvorschuss, wenn ein Vater für sein eigenes Kind oder für seine eigenen Kinder nicht zahlt, in der Coronazeit auch ohne entsprechenden Exekutionsantrag vor Gericht zu gewährleisten ist. Das macht Sinn, es ist eine verfahrenstechnische Verein­fachung.

Die SPÖ stimmt dieser Regelung zu, weil sie sinnvoll und sachlich ist. Allerdings schaut die SPÖ natürlich der türkis-grünen Regierung, der türkis-grünen Mehrheit hier im Par­lament ganz klar auf die Finger. Was wir nicht machen: Die SPÖ betreibt keine Funda­mentalopposition. Wenn es gemeinsame gute Lösungen gibt, dann ist es für uns selbst­verständlich, diesen zuzustimmen. Wenn aber die Regierung hier schlechte Vorschläge macht, bei denen die Österreicher und Österreicherinnen draufzahlen – wie zum Beispiel die Aushebelung des bewährten österreichischen Epidemiegesetzes –, dann stimmt die SPÖ selbstverständlich nicht zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir stimmen deshalb nicht zu, weil die groß angekündigten Gelder, die Hilfestellungen für Hunderttausende, in Wirklichkeit schon Millionen Österreicher und Österreicherinnen ja nicht ankommen. Genauso ist die Einmalzahlung beim Arbeitslosengeld, die vielleicht im September kommt oder auch nicht, nicht die Lösung der Existenzprobleme. Das ist keine Lösung für jene Menschen, die jetzt in einer schwierigen Situation sind und die Hilfe des Staates, der Republik sofort bräuchten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte die Anwesenheit der Justizministerin allerdings auch nützen, um auf Fol­gendes zu sprechen zu kommen: Justizministerin Alma Zadić hat eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Maßnahmen gegen die hohen Rückfallquoten – Quoten des Rückfalls von Häftlingen in die Kriminalität – angekündigt. Ich kann das nur begrüßen. Ich glaube, es ist ein guter Vorstoß. Entscheidend wird allerdings sein, was man hier auch an Mitteln einsetzt und möglich macht. Ein Lippenbekenntnis hilft in dieser Situation nicht.

Frau Bundesministerin, Sie haben auch gesagt – ich darf Sie zitieren –: „Zum anderen wird es natürlich auch einen weiteren Ausbau von Justizanstalten geben, dass auch ge­nügend Platz und Raum ist für beispielweise Beschäftigungsmodelle in den Justizan­stalten.“

Ich kann das nur begrüßen. Es sollte allerdings nicht nur bei Beschäftigungsmodellen bleiben, es geht auch um Ausbildungsmodelle. Zum Beispiel die Justizanstalt Simmering hat auch Ausbildung für Insassen, für Häftlinge, und in diesem Bereich ist in den letzten Jahren zurückgefahren worden. Das habe ich sehr bedauert. Es gibt ja Häftlinge, bei denen es nicht nur um Beschäftigung, sondern auch um die Ausbildung geht. Daher ist für mich eine gescheite Berufsausbildung, die auch abgeschlossen werden kann, ein guter Ansatz, und ich würde mir wünschen, dass auch dieser Aspekt in die erwähnte Arbeitsgruppe und dann vor allem in eine hoffentlich rasche Umsetzung einfließt. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.25.03

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal einen aus meiner Sicht sehr, sehr


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wichtigen Aspekt herausgreifen, und zwar jenen der Fristverlängerung beim Unterhalts­vorschuss. Es wurde schon erklärt, dass dieser jetzt in Anspruch genommen werden kann, ohne dass man bei Gericht den Antrag stellen muss. Ich denke, das ist insofern so wichtig, als so viele Menschen in Österreich davon betroffen sind. Die letzten Zahlen besagen, dass es fast 300 000 Alleinerziehende in Österreich gibt, und 90 Prozent von denen, die es betrifft, sind Frauen.

Diesen Unterhaltsanspruch hat das Kind gegenüber jenem Elternteil, der nicht im ge­meinsamen Haushalt wohnt, und dieser Anspruch kann auch gerichtlich geltend ge­macht werden. Das heißt, es ist ein wichtiges familienpolitisches Thema, aber auch ein frauenpolitisches Thema, denn die Belastungen, denen die alleinerziehenden Frauen ausgesetzt sind, sind enorm. Es kommen dann noch enorme Einschränkungen in der Fortbildung und im beruflichen Bereich dazu. Das wirkt sich natürlich dann auch später aus, und eine Spätfolge ist die Altersarmut.

Diese Maßnahmen sind aus bürokratischer Sicht sehr gut für die Alleinerziehenden und für die Gerichte, die dadurch entlastet werden und die jetzt in der Coronazeit ohnehin aufgrund verschiedener Maßnahmen sehr beansprucht sind, aber politisch, für das Wohl der Frauen und Kinder, enthalten sie an sich nichts Neues. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre toll, wenn wir da einen weiteren Schritt setzen könnten. In Österreich sind näm­lich über 370 000 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet – das ist jedes fünfte Kind. Das ist für eines der reichsten Länder eine wirkliche Schande, denn diesen Kindern nimmt man sehr viel an Zukunftschancen. Es bedeutet, dass wir als Gesellschaft Ent­wicklungsmöglichkeiten ungenutzt lassen, weil eben die Kinder nicht alle Chancen aus­nützen können.

Den Unterhaltsvorschuss gibt es grundsätzlich schon sehr lange – seit 1986 –, und jetzt, im Jahr 2020, wäre es aus meiner Sicht an der Zeit, mehr für die Chancengerechtigkeit für Kinder zu tun. Ein Teil der dafür nötigen Maßnahmen wäre die Unterhaltsgarantie, die einen wichtigen Schritt zur Armutsvermeidung darstellen würde. Das wäre ein Bei­trag, der zur Ergänzung von Unterhaltsleistungen, von Familienbeihilfen auszuzahlen wäre, und zwar beschränkt auf fünf Jahre. Das wäre aus meiner Sicht ein Signal, das die Politik in Coronazeiten aussenden sollte. Ich hoffe, dass die Regierung auch Schritte in diese Richtung macht. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.28.24

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau­en Bundesministerinnen! Herr Gesundheitsminister! Ich bin einigermaßen froh, dass ausgerechnet Sie drei jetzt alle hier sind, denn um Sie drei geht es auch in der Debatte, die wir jetzt führen. Der Einzige, der fehlt, für den es auch noch positiv wäre, wenn er hier wäre und ein bisschen zuhören würde, ist der Herr Bundeskanzler.

Was auch irritierend ist, ist, dass wir von den NEOS, Kollege Margreiter und ich, einen Antrag gestellt haben, eine Generalamnestie für alle Coronastrafen herbeizuführen – und Sie wissen ja, der Herr Präsident sagt dann immer, der Antrag steht mit in Ver­handlung –, und genau niemand von den Grünen, niemand von der ÖVP, niemand von der Regierungsbank auch nur ein Wort dazu gesagt hat, was sie denn von einer Gene­ralamnestie halten. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Leichtfried und Vogl.)

Das ist dermaßen unfassbar! Nicht nur, dass Sie diese Debatte hier im Parlament offen­sichtlich nicht sonderlich ernst nehmen, sondern Sie haben auch keine Meinung dazu.


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Ich darf aber jetzt vielleicht zurückblicken und schildern, wie das in den letzten Wochen so war. Sie erinnern sich alle – ich habe ein paar Zitate mitgebracht –, was die Bundesre­gierung uns denn so erzählt hat. Am 14. März hat uns der Bundeskanzler wörtlich ge­sagt: „Es gibt nur drei Gründe, hinauszugehen. Erstens die Arbeit oder der unaufschieb­bare Dienst. Zweitens notwendige Besorgungen. Drittens, andere Menschen zu unter­stützen, die sich nicht selbst helfen können. Darüber hinaus gibt es keinen Grund, das Haus zu verlassen.“

Am 14. April waren es dann bei Herrn Innenminister Nehammer vier Gründe; also offen­sichtlich einer mehr. Es gibt nur vier Gründe, „warum die Wohnung verlassen werden darf. Das sei arbeiten gehen, einkaufen, sich um andere Menschen zu kümmern sowie Sport zu machen oder spazieren zu gehen, ,bevor einem die Decke auf den Kopf fällt‘“.

Auch auf Ihrer Homepage, Frau Justizminister, ist eine Zeit lang gestanden: Die Bundes­regierung hat per Gesetz vorgegeben, dass die Wohnung nur mehr verlassen werden darf, wenn es für die Arbeit notwendig ist, um sich mit Lebensmitteln oder Medikamenten zu versorgen oder um andere Menschen zu unterstützen sowie um spazieren zu gehen. Der Besuch von Verhandlungen fällt nicht unter diese Ausnahme.

Und wissen Sie was? – Nichts, rein gar nichts von dem, was die Bundesregierung uns da wochenlang erzählt hat, hat gestimmt. Das war alles schlichtweg falsch! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Das hat man, wenn man sich die Verordnungen genau angesehen hat, im Vorhinein schon gewusst; mittlerweile haben wir es schwarz auf weiß, dass die Aussagen der Re­gierungsmitglieder nichts mit der geltenden Rechtslage zu tun hatten.

So hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich festgestellt, dass man aus jedem nur erdenklichen Grund auf die Straße gehen durfte und der Innenminister und der Bun­deskanzler schlichtweg die Unwahrheit gesagt haben. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat festgestellt: „Die Verordnung sieht keine Beschränkung des Zwe­ckes für ein Betreten des öffentlichen Ortes nach der Ausnahmebestimmung des § 2 Z 5 vor, auch wenn medial immer nur das ,Luftschnappen‘ oder ,Sport‘ als zulässig darge­stellt wurden.“

Es war übrigens auch nie verboten, dass man jemanden zu Hause besucht. Auch dazu wörtlich aus dem Erkenntnis: „Der Aufenthalt in privaten Räumen unterlag zu keinem Zeitpunkt einem Verbot durch die gegenständliche Verordnung.“

Insgesamt – Kollege Margreiter hat es schon angesprochen – sind in den letzten Mona­ten 34 000 Anzeigen erstattet worden; daraus resultierten ungefähr 10 000 Verwaltungs­strafen. Und diese Zahlen, sage ich Ihnen, sind noch nicht einmal vollständig, weil, wie die Beantwortung unserer Anfrage ergeben hat, das Land Steiermark sich nicht bemü­ßigt gefühlt hat, alles einzumelden. Insgesamt – und auch diese Zahl ist nicht vollständig, weil dazu auch das Land Wien nichts eingemeldet hat – sind das Strafen in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Das heißt, mehr als 10 000 Bürgerinnen und Bürger in Österreich müssen mehr als 1,5 Millionen Euro Strafe zahlen, weil die Bundesregierung mit geziel­ten oder unabsichtlichen – ich tippe eher: mit gezielten – Falschinformationen die Men­schen draußen durcheinandergebracht hat und so lange verwirrt hat, bis niemand mehr gewusst hat, was rechtskonform ist. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, dass es nicht nur ein Gerichtsurteil gibt, sondern auch ein zweites Erkenntnis, nämlich vom Verwaltungsgericht Wien, das wörtlich sagt: „Angesichts des dargestellten unzweifelhaften Auslegungsergebnisses ist dem Um­stand, dass der zuständige Verordnungsgeber“ – das waren Sie, Herr Gesundheitsmi­nister – „allenfalls in Presseerklärungen oder dergleichen eine davon abweichende Auf­fassung vertreten hat, keine rechtserhebliche Bedeutung beizumessen.“ – Also auch das


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Verwaltungsgericht Wien sagt uns, dass der Herr Gesundheitsminister die Unwahrheit gesagt hat.

Jetzt komme ich zur nächsten Absurdität: Jetzt haben wir zwei Urteile aus zwei unter­schiedlichen Bundesländern, die genau das Gleiche sagen, nämlich dass es immer er­laubt war, jemanden zu Hause zu besuchen, und dass man immer aus jedem Grund auf die Straße gehen konnte. Das Problem ist nicht nur, dass Hunderttausende Österreiche­rinnen und Österreicher monatelang nicht gewusst haben, was eigentlich in Ordnung ist, weil Sie mit Ihrer gezielten Falschinformation die Leute verwirrt haben, sondern das Ganze führt jetzt dazu, dass das Land Niederösterreich die Strafen nicht einhebt und das Land Wien das weiterhin tut.

Das heißt, abgesehen davon, dass Sie die Menschen monatelang verwirrt haben, setzt diese Ihre Vorgehensweise jetzt dem Ganzen die ultimative Krone auf, indem es einen Unterschied macht, ob man in Purkersdorf oder in Penzing lebt, ob man für eine „Straf­tat“ – unter Anführungszeichen –, nämlich für eine Tat, die nie strafbar war, eine Strafe zahlen muss oder nicht. Es macht einen Unterschied, ob man in Purkersdorf oder in Penzing lebt, ob man sie wirklich zahlen muss, und Sie schauen da tatenlos zu und tun genau gar nichts dagegen! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das kann – und deswegen finde ich es so gut, dass Sie beide da sind – doch nicht Ihr Ernst sein! Es ist eines Rechtsstaates unwürdig, dass es davon abhängt, an welchem Wohnsitz man gemeldet ist, ob man für eine Tat, die nie strafbar war, eine Strafe zahlen muss. Es ist schon einmal unwürdig, dass man für eine Tat, die nie strafbar war, eine Strafe zahlen muss, und es ist noch unwürdiger, dass es darum geht, ob man in Mistel­bach oder in Baden oder in Wien Währing zu Hause ist. Das ist nichts anderes als reine Willkür, was hier passiert.

Das Ganze geht noch schlimmer. Der Herr Bundeskanzler, in der „ZIB 2“ darauf ange­sprochen, ob er sich jetzt nicht vielleicht einmal dafür entschuldigen sollte, dass Sie so unterschiedliche Dinge gesagt haben, sagt – ich zitiere wörtlich –: „[...] was natürlich die Aufgabe der Politik ist, gerade in einer Krisensituation, ist doch möglichst einfach zu kommunizieren. Und wir haben natürlich die Aufgabe, relativ komplexe Verordnungen oder rechtliche Regelungen auch so zu übersetzen, dass man sie verstehen kann.“

Wissen Sie was? – Die Verordnung war immer ganz einfach zu verstehen. Das Problem war, dass Sie mit Ihrer gezielten Falschinformation die Menschen ganz bewusst hinters Licht geführt haben und diese Menschen jetzt deswegen Strafe zahlen müssen und es auch noch davon abhängt, ob sie in Niederösterreich oder in Wien leben, ob sie diese Strafe auch wirklich zahlen müssen.

Auf die Frage, ob er denn eine Meinung habe, was er denn dazu sage, dass Niederöster­reich die Strafen nicht einhebt, hat der Herr Bundeskanzler gesagt, er habe dazu keine Meinung: „Das kann ich so jetzt nicht beurteilen.“ (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Er hat keine Meinung dazu, dass Tausende Menschen in Österreich unrechtmäßig bestraft wurden, jetzt Strafe zahlen müssen. Dazu hat unser Bundeskanzler keine Meinung. – Ich sage Ihnen etwas: So einen Bundeskanzler wünscht man sich wirklich nicht! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Ich erwarte mir von einer Bundesregierung, die die Menschen wochen-, monatelang falsch informiert hat, dass sie erstens endlich einmal die Konsequenz aus ihrem Fehl­verhalten zieht und die Verantwortung dafür übernimmt, und ich erwarte mir von zwei Parlamentsklubs, nämlich von den Grünen und der ÖVP, dass sie unserem Antrag auf Generalamnestie zustimmen. Ich erwarte mir von der Bundesregierung nicht nur, dass sie das dann auch durchführt, sondern ich erwarte mir vor allem eines – und das er­warten sich viele Österreicherinnen und Österreicher –: dass Sie sich endlich hinstellen, Ihr Fehlverhalten einsehen und sich verdammt noch einmal endlich dafür entschuldigen,


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dass Sie die Menschen wochenlang bewusst hinters Licht geführt haben. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

13.36


13.36.23

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Berichte des Justizausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine kurze Sit­zungsunterbrechung gewünscht ist? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, die Rechtsanwaltsordnung sowie weitere Gesetze geändert werden, in 206 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Stefan, Mag.a Yildirim, Dr. Margreiter, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht. Ich wer­de daher über den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag und schließ­lich über den Gesetzentwurf abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Stefan, Mag.a Yildirim, Dr. Margreiter, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betreffend Einfügung eines § 2 Abs. 1 in Artikel 3 sowie die sich daraus ergebende Änderung der nachfolgenden Ziffernbezeichnungen eingebracht.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Nun ersuche ich jene Damen und Herren, die für den gegenständlichen Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig ange­nommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsrechtliche COVID-19-Begleitgesetz geän­dert wird, samt Titel und Eingang in 207 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist mehr­heitlich, der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ni­kolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Generalamnestie bei Corona-Strafen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.


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13.38.569. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz
(III-84/66 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 280/A(E) der Abgeord­neten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern zugunsten von Tier, KonsumentIn und Österreichs Bauern­höfen (67 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zu den Punkten 9 und 10 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön, Herr Abgeord­neter.


13.39.34

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Da­men und Herren! Wir behandeln hier in diesem Haus den Tierschutzbericht über die Jahre 2017 bis 2019. Das heißt, die damals zuständige Ministerin ist nicht mehr da, jetzt ist Minister Anschober zuständig, und daher kann man zu diesem Tierschutzbericht nur sagen, das war eine Fortschreibung der Aktivitäten im Bereich Tierschutz, die wir bis 2017 noch durchgeführt haben; Neues ist nicht dazugekommen.

In diesem Tierschutzbericht sind aber natürlich auch die Tiertransporte enthalten, und betreffend Tiertransporte hatten wir dieses Jahr – Ende Februar, Anfang März – eine Schockmeldung in Österreich: Der VGT hat Transporte von Kälbern aus Österreich bis zu ihrer Mästung in Spanien und dann zu ihrem Tod, der im Libanon eingetreten ist, verfolgt und hat dargestellt, was mit diesen Tieren bei diesem Transport passiert.

Bundesminister Anschober hat darauf reagiert, er hat einen Runden Tisch einberufen, der auch stattgefunden hat. Es war eine Fortsetzung geplant, diese konnte jedoch auf­grund der Coronakrise nicht stattfinden – das verzeihe ich ihm sogar –, und der nächste Runde Tisch ist für 6. Juli einberufen worden.

Meine Damen und Herren, es hat zu diesem Thema Bilder gegeben, die sehr, sehr er­schreckend waren. Ich habe hier eines dieser Bilder (ein Bild zeigend) – man sieht es nicht so genau, der Drucker konnte es leider nicht scharf ausdrucken –, darauf ist ein abgeschnittenes Ohr eines Kalbes mit einer Nummer zu sehen, und zwar mit der Num­mer 2234.

AT2234 – die Kälber, es sind nur männliche Kälber, bekommen keinen Namen, im Ge­gensatz zu den weiblichen – ist geboren am 7.11.2018 in Fieberbrunn. Das Tier ist mit vier Wochen exportiert worden, ist in Spanien gemästet worden und ist am 13.8.2019 im Alter von zehn Monaten im Libanon getötet worden. Meine Damen und Herren, es wurde so getötet. (Der Redner stellt eine Tafel mit dem Bild eines toten, auf dem Boden liegen­den Kalbes mit der Aufschrift „seine letzten Momente“ auf das Rednerpult.) Das sind die letzten Momente dieses Kalbes mit der Nummer 2234. So schaut der Umgang mit Käl­bern aus, wenn wir sie von Österreich aus auf den Transport schicken. Das sind die Bil­der, die wir Ende Februar, Anfang März in Österreich erhalten haben.

Das hat natürlich große Aufregung in der österreichischen Bevölkerung verursacht. Es haben sich auch viele Politikerinnen und Politiker zu Wort gemeldet, unter anderen Land­wirtschaftsministerin Köstinger. Und was hat Landwirtschaftsministerin Köstinger gesagt? –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 150

Am 9. März 2020 hat sie in „Vorarlberg heute“ – man kann sich das heute noch anhö­ren – gesagt, sie sehe in Bezug auf die grausamen Kälbertransporte aus Österreich kei­nen Handlungsbedarf.

Das heißt, Frau Landwirtschaftsminister Köstinger sieht keinen Handlungsbedarf, ob­wohl das (auf die Tafel zeigend) mit diesen Kälbern passiert! Für sie ist das alles in Ordnung, ist in Ordnung, dass das mit diesen Kälbern so weitergeht.

Die Frau Minister hat im selben Interview dann auch noch ein Lob ausgesprochen. Die Ministerin lobt – ich zitiere – „den Export von Zuchtrindern und verschiebt die Verantwor­tung über die Transporte in Drittstaaten in Richtung EU.“

Das heißt, für den Tiertransport – und so klug ist die Frau Minister – ist ja Herr Bundesmi­nister Anschober zuständig, und sie sieht keinen Handlungsbedarf, dass sich in ihrem Landwirtschaftsbereich irgendetwas ändert an diesem System, das krankt. Ich werde dann noch etwas aus dem Traces-Bericht vorlesen. Sie schiebt die Verantwortung zum Gesundheitsminister und sagt, dass man dort etwas ändern muss.

Ich denke, die ÖVP wird ihrer Landwirtschaftsministerin folgen und sagen: Na ja, wenn unsere Frau Ministerin will, dass sich auf EU-Ebene etwas ändert, dann werden wir das durchführen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stopp den Tier­qualen durch Tiertransporte – Initiative auf europäischer Ebene dringend notwendig“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, sich umgehend auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Nutztiere, die zur Schlachtung, Mästung oder Zucht vorgesehen sind, nur maximal über eine EU-Mitgliedsstaatsgrenze transportiert werden dürfen und deren Verkauf oder Transport in Drittstaaten, in denen nicht das europäische Tierschutzniveau existiert, verboten ist.“

*****

Das ist der erste Antrag. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen – Georg Strasser, das richte ich auch an dich –, stimmt diesem Antrag zu! Eure Ministerin will, dass sich auf europäischer Ebene etwas tut. Ich glaube, keiner von uns will, dass aufgrund dieser Transporte das (auf die Tafel zeigend) mit unseren Kälbern passiert. Ich nehme an, dass ihr daher heute bei diesem Antrag mitgehen werdet.

Ich bringe einen weiteren Antrag ein, denn auch nationale Schritte sind in Österreich dringend notwendig:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stopp den Tier­qualen durch Tiertransporte – nationale Schritte umgehend umsetzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend dem Nationalrat eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 151

vorzulegen, dass Tiertransporte, die mit dem Ziel der Schlachtung, Mästung oder der Züchtung durchgeführt werden, zum nächstgelegenen Schlachthof oder nur über eine einzige EU-Mitgliedsstaatsgrenze und nicht in Drittstaaten verbracht werden dürfen.“

*****

Ich denke, auch das ist ein richtiger und wichtiger Punkt, damit diese Kälbertransporte und diese Art von Tod dieser Tiere nicht mehr passieren können.

Meine Damen und Herren! Der Traces-Bericht, der vom Ministerium erst vor Kurzem vorgestellt wurde und der für das Jahr 2019 ist, spiegelt Zahlen wider, die fürchterlich sind. Er zeigt Folgendes auf: Wir exportieren 89 468 Rinder, 39 419 Schweine und 19 512 176 Hühner. Gleichzeitig importieren wir aber 104 844 Rinder, 527 258 Schwei­ne und 19 863 889 Hühner. Das heißt, wir importieren ein Vielfaches dessen, was wir exportieren. Das zeigt ganz klar und deutlich, dass das System, das wir da in Österreich haben, an allen Ecken krankt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir nehmen das Leid dieser Tiere in Kauf, wir schicken sie weg, aber gleichzeitig bewilli­gen wir Transporte nach Österreich, auf denen dasselbe Leid passiert. Kollege Eßl wird jetzt wahrscheinlich wieder mit dem rosa und dem weißen Kalbfleisch kommen, das man da dringend braucht. – Nein, Kollege Eßl, das ist es nicht.

Das ganze System ist krank: Wir schicken Tiere auf leidvolle Tiertransporte, weil wir etwas für die Zucht machen wollen – eine Zucht, die es nicht gibt, denn diese Tiere wer­den nicht für die Zucht verwendet. Diese Tiere werden gemästet und geschlachtet.

Und zum System – ich zitiere –: „Der Rinderzuchtverband Vöcklabruck schreibt in einer aktuellen Aussendung an seine Mitglieder: ,Aktuell sind größere Ankäufe für Länder wie Algerien, Aserbaidschan, Usbekistan und Iran geplant.‘“

Meine Damen und Herren! Da geht es nicht mehr um das Wohl der Tiere, da geht es nur mehr um das Geschäft.

Stimmen Sie diesen Anträgen, die ich heute gestellt habe, zu! Da geht es wirklich um das Wohl der Tiere. Und man kann, wenn man das System ändert, auch die Landwirt­schaft gut, ja, sehr gut leben lassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss bringe ich noch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „eine Kastrations­pflicht für alle Katzen, die mit freiem Zugang zur Natur gehalten werden (‚Freigänger­katzen‘)“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat umgehend eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, die eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit Zugang zur Natur gehalten werden, also für sogenannte ‚Freigängerkatzen‘, beinhaltet.“

*****

Der Grund dafür, dass dieser Antrag eingebracht wird, ist klar: 2017 haben wir ein Projekt gestartet, das aber leider nicht gegriffen hat, daher ist es jetzt notwendig, dass wirklich eine Gesetzeslage geschaffen wird, dass alle Freigängerkatzen kastriert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.47


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 152

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte – Initiative auf europäischer Ebene dringend notwendig

eingebracht zu TOP 9 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (III-84 d.B.)

Vor Beginn der Corona-Krise waren die Berichte zu unsagbar qualvollen Tiertransporten und Schlachtungen in Drittstaaten ein zentrales Thema der Debatte rund um den öster­reichischen und europäischen Tierschutz im Nutztierbereich.

Es ist höchst an der Zeit, diesem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Wie die Salzburger Nachrichten vor Kurzem berichteten, fahren Tiertransporte mit zwei Wochen alten Kälbern unverändert ins EU-Ausland. Kälber, die zum Teil erst zwei Wo­chen davor auf einem Salzburger Bauernhof auf die Welt kommen, treten von Bergheim aus die Reise in ein EU-Land an. Im Vorjahr betraf dies 35.000 Kälber österreich­weit,16.000 dieser Kälber stammten aus Salzburg, wie die Zeitung berichtete. Unge­achtet der Covid-Krise starteten jeden Montagabend mehrere Tiertransporter in Rich­tung Spanien, Polen und Norditalien. Beladen waren die Transporter jeweils dreistöckig mit bis zu 210 Kälbern.

Der vorliegende Tierschutzbericht enthält unter anderem die Datenlage zu den jährlich durchgeführten Tiertransportkontrollen. Deshalb ist nun auch klar, dass die Anzahl der Kontrollen auf der Straße weniger wurde, obwohl die Beanstandungen bei Kontrollen auf der Straße jeweils in Relation zur Anzahl an Kontrollen am höchsten sind, nämlich regel­mäßig bei ca. 20% in den letzten Jahren liegen.

Es braucht mehr Tierschutz und Tierwohl im Nutztierbereich, insbesonders auch im Um­gang mit Tieren, die teilweise über weite Strecken transportiert werden.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, sich umgehend auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Nutztiere, die zur Schlachtung, Mästung oder Zucht vorgesehen sind, nur maximal über eine EU-Mitgliedsstaatsgrenze transportiert werden dürfen und deren Verkauf oder Transport in Drittstaaten, in denen nicht das europäische Tierschutzniveau existiert, verboten ist.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte – nationale Schritte umgehend umsetzen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 153

eingebracht zu TOP 9 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (III-84 d.B.)

Vor Beginn der Corona-Krise waren die Berichte zu unsagbar qualvollen Tiertransporten und Schlachtungen in Drittstaaten ein zentrales Thema der Debatte rund um den ös­terreichischen und europäischen Tierschutz im Nutztierbereich.

Es ist höchst an der Zeit, diesem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Wie die Salzburger Nachrichten vor Kurzem berichteten, fahren Tiertransporte mit zwei Wochen alten Kälbern unverändert ins EU-Ausland. Kälber, die zum Teil erst zwei Wo­chen davor auf einem Salzburger Bauernhof auf die Welt kommen, treten von Bergheim aus die Reise in ein EU-Land an. Im Vorjahr betraf dies 35.000 Kälber österreich­weit,16.000 dieser Kälber stammten aus Salzburg, wie die Zeitung berichtete. Ungeach­tet der Covid-Krise starteten jeden Montagabend mehrere Tiertransporter in Richtung Spanien, Polen und Norditalien. Beladen waren die Transporter jeweils dreistöckig mit bis zu 210 Kälbern.

Der vorliegende Tierschutzbericht enthält unter anderem die Datenlage zu den jährlich durchgeführten Tiertransportkontrollen. Deshalb ist nun auch klar, dass die Anzahl der Kontrollen auf der Straße weniger wurde, obwohl die Beanstandungen bei Kontrollen auf der Straße jeweils in Relation zur Anzahl an Kontrollen am höchsten sind, nämlich regel­mäßig bei ca. 20% in den letzten Jahren liegen.

Es braucht mehr Tierschutz und Tierwohl im Nutztierbereich, insbesonders auch im Um­gang mit Tieren, die teilweise über weite Strecken transportiert werden. Eine System­änderung ist hier dringend notwendig und kann offensichtlich nur über gesetzliche Vor­gaben erreicht werden.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend dem Nationalrat eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, dass Tiertransporte, die mit dem Ziel der Schlachtung, Mästung oder der Züchtung durchgeführt werden, zum nächstgelegenen Schlachthof oder nur über eine einzige EU-Mitgliedsstaatsgrenze und nicht in Drittstaaten verbracht werden dürfen.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit freiem Zugang zur Natur gehal­ten werden („Freigängerkatzen“)

eingebracht zu TOP 9 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (III-84 d.B.)

Die besonders rasante unkontrollierte Vermehrung von Katzen, die so gehalten werden, dass sie einen Zugang zur Natur haben, bringt enormes Tierleid, weil viele Katzen dann sogenannte „Wildkatzen“ werden, die sich „durchschlagen“ müssen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 154

Dies befördert Krankheiten, was wiederum Tierleid bedeutet. Gleichzeitig bricht die Po­pulation der Singvögel ein, die eine Hauptnahrungsquelle dieser Wildkatzen darstellen. Ein einziges Paar kann schon nach vier Jahren mehr als 2000 Nachkommen haben. Katzen, die mit Zugang zur freien Natur gehalten werden, sollen sich daher nicht mehr unkontrolliert vermehren können und eine Kastrationspflicht eingeführt werden.

Trotz Beschlusses einer gleichlautenden Entschließung des Nationalrates am 25. Sep­tember 2019 wurden durch das für Tierschutz zuständige Bundesministerium bisher kei­ne Schritte zur Umsetzung dieser Aufforderung gesetzt.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat umgehend eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, die eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit Zugang zur Natur gehalten werden, also für sogenannte „Freigängerkatzen“, beinhaltet.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die drei Entschließungsanträge sind ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Faika El-Nagashi. – Bitte schön, Frau Ab­geordnete.


13.47.46

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Geschätztes Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Der Tier­schutz, das Tierwohl und die Tierrechte brauchen Transparenz und Kontrolle – und das muss sich auf alle Bereiche der Tierhaltung beziehen und auf jeden Moment, beim Kauf und beim Verkauf, bei der Haltung, beim Transport, bei der Schlachtung von sogenann­ten Nutztieren bis hin zur Verarbeitung und dem Vertrieb. Was auf unseren Tellern lan­det, was wir essen, wovon wir uns ernähren, ist vor allem dann, wenn es tierische Pro­dukte sind, in höchstem Maße politisch, und wir müssen die Möglichkeit haben, Ent­scheidungen auf Basis von Informationen zu treffen. Wir müssen uns aber auch darauf verlassen können, dass die Politik alles tut, um Tierleid zu unterbinden. (Beifall bei den Grünen.)

Österreich ist keine Insel der Seligen. Das Töten von männlichen Küken – neun Millionen Tiere pro Jahr – ist, Sie haben vollkommen recht, schändlich, ist unwürdig und steht im Regierungsübereinkommen nicht dort, wo wir es haben möchten. Ich kann aber verspre­chen, wir werden an diesem Thema dranbleiben, wir werden in Gesprächen bleiben und unsere Forderungen voranbringen.

Das Töten von männlichen Küken, die betäubungslose Ferkelkastration, die Schweine­haltung auf Vollspaltenboden, all das ist business as usual in der konventionellen ös­terreichischen Nutztierhaltung. (Ruf bei der FPÖ: Mit der ÖVP!) Wie viel davon wissen die Konsumentinnen und Konsumenten? (Zwischenruf des Abg. Eßl.)

Ein Vollspaltenboden ist ein Boden aus steinhartem Beton, von schmalen Spalten durch­zogen, und durch diese Spalten fallen Kot und Urin in eine Güllegrube. Die Tiere leben über ihren eigenen Exkrementen. Ihre Gesundheit leidet, fast alle haben Gelenksentzün­dungen, ihre Augen sind durch den Ammoniakgestank gerötet, ihre Lungen sind entzün­det, sie beißen sich gegenseitig die Schwänze ab. (Abg. Rauch: Kollege Strasser, ist


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 155

das dein Koalitionspartner?) 60 Prozent aller österreichischen Schweine, das sind 1,5 Mil­lionen Tiere, leben auf diese Weise. Wie viel wissen die Konsumentinnen und Konsu­menten davon? (Abg. Rauch: Das müssen Sie der ÖVP erklären! – Zwischenruf bei den Grünen.) – Das geht an alle: Transparenz und Kontrolle im Bereich Tierwohl, Tierleid, Tierrechte! (Abg. Rauch: Sind wir dafür!)

Erst vor einigen Tagen hat der VGT die katastrophalen Bedingungen in der Schweine­haltung eines niederösterreichischen Betriebs aufgedeckt (Abg. Rauch: Bringen Sie ei­nen Antrag ein, wir stimmen zu!): über 2 000 Tiere in zwei riesigen Hallen, verdreckt, voller Parasiten und Wunden am Körper. Dieser Betrieb produzierte für ein nachhaltiges österreichisches Unternehmen, und zwar regional, tierfreundlich.

Wir brauchen Transparenz und wir brauchen Kontrolle. Das ist unabdingbar für den Tierschutz, das Tierwohl und die Tierrechte, aber auch für uns alle als Gesellschaft, um das derzeitige ausbeuterische, quälende und krank machende System verändern zu können. Dafür braucht es die Herkunftskennzeichnung, bei der wir mit dem heutigen Antrag auf Basis des Regierungsübereinkommens einen ersten Schritt machen. (Beifall bei den Grünen.)

Es braucht auch die Kennzeichnung der Halteformen. Wir müssen auch wissen, was wir eigentlich essen, und wir müssen wissen, was die Alternative ist. Das bringt mich zum zweiten Punkt der heutigen Debatte, nämlich dem Tierschutzbericht, der die Maßnah­men im Bereich des Tierschutzes zusammenfasst. Es fehlen aber wesentliche Elemente, um mit diesem Bericht arbeiten zu können. Es fehlen Evaluierungen der Auswirkungen der Maßnahmen, der Kontrollen des Vollzugs und auch der Konsequenzen bei Nichtein­haltung sowie Beispiele aus Ländern, die bereits Alternativen im Bereich der Nutztier­haltung umgesetzt haben.

Der Bericht beinhaltet auch Statistiken und Zahlen zu Kontrollen und Gesetzesverstößen bei Tiertransporten. Darüber hinaus muss ein Tierschutzbericht – das ist auch meine Hoffnung für den nächsten Tierschutzbericht – auch Informationen darüber enthalten, was getan wurde, um diese Lebendtiertransporte zu beenden.

Seit Jahren lehnt die Bevölkerung diese qualvollen Transporte mit überwiegender Mehr­heit ab. Je mehr wir wissen, umso bewusster können wir entscheiden. Es gibt keinen Tiertransport mit Herz, es gibt keine Reise im Highwayhotel mit lachenden Schweinen, wie es Transporteure plakatieren, denn es ist ein Highway to Hell, manchmal wochen­lang, der Lebewesen zur Schlachtung führt.

Ich freue mich, dass Herr Minister Anschober nicht nur über einen Erlass in die Tier­transporte in Drittstaaten eingreift, sondern das Thema auch im Rahmen des Tiertrans­portegipfels Anfang Juli breit und grundlegend diskutieren wird, und dass auf Druck der Grünen nun endlich ein Untersuchungsausschuss betreffend Tiertransporte im Europa­parlament eingerichtet wird. Ich hoffe, dass sehr viele hier in diesem Hohen Haus auch mit uns diesen Weg weitergehen werden. Nur wenn wir wissen, was wir essen, können wir entscheiden, ob es wirklich das ist, was wir wollen.

In diesem Sinne: Unterschreiben Sie das Tierschutzvolksbegehren bis 29. Juni für die weitere Behandlung der Tierrechtsfrage hier im Parlament! Lassen Sie sich nichts vor­machen, es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren, nur von toten! (Beifall bei den Grünen.)

13.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Zanger.)


13.53.55

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 156

Der Tierschutz ist ein Thema, das nicht nur tierliebende Menschen betrifft und Besitzer eines Tieres besorgt, nein, es sollte vielmehr uns alle zum Nachdenken anregen, denn immerhin zählen tierische Produkte zur Hauptmahlzeit der Menschen.

Österreich nimmt im Tierschutz EU-weit eine Vorreiterrolle ein, wir sollten uns damit aber nicht zufriedengeben. Aus dem Tierschutzbericht 2019 geht hervor, dass es 2017 und 2018 zahlreiche Neuerungen gegeben hat. Zum Beispiel wurde ein Verbot erlassen, Hunde und Katzen in Zoofachhandlungen zu halten, und es wurde auch eine Verordnung betreffend die Sonderhaltung von Tieren in Tierheimen, Tierpensionen und Gnadenhö­fen erlassen.

All diese Maßnahmen begrüße ich. Wir gehen damit sicher einen Schritt in die richtige Richtung, dennoch haben wir einen enormen Verbesserungsbedarf im Bereich der Tier­transporte. Seit Jahrzehnten werden Tiertransporte von vielen Seiten kritisiert und be­dauert, aber passiert ist nicht wirklich viel. Tagtäglich werden Tausende Schlachttiere durch unterschiedliche Länder transportiert, nur um sie am Zielort zu schlachten. Es ist absolut erschreckend, dass es aus wirtschaftlicher Sicht günstiger ist, die Tiere lebend statt geschlachtet zu transportieren.

Das muss ein Ende haben. Genau deswegen unterstütze ich das von Landesrat Gott­fried Waldhäusl initiierte überparteiliche Volksbegehren „Stoppt Lebendtier-Transport­qual“, in dem gefordert wird, dass Tiertransporte künftig nur noch bis zum nächsten Schlachthof erlaubt sein sollen. Ich baue auch auf Ihre Unterstützung. Gemeinsam können wir diesem Unfug ein Ende und für den Tierschutz ein wichtiges Zeichen set­zen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.56.21

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Herr Kollege Keck, ich nehme das (die zuvor von Abgeordnetem Keck auf das Rednerpult gestellte Tafel mit dem Bild eines toten, auf dem Boden liegenden Kalbes mit der Aufschrift „seine letzten Momente“ in die Höhe haltend) gleich zum Anlass, um Ihnen zu sagen: Wir sind nicht für Tierleid. Wir haben den Tiertransport bei uns in Österreich ganz genau geregelt und da passiert so etwas nicht. Ich stelle jetzt die Frage an Sie: Wenn Sie Fleisch kaufen, schauen Sie immer, ob Sie österreichische Qualität kaufen und österreichisches Fleisch essen? – Dann leisten Sie nämlich den besten Beitrag. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen. – Die Rednerin legt die Tafel auf das Rednerpult.)

Wir diskutieren heute über den Tierschutzbericht 2019 mit den Daten von 2017 und 2018. Ich kann nur sagen, es gibt in Österreich seit 2005 ein einheitliches Tierschutz­gesetz, das von allen im Parlament vertretenen Parteien beschlossen und novelliert wor­den ist. Dieses Gesetz ist in Sachen Tierwohl vorbildlich, was auch der Tierschutzbe­richt 2019 bestätigt.

Als Bäuerin möchte ich auch gerne auf die Aspekte des Tierschutzes in der Landwirt­schaft eingehen. Ich kann dazu nur sagen, dass die Bäuerinnen und Bauern in Öster­reich sehr viele Einwirkungen durch Gesetze, durch extreme Marktschwankungen im Nutztierbereich und durch bürokratische Auflagen haben, sie tragen aber alles mit. Die Bäuerinnen und Bauern sind diejenigen, die wirklich achtsam mit ihren Tieren umgehen und bestrebt sind, dass es den Tieren immer gut geht. Es ist natürlich in dieser Welt nicht nur alles gut, sondern es passieren auch Fehler, und von diesem Tierleid gibt es auch viele Bilder, die von woanders herkommen – nicht aus Österreich –, und die werden


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dann über den gleichen Kamm geschert. Ich kann Ihnen aber nur sagen: Jeder Bauer und jede Bäuerin ist bestrebt, viel Zeit, Feingefühl und Pflege in seine und ihre Tiere zu investieren.

Es freut uns auch, dass sich viele Menschen nun auch für Tierwohl entscheiden, sie sagen, bei ihrem Einkauf legen sie Wert darauf. Ich stelle nur die Frage: Ist das auch immer ernst gemeint? – Laut einer Befragung sind nämlich 20 bis 25 Prozent der Men­schen dazu bereit, für Tierwohl ein bisschen mehr Geld auszugeben. Demgegenüber steht aber das Verhalten im Supermarkt oder in der Gastronomie, wo das dann nicht mehr so genau zutrifft. Dazu kommt natürlich – es ist heute auch schon angesprochen worden – der Faktor, dass der Konsument sehr oft nicht weiß, ob er überhaupt österrei­chische Qualität auf dem Teller vorgesetzt bekommt.

Wenn ich ein Beispiel hernehmen darf: In der Sendung „Am Schauplatz“ wird heute ge­zeigt, dass die Lieblingskost der Österreicher das Wiener Schnitzel ist, das ja original vom Kalb sein muss. Wenn man nun ein Wiener Schnitzel bestellt, weiß man oft nicht, ob das Fleisch aus Österreich ist, denn sehr oft landet da Kalbfleisch aus Holland auf dem Teller (Abg. Schellhorn: So viele Kälber kann man gar nicht in Österreich produ­zieren!), denn in Holland wird billiger produziert und daher kaufen auch viele dort ein. So werden jährlich 115 000 Kälber aus Holland importiert, die dort einfach um ein Drittel billiger sind, wobei aber die Qualität und die Haltungsbedingungen nicht so gut sind wie bei uns in Österreich. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Dasselbe gilt auch – und Sie haben es auch schon angeführt (in Richtung Abg. Keck) – für das Rindfleisch, das aus Übersee kommt, obwohl es einen Selbstversorgungsgrad im Inland von 140 Prozent gibt. Es kann und darf nicht sein, dass unsere Bauern drauf­zahlen und die Globalisierungsverlierer werden, denn sie sind es, die wirklich einen Bei­trag dafür leisten, dass hohe Qualität in der Nutztierhaltung gewährleistet ist.

Daher treten wir verstärkt dafür ein, dass die Herkunftsbezeichnung jetzt endlich kommt – das steht auch im Regierungsübereinkommen –, damit der Konsument die Möglichkeit hat, sich für heimisches Fleisch zu entscheiden, und diese auch wahrneh­men kann. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schellhorn: ... in der Praxis? Habt ihr einmal mit einem Praktiker geredet?)

14.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Verena Nuss­baum. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.01.10

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte über Lebendtiertransporte sprechen, denn tagtäglich werden noch immer lebendige Tiere auf der Straße transportiert.

Wir haben heute schon das Beispiel – das möchte ich auch aufgreifen – von den zwei Wochen alten Milchkälbern gehört, die mit bis zu 210 anderen Kälbern in einen dreistö­ckigen Transporter gepfercht werden und sich von Salzburg aus in Richtung Spanien, Norditalien oder Polen auf die Reise machen. Das bedeutet für diese Tiere ein uner­messliches Leid, eine große Belastung, und gerade im Sommer sind sie Extremtempe­raturen ausgesetzt und werden leider oft nicht angemessen versorgt. Die vorgeschrie­bene Ladedichte wird missachtet, Pausenzeiten für die Versorgung werden nicht einge­halten.

Dieses Tierleid kann nur durch regelmäßige und strenge Kontrollen vermindert werden. Das Problem bei den Kontrollen ist aber, dass der Großteil der Kontrollen der Tier­transporte bei den Schlachthöfen oder bei den Bauernhöfen vor der Abfahrt durchgeführt wird – bei diesen Kontrollen gibt es weniger als 1 Prozent Beanstandungen –, aber die


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Kontrollen auf dem Transportweg selbst schauen ganz anders aus. Da werden 20 Pro­zent beanstandet, sprich, bei jedem fünften Tiertransporter wird beanstandet, dass das nicht korrekt abläuft.

Jetzt ist das Problem aber, dass aus dem Tierschutzbericht 2019 hervorgeht, dass es mehr Kontrollen als im Vorjahr gab, jedoch weniger Kontrollen auf dem Transportweg. Herr Minister Anschober, Sie haben angekündigt, diese Kontrollfrequenz zu erhöhen. Der Kontrollplan für 2020 wurde jetzt veröffentlicht. Die Zahl der Kontrollen ist zwar von 1 000 auf 1 200 erhöht worden, das ist aber, wenn man es bundesweit sieht und auf die einzelnen Bundesländer herunterbricht, ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir haben ja gehört, wie viel Hunderttausende Tiere durch Österreich gebracht werden.

Ich möchte daher einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Kontrollen von Tiertransporten auf der Straße“

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert,

- für das Jahr 2020 eine um 100% höhere Mindestzahl an Kontrollen von Lebendtier­transporten am Transportweg vorzugeben,

- ebenso in dern Kontrollplänen für die Folgejahre eine um 100% höhere Mindestzahl an Kontrollen von Lebendtiertransporten am Transportweg vorzugeben, sowie

- die dafür notwendige Anzahl an Amtstierärzten zu erreichen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Fischer.)

14.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Mag.a Verena Nussbaum

Kolleginnen und Kollegen

betreffend mehr Kontrollen von Tiertransporten auf der Straße

eingebracht zu TOP 9 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (III-84 d.B.)

Vor Beginn der Corona-Krise waren die Berichte zu unsagbar qualvollen Tiertransporten und Schlachtungen in Drittstaaten ein zentrales Thema der Debatte rund um den öster­reichischen und europäischen Tierschutz im Nutztierbereich.

Es ist höchst an der Zeit, diesem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Wie die Salzburger Nachrichten vor Kurzem berichteten, fahren Tiertransporte mit zwei Wochen alten Kälbern unverändert ins EU-Ausland. Kälber, die zum Teil erst zwei Wo­chen davor auf einem Salzburger Bauernhof auf die Welt kommen, treten von Bergheim


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 159

aus die Reise in ein EU-Land an. Im Vorjahr betraf dies 35.000 Kälber österreich­weit,16.000 dieser Kälber stammten aus Salzburg, wie die Zeitung berichtete. Unge­achtet der Covid-Krise starteten jeden Montagabend mehrere Tiertransporter in Rich­tung Spanien, Polen und Norditalien. Beladen waren die Transporter jeweils dreistöckig mit bis zu 210 Kälbern.

Der vorliegende Tierschutzbericht enthält unter anderem die Datenlage zu den jährlich durchgeführten Tiertransportkontrollen. Deshalb ist nun auch klar, dass die Anzahl der Kontrollen auf der Straße weniger wurde, obwohl die Beanstandungen bei Kontrollen auf der Straße jeweils in Relation zur Anzahl an Kontrollen am höchsten sind, nämlich regel­mäßig bei ca. 20% in den letzten Jahren liegen. Diese Anzahl der Kontrollen muss aber im Gegenteil deutlich erhöht werden – nur so kann Tierleid beim Transport auch tat­sächlich verstärkt erkannt und verhindert werden.

Es braucht mehr Tierschutz und Tierwohl im Nutztierbereich, insbesonders auch im Um­gang mit Tieren, die teilweise über weite Strecken transportiert werden.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert,

•             für das Jahr 2020 eine um 100% höhere Mindestzahl an Kontrollen von Le­bendtiertransporten am Transportweg vorzugeben,

•             ebenso in dern Kontrollplänen für die Folgejahre eine um 100% höhere Mindest­zahl an Kontrollen von Lebendtiertransporten am Transportweg vorzugeben, sowie

•             die dafür notwendige Anzahl an Amtstierärzten zu erreichen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.04.16

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werter Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich möchte heute die Gelegenheit nützen, um über einige Themen aus dem Tierschutz­bericht 2019 zu sprechen.

Grundsätzlich kann man sagen, die Situation in Österreich ist vergleichsweise gut, und in den letzten Jahrzehnten wurden deutliche Fortschritte gemacht. Es muss uns aber auch bewusst sein, dass Verbesserungen im Tierschutz auch Umstellungen und Anpas­sungen vonseiten der Landwirtschaft erfordern. Diese darf aber nicht im Stich gelassen werden, und ihr kann auch nicht die alleinige Verantwortung zukommen. Wenn wir Tier­schutz verbessern und das Tierleid reduzieren wollen, ist das die Aufgabe der gesamten Gesellschaft. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Akuten Handlungsbedarf gibt es vor allem auf unseren Straßen. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass es laut Tierschutzbericht relativ wenige Beanstandungen gibt, auf­fällig ist aber, dass dann, wenn beanstandet wurde, fast immer nur gemahnt wurde und


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es nur in circa 20 Prozent der Fälle zu Anzeigen oder Organmandaten kam. Dies un­terstreicht eher das Bild, das Tierschutzorganisationen zeichnen, nämlich jenes der zahnlosen Kontrollen und der zu niedrigen Strafen.

Klar ist auch, dass es großes Potenzial gibt, die Anzahl der Transporte zu reduzieren. Das ist etwas, das eigentlich alle in diesem Haus wollen und das auch im Regierungs­programm steht. Während das Regierungsprogramm sonst recht vage ist, werden da einige konkrete Punkte genannt, wie das umgesetzt werden soll. Passiert ist allerdings noch nichts.

Etwas, das einem Punkt im Regierungsprogramm entspricht, nämlich Weideschlachtung beziehungsweise das Schlachten im gewohnten Umfeld zu ermöglichen und Tierleid, Transporte und Emissionen zu reduzieren, fordern wir schon seit Jahren, und deshalb haben wir auch beschlossen, der Regierung da mit einem Entschließungsantrag, den wir bereits eingebracht haben, auf die Sprünge zu helfen.

Wir werden das Thema Tiertransporte auch nicht allein lösen können, sondern nur durch europäische Zusammenarbeit. Die EU hat mit der Farm-to-Fork-Strategie und dem grundsätzlichen Bekenntnis zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft mit starkem Fokus auf Umwelt und Tierschutz auch wichtige Schritte gesetzt.

Gerade da wäre es notwendig, dass die Bundesregierung, vor allem auch Landwirt­schaftsministerin Köstinger, das EU-Bashing einstellt und konstruktiv zusammenarbei­tet, um Lösungen zu erarbeiten. Das gilt aber auch für Kolleginnen und Kollegen der Opposition. Zu oft sind die Anträge zu Fragen der Landwirtschaft oder des Tierwohls eher kontraproduktive nostalgische Wünsche, den kleinen, kontrollierbaren National­staat zurückzubekommen, was aber an der Realität der Bauern, der Unternehmen und der Konsumentinnen und Konsumenten und vor allem der Rechtslage vorbeigeht.

Im Tierschutzbericht und in unserer Tierschutzpolitik im Allgemeinen fehlt mir auch noch ein weiterer Punkt. Wir alle wollen nicht, dass die Verantwortung für das Tierwohl alleine dem österreichischen Bauern aufgehalst wird. Ohne gleichzeitige Bewusstseinsbildung beim österreichischen Konsumenten für Tierschutz, Lebensmittelproduktion und vor al­lem Qualität erreichen wir dadurch höchstens ein Outsourcing des Tierleids, weil der Kunde das Diskontfleisch mit niedrigen Standards kauft.

Die im Bericht beschriebenen Aktivitäten von Tierschutz macht Schule sind lobenswert, allerdings scheint eine Sensibilisierung für Zusammenhänge zwischen Ernährungsge­wohnheiten und Tierwohl zu fehlen: Billigfleisch versus qualitativ hochwertig beziehungs­weise biologisch, Transparenz bei Lebensmitteln, Gütesiegeln et cetera. Idealerweise sollten unsere Schulen helfen, unsere Kinder zu bewussten KonsumentInnen zu erzie­hen, die auf Qualität und Nachhaltigkeit achten und so auch der heimischen Landwirt­schaft helfen.

Wir stehen in diesem Zusammenhang auch für bestmögliche Konsumenteninformation und sind auch offen für eine Diskussion über die eine oder andere Form von Lebensmit­telkennzeichnung. Das muss auf eine Art und Weise geschehen, die auch tatsächlich einen Nutzen für die KonsumentInnen hat und gleichzeitig nicht zu einem bürokratischen Horror für die Gastronomie oder die Landwirtschaft ausartet und somit jenen kleinen, qualitätsorientierten Betrieben schadet, denen wir eigentlich helfen wollen.

Abschließend möchte ich auch noch unterstreichen, dass Tierschutz nicht nur für Nutz­tiere gelten sollte, sondern auch für jene Geschöpfe, welche für uns keinen direkten Nut­zen haben oder manchmal unbequem sind, wie Wolf und Bär. Tierschutz heißt vor allem auch, anzuerkennen, dass wir unseren Wohlstand historisch auf der Ausbeutung und Nutzung von Natur und Tier aufgebaut haben und dass aus diesem Bewusstsein eine Verantwortung entspringt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.09



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 161

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.09.10

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einmal für die bisherige Debatte Danke sagen! Sie war konstruktiv und ist aus meiner Sicht von einem ehrlichen Zugang dazu geprägt gewesen, dass wir alle miteinander alles versuchen wollen, um Tierleid in den unterschiedlichsten Bereichen zu reduzieren.

Wir haben unterschiedlichste Ansätze gehört. Wenn wir all das, was die einzelnen Red­ner und Rednerinnen der unterschiedlichen Fraktionen jetzt kundgetan haben, gemein­sam beschließen würden, gemeinsam umsetzen würden, dann könnten wir in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren große Fortschritte machen. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es sind auch in der Vergangenheit Verbesserungen durchgesetzt worden, aber ich glau­be, wir sollten uns darüber einig sein, dass wir absolut noch nicht am Ziel sind. Nicht nur dann, wenn wir skandalöse Fotos und skandalöse Bilder sehen, die von sehr, sehr enga­gierten Aktivistinnen und Aktivisten gemacht werden, die damit offensichtlich auch einen Teil der Wirklichkeit aufzeigen, sondern auch im alltäglichen Leben ist es höchst notwen­dig, über unser Verhältnis zu Tieren zu reden, es weiter zu optimieren und zu verbes­sern – denn ja, Tiere sind Lebewesen, Tiere haben ein Herz, Tiere haben eine Seele, Tiere haben Empfindungen, haben Nerven, empfinden Schmerzen, empfinden Leid. Unsere Verantwortung und Aufgabe ist es, dieses drastisch zu reduzieren, denn es gibt Leid, hier und heute, tagtäglich in unserem System, so wie wir derzeit leben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bedanke mich deswegen für diesen Antrag, der in Sachen Kennzeichnung einge­bracht wurde. Ich kann nur zustimmen, dass das nur ein erster Schritt ist, aber es ist ein wichtiger Schritt. Der Konsument, die Konsumentin haben eigentlich mit der tagtäglichen Einkaufsentscheidung die größte Macht, die man haben kann. Es ist jeden Tag eine politische Entscheidung vor dem Einkaufsregal, aber die kann ich nur dann verwirkli­chen, wenn ich weiß und seriös beurteilen kann, dass ich mich darauf verlassen kann, was die Kennzeichnung auch tatsächlich darstellt. Da haben wir einiges zu tun.

Wir werden sehr, sehr konsequent versuchen, diesen Antrag, sofern er heute – und da­von gehe ich aus – beschlossen wird, in unserem Ressort auch umzusetzen, weil er ein Schritt in die richtige Richtung ist. Wir arbeiten gerade an der Frage, wie wir die Europa­rechtskonformität herstellen können, wie wir sie absichern, bewerten und beurteilen kön­nen. Danach sollte es auch zügig in Richtung Umsetzung gehen.

Ein Punkt wurde heute nicht thematisiert – zumindest wäre er mir sonst entgangen –, aber jeder Redner, jede Rednerin hat eine beschränkte Redezeit, und daher ist es klar, dass nicht alles untergebracht werden kann. Was mich persönlich immer empört, ist das Schalten der großen, ganzseitigen Werbungen mit Billigstfleisch. Lebewesen sind kein Lockmittel, kein Lockangebot. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn. – Abg. Wöginger: Es soll halt gescheit sein!) Ich halte das wirklich für einen Fehler, denn wenn Fleisch kon­sumiert wird, sollte das auch seinen Wert haben. Dann braucht es auch einen korrekten und ordentlichen Preis für die Landwirte und Landwirtinnen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Schellhorn und Wöginger.)

Man kann nicht für den Einkauf im Supermarkt mit einem Kilogramm Billigstfleisch ge­nauso wie mit Seifen, mit Klobürsten oder mit Ähnlichem werben. Das geht aus meiner Sicht nicht, das ist unethisch, und das sollten wir eigentlich abstellen.


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Ein weiterer Punkt, der mich sehr gefreut hat, war, dass von mehreren RednerInnen das Tierschutzvolksbegehren angesprochen wurde. Ich unterstütze das auch. Ich habe es bereits unterzeichnet, rufe auch dazu auf, weil es wieder in einem wichtigen Teil des Tierschutzbereiches den Druck erhöhen kann und man damit dieses Thema noch viel stärker zum Thema machen kann. Werben Sie mit mir, werben Sie mit uns für dieses Tierschutzvolksbegehren als ein wichtiges Anliegen zur Unterstützung jener, die nicht direkt Politik machen können! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann bleibt das Thema Tiertransporte. Ich habe es schon kurz erwähnt, dazu wurden verheerende Bilder gezeigt. Diejenigen, die ich kritisiere, sind nicht diejenigen, die es aufzeigen, sondern diejenigen, die diese, ich hoffe, Ausnahmen zulassen und ermögli­chen. Da geht es natürlich um Importe wie um Exporte. Ich halte es auch für verrückt, dass wir Unmengen an Lebendtieren nach Österreich importieren, nach Europa impor­tieren. Dafür brauchen wir europäische Regelungen. Sie können sich bei mir zu 100 Pro­zent darauf verlassen, dass ich auf europäischer Ebene dafür kämpfen werde, dass wir dieses – Dietmar hat es formuliert – kranke System europaweit in diesem Zusammen­hang korrigieren. Das ist im Interesse der Tiere, das ist im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten und – ich bin zutiefst davon überzeugt – auch im Interesse der Land­wirte. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Bei den Tiertransporten ist das eine die Kontrolle. Frau Kollegin, ich stehe absolut dazu, diese zu verbessern und zu intensivieren. Das ist ein Teil, ein wichtiger Schritt. Zumin­dest genauso wichtig ist aber die Frage der Genehmigungen von Tiertransporten. Sie wissen, es gibt in Österreich klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die ich jetzt, hier und heute nicht sofort verändern kann, obwohl ich es anstrebe.

Wir haben aber im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten in diesen Tagen einen neuen Erlass, was die Tiertransporte betrifft, verwirklicht. Damit kommt es bei diesen Genehmi­gungsbedingungen insofern zu einer Verschärfung, als tatsächlich zu 100 Prozent ge­sichert sein muss, dass Pflegestationen und die vorgesehenen Entlastungsmöglichkei­ten Realität sind und auch zu 100 Prozent nachgewiesen werden müssen, bevor es zu einer derartigen Genehmigung kommt.

Sie wissen, es gibt zu Recht entsprechende Kritik daran, dass diese Ruhestationen und Versorgungsstationen etwa in Teilen Russlands mangelhaft sein sollen. Das ist zu über­prüfen, und Organisatoren, die nicht zu 100 Prozent nachweisen können, dass das ga­rantiert ist, können einen derartigen Transport nicht genehmigt bekommen. Sie müssen das belegen. Das ist eine Bringschuld derer, die einen derartigen Transport durchführen wollen. Das ist eine Verschärfung im Rahmen des bestehenden Rechts und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden den angesprochenen Tierschutzgipfel Anfang Juli nachholen. Dort haben wir die Möglichkeit, alles auf den Tisch zu legen, was an Lösungsschritten notwendig ist. Ich bin froh darüber, dass VerteterInnen aller Parteien, aller Fraktionen, aber auch der großen NGOs teilnehmen, bei denen ich mich sehr herzlich dafür bedanken möchte, dass sie seit vielen Jahren eine hoch engagierte Arbeit machen und damit immer wieder die Be­völkerung und uns alle wachrütteln und auch motivieren, noch schärfere Regelungen zu verankern.

Bei diesem Tierschutzgipfel wollen wir schauen, wo wir Möglichkeiten haben, das zu tun, was erforderlich ist. Ich glaube, dass es etwa beim Auftreten auf europäischer Ebene einen großen österreichischen Konsens geben müsste, dass wir im Sinne derer, die auch den Untersuchungsausschuss im Europäischen Parlament durchgesetzt haben, und im Sinne einer breiten Allianz für Tierwohl europaweit aktiv werden und europäische Reglungen schaffen, die würdevoll und vertretbar hinsichtlich des Umgangs mit Tieren in Österreich und in Europa sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 163

Auf nationaler Ebene müssen wir weiter an Verbesserungen arbeiten. Wir haben einiges im Regierungsübereinkommen verankert, das möchte ich auf Punkt und Beistrich umset­zen. Wir werden dann miteinander reden müssen, in welchen Bereichen wir darüber hinausgehen können, sollen und werden. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Schmiedlech­ner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.18.04

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Zuseher und Zuseherinnen! Tierschutz ist natürlich ein sehr wichtiges Thema. Tier­transporte betreffen hauptsächlich den Rinderimport zu den Schlachthöfen. Dort gibt es natürlich sehr massive Probleme. Das große Problem ist, dass die Rinder importiert und am Schlachthof eingebürgert werden. Dort bekommen sie den AT-Stempel und werden dann als österreichisches Qualitätsprodukt weiterverkauft. Wenn wir da wirklich einen Riegel vorschieben wollen, wenn wir da wirklich etwas verändern wollen, braucht es eine ordentliche Produktkennzeichnung, eine Herkunftskennzeichnung.

Die Geschichte der Herkunftskennzeichnung ist eine unendliche. Ich darf kurz aufzählen: Milch- und Käseskandal der Firma Prolactal 2010, Pferdefleischskandal 2013, Skandal um Schummelimport von Hühnerfleisch aus der Ukraine 2019, Eierskandal in Niederös­terreich 2020. Alle hier vertretenen Parteien waren sich immer einig und haben bekun­det, dass da etwas gemacht werden muss, Anträge wurden eingebracht; die einzige, die immer auf der Bremse gestanden ist, war die ÖVP.

In den letzten Jahren wurden über 56 Anträge zur Herkunftskennzeichnung eingebracht. Außer Ankündigungen und Inszenierungen kam von der ÖVP nichts. Dazu gibt es un­zählige Presseaussendungen, zum Beispiel diese hier (ein Schriftstück in die Höhe hal­tend): „Agrarlandesräte: Schwindel bei Lebensmittel-Kennzeichnung Riegel vorschie­ben“ – Nichts ist passiert! (Zwischenruf des Abg. Strasser. Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nichts ist passiert, liebe ÖVP! (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt schiebt ihr das Problem wieder hinaus. So heißt es, dass erst „ab 2021, für tierische Primärprodukte wie Milch, Fleisch und Eier eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung kommen soll“. – „Kommen soll“, wenn die Regierung überhaupt so lange hält. (Heiterkeit von Bundesminister Anschober. Abg. Rauch – erheitert : Herr Minister, Sie lachen! Sind Sie sich überhaupt so sicher?)

Es wäre höchste Zeit, eine richtige Lösung für die Herkunftskennzeichnung zu finden. Ja, natürlich, auch die Eierkennzeichnung ist gut und wichtig, aber wir brauchen eine lückenlose Herkunftskennzeichnung, eine Produktkennzeichnung aller Produkte. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Konsument will ganz genau wissen, woher die Rohstoffe kommen, die von der In­dustrie verarbeitet werden. Die Kennzeichnung auf der Verpackung soll die Konsumen­ten dabei unterstützen. Das trifft leider oft nicht zu, und mit geschickter Trickserei wird der Konsument getäuscht.

Liebe ÖVP, eine ordentliche Produktkennzeichnung, Herkunftskennzeichnung wäre nicht nur für die Landwirte, für die Bauern gut, nein, das wollen auch die Konsumenten und Konsumentinnen. Ich denke: Schieben wir dem Etikettenschwindel endlich den Rie­gel vor und machen ein ordentliches Gesetz! Ein Antrag von mir liegt seit Jänner vor. Er wurde leider in der letzten Ausschusssitzung vertagt.

Lieber Herr Strasser, Sie hatten letztes Mal gesagt, Sie brauchen unsere Hilfe. – Wir helfen Ihnen gerne. Stimmen Sie bitte unseren Anträgen zu und vertagen Sie diese nicht oder lehnen Sie diese nicht immer ab! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.22



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 164

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Dipl.-Ing. Olga Voglauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.22.36

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehr­ter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir den Weg von der Landwirtschaft übers breite Business hin zum Teller gehen, dann geht da­zwischen das Gewissen verloren. Das haben wir heute schon von all meinen Vorrednern und Vorrednerinnen sehr gut präsentiert bekommen. Gerade das Thema Tiere, unser Umgang mit den Tieren, unser Umgang mit Nutztieren macht sehr plakativ deutlich, wie unwucht dieses ganze System läuft.

Deshalb ist es so wichtig, in der nächsten Woche das Tierschutzvolksbegehren zu unter­schreiben, denn dieses Tierschutzvolksbegehren gibt Ihnen bis zum 29. Juni die Mög­lichkeit, ein Zeichen zu setzen, ein wichtiges Zeichen, damit wir hier in diesem Haus später noch intensiver über Tierschutz sprechen werden.

Das Besondere an diesem Tierschutzvolksbegehren ist, dass es auch die Landwirtschaft mitdenkt, dass es nicht die Landwirtschaft an den Pranger stellt, sondern dass es die Landwirtschaft mitnimmt, als Teil einer Lösung, zu der wir alle, die wir neben unserer politischen Tätigkeit auch Bäuerinnen und Bauern sind, hinwollen.

Es sind die Exporte und Importe, die uns zu schaffen machen, und es ist schlimm, was wir erkennen, wenn wir uns gerade die Exporte anschauen, wenn wir uns anschauen, was diese bedeuten. Warum sind sie überhaupt wichtig für die Landwirtschaft in Öster­reich? – Ganz einfach weil der Lebensmitteleinzelhandel bei den Preisen so dominant ist, dass lediglich der Export bleibt, um in Österreich noch halbwegs Preise mit dem eigenen Lebensmitteleinzelhandel verhandeln zu können. So paradox ist dieses System! Niemand von uns Bäuerinnen und Bauern mag das, jede und jeder von uns möchte das verändern. Ja, setzen wir dabei an! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vor dem Rathaus fand heute eine Demo von Bäuerinnen und Bauern statt, die darauf hinwiesen, wie weit sie eigentlich schon an der Wand stehen. Ich war vor ein paar Stun­den dort, und das, was ich mir gemerkt habe, ist: Schaut zuerst, dass die Preise wieder stimmen, damit wir dann die Herkunftsbezeichnung und alles Weitere lösen können!

Das kann niemand hier in diesem Haus versprechen, wir können aber anfangen, an der Komplexität dieses Systems zu arbeiten, das heißt, in der Verarbeitung andere Schritte und Parameter zu setzen, letztendlich auch die Gastronomie, die Hotellerie und den Tourismus in die Verantwortung zu nehmen sowie auch dem Lebensmitteleinzelhandel endlich zu erklären, dass die Landwirtschaft nicht der Spielball sein kann. Das heißt auch: ein Reden mit den Bäuerinnen und Bauern und nicht über sie und auch kein Ent­scheiden über sie, sondern ein Miteinbeziehen bei unseren Planungen.

Wir hören es in letzter Zeit sehr oft: Regionalität ist quasi die Lösung für alles, viele mei­nen, auch in der Landwirtschaft. Die Regionalität könnte uns wirklich sehr viel mehr be­hilflich sein, als wir denken. Wir könnten von der intensiven Nutztierhaltung wegkommen und uns hin zu einer naturnahen, tierwohlorientierten Landwirtschaft orientieren. Das würde unsere Konsumentinnen und Konsumenten auf unsere Höfe einladen und wir hätten wieder Botschafterinnen und Botschafter, die in der Breite wirken, denn nur BäuerInnen allein sind in Österreich mittlerweile zu wenig.

Da heute der Tierschutzbericht vorliegt: Ich möchte Ihnen ein positives Beispiel aus Kärnten nennen. Wir hatten in Kärnten vor wenigen Jahren einen der größten Tierskan­dale, die wir in Kärnten gesehen haben. Bei einem Gastronomiebetrieb – einem richtig großen Gastronomiebetrieb – wurde aufgedeckt, wie unwürdig er seine Schweine hält und schlachtet. Was ist – darüber hat nämlich noch niemand gesprochen – passiert? 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 165

Passiert ist Folgendes: Dieser Betrieb hat seine gesamte Wirtschaftsweise auf biologisch umgestellt, er ist mittlerweile komplett in den biologischen Gemüsebau eingestiegen, in den Gastronomiebetrieben wird alles in Bioqualität angeboten und beim Schweinefleisch ist er mittlerweile österreichweit einer der größten Einkäufer, die es gibt.

Das sind Beispiele, warum es doch etwas nützt, genauer hinzuschauen: Wenn wir auf­decken, dann entwickelt sich etwas. Somit ist das ein Beispiel, das ich immer in die Zu­kunft mitnehme, und letztendlich ist es auch ein Beispiel, warum dieses Volksbegehren – damit schließe ich – wichtig ist: weil es genau auch die Gastronomie mitnimmt. Danke schön, hvala lepa! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Rudolf Silvan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.27.28

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Wir haben das beste Tiertransportgesetz innerhalb der Europäischen Union. Da­rauf können wir stolz sein, wir haben aber ein Problem: Wie meine VorrednerInnen schon gesagt haben, wird es kaum exekutiert.

Wir haben bei den Tiertransporten zu wenige Kontrollen auf den Straßen, es werden fast keine Strafen verhängt, es werden hauptsächlich nur Mahnungen ausgesprochen, Das ist ein Riesenproblem, vor allem für die Tiere!

Wenn ich mit einem Auto zu schnell fahre und ins Radar komme, kriege ich eine Ano­nymverfügung – das wissen wahrscheinlich einige oder die meisten von uns –, wenn ich falsch parke, bekomme ich einen Strafzettel auf die Windschutzscheibe gelegt, und wenn ich von einer Polizistin oder einem Polizisten aufgehalten werde und sich heraus­stellt, dass bei meinem Auto das Pickerl abgelaufen ist, werden mir die Nummerntafeln abgenommen. Das wisst ihr alle; und die Strafen sind empfindlich. Beim Tiertransportge­setz ist das leider nicht so, und deswegen wird Tierleid weiterhin bestehen bleiben.

Meine Vorredner haben es schon gesagt: 104 844 Rinder werden nach Österreich im­portiert und 89 000 Rinder werden aus Österreich exportiert, und da gebe ich Kollegin Diesner-Wais recht, die gesagt hat: Innerhalb Österreichs bis zum nächsten Schlachthof wird es wohl passen, da wird das Tiertransportgesetz wohl auch beachtet werden. – Diese internationalen Transporte aber, bei denen Tiere über Tage zusammengepfercht transportiert werden, bei denen nicht darauf geschaut wird, ob genügend Wasser für die Tiere zur Verfügung steht, nicht darauf geschaut wird, ob verletzte Tiere mittransportiert werden und Tiere während des Transports sterben, die gehen nicht!

Deswegen bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, wel­che die Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz vorsieht, welche jeweils zumindest ca. 10% der Höchststrafe betragen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 166

Herr Bundesminister, wir unterstützen Sie bei Ihren Bemühungen, Tierleid zu vermeiden und zu lindern, und ich ersuche Sie, den besagten Tiertransporterlass dem Gesundheits­ausschuss zu übermitteln. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Rudolf Silvan

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz

eingebracht zu TOP 9 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (III-84 d.B.)

Vor Beginn der Corona-Krise waren die Berichte zu unsagbar qualvollen Tiertransporten und Schlachtungen in Drittstaaten ein zentrales Thema der Debatte rund um den öster­reichischen und europäischen Tierschutz im Nutztierbereich.

Es ist höchst an der Zeit, diesem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Wie die Salzburger Nachrichten vor Kurzem berichteten, fahren Tiertransporte mit zwei Wochen alten Kälbern unverändert ins EU-Ausland. Kälber, die zum Teil erst zwei Wo­chen davor auf einem Salzburger Bauernhof auf die Welt kommen, treten von Bergheim aus die Reise in ein EU-Land an. Im Vorjahr betraf dies 35.000 Kälber österreich­weit,16.000 dieser Kälber stammten aus Salzburg, wie die Zeitung berichtete. Unge­achtet der Covid-Krise starteten jeden Montagabend mehrere Tiertransporter in Rich­tung Spanien, Polen und Norditalien. Beladen waren die Transporter jeweils dreistöckig mit bis zu 210 Kälbern.

Der vorliegende Tierschutzbericht enthält unter anderem die Datenlage zu den jährlich durchgeführten Tiertransportkontrollen. Deshalb ist nun auch klar, dass die Anzahl der Kontrollen auf der Straße weniger wurde, obwohl die Beanstandungen bei Kontrollen auf der Straße jeweils in Relation zur Anzahl an Kontrollen am höchsten sind, nämlich re­gelmäßig bei ca. 20% in den letzten Jahren liegen.

Es braucht mehr Tierschutz und Tierwohl im Nutztierbereich, insbesonders auch im Um­gang mit Tieren, die teilweise über weite Strecken transportiert werden. Ein Ansatzpunkt kann die Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz sein, um eine bessere generalpräventive Wirkung zu erreichen.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, wel­che die Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz vorsieht, welche jeweils zumindest ca. 10% der Höchststrafe betragen.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 167

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Franz Leonhard Eßl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.30.33

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich beginne absichtlich mit unserem Antrag zur Herkunftskennzeichnung, weil ich denke, dass darin ein Schlüssel enthalten sein kann, um die Situation zu ver­bessern.

Wir haben gemeinsam mit den Grünen einen Antrag eingebracht, wonach die Primärzu­taten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung, öffentlich und privat, und in verarbeiteten Lebensmitteln ab 2021 gekennzeichnet werden sollen. Wir wollen das, denn eine gute Kennzeichnung nutzt dem Produzenten und auch dem Konsumenten, da gebe ich Herrn Kollegen Schmiedlechner recht.

Einer seiner Behauptungen muss ich allerdings schon energisch widersprechen, nämlich wenn er immer wieder – und das kommt halt vonseiten der Freiheitlichen Partei öfters – sagt: Dann, wenn das Tier in Österreich geschlachtet wird, wird es mit dem AT-Stempel eingebürgert. – Das stimmt einfach nicht. Nehmt bitte zur Kenntnis, dass der AT-Stem­pel, der beim Schlachthof vergeben wird, überhaupt nichts über die Herkunft eines Tieres aussagt, sondern ein reiner Genusstauglichkeitsstempel ist, der sagt, dass die österrei­chischen Hygienekriterien eingehalten werden. (Abg. Loacker: ... dass er für die Katz ist, im Wesentlichen!) Er sagt nichts über die Herkunft aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich darf nun aber zum Tierschutzbericht kommen. Es ist das (ein Schriftstück in die Höhe haltend) ein umfangreicher Bericht mit 80 Seiten. Er unterstreicht die Bedeutung des Tierschutzes in Österreich. Tierschutz und Tierwohl haben bei uns in Österreich einen hohen Stellenwert, und ich behaupte und sage aus voller Überzeugung: Tierwohl hat bei uns mehr Bedeutung als in vielen anderen Staaten Europas und der Welt. Wir sind darin wirklich Vorreiter. Tierwohl ist nicht nur ein Anliegen der Bevölkerung, sondern auch ein Anliegen der Regierung und der Tierhalter. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Freilich ist es so, dass einzelne schwarze Schafe überall auftauchen. Ob es in der Tier­haltung oder sonst wo im täglichen Leben ist, überall gibt es schwarze Schafe. Bei den Kontrollen im Bereich der Tierhaltung ist es aber so, dass bei Weitem nicht 10 Prozent beanstandet werden müssen, sondern teilweise nur 1, 2, 3 Prozent. Das ist auch bei den Tiertransporten so, die so stark diskutiert werden.

Im Jahre 2018 wurden 182 000 Kontrollen durchgeführt – freilich die meisten am Schlacht­hof; am Schlachthof ist ja der Transportvorgang zu Ende, und wenn dort noch alles in Ordnung ist, dann kann man davon ausgehen, dass auch während des Transportes alles in Ordnung war. (Abg. Leichtfried: ... kann man davon ausgehen ...!) Im Rahmen dieser 182 000 Kontrollen mussten nur 0,59 Prozent beanstandet werden, und von diesen 0,59 Prozent war die Hälfte der Beanstandungen wegen Mängeln bei den mitgeführten Dokumenten.

Die Kontrollen in Österreich funktionieren also, und die Transporte innerhalb Österreichs erfolgen wirklich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt komme ich noch zu dem, was Kollege Keck gebracht hat: Natürlich brauchen wir keine Schlachtviehtransporte in den Libanon, da bin ich schon bei Ihnen, aber Schlacht­tiere werden irgendwo transportiert werden müssen. Es kommt nicht darauf an, ob ein Transport stattfindet, sondern wie der Transport stattfindet. Das ist die entscheidende


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Frage. Ich bin durchaus auch bereit dazu, dass gesagt wird, dass die Menge reduziert werden soll.

Damit bin ich beim rosa Kalbfleisch. Es ist aus meiner Sicht absolut nicht notwendig, dass Kälber aus Österreich nach Spanien transportiert und dort gemästet werden, wobei auf der anderen Seite Kälber aus Holland importiert werden, die dann auf dem Teller der Österreicherinnen und Österreicher landen. Warum? – Weil sie dort kostengünstiger produzieren, Milchaustauscher füttern und rein weißes Kalbfleisch vom Konsumenten nachgefragt wird.

Würde man die Kälber in Österreich füttern und auch Raufutter dazugeben, wäre das Kalbfleisch nicht weiß, sondern rosa und natürlich auch etwas teurer. Wir müssen den Konsumenten, aber auch die Wirtschaft, die Wirte davon überzeugen, dass man das einsetzt. Dann kann man damit auch etwas Positives für die Tiere in unserem Land tun, und das sollte man, glaube ich, machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun doch noch ein Hinweis in Richtung Dietmar Keck und SPÖ, weil da sechs Anträge eingebracht worden sind (Abg. Leichtfried: ... da kann man davon ausgehen!), die ja eigentlich alle bekannt sind: Im Ausschuss haben wir gesagt, wir müssen noch darüber reden.

Die Arbeiterkammer macht immer wieder die bekannten Preisvergleiche und verlangt von den heimischen Bauern, dass sie höchste Standards einhalten, auf der anderen Seite aber wird mit niedrigsten Preisen in München, in Freilassing, jenseits der Grenze verglichen. So geht das nicht! – Wenn, dann müssen wir uns auch dazu bekennen, wie der Herr Minister gesagt hat, dass die Bauern einen entsprechenden Preis, einen korrek­ten Preis bekommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir wollen also vonseiten der Regierungsparteien auch in Zukunft für das Wohl der Tiere viel tun. Das Regierungsprogramm ist die Grundlage für diese Arbeit in der laufenden Gesetzgebungsperiode.

Mein Zugang zu Tierschutz und Tierwohl ist nicht Law and Order – das überlasse ich Herrn Trump –, sondern mein Zugang sind Bewusstseinsbildung, Information und das Schaffen von Anreizen. Unterstützen wir also die Bauern bei der Umstellung auf beson­ders tiergerechte Haltungsformen! (Abg. Leichtfried: Was ist mit ... Bioförderung? Ich würde einfach die Umstellung auf bio stark fördern, aber ich glaube, das wollt ihr nicht!) Generell aber ist Bewusstseinsbildung wichtig. Jeder, der sich ein Tier aneignet, über­nimmt Verantwortung, und jedes Tier hat spezielle Bedürfnisse und braucht dementspre­chende Betreuung. Das muss tief im Bewusstsein jedes einzelnen Tierhalters verankert werden – ganz gleich, ob er ein Rind hält, einen Hund oder einen Hamster.

Wir tun alles, um das zu unterstützen. Wir wollen, dass es den Tieren gut geht, und wir wollen auch, dass es den Menschen gut geht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Wenn ihr wollt, dass es den Menschen gut geht, könnt ihr das Arbeitslosengeld erhöhen!)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.37.47

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist eine wichtige De­batte. Nur noch eine Anmerkung zu Kollegen Eßl: Ich pflichte dir wirklich in vielem bei, Fakt ist aber – das hat Kollege Schmiedlechner festgestellt –: In den letzten Jahren ha­ben wir 56 Initiativen zur Verbesserung der Herkunftsbezeichnung im Parlament einge­bracht – nicht nur wir als Freiheitliche Partei, auch andere oppositionelle Parteien –, und


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all diese Kennzeichnungsverbesserungen hat die ÖVP abgelehnt. Das muss heute und hier einmal festgestellt werden! Das ist immer an der ÖVP gescheitert! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Vogl.) Wenn die Sache jetzt besser wird, ist es gut.

Ich bin grundsätzlich ein optimistischer Mensch, weil der Konsument mittlerweile un­glaublich mündig ist. Ich darf dazu noch einmal auf eine Umfrage verweisen, die vor Kurzem publiziert wurde. Wie schaut es denn aus? Die Frage war, worauf die Konsu­menten beim Lebensmitteleinkauf achten.

An erster Stelle steht das gute Preis-Leistungs-Verhältnis. – Verständlich. Die anderen Faktoren sind dann: Nummer zwei: die hohe Qualität. 90 Prozent sagen, das ist mir wichtig. Das Tierwohl ist für 80 Prozent und die Regionalität – an vierter Stelle – ist ebenfalls für fast 80 Prozent wichtig. Das heißt, das ist eine total optimistische Umfrage, weil jene Punkte enthalten sind, die für die Vermarktung von Produkten notwendig sind. Also noch einmal: Regionalität, Tierwohl, hohe Qualität – und genau dafür steht unsere Landwirtschaft in Österreich!

Das heißt, das muss man sichtbar machen, und in dem Moment, wo man das sichtbar macht, ist der Konsument eher bereit, auch den dafür notwendigen Preis zu bezahlen. Ich sage noch einmal, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist natürlich wichtig. Es verfügt nicht jeder Mann und jede Frau über das Geld, immer auch höchste Qualität kaufen zu können, das muss man auch einmal klipp und klar feststellen. Deswegen kann es also nicht nur die Bioschiene geben, sondern es wird auch weiterhin die konventionelle Schie­ne geben.

Jetzt aber zu einem praktischen Beispiel: Kommen wir auf die Hühner zu sprechen, weil heute auch ein diesbezüglicher Antrag behandelt wird! Es geht um die Kennzeichnung von verarbeitetem Ei. Was muss da sichtbar gemacht werden?

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hier (ein Blatt Papier in die Höhe haltend) haben wir ein normales A4-Blatt. Für die Hühnerhaltung in der Europäischen Union ist die Kä­fighaltung seit 2012 verboten. Es gibt aber in der Europäischen Union mittlerweile immer noch die Haltung in sogenannten ausgestalteten Käfigen. Eine Henne hat da einen Platz in etwa so groß wie ein A4-Blatt, etwas größer, vergrößert um vier Bankomatkarten. Das ist der Platz für ein Huhn in der Europäischen Union in einem ausgestalteten Käfig. Dass das dem Tierwohl bei Weitem nicht entsprechen kann, liegt doch wohl auf der Hand, und das muss man sichtbar machen.

Jetzt möchte ich das Ganze noch extremer formulieren. Wisst ihr, was Käfighaltung be­deutet? – Von einem A4-Blatt muss ich (ein Fünftel des Blattes abreißend) so viel ab­reißen – und übrig bleibt genau dieser Platz. Das ist der Platz für ein Huhn in einem Käfig; so wird das Huhn gehalten. Man muss wissen, dass 90 bis 95 Prozent aller Hüh­ner außerhalb der Europäischen Union genau so wenig Platz haben. Das ist schändlich! Das entspricht keinesfalls dem Tierwohl! (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen wäre die Annahme des SPÖ-Antrages richtig gewesen. Die SPÖ hat verlangt, dass natürlich auch der Import von verarbeitetem Ei in Flüssigform oder auch trocken verboten werden muss (das verkleinerte A4-Blatt neuerlich in die Höhe haltend), wenn das Produkt aus einer Tierhaltung stammt, in der das Huhn in einem Käfig gehalten wird, in dem es nicht mehr Platz hat. Diese Initiative hat die Regierung abgelehnt.

Sie machen heute einen kleinen Schritt. Sie sagen, ab 2021 soll die Herkunftsbezeich­nung auch für verarbeitete Eier besser werden. – Das ist in Ordnung. Wieso aber, Kol­lege Hechenbichler, wird der Import von so schändlich produzierten verarbeiteten Eiern nicht verboten? (Abg. Wöginger: Hechenberger! – Abg. Schmidhofer: Hechenberger!) Das wäre ja die Chance für unsere Landwirtschaft, weil in Käfighaltung mit (das ver­kleinerte A4-Blatt in die Höhe haltend) so viel Platz für ein Huhn das Kilo Flüssigei in der


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Produktion 4 Euro kostet, während es bei uns 8 Euro, also das Doppelte, kostet. No na net ist die Produktion billiger, wenn das Huhn keinen Platz hat, wenn es vollkommen gegen das Tierwohl gehalten wird.

Wieso lehnt ihr diesen Antrag ab? Das wäre doch eine Chance. Stellt euch vor, wir könn­ten auch den Bedarf an Flüssigei, an Trockenei selber decken! Das ist genau der An­schub, den unsere qualitätsorientierte Landwirtschaft benötigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Und was macht die Regierung? – Die Regierung sagt: Nein, diesen so wichtigen Antrag lehnen wir ab, wir machen stattdessen einen eigenen Antrag, mit dem man die Her­kunftsbezeichnung verbessert. Kollege Hechenberger, ihr seid leider auch dieses Mal auf halbem Weg stehen geblieben, und da werden wir weiter Druck machen. – Ich dan­ke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Leichtfried und El-Nagashi.)

14.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.44.07

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhö­rer! 1950 hat der durchschnittliche Haushalt in Österreich circa die Hälfte seines Ein­kommens für Lebensmittel ausgegeben, 2020 sind es unter 10 Prozent. Das ist einer der niedrigsten Werte innerhalb der EU, den wir hier in Österreich haben – so viel zur Iden­tifizierung mit den Lebensmitteln, die wir in unserem eigenen Land produzieren.

Wenn man schaut, was seit den Fünfzigerjahren bis heute in der Landwirtschaft in Rich­tung Tierwohl passiert ist, so muss man sagen, das geht genau in die gegenteilige Rich­tung. Ich kenne noch die Ställe, in denen die Kuh ungefähr 20 Zentimeter Luftraum bis zur Decke gehabt hat, die Decke schwarz und die Mauern verschimmelt waren, in die kein Licht reingekommen ist und die Kuh angebunden war. Diese Ställe der 1950er-Jahre gibt es nicht mehr. Insofern gibt es da durchaus eine Verbesserung, wenn auch großartig ausbaufähig. Da bin ich absolut dafür und sehe das als Biobauer und Rinder­bauer genauso.

Gleichzeitig bin ich ganz sicher auch für die Nutztierhaltung und vor allen Dingen für die Rinderhaltung in Österreich, denn 55 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Grünland. Ich glaube, dass es zu unserer Ernährungssouveränität gehört, eine ordentli­che und vor allen Dingen lebenswerte Tierhaltung zu betreiben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Grundsätzlich fängt das Problem viel früher an, nämlich auch in den Fünfzigerjahren, in denen man begonnen hat, Sozialpolitik über billige Lebensmittel zu machen anstatt be­dürftige Menschen so weit zu unterstützen, dass sie sich gesund und in ausreichendem Maße ernähren können.

Die Herkunftskennzeichnung macht gerade in der Kälberhaltung den meisten Sinn. Wa­rum? – Weil Kälber, weil das Kalbfleisch hauptsächlich in die Verarbeitung beziehungs­weise in die Gastronomie, vor allem in die Kantinen, geht und kaum in Privathaushalte. Im Privathaushalt wird ordentlich darauf geschaut, in den Cash-and-carry-Märkten geht hauptsächlich ausländisches Fleisch über die Theke, das wissen wir, und da ist das Kalbfleisch drinnen. Deshalb ist die Kennzeichnung im Außer-Haus-Verzehr eine der besten und wirksamsten Maßnahmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Grundsätzlich möchte ich noch erwähnen, dass Tierleid nicht nur in eine Richtung fährt. Das heißt, wir müssen uns auch die Fleischimporte genauer anschauen. Genau diese Fleischimporte sind auch das, was die Wertschöpfung bei uns zunichtemacht. Warum? – Weil man natürlich als großer Schlachtbetrieb mit dem Import ausländischer Ware,


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sprich von Lebendtieren im Rinder- und Schweinebereich, immer eine leichte Überpro­duktion beziehungsweise einen leichten Überschuss erzeugt und damit den Preis für die Bauern niedrig halten kann.

Die Greenpeace-Studie, die heute herausgekommen ist, ist meines Erachtens äußerst wertvoll, weil sie zum Beispiel auch eines zeigt, und das hat heute noch keiner gesagt: Geschätzt 1 Million Tonnen Lebensmittel in Österreich werden weggeworfen. Das sind umgerechnet Tausende Schweine, das sind Hunderte Rinder, die völlig umsonst betreut werden und die, egal wie sie gehalten werden, völlig umsonst leben. Da liegt ein Riesen­potenzial für Tierschutz. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Josef He­chenberger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.48.28

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause! Frau Kollegin Fiedler – ich sehe sie jetzt gerade nicht – hat sehr viel Richtiges gesagt, nur in einem Punkt muss ich etwas korrigieren. Die Kol­legin hat gesagt, dass der Wolf geschützt gehört und der Tierschutz wichtig ist. – Tier­schutz ist aber keine Einbahnstraße, und auch das Lamm und das Schaf, das gerissen wird, das tagelang leidet, soll Tierschutz genießen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler. – Zwischenruf bei den NEOS.)

Zu den Ausführungen der Kollegen Hauser und Schmiedlechner: Also ich bin auch im Parlament, lieber Gerald, aber: Warum hat die FPÖ während ihrer anderthalbjährigen Regierungszeit die 56 Anträge nicht schon lange umgesetzt? Das ist der Punkt, denke ich. Ihr hättet ja schon lange genug Zeit gehabt, die Anträge umzusetzen. Jetzt werden sie umgesetzt, das garantiere ich! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Neßler.)

Es ist dringend notwendig, Signale zu senden, denn eine Lehre aus der Coronakrise müssen wir ziehen: Die österreichischen Bauernfamilien haben uns während der Krise ausreichend mit hochqualitativen Lebensmitteln versorgt. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit das auch zukünftig gewährleistet bleibt. Deshalb, denke ich, ist eine ver­pflichtende Herkunftskennzeichnung unumgänglich.

Schauen wir uns die Importzahlen an! 1,8 Milliarden Eier werden importiert, zum Teil aus Aserbaidschan, aus der Ukraine und anderen Ländern, gleichzeitig beträgt die Eigenver­sorgungsrate beinahe 100 Prozent.

Das Thema Rindfleisch ist schon diskutiert worden. Wir haben 140 Prozent Eigenversor­gung, und gleichzeitig werden 55 000 Tonnen aus dem Ausland importiert. Allein in den letzten zehn Jahren ist beim Kalbfleisch der Zuwachs an Importen bei 70 Prozent gele­gen. Ich glaube, es ist nicht ganz ehrlich, wenn man sagt, die Landwirtschaft ist schuld am Tiertransport, und gleichzeitig billiges Kalbfleisch aus Holland und weiß der Kuckuck woher importiert.

Ich denke, wir müssen ehrlich mit der Kennzeichnung umgehen. Ein wesentlicher Aspekt für mich ist, dass der Konsument das Recht hat, zu wissen, zu welchen Bedingungen und wo die Lebensmittel, die er kauft beziehungsweise isst, produziert wurden. Aus dem Grund ist die Kennzeichnung aus meiner Sicht einerseits eine Verpflichtung gegenüber den Konsumenten (Beifall bei ÖVP und Grünen), andererseits aber eine Zukunftschance für unsere sehr fleißig arbeitenden Bauernfamilien.

Bringen wir Licht ins Dunkel, machen wir transparent, dass es zum Teil Mogelpackungen gibt, und machen wir transparent, dass unsere Bauernfamilien zu hohen Standards pro­duzieren!


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Eines noch abschließend: Das Thema Tierschutz ist auch für die Landwirtschaft ein sehr, sehr wichtiges Thema. Es ist nicht jeder Tiertransport Tierquälerei; es gibt einige wenige, die müssen wir uns genau anschauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage abschließend auch noch, dass ich am letzten Wochenende selber Tiertransporteur war. Ich habe meine Tiere auf die Alm gebracht, aber nicht mit dem Ziel, dass sie dort verendet ankommen, sondern dass sie möglichst gesund ankommen, denn ich möchte im Herbst wieder gesunde Tiere zurückbekommen. Das heißt, da wird sehr genau darauf geschaut, dass diese Tiertransporte nach allen Regeln der Kunst und dem Tierschutz entsprechend durchgeführt werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzte Damen und Herren! Setzen wir heute ein eindeutiges Zeichen und unter­stützen wir unseren geschätzten Herrn Bundesminister bei der Umsetzung der verpflich­tenden Herkunftskennzeichnung, damit wir wirklich ab 1.1.2021 wissen, woher die Le­bensmittel, die wir kaufen beziehungsweise zu uns nehmen, kommen! Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Kollege Ing. Markus Vogl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.53.13

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Hohes Haus! Ich habe da einen Auszug aus dem Feinkostladen Österreich mitgebracht. (Der Redner hält ein geflochtenes Körbchen, in dem sich ein Eierkarton, Eier, verpackter Speck und weitere Lebensmittel befinden, in die Höhe. – Abg. Wöginger: Er hat ein Frühstückskörberl mit ...!) Das alles sind Produk­te von bäuerlichen Familienbetrieben aus meiner näheren Heimat. Damit ist eigentlich das umgesetzt, was die Regierung möchte: regionale Produkte. Damit ist die Welt der Landwirtschaft in Ordnung.

Jetzt hat aber zuerst der Herr Minister gesagt, wir reden von einem kranken System, und Landwirtschaftskammerpräsident Strasser hat applaudiert. Ich glaube, er hat zu Recht applaudiert. Wir können nicht alles schlechtreden. Ich glaube, in den letzten Jahren ist trotz ÖVP-Landwirtschaftsminister viel Gutes in diesem Land passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Schauen wir zum Beispiel diesen Speck (ein in Folie eingeschweißtes Stück Speck in die Höhe haltend) an: Der wurde ohne Tiertransporte hergestellt, das Getreide kommt von den eigenen Feldern, ist damit gentechnikfrei, es wurden keine Antibiotika gefüttert, keine Wachstumsförderer, kein Tiermehl dem Futter beigegeben. Das ist beim Schweinefleisch noch eine Seltenheit, aber in Summe arbeiten über 20 Prozent der ös­terreichischen Betriebe inzwischen biologisch und haben sich für einen nachhaltigen Weg entschieden.

Gehe ich heute in den Supermarkt oder wohin immer und kaufe mir ein Ei (ein Ei in die Höhe haltend), sehe ich, dass wir auch eine Kennzeichnung des Tierwohls umgesetzt haben. Darum geht es ja hauptsächlich. Das heißt, wir sehen, wie die Haltungsform des Tieres ist. Kollege Hauser hat ja recht drastisch und anschaulich beschrieben, unter welchen Bedingungen die Hühner zum Teil leben müssen. Dieses Ei hat noch einen Riesenvorteil, da steht eine Null drauf. Null heißt bio, und damit kann ich als Konsument auch noch etwas anderes nachvollziehen: gentechnikfreie Fütterung, männliche Küken werden nicht getötet. Für die paar Cent mehr, die man für dieses Ei bezahlt, wird auch garantiert, dass männliche Küken nicht getötet werden.

Ich glaube, dass das nicht nur bei Bioeiern der Fall sein sollte, darum darf ich jetzt unse­ren Antrag einbringen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 173

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbot des Tö­tens männlicher Kücken“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, wel­che mit Inkraftreten am 1.1.2022 das Töten männlicher Kücken aus rein wirtschaftlichen Gründen verbietet.“

*****

Ich habe hier noch Speck (ein in Folie eingeschweißtes Stück Speck in die Höhe hal­tend), den habe ich von einem Bauern, den ich sehr schätze, der auf seine Viecher schaut.

Wisst ihr, was das Problem ist? Wisst ihr auch, was das Problem bei Eiern ist, wenn man heute kein Biolandwirt ist? Wo bekommt man die Futtermittel? (Zwischenruf bei der SPÖ.) – Unsere regionalen Bäuerinnen und Bauern sind Teil der internationalen Agrarin­dustrie, und das ist das Problem, vor dem wir immer wieder stehen. Ihr versucht, einzig Regionalität in den Vordergrund zu rücken. – Regionalität alleine ist zu wenig. Es braucht auch eine transparente Kennzeichnung der Zutaten. (Beifall bei der SPÖ.)

Mich fragt der Bauer, was er tun soll. Der steht natürlich unter Preisdruck, der muss natürlich das Futter zukaufen, und was macht er? – Er kauft natürlich das Soja zu und weiß genau, das kommt aus Brasilien und ist gentechnisch verändert. Er braucht eine Antwort auf die Frage, was er denn sonst tun soll. Jetzt haben wir es zum Glück in Öster­reich geschafft, zusätzliche Anbauflächen für Soja zu bekommen. Das Positive ist: Der gesamte Zuwachs an Anbauflächen im letzten Jahr war biologisch. Das ist etwas, worauf wir stolz sein können, aber wir wissen, dass wir deutlich zu wenig haben. Darum geht es.

Es ist nicht ausreichend, nur die Regionalität zu bewerben, es braucht auch eine Kenn­zeichnung dessen, was drinnen ist. Dabei stoßen wir – und das müsst ihr euch vorwerfen lassen – bei der ÖVP immer wieder an eine Wand. Das ist das Problem. Kollege Hechen­berger sagt so locker, ihr, die FPÖ, hättet es umsetzen können. – Ich meine, entschul­digt, wir haben es erlebt, wir sind auch mehrfach gegen diese Wand gelaufen! Und trotz all dieser guten Vorsätze, die jetzt die Grünen und der Herr Minister haben – auch Sie werden noch einmal diese Wand erleben!

Da gehört aus meiner Sicht – darüber müsst ihr irgendwann einmal nachdenken – ein fundamentaler Wechsel her, denn wir erleben, dass Familienbetriebe zum Teil ums Überleben kämpfen, weil sie eben Teil dieser internationalen Strukturen sind, weil sie von den internationalen Lieferketten abhängig sind. Wir brauchen da eine Antwort für Landwirte und Landwirtinnen in den Regionen, damit wir diesen kleinen bäuerlichen Betrieben tatsächlich das Überleben sichern, und zwar nachhaltig und nicht dadurch, dass wir industrielle Logik begünstigen, den Bauer vorne hinstellen und sagen: Es ist eh alles in Ordnung, kauft regional, dann braucht ihr euch keine Sorgen zu machen! – Nein, die sind Teil dieser internationalen Agrarindustrie, und das müssen wir immer wieder aufzeigen. Wir müssen diesen Bäuerinnen und Bauern helfen. Die wollen etwas ändern, die sind auch bereit dazu, etwas zu ändern, aber sie brauchen auch die Möglichkeit, dass sie es machen können. Es sind etliche Parteien hier in diesem Haus bereit, diesen Weg zu gehen – eine fehlt noch, und das ist die ÖVP. Ich hoffe, ihr kommt mit.

Zum Körberl: Eigentlich hätte es vielleicht der Minister verdient, ich schenke es aber Kollegen Leichtfried, der hat nämlich heute Geburtstag und soll heute auch etwas Ge­scheites bekommen. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

14.58


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 174

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dietmar Keck, Ing. Markus Vogl

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Verbot des Tötens männlicher Kücken

eingebracht zu TOP 9 Bericht des Gesundheitsausschusses über den Tierschutzbe­richt 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz (III-84 d.B.)

Das Töten männlicher Küken ist ein in der Geflügelwirtschaft derzeit noch überwiegend üblicherweise durchgeführter Vorgang. Männliche Küken werden nur in sehr wenigen Fällen weiter aufgezogen, da sie in der Eierproduktion nicht gebraucht werden bzw. ihre Mast zu wenig rentabel ist. Im Jahr 2014 wurden laut der Tierschutzorganisation VIER PFOTEN in Österreich etwa 9,4 Mio. Küken getötet. Im Jahr 2016 waren es laut VGT 9,3 Mio. männliche Küken, welche sofort nach dem Schlüpfen getötet wurden. In deut­schen Brütereien sterben so jedes Jahr 40 bis 50 Millionen männliche Küken aus rein wirtschaftlichen Gründen.

In Österreich werden männliche Küken in der konventionellen Landwirtschaft, wie in an­deren Ländern, getötet. Die Bio-Branche hat sich darauf geeinigt, männliche Küken zu mästen. Es wird weiterhin eine Legehennen-Hybridlinie verwendet, deren Brüder wenig Fleisch ansetzen und eine vergleichsweise schlechte Futterverwertungsrate haben. Die Kosten für die Mast der so genannten “Bruderhähne” decken die Bio-Eier, die dadurch wenige Cent mehr kosten.

Vermeiden ließe sich die Tötung, indem die Geschlechtsbestimmung schon im Hühnerei erfolgt und männliche Küken nicht ausgebrütet werden („Ovo-Geschlechtsbestim­mung“). Ein solches Verfahren wurde durch die Firma Seleggt entwickelt, wobei aller­dings die Geschlechterbestimmung erst am achten Tag, an dem die Entwicklung des Embryos bereits relativ weit fortgeschritten ist, mit einer hohen Trefferquote erfolgen kann. Die Eier werden derzeit von rund 380 Rewe- und Penny-Filialen in Deutschland vertrieben. Weitere Methoden, bei denen das angebrütete Ei geöffnet werden muss, sind die Streulichtmethode zur Untersuchung der Blutgefäße des Embryos und die Hormon­methode, bei der entnommener Urin untersucht wird. Eine Methode, die das Ei unver­sehrt lässt, beruht auf der Bildauswertung einer Magnetresonanztomografie des bereits angebrüteten Eies. Eine Sortierungsmethode bis zum siebten Entwicklungstag des Embryos gilt als erstrebenswert, wobei noch nicht endgültig geklärt ist, ab wann der Embryo Schmerzempfinden hat.

Um ausreichend Zeit für die Implementierung dieses Verfahrens bzw. für die Umstellung auf eine andere Methode, welche das Töten der männlichen Küken verhindert, für die österreichischen Betriebe zu schaffen, soll das Verbot des Tötens männlicher Küken aus rein wirtschaftlichen Gründen mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, umgehend eine gesetzliche Regelung zur Beschlussfassung vorzulegen, welche


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mit Inkraftreten am 1.1.2022 das Töten männlicher Kücken aus rein wirtschaftlichen Gründen verbietet.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Alles Gute zum Geburtstag, Herr Kollege Leichtfried!

Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Mag. Fischer, geht es sich in 2 Minuten aus, denn um 15 Uhr muss ich unterbre­chen? (Abg. Fischer auf dem Weg zum Rednerpult : Ganz schnell!) – Bitte, Frau Ab­geordnete.


14.58.31

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Die Kennzeichnung, die wir heute besprechen und beschlie­ßen, ist sicher nicht das Gelbe vom Ei, aber es ist die Macht der kleinen Schritte.

Ich glaube, die ist wichtig (Abg. Loacker: ... an kleine Schritte zu gewöhnen, denn große wird es nicht geben!), denn über das Tierwohl zu sprechen und Tierwohl umzusetzen, sind zwei verschiedene Sachen. Wichtig ist, dass wir mit den Konsumenten, Konsumen­tinnen und den Landwirten, Landwirtinnen im Sinne des Tierwohls gemeinsam eine gute Kennzeichnung für unsere Lebensmittel schaffen.

Dafür wird heute ein wichtiger Schritt gemacht. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei Grü­nen und ÖVP.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Die Debatte ist geschlossen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 9 und 10 der Tagesord­nung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäfts­ordnung jetzt um 15 Uhr stattfinden kann.

14.59.46Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirt­schaftskrise“ (701/A)(E)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbstän­digen Antrages 701/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Am 9. Juni 2020 schrieben die Regierungschef_innen aus Belgien, Dänemark, Deutsch­land, Frankreich, Polen und Spanien einen Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen. Die fünf Seiten waren gespickt mit Vorschlägen, was Europa aus dem Chaos der Corona-Krise lernen und wie die EU sich für künftige Pandemien besser wappnen kann. Zentral dabei sind vor allem die gemeinsame Beschaffung, Vorratshaltung und Vertei­lung; sowie eine Vereinheitlichung von Daten. Dieses Schreiben ist auch sinnbildlich für alle Analysen der Effizienz der Krisenstäbe der letzten Wochen bzw. Monaten. Was es braucht ist eine Stelle, die Informationen zusammenträgt und dann evidenzbasiert, nach­vollziehbar und verantwortungsvoll Vorschläge macht. Diese müssen dann vor einer Be­schlussfassung in den Parlamenten (EU oder in Wien) debattiert werden. Wir haben aus


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der Gesundheitskrise gelernt: Es braucht eine zentrale Informationsstelle. Wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren und müssen solche Fehler bei der größten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg vermeiden.

Wenn die Regierung ankündigt, dass man doppelt hilft, wenn man schnell hilft, löst das sicher Zuversicht bei jenen aus, die dringend eine Liquiditätsspritze brauchen. Wenn die Gelder dann aber über Monate nicht ankommen, gehen Vertrauen, Optimismus und Planbarkeit verloren. Wenn diese fehlen, werden wir mit größter Wahrscheinlichkeit in eine Abwärtsspirale kommen, deren Folgen wir aus den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts kennen. Vertrauen ist das Schmiermittel der Wirtschaft und Gesellschaft, doch genau dieses Vertrauen wird durch falsche Ankündigungen und fehlende Geldmit­tel missbraucht. Die Regierung sorgt momentan in erster Linie für Verunsicherung.

Die momentane Aufgabe der Regierung ist es für Sicherheit zu sorgen. Das gilt für ge­sundheitliche Aspekte, aber auch für wirtschaftliche. Denn letztlich geht es um Menschen und damit auch wieder um Gesundheit. Um die nötige Sicherheit zu vermitteln, hat die Regierung mehrere Ebenen: Zum Beispiel die monetäre, aber auch die Kompetenz und Sicherheit, die sie vermitteln. Doch bei dem Chaos und den Unklarheiten, die wir vorfin­den, ergibt sich leider ein Bild der Unsicherheit und des Misstrauens. Sie beschwört mit dem unübersichtlichen Teppich an Einzelmaßnahmen und Almosen, samt dem Wett­kampf an Branchenförderung mit einer Dosis EU-Bashing Verunsicherung.

Die fehlende Sicherheit führt bei den Unternehmer_innen zu Misstrauen und in weiterer Folge zu Konkursen, Zahlungs- und Kreditausfällen. Diese führen zu weiteren Konkur­sen und wachsen schließlich zu Finanz-, Immobilien- und Schuldenkrisen aus, die auch Rentenvermögen vernichten. Die hohe Zahl an zusätzlichen Arbeitslosen in Österreich ist das Ergebnis dieser Politik, die auch für die Gesundheit unserer Bürger_innen negativ ist.

Aus aktuellen Zahlen der Förderungen erkennt man, dass Hilfen nicht ankommen. Die fehlende Nachvollziehbarkeit bei der Abwicklung der Förderungen sowie die fehlende Nachvollziehbarkeit bei den Verantwortlichkeiten führen nur zu Schuldzuweisungen, die es zu vermeiden gilt. Eine Politik dagegen, die auf die Stärken der Menschen dieses Landes setzt, schränkt den Spielraum der Kooperation und der Verbundenheit nicht ein, sondern vergrößert deren Wirkungsraum. Dafür brauchen wir einen Staat, der die Men­schen schützt und fördert, der sich ihnen gegenüber in jeder Situation verantwortlich zeigt, der mit seinen Ressourcen sparsam haushält und dem wir daher auch wieder ver­trauen können. Dieses Vertrauen wurde durch die fehlende Professionalität getrübt. Aber auch das Verharren in Schuldzuweisungen und dem fehlenden Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben, ist diesem Vertrauen nicht zuträglich. Wir sollten aus diesen Fehlern endlich lernen. Die undurchsichtige Politik der letzten Wochen, in denen man nie genau wusste, was gilt, muss ein Ende haben.

Das Vertrauen auf koordiniertes, nachvollziehbares Vorgehen, statt Klientelwettbewerb zwischen Türkis und Grün ist angebracht. Eine zentrale Stelle ist deswegen von Nöten, weil nur dann sichergestellt werden kann, dass der Wettbewerb der Regierungspartner, wer welchem Klientel wann was zugesteht, endlich aufhört. Für ein sinnvolles Gesamt­paket braucht es eine neue Zuversicht, denn mit Einzelmaßnahmen und den Almosen, wie ein Hunderter hier, ein Hunderter da, werden wir nicht aus der Krise kommen.

Transparenz: Politische Entscheidungen dürfen keine Black Box sein. In Österreich ist das jedoch nach wie vor die Regel. Egal ob AUA oder KMU. Die Geldflüsse müssen nachvollziehbar sein, Bürger_innen müssen sich ein Bild machen können, wohin wieviel Förderungen gehen und Expert_innen müssen überprüfen können, ob es Verzerrungen gibt. Nur dann vertrauen Bürger_innen in Institutionen des Staates. Dies gilt im vorliegen­den Fall der AUA insbesondere auch für die strategische Perspektive. Die Abhängigkeit


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des Flughafens Wien von einzelnen Fluglinien muss reduziert werden, um das Risiko zu reduzieren, dass in der nächsten Krise der Luftfahrt wiederum die öffentliche Hand zur Kasse gebeten wird. Hier hat die Politik vom Flughafen Wien und seinen öffentlichen Eigentümern Wien und Niederösterreich klare Konzepte und deren Umsetzung einzufor­dern. Die österreichischen Steuerzahler_innen haben ein Recht darauf, nicht erpressbar zu sein.

Wir alle hoffen auf eine schnelle Erholung der Weltwirtschaft. Doch falls sie kommt, wird diese nicht aufgrund einer ökonomischen Vitalität erfolgen, sondern aufgrund monetärer bzw. fiskalischer (d.h. staatlicher) Geldinjektionen. Wir stehen vor einem Aufschwung, das steht fest. Nur ist es unwahrscheinlich, dass es ein Aufschwung aufgrund von quali­tativem Wachstum ist. Ökonom Nouril Roubini dazu: „Natürlich werden wir in der zweiten Jahreshälfte einen Aufschwung sehen. Nur wird es kein echter sein, sondern eine Sin­nestäuschung“. Woran es zurzeit mangelt ist Zuversicht. Schon deshalb besteht die Ge­fahr, dass die Mehrwertsteuersenkung vor allem die Sparquote erhöht. Mit Kurzfristden­ken erreichen wir keinen Stimmungsumschwung. Die vorgeschlagenen Maßnahmen dieser zentralen Stelle sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, eine zentrale Stelle (z.B. Expert_innenkabinett oder Wirtschaftskoordinator_in) einzurichten, die die Koordinierung von Wirtschaftshilfen und konjunkturbelebenden Maßnahmen übernimmt. Diese Stelle soll vor allem die Koordinie­rung in zeitlicher, inhaltlicher und abwicklungstechnischer Hinsicht mitgestalten. Die vor­geschlagenen Maßnahmen dieser zentralen Stelle sind so zu treffen, dass sie im Rah­men der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, hohen Beschäftigungsstand und außen­wirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem ökologisch nachhalti­gen Wirtschaftswachstum beitragen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antrags­steller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Frau Abgeordneter Mag.a Meinl-Reisinger als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte schön, Frau Klubobfrau.


15.00.14

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werter Herr Staatssekretär! Wer­te Kolleginnen und Kollegen! Liebe alle, die Sie uns heute zuschauen! Wenn Sie sich erinnern, am 15. März, es war Sonntag, sind wir hier in einer doch sehr historischen Sitzung des Nationalrates beisammen gesessen und es gab einen Schulterschluss,


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nämlich – und ich sage das auch heute wieder – einen überzeugten Schulterschluss, um vor allem Ihnen, Herr Gesundheitsminister, Maßnahmen zu ermöglichen, die notwendig sind, um zumindest die Dynamik - - (kurz innehaltend), die Dynamik der Ausbreitung des Virus, im Wege eines Shutdowns oder wie auch immer, zu verlangsamen. (Unruhe im Saal.) – Entschuldigung, ich habe jetzt nur kurz unterbrochen, weil es hier doch recht laut ist, Herr Präsident!


Präsident Ing. Norbert Hofer: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Darf ich bitten, den Ge­räuschpegel ein bisschen zu senken? – Besten Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Maurer.)


Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Danke, meine Herr­schaften. Es ist wichtig, es geht um die Wirtschaft.

Wir haben uns diesem Schulterschluss selbstverständlich angeschlossen. Wir haben sogar darauf gedrängt, um eben die Dynamik der Ausbreitung des Virus zu verlang­samen. Wenn Sie sich aber erinnern: Am 15. März bin ich hier gestanden und habe gesagt: Es geht jetzt um die Gesundheit, und gleich danach geht es um alles. Wir haben von Anfang an – Kollege Schellhorn und ich, ich weiß es ganz genau – gesagt: In dieser Gesundheitskrise, die sich, und das war uns völlig klar, zu einer massiven Wirtschafts- und sozialen Krise auswachsen wird, braucht es eine Balance der Maßnahmen, die ei­nerseits sicherstellt, dass das Gesundheitssystem nicht kippt, andererseits aber auch garantiert, dass weder die Gesellschaft noch die Wirtschaft, noch die Betriebe ins Kippen geraten.

Diese Ermächtigung, die wir gegeben haben, hat dann dazu geführt, dass von einem Tag auf den anderen Unternehmen, Unternehmerinnen und Unternehmer, Betriebe teil­weise direkt, teilweise indirekt – direkt, weil sie ihre Unternehmen mehr oder weniger zusperren mussten, oder indirekt, weil Sie drangehangen sind –, keine Einnahmen, kei­ne Umsätze mehr hatten. Es war ihnen verboten, zu wirtschaften. Mit der Sitzung an diesem Sonntag haben Sie von einem Tag auf den anderen – und das hätten wir anders gemacht, es gab auch entsprechende gemeinsame Anträge vonseiten der gesamten Opposition, dass man das anders macht – den Entschädigungsanspruch, den es für die­se Betriebe, die von den Maßnahmen direkt, unmittelbar betroffen sind, nach dem Epide­miegesetz gegeben hat, ausgehebelt, abgeschafft.

Da sind also Betriebe, die, wenn Sie so wollen, sich über Jahre, Jahrzehnte darauf ver­lassen haben, dass es eine Art Versicherung gibt, wenn so ein Fall eintritt, auf einmal vor der Situation gestanden, dass sie gewusst haben, jetzt sind sie Bittsteller. Diese Menschen – hinter jedem Betrieb stehen Menschen – haben jahrelang durch ihre Tat­kraft, durch ihren Mut, durch ihre Risikobereitschaft, durch ihre Innovationskraft und, ja, auch durch ihren wirtschaftlichen Erfolg letztlich die Millionen an Steuereinnahmen gene­riert, die unter anderem auch dafür gesorgt haben, dass wir so ein gutes Gesundheits­system haben, auf das wir uns auch in dieser Krise so gut verlassen konnten. Diese Menschen haben Sie von einem Tag auf den anderen – und wir haben das heute auch schon gehört – zu Bittstellern degradiert. Menschen, die sich selber als Leistungsträger des gesamten Systems in Österreich verstanden haben, wurden Bittsteller, abhängig von der Gunst der Regierenden. Bei verschiedenen Stellen konnten sie sich für Hilfsleis­tungen anstellen.

Ich glaube auch – und das habe ich am 15. März schon gesagt, als Sie damals ein erstes Rettungspaket in Höhe von 4 Milliarden Euro präsentiert haben –, dass Sie die wirt­schaftlichen und damit auch die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen komplett unterschätzt haben. Wenn Sie sich erinnern: Sie haben mich damals verhöhnt. Ich habe gesagt – und alle, die sich auskennen, wissen das –: 4 Milliarden Euro für alle, die ihren Betrieb schließen müssen, das ist ein Hohn; die wissen jetzt schon, dass sich das nicht


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ausgehen wird. – So war es ja dann auch, Sie mussten nachlegen. Gut – oder besser gesagt: nicht gut –, das war das Wirtschaftsdrama im ersten Akt.

Kommen wir jetzt zum zweiten Akt dieses Wirtschaftsdramas, dem Anlaufen der Wirt­schaftshilfen: Am 16. März habe ich einen Gastkommentar geschrieben – und am 17. oder am 18. März, glaube ich, hat sich Sepp Schellhorn sehr lautstark zu Wort gemel­det – und habe gesagt: Liquidität ist das Beatmungsgerät der Unternehmen. Was die Unternehmen jetzt brauchen, ist Liquidität, und zwar nicht in vier Wochen, nicht in acht Wochen, nicht in zwölf Wochen, sondern jetzt; denn ganz viele Unternehmen, selbst die, die gut dagestanden sind, mittelgroße Handelsunternehmen, haben gesagt, sie stem­men das zwei Wochen, wenn es keine Liquiditätsunterstützung gibt.

Während die Schweiz oder auch Deutschland – wenn Sie auch ein Beispiel für ein Land wollen, das Mitglied der Europäischen Union ist – bewiesen haben, dass sie es auf die Reihe bekommen, den Betrieben rasch, unbürokratisch eine Unterstützung zukommen zu lassen, ersticken die Menschen in Österreich im Bürokratismus und vergiften sich am Misstrauen, das ihnen von den Regierenden entgegengebracht wird. Ja, es ist Miss­trauen, das Sie den Menschen entgegengebracht haben; nicht nur bei der Frage, ob sie die Maßnahmen einhalten, sondern auch den Unternehmerinnen und Unternehmern, den EPUs, die sich nun als Bittsteller für diese Wirtschaftshilfen anstellen mussten, ha­ben Sie gesagt: Da müssen wir aber schon genau prüfen, ob ihr eigentlich wirklich be­dürftig seid! – Misstrauen.

Das ging so weit, dass der Herr Bundeskanzler in der Sendung „Frühstück bei mir“ sinn­gemäß gesagt hat: Die werden halt zu deppert gewesen sein, den Antrag richtig aus­zufüllen (Abg. Belakowitsch: Nein, er hat gesagt ...!), oder, wer weiß, vielleicht haben sie das ja an der Steuer vorbei gemacht! – Ein Generalverdacht, ausgesprochen gegen­über den Unternehmerinnen und Unternehmern, dass sie alle potenzielle Steuerhinter­zieher sind! Mit diesem Misstrauen werden wir nicht aus der Krise kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.)

In diesem zweiten Akt des Wirtschaftsdramas treten auf einmal auch neue Persönlichkei­ten auf, Mitglieder des türkisen Machtnetzwerkes. Ein Beispiel: Harald Mahrer. Er sagt dann: Auch wir, die Wirtschaftskammer, müssen da eine Rolle spielen, also bitte, lasst doch uns diese Wirtschaftshilfen abwickeln! Dabei wissen Sie – wir haben es im Aus­schuss und ein paar Tage später auch im Plenum diskutiert –: Da es doch die es Finanz­ämter gibt, die, wie wir heute im Übrigen gehört haben, binnen Tagen hervorragende Arbeit geleistet haben, ist es nachgerade absurd, auf die Idee zu kommen, da eine völlig neue Institution einzurichten. Die Wirtschaftskammer ist für einen Teil der Menschen, die dort Hilfe gesucht haben, gar nicht zuständig, weil sie keine Mitglieder der Wirtschafts­kammer sind. – Es ging dabei vielleicht doch ein wenig darum, türkise Hegemonialpolitik zu betreiben und sozusagen das Machtnetzwerk auszubauen.

Das Drama wird dann weitergeführt mit dem Fixkostenzuschuss: Auch den haben wir sehr früh gefordert, da gab es ja auch schon früh ein Papier in der Schweiz, das besagt hat, dass es auch da nicht rückzahlbare Zuschüsse geben muss. Auch dazu muss man sagen: Ja, das gibt es, aber man kann nicht gerade sagen, dass das schnell gekommen ist; man kann nicht gerade sagen, dass es unbürokratisch ist. Es ist langsam, es ist schleppend, und auch das ist bürokratisch.

Ich weiß, Ihre Erzählung ist natürlich: Brüssel ist schuld, die böse, böse EU ist schuld! Das hat sogar Sebastian Kurz in einem Interview gesagt; unwidersprochen, wohlge­merkt, durfte er dort sagen: „Die Schweiz ist unter den Top-Staaten [...] weil sie nicht an EU-Regeln gebunden [...] ist.“ – Sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere die Ju­risten unter Ihnen, wer sagt es ihm? (Abg. Loacker: Die Ministerin nicht, weil die glaubt den Schas auch!) – Die Ministerin glaubt es leider auch. (Beifall bei den NEOS.) Selbst­verständlich wissen wir, dass die Schweiz, weil sie natürlich am Binnenmarkt in Europa


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teilnimmt, schon lange einen Großteil der Regeln und Regularien übernommen hat, und es ist einfach falsch, was er da von sich gegeben hat.

Kommen wir also zu dem EU-Bashing, das die Frau Minister sehr gerne betreibt, zum Thema Beihilfenrecht: Da gibt es das Ach-und-Weh-Klagen: Die EU ist schuld, wir wür­den ja gerne unsere Betriebe unterstützen, aber nein, das Beihilfenrecht steht dem ent­gegen! – Bereits am 19. März, meine Damen und Herren, hat die Europäische Kommis­sion das Beihilfenrecht so gelockert, dass klar war, dass Wirtschaftshilfen gemacht wer­den können. Bereits am 3. April wurde die Möglichkeit geschaffen, den Betrieben Kredite bis zu 800 000 Euro zu 100 Prozent garantiert zu geben. Da waren wir weit davon ent­fernt, Frau Minister, dass auch nur ein einziger Cent von einer Bank an einen Betrieb geflossen ist. Also Ihre ewigen Ausreden, dass Brüssel schuld sei, das geht einfach an den Fakten vorbei, komplett ins Leere.

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Beihilfenrecht sagen – ich höre nämlich, es wäre Ihnen am liebsten, wenn das ausgesetzt wird –; überlegen wir einmal: Jetzt geht es vor allem um die nächste Phase. In der ersten Phase wirft man Rettungsringe, ohne lange zu fragen, aber wenn es jetzt um wirklich konjunkturbelebende Maßnahmen oder viel­leicht auch um Stützung von Unternehmen geht, muss man anders handeln. Jetzt geht es darum, dass wir nicht die stützen, die vielleicht 2019 schon insolvent waren. Das werden Sie ja wohl auch nicht wollen – das hat auf jeden Fall Gernot Blümel, glaube ich, einmal in einem Interview gesagt –, das wäre jedenfalls überschießend. Genau das sagt ja auch das Beihilfenrecht. Sie wissen, dass es jederzeit möglich ist, insbesondere den kleinsten, kleinen und auch mittleren Betrieben Beihilfen bis zu 200 000 Euro zur Verfü­gung zu stellen – und zwar ohne Prüfung –, und Sie wissen auch, dass es die Bereit­schaft gibt, jede einzelne Beihilfe, die Sie vorhaben, sofort – binnen Tagen – von der Kom­mission prüfen zu lassen.

Machen wir einmal eine kurze Denkübung, was passieren würde, wenn wirklich das Bei­hilfenrecht ausgesetzt würde, wie Sie sich das vorstellen: Da ist das etatistische Frank­reich sofort dabei und subventioniert die Industrie, Deutschland, weil es sich das leisten kann, macht das auch massiv, in Ländern, die sich bis jetzt schon nicht an Spielregeln gehalten haben – wie Sie das ja auch richtigerweise sagen –, wie Italien kommt es zu einem flotten Subventionieren der eigenen Betriebe. – Der freie und vor allem faire Wett­bewerb in Europa wäre Geschichte, und gerade eine kleine, offene Volkswirtschaft, die so auf kleinen, mittelständischen Betrieben aufgebaut ist, hätte da das Nachsehen. Frau Minister, sind Sie Wirtschaftsministerin Österreichs oder Venezuelas?, frage ich Sie heu­te hier. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Matznetter.)

Übrigens, welche Auswirkungen exzessive staatliche Beihilfen haben können, das hat uns, glaube ich, die Hypo Alpe-Adria eindrucksvoll vor Augen geführt. Ich würde also sagen: Lassen wir lieber die Finger von solchen Marktverzerrungen und dann letztlich Megapleiten!.

Aber gut – oder besser: nein, nicht gut –, es ist ja auch eine Weltwirtschaftskrise, wie Sie betonen – wohl auch, um zu verschleiern, welchen Anteil Sie dereinst an den Pleiten, die passieren werden, an den Betriebsschließungen, die es geben wird, und damit auch den arbeitslos gewordenen Menschen zu verantworten haben werden. Glauben Sie mir, die wird es massiv geben, und das ist durchaus auch auf Ihre Politik zurückzuführen!

Kommen wir zum dritten Akt des Wirtschaftsdramas: Also trat die Bundesregierung vor Entschlossenheit strotzend, mit seriöser Miene, gut ausgeleuchtet einmal mehr vor die Kameras – vor die Medien – und verkündete weißen Rauch aus der Krisenklausur. – Ich finde es eigentlich sehr schade, dass Sie das nicht Zuversichtsklausur genannt haben, weil ich tatsächlich glaube, dass es das ist, was die Menschen, was die Betriebe, was die Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt am meisten brauchen: einen optimisti­schen, zuversichtlichen Blick in die Zukunft – der übrigens auch eines bedeutet: nicht


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weiter drohen mit Shutdowns im Herbst (Zwischenruf des Abg. Haubner), das ist ganz, ganz wichtig. Also eine Aussage wie: Wir werden das klüger, wir werden das smarter machen als das letzte Mal!, das wäre eine wirklich zuversichtliche Rhetorik, die notwen­dig wäre, um das Vertrauen der Menschen, insbesondere der Unternehmerinnen und Unternehmer wiederherzustellen, dass es besser wird.

Also gut: Sie traten vor die Kameras, und die Minister – oder Ministerdarsteller, wie ich sie manchmal nenne – verkündeten die Vorhaben, mehrere weitere Pakete. So, und das will ich jetzt sehr ernst machen und ganz ohne Ironie: Da ist viel Gutes drin – da ist auch viel drin, was wir gefordert haben. Da möchte ich jetzt wirklich nicht hintanstehen, zu sagen, dass da auch wichtige Maßnahmen enthalten sind, wie zum Beispiel die Möglich­keit eines Verlustrücktrags – das haben wir gefordert – oder auch steuerbegünstigte In­vestitionen.

Das sind richtige Maßnahmen, das Problem ist aber, dass da auch einige Maßnahmen enthalten sind, die Klientelismus pur sind, die nichts damit zu tun haben, dass Menschen besonders hart von der Krise getroffen wurden, oder auch nichts damit zu tun haben, dass es konjunkturbelebende Auswirkungen hat; zum Beispiel die Erhöhung der Bauern­pensionen. Ich habe ja nichts dagegen, aber sagen Sie mir bitte: Wo ist da jetzt der wirkliche Härtefall durch Covid und wo ist da die konjunkturbelebende Maßnahme? Die Gefahr droht, dass Sie sich hier in einem Klein-Klein und in einem Klientelismus par excellence ergehen. Je nachdem welche Lobby mehr Druck macht, gibt es da und dort weiter Geldgeschenke. Man könnte ja auch sagen, das ist ein Spendieraktionismus, den Sie hier an den Tag legen.

Es gibt tatsächlich drei große Probleme. Das erste ist: Aufgrund dieser verkorksten Wirt­schaftshilfe am Beginn – und die haben Sie wirklich schlecht gemacht – haben die Men­schen das Vertrauen in die Regierenden verloren, dass diese es zustande bringen, dass es jetzt besser wird. Absichtserklärungen oder auch schöne Pressekonferenzen reichen nämlich nicht, wenn zwischen der Absicht und der tatsächlichen Realisierung eine breite, in zeitlicher Hinsicht, und tiefe, in bürokratischer Hinsicht, Kluft liegt – und diese Kluft ist gewaltig!

Die Menschen spüren das ja: Sie können noch so oft erzählen, dass das alles so rasch und unbürokratisch passiert, der Friseur, den es betrifft, die Betriebe, die es betrifft, die teilweise noch immer auf die Gelder für die Kurzarbeit warten, die wissen ja, dass das nicht stimmt. Und glauben Sie mir, sie erzählen das auch ihren Kunden, weil sie so ange­fressen sind (Abg. Schmidhofer: Wir glauben es nicht!), dass das alles einfach irgend­wie so eine schöne – wie soll man sagen? – Fototapete ist, die sie da sehen. Die Men­schen haben mittlerweile gemerkt, dass diese inszenierten Pressekonferenzen, dass ei­ne Schlagzeile noch keine gute Wirtschaftspolitik macht. Es fehlt tatsächlich, und das meine ich ernst, an Substanz – an wirklicher Substanz dahinter – und offensichtlich, und auch das meine ich ernst, an Fachkompetenz – aus der Praxis kommend –, was das für Betriebe heißt.

Zweitens: Während man am Beginn – das habe ich schon gesagt, und auch darüber haben wir diskutiert; es gab ja auch genügend Papiere von Ökonomen, die gesagt ha­ben, gerade bei den raschen Hilfen zu Beginn darf Moral Hazard keine Rolle spielen – ohne Prüfung rasch Rettungsringe hätte werfen sollen, wurde geprüft. Jetzt aber, da man sehr zielgerichtet helfen sollte, greift man zur Gießkanne. Das Resultat ist ein umfas­sendes Stückwerk, bei dem eigentlich der gesamthafte Plan dahinter, der Vertrauen und Zuversicht schafft, fehlt.

So, und nun zum dritten Punkt, und der ist mir besonders wichtig: Ich weiß, Sie stehen auf das Wort Comeback, ich bin aber überzeugt davon, in vielen, vielen Teilen braucht es kein Comeback, sondern den Mut zu einer echten Erneuerung. Wir haben nämlich in


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dieser Krise ganz viel gesehen, das nicht gut funktioniert, wo Ungerechtigkeiten oder systemische Schwächen vorhanden sind oder schon längst Reformen hätten gemacht werden müssen, die in 30 Jahren, in denen die ÖVP in der Regierung ist, nicht ange­gangen wurden, beispielsweise die Digitalisierung in der Schule – ich weiß, da ist ges­tern etwas vorgestellt worden; huuu (Abg. Schmidhofer: Was denn, ja was denn?), Wahnsinnsgeschwindigkeit einer Schnecke, bis 2023 werden wir WLAN in den Schulen haben! – oder auch die Frage: Erreichen wir jedes Kind, lassen wir da nicht Kinder zu­rück?

Betreffend die mangelnde Absicherung von EPUs, von freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern, von Selbstständigen gab es nichts. Betreffend die sehr dünne Eigenkapi­taldecke, Frau Minister, gibt es seit Jahren Vorschläge von uns. Da gibt es die Möglich­keit, Anreize zu setzen, dass Eigenkapital gestärkt wird, beispielsweise die steuerliche Gleichbehandlung oder durch ein Private-Equity-Gesetz. All das hätte die ÖVP in 30 Jahren machen können. Die hohe Belastung durch Bürokratie, durch Steuern, durch Lohnnebenkosten, ja, die würgt die Unternehmerinnen und Unternehmern jetzt auch noch ordentlich. Das alles hätten Sie angehen können.

Es braucht jetzt diesen Mut zu einer echten Erneuerung und zu großen Schritten – weil ich vorhin auch gehört habe: immerhin kleine Schritte; die Macht der kleinen Schritte – in Richtung von Reformen, weg von dem Klein-Klein zu einem gesamthaften Plan, wie wir aus dieser Krise wirklich wieder gut herauskommen – ja, vielleicht sogar stärker he­rauskommen, weil wir wesentliche Hausaufgaben gemacht haben, die vorher nicht ge­macht wurden.

Wenn es jetzt – das ist sozusagen nicht die Bundesebene, sondern die Landesebene; ich schaue nach Wien, wo Gutscheine ausgeteilt werden – auch noch so einen gewissen Spendieraktionismus föderalen Charakters nach dem Motto: Wer ist gütiger, wer bietet mehr?, gibt, dann ist das auch problematisch; auch das ist kein gesamthafter Konjunktur­plan. Es braucht die besten und die effektivsten Maßnahmen – die übrigens auch den Klimaschutz mitnehmen; das ist nämlich jetzt eine enorme Chance, wenn man so viel Geld in die Hand nimmt – und nicht jene Maßnahmen, bei denen man das meiste Geld für bestimmte Klientelen in die Hand nimmt.

Krisen wurden dann gut gemeistert, wenn es eine zentrale Koordinationsstelle gegeben hat. Sie als ÖVP wollten das nicht, aber der Flüchtlingskoordinator hat gute Arbeit ge­macht. Direkt in der Gesundheitskrise hätten wir es durchaus gut gefunden, wenn es einen Krisenkoordinator gegeben hätte; da gab es ja auch verschiedene Zuständig­keiten, und vielleicht wäre das manchmal sinnhafter gewesen, als dass in 90 Presse­konferenzen die ewig gleichen vier Minister Unterschiedliches sagen. (Zwischenruf der Abg. Niss.)

Wir als NEOS sind davon überzeugt, dass Sie in dieser Regierung dringend einen Wirt­schaftskoordinator bräuchten, der dann übrigens auch die Bundesländer mitnimmt und einen gesamthaften Plan vorlegt, wie wir wirklich gut und richtig und gestärkt aus dieser Krise kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

15.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


15.19.21

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen zu Hause! Die Pandemie ist ein großer Rückschlag – ja, für uns alle –,


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denn unsere Wirtschaft war gut unterwegs, unsere Unternehmen waren sehr gut unter­wegs. Es ist ein tiefes Tal, durch das wir gemeinsam gehen, denn es ist eine Weltwirt­schaftskrise; da können Sie etwas anderes sagen, aber es ist eine Krise, die alle Länder dieser Welt betrifft. (Abg. Meinl-Reisinger: Ich sage nichts anderes!) Ich habe Betriebs­wirtschaft studiert und 22 Jahre in der Wirtschaft gearbeitet, davon 15 Jahre Unterneh­men geführt. – Das ist die größte Krise, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam erleben, sie ist viel härter als die Krise 2008 und 2009.

Wir sind gesundheitlich gut durch diese Krise gekommen: durch den Schulterschluss, durch das Gemeinsame, durch das Zusammenarbeiten von Regierung und Parlament, aber vor allem wegen der Menschen, die in Österreich leben und die mitgemacht haben. Wir sind – besser als andere Länder, das muss hier einmal gesagt werden – auch gut durch die wirtschaftliche Krise, die ersten Monate dieser wirtschaftlichen Krise gekom­men. Wenn Sie immer die Zahlen von Schweden, der Schweiz, Deutschland und gestern sogar der Slowakei und Ungarns nennen, dann möchte ich Sie bitten, die OECD-Zahlen anzuschauen; ich gebe Sie Ihnen gerne. Der Forecast für Österreich liegt bei minus 6,2 Prozent und, siehe da, jener für die Schweiz bei minus 7,7 Prozent, jener für Schwe­den bei minus 6,7 Prozent, und jener für Deutschland ist ebenso schlechter. Das ist ein guter Ausgangspunkt für uns alle, es ist ein guter Start. Auch die Werte für Ungarn und die Slowakei sind – anders als gestern gesagt wurde – viel schlechter: für Ungarn minus 8 Prozent und für die Slowakei sogar minus 9,3 Prozent. – Das sage ich nur, weil ich das gestern hier auch anders gehört habe.

Es ist wichtig, dass wir das Momentum dieser ersten Tage, dieser ersten Wochen und Monate nutzen, in denen wir gut durchgekommen sind, jetzt heißt es aber, dranzublei­ben, jetzt heißt es, hier gemeinsam zu arbeiten, gemeinsam – Regierung und Parla­ment – staatspolitische Verantwortung zu übernehmen, um jeden Arbeitsplatz in Öster­reich zu kämpfen, für die Unternehmen zu kämpfen, alle Unternehmen zu unterstützen, die jetzt betroffen sind – und das sind alle Unternehmen in Österreich. Dafür kämpfen Sie und dafür kämpfen wir in der Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie uns gemeinsam einen kurzen Rückblick machen und anschauen, was so passiert ist! 23 Milliarden Euro an konkreten Hilfen, an Liquidität für Unternehmen sind umgesetzt und zugesagt. Ja, Garantien sind keine Auszahlung von liquiden Mitteln, aber zu Ihrem Verweis auf die Schweiz: Die Schweiz hat exakt dasselbe Modell verwendet wie Österreich, in dem die Banken die erste Anlaufstelle sind. Schauen Sie ins Internet, Sie werden sehen, dass der Schweizer Wirtschaftsminister ganz klar sagt, dass die Banken die erste Anlaufstelle sind und betreffend Garantien und Kredite als ein Mittel – wohlgemerkt nur ein Mittel! – für die Liquidität helfen.

Es braucht dieses große Sicherheitsnetz, das jeden Tag größer wird; wir sehen, dass wir das weiter ausbauen und entsprechend Schritt für Schritt an die Notwendigkeiten anpassen. Auch wenn man immer etwas verbessern und anders machen kann, ich sage Ihnen – ich habe heute wieder mit vielen Unternehmern gesprochen –: Die Hilfe kommt an, und die Hilfe wirkt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn Sie sich die Garantien ansehen: Für 5,3 Milliarden Euro gab es Garantien. Nun zu den 100-prozentigen Garantien: Das sind 1,3 Milliarden Euro. Jetzt fragen Sie sich sicher: Wie viel ist das in Deutschland, vielleicht zehn Mal so viel? – Nein, in Deutschland wurden Garantien für 3,5 Milliarden Euro vergeben. Betreffend Kurzarbeit – auch ich habe 2008 und 2009 in einem Unternehmen gearbeitet, und auch dort haben wir damals schon Kurzarbeit in Anspruch genommen – haben wir gemeinsam mit den Sozialpart­nern – noch einmal Danke an die Sozialpartner – ein einzigartiges Modell geschaffen. Auch da schauen wir über die Grenze, und was sehen wir? – In Deutschland eine Ersatz­rate von 60 bis 67 Prozent, in Österreich von 80 bis 90 Prozent. 2 Milliarden Euro wurden an 80 000 Betriebe ausbezahlt, täglich werden dreistellige Millionenbeträge ausbezahlt.


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Ja, das wächst natürlich jetzt rasch an, weil die Unternehmen abrechnen und Anträge beim AMS einreichen. (Abg. Loacker: Das kann nicht stimmen!)

Nun zum Unternehmerlohn: Da sind jetzt 300 Millionen, bereits etwas mehr als 300 Mil­lionen Euro ausbezahlt. Da dieser Unternehmerlohn immer so kritisiert wird, möchte ich schon eines sagen: Den Ersatz des Unternehmerlohns gibt es in Deutschland nicht. Bei uns gibt es diesen Ersatz des Unternehmerlohns, das ist ein ganz wichtiger Punkt. 6 000 Euro bis 15 000 Euro sind da jeweils als Beträge vorgesehen.

Nun zu den Steuerstundungen und der Herabsetzung der Sozialversicherungsbeiträge – die sind ein ganz, ganz wichtiges Mittel –: Jeder, der ein Unternehmen geführt hat, weiß, dass zwei Dinge am Anfang ganz, ganz wesentlich sind: die Steuern und die Sozialversi­cherungsbeiträge. Beides muss gestundet werden und wurde in der Höhe von 6,2 Mil­liarden Euro gestundet. Das liegt ungefähr auf dem Niveau von Deutschland, das aber zehn Mal so groß ist. Es werden keine Zinsen verrechnet, das zu erwähnen ist mir auch besonders wichtig. Das reduziert natürlich auch die Bürokratie in den Unternehmen. 98 Prozent aller Stundungen gehen an Kleinst- und Mittelbetriebe. Wenn Sie da noch einmal genauer hinschauen, so sehen Sie: 77 Prozent dieser Stundungen sind für Unter­nehmen, die weniger als 700 000 Euro Umsatz pro Jahr haben.

Ich möchte heute und hier die Gelegenheit nutzen, mich zu bedanken. Bei all der Kritik, die Sie immer haben, stehen dahinter Menschen: im AMS, in der AWS, auch in der Wirt­schaftskammer – eine Freundin von mir arbeitet dort, um Anträge betreffend Unterneh­merlohn entsprechend abzuarbeiten (Abg. Loacker: Sie ist dort!), – die Finanzämter; alle arbeiten sie unter Vollauslastung und mit Herzblut. – Mein großes Danke an alle, die dort arbeiten. Ich glaube, diese Arbeit ist die Wertschätzung wert. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Die Mitarbeiter der WKÖ waren eh nicht glücklich!)

Sehr geehrte Damen und Herren, alles, was wir getan haben, und alles, was wir tun, tun wir nicht, wie Sie vielleicht manchmal glauben, im stillen Kämmerlein, sondern im Aus­tausch. Ich persönlich habe in mehr als 40 Runden mit Unternehmerinnen und Unterneh­mern gesprochen, mehr als 500 Unternehmerinnen und Unternehmer haben mit mir per­sönlich gesprochen: über Videokonferenzen, über Telefonkonferenzen und jetzt, als es möglich war, wieder persönlich. Wirtschaftsforscherinnen, Wirtschaftsforscher – ich hat­te eine eigene Runde nur mit Frauen, Wirtschaftsforscherinnen, um auch darauf einen Fokus zu legen –, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ökonominnen und Öko­nomen – auch ihnen möchte ich Danke sagen, denn auch sie haben gute Inputs und Vorschläge geliefert, die eingeflossen sind, und zwar in einem einzigartigen Schulter­schluss, den wir mit Wissenschaft, Forschung und Unternehmen in den letzten Tagen und Wochen gemeinsam erreicht haben. – Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es geht darum – und da gebe ich Ihnen vollkommen recht –, Jobs zu retten, Jobs zu sichern und Jobs zu erhalten. Eine gute Wirtschaftspolitik ist aus meiner Sicht die beste Sozialpolitik, denn es geht darum, dass die Menschen so rasch wie möglich wieder in Jobs zurückkehren können, dass sie wieder arbeiten können, dass sie für ihre Familien sorgen können. Dafür ist der Betrag von 50 Milliarden Euro, den wir in Summe beschlos­sen haben und umsetzen, da; er ist dafür da, als Wirtschaftspaket die Konjunktur anzu­kurbeln sowie Arbeitsplätze zu sichern und entsprechend zu stützen.

Ich möchte auch dem Koalitionspartner für die erfolgreiche Zusammenarbeit und, ja, für die erfolgreiche Arbeitsklausur danken, denn niemand hat es so genannt, wie Sie es bezeichnet haben; Sie haben gesagt: Krisenklausur. Nicht alles, was in den Medien steht, beschreibt das, was wir tun. Wir haben dort gearbeitet, deshalb sind wir mit mehr Geld aus dieser Klausur herausgekommen, als wir hineingegangen sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Messagecontrol verrutscht!)


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Arbeitsplätze retten und Arbeitsplätze schaffen, den zögerlichen Konsum anregen und die Folgen der Weltwirtschaftskrise abfedern – jede einzelne Maßnahme kommt den Menschen in Österreich zugute. Das tun wir gemeinsam hier im Schulterschluss – Parla­ment und Regierung –, wir wollen den Menschen in Österreich helfen und wir wollen ihnen auch helfen, indem wir sie intensiv unterstützen. Wir werden mit den Maßnahmen, die wir getroffen haben, den Standort stärken, und das sollten wir gemeinsam in unserer staatspolitischen Verantwortung auch nicht schlechtreden.

Nun zu den verschiedensten Paketen, die jetzt gerade beschlossen worden sind: Ent­lasten: 5 Milliarden Euro. Die kleinen Einkommen zu entlasten ist ein wesentlicher Punkt. Was bedeutet das für eine Familie? – Für eine Familie mit zwei Kindern, in der ein Eltern­teil Vollzeit und einer Teilzeit arbeitet, bedeutet das 1 170 Euro. Da ist der Kinderbonus mit 360 Euro pro Kind dabei und auch die Steuersenkung von 25 Prozent auf 20 Prozent.

Zum Investpaket von 6 Milliarden Euro: Es unterstützt die Unternehmen, und – auch wenn Sie es vielleicht anders sehen – ich habe heute mit mehreren Unternehmern ge­sprochen, die mich schon aktiv kontaktiert haben, mich angerufen haben, mir geschrie­ben (Abg. Meinl-Reisinger: Haben Sie sogar gelobt!) und gefragt haben: Wie können wir es schaffen, die Investitionen nach vor zu holen, wie können wir es schaffen, diesen Bonus, diese Investitionsprämie zu nutzen? – Ja, es ist recht einfach, und da bitte ich Sie wirklich um Ihre Unterstützung, denn 7 Prozent und weitere 7 Prozent für die Schwerpunktthemen Ökologisierung, Digitalisierung und Lifesciences stehen zur Verfü­gung. Das wird ab September im Zusammenhang mit dem Thema Investitionsprämie abrufbar sein, so wie wir es auch von der Forschungsprämie kennen.

Ein zweiter wichtiger Punkt betreffend Investitionen sind die degressiven Abschreibun­gen. Wenn wir da immer – und ich habe ja lange Unternehmen geleitet und selbst auch an der Uni Wirtschaft studiert – von einer linearen Abschreibung ausgegangen sind, dann entspricht das nicht der Realität. Die tatsächliche Abschreibung ist im ersten Jahr viel höher. Diese 30 Prozent helfen den Unternehmen, das haben mir die Unternehmer heute auch bestätigt.

Das Gemeindepaket, 1 Milliarde Euro, soll vor allem den KMUs zugutekommen, die dort an Schulen bauen, an Kinderspielplätzen, in verschiedenen Bereichen.

25 000 Wohnungen im Jahr: Ich habe dieses Konzept der WBIB schon vorgefunden, und ja, es ist wichtig, dass man es im Sinne des leistbaren Wohnens umsetzt. Zu diesem Thema stehe ich auch, dass wir diese Wohnungen für die nächste Generation bauen und mit diesen Wohnungen einen Schwung für die KMUs erzeugen, für jeden Instal­lateur, der da mitarbeitet. Dafür stehe ich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Sobotka hat das ein bisschen anders gesehen, oder?!) Ich stehe auch dafür, dieses gute Konzept zu nehmen und umzusetzen, denn letztendlich kommt es nicht darauf an, von wem die Konzepte, die vielleicht zehn Jahre in der Schublade liegen, entwickelt wurden, sondern es kommt darauf an, wer sie um­setzt. (Zwischenrufe bei den NEOS.)

Ja, auch die Eigenkapitalstärkung ist sehr, sehr wichtig, die Eigenkapitalstärkung ist ein wesentlicher Punkt, auch das finden Sie in dem 50-Milliarden-Euro-Programm. Die Ei­genkapitalstärkung beinhaltet sicherlich verschiedene Punkte, und da freue ich mich, wenn Inputs kommen: von der Mitarbeiterbeteiligung über den Equityfonds bis zur Ver­zinsung des Eigenkapitals oder auch die Umwandlung von Krediten in Eigenkapital. Ja, unsere Klein- und Mittelbetriebe brauchen eine stärkere Eigenkapitalbasis, und auch das wird in diesem Programm enthalten sein; das ist ein wichtiger nächster Schritt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun zum Gründerpaket und Deregulierungspaket: Diese Krise beinhaltet auch eine Chance. Sie ist für uns die Chance, gemeinsam etwas anders zu machen, Dinge einfa­cher und schneller zu machen. Nur zwei Beispiele, zu denen ich mich voll committe: das


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Once-only-Prinzip, dass Daten nur einmal eingegeben werden müssen, und die grace period, die ich schon ins Regierungsprogramm gebracht habe. Jetzt ist sie wichtiger als je zuvor, denn viele Generationen werden sich entscheiden, gerade jetzt an die jüngere Generation zu übergeben, und dann braucht es nicht große Kontrollen von unserer Seite, sondern da brauchen sie zwei Jahre Zeit, um sich auf das zu konzentrieren, was wichtig ist.

Zum Arbeitsmarkt: Es gibt ein Minus von 100 000 Arbeitslosen gegenüber dem Höhe­punkt der Krise, 100 000 Menschen haben also wieder Arbeit gefunden. Wir müssen da dranbleiben, wir müssen gemeinsam für die Zukunft und auch für die Lehrlinge, die mir besonders wichtig sind, arbeiten. Zum Lehrlingsbonus von 2 000 Euro: Bitte tragen Sie das hinaus in Ihre Gemeinden, dorthin, wo Sie verantwortlich sind, helfen Sie mir und uns dabei, dass die Unternehmen wissen, dass sie 2 000 Euro für jeden neuen Lehrplatz bekommen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun zu Ihnen: Die NEOS fordern ein Expertenkabinett zur Koordinierung der Wirtschafts­hilfen. Ich sage Ihnen: Das gibt es bereits, es nennt sich Wirtschaftsministerium und ist am Stubenring. Das sollten die NEOS, glaube ich, kennen (Abg. Loacker – die Hand hebend –: Ich kenne es!), immerhin ist einer Ihrer Abgeordneten dort einmal widerrecht­lich gemeldet gewesen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen sowie Heiterkeit bei den NEOS. – Abg. Loacker: Sind Sie immer noch belei­digt? – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Loacker –: Bist ... umgezogen?)

Mein Appell an Sie lautet also: Ziehen wir gemeinsam an einem Strang! Es ist jetzt nicht die Zeit, Gräben aufzureißen. Was wir jetzt brauchen, ist ein breites Verständnis dessen, was beim Weg aus der Krise vernünftig ist und was uns hilft, nicht blinden Aktionismus und auch nicht gegenseitiges Konterkarieren. (Abg. Meinl-Reisinger: ... den machen Sie!) Es ist jetzt die Zeit für wirtschaftspolitische Vernunft und für diesen Zusammen­schluss, den wir geschafft haben, über all die letzten Tage und Wochen hinweg – ich bedanke mich auch bei Ihnen dafür, dass wir viele dieser Dinge gemeinsam beschließen konnten. Leisten wir solidarisch unseren gemeinsamen Beitrag! Es wird nicht leicht und es geht nicht schnell, aber es zahlt sich aus – für unser Österreich, für eine Zukunft, die wieder so ist, wie wir alle sie uns wünschen. – Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

15.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.36.15

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staats­sekretär! Ja, Sie haben recht, es ist nicht die Zeit, Gräben aufzureißen, aber wenn man Gräben schließen will, dann muss man auch die Hand reichen. Es ist schon gut, wenn ich jetzt Ihre letzten Pakete anschaue: Sie setzen jetzt um, wo Sie vorher – wie ein be­leidigtes kleines Kind im Sandkasten – gesagt haben: Meine Burg fällt zusammen, aber ich beteilige mich nicht am Wiederaufbau! (Bundesministerin Schramböck: Ich habe Sie immer eingeladen!) – Einmal konnte ich nicht. Sie haben sich, nicht nur Sie, sondern auch der Herr Finanzminister und der Herr Bundeskanzler - - (Neuerliche Zwischenbe­merkung von Bundesministerin Schramböck.) – Ich habe Sie reden lassen, und Sie lassen mich reden, okay? Jetzt werde ich dann schön langsam ungut. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ziel ist es, dass wir niemanden zurücklassen. Ziel ist es, dass wir keinen EPUler zurück­lassen, Ziel ist es, dass wir keinen Klein- und Mittelbetrieb, keinen Unternehmer zurück­lassen. (Ruf: Die Bergbauern!) Ziel muss es aber auch sein, dass wir nach Corona nicht


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so weitertun wie vor Corona, sondern dass Österreich besser wird, dass es viel besser wird. Sie haben einige Punkte erwähnt, die Sie jetzt umsetzen. Das waren Kritikpunkte, auch betreffend die Gewerbeordnungsreform et cetera, das waren Punkte, die wir schon immer fordern, die umzusetzen Sie aber in 11 000 Tagen in Regierungsverantwortung nicht imstande waren. Das sind diese Punkte.

Marktführer bleiben und an Kundenbeziehungen arbeiten – das haben Sie einmal in Ihrer vorigen Firma gesagt, das ist ein Zitat von Ihnen. – Sie haben in dieser ganzen Zeit, oder sagen wir, in zehn von zwölf Wochen, mit keinem Klein- und Mittelbetrieb gesprochen. (Abg. Haubner: Geh! – Abg. Steinacker: ... Berichtigung!) Sie haben mit keinem Klein- und Mittelbetrieb gesprochen! Hätten Sie mit ihnen gesprochen, hätten Sie gewusst, wo die Probleme waren. (Ruf: Mit mir hat sie geredet!)

Ihre zwei Welten waren zum einen die AUA, da haben Sie großartig gesagt, wir müs­sen Arbeitsplätze retten – 7 000, 1 100 wurden gestrichen –; und auf der anderen Seite gibt es 100 000 Arbeitslose, die sich denken: Was passiert jetzt, was passiert mit mei­nem Arbeitsplatz? Auf der anderen Seite gibt es auch Hunderttausende Unternehmer, 500 000 EPUler – das sind auch fast Arbeitslose, die kriegen nur nichts –, auch die den­ken sich: Wo sind die Hilfen? Wo sind meine Hilfen?

Das ist das Kernproblem bei Ihnen: Es ist ein PR-Schmäh und nicht so, wie Herr Kogler es gesagt hat. – Schade, dass der grüne Herr Kogler der Einzige ist, der sich bei den Grünen in der Volkswirtschaft auskennt (Abg. Schmidhofer: Na, na! Da gibt es mehrere, die sich auskennen! Mehrere!), er hat von einem „Megawumms“ gesprochen – es ist aber ein Megamurks! (Beifall bei NEOS und FPÖ.)

Es war bis heute ein Megamurks und es wird ein Megamurks bleiben, und ich werde Ihnen sagen, warum und warum es diesen Generalstab braucht, warum es so wichtig ist: 98 Prozent aller Unternehmen in Österreich sind Klein- und Mittelbetriebe, 98 Pro­zent! Für 98 Prozent galt die sofortige Hilfe nicht, die galt nur für die AUA mit rot-weiß-roter Heckflosse – und die ist noch unter deutscher Flagge; das haben wir gestern schon besprochen, das weiß der Staatssekretär –, ohne Standortsicherung, ohne irgendein Konzept.

Genauso konzeptlos gehen Sie das an und verkünden jetzt zum Beispiel – ich erwähne nur ein Beispiel – für die Hotellerie die Mehrwertsteuersenkung auf Speisen und Geträn­ke, vergessen aber trotzdem die Mehrwertsteuersenkung für die Logis. Warum? Sie, also Bundeskanzler Kurz und Ministerin Köstinger, haben immer davon gesprochen, dass die Stadthotellerie so leidet. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Was machen Sie für die Stadthotellerie? – Nichts! Und genauso ist es bei den Wirtschaftspaketen.

Ich kann Ihnen sagen, warum es einen Wirtschaftskoordinator, einen Generalstab braucht: Der Generalstab muss beweisen, dass er kompetent ist. Er braucht den Bezug zu Prak­tikern und nicht zu Eliteexperten und Beratern wie McKinsey und Deloitte. Die haben noch nie etwas mit KMUs zu tun gehabt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) Die brauchen das nicht. Der Generalstab braucht Transparenz und Unab­hängigkeit und keine Günstlinge von McKinsey und Konsorten. Schauen Sie sich das Desaster bei den Durchtestungen für das Qualitätssiegel im Tourismus an! Ein Desaster! Diese Verzahnung muss funktionieren, das heißt, es braucht keine erratischen Hand­lungsweisen. Einmal bläst Kurz etwas hinaus, dann gibt es etwas für die Bauern – die sind ja auch arm –, aber der Hotelier und die KMUs haben bis heute noch nichts bekom­men; den Bauern gibt man aber einmal 500 Euro, damit man Ruhe hat!

Es braucht vor allem keine Show und keine PKs. Es braucht ein Konzept, es braucht einen Generalstab, der uns mit Weitblick aus der Krise führt. Wir alle kennen Ihr Konzept, wo es 2021 hingeht, noch nicht. Ich sage Ihnen eines: 2021 droht die große Pleitewelle, wenn Sie heute nicht reagieren, wenn Sie nicht heute ein Gesamtpaket auf die Beine


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stellen, wenn Sie nicht heute den Faktor Arbeit entlasten. Die Belastung des Faktors Arbeit hält alle so lange in der Arbeitslosigkeit. Vielleicht ist das das Programm, das Herr Kurz will, denn Herr Kurz hat gesagt: Wir haben die längste Arbeitslosenunterstützung und sind stolz darauf! – Das ist der falsche Weg. Sie müssen den Faktor Arbeit entlasten, um möglichst viele aus der Arbeitslosigkeit in Arbeit zu bringen, damit es sich auch für die Unternehmerinnen und Unternehmer wieder lohnt. Das ist einer der Punkte, das ist der Punkt, auf den wir uns konzentrieren müssen.

Wir wollen, dass die Mitarbeiter mehr Netto vom Brutto haben. Höhere Kaufkraft, gerin­gere Belastung mit Lohnnebenkosten, das muss Ihr Ziel sein! Das habe ich heute im Zusammenhang mit Ihren Reformen noch nicht gehört. Ich habe noch gar nichts gehört, dass ihr irgendwie das Ziel habt, in diesem Bereich die Kosten zu senken. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dann kommen wir zu Folgendem – jetzt sitzt der Dritte Nationalratspräsident hinter mir, aber heute Vormittag wurde der Antrag des Kollegen von der FPÖ ja nicht zugelassen ‑: Was sich bei der Öbag abspielt, ist spektakulär. Da muss ich sagen, das ist nicht nur ein Megamurks, sondern – ich darf zitieren, irgendjemand hat das sicher gesagt – das ist eine Riesensauerei. (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS sowie Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.)

Der Aufsichtsrat hat nämlich zur Klärung der Sache, ob da jetzt Kokain im Spiel war oder nicht, die gleiche Rechtsanwaltskanzlei zu Rate gezogen, die für Schmid selber bezie­hungsweise die Öbag arbeitet. Da denkt sich jeder: Die richten sich alles nach sich selbst! (Abg. Yılmaz: Na!) – Der Aufsichtsrat muss jetzt einmal checken, ob da nicht ein Vieraugenprinzip vorherrschen sollte und ob man die Konstellation hinkriegen sollte (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, ist ein Wahnsinn!) – diese Konstellation, die sich Schmid selber geschrieben hat! Und Sie denken alle noch, dass da alles sauber ist! Der Auf­sichtsratsvorsitzende sagt, für ihn sei das überhaupt kein Problem, die Novomatic-Ge­schichte und so, dass Herr Schmid sich mit Novomatic da selber ein Glücksspielgesetz geschrieben hat; für ihn sei die Kokaingeschichte viel größer. – Finden Sie das nicht komisch? (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ. – Heiterkeit der Abgeordneten Brandstöt­ter, Loacker und Meinl-Reisinger.)

Finden Sie (in Richtung Bundesministerin Schramböck) das nicht komisch? Sie waren selber in Unternehmen, Sie wissen, wie Aufsichtsräte funktionieren, welche Kompeten­zen Aufsichtsräte haben müssen, welche Anforderungen an Aufsichtsräte gestellt wer­den und welche Pflichten und Rechte Aufsichtsräte, ein Aufsichtsratsvorsitzender, alle Aufsichtsratsmitglieder haben! (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Sie lassen so etwas aber durchgehen und keiner sagt etwas, auch der Herr Bundeskanzler sagt: Nein, mit Schmid ist alles in Ordnung! – Es ist doch irgendwie komisch, und daher bringe ich fol­genden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abberufung ÖBAG Vorstand Schmid“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Abberufung des ÖBAG-Vorstandes Tho­mas Schmid in die Wege zu leiten.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und FPÖ.)

15.44


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 189

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Abberufung ÖBAG Vorstand Schmid

eingebracht im Zuge der Debatte in der 38. Sitzung des Nationalrats über Dringlicher Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR betreffend Sicherstellen von Ver­trauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise

Gegen Thomas Schmid, Ex-Generalsekretär im Finanzministerium und nunmehr alleini­ger Herr über alle Staatsbeteiligungen der Republik, ermittelt derzeit die Staatsanwalt­schaft in der Casinos-Affäre sowie zu Drogendelikten. Die Wirtschafts- und Korruptions­staatsanwaltschaft (WKStA) führt - wie im Wochenmagazin Profil ausführlich berichtet (https://www.profil.at/wirtschaft/der-fall-thomas-schmid-der-kanzler-vertraute-und-das-kokain/400932182 - abgerufen am 16.6.2020) - Thomas Schmid als Beschuldigten im sogenannten Casinos-Komplex. Als einstiger Generalsekretär des Finanzministeriums (zuletzt unter ÖVP-Ressortchef Hartwig Löger, der auch als Beschuldigter geführt wird) soll er in die Vorgänge rund um die Bestellung des blauen Günstlings Peter Sidlo zum Direktor der Casinos Austria AG involviert gewesen sein. Die WKStA vermutet hier einen „Hintergrund-Deal“ zwischen der früheren FPÖ-Spitze und Novomatic, der Verdacht der Bestechung/Bestechlichkeit (und der Beteiligung daran) steht im Raum.

Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen eingeleitet, da sich aus der Datenanalyse der im Gefolge von Hausdurchsuchungen seitens der WKStA sicher­gestellten Chatverläufe Thomas Schmids konkrete Anhaltspunkte für Tathandlungen nach §27 SMG ergaben.

Eine offizielle Stellungnahme des Aufsichtsrats sowie des Finanzministers Gernot Blü­mel zu dieser Angelegenheit blieb bisher aus. Im Rahmen des Budgetausschusses am 16.06.2020 kündigte Minister Blümel lediglich an, dass sich der Aufsichtsrat der ÖBAG in seiner nächsten Sitzung am 22.06.2020 wohl mit dieser Causa befassen werde.

Einerseits ist nach den Drogen-Ermittlungen gegen den Alleinvorstand natürlich der ÖBAG-Aufsichtsrat in der Pflicht. Aus Aufsichtsratskreisen ist jedoch auch mehrmals der Wunsch nach klaren Worten des zuständigen Finanzministers geäußert worden. Bis da­to kein Wort von Minister Gernot Blümel dazu.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Abberufung des ÖBAG-Vorstandes Tho­mas Schmid in die Wege zu leiten."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Peter Haubner. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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15.44.45

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Minister! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Thema des Dringlichen Antrages widmen und mit einem Satz aus dem Konjunkturbericht des Wifo beginnen: „Die aktuelle Dynamik der Weltwirtschaft ist von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und den gesundheitspolitischen Maßnah­men zu ihrer Eindämmung geprägt.“ – Ich glaube, dieser Satz zeigt ja ganz deutlich: Es geht um eine Weltwirtschaftskrise (Abg. Wurm: Und ihr seids an nichts schuld, oder wie?!) und es geht um eine Krise, von der viele Länder und Kontinente und auch wir in Österreich massiv betroffen sind, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Was sagen Sie eigentlich zum Schmid?)

Schauen wir uns die ganze Welt und Europa an! Ich sage Ihnen eines: Wir in Österreich sind bis jetzt sehr gut durch diese Krise gekommen, weil wir die richtigen Maßnahmen gesetzt haben, meine Damen und Herren. (Beifall der ÖVP.)

Es ist heute schon einiges an Vorwürfen gekommen. Ich habe eine Bitte, eine große Bitte: Ich verstehe alles, ich verstehe, dass die Opposition auch ihr Geschäft machen muss (Abg. Schellhorn: „Geschäft“?!), aber bitte machen Sie nicht immer alles schlecht, denn in Österreich ist vieles sehr, sehr gut, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte! Machen Sie’s doch besser! Machen Sie’s besser! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich glaube beziehungsweise ich bin der festen Überzeugung, dass sich die NEOS im­mer selbst als liberale Partei bezeichnen, und heute rufen sie nach einem weiteren Amt, nach einer weiteren Stelle, nach einer weiteren Stelle für mehr Bürokratie. (Abg. Schell­horn: ... weil Sie’s nicht schaffen! – Abg. Meinl-Reisinger: Das kann auch ehrenamtlich sein! Kann auch ehrenamtlich sein! Sie können auch die Hälfte Ihrer Regierungs...!) Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wir brauchen keine neue Stelle, wir brauchen kein neues Amt, wir haben eine ausgezeichnete Wirtschaftsministerin und das Wirtschaftsministerium ist das Kompetenzzentrum für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Loacker: Kompetent ist sie schon! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.)

Wir haben auch einen klaren Plan, meine Damen und Herren. Wir haben die notwendi­gen Pakete und wir haben jetzt 50 Milliarden Euro für die Unterstützung der Wirtschaft und für die Sicherung der Arbeitsplätze. Ich höre immer: Die Hilfe kommt nicht an! – Die Hilfe kommt sehr wohl an. Ich verstehe, dass es natürlich sehr unterschiedlich ist. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, die Bauern bekommen es schneller! – Abg. Wöginger: Mindest­pensionisten! Auf dem reitets herum!) Es ist sehr unterschiedlich, und es sind auch die Regionen unterschiedlich davon betroffen. Wer viel mit Unternehmern spricht – und das tue ich, das weiß Kollege Schellhorn auch –, der weiß: Sicher sind Regionen, die, wie die Stadt Salzburg oder auch die Wiener Innenstadt, speziell vom Tourismus, von aus­ländischen Gästen leben, natürlich jetzt besonders gefordert, weil diese Gäste eben nicht kommen, meine Damen und Herren. Es gilt deshalb auch verschiedene Maßnah­men für verschiedene Gruppen zu treffen.

Wenn ich mir dann aber wieder den ländlichen Raum anschaue, wenn ich am Wochen­ende unterwegs bin und sehe, dass es dort wirklich wieder gut anläuft und die Unterneh­mer Probleme haben, Arbeitskräfte zu bekommen, weil es viele Arbeitskräfte leider nicht gibt oder weil es auch einige gibt, die nicht wollen, dann frage ich mich natürlich auch: Wie können wir in diesem Bereich, beim Arbeitslosengeld, einiges ändern, damit es näm­lich weiterhin attraktiv bleibt, dass man in Beschäftigung geht? Meine Damen und Her­ren, das ist uns auch ganz, ganz wichtig. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Jakob Schwarz.)


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Schauen wir uns noch einen Grund an, warum wir es auch gut schaffen können: Das ist so, weil wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, meine Damen und Herren. Wir dürfen nicht vergessen, dass uns die erfolgreiche Politik und auch Finanzpolitik der letzten Jahre den Spielraum geschaffen haben, dass wir jetzt diese Pakete so schnüren können, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Jakob Schwarz.) Unser gutes soziales System, das wir alle gemeinsam, das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen, ermöglicht uns eben jetzt die Abfederung der gröbsten Probleme der Menschen in Österreich, meine Damen und Herren. Ich glau­be, das muss auch einmal gesagt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

Wirklich, sprechen Sie (in Richtung Abg. Meinl-Reisinger) einmal mit den Unternehmern in Deutschland, Frau Kollegin! Wirklich! Ich war in Deutschland, ich habe mir die deut­sche Situation angeschaut, ich habe auch heute noch telefoniert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die beneiden uns um das - - (Abg. Wurm: Um die Berg! – Heiterkeit bei Abgeord­neten der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) – Die beneiden uns nicht nur um den Bundeskanzler, Herr Kollege Wurm, sondern die beneiden uns auch um unsere Pa­kete. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Um die Berg, habe ich gesagt! – Abg. Belakowitsch: Die beneiden uns nicht um den Bundes­kanzler! Das war ...! – Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Kollross.)

Ich sage Ihnen jetzt auch, warum: zum Beispiel das System des Fixkostenzuschusses, weil das bei uns eben nicht rückzahlbar ist; oder, wie die Frau Minister schon gesagt hat, der Unternehmerlohn. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Das mit der schnellen Auszahlung: Wenn Sie sich das einmal ganz genau anschauen wollen, dann schauen Sie sich die Unterschiede in den einzelnen Bundesländern an! In Berlin haben zum Beispiel viele das Geld sofort bekommen und sind jetzt mit Rückzah­lungsforderungen konfrontiert (Abg. Loacker: Wenn ich nichts kriege, muss ich nichts zurückzahlen! Das ist ... Österreich! – Ruf bei der FPÖ: Dann bekomme ich lieber gleich gar nichts! – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Wöginger), während es in anderen Bundesländern ordentlich entlang der Regulative ausbezahlt worden ist und es passt. Also auch in Deutschland gibt es große Unterschiede. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Mit dem langsamen Hochfahren, wie wir es in Österreich getan haben, liegen wir auch richtig. Wenn du in Deutschland in ein Gasthaus gehst, Herr Schellhorn, dann musst du noch den Mundschutz tragen, dann musst du, wenn du auf die Toilette gehst, den Mund­schutz tragen. Also wirklich: Wenn wir vergleichen, dann vergleichen wir ehrlich, und dann sagen wir wieder: Wir in Österreich sind besser dran, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe in den letzten Wochen auch nichts mehr von Schweden gehört (Abg. Wögin­ger: Ja, das ist ja auch ...! – Zwischenruf des Abg. Matznetter – Abg. Meinl-Reisinger: Wer hat denn was gesagt von Schweden?!), denn die Zahlen sprechen da eine deutliche Sprache. Es ist ganz ruhig geworden, was Schweden betrifft, meine Damen und Herren! (Abg. Meinl-Reisinger: Wer hat denn was von Schweden gesagt?! Ihr kampagnisiert die ganze Zeit mit Schweden! Ein europäisches Land kampagnisiert gegen das andere, das muss man sich einmal vorstellen!)

Ich glaube, wir sollten die berühmte Kirche im Dorf lassen. Wir haben jetzt eine Reihe von Maßnahmen für die Unterstützung der Wirtschaft, der Gastronomie, der Kultur und der Medien gesetzt: die Senkung der Umsatzsteuer auf 5 Prozent, wir haben eine Ge­winn-/Verlustverteilung – eine Entlastung von 1,5 bis 2 Milliarden Euro – gemacht. Wir schicken jetzt eine Investitionsprämie in die Gesetzwerdung, die ab 1. September kom­men soll und die 14 Prozent bei Digitalisierung, Ökologisierung, Gesundheit und Life­sciences bringen soll. Wir machen die degressive Abschreibung: 30 Prozent Abschrei­bung im ersten Jahr – das gilt für Investitionen, für klimafreundliche Anschaffungen –,


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rasche Umsetzung, dauerhaft gültig. Meine Damen und Herren, ich glaube, das sind wirklich die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Ich komme jetzt zum Schluss: Ich kenne keine liberale Partei in Österreich, die so oft nach dem Staat schreit wie die NEOS. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte! Was ihr da jetzt machts! Investitionsschutz­gesetz! Investitionsschutzgesetz! Ihr seid ja sozialistischer als die SPÖ mittlerweile! – Ruf bei der FPÖ: Das ist sowas von illiberal!) Ich denke da an Matthias Strolz, der immer das Bild von einem Pferd strapaziert hat. – Ihr liberales Pferd ist tot! Das NEOS-Pferd ist jetzt rot, gratuliere zum Linksruck! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Abg. Meinl-Reisinger: Geh bitte, ihr ...! Investitionsschutzgesetz! Unfassbar! – Ruf bei der FPÖ: Ein weiterer Grund zur ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

15.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Matznetter. Er wird uns jetzt aufklären. – Bitte.


15.52.39

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministe­rin! Herr Staatssekretär – manchmal sitzen Sie dort, manchmal da, gesehen habe ich Sie vorher nur im Kleinen Walsertal an der Seite des Bundeskanzlers ohne Babyelefant. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Heiterkeit des Abg. Loacker.) Aber so lernen wir ihn kennen: Das ist Staatssekretär Brunner aus dem schönen Vorarlberg. – Es freut mich jedenfalls! (Abg. Wöginger: Da musst du einmal mit der Rendi hinfahren, da geht nie­mand raus! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vielleicht wäre es gescheiter gewesen, Herr Klubobmann, wenn der Herr Bundeskanzler ein Stück weiter gefahren wäre. Negativpropaganda funktioniert in der Schweiz angeb­lich nicht, in Deutschland angeblich nicht – wie es Peter Haubner behauptet hat. Ich weiß es nicht. (Abg. Haubner: ... Tatsachendarstellung!) Ich habe die Frage der Selbstbe­weihräucherung hier schon einmal mit unserem Herrn Bundeskanzler besprochen. Das macht wenig Sinn – vor allem dann nicht, wenn man eine so grottenschlechte Perfor­mance liefert. Das ist genauso unangenehm wie bei Schulkindern, die kommen und sagen: Ja, aber die anderen sind schlechter – was gar nicht stimmt, ja –, ich habe halt verschlafen, ich habe halt meine Hausübung nicht gemacht!

Schauen wir: Was ist gut und was ist schlecht gelaufen? – Fangen wir einmal bei den Dingen, die halbwegs gelaufen sind, an: Halbwegs gelaufen ist, dass wir, als die Pan­demie ausgebrochen ist – so wie viele andere Länder in der Europäischen Union –, nach ein paar Wochen Tiefschlaf rechtzeitig einen Lockdown zusammengebracht haben, so­dass die Kapazitäten unseres Gesundheitssystems nicht überschritten worden sind. Ich konzediere das, obwohl ich immer wieder vorgehalten habe: Hätten wir drei Wochen vorher – als der italienische Premier gewarnt hat, dass es in Europa ist – Containment­policy wie zum Beispiel in Singapur gemacht, hätten wir nicht 677 Tote, aber gut.

Die Dinge, die nicht funktioniert haben, kann niemand schönreden, lieber Peter Haubner. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) Dieses Chaos, dieses Bouquet von angeblichen För­dermaßnahmen kann den gesetzlichen Anspruch nach dem Epidemiegesetz, was die richtige Maßnahme gewesen wäre, nicht ersetzen. (Abg. Steinacker: Er will’s einfach nicht verstehen! Epidemie oder Pandemie? Geh, du bist doch so ...!)

Noch einmal zur Erklärung, Frau Kollegin, falls Sie nicht verstanden haben, was ein ge­setzlicher Anspruch ist und was eine Bitte – bitte, ich hätte gerne Geld! –; ich erkläre sehr gern den Unterschied: Wenn jemand einen Schadenersatzanspruch hat, einen ge­setzlichen Anspruch, dann hat er einen Vermögensgegenstand – das wissen Sie doch


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ganz genau (Abg. Steinacker: ... Epidemie!) –, aber der Antrag, den er stellt, ist ein Al­mosen, eine Bitte, die vielleicht gewährt wird – da hat er kein Rechtsmittel (Abg. Meinl-Reisinger: ... kein Rechtsmittel, ja!) – oder nicht, weil zum Beispiel der Pass abgelaufen ist. Das haben wir erlebt. Das ist ein fundamentaler Unterschied, Frau Kollegin! Wenn man einen Vermögensgegenstand hat, dann hat man nicht verloren! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Loacker: ... die Vorsitzende des Ausschusses ... ! – Abg. Rauch: Sie versteht von Wirtschaft nichts!) Den kann man bi­lanzieren, Frau Kollegin! Wenn es ein gesetzlicher Anspruch ist, kann man ihn zitieren, man kann ihn sogar an einen Dritten verkaufen. – Das ist ein Unterschied!

Diesen Kardinalfehler haben Sie mit dem § 4 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz hier in diesem Nationalrat und im Bundesrat am Sonntag, den 15. März, begangen. Ab da ging es bergab. Sie haben sich ja selber nicht mehr ausgekannt; im Wochenrhythmus wurden neue Richtlinien ausgegeben. (Abg. Schmidhofer: ... die Grundlagen!)

Was mich so ärgert, ist, dass Sie dann gesagt haben, wir sind gegen die Wirtschaftskam­mer. – Nein! Mir tun die Damen und Herren, die dann vorne standen, leid (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, mir auch!), denn die haben erklären müssen, warum die Homepage wie­der gesperrt ist. Die Leute haben geglaubt, die Mitarbeiter der Wirtschaftskammer sind zu blöd, ihre Arbeit zu machen. – Nein! Weil die Regierungsvorlage jede Woche geän­dert wurde, haben die umprogrammieren müssen, die FAQ neu schreiben müssen. Bei denen möchte ich mich entschuldigen – aber für diese Regierung, denn sie verwalten nur für die Regierung! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wie kommen die dazu?! Warum haben Sie denen aufgebürdet, eine neue Förderbank aufzustellen? Sie müssen sich beschimpfen lassen, weil sie nicht funktioniert. Wie kom­men die dazu?! Wieso hat das nicht die Finanzverwaltung gemacht? Haben Sie sich die Daten einmal angeschaut, die man für den Härtefallfonds angeben muss? –90 Prozent, nein fast alles an Daten ist in der EDV der Finanzverwaltung bereits enthalten! (Abg. Rauch: So ist es!) Die hätte man gar nicht bearbeiten müssen, die hätte man nur mit­einander verknüpfen müssen. – Das hätten Sie machen müssen (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ), dann hätte es wie in Deutschland auch anders funktioniert! (Abg. Meinl-Reisinger: Dann hätten wir uns auch die ...regelung gespart, Frau Minister!)

Ich finde es auch nicht redlich, Frau Bundesministerin, dass Sie jetzt mit den OECD-Prognosezahlen kommen, denn Sie wissen ganz genau: Das ist eine Mischung der ös­terreichischen Prognosezahlen, und da hat die OeNB unter einem gewissen Holzmann – falls jemand noch nicht weiß, wer das ist (Abg. Schellhorn: Ha!) – noch bis vor kurzer Zeit mit einer Rezession von 3,5 Prozent gerechnet, das wurde da mitgerechnet. Jetzt hat selbst die OeNB auf 7,2 Prozent Rezession revidieren müssen, daher wird die OECD, wenn sie die Zahlen einspeist, auf Zahlen wie bei der Slowakei kommen.

Reden Sie über das, was man wirklich messen kann: Das sind die (Abg. Meinl-Reisin­ger: Arbeitslosen!) Arbeitslosen, Frau Ministerin! Gestern saß Ihre Kollegin Aschbacher kalkweiß wie ein abgeschalteter Automat da und hat, während ihr Didi Keck Schicksale vorgehalten hat, nicht mehr gesprochen, nicht reagiert. Man hat sich gefragt: Geht es ihr noch gut? (Abg. Steinacker: Geh bitte! – Abg. Belakowitsch: Stimmt aber!) Und dann fragst du dich, wie die Performance ist?! (Abg. Schmidhofer: Dafür bist du hochrot!) – Ihr seid in einer Situation, dass die fähigsten Minister bei den Grünen sind! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Meinl-Reisinger. – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch. – Abg. Loacker: Es hält sich ganz gut die Waage!) Das ist doch die Wahrheit!

In der ÖVP gäbe es genug Leute, die es machen können – ich komme jetzt nicht mit Gabriel Obernosterer daher –, aber ein Budget zusammenbringen könnten andere wirk­lich. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Da habt ihr wirklich genug, die euch nahestehen. Ich


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weiß nicht, wie die Regierungsmannschaft zusammengestellt wurde (Beifall der Abge­ordneten Loacker und Meinl-Reisinger), aber Performance war nicht im Vordergrund. (Abg. Meinl-Reisinger: Loyalität!)

Jetzt noch einmal zu dem Antrag: Ich meine, Entschuldigung, die NEOS fordern eine neue Stelle. – Na, was sollen sie sonst fordern?! Es funktioniert ja nicht! (Beifall bei Ab­geordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Meinl-Reisinger.) Es be­ginnt ja schon beim Ministeriengesetz: Keiner weiß, wer zuständig ist – die eine ist für Zivildienst, Tourismus und Sonstiges zuständig, die Nächste für etwas anderes. Wahr­scheinlich wissen sie selber nicht mehr, wer wofür zuständig ist. (Abg. Steinacker: Geh bitte! – Abg. Schmidhofer: Das ist in der SPÖ so!) Die brauchen wirklich eine Koordinie­rungsstelle, daher werden wir das unterstützen.

Im Übrigen: Bitte macht es ab jetzt besser und nehmt uns nicht die Zeit mit Selbstbe­weihräucherung! Einfach sein lassen und die Arbeit tun! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Die SPÖ ist Gott sei Dank für nichts zuständig! – Abg. Leichtfried: Das nenne ich eine Rede!)

15.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


15.59.32

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Zuseher! Hohes Haus! Ja, summa summarum, wenn man zu­sammenfasst, wie Unternehmer in Österreich jetzt nach den vielen Wochen denken, würde ich sagen, kann man es vielleicht so formulieren: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!, und: Hilfst du dir selbst nicht, dann hilft dir auch Gott nicht! – Sie werden merken, da kommt das Wort Regierung nicht vor. (Abg. Belakowitsch: Der Sebastian kommt ir­gendwie schon vor!) Wie die Stimmungslage draußen bei den Unternehmern ist, ist da­mit, würde ich sagen, ganz gut zusammengefasst.

Ich kenne viele, die um diverse Hilfspakete angesucht haben – manche haben gar nichts bekommen, andere haben gesagt: Ja, natürlich habe ich den Tausender genommen, er hilft mir zwar nicht wirklich, aber ich lasse ihn auch nicht liegen!

Es war sehr, sehr viel, was da versucht wurde, ich komme aber auf das zurück – Frau Minister, Sie wissen es –, was mein grundsätzlicher Vorwurf gegen diese Regierung ist, und das hat sich halt jetzt auch bei den Auswirkungen als katastrophal erwiesen; wir sind da nicht die Besten in Europa, wie Sie immer behaupten, ganz im Gegenteil, wir sind maximal irgendwo im Mittelfeld. Es gibt viele Ursachen und Gründe, warum das so ist, und für mich ist einer der wichtigsten: Sie haben das verabsäumt, was für die Wirtschaft elementar ist, nämlich Vertrauen, Optimismus, Planungssicherheit und Zuversicht zu ge­ben. Das braucht ein Wirtschaftsunternehmen, um wirklich auch zu investieren, um mit Optimismus in die Zukunft zu gehen.

Sie haben halt auch vorab – Bundeskanzler Kurz, Vizekanzler Kogler und vor allem auch Kollege Anschober – über Wochen Todesangst und Panik verbreitet, und das ist auch bei der Wirtschaft angekommen, bei den Unternehmern und natürlich auch bei den Kon­sumenten. Ich bin ja froh, dass wir uns heute face to face sehen. Es ist viel zu spät – es hat ein bisschen gedauert, bis Sie meiner Aufforderung gefolgt sind –, aber ich bin froh, dass Sie jetzt auch ohne Maske hier sitzen und optimistisch die Wirtschaft repräsentie­ren. Das ist einfach wichtig, das ist das Um und Auf!

Der erste Punkt, den ich momentan sehe: Es geht für die Betriebe um das Überleben, und da ist das Wichtigste der Umsatz. Das heißt, wir brauchen momentan einfach Um­satz, wir brauchen Konjunktur und bringen das hoffentlich irgendwann in die Gänge. Wir


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haben da zig Vorschläge gemacht, wie eben – ich wiederhole es noch einmal – den Gut­schein, den Österreichtausender, der bei der lokalen Wirtschaft eingelöst werden kann. Das würde die Konjunktur extrem ankurbeln und wäre ganz, ganz wichtig, aber es gibt auch viele andere Maßnahmen, mit denen man die Konjunktur beleben könnte.

Was mir auffällt, wenn ich mich, wie in den letzten Tagen im Dunstkreis der ÖVP be­wege – bei den Grünen weniger, aber bei der ÖVP –, ist, dass man immer wieder zwi­schendurch hört, dass eine zweite Welle kommen könnte, dass man die Angst durchhört. Wenn ich das schon höre! Wenn das nach draußen durchsickert, dann sind alle Bemü­hungen, die Wirtschaft anzukurbeln, natürlich umsonst gewesen. Das heißt, eine zweite Welle – wie auch immer sie kommen mag oder dargestellt wird – wird die Wirtschaft und werden die Arbeitnehmer in Österreich und in Europa nicht überleben. Und da ist meine Aufforderung an Sie als Wirtschaftsministerin schon auch, rechtzeitig vorzubeugen, damit das nicht immer im Raum steht, denn mit dieser Angst im Nacken, dass da noch etwas kommt, dass man zusperren muss, dass alle Investitionen umsonst waren, kann und wird das meiner Meinung nach nicht funktionieren.

Freiheit der Wirtschaft: Das ist ein Thema, das wir Freiheitliche, glaube ich, seit Jahren und Jahrzehnten trommeln. Abbau der Bürokratie – ich sage es noch einmal –: Allergen­verordnung, Registrierkassenpflicht und, und, und; da gibt es eine Unzahl an Dingen, mit denen man aufräumen sollte und müsste. Ganz klar, natürlich ist auch – die Kollegen von den NEOS haben es ja schon gesagt – die Lohnnebenkostensenkung eine ganz, ganz wichtige Geschichte, wie auch die Facharbeiterausbildung für die Zukunft, und am Ende des Tages, wenn die Wirtschaft in Österreich hoffentlich dieses Comeback, von dem Sie sprechen, geschafft hat, wird es auch notwendig sein, die Eigenkapitalbasis entsprechend langfristig aufzubauen und zu verstärken.

Jetzt vielleicht auch noch ein kleiner Hinweise an die Kollegen von den NEOS: In der inhaltlichen Kritik gehe ich da mit, durchaus, es wundert mich aber, dass von den NEOS die Forderung nach einem Koordinator kommt, denn ihr seid ja nicht naiv und wir haben, glaube ich, schon genügend ÖVP-Günstlinge in Topjobs. (Zwischenruf des Abg. Loa­cker.) Wer soll den bestellen? (Abg. Meinl-Reisinger: Der Kocher zum Beispiel!) Wenn die NEOS ihn bestellen dürfen oder wir, dann könnten wir darüber diskutieren, aber es wird ja wahrscheinlich einer von der ÖVP werden oder – im schlimmsten Fall – einer von den Grünen. Das heißt, da ist für mich der Nutzen des Antrags – jetzt bitte nicht böse sein – von der Forderung her eher überschaubar.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, weil das ein großes Anliegen vieler, vieler Tausend Mitarbeiter in der Hotellerie und Gastronomie ist und weil ich weiß, dass vor allem die ÖVP da grundsätzlich ein offenes Ohr haben sollte und müsste: Wir bekommen E-Mails, Anrufe von Leuten, die jetzt, wo es wärmer wird, bei 30 Grad mit dem Mund-Nasen-Schutz 8 oder 10 Stunden in der Gastronomie und auch in der Hotellerie arbeiten müssen. Das, bitte, ist nicht unternehmerfreundlich und vor allem auch nicht mitarbeiter­freundlich, und es ist wieder ein Zeichen der Unsicherheit.

Ich würde Sie ersuchen, diesen Antrag, den ich jetzt gleich einbringen werde, nämlich in der Gastronomie und in der Hotellerie davon Abstand zu nehmen, und zwar sofort, dass die Mitarbeiter diesen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen, zu unterstützen. Das wäre ein ganz wichtiges Zeichen und würde auch die Wirtschaft – speziell in Österreich als Tourismus- und Gastronomieland – sehr, sehr stärken.

Ich bringe folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „sofortige Beendi­gung des Maskenzwangs für die Beschäftigten in Gastronomiebetrieben“


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang für Beschäftigte in Gastro­nomiebetrieben umgehend zu beenden.“

*****

Ich darf vielleicht noch darauf hinweisen – das sollte den Kollegen von der ÖVP ja nicht ganz fremd sein –, dass das zwei Spartenobmänner der Wirtschaftskammer, beide Wirt­schaftsbundmitglieder, ÖVP-Mitglieder, heute fordern und auch in den letzten Tagen gefordert haben, das heißt, ich befinde mich da in guter Gesellschaft. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das sind Leute aus der Praxis, die wissen, was los ist. (Abg. Hörl: Ja, verlass dich auf uns!) Es würde mich sehr wundern, wenn die ÖVP, ein Hörl oder auch ein Haubner oder andere, da jetzt nicht mitgehen würde, da aus den eigenen Rei­hen eine so praxisorientierte Forderung kommt.

Ich zähle auf die Unterstützung der ÖVP, ich gehe davon aus, dass die SPÖ im Sinne der Arbeitnehmer sowieso mitgeht, und auch bei den NEOS hoffe ich auf dieses Ver­ständnis, und dann haben wir heute für viele, viele Tausend Mitarbeiter in der Hotellerie und Gastronomie auch etwas Sinnvolles erreicht. Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Wurm, Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend sofortige Beendigung des Maskenzwangs für die Beschäftigten in Gastrono­miebetrieben

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag gem. § 74a Abs 1 iVm § 93 Abs 2 GOG-NR der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise in der 38. Sitzung des Nationalrates am 18. Juni 2020

Seit 15. Juni 2020 ist nun endlich eine erste Erleichterung betreffend die Maskentrage­pflicht in Handel und Gastronomie in Kraft getreten. Während im Handel die Masken­pflicht für alle gefallen ist, sind in der Gastronomie die Beschäftigten weiterhin verpflich­tet, eine Maske zu tragen.

Diese das Servicepersonal in den Lokalen massiv belastende Tatsache führt mittlerweile zu enormer Kritik von verschiedener Seite:

So fordert unter anderem der Kärnten Wirtesprecher in der Kleinen Zeitung vom 17. Juni 2020 Stefan Sternad ein „Ende der Ungerechtigkeit, dass Mitarbeiter im Handel keine Maske mehr tragen müssen, in der Gastronomie aber schon“. Kein Servicemitarbeiter halte sich länger als 30 Sekunden in der Nähe eines Gastes auf. Speziell in den Som­mermonaten werde die Maskenpflicht zur körperlichen Belastung und bringe „mehr ge­sundheitliche Risiken als Vorteile“, so Sternad.

Ebenso übt der Obmann der Tiroler WK-Fachgruppe Gastronomie massive Kritik, wie in der Kronen Zeitung vom 18. Juni 2020 nachgelesen werden kann:

„Warum müssen Mitarbeiter im Handel keine Maske mehr tragen, in der Gastronomie aber schon?“, fragt Alois Rainer, Obmann der WK-Fachgruppe Gastronomie.


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Speziell in den Sommermonaten werde die Maskenpflicht in der Gastronomie eine enorme körperliche Belastung darstellen, schreibt er am Mittwoch in einer Aussendung. Bei Temperaturen um die 30 Grad mit einem Mund-Nasen-Schutz zu servieren, bringe aus gesundheitlicher Sicht mehr Risiken als Vorteile. „Das ist unzumutbar. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen“, ist der Wirtesprecher erzürnt.

Rainer schlägt vor, die Maskenpflicht bei Bedarf wieder einzuführen, sofern die Infek­tionszahlen erneut steigen sollten – doch mit den partiellen Lockerungen sei man nicht einverstanden. Diese würden Branche und Mitarbeiter massiv benachteiligen. „Ich kann den Entscheidungsträgern nur einen Selbstversuch empfehlen: Arbeiten Sie einige Stun­den mit Maske bei sommerlichen Temperaturen und Sie werden sehen, dass das un­möglich und gesundheitsgefährdend ist!“, betont Rainer mit Nachdruck.“

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten und im Sinne der weiteren Belebung der heimischen Wirtschaft, der Gastronomiebetriebe und insbesondere der dringenden Entlastung der in der Gastronomie Beschäftigten stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Maskenzwang für Beschäftigte in Gastro­nomiebetrieben umgehend zu beenden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.


16.07.18

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Mit Ihrem Dringlichen Antrag betonen Sie, wie wichtig es ist, zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise das Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen. Ich glaube, dass das durchaus ein wichtiges Anlie­gen ist, weil das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen und in die Politik dazu beigetragen hat, dass die Menschen, insbesondere in den systemrelevanten Berufen und so weiter, auch mitgeholfen haben, gut durch diese Krise zu kommen – darum sind wir auch gut durch diese Gesundheitskrise gekommen.

Ich gebe Ihnen insofern recht, als dieses Vertrauen auch notwendig sein wird, um durch die Wirtschaftskrise zu kommen. In dieser Phase, in der sich die beiden Krisen überla­gern und es sehr lange dauern wird, bis wir da herauskommen, ist es, glaube ich, ent­scheidend – und da sollten wir alle gemeinsam einen Beitrag leisten –, dass das Ver­trauen in die Institutionen und in die Instrumente, die wir aufstellen, gegeben bleibt.

Die Bundesregierung versucht, das über verschiedene spezifische Instrumente zu errei­chen, um auf die besonderen Gegebenheiten der verschiedenen Betroffenen einzuge­hen. Von den NEOS und auch anderen wird immer wieder kritisiert (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), dass es verschiedene Auszahlungsstellen und unterschiedliche Instrumente gibt, aber der Punkt dabei ist, dass man die verschiedenen Unternehmen und Vereine mit ihren Problemen nicht über einen Kamm scheren kann, sondern die sind oft mit sehr speziellen Situationen konfrontiert. Auch im Sinne des Vertrauens ist es wichtig, die Verantwortung und auch die Macht, wenn Sie so wollen, auf verschiedene


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Institutionen aufzuteilen. Ich glaube, das ist eine sinnvolle Art und Weise, diese Hilfen zu organisieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Abgeordneter Haubner hat es eh schon angesprochen – Sie sagen, wer schnell hilft, hilft doppelt – und ich frage mich auch, was ein zusätzliches Gremium dazu beitragen soll, denn die eingebundenen und betroffenen Ministerien, die entsprechenden Expertinnen und Experten von IHS und Wifo, die jetzt schon eingebunden sind, müssten ja weiterhin konsultiert und eingebunden werden. Was ein zusätzliches Gremium dazu beitragen soll, dass es schneller geht, frage ich mich. Ich hätte da gewisse Bedenken, insbeson­dere auch deshalb, weil die großen zeitlichen Herausforderungen ja nicht darin begrün­det sind, dass wir uns über die großen volkswirtschaftlichen Grundsätze nicht einig wären.

Es gab schon ab Tag eins in der Bundesregierung mit den Expertinnen und Experten Einigkeit darüber, dass es erstens einmal ganz dringend sozusagen ein klares Signal der Zuversicht braucht – einen „Megawumms“, wie Werner Kogler sagen würde –, also ein Zeichen dafür, dass wir uns aus dieser Krise wieder herausmanövrieren können.

Zweitens war klar, dass es etwas braucht, um die Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen abzuwehren, also die Illiquidität.

Drittens ist die übermäßige Verschuldung zu vermeiden, sozusagen der Verlust des Ei­genkapitals.

Viertens ist – wie angesprochen – auf die speziellen Situationen von EPUs, Vereinen und so weiter einzugehen.

Fünftens ist die Nachfrage zu stabilisieren.

Schritt für Schritt sind diese fünf Punkte abgearbeitet worden: Wir haben gleich am An­fang als Signal ein großes Paket geschnürt. Wir haben mit den Haftungen, sobald die Kommission es genehmigt hat, Frau Meinl-Reisinger, sehr wohl die 100-Prozent-Garan­tien zur Verfügung gestellt. Natürlich hat das ein bisschen gedauert, aber sobald das Okay da war, waren auch die 100-prozentigen Garantien und Haftungen da.

Zweitens haben wir, um sozusagen die Verschuldung zu reduzieren und um den Verlust des Eigenkapitals zu verhindern, einerseits den Fixkostenzuschuss und andererseits die Kurzarbeit eingeführt. Beides soll helfen, dass man sozusagen nicht nur auf Garantien angewiesen ist, hinter denen Kredite stehen, die man irgendwann zurückzahlen muss, sondern dass es auch wirklich Cash für die Unternehmen gibt, was sonst niemand über­nehmen würde.

Bei den Spezialinstrumenten sind wir auf die EPUs eingegangen, die innerhalb kürzester Zeit eine Sofortauszahlung von 500 Euro bis zu 6 000 Euro – sind es jetzt sogar – ge­kriegt haben; insbesondere die erste Zahlung war komplett unbürokratisch. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben doch dauernd nachgebessert, nachgebessert, nachgebessert! Es waren doch dauernd Reparaturen nötig!)

Für die NPOs: Natürlich sind die Vereine in einer speziellen Situation, diese, insbesonde­re die gemeinnützigen, kann man nicht mit einem Unternehmer vergleichen, die brau­chen auch ein eigenes Tool. Bei den Start-ups ist es ähnlich, bei der Landwirtschaft ist es ähnlich; insofern ist, glaube ich, der Zugang, der gewählt worden ist, und auch zu schauen, wo denn die nächsten Probleme aufpoppen, und dann Instrumente entspre­chend einzusetzen, richtig gewesen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisin­ger: Das wage ich zu bezweifeln!)

Jetzt sind wir beim letzten Schritt, bei Schritt fünf, bei dem es darum geht, Nachfrage zu schaffen. Da gibt es ein Paket von mehreren Milliarden Euro, ein Investitionspaket von 6 Milliarden Euro, aber nicht nur das, wir senken den Eingangssteuersatz, es gibt eine Negativsteuer. Wir haben mit einer temporären Erhöhung des Arbeitslosengeldes und


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insbesondere eben mit der Investitionsprämie, der Unterstützung von 7 bis 14 Prozent bei Ökologisierung und Investitionen in die Gebäudesanierung, in nachhaltige Mobilität und so weiter, inklusive der degressiven Abschreibung einige Maßnahmen gesetzt, die die Nachfrage stabilisieren und hoffentlich auch ein bisschen anschieben werden. All das geschah weitgehend im Konsens zwischen uns hier im Parlament, aber auch den Wirtschaftsexpertinnen und -experten, und da wird das zusätzliche Gremium nichts bringen.

Jetzt komme ich auf etwas zu sprechen, bei dem ich glaube, dass es schon gewisse Herausforderungen gibt, und zwar hinsichtlich dieser zeitlichen Verschiebung: Das liegt in den Details der Ausführungen der einzelnen Probleme. Dort ist doch das Problem, und das ist oft sehr, sehr schwierig. Da hilft ein zentrales Gremium nicht, sondern das muss man dezentralisieren und mit Experten in den verschiedenen Bereichen abfrüh­stücken.

Ich will mich nicht darauf ausreden, aber einer dieser Punkte ist schon auch das EU-Beihilfenrecht – nicht deshalb, weil die EU gegen alles wäre, sondern weil es eben Zeit braucht. Es muss notifiziert werden, und wenn die Kommission das Okay gibt, dann gibt es das Tool ja eh, aber man kann nicht einfach Hilfen beschließen, die dann beihilfen­rechtlich nicht halten – das wäre unverantwortlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ein letzter Punkt zu Ihnen (in Richtung Abg. Meinl-Reisinger): Sie sprechen oft von Zu­versicht, und ich glaube, das ist genau das, was wir in dieser Zeit brauchen. Ich glaube, dass die meisten, die in den letzten Tagen und Wochen möglicherweise wieder ein bisschen Zuversicht dazugewonnen haben, nach Ihrer Rede und auch nach jener Ihres Kollegen Sepp Schellhorn eher ein bisschen weniger zuversichtlich in die Zukunft bli­cken, und das ist nicht gut für den Ausblick, den wir haben, und die Situation, in der wir sind. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich würde Sie also bitten: Zeigen Sie schonungslos auf, was falsch läuft – ich bin dankbar dafür, und ich glaube, auch die Frau Ministerin ist dankbar dafür –, aber reißen Sie nicht alles mit, also quasi auch die Dinge, die teilweise gut funktionieren! Wir wissen aus den Zahlen, dass es eine globale Krise ist; das ist ja keine Überraschung, Sie selbst haben das schon einmal gesagt. Warum die Schweden quasi nicht besser dastehen als wir, ist - - (Abg. Meinl-Reisinger: Ich sage ja auch nicht ...! Sie werden auch einen Teil ha­ben, der hausgemacht ist!) – Genau!

Die Situation, in der wir sind, und der Mangel an Zuversicht sind dementsprechend nicht den Hilfen geschuldet, sondern einer Gesamtsituation, in der wir sind und aus der wir gemeinsam herauskommen müssen. Da hilft halt auch Zuversicht, die wir alle gemein­sam versprühen sollten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Da soll­ten Sie bessere Politik machen und zum Beispiel nicht mit der zweiten Welle drohen!) Das würde ganz im Sinne Ihres Antrages auch das Vertrauen in die Institutionen erhö­hen, und darum würde ich bitten. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Verwechseln Sie nicht Ihre Institutionen mit ...!)

16.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


16.14.34

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Herr Staatssekretär! Sie haben sich, Frau Ministerin, in Ihrer Antwort auf Klubobfrau Meinl-Reisinger auf ein Ereignis aus der vorigen Legislaturperiode be­zogen – das zeigt Ihr gutes Gedächtnis –, weil ich mich damals bei Ihnen im Ministeri­um wohnsitzgemeldet habe. Warum habe ich das gemacht? – Weil Bürgermeister sich bei mir gemeldet und gesagt haben, dass ihre Bedenken von Ihrem Ministerium nicht


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berücksichtigt worden sind. – Jetzt wissen Sie, wie gut die Arbeit Ihres Hauses ist, wenn die Bürgermeister mich anrufen, um etwas zu sanieren. (Beifall bei den NEOS.)

Dass Sie eine Legislaturperiode später immer noch kritisieren, dass jemand auf einen Fehler aufmerksam gemacht hat, das zeigt auch das Maß an Kritikfähigkeit, mit dem Sie arbeiten – das muss ich Ihnen leider so sagen.

Da kommen wir zum Stil dieser Regierung: Man hätte immer gerne den Schulterschluss, aber der ist dann so einseitig. Die Opposition sollte ihre Schulter leihen, aber wenn es dann um den Response geht, wenn es um das In-Kontakt-Treten geht, da ist auf einmal die Schulter, mit der man schließen sollte, weit weg. Da sind dann wieder die fünf Kurz-Vertrauten unter sich und brüten etwas aus, und dann gibt es eine Pressekonferenz und vier Hohepriester der Coronakrise treten vor das Publikum und verkünden irgendetwas. Das, was dort verkündet wird, steht meistens nicht im Einklang mit dem, was in der Ver­ordnung oder im Gesetz abgebildet ist, und traurig sind die Bürger, die auf das vertrauen, was ihnen im Fernsehen von den Hohepriestern gepredigt worden ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Die Minister, denen ich jetzt einmal ehrliche Absichten unterstelle, fuhrwerken vor sich hin: Der eine besorgt die Masken über das Rote Kreuz, das andere Ministerium kauft selbst direkt ein, wieder ein anderes kauft über die Bundesbeschaffung GmbH ein. Dass Österreich als Nachfrager auf einem internationalen Markt vielleicht ohnehin schon klein ist und dass man das gemeinsam machen sollte, das wird nicht berücksichtigt, das funk­tioniert nicht. (Abg. Meinl-Reisinger: In Oberösterreich machen sie es gleich über Freun­derlwirtschaft!) – Die Oberösterreicher machen es allein, ja, und Stelzer lässt sich mit 50 000 Masken ablichten, was für das Spitalland Oberösterreich Pipifax ist, aber gut. Dass man da eine Koordination gebraucht hätte, liegt auf der Hand, und das spricht schon sehr für unseren Antrag.

Oder: Der Finanzminister präsentiert einen dritten ermäßigten Umsatzsteuersatz, wobei man kein wahnsinnig großer EU-Rechtsexperte sein muss, um zu wissen, dass die nur zwei außertourliche Mehrwertsteuersätze zulassen und schon gar keinen gesenkten auf Alkohol. – Da fragt man sich schon, wer in dieser Regierung den Blick auf die Sache hat.

Oder: Man muss in der Zeitung lesen, dass gar nicht abgeklärt war, ob die Vorgaben an die AUA bezüglich der Ticketpreise wettbewerbsrechtlich überhaupt möglich sind. – Es wäre vielleicht schon gut, wenn da einer im Gesamten ein Auge auf das hätte, was Sie in dieser Wirtschaftskrise als Maßnahmen so unters Volk bringen.

Es gibt eine Flut an Fonds und Hilfsmaßnahmen – ich bin sicher, dass Sie diese nicht auswendig aufzählen können. Ich habe mir nur ein paar herausgeschrieben, damit die Zuschauer ein Gefühl dafür kriegen, wie viele es da gibt. Ich beginne mit dem wich­tigsten, der erhöhten Presseförderung und der Sonderförderung für Regionalmedien. Dann gibt es einen Härtefallfonds, einen Covid-Start-up-Hilfsfonds, den Fixkostenzu­schuss bei der Cofag, den Familienhärteausgleich, den Schulveranstaltungsausfall-Här­tefonds, den Überbrückungsfonds für die selbstständigen Künstler, den NPO-Unterstüt­zungsfonds, den Ausfallfonds für die Filmwirtschaft, den Familienbonus, den Neustart­bonus, den Lehrlingsbonus und ganz viele andere mehr, die Sie sich im Internet heraus­suchen können. Nur, die Bürger haben keine Zeit, sich durch 200 verschiedene Hilfs­maßnahmen durchzuwühlen, die Ihnen jede Woche einfallen und dann hohepriesterlich verkündigt werden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Anstatt einfach zum Finanzamt zu gehen! – Abg. Jakob Schwarz: Welchen würden Sie wegfallen lassen?)

Frau Ministerin, wenn ich mir nur überlege, wie viele Taskforces Sie schon angekündigt haben, dann gehe ich jede Wette ein – wir können hier auf der Stelle um einen Karton Sekt oder eine Kiste Bier wetten; in der Wirtschaftskammer hat man eher Sekt (Heiterkeit


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und Beifall der Abg. Yılmaz) –, dass Sie nicht alle Taskforces aufzählen können, die Sie in den Pressekonferenzen der letzten drei Monate schon angekündigt haben.

Sie stellen sich dann hierher und sagen den gleichen Unfug wie gestern Ministerin Asch­bacher: Es werden jeden Tag dreistellige Millionenbeträge an Kurzarbeitsbeihilfe ausge­zahlt. – Moment, jetzt multiplizieren wir das einmal: Dreistellig sind 100 Millionen, da wä­re man in einem Monat ja bei 3 Milliarden Euro, Sie haben insgesamt aber erst 2 Mil­liarden Euro ausgezahlt. Da frage ich mich, wo diese Beschleunigung auf einmal her­kommt. Das, was Sie uns da vorrechnen, kann gar nicht stimmen!

Kommen wir zum Fachlichen: Es wurde jetzt eine Senkung der Lohnsteuer, rückwirkend mit 1. Jänner, angekündigt. Wissen Sie, wer jetzt stirbt? – Wieder ein Personalverrech­ner, weil sich jetzt ja das Netto verändert. Senkt man die Lohnsteuer rückwirkend, ver­ändert sich das Netto. Die ganzen Kurzarbeitsberechnungen sind hin, die können alles von Neuem beginnen. Die Softwarehersteller können die Programmierung von Neuem beginnen, die Gehaltspfändungen der letzten Monate sind alle falsch, die Kurzarbeits­berechnungen sind alle falsch. Jede Gehaltsbestätigung, die ausgestellt wurde – alles falsch!

So gut kennen Sie sich aus. Solche Maßnahmen verkündet Ihre Regierung – und dann brauchen Sie keinen Koordinator, weil Sie glauben, Sie können das selbst. Wissen Sie, was? – Ich wünsche mir jeden Montag nach „Willkommen Österreich“ eine halbe Stunde Schramböck im TV. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.


16.20.23

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher! Wenn ich mir den Antrag durchlese, bin ich zwar nicht sprachlos, aber ich bin ziemlich verwirrt und frage mich, wo eigentlich der rote Faden in diesem Antrag ist.

Am Anfang gehen Sie auf Europa ein. Eigentlich kritisieren Sie, dass Europa während der Krise manche Dinge nicht gemacht hat – ein bisschen komisch für die NEOS, aber dennoch –, dann sprechen Sie von mangelndem Vertrauen in die Bundesregierung. – Erst kürzlich wurde wieder eine Umfrage gemacht, die ergeben hat: 70 Prozent sind mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden. Ich weiß natürlich, dass das für die Opposition nicht schön ist, aber es ist ein Faktum, und ich denke, auch Sie müssen es akzeptieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Danach sprechen Sie von der fehlenden Sicherheit für Unternehmen. – Also ich weiß nicht ganz, aber ein Schutzschirm im Umfang von 50 Milliarden Euro ist nicht unbedingt ein Zeichen fehlender Sicherheit. Natürlich kann man auch da wieder alles schlechtre­den. Und, Herr Matznetter, man kann auch immer wieder auf das Epidemiegesetz einge­hen, aber verstehen Sie doch ganz einfach: Wir haben keine Epidemie, sondern wir ha­ben eine Pandemie (Abg. Meinl-Reisinger: Ach so!), und das haben auch nicht wir fest­gelegt, sondern das war die WHO (Abg. Meinl-Reisinger: Ach so! Weil es schlechter ist, gibt’s keinen Entschädigungsanspruch mehr!), und insofern: andere Voraussetzun­gen, andere Konsequenzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Wenn es eine Epidemie wäre, dann wäre es okay, oder? – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein Pech!)

Danach sprechen Sie davon, dass die Politik der Bundesregierung an der Anzahl der Arbeitslosen schuld ist. – Also das ist jetzt wirklich ein bisschen verwunderlich, denn ich weiß nicht, wie oft ich von vielen Mitgliedern der Bundesregierung inklusive dem Bundes­kanzler gehört habe, dass die Kurzarbeit genau deswegen gemacht wurde, damit die


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Leute nicht in die Arbeitslosigkeit kommen, sondern damit sie bitte in den Unternehmen gehalten werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Schauen Sie sich einmal an, wie viele in den ersten Tagen schon arbeitslos geworden sind!) Ich glaube, wir sehen auch im interna­tionalen Vergleich, dass die Kurzarbeit besonders gut wirkt. Akzeptieren Sie das einmal und seien wir doch froh darüber! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich weiß – das haben wir gestern Abend auch schon gemerkt –, mittlerweile machen die NEOS ein bisschen mehr auf Populismus und bleiben nicht mehr ganz so bei der Wahr­heit. (Abg. Meinl-Reisinger: Da redet gerade die Richtige!) Ich finde es nur schade, vor allem wenn Sie dann die Bürger damit verwirren. (Abg. Meinl-Reisinger: Da redet gera­de die Richtige, von der ÖVP!)

Danach sprechen Sie von der Gefahr, dass die Mehrwertsteuersenkung die Sparquote erhöht. (Abg. Belakowitsch: Gut, dass Sie gesagt haben, dass Sie verwirrt sind!) – Also jetzt bin ich wiederum verwirrt, denn eigentlich ist die Mehrwertsteuersenkung für die Gastro und für die Kultur und soll bei den Unternehmen bleiben. (Abg. Haubner: Das ist eine Verwechslung!) So war es eigentlich gedacht. (Abg. Haubner: Das ist eine Ver­wechslung!) Also ich glaube nicht, dass das in die Sparquote geht, aber gut. (Abg. Otten­schläger: Das stimmt ja wirklich nicht!)

Irgendwann einmal kommen wir dann beim Antrag an, puh, und da muss ich ein bisschen Luft holen, denn da wird die Bundesregierung „aufgefordert, eine zentrale Stelle [...] ein­zurichten, die die Koordinierung von Wirtschaftshilfen und konjunkturbelebenden Maß­nahmen übernimmt“. – Das erinnert mich ein bisschen an eine Planwirtschaft; aber gut, ist zu akzeptieren. (Abg. Meinl-Reisinger: Lesen Sie halt einmal nach, was eine Plan­wirtschaft ist!) – „Die vorgeschlagenen Maßnahmen dieser zentralen Stelle sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus“ und Weiterem „beitragen.“

Zur „Stabilität des Preisniveaus“ – also ich weiß nicht, ich habe damals noch gelernt, dass eigentlich Angebot und Nachfrage dazu beitragen, und ich glaube, wir machen alles dafür, dass wir beides stimulieren. Auf der einen Seite das Angebot (Abg. Hoyos-Trautt­mansdorff: Gerade in der Forstwirtschaft!): Ich glaube, Österreich ist Gott sei Dank sehr schnell in den Lockdown gegangen, sehr schnell aus dem Lockdown herausgekommen (Abg. Belakowitsch: Wir sind schnell aus dem Lockdown herausgekommen?! – Es ist alles relativ!) und tut jetzt alles, um das Angebot wiederherzustellen. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Unternehmen sind dankbar und die Bürger sind dankbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auf der anderen Seite wollen wir – und versuchen das natürlich – die Nachfrage stimu­lieren. Das machen wir einerseits mit dem Kurzarbeitsmodell – die Leute, die in Kurzar­beit sind, haben natürlich auch eine stärkere Kaufkraft und tragen hoffentlich sozusagen zur Nachfrage bei –, aber natürlich auch mit dem gesamten Konjunkturpaket, das jetzt vorgestellt wurde. Einerseits im Bereich des privaten Konsums – ich erinnere nur daran –: Wir haben eine Tarifkostensenkung, wir haben einen Kinderbonus von 360 Euro – auch der soll natürlich in den Konsum fließen –, wir haben eine Arbeitslosenunterstützungs­leistung von 450 Euro – auch die soll in den Konsum fließen.

Auf der anderen Seite wollen wir natürlich die Investitionen stimulieren. Es gibt ein gan­zes Investitionspaket: Wir wollen eine Investitionsprämie einführen, wir haben eine de­gressive AfA, wir wollen das Eigenkapital stärken. Wir wollen Investitionen in Innovation stimulieren, und da vor allem in klimafreundliche Innovationen – ich glaube, das ist den NEOS jetzt nicht ganz ungelegen. (Abg. Meinl-Reisinger: Das finden wir eh gut!) Also ich glaube, wir machen wirklich viel, um die richtigen Maßnahmen zu setzen, damit wir sehr schnell wieder aus dieser Krise herauskommen – und dafür bin ich dankbar. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Aber gut, ich meine, ich frage mich sowieso immer wieder: Wo ist bei den NEOS mittler­weile die liberale Einstellung? (Abg. Meinl-Reisinger: Zum Beispiel dass wir ... oder dass wir eine Einschränkung der Vertragsfreiheit, wie von der Frau Köstinger geplant, jenseitig finden!) Wir haben von einem Antrag von Herrn Kollegen Loacker im Arbeits- und Sozialausschuss gehört, in dem er sich dafür einsetzt – ich muss noch einmal über­legen, denn es war wirklich ein bisschen - - –, dass jene Unternehmen, die Kurzarbeit in Anspruch nehmen, aber am Ende ein positives Ergebnis haben, eine höhere Körper­schaftsteuer zahlen sollen. Habe ich das richtig verstanden, dass jene Unternehmen, die mit viel Geschick hoffentlich ein bisschen einen Gewinn machen, dafür auch noch be­straft werden sollen? – Das ist wirklich ungeheuerlich, das muss ich schon ganz, ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Haubner: Das dürfte eine Einzelmeinung gewesen sein!)

Ich habe immer den Grundsatz der liberalen Politik gelernt: So viel Markt wie möglich, so wenig Staat wie möglich. Die NEOS haben diesen Grundsatz leider verloren, und ich finde das eigentlich sehr schade. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Ihr seid nur noch sozialistisch! Ihr schränkt die Vertragsfreiheit ein! Und kann der Kollegin bitte jemand erklären, was Preisstabilität ist? Das ist ja ein Wahnsinn!)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wimmer. – Bitte.


16.26.27

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Na ja, dass sich die Kollegen von den Regierungsparteien hier herausstellen und die Situation total beschönigen und einfach sehr positiv darstellen, das sind wir eh gewohnt, aber, Frau Kollegin Niss, aus Ihrem eigenen Betrieb ist eine etwas andere Stimmungs­lage zu vernehmen, wenn man genau hinhört. Darum bin ich schon überrascht, dass Sie alles paletti finden (Abg. Haubner: Das haben wir nicht gesagt! Aufpassen!), oder, Frau Bundesminister, wie Sie es auch gesagt haben, dass ohnedies alles in Ordnung ist. Ich sage von dieser Stelle aus: Es liegt in Wirklichkeit im Argen, nichts ist paletti, meine sehr geschätzten Damen und Herren, und wir erleben eine total dramatische Situation! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hören, dass nach der Kurzarbeit sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr mitgenommen werden. Das hören wir jetzt schon. Das heißt, wir haben in der zweiten Jahreshälfte eine Situation zu erwarten, die wirklich fatal sein wird, und wir se­hen, dass vielen Betrieben die Luft ausgeht, weil eben die Maßnahmen, die Sie, Frau Bundesministerin, setzen und die die Regierung setzt, bei den Firmen und bei den Be­trieben einfach nicht ankommen. Und da hören wir heute, dass alles klar ist und alles eitel Wonne ist?!

Ich glaube, es wäre total wichtig, dass Sie einmal mit den Betroffenen reden. Ich bin ein bisschen überrascht, denn es gibt ja wahrscheinlich ein Wirtshaus, in das Sie gehen, Sie haben wahrscheinlich auch einen Friseur, bei dem Sie ab und zu sind. Reden Sie einmal mit diesen Leuten, denen steht das Wasser bis zum Hals! Mein Friseur erzählt mir: 14 000 Euro Fixkosten und zweieinhalb Monate keine Einnahmen. Das ist eine Katastro­phe für die Betriebe, liebe Kolleginnen und Kollegen! Doch das wird jetzt sozusagen vom Tisch gewischt, weil das alles in Wirklichkeit nicht stimme. Da geht etwas ab, das ist abenteuerlich.

Und der Förderdschungel, der besteht, ist in Wirklichkeit ein Wahnsinn. Ich habe ja den Eindruck, ihr macht das mit Absicht, damit die Menschen oder die Betriebe nicht zu ihrem


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Geld kommen, denn so etwas kann man doch nicht machen! Der Kollege vorhin hat die Förderungen, die da angesprochen sind, gerade aufgezählt. Kein Hund kennt sich mehr aus, meine sehr geschätzten Damen und Herren, es ist in Wirklichkeit eine Katastrophe! (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei den NEOS.)

Jawohl, und das stimmt: Das Einzige, was wirklich funktioniert, ist die Kurzarbeit. Und wisst ihr, warum die funktioniert? – Weil die nicht die Regierung gemacht hat, sondern die haben die Sozialpartner gemacht, meine sehr geschätzten Damen und Herren! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Was mich fürchterlich stört – und wir sehen das jetzt schon wieder –: das alte Lied der Regierung. Jetzt fangen Sie wieder an, mit der Angst zu spielen, mit der Angst der Men­schen zu spielen. Ich wundere mich, warum da die Grünen mitgehen, denn das, was da passiert, ist wirklich verantwortungslos. So höre ich etwa bei einer Pressekonferenz: Boah, jetzt kommt die zweite Welle, aufpassen! Und: Flüchtlinge, Flüchtlingsrouten – mein Gott, vielleicht haben die sogar auch einen Virus mit! – Andeutungen in diese Rich­tung zu machen, meine Damen und Herren, das ist unverantwortlich! Wir brauchen drin­gendst den Konsum, diesen kann man aber mit Angst nicht ankurbeln. Die Unternehmen saufen uns ab, und wenn wir nicht in eine andere Richtung, in Richtung Zuversicht, in Richtung Sicherheit gehen, dann haben wir wirklich ein riesiges Problem. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Klientelpolitik versteht die ÖVP natürlich ganz besonders. Ich will da jetzt nicht mehr ganz in die Breite gehen, aber was da alles an Maßnahmen für die Bauern passiert – dass die sich jetzt auf die Schenkel klopfen und applaudieren, ist völlig klar. Wenn aber eine Sozialversicherung, die unter Wasser steht, noch eine Pensionserhöhung ausbezahlt, übrigens rückwirkend und alle Jahre nachhaltig – ohne jetzt irgendjemandem neidig zu sein –, und auf der anderen Seite die Beiträge gesenkt werden, dann, Kolleginnen und Kollegen, geht sich das hinten und vorne nicht aus. (Abg. Haubner: Da redet der Richtige!) Ich sage das deshalb, weil: Wisst ihr, wer das zahlt? – Das zahlen die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in Kurzar­beit sind und nur 80 Prozent verdienen. Die werden das in Zukunft zu zahlen haben, meine Damen und Herren, weil Sie sich das Geld dann wieder irgendwo holen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Lasst mich zum Schluss kommen: Also auf der einen Seite das Füllhorn für die Bauern, auf der anderen Seite werden viele Unternehmen um ihre Existenz gebracht. Ich habe heute auch geglaubt, ich träume, als ich die APA-Aussendung, dass Novomatic – da, Herr Präsident, kennen Sie sich eh ganz besonders gut aus – Dividenden auszahlt, gele­sen habe. Novomatic hat Kurzarbeit, 1 500 Menschen in Kurzarbeit bedeuten hochge­rechnet ungefähr zwischen 15 und 20 Millionen Euro Staatszuschuss – und jetzt zahlt sich der Herr Graf 50 Millionen Euro aus! Nicht deppert, aber ein Wahnsinn, Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Meinl-Reisinger: Aber vielleicht sind es wieder Geschenke!) Und die Regierung hat versprochen, sie werde dagegen angehen, und die Grünen haben gesagt, das werde es in Zukunft nicht geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Einen darf man nie vergessen: Herrn Pierer aus dem Innviertel, von KTM; der versteht das auch super. Dividende auszahlen? – Nein, mache ich eh nicht! Und? – Über Sonder­konstruktionen hat er sich 27 Millionen Euro genommen! Zufällig ist der Betrieb auch in Kurzarbeit. Er hat es überhaupt gscheiter gemacht, denn hochgerechnet auf die Kolle­ginnen und Kollegen, die dort in Kurzarbeit sind, machen die Kosten ungefähr denselben Betrag aus. Er wird ungefähr 27 Millionen Euro für die Kurzarbeit beantragen und gleich­zeitig 27 Millionen Euro Dividende ausschütten.

Ich meine, meine sehr geschätzten Damen und Herren, das ist einfach unmöglich, was hier abgeht. Wir sind ganz selten mit unseren NEOS einer Meinung (Abg. Meinl-Rei­singer: Wir sind nicht eure NEOS!), aber da habt ihr - - (Zwischenrufe bei ÖVP und


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NEOS.) – Ja, ja, wir sind ganz selten mit den NEOS einer Meinung, aber da habt ihr völlig recht: Wir brauchen eine Art Zentralstelle, wir brauchen ein gemeinsames Vor­gehen.

Frau Ministerin, Sie und Ihre Regierung, Sie können das nicht, und bevor da größerer Schaden entsteht, ist, glaube ich, die Einrichtung einer zentralen Koordinationsstelle von großer Wichtigkeit. – Danke. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

16.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.


16.32.56

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren in Wahrheit seit vielen Wochen die Problematik, dass unsere Wirtschaft nicht wirklich anspringt.

Frau Minister, Sie sind die Wirtschaftsministerin in diesem Land, und bei einem guten Management – und das Management ist nicht das Wirtschaftsministerium alleine, son­dern die gesamte Regierung – müsste es eigentlich so sein, dass man zuerst daran denkt: Was braucht das Land? Was brauchen seine Bürger? Was brauchen die Unter­nehmen? Das Problem, das ich da sehe, ist, dass Sie als Regierung zuerst denken: Was hilft der ÖVP? Was hilft der Wirtschaftskammer? Was hilft der Industriellenvereinigung? Das ist genau das Problem, vor dem wir stehen: Sie denken zuerst an das Wohl Ihrer eigenen Partei und nicht an das Wohl des Landes, und genau so handeln Sie auch.

Sie stellen sich hin, zuzeln herum, dann gibt es eine Pressekonferenz, dort wird ein biss­chen etwas an Förderungen bekannt gegeben, dann eine Woche später die nächsten Förderungen, die nächsten Töpfe. – Wir kennen alle diese Geschichten, meine Damen und Herren; und ich bringe jetzt ein Beispiel dazu.

Heute am Vormittag ging es um 1 Milliarde Euro für die Gemeinden. Wir wissen aber alle, dass der Ertragsanteilsausfall der Gemeinden 2 Milliarden Euro betragen hat. Wa­rum gibt es eigentlich nur 1 Milliarde Euro? – Wissen Sie, da liegt halt der Verdacht schon nahe, dass man sich die zweite Milliarde für den Herbst aufhebt. Man muss ja dann wieder ein Milliardenpaket präsentieren, man muss ja wieder großartige Presse­konferenzen abhalten und sozusagen Geschenke an die Bevölkerung verteilen.

Das genau ist das Problem. Das ist nicht das, was sich die Bürger erwarten oder was den Menschen Sicherheit gibt. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Für die Unternehmen in diesem Land gibt es keine Planbarkeit, denn sie wissen heute nicht, was sie in einer Woche, in drei Monaten wirklich noch an Förderungen bekommen oder nicht oder ob es etwas Neues gibt. Genau da liegt das große Problem, meine Damen und Herren! Es braucht jetzt endlich auch einmal einen Plan für die nächsten zwölf bis 18 Monate, damit sich Unternehmen auch darauf verlassen können, was Sie sich vorstellen, was Sie ma­chen wollen. Das fehlt bei dieser Bundesregierung und das zieht sich durch wie ein roter Faden, meine Damen und Herren.

Ich muss jetzt an die Ausführungen des Kollegen Wimmer anschließen: Es ist immer Angst da. In einem widerspreche ich Ihnen, Kollege Wimmer, Sie haben gesagt, die Bundesregierung beginne wieder, Angst zu machen; ich sage Ihnen, sie hat nie aufge­hört, Angst zu machen. Das ist nämlich das ganz große Problem. Die Unternehmer ha­ben überhaupt keine Lust, zu investieren, wenn sie nicht wissen, wie es weitergeht. Es haben aber auf der anderen Seite natürlich auch die Konsumenten keine Lust, zu konsu­mieren. Wir sehen ja alle, dass sehr viel mehr gespart wird, wir sehen, dass es einen Konsumschock gibt, und wir sehen, dass die Unternehmer eben nicht so investieren, wie wir uns das wünschen würden.


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Genau da ist jetzt die Regierung gefordert, Frau Minister. Und das kann nicht klappen, indem die Mitglieder dieser Regierung sich permanent hierherstellen und wir uns anhö­ren müssen: Wir sind die Besten, die Allerbesten auf der ganzen Welt, bei uns ist ei­gentlich eh alles gut! – Das ist es eben nicht, Frau Minister, das sind wir nicht, und da muss man auch selbstkritisch sein und selbstkritisch bleiben. Es ist nun einmal so, dass auch in anderen Ländern eine Wirtschaftskrise herrscht, ja, es ist aber auch so, Frau Minister, dass unsere Unternehmen diese Hilfen viel, viel zu spät bekommen haben. Für manche war es zu spät, für viele andere kann es noch zu spät werden, und jeder Tag, den wir länger warten, wird uns in weiterer Folge noch viel, viel mehr kosten.

Also ich glaube, jetzt ist wirklich der Zeitpunkt da, man muss sozusagen endlich einmal die Starttaste drücken, damit das Geld jetzt endlich auch dort ankommt, wo es gebraucht wird, nämlich in den Unternehmen, damit die wirklich auch Luft zum Atmen haben; man muss diesen Unternehmen aber parallel dazu auch eine Planbarkeit geben. Genau an diesen beiden Schrauben müssen Sie jetzt drehen, wenn Sie wollen, dass die Wirtschaft anspringt.

Was auch noch ganz wichtig sein wird: Wir werden vielleicht Ende des Jahres ein Pro­blem bekommen, nämlich dann, wenn die Betriebe Bilanzen legen müssen. All das müs­sen Sie jetzt – jetzt, rechtzeitig – noch in die Hand nehmen und in den Griff bekommen, denn sonst werden wir keinen Konjunkturansprung mehr erleben, sonst ist es möglicher­weise so, dass wir über viele, viele Jahre in einer Rezession sein werden. Ich glaube nicht, dass Sie das wollen, und wenn Sie es nicht wollen – und das nehme ich Ihnen ab, dass Sie das nicht möchten –, dann müssen Sie endlich auch anders handeln. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.) Gehen Sie weg von dieser Symbolpolitik, von dieser Pres­sekonferenzenpolitik, und machen Sie echte Politik, nämlich Politik für die Bürger in die­sem Land, die das brauchen! Sagen Sie, legen Sie auf den Tisch, was es an Förde­rungen geben wird, und zwar heute für die nächsten Monate, und sparen Sie sich eine permanente Präsentation von Geschenken! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich weiß schon, es ist so schön und viele in der ÖVP haben das so gerne – vor allem euer Klubobmann liebt es –, wenn die Bürger dankbar sind. Das ist aber der falsche Weg. Die Bürger wollen und sollen nicht dankbar sein, sondern die Bürger wollen sich wieder frei bewegen, frei atmen, die Unternehmer wollen arbeiten, wollen investieren, und die Leute wollen wieder Arbeitsplätze haben. Dazu braucht es keine Pressekonfe­renzen, dazu braucht es Sicherheit, dazu braucht es Förderungen und dazu muss das Geld jetzt fließen.

Ich bitte Sie wirklich, Frau Minister, sorgen Sie dafür, dass das jetzt endlich anspringt! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


16.38.27

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Wertes Hohes Haus! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer zu Hause vor Ihren Bildschirmen! Ich finde es ja ganz gut, dass wir schon wieder, muss man sagen, über die Wirtschaftshilfe und darüber, was danach kommt, diskutieren, denn das Darüber-Reden schafft, wie wir wissen, dann doch eine gemeinsame Basis. Man weiß, wovon man redet, das Reden bringt die Leute zu­sammen, in den meisten Kontexten, und es schafft Vertrauen. Das war auch ein Haupt­thema dieses Antrages, nämlich „Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Be­kämpfung der Wirtschaftskrise“.

Psychologen meinen, Vertrauen in uns und in andere Menschen ist mitentscheidend dafür, wie zufrieden wir im Leben sind. Das kann ich persönlich bestätigen. Jetzt geht es


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aber um das Vertrauen in Institutionen, und da ist es wohl so: Je mehr wir wissen, desto weniger müssen wir vertrauen. Gleichzeitig hilft Vertrauen, Komplexität, also zu viele Informationen – und in einer solchen Situation gibt es einfach sehr viele Informationen ‑, zu reduzieren. Also wenn man beispielsweise jemanden um Rat fragt, dem man vertraut, dann muss man nicht alles wissen, dann kann einem der helfen. Es gibt auch einen Zusammenhang von Vertrauen und Kontrolle – wie wir wissen, ist auch das in der Politik sehr wichtig –, und ich muss in diesem Fall sagen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!, in der Politik wie auch in der Wirtschaft. (Abg. Meinl-Reisinger: Na ja, kommt darauf an!) Wir werden hier also auch genug Möglichkeiten haben, zu kontrollieren. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

In der Wirtschaft, in der Politik, in dieser Situation braucht es also erstens klare Spielre­geln, Gesetze – das ist das, was wir hier auch schaffen, sehr rasch geschaffen haben und zum großen Teil in einer intensiven Diskussion gemeinsam geschaffen haben; das fand ich wirklich sehr wichtig, sehr gut und auch konstruktiv. Es braucht Information, Transparenz nach außen und abschließend natürlich die Kontrolle – und diese wird, wie gesagt, kommen.

Ein Rückblick: Circa Mitte März haben wir gemeinsam die Beschlüsse gefasst, sogar einstimmig gefasst, wie es weitergehen soll, welche Hilfsmaßnahmen zunächst einmal zu beschließen sind. Ich möchte auch explizit sagen – weil das schon mehrmals ange­klungen ist –, dass diese Pressekonferenzen sehr wichtig waren. In einer Phase, in der so viele neue Informationen kommen, ist es ganz wichtig, zu informieren, umfassend zu informieren; das braucht es. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Also: Informationen über Pressekonferenzen, aber auch über zahlreiche Webseiten, zum Beispiel über jene des BMF, die alle Wirtschaftshilfen, wie ich glaube, sehr gut darstellt. Es gibt dort auch eine Hotline, die sehr gut funktioniert, bei der durchaus auch viele Kritikpunkte zusammenfließen, und es existiert die Möglichkeit, dann gleich darauf zu reagieren und Probleme schnell zu lösen.

Im Sinne der Aufklärung und Transparenz möchte ich hier ein paar Unterstützungsmaß­nahmen und Zahlen dazu nennen. Der Unternehmerlohn wurde schon angesprochen: 300 Millionen Euro sind da bereits ausbezahlt worden – übrigens zu knapp 70 Prozent an Einpersonenunternehmen, also wirklich an die kleinsten Unternehmen –, bis zu 15 000 Euro je Unternehmerin/je Unternehmer können da bis Jahresende ausgezahlt werden.

Übrigens, weil von der SPÖ, glaube ich, gesagt wurde, dass es ja so viele Förderinstitu­tionen gibt: natürlich, weil das eine einzelne Institution gar nicht schaffen und gar nicht abwickeln könnte und weil jeder Unternehmer weiß, welche seine Bank ist, weil der Tou­ristiker weiß, dass die ÖHT seine Bank ist, und an die wendet er sich. Die Zielgruppen wissen schon, an wen sie sich wenden müssen, die Landwirtschaft an die AMA, die Agrarmarkt Austria, und der Start-up-Hilfsfonds wird über das AWS abgewickelt.

Auch ein paar positive Zahlen – das ist noch nicht erwähnt worden –: Die Arbeitslosigkeit geht bereits zurück, und zwar um circa 20 Prozent gegenüber dem April, und auch die Inanspruchnahme der Kurzarbeit geht zurück. Beides ist rückläufig, was, glaube ich, sehr gute Aussichten sind und was zeigt, dass es schon in die Phase danach geht – und daher dieser Rückblick.

Es ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt, konjunkturbelebende Maßnahmen zu starten. Wir haben ja heute bereits ein Kommunalinvestitionsprogramm, das Kommunalinvestitions­gesetz beschlossen, durch das die Kommunen die Möglichkeit haben, Aufträge an lokale Firmen – Baufirmen, Elektriker, Installateure und so weiter – zu vergeben, was sicher sehr wichtig ist. 1 Milliarde Euro werden über die Kommunen ausgeschüttet.


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Das Zweite wurde schon erwähnt, aber noch einmal: Auch die Unternehmen selbst sol­len investieren können. Es gibt daher eine Investitionsprämie: 14 Prozent für Investi­tionen im Ökologiebereich, im Digitalisierungsbereich, im Gesundheitsbereich – also in den Zukunftsbereichen. Wenn sich ein Unternehmen also dafür entscheidet, jetzt bei­spielsweise neue IT-Systeme anzuschaffen oder in erneuerbare Energien zu investie­ren, dann bekommt es 14 Prozent außerordentlichen Zuschuss, sonst immerhin 7 Pro­zent.

Degressive Abschreibung: Auch das ist ein ganz wichtiges Instrument, denn wenn man eine größere Investition tätigt, die man zum Beispiel auf acht oder zehn Jahre abschrei­ben sollte, kann man jetzt im ersten Jahr bereits 30 Prozent abschreiben. Das ist irrsinnig wertvoll, denn das bedeutet, dass sich das heuer auf die laufenden Kosten auswirkt und der Gewinn beziehungsweise der mögliche Gewinn reduziert wird. Gewinn, möglicher Gewinn: Wenn man heuer Verluste macht, kann man die mit Gewinnen aus den vergan­genen Jahren gegenrechnen.

Ich denke, das sind ganz wichtige Impulse, die da gesetzt werden, um uns gut in die Zukunft zu bringen. Ich baue darauf, dass wir hier weiter konstruktiv diskutieren können. Ich halte es für wichtig, der Bevölkerung zu signalisieren, dass es hier ein Miteinander gibt – auch im Parlament. Es wurde schon gesagt: Die Regierung hat eigentlich sehr gute Vertrauenswerte, ich gratuliere hier dazu – und freue mich auf weitere spannende Diskussionen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Brandstötter. – Bitte.


16.46.18

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! 4, 38, 19, 50 – das sind nicht die Bingozahlen. 4, 38, 19, 50 Milliarden Euro, das sind die Eckdaten der sogenannten Hilfsmaßnahmen, zu denen ja alle paar Tage ein neuer Plan hinzukommt.

Und jetzt wäre es auch noch richtig Bingo, wenn etwas von diesen Plänen auch denen helfen würde, denen es helfen soll, nämlich den vielen Unternehmerinnen und Unterneh­mern in unserem Land. Ich war, so es möglich war, in den letzten Wochen viel unter­wegs. Ich habe sehr viele Gespräche geführt, viele Menschen getroffen, und ich kann Ihnen sagen: Es ist stiller geworden. Der Zorn auf die vermurksten Härtefallfonds- und Fixkostenzuschüsse, der ist verraucht; aber das liegt nicht daran, dass den 500 000 EPUs so wunderbar geholfen worden ist, sondern das liegt daran, dass es den Menschen immer mehr egal ist. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind einfach mit ein paar Zehnern abgespeist worden, die haben keine Lust mehr, sich jetzt anzustel­len. Viele EPUs haben Steuerberater bezahlt, um bei dem komplizierten Ausfüllen der Anträge Hilfe zu haben, und dann – hoppla! – haben sich die Richtlinien über Nacht wie­der geändert. Alles war umsonst! Die meisten haben einfach alle Hände voll zu tun, sich um ihr Überleben zu kümmern und um das ihrer Partner und das ihrer Lieferanten. Für viele EPUs sind es in Wahrheit Schreckensbotschaften, wenn schon wieder von neuen Maßnahmen die Rede ist, wenn Sie die Regeln schon wieder ändern.

Wir NEOS halten ja in normalen Zeiten nicht sehr viel davon, wenn sich Staat und Re­gierung allzu sehr in das Leben von Menschen einmischen. Jetzt wäre es aber an der Zeit gewesen, sich einzumischen, gute und richtige Eingriffe zu machen, aber da haben Sie versagt. Eigentlich muss man Ihnen ja fast dankbar sein, denn Sie haben sehr deut­lich bewiesen, wie sehr Dinge schieflaufen können, wenn man sich in das Leben von Bürgerinnen und Bürgern einmischt.


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Ihre Aufgabe als Regierung wäre es, Rahmenbedingungen zu schaffen und für Stabilität und Sicherheit zu sorgen – dann können Menschen etwas schaffen, dann können sie Pläne machen, dann können sie Dinge umsetzen, dann entstehen Zuversicht und Ver­trauen. Ich fordere Sie auf: Schaffen Sie bitte endlich Klarheit! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Richten Sie ein Kabinett aus Expertinnen und Experten ein, setzen Sie Wirtschaftskoordinatoren ein, legen Sie Wirtschaftshilfen und Konjunkturbele­bung bitte in berufene Hände!

Ich nenne Ihnen jetzt ein Beispiel von vielen, das zeigt, dass Sie Hilfe brauchen – es richtet sich an Kollegen Haubner; bitte gut zuhören, ich zitiere Kollegen Blümel! –: „Das ist ja ein Blödsinn, was Sie da reden“. (Abg. Obernosterer: Das ist kein Blödsinn!) Die Richtlinie zum Fixkostenzuschuss vom 25. Mai gibt keine explizite Vorgabe, ob von EPUs und Kleinstunternehmen ein fiktiver Unternehmerlohn beantragt werden darf oder nicht, wenn im selben Zeitraum eine Entschädigung aus dem Härtefallfonds für den ent­gangenen Unternehmerlohn bezogen wird. Gleichzeitig sagt die Richtlinie explizit aus, dass Zahlungen aus dem Härtefallfonds von der Gegenrechnung beim Fixkostenzu­schuss ausgenommen sind. Diese Formulierung erweckt den Eindruck, dass eine Be­antragung des fiktiven Unternehmerlohns trotz Zahlungen aus dem Härtefallfonds mög­lich ist. Das ist verwunderlich, weil es in vielen Fällen zu einer Doppelförderung oder einer Überförderung kommen würde, wenn der entgangene Unternehmerlohn von bei­den Instrumenten teilweise oder ganz ersetzt wird. Die Summe der Ersatzleistungen würde nämlich bei vielen Antragstellerinnen und Antragstellern 100 Prozent des entgan­genen Unternehmerlohns übersteigen.

So, und nun prophezeie ich Ihnen Folgendes: Sie hören mir jetzt zu, dann lesen Sie sich Ihre eigenen Texte und Richtlinien durch, entdecken diesen Widerspruch – und dann beginnen die Überlegungen, wie man Rückforderungen stellen kann. Gratuliere, noch mehr Chaos und noch mehr Bürokratie! Gemeinsam mit den Stundungen und vielleicht auch noch dem Ende von Krediten wird das eine riesige Schuldenfalle für viele EPUs sein.

Ich habe hier schon vor Wochen gesagt, dass die Wirtschaftshilfen zurück an den Start müssen und neu überdacht gehören, und nun ergänze ich: Holen Sie sich bitte Hilfe! An dieser Regierung verzweifelt ja sogar Chuck Norris. Sie haben genug experimentiert, überlassen Sie die Experimente bitte den Forscherinnen und Forschern, die sich darum kümmern, das Virus zu bekämpfen! Lassen Sie zu, dass die Menschen in Österreich wie­der Zuversicht fassen können! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

16.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Marchetti. – Bitte.


16.50.50

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die NEOS kritisieren ganz lautstark, dass es ihrer Meinung nach eine Diskrepanz zwischen dem auf Presse­konferenzen Gesagten und den gesetzten Maßnahmen gibt, und bringen gleichzeitig einen Antrag ein, der dem vollkommen widerspricht, was sie in den letzten Wochen und Monaten gefordert haben. Ich würde das auch gerne beweisen, ich habe mir diese Wi­dersprüche natürlich zurechtgelegt.

Zum Beispiel steht in Ihrem Antrag, Sie wollen den „unübersichtlichen Teppich an Einzel­maßnahmen und Almosen“ beenden. Ich habe mir Ihre OTS seit dem 18.3. angeschaut – das waren 3 500, also zahlreiche. (Abg. Meinl-Reisinger: Da werden wir was machen müssen, das sind zu viele! Da müssen wir was machen!) Am 12.6. haben Sie zum Bei­spiel ein Spezialpaket für die Gastronomie gefordert, am 3.6. ein eigenes Rettungspaket


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für Yoga- und Sportstudios. Schellhorn fordert 1 000 Euro monatlich für Künstler. Sie wollen regionale Lockerungen, Sie wollen Extralösungen für den Breitensport. – Das sind ja alles gute Maßnahmen, über die wir auch diskutieren, aber Sie sagen nun, wir dürfen bitte keinen Fleckerlteppich produzieren. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisin­ger.) Sie gehen natürlich auch rein ins Detail – was ja auch sinnvoll ist (Zwischenrufe bei den NEOS) –, also werfen Sie es uns nicht vor! (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Aus unserer Sicht machen Sie es ja sinnvollerweise auch selbst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Sie hätten eine Stelle ma­chen können, das Finanzamt!)

Noch so ein Widerspruch: Gestern hat Kollegin Doppelbauer gesagt, sie fordert vehe­ment eine transparente parlamentarische Kontrolle der Coronamaßnahmen. – So, nun wollen Sie ein externes, nicht demokratisch legitimiertes Expertenboard, das politische Entscheidungen trifft, das Sie null kontrollieren können, auf das Sie null Zugriff haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Koordination! – Abg. Schellhorn: Steht das irgendwo ...?) – Das ist doch irgendwie überhaupt nicht vereinbar mit Ihrer Forderung nach mehr Kontrol­le. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Das steht nirgendwo! Sie machen da jetzt eine Märchenstunde draus!)

Auf Ihrer Homepage – da ist Ihr Gesicht ganz groß drauf, Frau Meinl-Reisinger –, heißt es betreffend das Wirtschaftspaket, Punkt drei: „Österreich vereinfachen“, Sie sagen da, man muss teure Doppelgleisigkeiten und „ineffiziente Strukturen beseitigen“. – Genau diese wollen Sie nun mit diesem Antrag schaffen. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das ist ein Koordinator!) Die Ministerin hat es schon gesagt: Wir haben ein Expertengremium, und das ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.) Warum misstrauen Sie diesen Beam­ten am Stubenring so und sprechen ihnen jede Kompetenz ab? Man kann unterschied­licher Meinung sein, liebe NEOS (Zwischenruf des Abg. Matznetter), aber den Beamten ihres Hauses und der Ministerin, die eine ausgewiesene Wirtschaftsexpertin ist, die Kom­petenz mit einem Handstreich abzusprechen (Ruf bei der SPÖ: Wer ist der Finanzexper­te?!), ist respektlos, und es ist eigentlich nicht das, was ich von den NEOS erwarten würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei NEOS und SPÖ.)

Mir fehlt bei diesem Antrag auch jede Art von Ambition. Wenn man das in einem Satz zusammenfasst, sagen Sie: Wenn schon wir nicht wissen, was wir tun sollen, dann soll­te es vielleicht irgendwer anderer wissen. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir können ja die 3 500 OTSen durchgehen!) – Das ist der Antrag. Ich frage mich wirklich, ob das die ge­samte Ambition ist, die Sie in diese Sache hineinlegen.

Ich habe mich schon am Anfang, als ich den Antrag gelesen habe, gewundert und mir gedacht: Das kann doch kein Antrag der NEOS sein, so wie ich die NEOS kennengelernt habe! Kollegin Niss hat es schon gesagt, beziehungsweise zitiere ich besser Kollegen Pink, der in der „Presse“ Folgendes gesagt hat: Gestartet sind die NEOS als wirtschaftsli­beralere ÖVP und geendet sind die NEOS wirtschaftspolitisch als ein bissel andere Grü­ne. (Rufe bei den Grünen: Was? – Zwischenrufe bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Loacker: Wollen Sie sich jetzt bei den Grünen beschweren?) Das sind einfach Dinge, wo Sie sich fragen sollten, liebe NEOS, was sie sein wollen. Was ist Ihr Wirtschafts­programm? (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Obwohl ich kein Experte bin, sage ich Ihnen etwas – Sie wollen ja Rat von außen ha­ben –: Wer sich nicht entscheiden kann, was er will, für den entscheidet sich auch kei­ner – und das ist das Problem der NEOS. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Es ist ganz einfach: liberal! Schreiben Sie sich das auf! – Zwischenrufe bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

16.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 211

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ober­rauner. – Bitte.


16.55.22

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Ministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauer zu Hause! Ich muss ehrlich sagen, wenn ich mir diese Diskussion anhöre, frage ich mich wirklich, obwohl ich ein sehr strukturierter Mensch bin: Wo bleiben die Men­schen? – Wenn ich ein Mensch bin, der heute nicht weiß, wie es morgen weitergeht – es gibt genügend –, dann frage ich mich wirklich, ob wir keine anderen Probleme haben, als wie die ÖVP eitel zu sein und die NEOS anzugreifen, weil die vielleicht eine gute Idee gehabt haben. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nein wirklich, Sie trauen uns Sozialdemokraten manchmal wenig zu, außer in der Sozial­partnerschaft, in der Sie unsere Expertise schätzen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich würde Sie bitten, zuzuhören, weil Sie dann vielleicht auch einmal etwas ler­nen können. (Beifall bei der SPÖ.) In der Sozialpartnerschaft schätzen Sie die Expertise schon, weil Sie auch wissen – das sollten wir öfters einmal auch als Grundlage unserer Maßnahmen nehmen –, dass das Leben eine Kreislaufwirtschaft ist. Da gehören nämlich Ihre Unternehmen, unsere Unternehmen und die Konsumenten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso dazu wie das öffentliche Leben und der Kontext im europäischen Gefüge.

Ich frage mich immer, warum wir an einer Schraube drehen und alle anderen vergessen, obwohl sie alle betroffen sind. Ich glaube, genau aus diesem Grund ist es wirklich drin­gend notwendig, eine Koordinationsstelle einzurichten. Um nicht zu glauben, man setzt eine gute Maßnahme – ich möchte der Frau Ministerin gar nicht unterstellen, dass sie irgendetwas aus Bösartigkeit tut, denn warum soll sie das tun, sie will in ihrer Arbeit Erfolg haben –, aber der Punkt ist der: Ich kann nicht in ein Produkt verliebt sein, wenn meine Kunden es nicht bekommen oder nicht kaufen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn sich nun die ganze Opposition gegen eine tolle Wirtschaftspolitik verschworen hätte, würde ich auch noch sagen: Okay, wir sind in einer Hochkonjunktur und haben Vollbeschäftigung, wir müssen uns mit etwas beschäftigen, also beschäftigen wir uns damit, die Regierung zu pflanzen! – Das ist aber nicht der Fall. Wir beschäftigen uns damit, zu schauen, wie wir aus dieser Situation herauskommen. Wir bitten wirklich um Kooperation – alle von uns –, wir bringen Vorschläge ein, und noch immer höre ich Dinge wie: Die Arbeitslosenzahlen sind zurückgegangen und wir haben weniger Kurzarbeit! – Darf ich Ihnen sagen, wieso: weil die Geschäfte aufgesperrt haben und weil viele pleite­gegangen sind; deshalb gibt es weniger Kurzarbeit. So sind zum Beispiel bei Dressmann 160 Menschen entlassen worden, weil die Finanzmittel für die Kurzarbeit nicht geflossen sind.

Genau da haben wir einen Unterschied zwischen dem, der es braucht, und dem, der es macht. Zeit und Liquidität sind anders besetzt: Sie stellen die Liquidität zur Verfügung, aber der Zeitraum, um zu ihr zu kommen, ist ein langer. Die Menschen, die überleben wol­len, brauchen sofort Liquidität und sie brauchen sie vor Ort. Sie können nicht 5 000 An­träge und zehn Pressekonferenzen anschauen, damit sie durchkommen – dazwischen sollten sie vielleicht noch schauen, dass sie das erarbeiten, was sie für das Monat brau­chen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich möchte deshalb wirklich darauf hinweisen, dass es drin­gendst an der Zeit ist, ein Gesamtkonzept zu erstellen – keinen Fleckerlteppich, der ein­zeln nicht brauchbar ist, aber im Gesamten vielleicht schon.

Wenn Sie, Frau Ministerin, sagen: 1,3 Milliarden Euro Garantien, viel mehr als in Deutsch­land!, darf ich Ihnen sagen, warum: Die Garantien schützen die Banken, denn den Unter­nehmern wird zuerst alles weggenommen, und den Rest deckt dann die Garantie den


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Banken gegenüber ab. Kein Unternehmer wird mit einer Garantie überleben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


16.59.12

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Sehr geschätzter Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss jetzt einmal Luft holen, weil ich eigentlich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Ich möchte einmal klarstellen, dass es gut ist, dass die Regierung viel Geld in die Hand nimmt, um diese Krise abzuschwächen. Das ist absolut in Ordnung. Es geht uns auch nicht darum, die Aktionen schlechtzureden, sondern es geht uns darum, Aktionen zu verbessern, effizienter zu gestalten und darauf zu schauen, dass das Geld viel schneller bei den Betroffenen ankommt. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Es sind ja nicht die 50 Milliarden Euro, von denen immer gesprochen wird. In den 50 Milliarden Euro stecken 10 Milliarden Euro Stundungen drinnen. (Ruf bei der ÖVP: Ja, das ist auch was!) – Na ja, das sind Gelder, die die Unternehmer zu bezahlen haben. Man nimmt also nicht 50 Milliarden Euro in die Hand, sondern 50 minus 10 Milliarden Euro. Man wartet, man stundet das. Eine Stundung ist kein Geldgeschenk. Daneben sind im Covid-Hilfspaket auch Haftungen mit dabei, die Gott sei Dank nicht alle schla­gend werden. Also aus dem 50-Milliarden-Euro-Programm werden 35 Milliarden Euro, wenn man das korrekt publiziert.

Zum Nächsten: Kollege Schwarz – ich weiß nicht, ob er da ist – hat uns aufgefordert, schonungslos aufzuzeigen, was falsch läuft. So, und jetzt zeigen wir auf, was zu verbes­sern ist. In Wahrheit reden Sie mit uns – und jetzt schaue ich ein bisschen in die Kolle­genschaft hinein (in Richtung ÖVP weisend) –, aber Sie hören uns nicht zu. Das ist das, was wir über Wochen hinweg erkannt haben: Sie hören uns nicht zu.

Ich bin das lebende Beispiel. Ich gehe vielen in diesem Haus möglicherweise schon auf die Nerven. Entschuldigung, dass ich das noch einmal sagen muss! Es ist nur ein Bei­spiel: Seit zweieinhalb Monaten versuche ich, den Kolleginnen und Kollegen hier im Par­lament das klarzumachen und stelle die Frage, wieso die Ausfälle der privaten Vermieter von Ferienwohnungen nicht über den Härtefallfonds abgedeckt werden. Ich bekomme keine Antworten, zweieinhalb Monate lang – zweieinhalb Monate Schweigen, zweiein­halb Monate Blockade, und zweieinhalb Monate lang ignoriert man 41 000 Betriebe. Das sind nämlich die Kleinsten der Kleinen, das sind die privaten Vermieter von Ferienwoh­nungen.

Sie bewegen sich nicht, und ich höre laufend und auch die Privatvermieter draußen hö­ren laufend: 50 Milliarden Euro, wir schütten unser Füllhorn über euch aus!, und sie sa­gen sich zu Recht: Ja, aber wir werden nicht einmal berücksichtigt! – Das verstehe ich nicht! Ich renne mir die Füße blutig, Frau Minister, ich renne mir die Füße blutig, es tut sich aber nichts. Und dann beschwert ihr euch noch bei uns, bei der Opposition, dass wir lästig sind. – Ja, dann bewegt euch einmal, bitte! Wir wollen ja nur mithelfen, dass es besser wird.

Die konkrete Frage ist – ich habe das schon einmal hier im Hohen Haus kundgetan –: Es gibt ein Schreiben vom 27. März von der Landwirtschaftskammer gemeinsam mit dem Tourismusministerium an die bäuerlichen Betriebe, in dem festgehalten wird, dass Zahlungen an Betriebe, die Privatzimmer oder Ferienwohnungen im land- und forstwirt­schaftlichen Nebengewerbe vermieten, über den Härtefallfonds abgewickelt werden. So,


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und was ist der Unterschied? – Der Unterschied ist: Das Wort bäuerlich steht bei den privaten Vermietern von Ferienwohnungen nicht dabei.

Jetzt kennt ihr mich mittlerweile: Ich vergönne den bäuerlichen Betrieben alles, weil ich weiß, dass sie diese Zusatzeinkommen bitter nötig haben, dass sie für den ländlichen Raum unverzichtbar sind; aber da gibt es eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, an der halten Sie fest, obwohl sich Gerald Hauser seit zweieinhalb Monaten die Füße blutig rennt. Ihr bewegt euch nicht. Ihr stimmt im Hohen Haus jeden Antrag von mir, von uns nieder. In den Ausschüssen werden diese Initiativen vertagt, und dann wundert ihr euch, dass wir nicht lockerlassen und sagen: Ja, bitte schön, wacht einmal auf, beseitigt einmal diese Ungerechtigkeit!

Jetzt erklärt mir einmal den Unterschied! Den kann mir niemand erklären. Bei den priva­ten Vermietern geht es darum, dass sie in dem Haus wohnen und im häuslichen Zu- und Nebengewerbe maximal zehn Betten vermieten – und trotzdem bekommen die privaten Vermieter von Ferienwohnungen die Unterstützung nicht. Ursprünglich hat man sogar die privaten Zimmervermieter auf der Strecke gelassen. Da habe ich bis Ende April boh­ren müssen, wie andere auch, damit wenigstens die Privatzimmervermieter über den Härtefallfonds entschädigt werden. Also heute wieder: Es gibt keinen Unterschied.

Kollege Schwarz, du sagst: Aufzeigen! – Ja, ich zeige auf. Ich weiß ja nicht, wie lange ich noch hier vorne stehen muss und aufzeigen muss und euch sagen muss, dass 41 000 Privatbetriebe, die Ferienwohnungen im häuslichen Zu- und Nebengewerbe ver­mieten, durch den Rost fallen. Ja, wann werdet ihr denn tätig, bitte? Ich frage euch das.

So, habe ich noch Zeit? (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Ich habe noch Zeit, 3 Minuten, sehr gut.

Nächstes Problem: Kollegin Niss, du kommst hier heraus und sagst: Das Epidemiege­setz gilt nicht, weil es keine Epidemie ist, sondern eine Pandemie. So, jetzt bin ich un­mittelbar Betroffener. An Kollegin Niss und auch in Richtung ÖVP-Fraktion, weil ich das von Frau Minister Köstinger abwärts immer wieder höre: Das ist keine Epidemie, es ist eine Pandemie, heißt es, und deswegen gibt es keine Entschädigung. – Jetzt frage ich Sie eines – ich habe die Dokumente hier –: Am 14. März 2020 erlässt die Bezirkshaupt­mannschaft Lienz wie alle Bezirkshauptmannschaften eine Verordnung. Ich zitiere: „Ver­ordnung über verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach dem“ – und jetzt passen Sie auf! – „Epidemiegesetz“. Das heißt, am 14. März wurden sämtliche Betriebe, zum Bei­spiel in Osttirol, gemäß Epidemiegesetz – nicht gemäß Pandemiegesetz, sondern ge­mäß Epidemiegesetz, geschätzte Kolleginnen und Kollegen – gesperrt.

In der Verordnung steht: „Alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken im Bezirk Lienz, insbesondere Gast- und Beherbergungsbetriebe, Hotelbetriebe, Appartement­häuser, Restaurants, Cafés, Bars, Chalets, [...] Privatzimmervermietungen und derglei­chen sowie Campingplätze sind zu schließen.“ – Das heißt, per Verordnung wird den Betrieben die Geschäftsgrundlage entzogen. Okay, die Betriebe waren zu schließen, das ist in Ordnung, aber sie sind gemäß Epidemiegesetz geschlossen worden.

Was passiert in der Folge? – Ihr, die Regierung, ÖVP und Grüne, nehmt den Betrieben die Entschädigung gemäß Epidemiegesetz, obwohl im Epidemiegesetz festgehalten ist – ich zitiere auch § 32 aus dem Epidemiegesetz, „Vergütung für den Verdienstent­gang“ –: Vergütung steht gemäß § 32 zu, wenn „die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17“ Epidemiegesetz „untersagt“ wurde.

So, jetzt haben wir das schwarz auf weiß. Dann sucht man gemäß Epidemiegesetz an, kriegt dann den Hinweis: Das Ansuchen geht nur bis zum 25. März. Man füllt den Antrag aus und bekommt dann von der Bezirkshauptmannschaft die Mitteilung, zum Beispiel am 10. April – ich zitiere auch daraus –: Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Zusendung des Formulars an Sie lediglich der Erleichterung der Abwicklung dient


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und damit keine Aussage darüber getroffen wird, ob ein Anspruch tatsächlich besteht. Dies ist erst nach Antragstellung im nachfolgenden Verfahren zu klären. – Zitatende.

Also zusammenfassend: Sie schließen die Betriebe gemäß Epidemiegesetz. Den Be­trieben steht die „Vergütung für den Verdienstentgang“ gemäß Epidemiegesetz zu. Ich sage es noch einmal: nicht Pandemie- – das können Sie sagen (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer) –, sondern Epidemiegesetz, bitte! Gemäß Epidemiegesetz steht den Be­trieben das zu. Die Betriebe suchen an und kriegen dann die Mitteilung: Wir wissen nicht, ob du etwas kriegst, das wird erst das nachfolgende rechtliche Verfahren dokumentieren!

Jetzt frage ich Sie abschließend, ich frage Sie auch Bezug nehmend auf den Dringlichen Antrag der NEOS betreffend „Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen [...]“: Kann man in Österreich Gesetzen vertrauen, auch wenn es hart auf hart geht? (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.) Können Unternehmer sich auf das Epidemiegesetz verlassen, auch wenn es knapp wird? – Nein, scheinbar nicht. Scheinbar können Sie das nicht, weil die ÖVP mit den Grünen dieses Epidemiegesetz mit einem Mehrheitsbeschluss hier im Na­tionalrat aushebelt und dann noch verlautbaren lässt: Ätsch, bätsch, Hauser, das ist ja keine Epidemie, das ist eine Pandemie! – Na, gute Nacht! – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.09


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


17.09.31

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es ein bisschen so wie Frau Kollegin Niss: Ich finde es etwas amüsant, dass gerade die NEOS eine zentrale Stelle zur, gewissermaßen, wirtschaftlichen Planung einfordern.

Wir haben es aber, Spaß beiseite, mit einer sehr herausfordernden Krise zu tun und müssen eigentlich so gut wie jede Woche darauf reagieren. Die entsprechenden Maß­nahmen werden von den Expertinnen und Experten in den Ministerien in Zusammenar­beit mit den Expertinnen und Experten aus dem Parlament, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit der Zivilgesellschaft, mit den SozialpartnerInnen, mit der Wissenschaft diskutiert und erarbeitet und hier im Parlament beschlossen – und das ist auch gut so! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn sich jetzt die NEOS über die langsame Abwicklung von den im Prinzip größten Hilfspaketen, die dieses Land je gesehen hat, beschweren, dann sage ich schon auch dazu: Sie sind diejenigen, die ständig davon reden, dass man Stellen in der Verwaltung abbauen muss. Aus meiner Sicht geht es sich nicht aus, wenn man sich dann wundert, dass die Verwaltung einfach einige Zeit braucht, um dieses gigantische Volumen abzu­arbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisin­ger: Macht ja nichts!)

Ich gebe Ihnen aber recht, wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, zum Beispiel daraus, wie wir in der Vergangenheit auf Krisen reagiert haben. Auf die großen Wirtschaftskrisen in den letzten Jahrzehnten wurde im Prinzip immer oder sehr oft auf ähnliche Weise reagiert: mit Abbau von Sozialsystemen und mit Raubbau an der Um­welt. Die Antwort auf vergangene Krisen war sehr oft Wirtschaftswachstum um jeden Preis. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Grünen sagen jetzt, Wirtschaftswachstum brauchen wir nicht?) Klimaschutz und Bildung wurden dabei schnell zu Nebenschauplätzen. – Wir tun genau das Gegenteil. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Das Gegenteil!)

Ja, Sie haben recht, Frau Klubobfrau! Wir müssen jetzt auf Expertinnen und Experten hören. Was sagen die Expertinnen und Experten? – Zum Beispiel: Jetzt ist es an der Zeit, massiv in Klima- und Umweltschutz zu investieren. (Abg. Meinl-Reisinger: Da haben


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wir alle Vorschläge unterbreitet, aber wir werden wohl auch Wirtschaftswachstum brau­chen! – Zwischenruf bei der SPÖ.) – Ja, genau! Was hat Klimaministerin Leonore Ge­wessler diese Woche gemacht? – Sie hat das größte Klimaschutzinvestitionspaket, das dieses Land je gesehen hat, präsentiert. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden in den nächsten zwei Jahren zusätzlich zu dem Budget, das wir hier bereits beschlossen haben, jedes Jahr 1 Milliarde Euro in den Klima- und Umweltschutz inves­tieren (Ruf bei der SPÖ: Schauen wir einmal!), 750 Millionen Euro für thermische Sa­nierungen und den Austausch von Heizungen, 260 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau von Fotovoltaik, wohlgemerkt zusätzlich zu dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das wir noch beschließen werden, was dann noch einmal 1 Milliarde Euro pro Jahr bringen wird.

Wir haben unter anderem, was mich besonders freut, eine Umsatzsteuererleichterung für Reparaturdienstleistungen präsentiert, die wir noch beschließen werden. Wenn ich zum Beispiel mein Fahrrad zur Reparatur bringe, zahle ich jetzt 10 Prozent weniger. Das ist nicht nur ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, sondern es unterstützt auch die vielen kleinen unabhängigen Reparaturbetriebe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir werden zusätzliche Mittel für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs bereitstellen, 300 Millionen Euro für bessere und mehr öffentliche Verkehrsanbindungen, und eine Fi­nanzierung des 1-2-3-Tickets haben wir im Rahmen dieser Konjunkturpaketmaßnahmen auch beschlossen.

Es wurde schon die Investitionsprämie von 14 Prozent für Investitionen genannt. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir uns darauf einigen konnten, dass es die volle Investitionsprä­mie ausschließlich für Maßnahmen zur Ökologisierung, Digitalisierung und im Gesund­heitsbereich geben wird (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP); wohl­gemerkt wieder zusätzlich zu dem riesigen Förderpaket, das wir bereits beschlossen haben.

Besonders wichtig ist mir auch: Bei all diesen Maßnahmen haben wir immer darauf ge­schaut – Sie sagen, es ist ein Fleckerlteppich –, dass wir insbesondere beim Klima­schutz das Geld nicht in die falsche Richtung ausgeben. Das heißt, es ist beim Gemein­deinvestitionspaket, bei der Investitionsprämie und bei allen anderen Maßnahmen im­mer auch darauf geschaut worden, dass nicht in die falsche Richtung investiert wird. (Zwischenruf des Abg. Kollross.) Das ist das umfassendste Klimaschutzinvestitions­paket in der Geschichte dieses Landes, und Sie sprechen von Almosen und Fleckerltep­pich – das ist schon ziemlich mutig, Frau Klubobfrau! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Die Wahrheit ist dem Menschen zu­mutbar!)

Ich habe vorhin das 1-2-3-Ticket angesprochen. Liebe SPÖ, ich kenne mich bei euch echt nicht mehr aus. (Ruf bei der SPÖ: Wir auch nicht, bei euch!) Zuerst habt ihr das
1-2-3-Öffiticket von uns kopiert und seid damit in den Wahlkampf gegangen, dann sagt ihr vollkommen zu Recht, ihr wollt, dass wir das so rasch wie möglich umsetzen. Eure Klimaschutzsprecherin sagt, das österreichweit gültige 1-2-3-Ticket müsse so rasch wie möglich eingeführt werden. Das wollen wir nächstes Jahr machen, das ist ausfinanziert. Jetzt kommt der burgenländische Landeshauptmann daher und sagt, er will gegen das 1-2-3-Ticket, wenn wir es einführen, vor den Verfassungsgerichtshof ziehen. Ich frage euch: Wollt ihr gegen eure eigene Wahlwerbung klagen, wollt ihr gegen euer eigenes Wahlprogramm klagen? Ich verstehe es einfach nicht! Vielleicht wäre es gut, wenn ihr ein bisschen Klarheit schafft, ich kenne mich bei euch echt nicht mehr aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.15



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 216

Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeord­nete Brandstötter zu Wort gemeldet. – Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestimmun­gen der Geschäftsordnung. Bitte.


17.15.37

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Abgeordneter Hammer hat behauptet, dass er, wenn er sein Fahrrad zur Reparatur bringt, in Zukunft 10 Prozent weniger be­zahlt.

Ich berichtige tatsächlich: Vorgesehen ist laut Regierung, dass diese Umsatzsteuersen­kungen bei den Händlerinnen und Händlern selber bleiben und nicht bei den Konsumen­tInnen abgezogen werden. Außerdem bringen Sie die Umsatzsteuersätze durcheinan­der. – Vielen Dank. (Abg. Meinl-Reisinger: Gut gemacht! – Abg. Wöginger: Geschäfts­ordnungsmäßig in Ordnung!)

17.16


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


17.16.18

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich habe auch heute wieder versucht, genau zu­zuhören. Wissen Sie, was mir aufgefallen ist? – Normalerweise sagt man, die Opposition kritisiert immer nur alles. Heute ist mir aufgefallen, dass hier eine Ministerin steht und sagt, es ist alles richtig gemacht worden – und dann höre ich Oppositionsabgeordnete, die sehr differenziert argumentieren, die sagen: Da ist etwas gut gegangen, da ist es nicht so gut gegangen!

Das habe ich bei dieser Diskussion sehr spannend gefunden, und das ist, glaube ich, auch Ihr Problem: Das Wort Vertrauen ist ein paar Mal gefallen; Vertrauen ist schnell aufgebraucht, da gibt es einen schönen Spruch dazu. Wenn jemand sagt: Ich habe im­mer alles richtig gemacht!, man aber weiß, dass es nicht stimmt, dann wird das Vertrauen reduziert. Das möchte ich nicht, denn ich möchte ja, dass wir gemeinsam durch diese Megakrise, durch diese Schwierigkeiten durchkommen. Das wird aber nicht funktionie­ren, wenn man sagt, man habe alles richtig gemacht.

Das ist ja auch der Grund, warum man sagt, man braucht jemanden, der das koordiniert. Es fehlt nämlich nicht das Vertrauen in die Beamtinnen und Beamten – nein, nein, in diese haben die Menschen viel Vertrauen –, wir wissen aber inzwischen, dass die Ent­scheidungen von politischen Kabinetten gefällt werden, von MinisterInnen, denen man anmerkt, dass sie sich im Detail gar nicht so auskennen. (Oh-Rufe des Abg. Schmid­hofer.) Die Beamtinnen und Beamten haben dann gar keine Chance, weil sie ja über diese politischen Kabinette, die inzwischen alles entscheiden, und dann vor allem über die Messagecontroller – das sind ja meine besonderen Freunde – überhaupt nicht mehr drüberkommen. Deswegen entsteht ja so etwas wie mit dem Tausender. Da sagt dann ein Messagecontroller: Machen wir eine gute Geschichte, ein Tausender für jede Fami­lie! – Das ist ja eine gute Geschichte, nur stimmt sie nicht, Frau Bundesministerin. Da können Sie es noch so oft den Zeitungen sagen, und die können das noch so oft ab­drucken – es stimmt nicht! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Erstens möchte ich sehen, dass Sie mir, wenn ich zu Ihnen komme und Sie klage, 1 000 Euro zahlen. (Abg. Meinl-Reisinger: Kannst du ja nicht! Da hast du ja keinen An­spruch!) Zweitens sage ich Ihnen: Ich will gar nicht, dass Sie mir 1 000 Euro geben, denn das ist eine dieser Maßnahmen, die ich für unsinnig halte. Ich brauche für meine Tochter diese 360 Euro nicht, aber es gibt Frauen und Männer und Familien in diesem Land, die mehr als 360 Euro für ihre Kinder bräuchten. (Abg. Schmidhofer: Kannst ja spenden!)


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Warum machen Sie nicht sinnvolle Maßnahmen, die denjenigen helfen, die es brauchen, sondern gehen mit der Gießkanne drüber? Das funktioniert nicht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Damit bin ich beim nächsten Punkt: Wir reden gerne von den Bauern, und jeder, der mich kennt, weiß, ich werde kein schlechtes Wort über Bauern sagen. Wir wissen aber: Sie stellen 1,3 Prozent, glaube ich, der Bevölkerung oder des BIP, die Industrie stellt fast ein Drittel. Ich habe über die Industrie noch überhaupt nichts gehört.

Wenn ich mir dann die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft anschaue, differenziere ich auch. Ja, es ist gut, dass wir uns ein bisschen nach oben bewegt haben. Sie kennen das IMD und das IMD-Competitiveness-Ranking, Sie haben auch eine Aus­sendung dazu gemacht. Wissen Sie, Frau Bundesministerin, wie viele europäische Län­der, nicht nur EU-Länder, vor uns liegen? – Acht Länder! Es sind acht Länder vor uns. Das heißt, wir sind nicht schlecht, aber wir sind nicht so gut, wie Sie immer sagen, also müssen wir besser werden.

Was machen wir dafür? – Wir brauchen für die Industrieunternehmen mehr Forschung, wir brauchen mehr Bildung. Ich finde es ja schön, wenn jetzt Kinder irgendwann einmal elektronische Geräte bekommen, aber auch diesbezüglich kann man sich Zahlen aus einer EU-Statistik herausholen: Nur 11 Prozent der Volksschulen haben einen digitalen Zugang, und bei den höheren Schulen liegen wir auch irgendwo im Mittelfeld. – Auch da sind wir nicht sehr gut, wir sind nur irgendwie so lala, und das ist ein Problem.

Jetzt komme ich zum nächsten Problem – und das ist ein Megaproblem –, das diese Bundesregierung noch treffen wird. Ich weiß (in Richtung Bundesministerin Schram­böck), Sie sind da nicht zuständig, insgesamt aber will offenbar die Mehrheit des Hauses Herrn Schmid halten. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich bin kein Prophet und ich tu mich sehr schwer mit Voraussagen, die Voraussage aber, dass Herr Schmid in einem halben Jahr nicht mehr Vorstand der Öbag sein wird, ist sehr einfach – das ist eh klar.

Ich habe heute ein Buch mitgebracht (ein Exemplar des „Kodex Unternehmensrecht 2020“ in die Höhe haltend), das ich nicht ausgelesen habe, ich habe mir nur das Aktienrecht angeschaut, und das ist sehr einfach: „Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vor­standsmitglied und die Ernennung [...] widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung [...]“. – Was wollen wir denn noch? Ich möchte die privaten Probleme ja gar nicht ansprechen, wir werden ihn aber öfter sehen als die Aktionäre draußen, weil er im Ausschuss öfter wird aussagen müssen, weil er SMS geschrieben hat, die den Aufgaben eines Generalsekretärs des Finanzministeriums entgegenstehen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Er ist nicht in der Lage, die österreichische Wirtschaft zu führen, und das sage nicht nur ich, sondern das sagen Analysten – den „Börsianer“ habe ich Ihnen auch mitgebracht (eine Ausgabe des genannten Magazins in die Höhe haltend) –, das sagen zwei wesent­liche Analysten. Einer, Herr Matejka, sagt, es braucht ein „professionell aufgestelltes Management“, das weiß, was es will, und Maßnahmen und Ziele formuliert. – Das haben wir nicht! Bis jetzt, sagt Herr Wögerbauer, ist es „nicht gelungen [...], ein klares Ziel zu definieren.“ (Abg. Meinl-Reisinger: Das sagen auch wir seit einem Jahr!)

Das heißt: Er hat private Probleme, von denen wir nicht wissen, wie sie ihn beruflich beeinflussen, er hat ein Problem, weil er mehr im Ausschuss sein wird und erklären müssen wird, was er als Generalsekretär im Finanzministerium widerrechtlich gemacht hat – das sage ich sehr klar, denn das wissen wir inzwischen –, und er hat natürlich ein Problem, weil er das nicht kann! Wie soll er es denn auch können?

Ich habe ja wirklich nichts gegen Pressesprecher, ich habe auch nichts gegen Journa­listen – aber jemanden, der ein lieber Pressesprecher war, zum Chef der österreichischen Industrie zu machen, wo es um Milliarden Euro geht, wo es um hohe Steuerzahlungen


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und um internationale Reputation geht?! Es sind hervorragende österreichische Unter­nehmen, die kaputtgemacht werden, weil jemand nicht in der Lage ist, zu verstehen, dass er zurücktreten muss. Sein Aufsichtsrat versteht es auch nicht – dieser kommt als nächster dran. Der Aufsichtsrat der Öbag verstößt gerade gegen seine Pflichten. Der Finanzminister – ja gut, der will halt seinen Freund nicht rausschmeißen, aber er wird es tun müssen.

In diesem Sinne möchte ich Sie schon aufmerksam machen: Bitte lesen auch Sie nach, erfüllen Sie Ihre Pflichten und machen wir das gemeinsam! Es ist nicht schlecht, einmal zu sagen: Wir haben einen Fehler gemacht!, und gemeinsam bringen wir es nur zusam­men, wenn man auch einmal eingesteht, dass man einen Fehler gemacht hat. – Danke schön. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und Grünen.)

17.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Max Lercher. – Bitte.


17.22.53

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fühle mich jetzt als Red­ner nach Kollegen Brandstätter direkt schlecht vorbereitet, weil ich kein Buch mithabe (Abg. Meinl-Reisinger – eine Ausgabe der „Zeit“ in die Höhe haltend –: Magst „Die Zeit“ haben?), ich werde mir das aber für das nächste Mal merken.

Ich muss etwas klarstellen, weil Kollege Hammer gesagt hat: Wir haben das größte Hilfs­paket, „das dieses Land je gesehen hat“. – Das hat er gesagt. (Rufe bei den Grünen: Klima!) Das stimmt nicht! Die Wahrheit ist: Es ist das größte Hilfspaket, von dem wir gehört haben, das aber noch nie jemand gesehen hat, weil es eben nicht ankommt! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich glaube, dieser Realität muss man sich schon stellen: dass das eine das Reden und das andere das Sein ist.

Ich möchte eher verbindlich werden; ich bin vielleicht ein bisschen falsch eingestiegen, weil sich die Grünen schon wieder so aufregen. (Heiterkeit des Abg. Loacker.) Mir geht es darum, über Vertrauen zu sprechen, weil Vertrauen letztlich ja auch das ist, wovon wir in der parlamentarischen Zusammenarbeit leben.

Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir im Wirtschaftsausschuss zusammengekom­men sind, als der Lockdown passiert ist, und alle Oppositionsparteien – NEOS, FPÖ, SPÖ – mit der Einstellung hineingegangen sind: Wir wollen etwas Gutes für diesen Staat leisten, wir wollen etwas Gutes für die Bürgerinnen und Bürger tun! Wir waren alle von dem Elan getragen, dass die Initiativen, die wir einbringen, auch gehört werden und dass sie zumindest auch bedacht werden. Ich kann mich auch gut daran erinnern, dass wir gewarnt haben, doch bitte nicht das Epidemiegesetz auszuhebeln, und wir haben damals auf Initiative des Kollegen Matznetter schon ergänzt: Wir brauchen ein Konjunk­turpaket!

Geschätzte Damen und Herren von der ÖVP, Sie haben das damals als populistische Züge vom Tisch gewischt. So schafft man nicht Vertrauen, so schafft man nicht Ver­trauen zwischen den Parteien – Sie fordern es zwar immer ein, leben es aber nicht ‑, und so schafft man schon gar nicht Vertrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land, denn diese warten zu Recht auf die Hilfen, die sie brauchen, die aber nicht kommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen ja in Wahrheit nur eines: die Gleichstellung mit den Bäuerinnen und Bauern. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Das wollen wir für alle in diesem Land (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger), denn, Frau Ministerin – ich habe ja ge­glaubt, Sie haben Wirtschaft studiert und nicht Landwirtschaft –, es ist nämlich wichtig,


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dass es Gleichberechtigung gibt, Gleichberechtigung für alle in diesem Land. Nichts ge­gen die Bäuerinnen und Bauern, ich komme aus einer ländlich strukturierten Region (Ruf bei der ÖVP: Unglaublich!), aber die Klein- und Mittelbetriebe, sehr verehrte Damen und Herren von der ÖVP, haben sich doch zumindest das Gleiche verdient. Geben Sie es Ihnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen, geschätzte Frau Ministerin, wenn Sie vom Deregulierungspaket spre­chen, dann habe ich jetzt schon größte Sorge, was damit verbunden ist, nämlich noch mehr Freiheit für den Kapitalmarkt und viel, viel stärkere Regulierungen für die Realwirt­schaft, so wie es die ÖVP letztlich immer macht: den Aktionären geben und den Kleinen und den Beschäftigten nehmen. Das ist nicht die Wirtschaftspolitik, die wir haben wollen! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist nicht die Wirtschaftspolitik, die es brauchen wird, um Öster­reich wieder in die Zukunft zu führen.

Machen wir es doch zum Schluss kurz – so wie Ihr Bundeskanzler (Abg. Steinacker: Kurz ist wirklich gut!) –, machen wir es doch so: Nehmen wir das Epidemiegesetz, disku­tieren wir es noch einmal, setzen wir es wieder in Kraft, und entschädigen wir die Wirt­schaft so, wie es sich gehört! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27


Präsidentin Doris Bures: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Andreas Otten­schläger. – Bitte.


17.27.22

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zu­seherinnen und Zuseher! Bis jetzt habe ich in dieser Debatte von den Oppositionspar­teien eigentlich keine seriöse alternative Lösung vorgestellt bekommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die einzige ist dieser Antrag, in dem gemeint wird, dass das Allheilmittel möglicherweise ein zentraler Koordinator wäre, und dann ist alles gut. Also dazu muss ich Ihnen ehrlich sagen: Das finde ich ein bisschen – ich sage es einmal geradeheraus – schwach! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar Punkte in diesem Dringlichen Antrag eingehen. Da wird von einer dringenden Liquiditätsspritze gesprochen, und darin waren wir uns alle sehr einig, auch in dem gerade zitierten Wirtschaftsausschuss, mit Ausnah­me von Herrn Matznetter, der damals gemeint hat, das Wichtigste sei das Konjunktur­paket. – Nein, zu diesem Zeitpunkt war das Wichtigste, dass wir dafür sorgen, dass die betroffenen Unternehmen schnell zu ihrer Liquidität kommen. (Abg. Matznetter: Wir wol­len ja ... Arbeitslose mehr haben! Ja, ja, ja!)

Ich darf Ihnen hier jetzt einmal sagen, dass es, was die Liquidität betrifft, abgesehen von den Steuerstundungen – abgesehen von den Steuerstundungen! – ja bereits über 3 Mil­liarden Euro an ausgezahlten, von der Republik garantierten Krediten gibt. Über 3 Milliar­den Euro! (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Stellen Sie sich also nicht immer hierher und sagen, es sei noch nichts ausbezahlt worden, weil das nämlich nicht den Tatsachen entspricht! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

In diesem Zusammenhang hören wir ja sehr oft von einer sehr stark betroffenen Bran­che: Allein für Tourismus- und Gastronomiebetriebe sind über dieses Instrument bis jetzt über 600 Millionen Euro an Krediten ausbezahlt worden. Tun wir also nicht so, als ob da noch nichts passiert wäre! (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) Auch der Fixkostenzu­schuss läuft bereits, und die ersten Akontierungen sind bereits auf den Konten der Un­ternehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Eine weitere Formulierung im Antrag, mit der ich mich hier kurz auseinandersetzen möchte, ist: „denn mit Einzelmaßnahmen und den Almosen, wie ein Hunderter hier, ein


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Hunderter da, werden wir nicht aus der Krise kommen.“ – Meine Damen und Herren, „ein Hunderter hier, ein Hunderter da“ sind vielleicht einmal 200 Euro, aber wir reden noch von bedeutend mehr, auch für viele betroffene Menschen. Ich finde diese Formu­lierung schon sehr abgehoben, weil es viele Menschen gibt, für die 200, 300, 400 Euro wirklich von entscheidender Bedeutung sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: ... Arbeitslose!) Abgesehen davon, meine Damen und Herren, wissen Sie genau, dass wir von vielen Milliarden Euro sprechen, die die Republik jetzt in die Hand nimmt, um die Wirtschaft entsprechend anzukurbeln – und ja, es ist ein wirklich gutes Konjunk­turpaket bereits in Ausarbeitung. Sie selber haben einige Maßnahmen davon Gott sei Dank hier auch schon richtig dargestellt.

Zum Schluss noch, meine Damen und Herren von der SPÖ: Kennen Sie die Stolz-auf-Wien-Beteiligungs-GmbH? – Das ist an und für sich keine schlechte Idee. Am 5. April – weil Sie immer davon sprechen, dass alles viel zu langsam geht – wurde verkündet, dass es diese Stolz-auf-Wien-Beteiligungs-GmbH geben soll, ein Vehikel, mit dem Wiener Unternehmen entsprechend gestützt werden. Am 10. Juni gibt es einen Bericht, da steht drinnen: Der genehmigte Gesellschafterzuschuss an die zu gründende Gesellschaft Stolz auf Wien konnte noch nicht ausgezahlt werden. Laut Auskunft der Wien Holding konnten die bereits weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit den Finanziers nämlich noch nicht vollständig abgeschlossen werden. – Zitatende. (Abg. Matznetter: ... das ist der Walter Ruck, das können Sie mit ihrer ÖVP klären ...!) Da frage ich mich schon: Sie kritisieren, dass bei uns alles zu langsam geht, und bei so einem überschaubaren Vehi­kel (Abg. Matznetter: ... Klären Sie das mit ihrer ÖVP! Damit brauchen Sie uns nicht zu belästigen!) – das waren Ihr Bürgermeister und der Herr Stadtrat –, da kommen Sie eben nicht in die Gänge. (Abg. Matznetter: Nein, kein Problem! Das ist Walter Ruck und die Wirtschaftskammer Wien! Klären Sie das mit ihm!)

Oder die Schanigartengebühr in Wien: Da hätte man leicht unbürokratisch eine schnelle Entlastung finden können, aber da muss man erst beweisen, dass ein Betrieb, ein Scha­nigarten, von der Epidemie betroffen ist. – Also da würde ich schon einmal vor der eige­nen Haustür kehren. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen. – Neuerlicher Zwischen­ruf des Abg. Matznetter.)

17.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte.


17.32.18

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Abgeordnete Brandstötter, es ist nicht richtig, was Sie gesagt haben, und ich wollte das noch einmal kurz klarstellen.

Zur Umsatzsteuersenkung auf Reparaturen von 20 auf 10 Prozent: Es ist nicht vorgese­hen, dass das bei den Betrieben bleibt. Das verwechseln Sie mit den Gastronomiebetrie­ben. Es obliegt dann den Unternehmen, den kleinen Reparaturdienstleistern, die Fahrrä­der reparieren oder etwas anderes, zu entscheiden, ob sie das an ihre KundInnen weiter­geben (Zwischenruf der Abg. Brandstötter) und es sich damit wieder eher lohnt, Dinge reparieren zu lassen, als neue Sachen zu kaufen, oder ob sie es selbst einbehalten. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.33


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubvorsitzender August Wögin­ger. – Bitte.


17.33.16

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatsekretär! Hohes Haus! Seit zwei Tagen wird hier ein gewisses Bauernbashing betrieben, weil in den Entlastungsmaßnahmen vorgesehen ist, dass wir das fiktive


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Ausgedinge bei den Altbäuerinnen und Altbauern von derzeit 13 auf 10 Prozent senken. Mir ist wichtig, dass ich das jetzt sage, weil es Teil des Gesamtpakets ist, das am Dienstag präsentiert wurde. Als Sozialsprecher ist es mir jetzt wichtig – gerade auch in Richtung SPÖ –, ein für alle Mal klarzustellen, worum es sich überhaupt handelt.

Wir reden von Mindestpensionisten, denen von der Mindestpension noch ein Betrag ab­gezogen wird, weil sie auf den Höfen wohnen. Das nennt man fiktives Ausgedinge, und das senken wir von 13 auf 10 Prozent. (Abg. Meinl-Reisinger: Ich hab ja gesagt, das ist keine Konjunktur...!) Es bleibt noch ein 10-Prozent-Anteil übrig. Das heißt, ein Altbauer, der sein ganzes Leben lang gearbeitet und meist schon in der Jugendzeit am Hof zu arbeiten begonnen hat, bekommt nicht den Ausgleichszulagenrichtsatz wie andere Be­rufsgruppen, die es in Österreich gibt, weil er noch am Hof wohnt. Sie gehen her und betreiben seit zwei Tagen ein Bashing gegenüber dieser Gruppe.

Wir stehen zu unseren Altbäuerinnen und Altbauern, die dieses Land mit aufgebaut ha­ben, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben. Ihnen steht dieses Geld auch wirklich zu. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christoph Matznet­ter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.35.25

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich weiß nicht, was Sie reitet, Herr Klubobmann. Niemand hat hier – ich habe es auch von anderen Frak­tionen nicht gehört – ein Bauernbashing gemacht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich finde, Abgeordneter Lercher hat recht, wenn er gerne das Gleiche für die anderen Gruppen hätte, nämlich eine Erhöhung um 450 Euro, ohne wirklich betroffen zu sein (Zwischenru­fe bei der ÖVP), rückwirkend ab Jänner, und das im Dauerrecht. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Zumindest wenn Sie einen Mindesthausverstand haben, würden Sie das akzeptieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas: Bei aller Liebe zum Lobbyismus für bestimmte Klientelgruppen, bleiben wir am Boden der Wahrheit! Wenn jemand weiterhin einen Sachbezug hat, dann muss er seine Steuer dafür zahlen; da gibt es Arbeitnehmer, die müssen zahlen – jetzt haben Sie gerade den Wurstsemmelerlass behandelt, da sind Sie damit befasst gewesen, Herr Klubobmann –, daher wird auch das Ausgedinge als Sachleistung Berücksichtigung fin­den müssen (Zwischenruf des Abg. Wöginger), denn gleichzeitig, Herr Klubobmann, gibt es in dieser Versicherung die niedrigste Deckung. Das ist kein Anlass dafür, sich auch noch hinzustellen und zu sagen, das ist ein Bashing, wenn die anderen Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler, die das mit ihren Steuern zahlen dürfen – 70, 80 Prozent De­ckung –, sagen: Wir hätten auch gerne das Gleiche! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ehrlich gesagt: Bescheiden nehmen, sich freuen, dass Sie sich durchgesetzt haben, aber nicht auf die anderen losgehen, denn die haben es sich auch nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

17.37

17.37.11


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor wir jetzt zu den Abstimmungen kommen, frage ich die Klubvorsitzenden ob wir die Sitzung kurz unterbrechen sollten oder ob wir gleich zur Abstimmung kommen können. – Ich werde so vorgehen, und wir kommen zur Abstimmung.

Abstimmung über den Selbständigen Antrag 701/A(E) der Abgeordneten Meinl-Reisin­ger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellen von Vertrauen in Institutionen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise“.


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Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Abberufung ÖBAG Vorstand Schmid“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „sofortige Beendigung des Maskenzwangs für die Beschäf­tigten in Gastronomiebetrieben“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­gelehnt.

17.38.44Fortsetzung der Tagesordnung

17.38.45


Präsidentin Doris Bures: Ich nehme die Verhandlungen über die Tagesordnungs­punkte 9 und 10 wieder auf.

Die Debatte wurde geschlossen, es ist aber die Frage, ob einer der Berichterstatter zu den Punkten 9 und 10 noch ein Schlusswort möchte? – Darauf wird verzichtet.

Damit kommen wir gleich zur Abstimmung.

Wir kommen zu den Abstimmungen über die Berichte des Gesundheitsausschusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Gesundheitsausschusses, den Tierschutzbericht 2019 der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz III-84 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen:

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zei­chen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte – Initiative auf europäischer Ebene dringend notwendig“:

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Stopp den Tierqualen durch Tiertransporte – nationale Schritte umgehend umsetzen“:

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „eine Kastrationspflicht für alle Katzen, die mit freiem Zugang zur Natur gehalten werden (‚Freigängerkatzen‘)“:

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 223

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „mehr Kontrollen von Tiertransporten auf der Straße“:

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Einführung von Mindeststrafen im Tiertransportgesetz“:

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Verbot des Tötens männlicher Kücken“:

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 10.

Zunächst stimmen wir über den Antrag des Gesundheitsausschusses ab, seinen Bericht 67 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 280/A(E) zur Kenntnis zu neh­men.

Wer für diese Kenntnisnahme ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 67 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Kennzeichnung für Ei-Produkte, klare Transpa­renz für Konsumentinnen und Konsumenten“.

Wer hierfür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (64/E)

17.42.4211. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 248/A der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst geändert wird (202 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 447/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Schluss mit der Ungleichbehandlung – die Entlohnung der unfreiwillig ver­längerten Zivildiener auf die der freiwilligen Zivildiener anheben! (203 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir nun zu den Tagesordnungspunkten 11 und 12, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte.


17.43.51

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich denke, wir sind uns alle einig, dass der Zivildienst in den letzten Wochen und Monaten, aber natürlich auch in der Zeit vor der Krise enorm wichtig für die österreichische Gesellschaft war und natürlich auch ist. Die jungen Männer leisten auf vielen verschiedenen Gebieten Außerordentliches, zum Beispiel im Rettungs- und Sani­tätswesen, in der Pflege, in Krankenanstalten, in Seniorenzentren, in landwirtschaftli­chen Betrieben und in vielen weiteren Bereichen. Dafür möchte ich an dieser Stelle recht herzlich Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

In den beiden Anträgen geht es um zwei wichtige Themen. Einer beschäftigt sich mit dem Europäischen Freiwilligendienst, der andere mit der Entlohnung der verlängerten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 224

Zivildiener. Da wir uns im Ausschuss für innere Angelegenheiten darauf verständigt ha­ben, das im Sozialausschuss zu behandeln, freue ich mich auch schon auf eine intensive Debatte dort, aber lassen Sie mich auch hier im Plenum schon thematisch darauf ein­gehen!

Der Europäische Freiwilligendienst ist gerade für junge Menschen eine gute Möglichkeit, sich international zu engagieren und die Denkweise und die Weltanschauung positiv weiterzuentwickeln. Es ist aber eben kein Wehrersatzdienst. Im Zusammenhang mit den derzeit vorherrschenden geburtsschwachen Jahrgängen und der damit verbundenen kleiner werdenden Zahl an Zivildienstpflichtigen ist das durchaus kritisch zu betrachten.

Viele Einrichtungen sind auf Zivildiener und deren Leistung angewiesen. Darum ist es wichtig, dass wir den Zivildienst in Österreich stärken. Es gibt aktuell eine Quote von 90 Prozent bei der Bedarfsdeckung der betreffenden Einrichtungen. Das ist natürlich sehr gut, aber es gibt eben auch 10 Prozent, die wir nicht abdecken können. Deshalb empfehle ich im Interesse der österreichischen Bevölkerung, dass wir das Europäische Solidaritätskorps bei dem belassen, was es bisher war, und zwar ein Freiwilligendienst, der eben freiwillig und zusätzlich zum Zivildienst geleistet werden kann. (Abg. Stögmül­ler: Das ist nicht abgestimmt!)

In der Frage der Vergütung kann ich natürlich nachvollziehen, dass das für viele nicht die ideale Situation ist. Der Zivildienst ist aber ein Wehrersatzdienst, und die gesetzliche Grundlage für die Entlohnung ist das Heeresgebührengesetz. Dieses sieht für Zivil- und Grundwehrdiener ähnliche Regelungen vor, ebenso für freiwillige Zivildiener und einbe­rufene Milizsoldaten.

Wer von uns hätte Anfang des Jahres gedacht, dass wir uns überhaupt einmal den Kopf darüber zerbrechen müssen, ob wir den außerordentlichen Zivildienst einberufen? Ich nicht, aber ich bin froh und nach wie vor dankbar, dass unsere Zivildienstministerin, Eli­sabeth Köstinger, schnell gehandelt und den außerordentlichen Zivildienst einberufen hat. Ich bin davon überzeugt, dass wir ohne die Mithilfe der Zivildiener nicht so gut durch die Krise gekommen wären. Darum ist es auch wichtig, dass wir diese Maßnahme jetzt gut evaluieren, damit wir gut aufgestellt sind, falls wir sie wieder einmal brauchen.

An dieser Stelle möchte ich abschließend betonen, und ich glaube, dass wir uns da einig sind: Es wünscht sich niemand, dass wir jemals wieder in eine Situation kommen, in der wir Zivildiener verlängern oder den außerordentlichen Zivildienst einberufen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Seemayer. – Bitte.


17.47.49

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Kol­leginnen und Kollegen! Dem Dank an die Tausenden Zivildiener kann ich mich vollin­haltlich nur anschließen, sie leisten Hervorragendes. Das haben sie bis jetzt schon ge­macht, und was in den letzten Wochen von den Zivildienern geleistet worden ist, hat uns das halt wieder einmal vor Augen geführt – eine absolut klasse Leistung, die da erbracht worden ist!

Es ist aber auch gut, dass wir heute die Möglichkeit haben, zu den zwei Anträgen im Plenum Stellung zu nehmen. Das ist eher der Tatsache zu verdanken, dass der Aus­schuss für innere Angelegenheiten nicht mehr für den Zivildienst zuständig ist und eine Zuweisung an den Sozialausschuss vorschlägt, und das geht nur über das Plenum. Das sind übrigens die einzigen Anträge aus dem Innenausschuss, die es ins Plenum ge­schafft haben, was der Vertagungsorgie der Regierungsparteien im Innenausschuss zu verdanken ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 225

Zum ersten Antrag des Kollegen Shetty: Bis 2018 war es möglich, im Rahmen des Euro­päischen Freiwilligendienstes im Programm Erasmus plus einen Freiwilligendienst im Ausland zu absolvieren. Junge Menschen haben die Möglichkeit gehabt, Erfahrungen zu sammeln und einen wertvollen Beitrag zur europäischen Zusammenarbeit zu leisten. Der Ersatzdienst wurde auf den Zivildienst in Österreich angerechnet. Umgekehrt ma­chen aber auch viele in Österreich ein Freiwilliges Soziales Jahr. Die Gefahr besteht schon, dass es, wenn wir uns daraus zurückziehen und weniger Leute am europäischen Sozialdienst teilnehmen, dann umgekehrt auch passieren kann, dass weniger zu uns kommen und das dann eigentlich ein Nullsummenspiel wird. Wir gewinnen dadurch gar nichts!

Ich denke, es ist notwendig, dass wir die Änderung, die im Zivildienstgesetz notwendig ist, machen; es ist eine reine Namensänderung. Bisher war das Erasmus-plus-Pro­gramm namentlich erwähnt und nun müsste das Europäische Sozialkorps namentlich erwähnt werden, um die Anrechnung wieder zu ermöglichen. Dem Antrag werden wir im Ausschuss dann zustimmen.

Zum zweiten Antrag, zur Gleichstellung von außerordentlichen Zivildienern bei der Be­zahlung: Dass es sich da um eine unfaire Ungleichbehandlung handelt, habe ich im Zuge der Budgetdebatten schon mehrmals angemerkt. Wir haben jetzt die Situation, dass es zwei verschiedene Gruppen von außerordentlichen Zivildienern gibt. Die eine Gruppe sind jene Zivildiener, die sich freiwillig melden konnten, bei der anderen Gruppe ist der Zivildienst zwangsweise verlängert worden. Die Ausgangssituation der beiden Gruppen war naturgemäß unterschiedlich. Während die einen, die sich freiwillig gemeldet haben, ihre berufliche und familiäre Situation berücksichtigen konnten, mussten die zwangsver­längerten Zivildiener einen erheblichen Eingriff in ihre Lebensplanung hinnehmen.

Die meisten der rund 1 500 Zivildiener, deren Einsatz um drei Monate verlängert worden ist, haben aber bereits eine Rückkehr auf ihren angestammten Arbeitsplatz oder ein neu­es Dienstverhältnis vereinbart gehabt. Sie müssen weitere drei Monate mit einem er­heblich geringeren Einkommen das Auslangen finden. Umso größer war natürlich die Enttäuschung, als dann bekannt wurde, dass ihre Kollegen, die sich freiwillig gemeldet haben, um 1 292 Euro im Monat mehr bekommen. Wir haben unzählige Zuschriften und Mails bekommen, in denen das zum Ausdruck gebracht worden ist. Alle haben aber einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung der Covid-19-Krise geleistet. Mit diesem An­trag wollen wir die Abschaffung dieser ungerechten Behandlung erreichen, das haben sich unsere Zivildiener redlich verdient.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es eine solche Ungleichbehandlung auch bei den Milizsoldaten gibt. Auch dort sollten wir schauen, dass es für ihren außerordentli­chen Einsatz eine gleiche Behandlung, eine gleiche Bezahlung gibt. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Bis jetzt hat es seitens der Bundesregierung noch keine Bereitschaft gegeben, diesbe­züglich tätig zu werden, und der Redebeitrag meines Vorredners hat auch gezeigt, dass sich da die Begeisterung in Grenzen hält. Offensichtlich will man das unter dem Titel: Wenn der Einsatz beendet ist, wird schon Gras über die Sache wachsen, aussitzen. Es gibt also keine gleiche Bezahlung für außerordentliche Zivildiener und keine gleiche Be­zahlung für Milizsoldaten. Es gibt eine Abspeisung von Arbeitslosen mit einer Einmalzah­lung, im Gegenzug ist es aber möglich das ist jetzt nicht als Bauernbashing zu ver­stehen –, bei den Bauern eine nachhaltige Erhöhung zu verkünden. Nichts gegen die Bauern (Ruf bei der ÖVP: Möchtest nicht tauschen mit ihnen?), aber so sehen wir, wo die Schwerpunkte tatsächlich liegen. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dagmar Belako­witsch. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 226

17.52.54

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister, es ist ein bisschen überraschend, dass Sie jetzt dasitzen. Ich weiß schon, Sie sind prinzipiell für den Zivildienst zuständig, aber der Antrag kommt jetzt in den Sozialausschuss. Ich nehme an, weil es – vor allem im zweiten Antrag – um die Bezahlung geht.

Worum geht es genau? – Meine Vorredner haben es schon gesagt: Wir haben eine Si­tuation erlebt, dass junge Menschen zwangsweise entweder ihren Präsenzdienst oder auch den Zivildienst verlängern mussten. Dann gab es noch das Phänomen, dass man sich freiwillig zum Zivildienst melden konnte, und es gibt da mehr als 1 000 Euro Unter­schied in der Bezahlung. Das ist etwas, das in Wahrheit vollkommen unverständlich ist, denn auch jene, die zwangsweise länger bleiben mussten, haben ja genau dieselbe Leistung vollbracht.

Dazu kommt übrigens noch – mein Kollege von der ÖVP hat es hier gesagt –: Wer hätte sich am Anfang des Jahres vorstellen können, dass wir das überhaupt brauchen? Wir wissen eigentlich bis jetzt nicht genau, warum wir die Miliz einberufen haben, wir wissen auch nicht, warum wir freiwillige Zivildiener sozusagen angeworben haben. Sie müssten einmal mit den Zivildienern reden, viele der sogenannten zwangsweise Verlängerten sind oftmals dagesessen und hatten nichts zu tun. Man muss also auch einmal hinter­fragen, ob das richtig war.

Tatsache ist aber, dass die zwangsweise Verlängerten um mehr als 1 000 Euro weniger bekommen. Das ist eine Ungerechtigkeit, die man eigentlich nicht einfach so zur Kennt­nis nehmen kann. Ich hoffe, dass diejenigen das für diese zwangsweise Verlängerung jedenfalls nachträglich bezahlt bekommen, denn in einer Situation, in der ohnehin überall Geld ausgeschüttet wird, können diese Leute vielleicht auch noch etwas bekommen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Yılmaz.)

Der Grund, warum wir aber heute überhaupt hier stehen und darüber diskutieren, ist, dass das im Innenausschuss war, der jetzt nicht mehr für den Zivildienst zuständig ist. In diesem Innenausschuss, meine Damen und Herren, hat es 14 Tagesordnungspunkte gegeben, von denen diese beiden hier debattierten in einen anderen Ausschuss gehören und die zwölf weiteren allesamt vertagt wurden. Das waren viele interessante Anträge von allen Oppositionsparteien, für die sich Abgeordnete wirklich Gedanken gemacht ha­ben, eine Arbeit gemacht haben, und dann wurden sie schlicht und einfach vertagt. Mei­ne Damen und Herren, das ist kein Umgang mit dem Parlament! Ich möchte da zwei Anträge kurz herausnehmen, weil diese so sinnbildlich für das sind, was von den Abge­ordneten der Regierungsparteien gemacht worden ist.

Das eine war ein Antrag der Kollegen von den NEOS, bei dem es darum gegangen ist, dass der Herr Innenminister aufgefordert wurde, er möge die Protokolle des Coronakri­seneinsatzstabs veröffentlichen. (Abg. Meinl-Reisinger: Der Gesundheitsminister hat es auch versprochen!) Dazu sagt uns der Herr Minister: Die gibt es nicht. – Das kann man jetzt glauben, ich persönlich glaube es ihm nicht. Es gibt bei jeder Sitzung Proto­kolle. Das wäre also schon etwas eigenartig, wenn ausgerechnet der Kriseneinsatzstab keine Protokolle hätte, denn dann könnte man im Nachhinein nicht mehr evaluieren, ob man falsch oder richtig gearbeitet hat. Wenn es aber so ist, dann sollte der Herr Minister wirklich sagen: Nein, wir haben das nicht geführt. – Dann ist er nicht nur rücktrittsreif, sondern dann müsste man diesen Antrag auch ablehnen, da er ja sinnlos ist, weil es diese Protokolle nicht gibt. Was ist stattdessen passiert? Er wurde vertagt.

Ein zweiter Antrag, der auf der Tagesordnung war, war der Antrag von Klubobmann Kickl. Da ging es nämlich darum, dass man IS-Kämpfern die Staatsbürgerschaft aber­kennt. Das wurde mit der Begründung vertagt: Na ja, da haben wir uns in der EU und auch in der UNO verpflichtet, wir wollen keine Staatenlosigkeit produzieren. – Das kann


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man jetzt so sehen, man muss es nicht so sehen, aber wenn das so ist, dann muss man diesen Antrag ablehnen; auch dieser wurde vertagt.

Sie vertagen alles, denn Sie möchten einfach nicht, dass hier im Plenum diskutiert wird, es soll hier herinnen nicht über die innere Sicherheit diskutiert werden. Sie möchten nicht, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer, dass die Österreicher vor den Bildschir­men die Diskussion über die innere Sicherheit in Österreich mitverfolgen können.

Meine Damen und Herren von der ÖVP und von den Grünen, da sollten Sie schon in sich gehen! Was hat denn der Herr Innenminister zu verbergen, dass er alles unter der Hand machen möchte? Er macht alles ganz im Geheimen. Da gibt es jetzt einen interi­mistischen Direktor des BVT, und unter seinem Vorgänger, Minister Peschorn, war das noch ein wichtiges Thema, der hat das noch offensiv betrieben, und jetzt hören und se­hen wir nichts mehr davon, meine Damen und Herren! Das ist das, was ich hier wirklich kritisieren möchte.

Sie schützen, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, mit Ihrem Verhalten in Wahrheit die isla­mistischen Täter, die IS-Kämpfer, denn Sie wollen keine Diskussion darüber führen und Sie wollen gar nicht, dass die Österreicher das mitbekommen, meine Damen und Her­ren. Sie brauchen nur im Internet zu schauen, immer wieder präsentieren sich da irgend­welche ganz stolz mit den Köpfen von fünf Menschen, die sie geköpft haben. Das wollen Sie hier herinnen nicht haben, Sie wollen sich mit diesen Themen nicht befassen, je­denfalls nicht unter den Augen der Öffentlichkeit. Das darf im Ausschuss diskutiert wer­den, aber es soll ja nicht hier hereinkommen. Es wird alles unter irgendeinem Vorwand vertagt, ohne dass es in einem Zusammenhang mit dem, was Sie als Begründung sa­gen, steht. Wenn es nicht möglich ist, die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, dann müs­sen Sie den Antrag ablehnen.

Ich verspreche Ihnen heute schon, wir werden auch im nächsten Innenausschuss wieder darüber diskutieren müssen und Sie werden sich dieser Diskussion stellen müssen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


17.58.22

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute eigentlich darüber, dass die zwei Anträge vom Innenausschuss in den Sozialausschuss wandern. Das finden wir prinzipiell sehr positiv. Ich glaube, dass das im Sozialausschuss gut behandelt werden kann.

Ich möchte, wie auch meine VorrednerInnen, vielleicht ganz kurz auf die zwei Anträge eingehen. Wir haben die Coronakrise in den letzten Monaten in Österreich gut überstan­den. Das Gesundheitssystem, das Sozialsystem wurde nicht bis zum letzten Bett ausge­lastet, zum Glück wurden die Personalreserven nicht bis zum letzten Mann und zur letz­ten Frau ausgenützt. Wir haben das gut überstanden. In den Sozialeinrichtungen, in den Gesundheitseinrichtungen, in der Altenpflege haben uns auch Zivildiener unterstützt. Ich möchte auch einmal allen Zivildienern und allen Freiwilligen für ihre Arbeit Danke sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die zwei Anträge finde ich sehr wichtig, weil wir so darüber diskutieren können. Wir müs­sen darüber diskutieren, warum Menschen, die sich freiwillig für etwas melden und ein­rücken, weniger verdienen als die, die bereits dort sind. Darüber müssen wir jetzt und auch in Zukunft diskutieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 228

Dieses Gesetz besteht schon länger. Es ist sehr komplex, weil es mit dem Heeresge­bührengesetz zusammenhängt. Das wäre jetzt nicht einfach so schnell in einer Ruck-zuck-Aktion gegangen. Dennoch braucht es die Diskussion darüber, wie wir das evaluie­ren und wie wir erreichen, dass es in Zukunft besser wird. Das ist mir ein großes Anlie­gen. Ich weiß, das hilft jetzt gerade den Zivildienern draußen nichts. Vielleicht schaffen wir es trotzdem noch – oft ist das Budget das Mittel. Da hat es gehakt. Uns wäre es ein großes Anliegen gewesen, dass die Ungleichheit zwischen den zwei Gruppen behoben wird, aber leider scheitert es wie so oft am Geld.

Der zweite Punkt betrifft das Europäische Solidaritätskorps. Ich persönlich halte das für ein ganz wichtiges Anliegen. Ich möchte eines unterstreichen: Es geht dabei um 180 jun­ge Menschen, die im Ausland, in Europa, ein Jahr lang einen Freiwilligendienst leisten und im Rahmen dieses europäischen Solidaritätsdienstes Inklusionsarbeit machen, öko­logische Dienste leisten, Integrationsprojekte unterstützen. Das ist gut und wichtig. Ich finde, gerade als junger Mensch sollte man Europa und seine Vorzüge kennenlernen. Gerade so ein Integrationsprojekt ist wirklich wichtig und großartig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Den jungen Menschen wurde dieses Jahr früher als Zivildienst angerechnet, das ging damals durch den Europäischen Freiwilligendienst. Dies ist nun infolge einer Gesetzes­änderung auf europäischer Ebene – eben dieser Änderung auf das Europäische Frei­willigenkorps – nicht mehr möglich. Das halte ich für ein Problem. Ich finde, 180 Men­schen, die Europa kennenlernen, die dort Dienst leisten, können wir im Zivildienstsystem sehr gut verkraften.

Ich hoffe, dass es eine spannende Diskussion dazu geben wird. Meine Unterstützung haben diese jungen Menschen. Ich hoffe, dass es da zu einer Lösung kommt, dass der Dienst junger Menschen, die in Europa an wirklich tollen Projekten arbeiten, hier in Ös­terreich als Zivildienst anerkannt wird; denn es ist mehr als nur ein Wehrersatzdienst, es ist eine Erfahrung, und die begleitet einen ein ganzes Leben lang; also vielen Dank! Wir diskutieren sicher im Ausschuss darüber. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeord­neten von ÖVP und SPÖ.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


18.02.17

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kann ich gleich an die Ausführungen des Kollegen Stögmüller anschließen. David, ich finde es super, dass wir da einen Ver­bündeten bei den Grünen haben. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Da muss man viel­leicht auch innerhalb der Koalition noch Nachhilfe leisten, auch was die Fakten betrifft, damit wir dann zur Umsetzung kommen, denn bei diesen Anträgen geht es eigentlich um nichts sehr Komplexes.

Ich gehe vielleicht noch einmal kurz darauf ein, worum es bei diesen beiden Anträgen geht, die eigentlich sehr unterschiedliche Themen behandeln: Im ersten Antrag geht es um den Europäischen Freiwilligendienst. Der Europäische Freiwilligendienst wurde nicht, wie Kollege Brandweiner fälschlicherweise gesagt hat, noch gar nicht in Österreich um­gesetzt, sondern es gab ihn schon von 2016 bis 2018. Zwischen 2016 und 2018 gab es die Möglichkeit für österreichische Zivildiener, ihren Zivildienst auch im Rahmen des Eu­ropäischen Freiwilligendienstes zu absolvieren. Das dauerte dann länger, zehn Monate statt neun Monate, dann wurde er als Zivildienst angerechnet.

Dann ist 2018 etwas passiert, das eigentlich nur eine Kleinigkeit war, das eigentlich nur eine redaktionelle Änderung war, das aber für die Betroffenen in Österreich weitreichen­de Folgen hatte: Die Juncker-Kommission hat 2018 den Europäischen Freiwilligendienst,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 229

also EFD, in Europäisches Solidaritätskorps, ESK, umbenannt. Diese zwei Buchstaben, die sich geändert haben, haben in Österreich dazu geführt, dass die Betroffenen den Zivildienst im Ausland nicht mehr machen können, weil die zuständigen Behörden, in dem Fall die Zivildienstserviceagentur, das österreichische Zivildienstgesetz so interpre­tieren, dass diese Änderung, die eigentlich in der Sache keine Änderung ist, sondern nur im Namen, dazu führt, dass man den Zivildienst nicht mehr im Ausland absolvieren kann.

Nun könnten, und das sagen auch Interessenvertreter wie zum Beispiel die Bundesju­gendvertretung, die Behörden das Gesetz einfach dem Sinn nach interpretieren und auch jetzt schon zulassen, dass die Betroffenen ihren Zivildienst im Ausland machen. Das wird auf jeden Fall nicht so gehandhabt, und deswegen brauchen wir diesen Antrag und brauchen wir diese Änderung.

Es wundert mich im Übrigen, dass da von der ÖVP eine ablehnende Haltung kommt. Es liegt nämlich ein einstimmiger Beschluss der Konferenz der Jugendlandesräte, der ja auch einige ÖVP-Landesräte und -rätinnen angehören sollen, vor, der das fordert (Ruf: Viele ...!) – viele, ja dann, wenn es viele sind, dann erst recht. Es gibt einen einstimmigen Beschluss der JugendlandesrätInnenkonferenz, deswegen verstehe ich nicht, warum da nichts passiert und warum die ÖVP eine ablehnende Haltung dazu hat.

Wenn man sich so anschaut, wie mit Zivildienern umgegangen wird, wie auch mit diesem Thema umgegangen wird – Kollegin Belakowitsch ist schon darauf eingegangen, wie auch mit diesen Anträgen umgegangen wird –, dann kann man sich auch ein bisschen die vergangenen Monate erklären, denn die liefern ein trauriges Fazit dessen, wie mit Zi­vildienern umgegangen wird und welchen Stellenwert sie für die Bundesregierung haben.

Zivildiener wurden in den vergangenen Monaten vor allem als Billigstarbeitskräfte Orga­nisationen zugewiesen, die teilweise dann selbst hauptamtliche Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt haben. Zivildiener haben – nicht nur in den vergangenen Monaten, aber da ist es besonders zum Vorschein gekommen – für harte Arbeit eine unverschämt niedrige Entlohnung bekommen: Ab 1,50 Euro die Stunde kann man Zivildiener haben.

Und, Frau Bundesministerin, Sie haben durch ein besonders absurdes Vorgehen mit Ihrer Verhaltensweise im Zusammenhang mit den außerordentlichen Zivildienern in Co­ronazeiten ein System geschaffen, das zwischen zwei Klassen von außerordentlichen Zivildienern unterscheidet, nämlich – das wurde hier schon angesprochen – die freiwil­ligen außerordentlichen Zivildiener, die ungefähr 1 600 Euro monatlich bekommen, und die verlängerten außerordentlichen Zivildiener, die um die 500 Euro monatlich bekom­men. Das ist verfassungswidrig, der Verfassungsgerichtshof wird das auch aufheben. Ich verstehe nicht, warum Sie die Betroffenen so schikanieren und sie warten lassen, bis der Verfassungsgerichtshof das Urteil dazu fällt. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Darum geht es auch im zweiten Antrag der SPÖ – wir haben da schon einen ähnlich lautenden Antrag gestellt –, der dann im Sozialausschuss diskutiert wird. Da geht es eben genau darum, die Entlohnung gleichzustellen, außerordentliche Zivildiener als au­ßerordentliche Zivildiener zu behandeln und nicht zwischen den freiwilligen und den zwangsverlängerten zu trennen beziehungsweise zu spalten.

Mein Wunsch ist, dass wir diese Anträge jetzt nicht wieder weiterverweisen und dann wieder weiterverweisen, sondern schnell erledigen. Es geht um zwei ganz konkrete kleine Änderungen, die für die Betroffenen eine große Änderung darstellen würden. Ja, mir ist bewusst, es betrifft eine kleine Gruppe, die keine Lobby hat, die nicht zur Klientel der ÖVP gehört, aber für die Betroffenen geht es um viel. Deswegen ist es mein Wunsch, dass wir diese Änderungen schnell beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.06

18.06.57



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 230

Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun keine Wortmeldung mehr dazu vor. Die Debatte ist geschlossen.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart frage ich die Klubs, ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang eintreten können. – Das schaut nach Zustimmung aus; dann werde ich auch so vorgehen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Ausschus­ses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 202 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Ich weise den Antrag 248/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 203 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist dafür? – Auch das ist einstimmig angenommen.

Ich weise den Antrag 447/A(E) dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.

18.08.1213. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Tourismus in Österreich 2019 (III-138/224 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf die Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Karl Schmidhofer, Sie haben das Wort. – Bitte.


18.08.37

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen zu Hause vor den Bildschirmen! Hohes Haus! Der Tourismus und Österreich gehören so zusammen wie das Grüne Herz und die Steiermark, wie Wien und der Stephansdom, wie Niederösterreich und die Wachau, Oberösterreich und Linz, Salzburg und die Festspiele, Tirol und die Berge, Kärnten und die wunderbaren Seen, das Burgenland und der Neusiedler See und Vorarlberg und der Bodensee. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Das umspannt Österreich, unser Tourismusland. In allen neun Bundesländern wird dazu beigetragen, dass das eine wichtige Säule für die Wirtschaft in Österreich ist.

2019 hatte Österreich 153 Millionen Gästenächtigungen, eine Wertschöpfung von 7,3 Pro­zent des BIPs, einen Umsatz von insgesamt 38 Milliarden Euro und 220 000 Menschen, die im Tourismus beschäftigt waren, zu verzeichnen. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an alle, die im Tourismus arbeiten, besonders an die Familienbetriebe, an alle, die in den Tourismusverbänden, bei den Ausflugszielen und auch sonst überall dazu beitragen, dass sich unsere Gäste in Österreich wohlfühlen. Nur dadurch ist dieser Erfolg zu erzie­len gewesen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nun hat uns natürlich auch im Tourismus die Pandemie besonders getroffen und die Betriebe mussten massive Umsatzeinbußen hinnehmen. Das entschlossene Handeln der Bundesregierung mit allen Maßnahmen, über die wir in den letzten beiden Tagen schon sehr viel gehört haben, aber insbesondere auch die Grenzöffnungen öffnen wie­der neue Perspektiven, damit der Tourismus in Österreich wieder ins Laufen kommt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 231

Dafür sind natürlich viele Schritte umgesetzt worden, und das lassen wir uns auch nicht schlechtreden!

Der Tourismus ist gemeinsam mit der Landwirtschaft in den Regionen ganz, ganz wich­tig, damit die bäuerliche Säule stimmt. Wir wandern auf Grundstücken der Bäuerinnen und Bauern, wir fahren Ski auf den Grundstücken der Bäuerinnen und Bauern, wir fahren dort Rad, wandern, machen Skitouren et cetera. Wir brauchen ein gutes Verhältnis zu unseren Partnerinnen und Partnern draußen in den Regionen, zu den Bäuerinnen und Bauern, damit der Tourismus in Österreich so stattfinden kann, wie er stattfindet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich noch einmal eine Lanze für all jene brechen, die sich auch im Hintergrund – in den Ministerien, bei uns im Parlament, in den verschiedenen Kammern – gemeinsam für das Thema Tourismus ein­setzen, damit wir auch in Zukunft unsere Heimat Österreich gut nach außen repräsentie­ren können. Und ich sage auch ausdrücklich – zusammengefasst – einen herzlichen Dank an die Bundesregierung, die mit dem Maßnahmenpaket, das die Tourismusbetrie­be wieder in Schwung bringen wird, und dem Masterplan T, der ja schon längst von der Ministerin ausgearbeitet wurde und der am Tisch liegt, dazu beiträgt, dass wir einer gu­ten Zukunft entgegensehen können. (Abg. Schellhorn: T, nicht B! T wie Tourismus, nicht B wie Blamage!)

Meine geschätzten Damen und Herren, ich wünsche allen einen schönen Urlaub und lade Sie ein, diesen bei uns, in einem der neun Bundesländer Österreichs, zu verbrin­gen. – Schönen Urlaub! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Petra Vorderwinkler zu Wort. – Bitte.


18.13.01

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher vor den Fernsehgeräten! Zum Tourismusbericht 2019, der sehr dünn war und erst vor zwei Wochen angekommen ist, möchte ich drei Dinge feststellen.

Zum Ersten: 2019 zeigte sich als Höchstmarke, als eines der besten Jahre mit 46 Mil­lionen Gästen und 153 Millionen Nächtigungen, wobei man dazusagen muss, dass 107 Millionen Gäste aus dem Ausland gekommen sind. – Das war 2019.

Zum Zweiten: Es gibt bei den Beschäftigten einen hohen Anteil an Frauen und Aus­ländern. Das ist ein Indikator dafür, dass die Entlohnung sehr niedrig ist und die Rah­menbedingungen der Arbeit nicht gut genug sind und verbesserungswürdig wären. Die Krise kann natürlich auch zum Anlass genommen werden, um dort noch genauer hin­zuschauen.

Zum Dritten: Mir ist aufgefallen, dass drinsteht, dass sich die Coronakrise auf künftige Maßnahmen auswirken und in den Plänen widerspiegeln wird. – Meine Frage an Sie, Frau Ministerin, nun zum wiederholten Mal: Welche Maßnahmen? Weder im Bericht noch im Ausschuss haben wir Auskunft darüber bekommen. Es gibt viele Worte, aber keine konkreten Antworten.

Trotz Corona müssen doch Szenarien erdacht werden, wie es weitergehen kann! Es muss Planungssicherheit für die Unternehmen geben! Sie alle stehen momentan am Abgrund und haben Einbußen, sie müssen Beschäftigte kündigen und so weiter. Es gibt da also Bedarf an Planungssicherheit – und die fehlt. Es braucht ein Gesamtkonzept für die Tausenden Unternehmen und die 220 000 Beschäftigten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 232

Zu den Zahlen: Es werden bei den Nächtigungen Rückgänge von minus 50 Prozent er­wartet und bei den Investitionen ein Minus von bis zu einer halben Million Euro. Das hat natürlich gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, das geht, wie bei einem Dominoeffekt, bis in die kleinsten Regionen und hat Auswirkungen bis hinein in jeden Handwerksbe­trieb. Spätestens nach dem Sommer muss also ein angepasster Maßnahmenkatalog vorgelegt werden, um nicht noch mehr Arbeitslose und insolvente Unternehmen zu pro­duzieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit zweieinhalb Monaten stellen wir und die anderen Oppositionsparteien Fragen, ma­chen Vorschläge, bringen Anträge ein – aber nicht mit dem Ziel, Sie zu kritisieren, son­dern weil wir das Beste für die Menschen erwarten und um das Beste für die Menschen zu erreichen. Und warum? – Weil die Maßnahmen, die Sie vorgeschlagen haben, ein­fach nicht reichen. Sie kommen zu spät oder sie kommen gar nicht. Wir hatten einen Experten in den Ausschuss eingeladen, Herrn Dr. Schekulin. Er hat als Steuerberater, als Experte, einen zehnseitigen Katalog von Vorschlägen eingebracht, aber in Ihren Maßnahmen findet sich nichts davon.

Nichts ist klar für diese Branche! Am besten wäre es gewesen, das Epidemiegesetz ein­fach zu belassen, damit die Unternehmer ihre Auslagen einfach ersetzt bekommen. (Abg. Salzmann: Ihr wisst auch alles besser, hm?) Was jedoch klar ist, ist, dass Sie, Frau Ministerin, diese Branche nicht wirklich unterstützt haben. Es gibt keine Soforthilfe, es gibt keine Liquidität, um die Mieten zu bezahlen, um Kurzarbeit überhaupt anzuden­ken, um schlicht und einfach zu überleben. – Das gibt es nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Einzige, das helfen würde, wäre eine sofortige monetäre Hilfe, und sogar namhafte Wiener Hotelbesitzer sind der Meinung, dass das Einzige, das helfen könnte, ein großes Investitionspaket ist, und sie sagen auch, dass Sie da gemeinsam mit ihren Ministerkol­legen und -kolleginnen leider versagt haben. Das können Sie nicht wegreden und Sie können es auch nicht weglächeln. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm und er wird noch größer werden, wenn nicht schnell etwas in diese Richtung getan wird – und nie­mand kann die Lage besser bewerten als die Unternehmer selber, von den kleinsten bis zu den großen.

Ich hatte am Anfang große Hoffnungen in Ihre Ankündigungen, in die vielen Aussagen bei den Pressekonferenzen, aber das verlorene Vertrauen dieser Menschen, für die Sie arbeiten, werden Sie leider nicht mehr zurückbekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.17


Präsidentin Doris Bures: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Christian Ries zu Wort. – Bitte.


18.17.34

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Der Tourismusbericht aus dem Jahr 2019 enthält wirklich beeindruckende Zahlen. Über 222 000 Menschen sind im Tourismus be­schäftigt gewesen. Sage und schreibe 46 Millionen Gäste und 153 Millionen Nächtigun­gen belegen eindrucksvoll, wie wichtig diese Branche für die österreichische Wirtschaft insgesamt ist. Der wirtschaftliche Erfolg Österreichs hängt also auch damit zusammen, wie erfolgreich wir im Tourismus agieren und wie der Ruf Österreichs in der Welt ist.

Das Jahr heuer begann gut, und dann kam Corona. Dafür, dass dieses Virus den Weg nach Österreich fand, kann man niemanden verantwortlich machen, aber wie wir mit dem Virus umgegangen sind, das wird wesentliche Auswirkungen darauf haben, wie sich die Zukunft des Tourismus in Österreich darstellen wird. Der erste grobe Fehler wurde noch in der Anfangsphase in Tirol gemacht. Kollege Hörl hat es hier im Haus am 13. Mai 2020 so beschrieben: „Wir haben innerhalb von drei Tagen, innerhalb von 36 Stunden“ – das ist von ihm, nicht von mir – „das Land von 250 000 Gästen und Mitarbeitern geleert“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 233

Ich bin kein Arzt und auch kein Virologe, aber ich glaube, jedem ist klar, dass es ein Blödsinn war, dass man ein Gebiet, das unter Quarantäne gestellt werden soll, vorher leert. Damit wurden nämlich bereits infizierte Gäste europaweit in alle Winde zerstreut, und dementsprechend angefressen waren die Gesundheitsbehörden dieser Länder, was ja komplett nachvollziehbar und verständlich ist. Genützt wird es dem Tourismusstandort Österreich auch nicht haben.

Der nächste grobe Fehler lag darin, dass man versucht hat, im Verordnungswege Ord­nung in die Infektionszahlen zu bringen. Es wurden aber keine Verordnungen, sondern eher Verunordnungen erlassen, die mehr Unterhaltungswert als Informationswert ge­habt haben. Wenn alles vorbei ist, können wir vielleicht gemeinsam darüber lachen – das Zeug dazu hätten diese Verordnungen jedenfalls gehabt –, aber noch ist es eigent­lich zum Haareraufen.

Diese Verordnungen waren inhaltlich schlecht. Denken wir nur an die Maske-auf-Maske-ab-Gastronomiegeschichte zu einer Zeit, als der Peak bereits überschritten war. Die Verordnung kam auch zur Unzeit: Die Gastroverordnung kam erst wenige Stunden vor Inkrafttreten und einige Tage nach dem Muttertag. Jetzt weiß jeder, der sich ein bissel mit der Tourismusbranche beschäftigt hat, wie wichtig und wie profitabel der Muttertag ist. Das war schon ein Blödsinn, den hat man geschossen. Die Gastronomen hatten auch nicht ausreichend Zeit, sich auf neue Verordnungen einzustellen. Wem ich danken möchte, das ist der Herr Bundespräsident, denn er hat höchstselbst die Sperrstunde von 23 Uhr zu Grabe getragen. Herzlichen Dank! (Beifall bei der FPÖ.)

Über die Osterverordnung breiten wir besser gleich den Mantel des Schweigens, denn die haben nicht einmal jene verstanden, die die Verordnung selbst geschrieben haben. So etwas sieht man auch selten.

Jetzt sind die Tourismusbetriebe wieder offen, aber nicht alle. Manche haben das Ver­ordnungschaos noch nicht richtig verarbeitet. Es gibt weitere Mankos, die es zu tilgen gilt, denn die ohnehin schon umständliche Lohnverrechnung wurde zusätzlich noch ver­kompliziert, Stichwort Kurzarbeitsabrechnung. Die Senkung der Umsatzsteuer auf alko­holfreie Getränke, meine Damen und Herren, macht nicht einmal das Trinkgeld eines normalen Betriebes aus. Das alles macht Touristikern und den Angestellten wirklich zu schaffen.

Alle Bundesländer müssen laut Wifo damit rechnen, dass ihre Nächtigungszahlen um ein Drittel zurückgehen werden. Das sind dramatische Zahlen. An vielen Eingangspfor­ten – wir wollen es nicht hoffen – von Tourismusbetrieben werden dort, wo früher drei oder vier Sterne waren, vielleicht drei oder vier Kuckucke picken. (Abg. Schellhorn: Da hast du recht!)

Werte Damen und Herren, in Wahrheit wird es so sein, dass in Österreich bald jeder jemanden kennen wird, dessen wirtschaftlicher Untergang die Rettungsmaßnahmen die­ser Regierung waren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


18.22.31

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es braucht für den Tourismus zwei Dinge: schnelle und direkte Zuschüsse sowie langfristige echte Konjunkturmaßnahmen. Ich glaube, es gibt Maßnahmen, die wir uns jetzt nicht kleinreden lassen müssen. Verbesserungen gibt es immer, logisch, aber, lieber Kollege von der FPÖ, Sie haben gesagt, es gehe auch darum, wie wir mit der Krise umgehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 234

Ich sage Ihnen: Ihre Partei hat rein gar nichts zur Krisenbewältigung beigetragen. Sie haben lediglich Ihre Coronaverschwörungstheorien verbreitet. Hier geht es um die Sa­che, es geht um die Menschen, die im und für den Tourismus arbeiten. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

Die gesetzten Maßnahmen, die Fixkostenzuschüsse, die Kurzarbeit, die Übergangskre­dite, die Stundungen und so weiter, waren wichtig – aber richtig: Sie werden nicht rei­chen. Darum haben wir weitergearbeitet und die Maßnahmen verbessert und erweitert.

Mit dem angedachten Verlustrücktrag werden wir die heuer erlittenen Verluste mit dem Gewinn von 2019 und 2018 steuerlich gegenrechnen, was zu einer finanziellen Entlas­tung führt. Es gibt weiters das Kreditmoratorium, speziell auch für die Kleinstunterneh­mer, darüber hinaus können Unternehmen für Investitionen mit Fokus auf Ökologisie­rung einen Prämiensatz von bis zu 14 Prozent erhalten; weiters: der ermäßigte Umsatz­steuersatz auch für die Kunst- und Kulturszene, die ein wichtiger Teil der touristischen Wertschöpfung ist, die degressive Abschreibung, die Verlängerung und Adaptierung der Fixkostenzuschüsse, vor allem auch für die stark betroffenen Branchen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Tourismusbranche ja keine homogene Gruppe ist. Beispielsweise die Nachtgastronomen: Sie waren im Prinzip die Ersten, die geschlossen haben, und sie werden wahrscheinlich auch zu den Letzten gehören, die wieder aufma­chen. Sie sind nicht nur für den Tourismus wichtig, sondern auch kulturell als Nährboden für neue Musikrichtungen, als Abwechslung zum Alltag. Sie sind für die Lebensqualität wichtig.

Der Tourismus ist einer der größten Wirtschaftsfaktoren und Arbeitgeber. Es wurde be­reits angesprochen: Mit 153 Millionen Nächtigungen hatten wir 2019 wieder einen neuen Nächtigungsrekord. Da würde man meinen, dass die Beherbergungsbetriebe wirtschaft­lich gut dastehen müssen. Dem ist aber nicht so, denn es kommt zum Vorschein, was wir ja im Prinzip alle schon lange gewusst haben: Die Branche ist zum Teil hoch ver­schuldet, aber nicht etwa, weil sie schlecht wirtschaftet, sondern wegen des Wettrennens gegen die Zeit, wegen des Wachstumswahns, gekoppelt mit gegenseitigem Konkurrenz­druck und Konzentrationsprozessen. Das Wettrennen gegen die Zeit hat uns zwar mehr Nächtigungen gebracht, aber weniger Wertschöpfung und Qualität.

Was wir also machen müssen, ist nicht nur Symptombehandlung, sondern wir werden das Problem an der Wurzel angehen müssen. Es hat einen Grund, warum die Eigenkapi­talquote so gering ist; das heißt, wir werden über die Eigenkapitalquote reden müssen. Wir werden über die Gerechtigkeit in der Branche, besonders für die kleinteiligen und für die familiären Betriebe sprechen müssen. Wir werden über die Qualitätsförderung spre­chen müssen, über Preisgerechtigkeit versus Dumpingpreise. Wir werden über den Tou­rismus im Gesamten sprechen müssen, nicht nur reduziert auf die Hotels und Betriebe, und wir werden mit allen im Tourismussektor sprechen müssen, auch mit den Mitarbei­tern und Mitarbeiterinnen.

Wir müssen darauf schauen, dass der Tourismus als Wirtschaftszweig rentabel bleibt, denn ein auf Subventionen aufgebautes System, wie wir es beispielsweise aus der Land­wirtschaft kennen, kann kein Modell für unsere Betriebe sein. (Abg. Schellhorn: Da schau her!) Und wir müssen für Gerechtigkeit, Fairness für die Branche und für die För­derstruktur sorgen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ökologi­sches und klimaneutrales Vorgehen muss sich auszahlen. Im Tourismusausschuss hat mir Herr Dr. Fritz vom Wifo gesagt, er sei überzeugt davon, dass wir die Covid-Krise bewältigen können, aber bei der Klimakrise sei er sich nicht so sicher.

Wir werden auch beim Tourismus ansetzen müssen. Tourismus und Alltagsleben sollen auch konfliktfrei ineinanderlaufen und nicht getrennt voneinander bestehen. Wir müssen weg von der Abwärtsspirale, weg vom Wettrennen gegen die Zeit, wovon nur wenige


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 235

profitieren, unter dem aber viele leiden. Ich werde es immer wieder sagen: Wir müssen die Chance nützen – die Chance für einen ökologischen, qualitätsvollen, sozialen Touris­mus, von dem wir alle profitieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


18.28.00

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Minister! (Abg. Han­ger: Wird spannend, ob das eine neue Rede wird!) – Das wird wahrscheinlich etwas Neues für die Frau Minister sein. (Abg. Hanger: Für uns nicht, oder?!) – Kann sein.

Ich gebe Kollegin Neßler völlig recht: Man muss darüber sprechen, aber wenn wir jetzt erst darüber zu sprechen anfangen, dann wird es zu spät sein. Sie hat wirklich auch gute Punkte erwähnt, über die man sprechen muss: über Lenkungsmaßnahmen, über all die­se Dinge.

Ich glaube, über den Tourismusbericht 2019 zu sprechen ist Schnee von gestern, das brauchen wir jetzt nicht. Wenn eine gute Sache, wenn etwas Positives, das wir durch die Coronakrise herausgefunden haben, herauszufiltern ist, dann ist das, dass wir alle auf einmal spüren, welche Wichtigkeit und welche Bedeutung der Tourismus hat, nämlich: Stirbt der Tourismus, stirbt der Tischler, gehen wahrscheinlich auch gewisse Regionen ein oder werden weniger Umsatz machen.

Frau Minister, erlauben Sie mir aber schon, das Folgende zu sagen. Sie waren leider vorhin bei der Debatte zum Dringlichen Antrag nicht hier, als es auch darum ging, was der gesamte Wirtschaftsbereich jetzt braucht. Der gesamte Wirtschaftsbereich braucht nämlich eine Koordination, einen Zusammenschluss und eine Verzahnung.

Ich muss Sie jetzt noch einmal fragen, weil ich nicht draufkomme, warum das so passiert ist – vielleicht können Sie mir eine Antwort geben –: Sie selber und der Herr Bundes­kanzler, Sie beide haben davon gesprochen, welche Wichtigkeit die Hotellerie und die Stadthotellerie haben. Wie kann es möglich sein, dass Sie bei einer Senkung von Steu­ern auf Speisen und Getränke auf die Logis vergessen? Gerade die Hotellerie ist, wie wir wissen, eigenkapitalschwach, und wenn Sie selber sagen, sie muss diese Steuersen­kung vor allem bei Speisen und Getränken nicht weitergeben, warum haben Sie die Steuern auf Übernachtung, auf Logis nicht auf 5 Prozent gesenkt? – Das ist echt interes­sant.

Viele Hoteliers – ich sage es Ihnen auch – haben mich gefragt, warum das so ist und warum die Bauern das gleichzeitig – Sie können mir jetzt aber kein Bauernbashing vor­werfen – sofort bekommen haben. Warum sagen Sie selber oder warum kommt das aus dem Landwirtschaftsministerium, das auch Ihr Ressort ist, dass die Bauern alle Anträge sofort bewilligt bekommen haben und dass alles sofort überwiesen wurde? – Und warum passiert das bei den Hoteliers nicht? Das ist durchaus interessant.

Wenn es darum geht, der Hotellerie zu helfen, kann man schon sagen: Okay, eine Steu­ersenkung hilft der Gastronomie! – Das ist auch wichtig, und das ist auch diese Matrix, die ich mit Frau Minister Schramböck besprochen habe. Es hilft nicht, wenn ich Experten hineinhole oder Edelberater, die dann vielleicht irgendetwas mit einem Gütesiegel, einen Coronacheck, machen.

Jetzt lassen Sie mich noch einmal darauf zurückkommen, weil es gerade ein Praxis­beispiel ist: Warum geht McKinsey ins Montafon? Warum sind die die Projektleiter? Ro­sam begleitet es; Rosam hat gleichzeitig im „Falstaff“ ein Rieseninterview mit Ihnen und ein paar Wirtschaftskammerinserate.


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Wir fragen uns alle: Wie soll das mit diesen Tests funktionieren? 65 000 Tests haben Sie und Wirtschaftskammerpräsident Mahrer versprochen – wöchentlich. Meines Wissens haben Sie bis heute noch keine 65 000 Tests, und Sie müssten ja de facto, wenn Sie der Praxis nahe wären, diese 65 000 Tests alle drei Tage, aber zumindest wöchentlich durchführen. Sie bekommen diese 65 000 Tests schon zusammen, aber einmalig, und dann ist die Sommersaison vorbei. Das ist der Punkt.

Ich glaube auch da wieder daran, dass das eine schön inszenierte PR-Show ist. Ein Gütesiegel hat etwas Positives, das gebe ich zu, aber sobald es bei einem, der ein Gü­tesiegel hat, einen Coronainfizierten gibt, können Sie das ganze Qualitätssiegel auch wieder verlieren und können das in den Wind schießen oder verbrennen oder sonst ir­gendetwas. Ich glaube daher, dass Sie da Kompetenz von erfahrenen Leuten, von Men­schen aus der Praxis, brauchen und nicht von Deloitte und McKinsey und diesen Edel­beratern. Ich glaube, dass Sie Offenheit und Unabhängigkeit brauchen und nicht Bera­tung von Menschen, die für Sie etwas machen und dafür ein Inserat bekommen.

Ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass Sie das verzahnen und nicht nur für den Wirten im Dorf, sondern auch für die Hotellerie etwas machen. Die Hotellerie gehört genauso zu den Wirten im Dorf wie die Landwirtschaft und wie die landwirtschaftlichen Erzeuger. Darum glaube ich auch, dass Sie uns dringend mit einem Konzept den Weitblick geben müssen, denn eines müssen wir schon sagen: Der Plan T kann vielleicht noch in Bezug auf ein paar Parameter richtig sein, aber wir müssen Tourismus neu denken und wir müssen vor allem auch daran denken, was auch Kollegin Neßler gesagt hat: Das Ziel muss sein, dass es nach Corona nicht so weitergeht, wie es vor Corona war, sondern dass wir besser werden, und dazu braucht es einen adaptierten Plan.

Dazu braucht es auch einen Weitblick für die Hotellerie, für die Unternehmer, für die Gastronomie, und das ist essenziell; und es braucht bitte, bitte keine Pressekonferenzen mehr mit Aussagen, die nicht haltbar sind, eine Pressekonferenz, bei der ich ein Siegel, Modellregionen vorstelle, wo selbst die Beteiligten sagen: Das ist hoch bürokratisch; zuerst wurde mir versprochen, dass die Tests in meinem Haus stattfinden, jetzt muss ich zur Bezirkshauptmannschaft fahren, und alles verschlingt wahnsinnig viel Geld und bringt nichts, denn ich müsste ja alle drei Tage testen! – Wer tut das? Vor allem: Der letzte von all diesen Betrieben hat sowieso den größten Nachteil beziehungsweise hat es sich dann schon aufgeholt.

Worauf ich hinauswill, Frau Minister: Lassen Sie die Praktiker ans Werk! Die Wirtschafts­kammer hat andere Dinge, die im Moment – und das muss ich auch sagen – die Mit­arbeiter ganz gut erledigen. Die anderen posen halt mit der Doppelmagnum und wissen nicht, wie es um sie steht. Mein Anliegen sind aber die Hoteliers, mein Anliegen ist der Tourismus. Der Tourismus braucht ein anständiges Konzept und er braucht vor allem Ehrlichkeit und Gleichberechtigung: So, wie Sie die Bauern behandeln, so möchte auch die Hotellerie behandelt werden.

Zur degressiven Abschreibung gebe ich Ihnen noch etwas mit: Diese ist für den Touris­mus gar nicht so gut. Eigentlich bräuchte der Tourismus das, was wir immer gefordert haben: die funktionale Abschreibung, nämlich nicht am Anfang alles hineinzuwerfen, sondern das auch zu benennen. Es gibt ja unterschiedliche Bereiche in der Hardware, eine Wellnessanlage ist eigentlich viel schneller abzuschreiben als ein Zusatzbau von Zimmern. (Heiterkeit von Bundesministerin Köstinger.) – Ja, Sie können gerne lachen! (Bundesministerin Köstinger: Ja eh!) – Ja eh, Sie haben sicher einmal in der Gastrono­mie gearbeitet, Sie wissen es eh, wie der Herr Bundeskanzler. Ich werde bei Ihrer Rede auch lachen, nur manchmal ist mir bei Ihnen zum Weinen, das muss ich Ihnen wirklich sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Rosa Ecker. – Bundesministerin Köstinger: Mir bei Ihnen auch!)

18.36



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 237

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.36.07

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich sehr, hier heute zum Tou­rismusbericht 2019 Stellung zu nehmen. Ich habe jetzt ein bisschen schmunzeln müs­sen, weil Herr Abgeordneter Schellhorn sagt, es darf nach Corona im Tourismus nicht so weitergehen wie vor Corona. – Also ich glaube, jeder einzelne Touristiker in diesem Land würde sich genau das wünschen, dass wir an diese Erfolge, die auch im Touris­musbericht 2019 dargestellt werden, sehr schnell und vor allem so schnell wie möglich wieder anknüpfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schellhorn: Also Sie verstehen echt nix!) Das wird vor allem auch unser gemeinsames Ziel sein, dass uns das gelingt.

Wir haben 2018 die österreichische Tourismusstrategie ausgearbeitet, unseren Master­plan T, bei dem es mir vor allem darum gegangen ist, dass wir von dem Abfeiern von Nächtigungsrekorden und Rekorden bei Gästeankünften weg und hin zu einem neuen Indikatorensystem kommen. Das ist uns gelungen, und der jetzt vorliegende Tourismus­bericht ist auch deswegen so neu, weil wir eben vor allem auf ein Satellitenkonto um­gestellt haben und eine gesamtheitliche Beurteilung der Tourismusbranche vornehmen.

Das Jahr 2019 war für den heimischen Tourismus tatsächlich hervorragend, und es zeigt sich nicht zuletzt an den vorliegenden Zahlen, welch wichtigen wirtschaftlichen Stellen­wert der Tourismus für die gesamte österreichische Wirtschaft hat. Der Tourismus und die Gastronomie sind eine tragende Säule, egal ob im Stadtbereich oder am Land. 15 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung werden aus der Tourismusbranche erwirtschaftet, und umso härter trifft diese Branche das Coronavirus und vor allem auch die Einschränkung der Reisefreiheit und viele der Maßnahmen, die wir setzen mussten, um die Infektionsketten zu durchbrechen.

Eine Gesamtdarstellung der Auswirkungen, der Folgen des Coronavirus für die österrei­chische Tourismuswirtschaft sowie auch der Maßnahmen der Bundesregierung werden wir mit dem Tourismusbericht 2020 vorlegen können. Das Jahr 2020, und das ist zwei­fellos so, stellt mit dem Auftreten des Coronavirus den österreichischen Tourismus vor eine noch nie da gewesene Herausforderung. Wir haben ja durchaus auch Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise beziehungsweise auch aus den Folgen von 9/11, aber das ist nicht vergleichbar mit einer Pandemie, die uns durchaus noch länger im Griff haben wird und mit der wir auch entsprechend umgehen und leben lernen müssen, solange es keine Medikamente beziehungsweise keinen Impfstoff gibt.

Keine Branchen sind stärker betroffen als Tourismus, Gastronomie und Freizeitwirt­schaft, und dank der durchaus sehr niedrigen Infektionszahlen konnten wir mit dieser Woche weitere Lockerungsschritte in Aussicht stellen, die seit Montag gelten. Das sind der Entfall der Personenbeschränkung bei Reservierungen, die Verlängerung der Sperr­stunde auf 1 Uhr Früh und das Wegfallen des Tragens des Mund-Nasen-Schutzes für Gäste – wobei ich dazusagen möchte, dass ich mir sehr wünschen würde, dass das Gesundheitsministerium beim nächsten Lockerungsschritt dieselbe Maßnahme auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gastronomie mitnehmen könnte. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Abg. Wurm: Ah ha!)

Entscheidend für den Tourismus sind jedoch vor allem die Öffnung der Grenzen und die Wiederherstellung der Reisefreiheit. Knapp drei Viertel der Nächtigungen in Österreich betreffen Gäste aus dem Ausland. Da ist der größte Anteil aus Deutschland, gefolgt von den Niederlanden und der Schweiz. Wir haben uns seit Wochen für die schrittweise Wie­derherstellung der Reisefreiheit in Länder, die im Kampf gegen das Coronavirus ähnlich erfolgreich sind wie wir, eingesetzt. Seit 4. Juni ist vor allem für Reisende aus den Nach­barstaaten die Pflicht zur 14-tägigen Quarantäne beziehungsweise zur Vorlage eines


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negativen Covid-19-Tests aufgehoben. Mit diesem Dienstag wurde die Reisefreiheit in weitere EU-Staaten und Efta-Staaten ausgeweitet.

Entscheidend ist für uns vor allem auch, dass der Reiseverkehr, der Flugverkehr wieder aufgenommen wird. Daran, dass das sehr schnell wieder erfolgen wird können, hat durchaus auch die Unterstützung der Austrian Airlines einen wichtigen Anteil.

Vor allem der Bereich der Stadthotellerie ist sehr betroffen. Ihr fehlen jetzt auch noch Gäste. Sie lebt von internationalen Ankünften, sie lebt vor allem aber auch davon, dass die Kultur- und Kunstbranche wieder öffnen und ihr Angebot stellen kann, dass wir wie­der Großveranstaltungen, Sportveranstaltungen, aber vor allem auch Kongresse und Messen abhalten können. Da ist es durchaus eine gute Nachricht, dass auch in diesem Bereich weitere Lockerungsschritte gemacht und Rahmenbedingungen aufgestellt wor­den sind, sodass die Planungen beginnen können und wir mit Herbst wieder ein derarti­ges Angebot stellen können.

Klar war aber auch, dass es ohne zusätzliche Unterstützung für Tourismus, Gastronomie und Freizeitbranche nicht gehen wird. Wir haben alles dafür getan, Österreich nicht nur als gastfreundlichstes, sondern auch als sicherstes Urlaubsland zu positionieren. Dabei spielt unser Konzept, unser Ansatz, vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Gästekontakt regelmäßig zu testen, eine ganz entscheidende und wichtige Rolle.

Wir haben jetzt mit fünf Pilotregionen gestartet, in denen wir uns einmal anschauen, wie das sehr einfach funktionieren kann, mit Drive-in-Stationen, mit einem durchgängigen System von der Probenabnahme bis hin zur Befunderstellung, um wirklich eine Perspek­tive, vor allem für den herannahenden Herbst und Winter, bieten zu können. Jetzt kann man sich ja noch sehr oft im Freien aufhalten, sobald aber Personengruppen wieder häufiger im Innenbereich sind, müssen wir durchaus damit rechnen, dass die Infektions­zahlen wieder zunehmen. Das ist also durchaus auch ein Schutzschirm für die heurige Herbst- und Wintersaison, damit es uns gelingt, vor allem im Tourismus, im Urlaubsbe­reich ein entsprechendes Angebot zu stellen.

Zudem haben wir auch die Österreich-Werbung mit einem Sonderbudget von 40 Millio­nen Euro ausgestattet, erstmals auch in ganz enger Kooperation mit den Landestouris­musverbänden, um speziell in jenen Ländern Werbung zu schalten, deren Grenzen aufgehen, um auch ein entsprechendes Angebot für die Urlaubsgäste dieser Märkte zu positionieren.

Anfang dieser Woche – und das ist die wirklich gute Nachricht – konnten wir im Rahmen der Regierungsklausur weitere Maßnahmen beschließen, die vor allem dem Tourismus, der Gastronomie und der Freizeitwirtschaft zugutekommen. Einerseits sind das Ret­tungsmaßnahmen, Unterstützungsmaßnahmen, Entlastungsmaßnahmen und anderer­seits – ganz entscheidend und wichtig natürlich – ist es auch der Bereich der Investitio­nen. Insgesamt machen wir rund 50 Milliarden Euro dafür frei.

Es gibt speziell für die doch sehr vielfältige und unterschiedliche Tourismusbranche nicht diese eine Unterstützungsmaßnahme, die wirklich allen hilft, aber es ist auf jeden Fall für jeden etwas dabei. Wir haben die Kurzarbeit weiter verlängert, wir haben einen Neu­startbonus speziell auch für Gastrobetriebe, die neue Mitarbeiter einstellen, bei denen aber das Geschäft noch nicht so schnell wieder auf vollen Touren läuft, eingeführt.

Der Verlustrücktrag, damit einhergehend eine Gewinnglättung, ist ein ganz wichtiges Instrument vor allem für jene Unternehmerinnen und Unternehmer, die im letzten Jahr und in den letzten Jahren schon erfolgreich waren. Da gibt es durchaus auch die Mög­lichkeit, auf das Jahr 2018 aufzurechnen.

Der Fixkostenzuschuss wird um weitere sechs Monate verlängert. Das soll vor allem auch jenen Branchen Unterstützung bieten, denen jetzt die Geschäftsgrundlage fehlt,


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sei es die Nachtgastronomie, sei es die Reisebranche, seien es Reisebüros oder bei­spielsweise auch Busunternehmen oder die Eventbranche, der jetzt zum Teil aufgrund der Pandemie die Veranstaltungen fehlen. Da wird es auch noch spezielle Maßnahmen geben, die maßgeschneidert sind, damit wir vor allem auch diese Betriebe durch die Krise bringen.

Ein Kreditmoratorium ist ein ganz wichtiger Bestandteil, um die Liquidität der Unterneh­men sicherzustellen. Mit der Aussetzung von Kreditraten wird auch maßgeblich für Ent­lastung gesorgt.

Einer der Hauptpunkte speziell für Gastronomie und Hotellerie ist die Senkung der Mehr­wertsteuer auf Speisen und alle Getränke auf 5 Prozent. Auch das ist eine Maßnahme, die für maßgebliche Entlastung und durchaus auch für einen steigenden Deckungsbei­trag bei den Betrieben sorgen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Eine ganz entscheidende und wichtige Forderung, die von der Branche selber auch ge­kommen ist, ist der Bereich der Entlastung. Wir senken die ersten Tarifstufen rückwir­kend auf 20 Prozent.

Mit dem Investitionspaket schaffen wir mit einer Investitionsprämie jetzt vor allem auch eine Möglichkeit für Betriebe, die sich überlegen, die Zeit zu nutzen, um Umbaumaßnah­men oder Ähnliches durchzuführen. Der erhöhte Prämiensatz von 14 Prozent ist auch ein sehr attraktiver Anreiz. Es hilft vor allem aber auch, wieder Arbeitsplätze zu schaffen und die Bauwirtschaft zu unterstützen.

Die Einführung einer degressiven Abschreibung von 30 Prozent ist ein sehr wichtiger Bestandteil, der von der Branche selber auch seit vielen Jahren gefordert wird. Auch das konnten wir jetzt umsetzen.

All das soll dazu beitragen, dass wir den sehr stark betroffenen Tourismus und die Gastronomie maßgeblich unterstützen. Wir werden den Herbst nutzen, um unseren Plan T weiterzuentwickeln, um einen Aktionsplan auszugestalten, um auf die sehr schwer betroffenen Bereiche abzielen zu können. Dorfwirte, denen es in der Vergangen­heit wirtschaftlich schon nicht gut gegangen ist, sind ein Beispiel, sie stehen jetzt na­türlich vor einer besonderen Herausforderung. Da wollen wir vor allem auch mit der Ös­terreichischen Hotel- und Tourismusbank einiges an Fördermöglichkeiten und Unterstüt­zungsmöglichkeiten schaffen.

Der Tourismus und die Gastronomie sind unverzichtbar. Ich glaube, das haben wir vor allem zu dem Zeitpunkt, als Gastronomie und Hotellerie wieder aufgesperrt haben und die Kurzarbeitszahlen rückläufig waren, gesehen. Es sind die Hunderttausenden Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, die das Rückgrat unserer Betriebe bilden, und an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle, die gemeinsam mit den Unternehme­rinnen und Unternehmern dafür Sorge tragen, dass wir wieder aus dieser Zeit und dieser Krise kommen! Ein ganz großes Dankeschön aber an alle, die ihre Betriebe jetzt wieder aufgesperrt haben, die ihr Bestes dafür geben, dass wir es gemeinsam schaffen, durch diese Zeit zu kommen! Egal ob es die Kaffeehäuser, die Heurigen, die Buschenschen­ken, die Haubenlokale, unser Dorfwirte, die Privatzimmervermieter oder Fünfsternebe­triebe sind – all das macht die österreichische Hotellerie und Gastronomie aus, und ge­meinsam werden wir wieder an die Erfolge aus dem Jahr 2019 anknüpfen können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.47


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann. – Bitte.


18.48.00

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher daheim vor


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den Bildschirmen! Der Tourismus ist in Österreich nicht nur ein bedeutender Wirtschafts­faktor, sondern er bietet für viele Branchen auch sehr, sehr viele Arbeitsplätze. Öster­reich befindet sich seit Jahren unter den top 15 Tourismusländern der Welt. Das heißt, der Tourismus ist bei uns wirklich ein ganz wesentlicher Bestandteil der Wirtschaft.

Gerade als Salzburgerin – ich komme aus einem Land, in dem der Tourismus sehr stark ist – freue ich mich, heute zu diesem Bericht zum Jahr 2019 Stellung nehmen zu können, auch wenn das Jahr 2020 völlig andere Tatsachen bietet. Trotzdem lohnt es sich, sich diesen Bericht noch einmal genauer anzuschauen.

Ich nehme Salzburg her: Im Jahr 2019 hatten wir 8,1 Millionen Ankünfte in Salzburg, davon entfielen etwa 2 Millionen alleine auf die Stadt Salzburg. Der Pinzgau als weitaus stärkster Bezirk hatte in etwa 2,6 Millionen Ankünfte allein im Jahr 2019 zu verzeichnen. In Summe sind das 30 Millionen Nächtigungen, die bei uns im Bundesland Salzburg ver­zeichnet werden konnten.

Es gibt viele tolle Attraktionen, aber auch die wunderschöne Natur. Betrachten wir bei den Attraktionen die Salzburger Festspiele: Gott sei Dank haben wir heuer zumindest ein reduziertes Programm. Präsidentin Rabl-Stadler ist da sehr ambitioniert drange­blieben.

Auch das Jazzfestival in Saalfelden ist international bekannt und angesehen, und es gibt heuer auch ein kleines, abgespecktes Jazzfestival. Ich brauche auch nur an die vielen Bauernherbstfeste, an die großen und kleinen Kulturveranstaltungen im gesamten Bun­desland zu denken  das, meine Damen und Herren, was ich Ihnen für Salzburg aus­führen darf, gibt es in all unseren wunderschönen Bundesländern. Ich bin ehrlich gesagt stolz darauf, Salzburgerin zu sein, ich bin stolz darauf, Österreicherin zu sein, denn unser Österreich ist wirklich das Land der gelebten Gastlichkeit! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

In Zahlen ausgedrückt: allein im letzten Jahr 46 Millionen Gäste, eine direkte Wertschöp­fung von 23,5 Milliarden Euro, eine Wertschöpfung – von allen Branchen gemessen – am BIP von 7,3 Prozent; das ist ein starkes Ergebnis für das Jahr 2019. Wir konnten 2019 die vorangegangen Zahlen wieder toppen.

Frau Ministerin, Sie haben im letzten Jahr den Plan T, den Plan für den Tourismus, neu aufgestellt, und ich durfte selber ein Stück weit mit dabei sein. Dieser Plan T - Masterplan für Tourismus bedeutet wirklich einen Paradigmenwechsel. Es steht nicht mehr nur der Gast im Mittelpunkt, nein, Sie haben auch die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allem – und das ist wichtig, denn ich erlebe das ja auch tagtäglich in einer Tourismusregion – auch die heimische Bevölkerung und die Umwelt mit in den Fokus genommen. Der nachhaltige Tourismus ist ein Bereich, den wir alle miteinander wesentlich weiterentwickeln müssen und auch wollen, und dieser Plan T – Sie haben es schon angekündigt – wird natürlich auch weiterentwickelt.

Meine Damen und Herren, der Ausblick auf den Tourismus in Österreich ist im Jahr 2020 nicht leicht, weil die Tourismusbranche wie keine andere durch die Coronapandemie stark gebeutelt ist. Die Bundesregierung hat aber ganz beherzt über die letzten Wochen hinweg zahlreiche Hilfspakete geschnürt, um gerade diese Tourismusbetriebe ganz stark zu unterstützen.

Ich werde jetzt nur einige aufzählen, da es eine Fülle von Unterstützungsmaßnahmen ist: Es ist einerseits die Kurzarbeit, wovon viele Tourismusbetriebe massiv profitieren, es ist die degressive Abschreibung, die seit Kurzem möglich ist, es ist der Verlustrücktrag, es ist die Mehrwertsteuersenkung auf 5 Prozent, die den Wirten bleibt, es sind die Steu­erstundungen, es sind die Kreditmoratorien, es sind die Haftungsübernahmen, es ist der Coronahilfsfonds, es ist das Wirtepaket, und ja, auch die Grenzen sind wieder offen. 


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Das alles, meine Damen und Herren, lässt mich wirklich Hoffnung schöpfen, dass unsere Tourismusbetriebe, auf die wir stolz sind und die wir brauchen, in diesem Sommer wirk­lich auch wieder in Schwung kommen. Jeder Einzelne von uns kann und soll auch seinen Beitrag dazu leisten: Geht am Sonntag zum Wirt! Geht dorthin essen! Unterstützen wir gemeinsam unsere Betriebe!

Ich wünsche allen Unternehmerinnen und Unternehmern, die im Tourismusbereich tätig sind, einen gut anrollenden Sommer und vor allem, so gut wie möglich, auch viel Erfolg für dieses ganz besondere Jahr 2020! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


18.53.40

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Frau Ministerin, es ist sehr erfreulich, dass Sie sich darauf freuen, wenn das Gesund­heitsministerium die Maßnahme hinsichtlich des Tragens des Mund-Nasen-Schutzes für die Mitarbeiter in der Gastronomie lockert, aber wir haben hier vor ein paar Stunden – es ist noch nicht sehr lange her – über einen Entschließungsantrag einer Oppositions­partei zu genau diesem Thema abgestimmt, und die Regierungsparteien haben dagegen gestimmt – also das ist schon ein bissl absurd! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zum Tourismusbericht: Eine riesige Branche wurde hart getroffen und findet sehr, sehr schwer in die Normalität zurück. Auch die Messen sind ein wichtiger Teil der Touris­muswirtschaft, und das ist natürlich insbesondere für meine Heimatstadt, die Messestadt Wels, ein sehr wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Die Messen beschäftigen neben vielen eigenen MitarbeiterInnen auch jede Menge Zulieferfirmen, Sicherheitsunternehmen, Reinigungsbetriebe, Gastronomiebetriebe, Messebauer, Logistiker und vieles, vieles mehr. Für viele dieser Firmen sind die Messen die Geschäftsgrundlage und diese Grund­lage wurde ihnen natürlich über die letzten Monate zur Gänze entzogen.

Für andere Unternehmen ist der direkte Messeverkauf das Geschäftsmodell. Öster­reichweit sprechen wir da von 7 000 Firmen, deren komplette wirtschaftliche Grundlage weggebrochen ist; davon sind 20 000 Menschen betroffen, die in Kurzarbeit gegangen oder arbeitslos geworden sind. Auch für die regionale Wirtschaft und den Tourismus sind die Messen ein ganz wesentlicher Faktor. Sie produzieren eine Umwegrentabilität mit dem Faktor fünf bis sieben. Das sind gewaltige Zahlen. Der Gesamtumsatz der Messen liegt bei 200 Millionen Euro und der indirekte Umsatz bei 1,4 Milliarden Euro jährlich.

Die Forderung der österreichischen Messen nach klaren Regeln für den Neustart nach der Krise wurde lange nicht erfüllt und blieb ungehört. Jetzt, vor wenigen Tagen, konnte die Branche aufatmen, denn endlich gibt es Rechtssicherheit und Klarheit darüber, dass Messen und Kongresse wieder stattfinden können, und das ist für diese eine große Er­leichterung.

Der Masterplan für Tourismus ist aus den bekannten Gründen überholt. Die massiven Auswirkungen der Coronakrise auf diesen großen und wichtigen Wirtschaftszweig sind darin noch nicht berücksichtigt.

Meine sehr geehrter Damen und Herren, jetzt braucht es volle Unterstützung und Hilfe für die Betriebe, Hilfe, die auch ankommt, und es braucht ehestmöglich einen neuen, realistischen Masterplan für den Tourismus in Österreich. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)


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18.56


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.


18.56.42

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch ein paar Worte zum Touris­musbericht und auch zur Erfolgsbilanz 2019 sagen: Das war eine Erfolgsgeschichte, und ich möchte allen gratulieren, die dazu beigetragen haben, vom kleinen Vermieter über den Hotelier bis hin zum Gasthaus, Kaffeehaus, Urlaub am Bauernhof – die komplette Palette –, also unseren Unternehmerinnen und Unternehmern, die diese Erfolgsgeschich­te im Jahr 2019 schreiben konnten. All jenen gehört einmal ein großes Kompliment und Dankeschön ausgesprochen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind zuversichtlich, dass wir wieder auf diesen erfolgreichen Weg zurückfinden wer­den. Das wird nicht von heute auf morgen passieren, aber wenn wir konsequent richtige und vernünftige Maßnahmen umsetzen, werden wir das früher erreichen, als wir selber glauben. Es gibt mittlerweile auch Betriebe und Regionen, die im Sommer durchaus sehr gut gebucht sind. Ich möchte nicht unbedingt ein paar erwähnen, aber all jene, die in der Vergangenheit auf die Stammgäste geschaut haben, diese Stammgäste betreut haben, werden natürlich profitieren, weil viele sagen: Wir fahren dorthin, wo wir zufrieden waren, wir kennen den Betrieb, da fühlen wir uns wohl und da wir werden gepflegt und gehegt. – Das ist genau dieses Markenzeichen, für das unser österreichischer Tourismus steht, und deswegen werden wir auch wieder zurück zur Erfolgsgeschichte kommen.

Stolz bin ich auch, dass wir – 2019 waren wir teilweise noch mit in der Regierung – un­seren Beitrag zum Masterplan für Tourismus leisten konnten, da wir ja in allen Bundes­ländern mit unterwegs waren und auch die Ideen der Unternehmerinnen und Unterneh­mer eingeholt haben, um einen Kompass für die zukünftige Entwicklung des Tourismus zu haben.

Ich bin auch stolz, dass uns die Mehrwertsteuerreduktion von 13 auf 10 Prozent bei der Beherbergung gelungen ist. Immerhin waren das 120 Millionen Euro, die sich damals die Branche – auch wieder vom kleinen Vermieter bis zum Hotelier – ersparen konnte. Daran haben wir sehr konsequent gearbeitet und das war auch eine ganz tolle Verbes­serung der Rahmenbedingungen.

Vor allem die Kombination von und die Koordination zwischen Landwirtschaft und Tou­rismus: Ich glaube, das haben wir in der letzten Regierungsperiode so richtig erkannt und auf Schiene gebracht. Ich finde das wahnsinnig gut, dass Landwirtschaft und Tou­rismus in einem Ministerium gebündelt sind, weil Landwirtschaft und Tourismus zusam­mengehören, damit diese Kraft, diese PS, auch auf die Straße gebracht wird. – So weit, so gut.

Wir werden immer wieder kritisiert, wenn wir Maßnahmen – ich sage es noch einmal – nicht kritisieren. Wir wollen ja alle, vom Herzen heraus, unseren Beitrag leisten, damit es dem Tourismus besser geht, und das ist keine plumpe Kritik, sondern das sind einfach Anregungen. Man kann es natürlich auch so sehen, wie es Kollegin Neßler sieht, dass die Regierung alles richtig macht und die Freiheitliche Partei überhaupt nichts zum Erfolg des Tourismus beiträgt. (Zwischenruf der Abg. Neßler. – Abg. Kickl – in Richtung Abg. Neßler –: Gar nichts haben wir getan, haben Sie gesagt! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Neßler und Kickl.) Okay, man kann es so sehen, aber ich denke, das ist eine Schwarz-Weiß-Betrachtung, die überhaupt nichts bringt.

Ich möchte nur bitten: Hören Sie zukünftig einfach ein bisschen mehr zu! Wir meinen es wirklich ernst mit den Menschen, mit dem Tourismus. Wir wollen konstruktiv sein. Es wird wahrscheinlich nicht alles vernünftig sein, was wir vorschlagen, aber es ist auch nicht alles unvernünftig, was wir vorschlagen. – Ich vermisse das, vielleicht wird es besser.

So, ich komme jetzt zum dritten Mal auf mein Herzensthema zurück, und ich möchte das feststellen, weil ich permanent auf die privaten Vermieter von Ferienwohnungen zu spre­chen komme. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Endlich! – Abg.


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Schmidhofer: Wir wissen schon, was kommt!) – Endlich, endlich! Also ich merke, ich dringe durch. Ich dringe bei der SPÖ durch. Ich danke für die Unterstützung – auch schon im Ausschuss, auch schon das letzte Mal: Da bin ich durchgedrungen. Bei der ÖVP bin ich noch nicht durchgedrungen. (Abg. Kickl: Das wird schon!) Die Grünen sprechen bereits mit mir. Also ich hege Hoffnung, dass mir dieses Thema genommen wird, denn ich kann es selbst nicht mehr hören! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe den Antrag jetzt mit Leidenschaft noch einmal ein, aber ich erkläre ihn nicht noch einmal – das ist, glaube ich, nicht mehr notwendig. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Meine Kollegen und ich selbst möchten einen Entschließungsantrag einbringen, den ich jetzt vorstelle:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefall­fonds“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend jene Schritte zu setzen, die sicher­stellen, dass auch die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Kreis der Anspruchsbe­rechtigten aus dem Härtefallfonds aufgenommen werden, und dass die Bemessungs­grundlage für die Berechnung der Höhe der Förderung sowohl für Vermieter im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten als auch für Vermieter im Rahmen des ‚Urlaubs am Bauernhof‘ vereinheitlicht wird und damit derzeit beste­hende Benachteiligungen beseitigt werden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Bravo!)

Ich bin schon einmal gespannt, wie die Abstimmung ausgehen wird. Große Hoffnung habe ich nicht, aber ich denke: Steter Tropfen höhlt den Stein!

So, und jetzt noch eine andere Platte, nicht, dass Sie glauben, dass das das einzige Thema ist. – Übrigens bin ich selber nicht Privatvermieter. Ich lobbyiere nicht für mich. Das möchte ich jetzt einmal feststellen, weil ich das wirklich so durchtrage, dass schon fast dieser Eindruck entsteht. Ich habe einen Gewerbebetrieb, bin nicht Privatvermieter, mache das nicht für mich.

Wieder als Anregung: Es ist richtig, und ich finde das super, Frau Minister, dass Sie ein Sonderbudget für die Österreich-Werbung in Höhe von 40 Millionen Euro für die Bewer­bung des Sommertourismus im Inland wie auch in Deutschland locker machen konn­ten. – So weit, so gut. Da sage ich: Super!

Was erwarten wir uns? – Wenn das unter dem Dach der Österreich-Werbung in Koor­dination mit den Ländertourismusverbänden passiert, würde ich mir erwarten – um die Kraft richtig auf die Straße zu bringen, um die PS richtig auf die Straße zu bringen ‑, dass im Auftritt einer Wort-Bild-Marke Einheitlichkeit herrscht. Das wäre vernünftig, wenn man das koordiniert (Abg. Schmidhofer: Die sind ja verschieden!), Österreich-Werbung und Ländertourismusorganisationen. – Das ist eine Anregung von uns.

Wie schaut das Resultat aus? – Es gibt einen Slogan, der lautet: Auf dich wartet ein guter Sommer – dein Österreich. Wie wird das Ganze umgesetzt? – Ich habe nur ein


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paar Beispiele mitgebracht: die schönsten „Urlaubsplätze“ (ein Bild in die Höhe haltend, auf dem ein Erwachsener in einer Landschaft mit blauem Himmel abgebildet ist, der mit seinen beiden Händen ein Kleinkind so in die Höhe hält, dass sich die beiden gegenseitig anschauen können, und auf dem „Urlaubsplätze“ steht) – nichts vom Slogan, nichts ent­halten; „Urlaub in Österreich“ (ein Bild in die Höhe haltend, auf dem zwei Radfahrer in einer bergigen Umgebung abgebildet sind und auf dem „Urlaub in Österreich“ steht) – wieder ein Bild, kein Slogan, nichts! Wo ist da die Koordination?! (Abg. Schmidhofer: Super! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Zwischenruf bei den Grünen.)

Weiters: „Urlaubszeit“, „Die schönsten Urlaubsziele in Österreich“ (ein Bild in die Höhe haltend, auf dem zwei Personen mit Rucksäcken abgebildet sind, die in einer bergigen Landschaft wandern, und auf dem „Urlaubszeit“ und „Die schönsten Urlaubsziele in Ös­terreich“ steht). Wofür (die Schultern hebend) brauche ich die Koordination? „Wir sind für dich da, wenn du Freiheit in den Bergen suchst“ (ein Bild in die Höhe haltend, auf dem mehrere Personen mit Rucksack in einer bergigen Landschaft mit einem See abge­bildet sind und auf dem „Wir sind für dich da, wenn du Freiheit in den Bergen suchst“ steht – Heiterkeit des Abg. Kickl) – auch schön, wieder keine Wort-Bild-Marke, wieder nichts!

Das kann ich beliebig fortsetzen: Egal was ich mir anschaue – „Urlaub in Österreich“ und wieder „Urlaub in Österreich“ (zwei weitere Bilder von Landschaftsaufnahmen mit der Aufschrift „Urlaub in Österreich“ in die Höhe haltend) –, nirgends, in keinen Kampagnen oder Inseraten, die in letzter Zeit geschaltet wurden – ich habe es mir angeschaut –, kommt diese Wort-Bild-Marke, die eigentlich der Output einer Kooperation sein müsste, vor; und deswegen: Bitte nehmen Sie unsere Kritik nicht immer persönlich! Wir meinen es ernst mit dem Tourismus, und wir glauben – wenn man sich das beispielsweise an­schaut –, dass man diese Kampagne wirklich besser umsetzen und damit noch mehr Gäste für den Urlaub bei uns in Österreich begeistern könnte. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Also hören Sie zukünftig ein bisschen auf uns! Reden Sie mit uns, und vor allem: Hören Sie uns zu! Dann könnten wir, glaube ich, gemeinsam noch mehr weiterbringen. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser

und weiterer Abgeordneter

betreffend dringende Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coro­navirus-Härtefallfonds

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 13: Bericht des Tourismusausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betref­fend Tourismus in Österreich 2019 (III-138/224 d.B.)

in der 38. Sitzung des Nationalrates am 18. Juni 2020

Die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Ne­benerwerbs mit maximal zehn Betten werden im Härtefallfonds immer noch nicht be­rücksichtigt.

Dies obwohl unter anderem seitens des Freiheitlichen Tourismussprechers Bundesmi­nisterin Elisabeth Köstinger bereits am 29. April 2020 im Rahmen einer Videokonferenz


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auf diesen Umstand hingewiesen wurde, und es zahlreiche Interventionen von Betrof­fenen in dieser Sache gab.

In der Sitzung des Tourismusausschusses vom 10. Juni 2020 verwies Bundesministerin Köstinger einmal mehr darauf, dass derzeit Gespräche betreffend die Miteinbeziehung der privaten Vermieter von Ferienwohnungen in den Kreis der Anspruchsberechtigten des Härtefallfonds stattfinden, bis dato ohne Ergebnis.

Denn anspruchsberechtigt sind nach wie vor nur die privaten Vermieter von Zimmern mit Frühstück bis maximal zehn Betten, das sind rund 20 Prozent aller Privatvermieter, die anderen 80 Prozent vermieten Ferienwohnungen. In Summe erzielen die Privatvermieter ungefähr 20 Millionen Übernachtungen jährlich.

Das Ausschließen privater Vermieter von Ferienwohnungen bis zu zehn Betten, die eine Unterstützung aus dem Härtefallfonds dringend benötigen, ist für diese Vermieter exis­tenzbedrohend.

Das zu Beginn der Corona-Krise von Herrn Bundeskanzler getätigte Versprechen: „Kos­te es, was es wolle“ endet offenbar bei den privaten Vermietern von Ferienwohnungen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass aus dem mit zwei Mrd. Euro dotierten Här­tefallfonds erst in etwa 10 % ausbezahlt wurden, ist das Ausschließen der privaten Ver­mieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten mehr als unverständlich und massiv zu kritisieren.

Dazu kommt, dass selbst jene privaten Vermieter von Zimmern im Rahmen des häus­lichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten, die derzeit einen Anspruch auf Mittel aus dem Härtefallfonds haben, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Höhe der Förderung gegenüber Vermietern im Rahmen des „Urlaubs am Bauernhof“ benachteiligt werden.

Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten müssen die dargelegten Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen unverzüglich beseitigt und die Hinhaltetaktik der Bundesregie­rung in dieser Frage dringend beendet werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend jene Schritte zu setzen, die sicher­stellen, dass auch die privaten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häusli­chen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Kreis der Anspruchsbe­rechtigten aus dem Härtefallfonds aufgenommen werden, und dass die Bemessungs­grundlage für die Berechnung der Höhe der Förderung sowohl für Vermieter im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten als auch für Vermieter im Rahmen des „Urlaubs am Bauernhof“ vereinheitlicht wird und damit derzeit beste­hende Benachteiligungen beseitigt werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Clemens Stammler. – Bitte.


19.05.16

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und


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Zuhörer! So vielfältig Österreich ist, so vielfältig ist auch das Tourismusangebot: Wäh­rend es in Wien eher die Bauten aus der Zeit von Kaiser Franz Joseph sind und in Salz­burg der Musiker Wolfgang Amadeus Mozart ist, ist es dazwischen und sonst überall der Charakter des Landes, der Charakter der Menschen, aber vor allen Dingen der Charak­ter unserer außergewöhnlichen und kleinteiligen Landschaft – eine Landschaft, die des­halb so kleinteilig beziehungsweise auch so biodivers ist, weil sie seit Jahrhunderten von Bäuerinnen und Bauern gepflegt wird und zur Kulturlandschaft geworden ist. Das ist eine Leistung, die der Tourismus gratis, frei Haus geliefert bekommt.

Wenn Kollege Schellhorn behauptet, dass die Bäuerinnen und Bauern keine Auswirkun­gen der Coronakrise zu tragen gehabt haben, dann kann ich mir das nur so zusam­menreimen, dass er das glaubt, weil er – das ist jetzt eine Mutmaßung von mir – in der Speisekammer seines Hotels anscheinend Ware ohne Herkunftskennzeichnung, also von irgendwoher, bunkert, denn ansonsten wüsste ich nicht, wie es zu keinen Auswirkun­gen kommen sollte, wenn der Tourismus in Österreich ganz einfach keine Lebensmittel verbraucht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Insofern verstehe ich auch, warum er will, dass es nachher nicht so weitergeht wie vor­her. – Nein, ich gehe davon aus, dass er heimische Lebensmittel in die Speisekammer seines Hotels bringen wird.

Damit sind wir bei einem anderen Punkt: bei Herrn Matznetter. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man als Sozialdemokrat behaupten kann, dass es ein Unding ist, dass man Pensionen, die in den Beiträgen sowieso schon vom Staat bezuschusst werden, wirklich im geringfügigsten – wir reden von Mindestpensionen und geringen Pensionen – erhöht. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist ganz klar, es gibt mittlerweile nahezu mehr inaktive Altbauern als aktive Bauern. Das ist ganz einfach ein Strukturwandel, das haben wir in anderen Branchen auch, und wenn wir allen, deren Berufe nahezu oder zur Gänze ausgestorben sind, die Pensionen wegnehmen würden – die die Bauern übrigens erst seit 1969 erhalten –, dann werde nämlich ich zum Sozialdemokrat, dann brauchen wir euch wirklich nicht mehr. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Matznetter: Mit steiner­nem Herzen geht das nicht ...!)

Aber zurück zum Thema: Die größte Wertschöpfung erreichen wir – und zwar nicht nur in Geldwerten – mit regionalen Kreisläufen. Ein regionaler Einkauf ist ein Hilfspaket, der den Wirtinnen und Bäuerinnen, den Wirten und Bauern gleichzeitig hilft. Die Rahmen­bedingungen, die Transparenz dafür herzustellen ist die Aufgabe dieses Hauses. Aus­gewogene Unterstützung ohne Neiddebatte und eine Herkunftskennzeichnung der Le­bensmittel, auch in der Gastronomie, wären in dieser Hinsicht ein mutiger Anfang, damit in Zukunft die Eier des Kaiserschmarrens in Bad Ischl eventuell aus Attnang-Puchheim kommen und nicht mehr aus der Ukraine. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.09


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbau­mer. – Bitte.


19.09.26

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesmi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Touris­mus ist eine der tragenden Säulen der Wirtschaft in Österreich, besonders in Tirol ist der Tourismus der Wirtschaftsmotor schlechthin. Durch die Coronapandemie wurde die Freude über den Erfolg schwer getrübt, durch die Krise wurde die Tourismusbranche hart getroffen.

Ich darf kurz auf die Nachkriegszeit zurückblicken: Wiederaufbau!, hieß es damals. Är­mel hochkrempeln und anpacken, damit es die nächste und die übernächste Generation besser haben als wir! – Das war damals das Motto unserer Großeltern und Eltern.


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Damals war der Fortschrittsoptimismus der Nachkriegsjahrzehnte ungebrochen. Kein Kraftwerks-, kein Skilift-, kein Straßenbauprojekt musste mit Widerstand rechnen. Ein noch zu Ende der Vierzigerjahre unvorstellbarer wirtschaftlicher Aufschwung hatte Wohl­stand mit sich gebracht und die wirtschaftliche und soziale Struktur des Landes nach­haltig geprägt.

Ohne den Tourismus in den Tälern von Tirol, wie dem Zillertal, dem Paznauntal, dem Pitztal, dem Ötztal (Abg. Kickl: Kaunertal!), hätten die Menschen in diesen Regionen weder eine Lebens- noch eine wirtschaftliche Grundlage. Ohne diese fleißigen Tirole­rinnen und Tiroler hätten wir auch nicht die vielen Freizeiteinrichtungen. Diese vielen Infrastruktureinrichtungen konnten nur durch den erfolgreichen Weg der Touristikerinnen und Touristiker geschaffen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der soziale wie auch der wirtschaftliche Wohlstand in Tirol sind auf den Tourismus zu­rückzuführen. Generell ist der Tourismus in Tirol ein Jobgarant und ein Wirtschaftsga­rant, weil viele Betriebe, wie Tischler, Installateure, Maler, direkt oder indirekt vom Tou­rismus abhängig sind. Der Tourismus ist aber nicht nur in Tirol sehr wichtig, sondern in ganz Österreich.

Hört man sich die mediale Berichterstattung und vor allem die Opposition an – da spre­che ich ganz speziell die FPÖ an –, dann erkennt man, wie versucht wird, unser schönes Urlaubsland Tirol und somit auch Österreich mit dem sogenannten Ischglskandal zu schädigen. Man hat nicht verstanden, wie lebensnotwendig der Tourismus in ganz Tirol und in Österreich ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Im Nachhinein nach Fehlern zu suchen, ist immer sehr einfach. Es gab und gibt kein Handbuch dafür, wie man mit einer weltweiten Pandemie umzugehen hat. Man kann nur schnell dazulernen und das Bestmögliche versuchen, um die Menschen aus der Krise zu führen. Fehler passieren und wer fehlerfrei ist, der soll den ersten Stein werfen.

An dieser Stelle möchte ich kurz replizieren: Zuerst hat die Regierung zu spät reagiert, dann war die Regierung zu wenig streng, zu wenig hart mit den Maßnahmen. Jetzt, da die Maßnahmen der Regierung gefruchtet haben und man nicht Tausende Menschen, die sonst verstorben wären, beklagen muss, war alles überhaupt nicht notwendig. Grenz­schließungen sofort!, wurde gefordert; jetzt: Warum gehen die Grenzen nicht auf?

Ja, meine Damen und Herren, was nun? Was wollen Sie? – Ich verstehe es nicht mehr. Was ich aber mit Sicherheit weiß, ist, dass diese Regierung alles macht, was in ihrer Macht steht, um die Menschen vor einer gesundheitlichen, einer sozialen und einer wirt­schaftlichen Krise zu bewahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Seit 13 Wochen begleitet uns diese weltweite Pandemie. In diesen 13 Wochen haben wir zahlreiche Hilfspakete für die Menschen in Österreich geschnürt. (Abg. Leichtfried: Die Redezeit ist gleich aus!) Die weltweite Wirtschaftskrise wird auch an Österreich nicht spurlos vorbeigehen. Das Virus ist noch nicht besiegt, es ist noch auf der ganzen Welt gegenwärtig; das sollten wir nicht vergessen. Alle, vor allem die FPÖ, sagen: Aber geh, ist doch nicht so schlimm, ist ja eh nur eine Grippe! – Aus meiner Sicht ist das fahrlässig und einfach nicht wahr. (Abg. Kickl: Sie haben ja die Wahrheit gepachtet!) Es hat weder etwas mit Angstmache noch mit Einschüchterung zu tun, sondern es hat etwas mit Ver­antwortung zu tun, und diese Regierung übernimmt Verantwortung für alle Menschen in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nehmen wir uns ein Beispiel an unseren Vorfahren, krempeln wir unsere Ärmel hoch, gemeinsam packen wir das! Abschließend bitte ich alle: Verbringen Sie Ihren Urlaub in Österreich, unterstützen wir gemeinsam die Gastronomie und die Hotellerie in Öster­reich! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.14



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung, 38. Sitzung des Nationalrats vom 18. Juni 2020 / Seite 248

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Maximilian Köllner. – Bitte.


19.14.51

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, wann waren Sie das letzte Mal in einem Reise­büro? – Da Sie die Reisebüros heute gar nicht thematisiert haben, nehme ich an, dass das schon ein bisschen länger her ist. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Kös­tinger.) – Angeschnitten vielleicht.

Ich jedenfalls war im Vorfeld dieser Tourismusdebatte bei einem kleinen Reisebüro und Reiseveranstalter im Burgenland und habe mir ein Bild von der derzeitigen Lage der Branche gemacht. Die Veranstalter und Reisebüros sind seit August/September 2019 mit Fixkosten, zum Beispiel für Mieten, Marketing, Werbung, für die Saison 2020 in Vor­leistung. Das heißt, sie haben Unsummen an Geld vorgestreckt. Als wäre das heurige Jahr nicht schon tragisch genug, müssen sie sich jetzt schon überlegen, wie sie wiede­rum die Saison 2021 vorfinanzieren sollen, so sie überhaupt überleben sollten. Wie soll denn das bitte gehen?

Die Umsätze sind von Mitte März bis Ende Juni zu 100 Prozent ausgefallen – keine Neu­buchungen. Auch wenn die Grenzen jetzt langsam wieder öffnen, bis Dezember ist mit einem Minus von 80 bis 90 Prozent des Jahresumsatzes zu rechnen. Was machen aber Sie? Was macht unsere Bundesregierung? – Anstatt ihnen sofort unter die Arme zu greifen, lassen Sie die Betroffenen strampeln. Die Reisebüros brauchen auch jetzt echte Hilfe und nicht erst im Herbst.

Kurzarbeit bis zum Herbst und die Verlängerung des Fixkostenzuschusses sind zwar lieb gemeint, sind aber für die Touristiker ein Tropfen auf den heißen Stein, denn der Fixkostenzuschuss greift nicht überall. Zwei Beispiele: Werbeaktivitäten von 2019 für die Saison 2020 – Prospekte, Kataloge, Messen – werden nicht angerechnet. Weiters: Was ist mit den bereits erwirtschafteten Provisionen, die aufgrund von Stornierungen wieder zurückgezahlt werden müssen? – Deutschland hat da wieder einmal eine Lösung ge­funden, nur bei uns hört man in diese Richtung nichts. Als wäre das alles nicht genug, müssen sich Reiseveranstalter nun über die Grenzen hinweg mit Airlines und Hotels herumschlagen, um die bereits geleisteten Anzahlungen für abgesagte Reisen nicht ab­schreiben zu müssen.

Heute die nächste Watsche – man hat es gelesen –: Die Airline Level ist pleite. Das ist wieder eine Stange Geld, die die Reisebüros somit unverschuldet in den Sand gesetzt haben, weil Airlines Kundengelder nicht versichern müssen. Da geht es europaweit um 4 Milliarden Euro Kundengelder, die nicht beziehungsweise noch nicht zurückbezahlt sind. Reisebüros und Privatpersonen spielen quasi Hausbank für die Fluglinien. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Wer bucht denn Gruppen zum Beispiel auf Maschinen der Austrian Airlines? Wer bringt 100 000 Touristen an Bord? – Es sind eben die Reisebüros. Ohne Reisebüros keine AUA – vergessen Sie das bitte nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, für diese Branche geht es um alles: Menschen verzweifeln, Existenzen werden ruiniert, 10 000 Jobs sind in Gefahr. Sie und Ihre Regierungskollegen haben aber die Unternehmer stattdessen zu Bittstellern degradiert, die um Überbrückungskre­dite betteln müssen. Das haben sich die Fleißigen in unserem Land nicht verdient. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Sie haben sich selbst die Latte hoch gelegt, Sie haben gesagt: rasche und unbürokrati­sche Hilfe. Sie sind oft vor den Fernsehkameras gestanden: „Koste es, was es wolle“, et cetera. – Fragen Sie bei den Betroffenen nach, was sie von diesen Floskeln noch halten! Sprechen Sie mit den Inhabern von Reisebüros, die nicht mehr weiterwissen, mit Ange­stellten, mit Frauen mit kleinen Kindern darüber, welche Jobängste sie haben; wenn sie


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in der Zwischenzeit nicht eh schon gekündigt wurden! Verlängern Sie also bitte die Kurz­arbeit, zahlen Sie Entschädigungen aus und unterstützen Sie endlich eine Branche, der das Wasser bis zum Hals steht! (Zwischenruf der Abg. Himmelbauer.)

Darüber hinaus können wir alle gemeinsam einen Beitrag für die Tourismusbranche leis­ten und eine Win-win-Situation schaffen, indem wir Urlaube nach Möglichkeit natürlich in Österreich verbringen und diese über ein Reisebüro buchen; das geht ja auch.

Zum Abschluss noch ganz kurz, Frau Ministerin – ich habe Sie ja auch im Ausschuss darauf angesprochen –: Vergessen Sie auch nicht auf die Winzer, die normalerweise an die Hotellerie und Gastronomie liefern und jetzt auf ihren Flaschen sozusagen sitzen bleiben – selber austrinken schmeckt zwar sicher, hilft ihnen aber finanziell nicht weiter. Falls Sie Ideen brauchen, wie man Winzern, Gastronomen und Beherbergungsbetrieben helfen kann, schauen Sie ins Burgenland, da sind schon einige Impulse gesetzt worden! (Beifall bei der SPÖ.)

19.19


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeord­neter Schmidhofer zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.19.32

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Herr Abgeordneter Maximilian Köllner hat be­richtet, dass die Frau Bundesministerin in ihrem Bericht nichts von der Reisebürobran­che erwähnt hätte.

Ich berichtige tatsächlich: Die Frau Bundesministerin hat gesagt, dass für Busse und Reisebüros noch ein eigenes Paket kommen wird (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist ein Werturteil!) – neben dem Fixkostenzuschuss und den anderen Maßnahmen, die es ohnehin schon gibt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wöginger: Das ist eine eindeutige tatsächliche Berichtigung!)

19.20


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Seemayer. – Bitte.


19.20.17

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Der Tourismusbericht basiert auf Zahlen, die natürlich vor der Coronakrise entstanden sind, und er hält einen Rückblick auf ein Jahr, das im Tourismus eigentlich ein gutes Jahr war; das wurde schon ein paarmal angemerkt.

Der Tourismus und auch die Gastronomie leben natürlich von Gästen und von Urlau­bern, egal ob aus dem Inland oder aus dem Ausland. Auf Gäste aus dem Ausland dürfen wir heuer maximal hoffen, rechnen werden wir mit ihnen nicht können; umso wichtiger wird heuer der heimische Tourismus sein. Für einen Urlaub in Österreich wird ja schon viel Werbung gemacht, und laut den letzten Umfragen sind auch viele Österreicherinnen und Österreicher bereit, den Urlaub in der Heimat zu verbringen.

Allerdings bringt in der Situation, in der wir uns derzeit befinden, Werbung alleine nichts. Um aus der Absicht, in Österreich Urlaub zu machen, eine Tatsache werden zu lassen, braucht es Sicherheit, Sicherheit aber nicht nur im Bereich der Ansteckungsgefahr, sondern Sicherheit, sich einen Urlaub überhaupt leisten zu können. Das sagen uns in zahlreichen Gesprächen Kolleginnen und Kollegen in den verschiedensten Betrieben. Wir haben derzeit rund 600 000 Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder waren, und wir haben zusätzlich 1,3 Millionen ArbeitnehmerInnen, die von Kurzarbeit betroffen sind oder waren. Es sind insgesamt knapp 2 Millionen Menschen, die heuer


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weniger Geld zur Verfügung haben. Die Situation entspannt sich aber nicht. Die Zahlen sind momentan rückläufig. Wir haben zig Meldungen, laut denen Unternehmen derzeit die Kurzarbeit beenden und Leute zur Kündigung beim AMS anmelden.

Nicht nur die Arbeitslosen haben viel weniger Geld zur Verfügung, auch Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer, die von Kurzarbeit betroffen sind, haben wesentlich weniger Geld, auch wenn die Nettoersatzrate 80 Prozent beträgt. Wir kommen aus einer Hoch­konjunktur; da sind sehr, sehr viele Überstunden notwendig gewesen und geleistet wor­den, und dieses zusätzliche Geld ist sehr oft in Urlaub investiert worden. Das fehlt heuer, das haben die Leute nicht zur Verfügung. Jetzt zeigt sich, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihr Urlaubsgeld zur Deckung ihres Girokontos hernehmen müssen, weil schon so viel Minus entstanden ist, da die Ausgaben ja nicht weniger geworden sind. Auch jene, die derzeit noch in Vollbeschäftigung sind, wissen nicht, ob sie im Herbst nicht noch von anderen Maßnahmen betroffen sein werden, und überlegen sich gut, ob sie jetzt viel Geld für einen Urlaub ausgeben.

Um heuer den heimischen Tourismus zu unterstützen, braucht es mehr als nur Werbung. Es braucht Anreize und es braucht Unterstützungsmaßnahmen, damit man sich den Ur­laub auch leisten kann. Das können Gastrogutscheine sein, das können Hotelgut­scheine, Freifahrten für Seilbahnen, günstige Zugtickets für die Anreise sein. Da müssen Mittel in die Hand genommen werden, da muss die Bundesregierung Mittel zur Verfü­gung stellen – die Betriebe, die Gastronomiebetriebe, die Hotellerie und so weiter haben diese Mittel nicht. (Beifall des Abg. Leichtfried.)

Das würde Nachfrage im Tourismus und damit auch Arbeitsplätze schaffen. Arbeitsplät­ze zu schaffen ist der beste Weg, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das hat schon zu Beginn des heutigen Tages jemand hier herinnen gesagt.

Viele Ihrer Maßnahmen lassen den Tourismus und die Gastronomie gerade noch über­leben – die Betriebe hängen praktisch am Tropf: am Tropf der Mehrwertsteuersenkung, am Tropf des Fixkostenzuschusses und so weiter –, sie schaffen aber nicht wirklich neue Nachfrage. Gerade die Mehrwertsteuersenkung bringt ja nur denen etwas, die bereits einen Umsatz haben – den muss man im Tourismus aber erst einmal haben, den gibt es ja derzeit nicht.

Was es jetzt braucht, sind Gäste und Urlauber. Dazu müssen wir den Menschen die nötigen Mittel und die Sicherheit geben, dass sie sich den Urlaub in Österreich auch leisten können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer. – Bitte. (Abg. Leichtfried – auf den sich zum Rednerpult begebenden Abg. Obernosterer weisend –: Der Herr Finanzminister in spe! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


19.24.12

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tourismusbericht ist jetzt von allen Vorrednern klar durch­leuchtet worden. Ich glaube, das Jahr 2019 war wirklich das eindeutig beste Tourismus­jahr, das Österreich je gehabt hat, und bis zum 15. März war auch der Winter einer der besten Winter für den Tourismus, den wir in der Geschichte des österreichischen Touris­mus bisher gehabt haben.

Was dann mit 15. März passiert ist, das wissen wir alle: Die Betriebe haben schließen müssen. Ihr könnt mir eines glauben – ich weiß, wovon ich spreche, und die Frau Bun­desministerin hat es auch schon gesagt –: Der Tourismus ist eine derjenigen Branchen, die am stärksten unter der Krise zu leiden haben. Damals, wir können uns noch erinnern,


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ist die Regierung, an der Spitze unser Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Kogler, hier gewesen und hat gesagt, diese Regierung wird alles tun, damit die Betriebe finanziell flüssig bleiben.

Ich habe von jenen Betrieben, die bis zum 15. März ihren finanziellen Verpflichtungen nachgekommen sind, keinen erlebt – und wenn es einen gibt, dann soll er kommen –, der heute nicht flüssig wäre. Es wurden die Pakete geschnürt und auch schnell umge­setzt, wenn auch gewisse Auszahlungen zum Teil noch in der Schleife sind – warum das so ist, wissen wir auch, ich will es jetzt nicht wiederholen.

Wir haben sofort die Steuern stunden können. Damit ist Geld von Einnahmen, die schon da waren, in den Betrieben geblieben. Wir hätten die Steuern für die Monate Jänner, Februar und März am 15. März, am 15. April und am 15. Mai gezahlt – die mussten wir nicht mehr zahlen, die haben wir stunden können, und damit ist das Geld in den Betrie­ben geblieben, damit sie dort weiterarbeiten konnten.

Es ist sofort in die Wege geleitet worden, dass wir die finanziellen Verpflichtungen, sprich die Kredite, aussetzen können – komplett unkompliziert über die Hausbank, über die ÖHT –, wie es auch gebraucht wurde. Dann wurde auch der Überbrückungskredit ins Leben gerufen: zwei Jahre zinsenfrei ohne Bearbeitungsgebühr, verlängerbar aus heuti­ger Sicht auf zehn Jahre mit 0,75 Prozent.

Wenn mir heute noch jemand erzählt, dass mit diesen Maßnahmen ein Unternehmer nicht die Möglichkeit gehabt hat, seinen Betrieb, den er geschlossen hat, aufrechtzuer­halten, dann sage ich ganz ehrlich, kann das kein Unternehmer sein, weil das einfach nicht der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe bei der SPÖ: Super! – Abg. Meinl-Reisinger: Eine wichtige Aussage!)

Ich habe viel mit Südtirolern – so wie auch Sie, Frau Bundesministerin, mit Ihrem Team das gemacht haben –, mit Italienern und mit Deutschen telefoniert, und nur in Bezug auf diese Pakete allein haben die Südtiroler und die Deutschen, die ich auch persönlich kenne, gesagt: Gabriel, wir wären froh, wenn wir von unserer Bundesregierung solche Pakete bekommen hätten! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Damit aber noch nicht genug mit den Maßnahmen, die für den Tourismus gesetzt wur­den. Ihr könnt mir eines glauben: Das, was unsere Frau Bundesminister Köstinger in Form des zweiten Pakets ausgearbeitet hat, hat sogar Neidkomplexe in anderen Be­rufsbranchen hervorgerufen: Die Senkung der Mehrwertsteuer auf die Getränke in der Gastronomie von 20 auf 5 Prozent; wisst ihr, was das in der Praxis heißt? – Für ein Beisl am Eck, das 10 000 Euro Umsatz macht, sind das 1 500 Euro – ohne dass man irgend­wo ansuchen muss oder irgendwohin betteln gehen muss, damit man Geld kriegt; ich rede von einem Betrieb mit 10 000 Euro Umsatz im Monat. Bei all den Gasthäuern am Land draußen, bei denen der Mischsatz zwischen Essen und Trinken so ist, dass der Anteil am Umsatz ungefähr gleich hoch ist, sind es 10 Prozent des Umsatzes, die mehr in der Brieftasche bleiben. Das hat es in dieser Form noch nie gegeben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Ferienhotellerie profitiert ebenfalls – Kollege Schellhorn, das weißt du. Auch die Ferienhotellerie profitiert davon zu 50 Prozent, weil bei einer Halbpension – das weißt du selbst – für den Steuersatz in der Pauschalierung – das haben wir damals gehabt, als die Mehrwertsteuer von 10 auf 13 Prozent gestiegen ist, was letztes Jahr wieder zu­rückgenommen wurde – 50 Prozent auf die Nächtigung gebucht wurden – das wurde mit dem Finanzamt abgeklärt – und 50 Prozent auf die Speisen. Auch die Ferienhotellerie profitiert also davon; vom Getränkeumsatz gar nicht zu reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Alles Weitere, was da aufgrund dieses Pakets noch passiert ist – Investitionsprämie von 7 bis 14 Prozent, wer jetzt wirklich Geld zur Verfügung hat –, möchte ich jetzt wirklich


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nicht noch einmal aufzeigen. Ich sage eines wirklich mit vollem Stolz, ich sage es ganz ehrlich: Ich bin stolz, als Kärntner, einer Regierungspartei anzugehören, die das Paket in dieser Form mitbeschlossen hat. Ich kann jedem Touristiker ganz klar ins Auge schau­en, denn diese Regierung hat das Maximalste getan, damit der Tourismus so gut wie möglich halbwegs aus dieser Krise herauskommt.

Zum Abschluss sage ich jetzt noch etwas: Ich möchte mich wirklich bei allen Fraktionen für diese Diskussion, die heute zum Tourismusbericht hier stattgefunden hat, bedanken. Das war die erste Tourismusdiskussion, die – die Opposition muss kritisieren, für die ist immer alles zu wenig, das ist mir klar; ihr könnt uns nicht loben, das weiß ich auch, und wahrscheinlich könnt ihr auch nicht zustimmen – in der Art und Weise geführt worden ist, dass man gesagt hat, wo überall man noch ein bisschen etwas braucht. Redet mit den Betrieben draußen, sie werden es euch wirklich sagen!

Wenn alles das, wofür wir heute die Beschlüsse fassen, umgesetzt wird, können wir für den Tourismus in eine positive Zukunft schauen. Danke noch einmal für die gute Diskus­sion heute. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.31

19.31.37


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ein Schlusswort wünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ich glaube, ich gehe recht in der Annahme, dass wir keine Sitzungsunterbrechung brau­chen, sondern gleich zur Abstimmung kommen können? – Gut, dann gehe ich so vor.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Tourismusausschusses, den vor­liegenden Bericht betreffend Tourismus in Österreich 2019, III-138 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig so zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ge­rald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Miteinbeziehung der priva­ten Vermieter von Ferienwohnungen im Rahmen des häuslichen Zu- und Nebenerwerbs mit maximal zehn Betten in den Coronavirus-Härtefallfonds“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

19.32.53Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeord­neten Yildirim, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 617/A(E) eine Frist bis 23. Juni 2020 zu setzen.

Wer sich für diese Fristsetzung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

19.33.16Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 701/A(E) bis 729/A(E) eingebracht worden sind.

*****


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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 19.33 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

19.33.42Schluss der Sitzung: 19.33 Uhr

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