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Plenarsitzung

des Nationalrates

Stenographisches Protokoll

 

202. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 1., und Donnerstag, 2. März 2023

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Nationalratssaal


Stenographisches Protokoll

202. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode

Mittwoch, 1., und Donnerstag, 2. März 2023

Dauer der Sitzung

                   Mittwoch, 1. März 2023: 9.05 – 24.00 Uhr

              Donnerstag, 2. März 2023: 0.00 –   0.54 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über das Volksbegehren „Mental Health Jugendvolksbegehren“

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 3135/A(E) der Abgeordneten Fiona Fied­ler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präventionsauftrag im All­gemeinen Sozialversicherungsgesetz

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG)

5. Punkt: Bericht über den Antrag 3095/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 2

6. Punkt: Bericht über den Antrag 3161/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Eli-sabeth Pfurtscheller, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Fokus: Stärkung von älteren Frauen

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1497/A(E) der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung von qualitätsvoller sexueller Bildung und Umsetzung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens

8. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung (3116/A)

9. Punkt: Bericht über den Umsetzungsbericht 2022 zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, vorgelegt von der Bundesministerin für EU und Verfassung

10. Punkt: Bericht über den Bericht betreffend Analyse klimakontraproduktiver Subventionen in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 26. März 2021, E 160-NR/XXVII.GP

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 geändert wird

12. Punkt: Bericht über den Antrag 2580/A der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der CO2­Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022), mit dem das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 3086/A der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Joachim Schnabel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 3

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird

15. Punkt: Bericht über den Antrag 3117/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzlich verpflichtende Wirkungsfolgenabschätzung von Gesetzesvorhaben auf die von Österreich umzusetzenden nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen

16. Punkt: Bericht über den Antrag 3121/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spending Reviews im Bundhaushaltsgesetz verankern

17. Punkt: Bericht über den Antrag 3133/A(E) der Abgeordneten Fiona Fied­ler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spending Review Schulgesundheit

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ......................................................................................................     43

Ordnungsruf ............................................................................................................  313

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3146/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozial­versicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 28. März 2023 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................  131, 580


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 4

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung 12964/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ....................................................  131

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ......................  329

Redner:innen:

Mag. Philipp Schrangl ..............................................................................................  330

Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler .....................................................  336

Johann Singer ...........................................................................................................  337

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................  339

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  341

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................  345

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  347

Antrag des Abgeordneten Mag. Christian Ragger auf Nichtkenntnisnahme der Anfragebeantwortung 12964/AB – Ablehnung ..................................  344, 349

Antrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen, dem Jus­tizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1523/A der Abgeord­neten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesge­setz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 1. Juni 2023 zu setzen – Ablehnung .....  132, 580

Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Bauten und Wohnen zur Berichterstattung über den Antrag 3090/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem zur Linde­rung der Inflationsfolgen bei den Wohnkosten das Mietrechtsgesetz und das Richtwertgesetz geändert werden (3. Mietrechtliches Inflations­linderungsgesetz)“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 3. März 2023 zu setzen – Ablehnung .........................................................................  132, 580

Antrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 293/A der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 5

„ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 (StPO) geändert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 28. März 2023 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................  132, 580

Antrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kolle­gen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3104/A der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz – COVID-19-MG) geän­dert wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 2. März 2023 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................  132, 580

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG .............................................................................................................  133

Antrag der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kolle­gen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur „Untersu­chung der politischen Verantwortung in Zusammenhang mit sämtlichen Corona-Maßnahmen zur tatsächlichen oder vorgeblichen Bekämp­fung der Covid-19-Pandemie im Zeitraum vom 7. Jänner 2020 bis zum 28. Juni 2022“ gemäß § 33 Abs. 1 GOG (5/US) – Zuweisung an den Geschäftsordnungsausschuss ..............................................................  288, 581

Wortmeldung des Abgeordneten August Wöginger im Zusammenhang mit einer Plakataktion des Abgeordneten Mag. Yannick Shetty ............................  475

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung .......................  482

Unterbrechung der Sitzung ....................................................................................  483

Aktuelle Stunde (43.)

Thema: „Der Beitrag der arbeitenden Menschen in Österreich muss sich wieder lohnen – Vollzeitbonus und Entlastung jetzt umsetzen, Herr Arbeitsminister.“ ....................................................................................................     44


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 6

Redner:innen:

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ..........................................................................     44

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ...............................................................     49

August Wöginger .....................................................................................................     52

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .............................................................................     56

Erwin Angerer ..........................................................................................................     59

Mag. Markus Koza ...................................................................................................     62

Mag. Gerald Loacker ...............................................................................................     65

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA .......................................................................     67

Josef Muchitsch .......................................................................................................     70

Peter Wurm ..............................................................................................................     73

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................     76

Mag. Julia Seidl ........................................................................................................     79

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (44.)

Thema: „Grüne Energie und Technologie für einen modernen Industrie­standort Europa“ ....................................................................................................     82

Redner:innen:

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................     82

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................     87

Joachim Schnabel ....................................................................................................     93

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................     96

MEP Mag. Roman Haider ........................................................................................     99

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  102

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  104

MEP Dr. Othmar Karas, MBL-HSG .........................................................................  107

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................  109

Petra Steger .............................................................................................................  111

MEP Dr. Monika Vana .............................................................................................  114

Michael Bernhard ....................................................................................................  117

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................  120


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 7

MEP Theresa Bielowski, BA MA .............................................................................  123

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  125

Michel Reimon, MBA ...............................................................................................  128

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ............................................................................................     43

Rechnungshof

Verlangen gemäß § 99 Abs. 2 GOG im Zusammenhang mit dem An­trag 3239/A betreffend Gebarungsüberprüfung ...............................................  582

Ausschüsse

Zuweisungen ...................................................................................................  130, 581

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Nein zur ORF-Steuer!“ (3170/A)(E) .....................................................  237

Begründung: Christian Hafenecker, MA ...............................................................  242

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................  254

Debatte:

Petra Steger .............................................................................................................  260

Maximilian Köllner, MA (tatsächliche Berichtigung) ...........................................  268

Mag. (FH) Kurt Egger ...............................................................................................  269

Mag. Jörg Leichtfried ...............................................................................................  271

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................  278

Henrike Brandstötter ..............................................................................................  283

Thomas Spalt ...........................................................................................................  289

Maria Großbauer .....................................................................................................  291

Gabriele Heinisch-Hosek .........................................................................................  294


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 8

Hermann Weratschnig, MBA MSc .........................................................................  297

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................  300

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................  307

Hans Stefan Hintner ................................................................................................  314

Maximilian Köllner, MA ...........................................................................................  316

Michel Reimon, MBA ...............................................................................................  318

Dr. Nikolaus Scherak, MA .......................................................................................  321

Mag. Wolfgang Gerstl .............................................................................................  323

Philip Kucher ............................................................................................................  325

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Sportübertragungen sicherstellen“ – Ablehnung ......  265, 329

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein faires Finanzierungsmodell für den ORF“ – Ablehnung ................................................................................  275, 329

Entschließungsantrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Entpolitisierung ORF“ – Ablehnung    305, 329

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt“ gemäß Art. 74
Abs. 1 B-VG – Ablehnung
....................................................................  311, 329

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages (3170/A)(E) ...............  328

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über das Volks­begehren (1630 d.B.) „Mental Health Jugendvolksbegehren“ (1932 d.B.) .....  133

Redner:innen:

Nico Marchetti .........................................................................................................  134


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 9

Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................  136

Mag. Gerald Hauser .................................................................................................  138

Barbara Neßler ........................................................................................................  147

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  149

Bundesminister Johannes Rauch ............................................................................  152

Carina Reiter ............................................................................................................  155

Petra Wimmer ..........................................................................................................  157

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  161

Staatssekretärin Claudia Plakolm ..........................................................................  163

Dr. Josef Smolle ........................................................................................................  166

Christian Oxonitsch .................................................................................................  168

Julia Elisabeth Herr ..................................................................................................  171

Pia Philippa Strache ................................................................................................  172

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung unserer Kinder und Jugend­lichen“ – Ablehnung ..............................................................................  143, 175

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Umsetzung und Präsentation des Nationalen Aktions­plans zur Europäischen Garantie für Kinder“ – Ablehnung .............  159, 175

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1932 d.B. ..........................................  175

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1932 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken“ (304/E) ..............................................................................  175

2. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1899 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird (1935 d.B.) ......................................................................................  176

Redner:innen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 10

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  176

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  179

Mag. Gerhard Kaniak (tatsächliche Berichtigung) ...............................................  182

Dietmar Keck ...........................................................................................................  182

Dr. Josef Smolle ........................................................................................................  184

MMag. Katharina Werner, Bakk. ...........................................................................  185

Annahme des Gesetzentwurfes in 1935 d.B. .....................................................  187

3. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3135/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präventionsauftrag im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (1936 d.B.)      188

Redner:innen:

Ralph Schallmeiner ..................................................................................................  188

Mario Lindner ...........................................................................................................  190

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................  191

Dr. Werner Saxinger, MSc .......................................................................................  196

Fiona Fiedler, Bed ....................................................................................................  198

Philip Kucher ............................................................................................................  200

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Frauengesundheit – Ausbau der Krebs-Früherkennungsprogramme sowie der automatischen Einladun­gen zu Voruntersuchungen“ – Ablehnung .........................................  194, 202

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1936 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Präventionsauftrag im Allgemeinen Sozial­versicherungsgesetz“ (305/E) ...............................................................................  202

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über die Regie­rungsvorlage (1900 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG) (1952 d.B.)     202

Redner:innen:

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................  203

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................  208


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 11

Maximilian Lercher ..................................................................................................  211

Mag. Philipp Schrangl ..............................................................................................  213

Johann Singer ...........................................................................................................  217

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  220

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................  222

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................  225

Mag. Ruth Becher (tatsächliche Berichtigung) .....................................................  227

Mag. Johanna Jachs ................................................................................................  227

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  229

Dr. Harald Troch ......................................................................................................  230

Annahme des Gesetzentwurfes in 1952 d.B. .....................................................  233

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den An­trag 3095/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz geändert wird (1953 d.B.) ......................  234

Redner:innen:

Mag. Nina Tomaselli ................................................................................................  234

Andreas Kollross ......................................................................................................  349

Christian Lausch ......................................................................................................  354

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................  356

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  358

Mag. Ulrike Fischer ..................................................................................................  360

Klaus Köchl ...............................................................................................................  361

Dipl.-Ing. Andrea Holzner ........................................................................................  362

Maximilian Köllner, MA ...........................................................................................  364

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Novellierung des Heizkostengesetzes zu Gunsten der Wärmeabnehmer“ – Ablehnung ...................................................  351, 365

Annahme des Gesetzentwurfes in 1953 d.B. .....................................................  365


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 12

6. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den An­trag 3161/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fokus: Stär­kung von älteren Frauen (1930 d.B.) ...................................................................  366

Redner:innen:

Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................  366

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ..................................................  368, 400

Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................  371

Bedrana Ribo, MA ....................................................................................................  375

Mag. Gerald Loacker ...............................................................................................  378

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .........................................................  382

Mag. Romana Deckenbacher ..................................................................................  387

Mag. Dr. Petra Oberrauner .....................................................................................  389

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ..........................................................................  390

Sabine Schatz ...........................................................................................................  393

Peter Wurm ..............................................................................................................  395

Mag. Meri Disoski ....................................................................................................  397

Entschließungsantrag der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung für ältere Frauen am Arbeits­markt“ – Ablehnung ..............................................................................  373, 402

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollzeitbonus“ – Ablehnung ...................  380, 402

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1930 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Fokus: Stärkung von älteren Frauen“ (306/E) .....  402

7. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den An­trag 1497/A(E) der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung von qualitätsvoller sexueller Bildung und Umset­zung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens (1931 d.B.) ....................  402


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 13

Redner:innen:

Mario Lindner .........................................................................................  403, 420

Nico Marchetti ........................................................................................  408, 421

Mario Lindner (tatsächliche Berichtigung) ...........................................................  409

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  410

Hermann Brückl, MA ...............................................................................................  416

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ............................................................................................  418

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garan­tieren“ – Ablehnung ..............................................................................  405, 422

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversionstherapien stoppen“ – Ablehnung .....  412, 422

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1931 d.B. ..........................................  422

8. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürst­mayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung (3116/A) ..................................................................................................................  423

Redner:innen:

Mag. Hannes Amesbauer, BA .................................................................................  423

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  430

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  432

Ing. Reinhold Einwallner ..........................................................................................  436

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  439

Dr. Stephanie Krisper ..............................................................................................  441

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan“ – Ablehnung ..........................................................  427, 444

Annahme des im Antrag 3116/A enthaltenen Gesetzentwurfes ....................  443


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 14

9. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Umsetzungsbe­richt 2022 zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, vorgelegt von der Bundesministerin für EU und Verfassung (III-880/1950 d.B.) .........................  444

Redner:innen:

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ..........................................................  444

Mag. Martin Engelberg ............................................................................................  448

Mag. Jörg Leichtfried ...............................................................................................  450

Mag. Harald Stefan .................................................................................................  451

Mag. Georg Bürstmayr ............................................................................................  453

Dr. Johannes Margreiter .........................................................................................  454

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................  456

Sabine Schatz ...........................................................................................................  458

Kenntnisnahme des Berichtes III-880 d.B. ..........................................................  461

10. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundes­ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Analyse klimakontraproduktiver Subventionen in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 26. März 2021, E 160-NR/XXVII.GP (III-835/1937 d.B.) ..................................................  461

Redner:innen:

Walter Rauch ...........................................................................................................  462

Cornelia Ecker ..........................................................................................................  465

Peter Schmiedlechner ..............................................................................................  467

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................  469

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................  472

Franz Hörl .................................................................................................................  475

Lukas Hammer .........................................................................................................  478

Michael Bernhard ....................................................................................................  481


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 15

Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „strengere Strafen für Klimakleber“ – Ablehnung (namentliche Abstimmung) ..................................................................  464, 482

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ...........................  484

Kenntnisnahme des Berichtes III-835 d.B. ..........................................................  482

11. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1901 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprü­fungsgesetz 2000 geändert wird (1938 d.B.) .....................................................  486

Redner:innen:

Walter Rauch ...........................................................................................................  486

Dr. Astrid Rössler .....................................................................................................  488

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  491

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................  495

Robert Laimer ..........................................................................................................  497

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................  498

Michael Bernhard ....................................................................................................  501

Ing. Martin Litschauer .............................................................................................  503

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  505

Andreas Kollross ......................................................................................................  507

Martina Diesner-Wais .............................................................................................  512

Nikolaus Prinz ..........................................................................................................  513

Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen“ – Ablehnung ...........................................................  510, 516

Annahme des Gesetzentwurfes in 1938 d.B. .....................................................  516

12. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2580/A der Ab­geordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz zur Abschaffung der CO2­Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022),


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 16

mit dem das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird (1939 d.B.) ..............................................................  516

Redner:innen:

Walter Rauch ...........................................................................................................  517

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ...................................................................................  518

Michael Bernhard ....................................................................................................  521

Joachim Schnabel ....................................................................................................  524

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  525

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1939 d.B. ..........................................  529

13. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3086/A der Ab­geordneten Ing. Martin Litschauer, Joachim Schnabel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschafts­gesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1942 d.B.) ........................................  529

Redner:innen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  530

Tanja Graf ................................................................................................................  532

Alois Schroll ..............................................................................................................  534

Lukas Hammer .........................................................................................................  539

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  542

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................  543

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ..............................................................  545

Ing. Klaus Lindinger, BSc .........................................................................................  547

Annahme des Gesetzentwurfes in 1942 d.B. .....................................................  549

14. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1928 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (1941 d.B.) ......................................................................................  550

Redner:innen:

Dr. Christoph Matznetter ........................................................................................  550


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 17

Christoph Zarits .......................................................................................................  551

Mag. Christian Ragger .............................................................................................  553

Dr. Elisabeth Götze ..................................................................................................  554

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ..................................................................................  555

Mag. Maria Smodics-Neumann ..............................................................................  559

Christoph Stark ........................................................................................................  560

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Mehr Transparenz für die Transpa­renzdatenbank 2.0“ – Ablehnung ........................................................  557, 561

Annahme des Gesetzentwurfes in 1941 d.B. .....................................................  561

15. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3117/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betref­fend gesetzlich verpflichtende Wirkungsfolgenabschätzung von Gesetzes­vorhaben auf die von Österreich umzusetzenden nachhaltigen Entwick­lungsziele der Vereinten Nationen (1943 d.B.) ...................................................  562

Redner:innen:

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................  562

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................  565

Dr. Astrid Rössler .....................................................................................................  566

Henrike Brandstötter ..............................................................................................  568

Angela Baumgartner ...............................................................................................  570

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................  571

Mag. Selma Yildirim .................................................................................................  573

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1943 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „gesetzlich verpflichtende Wirkungsfolgen­abschätzung von Gesetzesvorhaben auf die von Österreich umzusetzenden nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen“ (307/E) ..................  575


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 18

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3121/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Spending Reviews im Bundhaushaltsgesetz verankern (1944 d.B.)     575

17. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3133/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spending Review Schulgesundheit (1945 d.B.) ..................................................  575

Redner:innen:

Ing. Klaus Lindinger, BSc .........................................................................................  576

Eva Maria Holzleitner, BSc ......................................................................................  576

Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA ...................................................................................  578

Mag. Gerald Loacker ...............................................................................................  579

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1944 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Spending Reviews im Bundhaushaltsgesetz verankern“ (308/E) .................................................................................................  580

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1945 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend „Spending Review Schulgesundheit“ (309/E) ........  580

Eingebracht wurden

Bericht .....................................................................................................................  130

III-895: Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds und § 1 Abs. 5 des Bundes­gesetzes über die Errichtung eines Härtefallfonds für Jänner 2023; BM f. Arbeit und Wirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zur ORF-Steuer! (3170/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 19

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pilotversuch 4-Tage-Woche auch in Österreich durchführen (3171/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Meldung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten (3172/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung und Präsenta­tion des Nationalen Aktionsplans zur Europäischen Garantie für Kinder (3173/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung und Präsenta­tion des Nationalen Aktionsplans zur Europäischen Garantie für Kinder (3174/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung der Förderung von Weißklee als Monosaat (3175/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3176/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialver­sicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (3177/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3178/A)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis Drogen-Testarmbänder für Frauen und Jugendliche (3179/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gratis Drogen-Testarmbänder für Frauen und Jugendliche (3180/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 20

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konkreter Verkehrs­plan während der Sanierung der Luegbrücke zur Verhinderung eines Total­chaos (3181/A)(E)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend gegenseitige Anerkennung der Führerscheinklassen B111 (Österreich) und B196 (Deutschland) (3182/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Lehrer­ausbildung (3183/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pensionskassen (3184/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenkatalog zum Stopp der Pensionskürzungen gegenüber den Leistungsberechtigten der Pensionskassen (3185/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Klassifizierung von Insek­ten als neuartige Lebensmittel muss Einhalt geboten werden! (3186/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Klassifizierung von Insek­ten als neuartige Lebensmittel muss Einhalt geboten werden! (3187/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines ambitionierten Zeitplans für die Verknüpfung der Registerdaten (3188/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines ambitionierten Zeitplans für die Verknüpfung der Registerdaten (3189/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 21

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehramtsstudierende als Lehrerinnen und Lehrer (3190/A)(E)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen betreffend Qualitäts­voller Quereinstieg ins Lehramt (3191/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wechsel zwischen eingetragener Partnerschaft und Ehe ermöglichen (3192/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Handelsprivile­gien an Rückführungsabkommen koppeln (3193/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung des Proporz (3194/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neue Gesellschafts­form: Notwendige Reformen für unkompliziertes Gründen! (3195/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Europarechts­widrige Umsetzung der PNR-Richtlinie (3196/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Betriebskindergärten für KMU ermöglichen (3197/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer zentra­len Gedenkstätte für die während des Nationalsozialismus ermordeten Roma und Romnja, Sinti und Sintizze (3198/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Südbahn im Gemeindegebiet Perchtoldsdorf (3199/A)(E)

Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Investment Obligation prü­fen und umsetzen (3200/A)(E)

Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Guide Michelin in Öster­reich (3201/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berufsbild für 24-Stun­den-Betreuung schaffen (3202/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 22

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewaltschutzpaket gegen Homophobie (3203/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Endlich einen Prozess zum ORF mit der Zivilgesellschaft aufsetzen! (3204/A)(E)

Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufrechterhaltung der Sportsanktionen nach einem Jahr Krieg und Verbrechen (3205/A)(E)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung im Rahmen des Schulmilchprogramms (3206/A)(E)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend Pflanzliche Alternative im Schulmilchprogramm (3207/A)(E)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen betreffend Transpa­rente Kennzeichnung von Insekten in Lebensmitteln (3208/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umfassende Aufklärung der Anschläge auf die „Nord Stream“-Pipelines (3209/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtswidrige Strompreise – Mehrkosten sofort zurückzahlen! (3210/A)(E)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stärkung der Frauenge­sundheit – Ausbau der Krebs-Früherkennungsprogramme sowie der auto­matischen Einladungen zu Voruntersuchungen (3211/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau bzw. Adaptierung der Bahnhöfe entlang der Koralmbahnstrecke in Kärnten (3212/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gerechtigkeit im Stromkos­tenzuschussgesetz herstellen! (3213/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 23

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sport-Sponsoring steuerlich absetzen (3214/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sportübertragungen sicher­stellen (3215/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auflösung der Covid-19-Impfbeschaffungsverträge mit dem Pharmakonzern Pfizer (3216/A)(E)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierung im Ge­sundheitssystem vorantreiben (3217/A)(E)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Preise runter oder Geld zurück – Einsetzung einer Anti-Teuerungskommission zur Prüfung der Weitergabe von Hilfszahlungen in Milliardenhöhe an Unternehmen an die Konsumentinnen und Konsumenten (3218/A)(E)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine Kettenver­träge im ORF“ (3219/A)(E)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garantieren (3220/A)(E)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Wiener Zeitung als Tageszeitung (3221/A)(E)

Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eines gesamt­heitlichen Erwachsenenbildungspakets (3222/A)(E)

Tanja Graf, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Energiekostenzuschuss für Unternehmen (Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz – UEZG) geändert wird (3223/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 24

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Shrinkflation – die Abzocke mit den Mogelpackungen geht weiter (3224/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Skimpflation – eine weitere Mogelpackung (3225/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tätigkeitsbericht – Erstanlaufstelle für Betroffene von Zahlungsschwierigkeiten (3226/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuldneratlas 2023 (3227/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Vertrauensstelle vera* (3228/A)(E)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz geändert wird (3229/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klubfinanzierungsgesetz 1985 geändert wird (3230/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsge­setz 1975 geändert wird (3231/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Jörg Leichtfried, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geän­dert wird (3232/A)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung eines Cyberkompetenzzentrums im BKA (3233/A)(E)

Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhaltung des ORF Spartensenders Sport + (3234/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 25

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wie können beschlag­nahmte kriminelle Vermögenswerte sinnvoll genutzt werden? (3235/A)(E)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz (TKG 2021), BGBl. I Nr. 190/2021, zuletzt geändert durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 180/2022, geändert wird (3236/A)

August Wöginger, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird (3237/A)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Ulrike Fischer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auswirkungen von Technologien wie der Chatbot ChatGPT auf das Konsumverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten“ (3238/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen Antrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 99 Abs. 2 GOG auf Geba­rungsüberprüfung durch den Rechnungshof gemäß § 99 Abs. 2 GOG hinsichtlich der Eigenveranlagungen der Österreichischen Nationalbank (OeNB) in den Finanzjahren 2019, 2020, 2021 und 2022 (3239/A)

August Wöginger, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversiche­rungsgesetz geändert wird (3240/A)

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundes­theaterpensionsgesetz und das Bundesbahn-Pensionsgesetz geändert werden (3241/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 26

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Aufweichen von stren­gen EU-Gentechnikgesetzen für die Neue Gentechnik (3242/A)(E)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Aufweichen von stren­gen EU-Gentechnikgesetzen für die Neue Gentechnik (3243/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend kein Aufweichen von strengen EU-Gentechnikgesetzen für die Neue Gentechnik (3244/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimabonus für verurteilte Straftäter inklusive Antragsservice abschaffen (3245/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präventionsauftrag im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) (3246/A)(E)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präventionsauftrag im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) (3247/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Covid-19-Schä­den beheben – Ungerechtigkeiten beseitigen – Rechtsfrieden wiederher­stellen (3248/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Covid-19-Schä­den beheben – Ungerechtigkeiten beseitigen – Rechtsfrieden wiederher­stellen (3249/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arzneimittelver­sorgung und Verordnung zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung (3250/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Klassifizierung von Insekten als neuartige Lebensmittel muss Einhalt geboten werden! (3251/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Freilassung der Journalistinnen und Journalisten in der Türkei“ (3252/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbotsverfah­ren gegen die HDP (3253/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 27

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Klimabonus für verurteilte Straftäter inklusive Antragsservice abschaffen (3254/A)(E)

Andreas Ottenschläger, Lukas Hammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnah­men in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung des Flächenrecyclings, der Biodiversität und zum Schutz der Umwelt im Ausland sowie über das österreichische JI/CDM-Programm für den Klimaschutz (Umweltförderungsgesetz – UFG geändert wird (3255/A)

Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (3256/A)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen (3257/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Bericht der Internen Revision zu Inseraten in ÖVP-Medien (14223/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kampagne zur Bewerbung der jüngsten Steuerreform (14224/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14225/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14226/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 28

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betref­fend Inhalte von Meinungsumfragen (14227/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14228/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14229/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Inhalte von Mei­nungsumfragen (14230/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14231/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Inhalte von Meinungs­umfragen (14232/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Inhalte von Meinungsumfragen (14233/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14234/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend Inhalte von Mei­nungsumfragen (14235/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14236/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Inhalte von Meinungsumfragen (14237/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 29

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend In­halte von Meinungsumfragen (14238/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ und Belohnungen gem. § 19 Gehaltsgesetz der Polizei in Niederösterreich (14239/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ und Belohnungen gem. § 19 Gehaltsgesetz der Polizei in Wien (14240/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ und Belohnungen gem. § 19 Gehaltsgesetz der Polizei in Kärnten (14241/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ für Bedienstete des Bundeskriminalamtes und Beloh­nungen gem. § 19 Gehaltsgesetz (14242/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Verfügung“ für Bedienstete der BMI Zentralstelle (14243/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ der Polizei in Oberösterreich (14244/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 30

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ der Polizei in der Steiermark (14245/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ der Polizei in Tirol (14246/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ der Polizei in Vorarlberg (14247/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ der Polizei in Salzburg (14248/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen im Rahmen der „Leistungsorientierten Vergütung“ der Polizei im Burgenland (14249/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14250/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14251/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Res­sort (14252/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Wie zukunftsfit ist Öster­reich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14253/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 31

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14254/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14255/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14256/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Wie zukunftsfit ist Öster­reich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14257/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14258/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14259/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Wie zukunfts­fit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14260/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14261/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Res­sort (14262/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 32

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Wie zukunftsfit ist Österreich? – Auswirkungen von OpenAl-Tools auf Ihr Ressort (14263/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Regulierung und Kontrolle von unwissenschaftlicher Hagiotherapie (14264/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Erstellung des Entwurfs des Fachhochschulentwicklungs- und Finanzierungsplans 2023/24 – 2025/26 (14265/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Disziplinaranzeigen, Suspendierungen und negati­ve Leistungsfeststellungen (14266/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Legale Fluchtwege für besonders gefährdete Personen aus dem Iran (14267/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Legale Fluchtwege für besonders gefährdete Personen aus dem Iran (14268/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Beleghebammen-Diskriminierung in Niederösterreich (14269/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Bäderhygiene in den öffentlichen und privaten Tiroler Bädern (14270/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Durchquerung des österreichischen Staatsgebiets durch ausländische Militärtransporte (14271/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Datenschutzskandal bei der GIS (14272/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 33

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Durchquerung des österreichischen Staats­gebiets durch ausländische Militärtransporte (14273/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Steuergelder und Uni­versitätsressourcen für Tempolimit-Initiative (14274/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Lücke im Bildungs­angebot des Bezirks Murau (14275/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend durchschnittliche Kosten pro Asylwerber und Tag im Jahr 2022 (14276/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Belohnungen und Leistungsprämien im BMI (14277/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend die Personalsituation im BMLV und die sinkende Zahl an Soldaten (14278/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Vertragsverletzungsverfahren zur Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (2011/93/EU) (14279/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Vertragsverletzungsverfahren zur Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (2011/93/EU) (14280/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Vertragsverletzungsverfahren zur Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (2011/93/EU) (14281/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 34

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Falscher Blinder kassierte illegal 230.000 Euro Sozial­hilfe (14282/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Falscher Blinder kassierte illegal 230.000 Euro Sozial­hilfe (14283/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fal­scher Blinder kassierte illegal 230.000 Euro Sozialhilfe (14284/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Daten zur Familienbeihilfe und anderer Familienleistungen sowie gemäß den EU-Verordnungen 883/2004 für das Jahr 2022 (14285/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Streit um Betreuung einer 96-Jährigen (14286/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Betreuungsskandale im Pflegebereich (14287/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Miss­brauchsverdacht im Pflegeheim (14288/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Betreuungsskandale im Pflegebereich (14289/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend geplanter EU-weiter Legalisie­rung der Leihmutterschaft durch die „Anerkennung der Elternschaft zwischen den Mitgliedstaaten“ (14290/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 35

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend ID Austria ein wei­terer Baustein zur Altersdiskriminierung in Österreich (14291/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kindesmissbrauch im Netz – „Hands on – Hands off“ Kriminalität in Österreich – I (14292/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Kindesmissbrauch im Netz – „Hands on – Hands off“ Kriminalität in Österreich – II (14293/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Flug- und Schifffahrt als Klimasünder und Bodenverschmutzer? (14294/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Flug- und Schifffahrt als Klimasünder und Bodenverschmutzer? (14295/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Fischerschöpfungstag (14296/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft betreffend Fisch­erschöpfungstag (14297/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fisch­erschöpfungstag (14298/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Arbeiterkammern: Verschleierung von Gewinnen und Rücklagen im großen Stil (Folgeanfrage) (14299/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 36

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Rech­nungshofes betreffend Rechnungshof-Anfragen: Selektive Interpretation des Interpellationsrechts (14300/J)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Kon­trolle der Maßnahmen gegen den illegalen Welpenhandel (14301/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ausstellung des Behindertenpasses (14302/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Vorarlberg) (14303/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Burgenland) (14304/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Wien) (14305/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Tirol) (14306/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Steiermark) (14307/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 37

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Niederösterreich) (14308/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Oberösterreich) (14309/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Kärnten) (14310/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pensions- bzw. Pflegegeldbezug bei Todesfall (Salzburg) (14311/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreu­ungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Vorarlberg (14312/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreu­ungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Tirol (14313/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreu­ungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Burgenland (14314/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreu­ungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Kärnten (14315/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 38

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreuungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Oberösterreich (14316/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreuungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Niederösterreich (14317/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreuungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Salzburg (14318/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreu­ungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Wien (14319/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betreuungsskandale im Pflegebereich im Bundesland Steiermark (14320/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Vorarlberg (14321/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Tirol (14322/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Wien (14323/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Niederösterreich (14324/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Kärnten (14325/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Burgenland (14326/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Steiermark (14327/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Salzburg (14328/J)

Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminaldienstreform Oberösterreich (14329/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 39

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Angeb­lich erhöhte Förderung zur 24-Stunden-Betreuung ist Taschenspielertrick des Sozialministers (14330/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend Angeblich erhöhte Förderung zur 24-Stunden-Betreuung ist Taschenspielertrick des Sozialministers (14331/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend 24-Stunden-Betreuung: vidaflex sieht Erhöhung der Förderung mit gemischten Gefühlen (14332/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft betreffend 24-Stunden-Betreuung: vidaflex sieht Erhöhung der Förderung mit gemischten Gefühlen (14333/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend 24-Stunden-Betreuung: vidaflex sieht Erhöhung der Förderung mit gemischten Gefüh­len (14334/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Neue Sicherheitsvereinbarung zwischen Land Steier­mark und Bundesministerium für Inneres (14335/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Menschen mit Behinderung oft diskriminiert (14336/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Geldgeber der „Klimakleber“ (14337/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 40

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Geldgeber der „Klimakleber“ (14338/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Geldgeber der „Klimakleber“ (14339/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Kostenersatz bei Freispruch bzw. Einstellung des Ermitt­lungsverfahrens (14340/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Fälschung von Behindertenpässen (14341/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fälschung von Behindertenpässen (14342/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fälschung von Behindertenpässen (14343/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Vergabe des Umweltbundesamts für Events (14344/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Heim­opferrente: Wie gewonnen, so zerronnen? (14345/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Religionsunterricht für SkilehrerInnen (14346/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aufträge iZm Veranstaltungen 2021 und 2022 (14347/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien betreffend Aufträge iZm Veranstaltungen 2021 und 2022 (14348/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 41

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend EU-Sondergipfel: Was tun Sie für eine europäische Asylpolitik? (14349/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend EU-Sondergipfel: Was tun Sie für eine europäische Asylpolitik? (14350/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Ermittlungen zu Luxor wurden zu Rechtsstaatsdebakel (14351/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Fi­nanzen betreffend Verordnungen zur Umsetzung der Sanktionen (14352/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Folgeanfrage Zentral­matura Zahlen, Kosten und Vergleichbarkeit (14353/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend EU-Sondergipfel: Was tun Sie für eine europäi­sche Asylpolitik? (14354/J)

Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Erstattungskodex der Sozialversicherungen (Folgeanfrage) (14355/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Warum dauern die Asylverfahren von Syrer:innen so lange? (14356/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaft, Abschiebungen, Dublin- und Aberken­nungsverfahren im Jahr 2022 (14357/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 42

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Renovierung der UNO City (14358/J)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Tierärztemangel im Nutztierbereich – VetmedRegio und VetINNsights – Ausbildungsreform? (14359/J)

MMag. Katharina Werner, Bakk., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Finanzen betreffend Statistik und Entwicklung der Artenschutzauf­griffe und Strafzahlungen (14360/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ein Jahr Förderung für einkommensschwache Haushalte beim Heizkessel­tausch (14361/J)

*****

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend Aufträge iZm Veranstaltungen 2021 und 2022 (67/JPR)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolle­ginnen und Kollegen (13089/AB zu 13635/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Tanzler, Kolleginnen und Kollegen (58/ABPR zu 60/JPR)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 43

09.05.22Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritter Präsident Ing. Norbert Hofer.

09.05.23*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf Sie recht herzlich zur 202. Sitzung des National­rates begrüßen. Ich grüße die Damen und Herren auf den Rängen – die Besu­chergalerie ist ja wieder vollumfänglich geöffnet –, auch die Journalistin­nen, Journalisten und Medienvertreter: Herzlich willkommen! Auch die Gäste, die uns zu Hause via Bildschirm folgen, seien herzlich begrüßt.

Die Sitzung ist eröffnet.

Die Amtlichen Protokolle der 200. und der 201. Sitzung vom 24. Februar 2023 sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Katharina Kucharowits, Dr. Susanne Fürst, Michael Schnedlitz, Heike Grebien und Dipl.-Ing. Olga Voglauer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc wird durch Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler vertreten, Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M. durch Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc.

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 44

Ich darf bekannt geben, dass ORF 2 die Sitzung wie üblich bis 13 Uhr überträgt, dann wird die Sitzung bis 19.20 Uhr auf ORF III und anschließend kommen­tiert in der TVthek übertragen.

09.06.34Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen damit gleich zur Aktuellen Stunde mit dem Thema

„Der Beitrag der arbeitenden Menschen in Österreich muss sich wieder lohnen – Vollzeitbonus und Entlastung jetzt umsetzen, Herr Arbeitsminister.“

Ich darf Herrn Minister Martin Kocher recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. Herzlich willkommen!

Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger gelangt zu Wort. Sie weiß, dass ihr 10 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. – Bitte, Frau Klubobfrau.


9.06.53

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Einen wunderschönen guten Morgen! In einer Zeit so vieler Krisen muss unser Anspruch sein, mit allen Bestrebungen dafür Sorge zu tragen, Österreich wieder an die Spitze zu bringen – vor allem wirtschaftlich –, dass der Wohlstand und damit auch unser Sozialsystem, auf das wir zu Recht stolz sind, für die Zukunft gesichert sind. Ich bin überzeugt davon, dass das nur funktioniert, wenn wir alle zusammenarbeiten, wenn jeder und jede, der oder die kann, auch einen Beitrag leistet und in dieser Zeit die Ärmel hochkrempelt und zusammensteht.

Wir brauchen aber gerade jetzt den Blick für die arbeitenden Menschen, die die­sen Beitrag leisten, die täglich aufstehen und ihre Arbeit erbringen, die viel­leicht sogar sagen: Ach, was die Politik da macht! Ich weiß schon, was zu tun ist, ich habe das schon oft erlebt. Ich strenge mich jetzt an, ich arbeite mehr.


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Es wird schon irgendwie gehen, dass wir durch diese Krise kommen. – Ich habe aber den Eindruck, dass genau diese arbeitenden Menschen in den letzten Jahren durch das Krisenmanagement dieser Bundesregierung völlig im Stich ge­lassen worden sind.

Die Bundesregierung, ÖVP und Grüne, hat vor drei Jahren, zu Beginn der Coronapandemie, eine Losung ausgegeben, die geheißen hat: „Koste es, was es wolle“. Dieses „Koste es, was es wolle“ ist nicht nur sehr teuer – jeder Steu­erzahler weiß, dass die Förderungen von heute die Steuererhöhungen von mor­gen sind und es wenig Sinn hat, dass wir einander die Stromrechnung sub­ventionieren –, es ist auch absolut nicht treffsicher. Sie gehen mit der Gießkanne durchs Land, bewerfen alle Probleme, die Sie sehen, mit Geld – aber was ist der Effekt davon? Glauben deshalb die Menschen mehr daran, dass sie sich durch ihr eigenes Arbeitseinkommen, durch ihre Leistung etwas aufbauen können? – Nein, überhaupt nicht! Wir sehen das in allen Untersuchungen, dass gerade die Mitte sehr stark unter Druck ist. Und dieser Glaube daran, auch in einem Generationenvertrag, der Österreich starkgemacht hat, dass man sich etwas durch eigene Arbeit, durch eigene Leistung aufbauen kann, vielleicht ein bescheidenes Vermögen auch für die eigenen Kinder erarbeiten kann, geht immer weiter verloren.

Das Resultat dieser Gießkannenpolitik ist auch eine dahingaloppierende Infla­tion. In Österreich werden die Preise für das tagtägliche Leben schneller höher als im Rest Europas. Es gab im Jänner in Österreich eine Inflationsrate von 11,2 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 70 Jahren. Schauen wir auf den Wert beispielsweise im Euroraum: Dort haben wir eine Inflation von etwa 8,6 Prozent.

Es gibt manche, die sagen: Na ja, das sind natürlich die Energiepreise in Österreich! Dass auch diese nicht hausgemacht sind, wissen wir, sie fußen auf falschen politischen Entscheidungen in der Vergangenheit, von ÖVP und vor allem SPÖ, aber auch FPÖ, Stichwort: Abhängigkeit von russischem Gas.


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Selbst wenn man die Energiepreise außen vor lässt und sich sozusagen die Kerninflation anschaut, sieht man, dass diese in Österreich deutlich höher liegt als im Euroraum. Die Bundesregierung zieht – so funktioniert die Gießkanne – den Steuerzahlern das Steuergeld auf der einen Seite aus der Tasche und gibt es ihnen auf der anderen Seite gnädigst in Form von Förderungen zurück, wofür man hübsch dankbar sein muss. Das befeuert die Inflation, und zwar in einem ungeheuren Ausmaß. Ein viertel Kilogramm Butter ist in Österreich um 25 Prozent teurer als in Deutschland. Das ist das Ergebnis Ihrer völlig verfehlten Krisenmanagementpolitik! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Angerer.)

Jeder weiß, dass man gerade in solch einer Zeit der Teuerung – die Mieten werden teurer, die Stromrechnung droht, die Gasrechnung droht, beim täglichen Einkauf merke ich an der Kassa, dass die Rechnung deutlich höher ist als in den Jahren zuvor – jeden Cent, jeden Euro zweimal umdrehen muss. Sorgt der Staat dafür, dass den Menschen mehr bleibt? – Ich weiß schon, Sie haben die kalte Progression teilweise abgeschafft, aber bitte verbreiten Sie da keine Märchen, das ist ein Verzicht auf eine weitere Steuererhöhung.

Die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit, auf Löhne und Einkommen, ist in Österreich so hoch wie in kaum einem anderen Land. Wenn Sie arbeiten gehen, dann kommt der Staat und nimmt Ihnen – aufgrund von Steuern und Abga­ben in Höhe von 48 Prozent – von dem, was Sie verdient haben, 48 Prozent ein­fach so weg und verteilt das dann in einem intransparenten, bürokratischen und bisweilen sogar strukturell korrupten Umverteilungsapparat um. Aber wie gesagt, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, dafür müssen Sie hübsch dankbar sein. (Beifall bei den NEOS.)

Mit diesen 48 Prozent hat Österreich den dritthöchsten Wert der OECD-Länder, was die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeitseinkommen betrifft – den dritthöchsten Wert! In Italien werden weniger Steuern gezahlt, in Frankreich werden weniger Steuern gezahlt, in Spanien werden weniger Steuern gezahlt, in


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Ungarn werden weniger Steuern gezahlt, in Finnland werden weniger Steu­ern gezahlt, in Österreich aber muss man 48 Prozent abgeben. (Abg. Lukas Ham­mer: Wo ist die Lebensqualität am höchsten? Wollen Sie uns mit Ungarn ver­gleichen?!)

Sie, Herr Wirtschaftsminister, haben jetzt eine Teilzeitdebatte vom Zaun gebro­chen. Das ist grundsätzlich richtig, weil man in einer Zeit, in der Arbeits­kräfte fehlen, auch darüber reden können muss. Ich glaube aber, so wie Sie das gemacht haben, war es grundlegend falsch. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf Teilzeit arbeitende Menschen zu zeigen und sich zu überlegen, dass man die bestraft. Man sollte sich eher die Frage stellen – und das ist für uns NEOS der Ansporn –: Warum lohnt es sich eigentlich nicht mehr, in Öster­reich Vollzeit zu arbeiten?

Wir haben uns das angeschaut: Nehmen wir einen Herr Müller her. Herr Müller hat im Jahr 1975, er war – das war ja durchaus üblich – in der Familie Allein­verdiener, er hat gut verdient, er war damals in der Höchstbeitragsgrundlage. Er hat also durchaus sehr gut verdient, er hat einen Kredit aufnehmen können, er hat auch etwas ansparen können und sich so eine Wohnung, ein Eigenheim kaufen können.

Nimmt man dieses Niveau der Abgabenbelastung – natürlich inklusive Lohn­steuer, Sozialversicherungsbeiträge und so weiter – des Herrn Müller aus dem Jahr 1975 her und vergleicht man das anhand einer Person, das ist Herr Meier, die heute über der Höchstbemessungsgrundlage ist, so zeigt sich, dass Herr Müller im Vergleich zu Herrn Meier 15 000 Euro weniger an Steuern gezahlt hat. Oder anders gesagt: Wenn die Steuerbelastung so wäre wie 1975, würden jedem, der über der Höchstbemessungsgrundlage ist, heuer 15 000 Euro mehr netto übrig bleiben. (Beifall bei den NEOS.) 15 000 Euro pro Jahr! Damit ist ein Kredit in Höhe von 300 000 Euro mit einer Laufzeit von 20 Jahren durchaus möglich. Es ist ja kein Wunder, dass die Menschen sagen: Ich kann mir mit meiner eigenen Leistung nichts mehr aufbauen, weil sich das nicht auszahlt!


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Zur Teilzeitdebatte: Sie wollen Teilzeit arbeitende Menschen bestrafen. Wir halten das für den falschen Ansatz, zumal davon auch Frauen betroffen sind, die gar nicht anders können. Was wäre zu tun? – Vollzeitarbeit muss belohnt werden. Deshalb werden wir heute einen Antrag für einen Vollzeitbonus einbrin­gen. Das ist eine steuerliche Gutschrift im Ausmaß von 100 Euro pro Monat für alle, die Vollzeit arbeiten. Das sind 1 200 Euro pro Jahr. (Abg. Disoski: Gießkanne! – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Das ist ein Beitrag dazu, dass die enorme Steuer- und Abgabenlast in Österreich gesenkt wird.

Was braucht es noch? (Abg. Disoski: Wie finanzieren Sie das?) – Das ist keine Gießkanne, es geht ja um die eigenen Steuern, das sind ja keine Förderun­gen. Wissen Sie, wir sind ja nicht die Grünen, die gerade jetzt eine Förderung für Elektrofalträder auflegen. Der Arbeiter in einem Industriebetrieb, der Hackler kann also jetzt für den Bobo im 7. Bezirk, der die Grünen wählt, das Elektrofalt­rad zahlen. (Beifall bei den NEOS.) Danke vielmals! Das ist Umverteilungs­politik von unten nach oben, liebe Grüne!

Die Frage ist ja, warum viele nicht mehr Vollzeit arbeiten können. Da müssen wir natürlich auf die Frauen, auf die Mütter schauen. In einem reichen Land wie Österreich muss ich doch auch die Frage stellen: Was bekomme ich für mein Geld? Was bekomme ich für mein Geld in einem Hochsteuerland? Bekomme ich flächendeckende Kinderbetreuung? Bekomme ich verlässlich das bes­te Bildungssystem oder müssen die Eltern weiterhin mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr für private Nachhilfe ausgeben? Müssen Mütter und Väter mehr als 180 Euro pro Monat für einen Hortplatz ausgeben?

Gute Politik investiert gerade jetzt, gerade in solch einer Krise, in flächende­ckende, ganzjährige, ganztägige hochqualitative und am besten kosten­lose Kinderbetreuung mit einem Rechtsanspruch ab dem ersten Geburtstag. (Beifall bei den NEOS.) So lassen wir keine Frau zurück, so lassen wir keine Familie zurück, so lassen wir kein Kind zurück, damit ermöglichen wir auch den Kin­dern alle Chancen.


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Es geht darum, dass die arbeitenden Menschen wieder das Gefühl haben müssen, eine Regierung zu haben, einen Staat zu haben, der sagt: Ich wertschätze das, was du machst! Ich lasse dir auch genug, dass du dir mit deiner eigenen Leistung etwas aufbauen kannst! Ich verspreche dir, dass ich dafür sorge, dass du die besten Leistungen des Staates bekommst und wir nie­manden – niemanden! – zurücklassen! – Es ist nämlich eine Schande, dass in einem reichen Land wie Österreich 36 Prozent der Einelternhaushalte – davon sind meistens alleinerziehende Frauen betroffen – armutsgefährdet sind. Das ist auch ein Ergebnis Ihrer Gießkannenpolitik. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

9.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Kocher. – Bitte sehr.


9.16.54

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehr­ter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Abgeordnete! Vielen Dank für diese Gelegenheit, über ein Thema sprechen zu können, das aus meiner Sicht für die Zukunft Österreichs tatsächlich sehr entscheidend ist.

Wir konnten in den letzten 20 Jahren jedes Jahr etwa 50 000 zusätzliche Beschäftigte, unselbstständig Beschäftigte, am österreichischen Arbeitsmarkt verzeichnen. Das waren zum Großteil auch Teilzeitbeschäftigte. Das war ein Erfolgsmodell. Es hat Menschen auf den Arbeitsmarkt gebracht, es hat Wohlstand gebracht und es hat dazu geführt, dass wir ein Sozialsystem absichern konnten, das in der Welt seinesgleichen sucht. – Das ist also die Aus­gangslage.

Teilzeit ist tatsächlich, auch das ist wichtig – aufgrund der medialen Verkürzung kommt das oft nicht vor –, sehr vielfältig. Es gibt natürlich viele Teilzeitbe­schäftigte, die Betreuungspflichten haben, zum Beispiel Kinderbetreuungspflich­ten, die auch keine Möglichkeit haben, eine Vollzeitbeschäftigung aufzuneh­men. Es gibt Teilzeitbeschäftigte, die immer noch kein Angebot bekommen, eine


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Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen – und das in verschiedenen Branchen. Es gibt also Teilzeitbeschäftigte – und von denen habe ich nie gesprochen –, für die es gar nicht die Möglichkeit gibt, mehr Stunden zu arbeiten. Es gibt Teilzeit­beschäftigte, die zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie nebenbei eine Ausbildung absolvieren in Teilzeit beschäftigt sind.

Dann gibt es ungefähr ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten, die das aus nicht klar nachvollziehbaren Gründen machen, freiwillig, weil sie nicht Vollzeit arbei­ten müssen, weil sie vielleicht auch im Moment nicht anders wollen, die sich also weitgehend freiwillig für Teilzeit entschieden haben – auch das ist nichts Schlechtes. Wie gesagt, in den letzten Jahrzehnten hat das dazu geführt, dass in Österreich Wohlstand entstanden ist.

Warum ist die Diskussion jetzt entscheidend und wichtig für die Zukunft? – Wir werden in den nächsten 20 Jahren weniger Erwerbstätige in Österreich haben oder zumindest ein konstantes Niveau an Erwerbstätigen. Die demografi­sche Entwicklung bringt uns in den nächsten Jahren eine Pensionierungs­welle, und dadurch wird der Zuwachs an Beschäftigten entweder zurückgehen oder konstant bleiben, vielleicht leicht steigen, aber sicher nicht mehr so dynamisch wie in den letzten zehn bis 20 Jahren sein.

Ich möchte jetzt nicht die Kassandra spielen, aber wie gesagt, dieser Zuwachs an Beschäftigten hat Österreich Wohlstand gebracht und hat vor allem unsere sozialen Systeme gesichert. Wenn wir das weiter wollen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir es in den verschiedenen Bereichen schaffen, Menschen die Möglichkeit zu geben und es für sie attraktiv zu machen, dass sie mehr ar­beiten, dass sie überhaupt arbeiten können, dass sie länger im Berufs­leben stehen und so weiter.

Es geht darum, dass wir mit den Maßnahmen, die wir in Zukunft setzen – seien es steuerliche Maßnahmen, Maßnahmen im Bereich Leistungen oder Maß­nahmen in den Bereichen Infrastruktur, Kinderbetreuung –, in Bezug auf den Ar­beitsmarkt möglichst viele Potenziale heben und auch schaffen.


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Da geht es mir jetzt gar nicht so sehr um die Wirtschaft, das Wirtschaftswachs­tum und die Unternehmen; es geht um den Wohlstand, den wir gemeinsam in Österreich haben, und es geht um die sozialen Systeme, die in Österreich vor allem auf Beitragseinnahmen und eben nicht auf Steuern beruhen. Die Bei­tragseinnahmen hängen von den Beschäftigten ab, und wenn wir das weiter wol­len, dann ist es wichtig, dass es attraktiv ist, zu arbeiten, und dass es vor allem möglich ist, zu arbeiten. Die Frau Klubobfrau hat auch das Leistungsversprechen, das es gibt, angesprochen: Wenn man arbeitet, kann man sich etwas leisten. – Es ist wichtig, dass das aufrecht bleibt. Das ist keine alleinige Aufgabe des Arbeits- und Wirtschaftsministers, es ist auch eine Aufgabe der Gesund­heitspolitik und der Bildungspolitik. Es bedarf vieler Maßnahmen, damit wir dieses Ziel erreichen können.

Ich möchte noch einmal etwas zu meiner Aussage sagen und möchte widerspre­chen: Ich habe nie von Bestrafung gesprochen, es wurde auch medial sehr verkürzt dargestellt. Es geht nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen. Es geht darum, dass wir es schaffen, Arbeit möglich und attraktiv zu ma­chen, und zwar für alle, die das wollen. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, in der nächsten Zeit eine faktenorientierte Diskussion über diesen Themenkomplex zu führen.

Warum ist das wichtig? – Vielleicht ganz kurz eine aktuelle Zahl, die das bestätigt: Wir haben jetzt, Ende Februar – das sind die ganz aktuellen Zahlen –, 3,923 Millionen Beschäftigte in Österreich. Das ist ein Rekordwert für Ende Februar. Gleichzeitig ist die Zahl der offenen Stellen von Ende Jänner bis Ende Februar von 107 000 auf gut 111 000 gestiegen – in einer Zeit, in der die Wirtschaft lahmt, in der die Konjunktur nicht gut ist. Das ist ein Vorbote dessen, was wir aufgrund einer demografischen Entwicklung, die auch nicht mehr so rasch umgedreht werden kann, in den nächsten Jahren erleben werden.

Auch die Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten. Nicht nur die Politik ist ge­fordert, sondern auch die Unternehmen. Es gibt Unternehmen, die keine


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Vollzeitstellen anbieten. Manchmal machen sie das, weil sie bei Teilzeitausschrei­bungen mehr Bewerbungen bekommen, aber es gibt sicher auch noch Unter­nehmen, die nur Teilzeitstellen anbieten. Das muss sich ändern. Die Sozialpart­ner müssen über Kollektivvertragslösungen auch Beiträge leisten. Ich bin über jeden Beitrag froh, und ich denke, es ist wichtig, über diese Beiträge zu dis­kutieren.

Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde auch die Idee, dass jemand mehr be­kommt, wenn er mehr arbeitet, gut. Vom Vollzeitbonus bin ich jetzt noch nicht ganz überzeugt. Überschlagen wir es kurz: Die 100 Euro pro Monat würden Kosten von 4 Milliarden Euro ergeben. (Abg. Meinl-Reisinger: 1,8!) Wenn man dann gleichzeitig auch die Steuern senken möchte, weiß ich nicht, wie man das zustande bringen kann, aber ich bin bereit, über alles zu diskutieren. Ich glaube, es ist unser gemeinsames Ziel und Anliegen, dass wir es schaffen, Österreich als Land mit hohem Wohlstand und hohem sozialen Standard aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dafür ist die Arbeitsmarktpolitik aufgrund der demografischen Entwicklung ein zentraler Schlüssel – aber eben nicht nur, es geht wie gesagt zum Beispiel auch um Gesundheitspolitik und Bildungspolitik. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Wöginger. – Bitte sehr.


9.23.22

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit den Daten und Fakten beginnen: Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 15 Jahren. Wir haben einen Höchststand an Beschäftigung, fast 4 Millionen Menschen sind unselbstständig erwerbstätig. Wir haben 294 000 Arbeitslose, davon haben gut 50 000 eine Wiedereinstellungszusage, das sind diejenigen, die derzeit


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aufgrund der Jahreszeit beziehungsweise aufgrund der Situation in man­chen Branchen nicht arbeiten können. Wir haben 111 000 offene Stellen, der Herr Minister hat es erwähnt.

Was ich eingangs schon sagen möchte, weil auch die Inflation im Vergleich zu anderen Ländern angesprochen wurde: Also ich möchte das nicht verglei­chen. Das sind zwar Länder, die auch einen guten Standard haben, aber in Öster­reich herrscht sicher ein höherer Lebensstandard als in Spanien, in südost­europäischen Ländern oder in unserem Nachbarland Ungarn. (Abg. Loa­cker: Schweiz! – Abg. Meinl-Reisinger: Schweden, Dänemark, Finnland, Deutsch­land! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben sicher einen höhe­ren Lebensstandard. Wir haben im vergangenen Jahr 5 Prozent Wachstum gehabt, wir haben Rekordbeschäftigung. Die Situation in unserem Land ist also gut und nicht so, wie sie da dargestellt und mit anderen verglichen wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Also seid dankbar, dass ihr ... Steuern zahlt!)

Was wir haben, ist ein akuter Arbeitskräftemangel. Das weist auch darauf hin, dass die Wirtschaft gut unterwegs ist. Überall, wo man hinkommt, in jedem Betrieb werden Arbeitskräfte gesucht, und zwar in allen Himmelsrichtungen. Es ist nicht nur ein Fachkräftemangel, es ist ein Arbeitskräftemangel, was wir da haben.

Zur Teilzeit möchte ich Folgendes sagen: Ich war sieben Jahre lang Betriebsratsobmann. Es wurden Stellen über Jahrzehnte nur in Teilzeit aus­geschrieben, und viele Menschen haben sich auch bewusst für diese Teilzeitar­beit entschieden. (Ruf bei der SPÖ: Kinderbetreuung ausbauen!) – Ja, dort, wo es  Betreuungspflichten gibt, muss man Rücksicht nehmen, ja, man muss die Kinderbetreuung ausbauen, das ist keine Frage – das ist eine Aufgabe von Gemeinden, Ländern und dem Bund gemeinsam, je nachdem, wo die Zuständig­keiten liegen –, aber es gibt viele Menschen, die sich bewusst für eine Teil­zeitbeschäftigung entschieden haben. Ich kann das als langjähriger Betriebsrats-


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obmann sagen: Gerade im Bereich von Gesundheit und Pflege gibt es Zig­tausende – vor allem – Mitarbeiterinnen, die sich bewusst für Teilzeitarbeit ent­schieden haben. Die Wahlfreiheit werden wir den Menschen wohl noch geben können. Sie entscheiden ganz bewusst, wie sie arbeiten wollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Und ihr wollt sie bewusst benachteiligen!)

Worauf wir hinweisen müssen, ist, was das für Nachteile mit sich bringt. Teilzeit ist auch eine Pensionsfalle, denn wenn man nur die Hälfte oder einen Teil für die Pension einzahlt, dann bekommt man natürlich am Ende des Tages auch weniger Pension heraus. Das ist etwas, worauf man hinweisen muss, auch seitens der Politik und auch seitens jener, die in der Sozialversicherung diesbe­züglich tätig sind.

Ich möchte aber schon auch ein Argument dafür bringen, dass es sich nach wie vor auszahlt, Vollzeit zu arbeiten. Ja, es ist richtig, wenn man mehr ver­dient, zahlt man höhere Steuern und Abgaben. Wir haben die Steuern aber mas­siv gesenkt. Wir haben den Eingangssteuersatz von 25 auf 20 Prozent, den Steuersatz der zweiten Stufe von 35 auf 30 Prozent und jenen der dritten Stufe von 42 auf 40 Prozent gesenkt und wir haben die kalte Progression abgeschafft – zur Gänze: zwei Drittel im Tarif, und das letzte Drittel ist heuer auch im Tarif angepasst. Wir haben die kalte Progression also vollständig abgeschafft. Das kommt bei den Menschen an, meine Damen und Herren, und das spüren sie auch. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein Beispiel: Wenn jemand, der ein Kind hat, 3 000 Euro brutto verdient – Vollzeit –, dann hat er ein Jahresnetto von 32 000 Euro – die Steuer­entlastungsmaßnahmen inklusive der Abschaffung der kalten Progression und natürlich auch des Familienbonus eingepreist. Das ist auch ein Ansatz, um zu erreichen, dass die Menschen wieder Ja zum Kind sagen, dass wir wieder Menschen dazu bewegen, sich für Kinder zu entscheiden. Das ist eigentlich die Grundlage dafür, dass unser gesamtes System funktioniert. (Abg. Meinl-Rei­singer: Da müsst ihr die Kinderbetreuung auch ausbauen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


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Nur wenn wir die Menschen wieder dazu bewegen können, dass sich auch die Nachkommenschaft so gestaltet, dass wieder jemand einzahlt und auch in die Arbeit geht, wird unser System auch weiter funktionieren. Der Familienbo­nus ist eine Erfolgsgeschichte. 2 000 Euro netto pro Jahr pro Kind: Wo gibt es das auf der Welt, meine Damen und Herren? (Beifall bei der ÖVP.)

Mit diesen 3 000 Euro hat man mit einem Kind – alle Entlastungsmaßnahmen eingerechnet – ein Jahresnetto von 32 000 Euro. Mit 1 500 Euro, also wenn man die Hälfte arbeitet, 20 Stunden, hat man ein Jahresnetto von 17 700 Euro. Also es ist netto nicht ganz das Doppelte, aber man hat deutlich – über 80 Pro­zent – mehr. (Abg. Steinacker: Stimmt!)

Frau Kollegin Meinl-Reisinger, wir können gerne über weitere Entlastungsmaß­nahmen reden, aber ich würde einmal sagen, es hat keine Regierung in den letzten 20 Jahren gegeben, die derart viel an Entlastung beschlossen hat wie diese Bundesregierung. Das möchte ich schon auch festhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Aber auch noch nie so viele Belastungen! Schulden! – Abg. Scherak: Das ist nach mehr als 30 Jah­ren ÖVP-Regierung auch notwendig!)

Was wir den Menschen hinsichtlich Pensionen auch sagen müssen, ist: Wenn man länger arbeitet, erhält man deutlich mehr Pension. Das ist wichtig. Man muss es einfach auch dazusagen: Wenn man länger arbeitet, bekommt man deutlich mehr Pension. Wenn man zum Beispiel statt mit 62 Jahren erst mit 63 Jahren in die Korridorpension geht, bekommt man zwischen 150 und 200 Euro mehr Pension pro Monat. Das sind die Dinge, die wir sagen müssen. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Herr Präsident, letzter Satz, zur Viertagewoche: Die Kollektivvertragspartner haben es in der Hand. Es gibt die volle Flexibilität. Wir haben viele Kol­lektivverträge, im Rahmen derer unter 38,5 Stunden gearbeitet wird. Man braucht es nur zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 56

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubobfrau Rendi-Wagner. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


9.29.20

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Inflation ist aktuell wieder auf einen Rekordwert von 11,2 Prozent gestiegen. Was ma­chen Sie als Bundesregierung? – Sie streiten. (Ruf bei den Grünen: Oje!) Sie strei­ten wochenlang über eine längst überfällige Mietpreisbremse, die wir Sozial­demokratinnen und Sozialdemokraten seit mehr als einem Jahr für alle Mieterin­nen und Mieter fordern. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Ein kritischer Diskurs ist nicht von vornherein ein Streit!)

Genau wegen dieser Uneinigkeit, wegen dieses Koalitionsstreites, ist die nächste Mieterhöhung mit 1. April für Hunderttausende Mieterinnen und Mieter fix (Abg. Hörl: Wer streitet? Die SPÖ! – Ruf bei der ÖVP: Was macht Wiener Wohnen? – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), mehr als 8 Prozent mehr Miete, zusätzlich zu all dem, was sonst in den letzten zwölf Monaten für die Menschen gestiegen ist. (Abg. Loacker: Es geht in der Aktuellen Stunde gerade nicht um die Miete!)

Sehr geehrte Bundesregierung (Abg. Leichtfried: Der Herr Oberlehrer ...!), Sie ver­wehren sich seit Monaten gegen jeden Vorschlag (Zwischenruf bei der FPÖ), gegen alle Vorschläge der Opposition, um die Preise, um die Inflation nachhaltig, nicht nur einmalig oder zweimalig, in den Griff zu bekommen. (Abg. Bela­kowitsch: Ich gehe davon aus, der Herr Bürgermeister wird das ...!)

Was Sie aber gemacht haben, ist, Milliarden an Steuergeld auszugeben – für Einmalzahlungen, Almosen, die allesamt die Preise in Österreich um keinen Cent gesenkt haben. (Abg. Steinacker: Milliarden sind keine Almosen! – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Wissen Sie, viele dieser Zahlungen in den letzten Monaten haben alle hier herin­nen bekommen – wir alle, alle 183 Abgeordneten, haben viele dieser Zahlun-


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gen und Boni selbst bekommen (Abg. Belakowitsch: Ja, ... ich hab’s auch ge­kriegt ...!), obwohl keiner und keine hier herinnen diese Unterstützung in Zeiten wie diesen so sehr braucht wie Tausende, Hunderttausende, Millionen von Menschen in Österreich. (Beifall der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Es sind Einmalzahlungen und Boni, die, wenn überhaupt, nur sehr kurz geholfen haben. Gerade jetzt – Klubobfrau Meinl-Reisinger hat es erwähnt –, wenn die Menschen ihre Strom- und Gasrechnungen bekommen, die sich verdreifacht, vervierfacht haben (Abg. Belakowitsch: ... Wien Energie ...!), wissen viele ein­fach nicht mehr, wie sie diese Rechnungen bezahlen sollen, wie sie die Miete be­zahlen sollen. Da helfen ihnen die Einmalzahlungen von vor ein paar Wochen und Monaten sicher auch nicht. All das ist das Ergebnis Ihrer verfehlten, gescheiterten Politik der Einmalzahlungen. All das ist das Ergebnis Ihres plan­losen Geldausgebens. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

So, und jetzt gibt es noch ein Problem, Herr Bundesminister: Nicht nur dass die Preise nicht sinken, nicht nur dass die Inflation in Österreich steigt, während sie in anderen Ländern gesunken ist – Sie haben damit auch einen enor­men Schuldenberg in Österreich aufgebaut. (Abg. Tanja Graf: Was hat das alles mit ...?) Schon jetzt wollen Sie das Geld und die Almosen, die Sie gerade falsch verteilt haben, den Menschen wieder wegnehmen. Just bei denen, die jetzt schon nicht wissen, wie sie sich das Leben leisten können, wollen Sie beginnen, Ihr Budget zu sanieren.

Sie sind offenbar der Erste, Herr Arbeitsminister, der vorgeschickt wurde, um Teilzeitkräften, vor allem Frauen, ernsthaft anzudrohen, ihnen Familien­leistungen zu streichen. (Abg. Haubner: So ein Schmarrn! Das stimmt ja nicht! – Abg. Ottenschläger: Wider besseres Wissen! – Abg. Wöginger: Das ist unse­riös! – Abg. Haubner: Wer hat Ihnen Ihre Rede geschrieben? – Abg. Wöginger: Was ist das für eine Rede? Ihr wärt die Ersten, die sagen würden, ...! – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist die bittere Wahrheit! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


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Gerade jene Gruppe, die ohnehin schon aufgrund der Teilzeitfalle durch nied­rigere Pensionen bestraft ist: Sie haben ernsthaft die Idee, dort mit Einsparungen anzufangen. Offenbar hat Sie nur eines abgehalten, Herr Bundesminister, nämlich die Wucht des Widerstandes – die hat Sie überrascht (Beifall bei der SPÖ) –, der Widerstand der Gewerkschaften in Österreich, der Widerstand der Opposition. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Ich sage Ihnen etwas, Herr Arbeitsminister, und das können Sie gerne dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und dem Rest der Bundesregierung ausrichten: Wenn Sie weiter ernsthaft die Idee haben, dass Sie für Ihre verfehlte Schul­denpolitik Frauen, Kinder und arbeitende Menschen in Österreich (Abg. Tanja Graf: An Peinlichkeit nicht zu überbieten!), von denen viele nicht wissen, wie sie sich das Leben jetzt leisten können, zur Kassa bitten (Zwischenruf des Abg. Hörl), dann sage ich Ihnen, dass das, was Sie jetzt an Widerstand erlebt ha­ben, ein kleines Lüfterl war gegen den Sturm, den Sie erleben werden, wenn Sie als Bundesregierung das wirklich machen. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist poli­tisch falsch, das ist ohne Anstand, und es ist ohne jegliche Moral.

Was ich aber erwartet hätte, Herr Minister, ist, dass Sie brauchbare Vorschläge machen und den Frauen echte Chancen geben, von Teilzeit auf Vollzeit zu wechseln. Die meisten sind nämlich nicht freiwillig Teilzeitkräfte: Es fehlen die Möglichkeiten und Chancen. (Abg. Steinacker: Hinschauen, da gibt’s doch Zah­len!) Es braucht Zehntausende, Hunderttausende Kindergartenplätze, ganztägig, ganzjährig und kostenfrei ab dem ersten Lebensjahr. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht Ganztagsschulen in ganz Österreich. Das hilft den Kindern, das hilft den Frauen, das hilft der Gesellschaft, und das hilft der Wirtschaft gegen den Arbeitskräftemangel, Herr Wirtschaftsminister. Das hätte ich, hätten wir von Ihnen erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, überlegen Sie sich das nächste Mal gut, was Sie vorschla­gen! Wenn Sie schon den Menschen nicht helfen wollen, machen Sie ihnen das Leben nicht noch schwerer, als es schon ist! – Vielen Dank. (Beifall


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bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: Man merkt bei der ÖVP, wie wenig ...! – Abg. Wögin­ger: Das geht sich nicht mal fürs Parteipräsidium aus, die Rede!)

9.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ange­rer. – Bitte.


9.34.43

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Die NEOS haben nach der Bildung das The­ma Leistung entdeckt, jetzt ist auf einmal Leistung das Thema. Es wäre aber na­türlich auch in der Bildung einmal wieder Leistung gefragt – also dass man unseren jungen Leuten wieder Lesen, Schreiben und Rechnen beibringt und dass Leistung auch in der Schule wieder etwas zählt und nicht die ideologische Gleichmache. Das wäre einmal wichtig. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt zu dem, was heute das Thema sein soll: Leistung muss sich in diesem Land wieder lohnen. Ja, aber dieser – sage ich jetzt einmal – herbeiregierte Wohl­standsraub, der zurzeit in unserem Land stattfindet, hat Ursachen. Die Ursachen sind eine verfehlte Politik: Sie haben eine Coronadiktatur aufgezogen, Sie haben eine Klimahysterie erzeugt (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), Sie ha­ben uns in eine Energiekrise geführt. Sie führen uns mit Sanktionen gegen Russland in die nächste Krise, Sie geben die Neutralität auf, und mit der illegalen Migration belasten Sie unser Land und auch den Arbeitsmarkt. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kassegger: Das ist ein bissl viel auf einmal!)

Herr Minister, Sie haben heute gesagt, es gibt 50 000 Beschäftigte mehr in Österreich. Nur: Die Beschäftigten kommen mit dem Geldverdienen nicht mehr nach, so schnell wie Sie es ihnen wieder aus der Tasche ziehen. Das ist die Politik dieser Regierung! Nach der Altersarmut kommt jetzt die Arbeitsarmut, die Menschen, die arbeiten, kommen mit dem Geld bis zum Ende des Monats nicht aus, obwohl sie 40 Stunden arbeiten. Das ist die Realität in diesem Land.


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Sie betätigen sich gemeinsam mit Ihrem Bundeskanzler Karl dem Großen und den Landesfürsten – in Kärnten ist es Kaiser Peter – als Raubritter, die durch die Wohnzimmer der Österreicherinnen und Österreicher ziehen und dort auch noch die letzte Sparkasse plündern. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Das ist Politik à la ÖVP und Grüne, unterstützt von allen anderen. Die Einzigen, die da dagegenhalten, sind wir Freiheitliche. Das heißt, die Wahlentschei­dung bei den nächsten Wahlen ist ganz einfach: Es gibt zwei Parteien – die Frei­heitlichen und den Rest. (Beifall bei der FPÖ.) Also Sie draußen können sich entscheiden, wer für die Zukunft gewählt werden soll.

Es gibt natürlich auch Gewinner bei dem Ganzen. (Abg. Erasim: Herr Präsident, das lässt man normalerweise nicht zu!) Wo es Verlierer gibt, gibt es Gewinner. Die großen Gewinner sind die USA – die sind die großen Gewinner –, sind die Chine­sen. (Abg. Leichtfried: Wie war das in Graz mit den 700 000 Euro? Das seids ihr, ja!) Die reiben sich die Hände, weil wir unsere Industrie dorthin treiben. (Abg. Leichtfried: Der Klubdirektor in Graz hat sich auch die Hände gerieben!) Wir sind die großen Verlierer in Österreich.

Der nächste Gewinner ist der Herr Finanzminister. Kollege Wöginger sagt: Wir haben die Menschen entlastet, letztes Jahr gab es 10 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen! (Abg. Wöginger: Weil so viele arbeiten!) – Ja, das ist super, wenn ich ihnen auf der einen Seite ein paar Groschen gebe, aufgrund der Streichung der, der - - (Abg. Wöginger: Kalten Progression!), der kalten Progres­sion – danke, Herr Kollege! (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Auf der anderen Seite aber ziehen Sie mit den steigenden Energiekosten (Abg. Kassegger: Das sind doch Taschenspielertricks!), mit den explodierenden Mie­ten, den Menschen das Geld aus der Tasche, und der Finanzminister nimmt 10 Milliarden Euro mehr ein. (Abg. Wöginger: ... Eingangssteuersatz!) Dann redet ihr von Entlastung – das ist ja eine Verhöhnung der Bevölkerung drau­ßen (Abg. Wöginger: Nein, nein, nein!), das kann ja keiner mehr ernst nehmen, was ihr da von euch gebt. (Beifall bei der FPÖ.)


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Die, die in diesem Land am meisten belastet sind, sind die Menschen, die wirklich hart arbeiten, die zwischen 1 200 und 2 200 Euro brutto verdienen. Das ist ein Jahresgehalt von 16 000 bis 30 000 Euro.

Dann gibt es die weiteren großen Gewinner: Das sind die Konzerne und deren Manager. Schauen wir uns einmal die Gehälter dieser Manager an! (Der Red­ner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Strompreise explodieren, Kelag-Vor­stände kassieren! Monatsgehalt Kelag-Vorstand 46.567 Euro“ vor sich auf das Red­ner:innenpult. – Abg. Pfurtscheller: Mein Gott, jetzt kommt die Neiddebatte, wie schön!) Ein Manager in Kärnten bei der Kelag (Abg. Belakowitsch: SPÖ!) – und das ist das Monatsgehalt von dem Herrn Vorstand bei der Kelag –, verdient 46 000 Euro. (Abg. Wurm: Frechheit!) Sechs Millionen Menschen verdienen im Jahr weniger als dieser Kelag-Vorstand in Kärnten, einem von der SPÖ ge­führten Bundesland. Die werden dafür belohnt, dass sie den Menschen mit ex­plodierenden Strompreisen das Geld aus der Tasche ziehen. (Abg. Belako­witsch: Sehr sozial!) Das ist schäbig gegenüber der eigenen Bevölkerung – und dann wird hier von einer Leistungsgesellschaft geredet. (Beifall bei der FPÖ.)

Während die anderen also Milliardengewinne machen, zocken die alle ab, und ih­re Freunde zocken mit ab.

Für die Wähler und für die Bevölkerung draußen – damit alle wissen, was sie am Sonntag in Kärnten tun (Heiterkeit des Abg. Taschner) –: Abwählen, bitte, FPÖ ankreuzeln! Am 24. ist dann in Salzburg die nächste Gelegenheit, diese Poli­tik abzuwählen (die Abgeordneten Haubner und Wöginger: Am 23.!), und dann kommt die Nationalratswahl – das ist so wie Weihnachten, wenn man auf Weih­nachten wartet. Ihr könnt euch auf euren Sesseln festkleben, aber mit jedem Mal schlafen kommt man einen Tag näher an die nächste Nationalratswahl. Wir freuen uns schon darauf, die Wähler auch, und dann wird abgerechnet. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Ausgezeichnete Rede!)

9.39



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 62

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.


9.39.31

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde geht es heute – man würde es nach den Vorredner:innen nicht glauben – um das Thema Teilzeit, Vollzeit, Problemlagen, Problemstellungen: Wie sieht die Situation der Betroffenen aus, und wie kann man die Situation der Betroffe­nen verbessern? – Das ist eigentlich das Thema. (Abg. Holzleitner: ... Rechts­anspruch auf Kinderbetreuung!)

Es wird ständig über Teilzeitbeschäftigung gesprochen, mir kommt aber vor, eigentlich immer über die Köpfe der unmittelbar Betroffenen hinweg – die sind überhaupt nicht das Thema. Darum sollten wir uns damit vielleicht einmal intensiv auseinandersetzen und schauen, wo tatsächlich dringender Verbesse­rungsbedarf ist, wo der wirklich dringende Handlungsbedarf ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, fangen wir einmal mit den Zahlen, Daten und Fakten in diesem Land zum Phänomen Teilzeitbeschäftigung an, das längst kein Phänomen mehr ist, sondern für wahnsinnig viele Menschen in diesem Land, vor allem für viele Frauen, ganz einfach alltägliche berufliche Reali­tät und Normalität! Das muss man vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben in Österreich aktuell circa 3,8 Millionen Beschäftigte – das war im Jahr 2021 –, davon waren 29,9 Prozent teilzeitbeschäftigt, das heißt, fast 30 Prozent waren teilzeitbeschäftigt.

Wie schaut das bei den Frauen aus? – Bei den Frauen waren im dritten Quartal 2022 mehr als die Hälfte der unselbstständig beschäftigten Frauen, nämlich 51,1 Prozent, teilzeitbeschäftigt! Es wird ja immer so getan, als gäbe es so etwas wie ein normales Arbeitsverhältnis, ein Idealarbeitsverhältnis von 40 Stunden, ganzjährig, Vollzeit, und das über mehrere Jahre hindurch – meine


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sehr geehrten Damen und Herren, dieses sogenannte Normalarbeitsverhält­nis war vielleicht in den Siebziger-, Achtzigerjahren einmal normal! Dieses Nor­malarbeitsverhältnis war ausschließlich für die Männer normal, für die Frauen ist in Wirklichkeit das normal, was über weite Strecken ihre Realität ist, und das ist für die meisten inzwischen Teilzeit. Das bitte auch einmal zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den Grünen.)

Es haben sich die Arbeitswelten, die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsverhält­nisse in den letzten Jahren verändert. Es hat sich auch der Zugang der Men­schen zum Thema Arbeit, zum Thema Freizeit, zum Thema, wie man le­ben soll, wie man den Lebensunterhalt verdienen soll, einfach geändert. Das kann man jetzt bedauern, das kann man beklagen, und es gibt Rahmen­bedingungen, die schlichtweg für sehr viele Menschen nichts anderes als Teil­zeitbeschäftigung zulassen – vor allem für sehr viele Frauen.

Man darf ja eines nicht vergessen – der Herr Minister hat es ohnehin erwähnt –: Die Beschäftigungszuwächse der letzten Jahrzehnte, die immer wieder ge­feiert wurden – worauf gingen die zurück? – Das war der Anstieg der Frauenbe­schäftigung, das war der Anstieg von Teilzeit! Diese Entwicklung, der An­stieg von Teilzeit, ist in Österreich mit einem relativ konservativen Familienbild einhergegangen – man darf ja nicht vergessen, erst seit 1975 dürfen Frauen überhaupt ohne die Zustimmung ihrer Männer arbeiten! Man hat gesagt: Ja, Frauen, geht bitte schon arbeiten, die Frage der Kinderbetreuung aber, die Frage der Pflege, das ist schon eure Angelegenheit, also macht es bitte in Teilzeit! – Und jetzt auf einmal soll diese Teilzeit so furchtbar böse, so furchtbar hemmend für die Wirtschaft sein? Nein, das ist eine ausgesprochen unfaire Diskussion, das ist eine unehrliche Diskussion! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man vom Thema Arbeit spricht, vom Thema Vollzeit und Teilzeit, darf man auch zur Frage der unbezahlten Arbeit nicht schweigen, denn es ist schlicht­weg Fakt: Zwei Drittel der bezahlten Arbeit machen die Männer, zwei Drittel der unbezahlten Arbeit machen die Frauen. Wenn wir über Arbeit reden, über die Verteilung von Vollzeit und Teilzeit, dann müssen wir vor allem über


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die gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Män­nern und Frauen reden! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, da gibt es tatsächlich einige An­sätze, die man verfolgen kann, da gibt es wirklich Lösungsmöglichkeiten. Eine wurde schon erwähnt: Natürlich müssen wir die Kinderbetreuungsplätze ausbauen, natürlich müssen wir die Pflegeplätze ausbauen. Ja, und das tut diese Regierung auch, nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, das braucht Zeit! Das, was in den letzten Jahrzehnten verabsäumt worden ist, ist nicht von heute auf morgen lösbar.

Es gibt aber auch andere Ansätze. Schauen wir in andere Länder in Europa: Frankreich zum Beispiel hat eine gesetzliche Mindestarbeitszeit von 24 Wochenstunden, in Dänemark beispielsweise gibt es in Kollektivverträgen teilweise Mindestarbeitszeiten von 18 Wochenstunden. Was haben diese beiden Länder noch gemacht? – Sie haben auch die Arbeitszeit verkürzt; und wenn ich die Arbeitszeit unten anhebe und oben verkürze, dann schließt sich natürlich auch die Einkommenslücke und die Zeitlücke besser. (Heiterkeit des Abg. Wurm.) – Kollege Wurm lacht, denn Kollege Wurm lacht viel, lacht gerne, es sei ihm gegönnt, dass er lacht, er ist ein fröhlicher Mensch, das ist ganz toll. (Abg. Wurm: Das ist das ...stechen der Grünen, natürlich! Eins plus eins ist sechs, oder? – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Das Wunderbare in Dänemark – das hat sich schön gezeigt – war: Dort hat sich auch der Anteil von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen gerechter verteilt. (Bei­fall bei den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, man kann einiges tun, man kann auch bei Abgaben und Steuern etwas tun. Es geht immer um die gerechte Vertei­lung von Arbeit. Packen wir es an, im Sinne der Frauen, im Sinne der Männer, im Sinne aller in Österreich! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeord­neten Steinacker und Wöginger.)

9.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 65

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


09.44.54

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es haben alle westeuropäischen Staaten ein Demografieproblem, die einen haben es stärker, die anderen weniger stark. Es kommen überall weniger Junge nach, als Alte in den Ruhestand gehen.

In keinem westeuropäischen Land aber ist der Arbeitskräftemangel so eklatant wie in Österreich. Im Schnitt machen in der Eurozone die offenen Stellen 3 Prozent der Arbeitsplätze aus, in Österreich sind es 5 Prozent. Das klingt auf den ersten Blick nicht nach viel, der Unterschied macht aber 82 000 besetz­te Stellen aus! Wenn wir im Schnitt der Eurozone wären, hätten wir also 82 000 offene Stellen besetzt.

Da stimmt irgendetwas nicht. Warum fällt dieses Problem bei uns eklatanter aus als beispielsweise in Deutschland, obwohl die Deutschen ein stärkeres Demo­grafieproblem haben? – Weil sich Arbeit in Österreich nicht ausreichend rentiert!

Nehmen wir den Durchschnittsangestellten her, den Durchschnittsangestellten in Vollzeit, der ein bisschen mehr als 3 000 Euro verdient! Wenn dieser auf 60 Prozent Teilzeit zurückgeht, dann behält er 70 Prozent von seinem Netto. Jetzt wird es aber interessant: Jetzt kann er um Wohnbauhilfe ansuchen, um Heizkostenzuschuss ansuchen. Und das ist der Punkt, warum sich arbeiten nicht rentiert: Wenn er Vollzeit arbeitet, dann muss er buckeln für das, was er sonst alimentiert bekäme. Das ist der Fehler! (Beifall bei den NEOS.)

Es ist gut, wenn jemand Teilzeit arbeitet, und das soll auch jeder frei entscheiden können, man muss aber schon auch eines sehen: Die meisten Leute, die in Teilzeit arbeiten, verdienen steuerfrei – von den Erwerbstätigen in Österreich verdienen ungefähr 40 Prozent steuerfrei, das muss auch einmal gesagt werden –, und diese Teilzeitkräfte sind dann auch noch vom Arbeitslosenversi­cherungsbeitrag befreit, bei voller Leistung – ich frage mich, warum –, und


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dann bekommen sie noch eine Negativsteuer. Und – da bin ich anderer Meinung als der Herr Minister – die Vorteile der Teilzeit liegen nicht bei der Sozialleis­tung, sie liegen auf der Beitragsseite. Dort sind die Goodies, weil diese Erwerbs­tätigen weniger zahlen müssen, und das sind die Nachteile, die die Vollzeit­beschäftigten haben.

Die Vollzeitbeschäftigten haben diese Nachteile, und das führt dazu, dass die Jungen sich aus eigener Kraft nichts mehr aufbauen können. Das ist die Perspektive, die den jungen Menschen fehlt. Wenn sie ihre Ausbildung fertig haben, wenn sie ins Berufsleben einsteigen und es zu etwas bringen wol­len, dann sehen sie: Ups, zwischen meinem Brutto und meinem Netto ist eine riesige Schere! – Die wollen aber zu etwas kommen, und daher muss es sich voll auszahlen, wenn jemand voll arbeitet!

Wir bringen daher einen Antrag für einen Vollzeitbonus von 100 Euro monatlich ein; und es müssen Überstunden günstiger werden! Wenn sich jemand anstrengt, wenn jemand mehr arbeitet, soll ihm der Staat das nicht abschöpfen, sondern er soll dann etwas davon haben! (Beifall bei den NEOS.) Daher muss auch der Steuerfreibetrag für die Überstunden massiv angehoben werden, und zwar der Eurobetrag und nicht nur die Zahl der Stunden.

Wir müssen uns genauer anschauen, wo der Staat den Menschen etwas ab­schöpft, wenn sie arbeiten. Schauen wir uns einmal die Arbeitslosenversicherung an! Ich nehme ein Beispiel von vielen heraus, das in die Kategorie Lohn­nebenkosten fällt: Die Arbeitslosenversicherung kostet in der Schweiz den Ar­beitgeber und Arbeitnehmer zusammen 2,2 Prozent; in Deutschland: 2,6 Prozent, und in Österreich: 6,0 Prozent. – Mehr als das Doppelte im Ver­gleich zu den Deutschen reißen wir den Leuten aus der Tasche, wenn sie arbeiten gehen, für eine kaum bessere Leistung.

Wir haben jetzt die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 14 Jahren, und das AMS hat um ein Drittel mehr Mitarbeiter als vor 14 Jahren. Wenn es nach den Grü­nen ginge, würde man noch mehr Geld in dieses Fass ohne Boden schütten. Das


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ist der Grund, warum die Menschen vom Arbeiten nichts haben: weil wir alle möglichen Abgaben haben, mit denen wir Dinge finanzieren, denen nicht ausreichend Leistung gegenübersteht. (Abg. Wurm: ... Wahrheit ...! Was finanzieren wir denn alles, Gerald?)

Was der Staat den Menschen durch Steuern und Abgaben wegnimmt, fehlt ihnen, um aus eigener Kraft zu Wohlstand zu kommen, um sich aus eigener Kraft etwas aufzubauen. Das hat zu einer Schieflage geführt, die das Arbeiten in Österreich unattraktiv macht. So kann aber auf Dauer kein Sozialstaat bestehen, wenn es attraktiver ist, weniger statt mehr zu arbeiten, weil die Abgaben so hoch sind.

Das ist aber in Wirklichkeit das Konzept von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen (Abg. Wurm: Ha, ha, ha!): die Menschen in Abhängigkeit vom Staat zu halten, sie mit einer hohen Abgabenlast zu drücken und ihnen nachher gnädig irgendwelche Zuschüsse und Boni und Ersatzzahlungen und Hilfszahlungen zu geben. Stattdessen wäre es richtig, den Menschen netto mehr von ihrem sauer verdien­ten Geld zu lassen, damit sie aus eigener Kraft weiterkommen können. (Bei­fall bei den NEOS. Abg. Ottenschläger: Ihr wollt jetzt auch einen Bonus verteilen!)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Niss. – Bitte.


9.50.13

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wo wir, glaube ich, alle einer Meinung sind – und das ist ja ganz einfach ein Faktum –, ist, dass wir einen eklatan­ten Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel haben. Egal ob das in den Industrieun­ternehmen, in den Schulen, beim Wirt ums Eck oder in den Krankenhäusern ist: Wir haben nicht genug Leute, und derzeit haben wir sogar 220 000 offene Stellen. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich das in den


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nächsten zehn Jahren auch noch einmal um ungefähr 450 000 bis 500 000 Stel­len verstärken.

Was mich in dieser Situation besonders verwundert, ist, dass die SPÖ, obwohl wir zu wenige Leute haben, wieder mit ihrem Kassenschlager einer Vierta­gewoche, also eigentlich einer Arbeitszeitreduktion, daherkommt. Da muss ich mich ganz ehrlich fragen, ob ihr es nicht verstanden habt. Vielleicht habe ich es nicht verstanden, aber: Wie soll denn das bitte gehen? Man kann ja nicht in einem kürzeren Zeitraum produktiver sein. Der Kellner kann nicht in 32 Stunden 40 Stunden lang Gäste bedienen, und bei der Krankenschwester, die sich um die Patienten kümmert, ist es dasselbe, so wie auch das Band in der Produktion, das 100 Prozent der Zeit läuft, nicht nur zu 80 Prozent bedient wer­den kann. Das geht sich einfach nicht aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben dann nicht nur 20 Prozent mehr Kosten, wenn wir das Personal ha­ben – in Zeiten hoher Energie- und Lohnkosten übrigens eine super Idee –, sondern wir haben ganz einfach die Leute nicht, denn wenn wir von 40 auf 32 Stunden reduzieren, brauchen wir noch einmal 220 000 Leute. Das geht sich ganz einfach nicht aus.

Meine Damen und Herren, wir sollten also nicht darüber reden, wie wir weniger arbeiten können, sondern darüber, wie wir es schaffen, wie wir es ermögli­chen und beanreizen, dass die Leute mehr arbeiten und dass sich, und das ist na­türlich wichtig, Leistung auch lohnt. Genau das ist die Diskussion, die Bun­desminister Kocher auch führen möchte (Abg. Wurm: Na, na, na, der ... andere Dis­kussion!), aber objektiv, emotionslos und auch ehrlich.

Wir müssen uns überlegen, wie wir es schaffen, qualifizierte Leute nach Österreich zu kriegen, wie wir es durch Beitragssenkungen schaffen, dass Leute, die freiwillig länger arbeiten möchten, dies auch tun, und wie wir auch Überstunden beanreizen. Dazu gibt es Überlegungen. Es beinhaltet aber eben auch, dass wir Leute, die momentan in Teilzeit sind, in Vollzeit bekommen. Österreich ist ein Land unter drei Ländern mit der höchsten Teilzeitrate in der Europäischen Union.


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Jeder Dritte in Österreich arbeitet in Teilzeit. Das ist sicherlich auch kulturell bedingt, aber es ist in vielerlei Hinsicht ein Problem. Ich sage Ihnen auch, warum: einerseits – und das habe ich schon erwähnt – wegen des Arbeits- und Fach­kräftemangels, andererseits ist aber unser Sozialsystem in Gefahr, denn wir ha­ben nun einmal ein System, für das wir die Leute, die arbeiten, brauchen – für das wir mehr Leute brauchen, die arbeiten, für das wir fast alle Leute brau­chen, die arbeiten. Die Pensionsbeiträge der Erwerbstätigen finanzieren die Pensionen der Pensionisten. Und drittens, das muss auch einmal ganz klar und deutlich gesagt werden: Wenn man weniger arbeitet, hat man später eine geringere Pension, dann ist ihre – und es ist meistens ihre – oder seine Pension geringer. Die Gefahr der Altersarmut steigt da massiv, und das trifft leider vor allem Frauen, und da müssen wir etwas tun. (Beifall bei Abgeord­neten von ÖVP und Grünen.)

Es geht niemandem darum, jemandem etwas wegzunehmen. Bundes­minister Kocher wollte das nicht, und ganz ehrlich gesagt: NEOS, es ist Ihrer auch nicht würdig, ihm zu unterstellen, dass er hier irgendjemanden be­strafen möchte. Wir müssen uns aber überlegen, wie wir es schaffen, mehr Leute in Vollzeit zu bekommen. Dafür wird sicher der Ausbau der Kinderbetreuung notwendig sein. Wir haben da letztes Jahr 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, aber, ganz ehrlich, es geht nicht nur ums Geld. Wir haben auch da einen Arbeitskräftemangel, denn diese Kinder müssen natürlich auch qualitativ hochwertig betreut werden. Es ist also wichtig, aber es ist nicht das Allheilmittel.

Wir müssen uns aber auch überlegen, wie wir es schaffen, dass wir die Leute, die freiwillig in Teilzeit sind und bei denen es sich einfach ausgeht – und das auch durch Leistungen des Staates –, diese 350 000 Leute, beanreizen, dass wir sie in die Vollzeit bekommen. Das müssen wir bei unseren zukünftigen Maßnahmen einfach noch stärker berücksichtigen. Wir haben diesbezüglich einiges ge­tan: Vergessen Sie bitte nicht, dass wir die Tarifstufen gesenkt haben, vergessen Sie nicht, dass wir die kalte Progression abgeschafft haben. Das wurde seit


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Jahren gefordert; viele Regierungen haben es versprochen, wir haben es getan! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Bitte daher: Führen wir eine ehrliche Diskussion mit produktiven, sinnvollen Vorschlägen! Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass der Vollzeitbonus da die richtige Variante ist. Warum soll ich, die gerne freiwillig Vollzeit ar­beitet, einen Bonus auf Steuerkosten bekommen? Es ist wieder einmal die Gieß­kanne, die ihr so oft kritisiert. Auch wenn ihr sagt, es ist keine Gießkanne, ist es aber eine Gießkanne. (Abg. Meinl-Reisinger: Auf Steuern? Das ist ein Ab­setzbetrag ..., eigene ... Steuerlast, das ist ja keine Förderung!)

Meine Bitte daher: Führen wir diese Diskussion sachlich, unemotional, nicht angriffig, aber – und da schaue ich in Richtung SPÖ hinsichtlich des Vorschlages der Viertagewoche – führen wir sie auch ehrlich und vor allem sinnvoll! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mu­chitsch. – Bitte.


9.55.29

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg: Danke an die NEOS für diese Aktuelle Stunde! Ja, es gibt ein immer größer werdendes Problem. Dieses Nichthandeln der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Inflation bringt im­mer mehr Menschen in eine finanzielle Notsituation. Menschen, die Voll­zeit arbeiten, können mit ihrem Einkommen ihre Rechnungen nicht mehr bezah­len, bisher Erspartes wird aufgebraucht, die Sparquote bei den betroffenen Gruppen sinkt, die Armutsquote steigt.

Diese Rekordteuerung in Österreich schränkt auch den Konsum ein und bremst somit den größten Motor des Wirtschaftswachstums. Expertinnen und Exper­ten prognostizieren ein Wirtschaftswachstum von knapp über 0 Prozent.


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Während andere Regierungen, wie jene in Spanien – sozialdemokratisch geführt –, die Inflation bekämpft haben und eine Inflationsrate von 6,5 Prozent haben, haben wir eine Rekordinflation von 11,2 Prozent. Und genau in die­ser Zeit, in einer Zeit, in der immer mehr Menschen größere Probleme haben, kommt dieser Vorstoß, bei Beschäftigten in Teilzeit Sozialleistungen zu kürzen.

Herr Bundesminister, Sie haben das heute zurückgenommen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das ist gut, aber dann lassen wir uns doch auf eine sehr fachliche Debatte ein und schauen uns die verschiedenen Gruppen der Teilzeitbeschäf­tigten etwas näher an.

Die Gruppe eins, ja, Herr Klubobmann Wöginger, das sind Teilzeitbeschäftigte, die Teilzeit arbeiten wollen, und dort soll man die Wahlfreiheit auch unbe­dingt so belassen.

Dann gibt es die Gruppe zwei: Das sind Teilzeitbeschäftigte, die mehr arbeiten wollen, aber nicht dürfen, weil es auch ein Geschäft mit Teilzeitbeschäftig­ten gibt, weil Firmen bewusst Teilzeitbeschäftigte bevorzugen, um einen wirtschaftlichen Vorteil zu haben – ob das im Handel ist, ob das in der Pflege ist oder ob das bei anderen Dienstleistungen wie beim Friseur ist. Warum ist das ein Vorteil für die Unternehmen? – Erstens: Überstundenzuschläge gebühren nicht in vollem Ausmaß; zweitens: sie können sie in geteilte Dienste einteilen; und drittens: sie sind auf Abruf bereit, auch einzuspringen, wenn jemand ausfällt.

Genau diese Gruppe müssen wir schützen, und ich bringe Ihnen ein Beispiel: 2018 waren in Österreich 9 000 Bauarbeiter teilzeitbeschäftigt. Kann sich irgendjemand einen teilzeitbeschäftigten Bauarbeiter auf der Baustelle vorstellen, der um 12 Uhr nach Hause geht? Kann sich irgendjemand einen teilzeitbeschäftigten Bauarbeiter vorstellen, der sagt – bei Häupl war es Dienstagmittag –, am Mittwochmittag ist es aus? Was haben wir hier in diesem Hohen Haus gemacht, Herr Bundesminister? – Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden. Alle teilzeitbeschäftigten Bauarbeiter sind seit 2018


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meldepflichtig: über das Ausmaß der Arbeitszeit, über den Arbeitsort, und jede Veränderung muss gemeldet werden. – So wird Politik gemacht, wenn wir verhindern wollen, dass Teilzeit missbraucht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Dann kommen wir zur dritten und zur größten Gruppe. Das ist jene Gruppe un­ter den 1,3 Millionen Teilzeitbeschäftigten in Österreich – es sind überwie­gend Frauen, 80 Prozent –, die in Teilzeit arbeiten müssen – in Teilzeit arbeiten müssen! Warum? – Weil sie Betreuungsaufgaben haben, weil sie in der Fami­lie Verantwortung übernehmen. Es gibt 400 000 Beschäftigte in Österreich, die neben ihrem Job zu Hause zu pflegende Angehörige pflegen – 400 000 Be­schäftigte, wieder überwiegend Frauen, die neben ihrem Job jeden Tag zu pfle­gende Angehörige zu Hause pflegen. Diese können gar nicht mehr Stunden arbeiten. Es gibt eine Million Haushalte mit Kindern in Österreich – eine Million Haushalte! –, und da sagen die Frauen – das sind wieder überwiegend
Frauen –: Ich muss meine Kinder betreuen. Ich lebe am Land, wo ich keine Ganztagesbetreuungseinrichtungen habe, ich muss meine Kinder betreuen! – Sie wollen zwar mehr arbeiten, können aber gar nicht mehr arbeiten.

Genau dort müssen wir ansetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen da, gerade für die Frauen, auch ein klares gesellschaftspolitisches Zeichen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wir müssen darauf schauen, dass die Frauen nicht wieder zu den Verlierern zählen – wie wegen der Abschaffung der Blockzeiten bei der Altersteilzeit, bei der Anhebung der Alterspension, mit Nichtwertschätzung von Kinder- und Betreuungszeiten; das haben sich Frauen nicht verdient. Deswegen brauchen wir diese Ganztagskinderbetreuungsplätze. Das, was 2017 nicht die ÖVP, aber Bundeskanzler Kurz verhindert hat, das hätten wir jetzt schon erledigt ge­habt. Wir brauchen unbedingt diese Maßnahmen, um auch dieses Problem zu lösen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)


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Herr Bundesminister, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Besprechen wir diese offen, fachlich und auf Augenhöhe, dann können wir auch da ein Stück weiterkommen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte sehr.


10.00.45

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Zuseher! Ja, es ist eigentlich ein Offenbarungseid, den wir heute hier erleben, und daher noch einmal die Frage: Warum diskutieren wir heute diesen Vorschlag der ÖVP und der Grünen über eine Kürzung der Sozialleistungen für Teil­zeitkräfte? Warum diskutieren wir das? – Da, glaube ich, kann man schon einmal eindeutig sagen - - (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Ja, es ist klar, es ist ja euer Vorschlag, ihr seid ja eine Regierung; noch seid ihr, glaube ich, eine Regie­rung. (Abg. Schallmeiner: Differenzieren war noch nie deine Stärke, gell, Peter?! – Abg. Pfurtscheller: Welcher Vorschlag, bitte?)

Warum aber poppt dieses Thema auf? – Da darf ich schon die anderen vier Parteien jetzt einmal ins Boot holen: Es ist das eingetreten, was wir Ihnen seit Jahrzehnten prophezeien – was Sie halt ungern zugeben, auch heute
nicht –, nämlich dass unser Sozialsystem in Österreich kollabiert ist. Jetzt kommt die Frage nach dem Warum, und da weichen vier Parteien halt immer sehr gerne aus. – Das ist das Ergebnis einer unqualifizierten Zuwanderung über Jahr­zehnte, diese lässt unser Sozialsystem kollabieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt kommen Sie ernsthaft auf die Idee, dass die alleinerziehende Mutter in Teilzeit quasi die Asylanten mitfinanzieren soll. Ja, das ist das Ergebnis: Die alleinerziehende Mutter in Teilzeit soll jetzt quasi die Gesundheitsversor­gung und die Mindestsicherung von Asylanten finanzieren. Das ist eure
Idee – kurz zusammengefasst, für die Bevölkerung einfach zu verstehen. (Abg. Pfurtscheller: Das ist dermaßen an den Haaren herangezogener Blödsinn!)


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Ich sage es noch einmal: 60 Prozent der Sozialhilfeempfänger sind nicht Öster­reicher, ein Drittel jener beim AMS sind nicht Österreicher, 60 Prozent der Gefängnisinsassen sind nicht Österreicher. (Abg. Ribo: Das ist ja peinlich! Pein­lich!) Ich könnte die Liste für Sie jetzt fortsetzen, fortsetzen, fortsetzen. Das kostet Milliarden! Diese Milliarden hat das Sozialsystem nicht! (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Bitte keine Aufregung von den Grünen, es ist die reine Wahr­heit, es ist alles nachvollziehbar.

Ich sage es noch einmal: Diese Bundesregierung macht heuer ein geplantes Defizit von 18 Milliarden Euro – 18 Milliarden Euro Defizit! (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Und da tauchen Traumtänzereien darüber auf, was ihr alles machen wollt. Wir haben das Geld ja schlichtweg über Jahre schon nicht mehr. Gesamt­verschuldung: 360 Milliarden Euro in Österreich. Auch die Idee der Sozial­demokratie: bitte jetzt auf 32 Stunden!, und die Grünen, das ist ja Traumtänzerei, bitte schön! (Abg. Koza: Von 48 auf 40 Stunden ist auch Traumtänzerei, oder?) – Wo lebt ihr, bitte schön? Das geht sich ja alles hinten und vorne nicht mehr aus. (Abg. Koza: Von 70 Stunden auf 40 Stunden war auch Traumtänzerei, oder? Peter, für eine 70-Stunden-Woche, oder was?)

Ich weiß schon, dass das keiner gerne hört. Die Töpfe sind leer, die habt ihr ge­leert, ihr vier Parteien gemeinsam, und darüber will halt keiner gerne disku­tieren. (Abg. Leichtfried: Haben Ihnen das die Russen erzählt? Ist das das letzte Mail aus Moskau gewesen, wo das drinsteht?)

Bitte schön, noch einmal: Bitte lasst die Teilzeitkräfte in Österreich in Ruhe! (Abg. Leichtfried: Also was die Russen so alles sagen, ist interessant! Und Sie geben das einfach so weiter!) Es gibt sehr, sehr viele gute Gründe, warum Leute in Ös­terreich Teilzeit arbeiten, nämlich weil sie es wegen Betreuungsaufgaben müssen, teilweise weil sie es auch gesundheitlich gar nicht schaffen, 40 Stunden zu arbeiten. Eigentlich bräuchten wir diese berühmten Helden der Arbeit (Abg. Leichtfried: Ja, „Helden der Arbeit“, kommt auch aus Russland, ich weiß!), die über 45 Jahre fleißig arbeiten, aber, liebe ÖVP und Grüne sowieso, die habt ihr bestraft. Ihr habt die Hacklerpension abgeschafft. Das waren die Helden der


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Arbeit, die 45 Jahre lang 40 Stunden gearbeitet haben. Diese Pension habt ihr abgeschafft.

Ihr habt viele Dinge, die wir vorgeschlagen haben, nie umgesetzt. Dasselbe zum Beispiel bei den Kinderbetreuungszeiten der Frauen: Da haben wir eine Ver­besserung gefordert – diese vier Jahre, die Frauen in das Pensionskonto einzah­len –, das habt ihr abgelehnt – alles Maßnahmen also, die wir vorschlagen. Genauso das freiwillige Weiterarbeiten in der Pension – das habt ihr auch abge­lehnt; da gibt es unzählige Vorschläge.

Eines ist klar: Ohne Fleiß kein Preis! (Beifall und Bravoruf des Abg. Hörl.) Aber, und jetzt kommt das große Aber, wir brauchen auch soziale Gerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass wir die ganze Welt mitfinanzieren. Ich sage es noch einmal: Ukrainekrieg, Waffenlieferungen, EU (Abg. Belakowitsch: Klimabonus!) – das sind Milliarden, die wir eh nicht haben, die ihr links, rechts ausgebt.

Wir stehen auf dem Standpunkt – da sind wir die einzige Partei –: Wir wollen Österreicherinnen und Österreichern helfen, und dem Rest, bitte schön, wenn Geld übrig ist. Es ist aber kein Geld übrig, liebe Kollegen (Zwischenruf bei der ÖVP), das ist nicht übrig. Ihr fangt jetzt an, die Idee zu forcieren, bei den Teilzeitkräften die Sozialleistungen zu kürzen. (Abg. Hörl: Hast du nicht zugehört? Du musst zuhören!) Das kann man keinem vernünftigen Menschen mehr erklären! Und wenn ein Asylant aber eine Operation irgendwo an der Uniklinik Innsbruck hat, zahlt das der Steuerzahler. Bitte schön, seid ihr irre? (He Rufe bei der ÖVP. – Abg. Hörl: Herr Präsident!) Das ist nicht mehr nachvoll­ziehbar.

Noch einmal: Wir brauchen soziale Gerechtigkeit für Österreicherinnen und Österreicher – das brauchen wir. Wir brauchen keine Wundertüte für die ganze Welt. Auch hier noch einmal an die Sozialdemokratie: Bitte setzt euch wieder für die arbeitenden Menschen in Österreich ein! Das wäre wichtig. Die FPÖ, wir Freiheitlichen sind die Einzigen, die das über Jahre ganz klar formuliert haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.06



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Disoski. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Jetzt betreibt Kollege Wurm sogar schon DDR-Nostalgie, das wird ja immer besser!)


10.06.26

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf Sie aus der Putin-Propagandastunde des Kollegen Wurm wieder in die Realität des österreichischen Nationalrats zurückholen. (Beifall und Bravoruf bei den Grünen sowie Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich finde es ja lustig, dass es der FPÖ nicht peinlich ist, sich hierherzustellen und zu sagen, es gäbe Pläne zur Kürzung von Sozialleistungen dieser Bundesre­gierung. (Abg. Rauch: Sinnerfassend zuhören! – Abg. Belakowitsch: Hat der Minister gesagt! – Abg. Wurm: Seid ihr nicht mehr zusammen?) Die Einzigen, die immer dann, wenn sie in Regierungsverantwortung sind, Sozialleistungen kürzen, seid ihr. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich erinnere an Sozialministerin Hartinger-Klein, die gemeint hat, dass man von 150 Euro mo­natlich leben kann. Also bitte, das ist einfach peinlich, was ihr macht, hört auf damit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommen wir tatsächlich zu dem, was die NEOS heute hier in der Sitzung bean­tragen, den sogenannten Vollzeitbonus. Geht es nach den NEOS, soll jeder, der Vollzeit arbeitet, jede Vollzeit tätige Arbeitnehmerin, jeder Vollzeit tätige Ar­beitnehmer monatlich eine Steuergutschrift in Höhe von 100 Euro erhal­ten – und das einkommensunabhängig. Klubobfrau Meinl-Reisinger hat die Kos­ten dafür mit 1,8 Milliarden Euro beziffert. Wir haben selber vorhin nachge­rechnet und sind auf circa 4 Milliarden Euro gekommen. Das ist eine gro­ße Summe, das ist Geld, das später, wenn man denn diese Maßnahme umsetzen würde, auch im Haushalt entsprechend fehlen würde.

Ich möchte in meiner Rede ausführen, weshalb wir aus frauenpolitischer und auch aus verteilungspolitischer Sicht diesem Vorschlag ganz klar eine Ab­sage erteilen müssen. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) Ich möchte eingangs die


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Gelegenheit dazu nutzen, uns allen hier in Erinnerung zu rufen, dass heu­te Equal-Care-Day ist. Dieser internationale Aktionstag macht darauf aufmerk­sam, dass nach wie vor eine mangelnde Wertschätzung und auch eine un­gleiche Verteilung von Carearbeit, also von unbezahlter Sorge- und auch Für­sorgearbeit, in unserem Land Realität ist. Wir wissen, diese Carearbeit ist zwischen Frauen und Männern krass ungleich verteilt, circa im Verhältnis 4 : 1. Das bedeutet, Männer müssten vier Jahre lang Fürsorgearbeit leisten, um so viel zu machen wie Frauen in einem Jahr erledigen. Das heißt, Fürsorgearbeit, unbezahlte Arbeit ist noch immer eine Frage des Geschlechts. In den aller­meisten Fällen ist diese Arbeit unsichtbar und wird, weil sie im Privaten passiert, auch nicht bezahlt.

Wenn die NEOS heute, an diesem Equal-Care-Day, für ihre Aktuelle Stunde den Titel „Der Beitrag der arbeitenden Menschen in Österreich muss sich wie­der lohnen“ wählen, dann frage ich mich schon: Ja für wen denn, für wen soll sich das lohnen? (Abg. Loacker: Für die Arbeitenden! – Abg. Meinl-Reisinger: Für alle, die arbeiten!)

Deklinieren wir einmal diesen Vorschlag durch: Eine alleinerziehende Mutter (Abg. Meinl-Reisinger: Genau, deshalb Kinderbetreuung!), nennen wir sie Sophie, erhält in Teilzeitarbeit ein Bruttomonatseinkommen von 1 600 Euro – damit ist sie lohnsteuerpflichtig. Sophie hat eine siebenjährige Tochter, nennen wir sie Anna. Die beiden wohnen in Oberösterreich in einer kleinen Gemeinde: ganztägige Kinderbetreuung? – Totale Fehlanzeige. (Abg. Scherak: Das musst aber deinem Koalitionspartner sagen, Meri!) – Die letzte Ibiza­koalition im Bundesland hat dafür keine Sorge getragen. Sophie hat damit keine Chance auf eine bezahlte Vollzeittätigkeit, und was sonst in Kin­derbildungs-, in Kinderbetreuungseinrichtungen von bezahltem und dafür aus­gebildetem Personal übernommen werden würde, muss Sophie selber ma­chen. In Kombination mit dieser Teilzeitanstellung arbeitet sie wöchentlich viel mehr als Patrick, der Programmierer ist, Vollzeit tätig ist und keine Betreu­ungspflicht hat.


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Wenn ich das, was die NEOS hier unter dem Titel Vollzeitbonus vorschlagen, durchdekliniere, wird das für Sophie bedeuten, dass sie von diesem Bonus nicht nur absolut nichts hat, es wird verteilungspolitisch bedeuten, dass die allein­erziehende Mutter Sophie, die lohnsteuerpflichtige Sophie – Alleinerzieherin! –, den Lohnsteuergutschriftbetrag in Höhe von 100 Euro für einen gut verdie­nenden alleinstehenden Mann mitfinanziert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Deshalb Kinderbetreuung ausbauen! Habe Mut, Meri! Macht einmal was!)

Das beantragen Sie heute hier. Das ist zynisch. Das ist die pinke Gießkanne, die ihr hier auspackt, und das ist aus frauenpolitischer Sicht, aus verteilungspoli­tischer Sicht deshalb auch sehr klar abzulehnen.

Was diese heutige Debatte und die im Vorfeld in den vergangenen Tagen und Wochen auch medial und politisch geführte Diskussion rund um das Thema Teilzeit gezeigt hat, war ein Grundtenor, der mir gar nicht gefällt: Frauen arbeiten nicht genug; Frauen sollten mehr Vollzeit arbeiten; wer Teilzeit arbeitet, ist selber schuld oder faul. All diese Diskussionen haben einen Common Ground: Sie sehen den Mann quasi als Maßstab des arbeitenden Menschen, ei­nen Mann ohne Betreuungspflichten. Das ist so rückständig, dass ich mich wirklich fragen muss: Was außer Frauenshaming sollen denn bitte solche Diskus­sionen bewirken? (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Pfurtscheller, Reiter und Tanda. – Abg. Wurm: Bei der ÖVP haben jetzt zwei geklatscht!)

Diese Diskussionen sagen auch sehr viel über die Wertigkeit von Arbeit in unse­rem Land aus. Sie zeigen, dass wir uns nach wie vor in einem sehr patriar­chalen Arbeits- und auch Wirtschaftssystem befinden, in dem die Arbeit von Frauen, egal ob es bezahlte oder unbezahlte ist, einfach weniger gesehen und weniger wertgeschätzt wird. Dafür wird dann tatsächlich auch weniger be­zahlt. Leider blockieren Ansichten von gestern die Lösungen von heute, die auf der Hand liegen.

Interessanterweise hat heute niemand angeführt, was wir als notwendig erachten, nämlich dass wir endlich zeitgemäße Karenzmodelle brauchen, mit de­nen diese Sorgepflicht, die Sorgearbeit zwischen den Partnern fair verteilt


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wird. Männer sollen nicht einfach mithelfen, sie sollen endlich einfach ihren Teil übernehmen. Ich bin es wirklich leid, dass diese Vereinbarkeitsfragen im­mer als Frauenthema genannt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Es wäre schön, wenn ihr in der Regierung wärt!) – Es wäre schön, wenn die NEOS in Wien in der Regierung wären, Kollegin Beate Meinl-Reisinger! Ich glaube, das werden wir an­derswo diskutieren.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident: Wir leben in einem Land, in dem Steuern primär über Arbeit und Konsum, aber kaum über Vermögen generiert werden. Wer Arbeit wirklich entlasten will, der darf bei der Gegenfinanzie­rung klarerweise auch nicht auf der Bremse stehen und muss auch über Vermögensteuern nachdenken. (Beifall bei den Grünen sowie der Abge­ordneten Pfurtscheller und Strasser.)

10.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Seidl. – Bitte sehr.


10.12.18

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste und Besucher:innen im Saal und jene, die online und vor den Fern­sehbildschirmen dabei sind! Ich habe jetzt den Rednern vor allen Dingen der ÖVP, aber auch der SPÖ sehr gut zugehört, und es entsteht der Eindruck, dass man als ÖVP in den letzten 50 Jahren nicht Teil des Problems war. (Abg. Wöginger: Was für ein Problem?) Sie sind seit quasi immer in der Bundes­regierung, das gilt auch für die SPÖ, mit einigen Ausnahmen, und Sie haben jahrelang nichts dagegen getan, dass die Kosten für Arbeit steigen, die Abgabenquote eskaliert und den Menschen immer weniger übrig bleibt. (Beifall bei den NEOS.)

Sie haben jahrelang überall kleine Glutnester gelegt, und jetzt wundern Sie sich, dass die Hütte brennt?! Dann gehen Sie her und schicken die Feuerwehr aus und


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sagen: Jetzt haben wir alles erledigt, wir haben alles gemacht! – Das finde ich nicht korrekt.

Schauen wir uns die Situation im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Tourismus an, dort sind die Zahlen eindeutig, und sie sind wirklich alarmierend: Die Teilzeitquote steigt, steigt, steigt, sie geht in Richtung 60 Prozent. Auf diesem Weg sind wir. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer:innen im Tourismus sind Frauen, und daher spielt das Thema Kinderbetreuung einfach eine zentrale Rolle. Frauen haben aktuell oft nicht die Wahlfreiheit, ob sie mehr oder weniger arbeiten wollen. Sie können oft gar nicht anders, weil die Kinderbe­treuung nicht verfügbar ist.

Deswegen fordern wir ja schon seit Jahren, dass man da endlich in die Gänge kommt, aber Sie haben jahrelang geschlafen. Sie haben immer gedacht, Kinderbetreuung sei eine familienpolitische Maßnahme. Mit einem konserva­tiven Familienbild passt das natürlich nicht zusammen, aber Kinderbetreu­ung ist vor allen Dingen auch eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme. Wenn man da in den letzten Jahren einfach mehr Zug zum Tor gehabt hätte, dann wären wir jetzt nicht in dieser Situation.

Die Betreuungszeiten sind wirklich fernab jeglicher Realität. Wenn wir es in der Kleinkindbetreuung, also in der Elementarpädagogik, hinbekommen, dann haben wir das nächste Problem, sobald die Kinder in die Volksschule gehen, weil Nachmittagsbetreuung in den Schulen, insbesondere in den Regionen, die stark touristisch geprägt sind, nicht verfügbar ist.

Ich war vor ein paar Wochen in einem Tiroler Hotel, dort hat man sich selbst eine Kinderbetreuung eingerichtet, weil man gar nicht anders konnte. (Abg. Obernosterer: Gibt es aber mehrere Hotels! – Abg. Pfurtscheller: So schlimm ist das doch auch nicht, oder?!) – Natürlich gibt es mehr Hotels, die das machen, das ist auch gut so. (Abg. Obernosterer: Kooperation mit der Gemeinde!)

Manche machen das nicht nur deswegen, weil sie ein attraktiver Arbeitgeber oder eine attraktive Arbeitgeberin sein wollen, sondern weil sie müssen, weil in


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der Gemeinde, in der sie angesiedelt sind, das Angebot nicht verfügbar ist. Sie tun es auch deswegen, weil sie den Job der Bundesregierung machen. Es ist aber nicht Aufgabe der Unternehmer:innen, den Job der Bundesregierung zu machen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Ein Betriebskindergarten ist Job der Bundesregierung! Das ist ja abenteuerlich! – Abg. Pfurtscheller: Das ist eine unternehmerische Entscheidung!) Es ist der Job der Bundesregierung, Kinderbe­treuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Und wenn Betriebe Be­triebskindergärten machen, um als Arbeitgeber attraktiv zu werden, dann ist das eine Sache, wenn sie das aber machen müssen, weil sie keine anderen Be­treuungsangebote in der Region haben, dann ist das eine andere Sache. Das ist das, was ich meine. (Beifall bei den NEOS.)

Was hat die Bundesregierung letztes Jahr gemacht? – Sie hat ein Programm auf­gelegt, das Leuchtturmprojekt mit 2 Millionen Euro dotiert, sodass Betriebe im Tourismus Kinderbetreuungskonzepte erstellen und einreichen können. Das ist (Heiterkeit der Rednerin) eine ganz großartige Idee gewesen, denn was ist passiert? – Gestern ist bekannt geworden, dass es zu wenig Einreichungen gegeben hat und deswegen das Programm verlängert werden muss. Wa­rum passiert das? – Weil es nicht darum geht, Konzepte zu fördern. Es geht da­rum, da die Betriebe diese Modelle alle schon haben, den Betrieben dabei zu helfen, dass sie sie umsetzen können und dass sie sie betreiben können. Es geht nicht darum, den Betrieben zu sagen: Erstellt einmal ein Konzept und reicht es dann ein! Betriebe haben keine Zeit dafür, Betriebe machen nämlich etwas, Unternehmerinnen und Unternehmer machen etwas, was die Bundesregierung nicht so gerne tut: sie arbeiten, sie machen, sie setzen um.

Ich würde mir erhoffen, dass man, anstatt solche Konzepte zu fördern, in Zukunft einfach hergeht und sagt: Wenn Betriebe diese Leistung übernehmen, die von der Bundesregierung kommen sollte, dann nehmen wir doch lieber diese 2 Millionen Euro aus diesem Konzeptförderungsprojekt und geben sie den Unternehmer:innen zurück, damit sie den Betrieb und die Einrichtung finan­zieren können. Das kostet nämlich Länge mal Breite, und dafür gibt es


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für die Betriebe weder Unterstützung bei der Errichtung, die sehr kompliziert ist, noch beim Betrieb.

Das würde ich mir wünschen: dass die Bundesregierung in die Gänge kommt, damit auch Frauen die Chance haben, überhaupt Vollzeit arbeiten zu kön­nen, wenn sie es wollen. (Beifall bei den NEOS.)

10.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemel-det. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich danke Herrn Bundesminister Kocher sehr herzlich.

10.17.42Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Grüne Energie und Technologie für einen modernen Industriestandort Europa“

Ich freue mich, dass ich Frau Bundesministerin Gewessler herzlich begrüßen kann, und darf auch die Abgeordneten zum Europäischen Parlament Dr. Othmar Karas, MBL-HSG, Dr. Monika Vana, Theresa Bielowski, BA MA und Mag. Roman Haider recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. Sie werden sich auch zu Wort melden.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Maurer. – Bitte sehr, bei Ihnen steht das Wort. Frau Klubobfrau, Sie haben 10 Minuten.


10.18.18

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen und Zuseher! „Grüne Energie und Technologie für einen modernen In­dustriestandort Europa“, das ist das Thema dieser Aktuellen Europastunde und es ist auch das Gebot der Stunde in Europa. Es geht dabei um weit mehr als


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um die wirtschaftliche Zukunft Europas, es geht auch um Fragen unserer Unab­hängigkeit, unserer Sicherheit und unseres sozialen Zusammenhalts. In der grünen Transformation liegt der Schlüssel zu einer nachhaltigen und lebenswer­ten Zukunft für kommende Generationen.

Machen wir ein Experiment, blicken wir gemeinsam 20 Jahre voraus in eine mögliche Zukunft: Wir sind dann alle erheblich älter, es ist das Jahr 2043, Europas Wirtschaft ist gestärkt aus den Krisen der frühen 2020er-Jahre hervorgegan­gen, kann sich durch Innovation und umweltfreundliche Produktion international behaupten. Österreich hat dabei eine Vorreiterrolle eingenommen. Das gro­ße Ziel der Klimaneutralität bis 2040 wurde durch einen gemeinsamen Kraftakt vor drei Jahren erreicht, unseren Strom gewinnen wir bereits seit einem Jahrzehnt, seit über einem Jahrzehnt zu 100 Prozent aus Sonne, Wind und Wasser im eigenen Land. Das sichert unsere Versorgung mit sauberer und günstiger Energie.

Im Jahr 2043 ist die heimische Industrie hoch spezialisiert und bietet Zigtau­senden Menschen sichere Jobs – auch da ist uns der Ausstieg aus fossi­len Energieträgern gelungen –, heimisch produziertes Biogas und grüner Was­serstoff ersetzen klimaschädliches Erdgas und sorgen für eine saubere Luft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir alle können uns wohl darauf einigen, dass das eine Zukunft ist, die wir unseren Kindern und unseren Enkelkindern, die vielleicht bis dorthin geboren sind, wünschen. Die gute Nachricht lautet: Der Weg zu diesem Ziel liegt klar vor uns, wir haben ihn bereits eingeschlagen. Wir verfügen über die notwendigen Technologien für die grüne Transformation; unsere Aufgabe ist es, sie stra­tegisch klug einzusetzen, weiterzuentwickeln und ihr großes Potenzial voll aus­zuschöpfen.

Kommen wir zurück ins Heute, ins Jahr 2023: An diesem Mittwoch ist deutlich, dass ein weiter und arbeitsreicher Weg vor uns liegt. Europa braucht nicht weniger als eine energiepolitische Kehrtwende: raus aus fossilen Energieträgern,


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hin zu erneuerbaren Energien. Damit das gelingt, muss uns allen klar sein: Die großen Herausforderungen von morgen sind ganz sicher nicht mehr mit den gescheiterten Lösungen von vorgestern zu meistern. (Beifall bei den Grünen.)

Wir müssen endgültig das alte Denken überwinden, dass Ökonomie und Ökolo­gie sich nicht miteinander vertragen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Klima­schutz stärkt unsere Wirtschaft und macht sie krisenfest. Und nur mit der Umstellung der Industrie auf eine klimaneutrale Produktion stellen wir sicher, dass unsere Unternehmen auch in Zukunft eine Chance haben und konkurrenzfähig bleiben.

Spätestens seit Putins brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine und den massiven Auswirkungen auf die internationalen Energiemärkte ist der Traum vom bil­ligen russischen Gas ein für alle Mal ausgeträumt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Viel mehr noch, auch wenn es manche hier herinnen nicht glauben wollen: Er hat sich als teurer Albtraum entpuppt, in wirtschaftli­cher wie in sicherheitspolitischer Hinsicht. Auch auf lange Sicht führen fos­sile Energieträger uns immer weiter in die Sackgasse, egal, woher sie kommen.

Wir Grüne haben deshalb eine Transformationsoffensive für die heimische Industrie gestartet, mit der wir die Kehrtwende in Gang setzen. Rund 5,7 Milliarden Euro haben wir dafür langfristig im Budget verankert, an die 3 Milliarden Euro stehen beispielsweise bis 2030 für den Aufbau von klimafreundlichen Produktionsanlagen bereit; Öl und Gas werden dort endgültig abgelöst durch saubere Energieträger wie Ökostrom, grünen Wasserstoff und Biogas. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hierfür hat die Bundesregierung bereits einen Fahrplan vorgelegt, mit dem Erneuerbare-Gase-Gesetz beispielsweise, das jetzt in Begutachtung ist. Bis 2030 wollen wir damit jedes Jahr 7,5 Terawattstunden sauberes Biogas erzeugen, das dann Schritt für Schritt klimaschädliches Erdgas ersetzt. Dieses Ziel ist durchaus sportlich, aber – die gute Nachricht – es ist durchaus realistisch. Es


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braucht nur den notwendigen Willen. Gemeinsam, mit einer Zweidrittel­mehrheit, können wir diesen Schritt setzen.

Biogas ist ein wichtiger Baustein, den wir gezielt in der Industrie einsetzen können, wo es keine anderen Alternativen zu Gas gibt. Bei der Raumwärme gibt es mit Wärmepumpen oder Fernwärme effizientere Alternativen, auf sie müssen wir beim Ausstieg von Öl und Gas gezielt setzen. Mit Rekordförderun­gen konnten wir in den letzten Jahren das Tempo massiv erhöhen. Mit dem  Erneuerbare-Wärme-Gesetz können wir auch da den klaren Fahrplan zum endgültigen Ausstieg von Gasheizungen fixieren – mit dem notwendigen Willen und einer Zweidrittelmehrheit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Beim Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie haben wir die Trendwende eingeleitet. In drei Jahren mit grüner Regierungsbeteili­gung ist mehr beim Ausbau der Sonnenenergie weitergegangen als unter allen anderen Regierungen in den Jahren davor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben im Rekordjahr 2022 neue Sonnenstromanlagen mit rund 1 300 Gi­gawatt an Leistung installiert, wir haben damit erstmals die wichtige Gren­ze von 1 000 Gigawatt überschritten. Aber auf diesem Erfolg können wir uns na­türlich nicht ausruhen. Wir müssen jedes Jahr zum Rekordjahr machen, bis wir unser Ziel von 100 Prozent erneuerbarem Strom aus heimischer Produktion erreicht haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Deshalb haben wir die Rekordförderungen heuer noch einmal aufgestockt: Mindestens 600 Millionen Euro gibt es allein in diesem Jahr für neue Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Privathäusern und Firmengebäuden.

Wir müssen auch klar benennen, wo noch viel zu viel Potenzial verschenkt wird: beim Ausbau der Windkraft – und dafür braucht es selbstverständlich auch den Willen der Bundesländer. In zwei unserer Bundesländer findet demnächst


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eine Wahl statt, die in Kärnten schon nächstes Wochenende, und da ist klar: Auch Kärnten braucht die Windkraft, braucht den Wechsel zu erneuerbaren Energien. Wer ist Garant für Klimaschutz? (Abg. Hörl: Die ÖVP!) Wer ist Garant für keine Schwurbelei, die wir möglicherweise bei der gestrigen Spitzen­kandidatenrunde gehört haben, bei der vom Landeshauptmann gemeint wurde: Na ja, wir brauchen keine fixe Zahl für Windräder, sondern wir machen halt irgendwas!? – Natürlich brauchen wir eine fixe Zahl! Olga Voglauer ist die Garan­tin dafür, dass der Klimaschutz in Kärnten in den Landtag einzieht, mögli­cherweise auch wieder in die Landesregierung, und auch dafür, dass Windräder auch in Kärnten gebaut werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP. – Abg. Kassegger: Das wollt ihr von oben herab anordnen, das könnt ihr aber nicht!)

Heute bringen wir mit dem notwendigen gemeinsamen Willen im Rahmen dieses Plenums auch diese Projekte auf die Überholspur, nämlich mit einer Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, mit der unter anderem unnötige und langwierige Doppelprüfungen entfallen. Damit beschleunigen wir den Ausbau neuer Windkraftanlagen um bis zu drei Jahre und erarbeiten uns einen wertvollen Vorsprung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) Denn: Jedes einzelne Windrad macht uns unabhängiger von teuren und schmut­zigen Energieimporten, das ist uns allen klar.

Halten wir uns noch einmal kurz das Bild vom Jahr 2043 vor Augen, das ich vorhin versucht habe zu zeichnen: Wir sind alle alt, haben Kinder und Enkelkinder. Wir können dieses Ziel aus eigener Kraft erreichen, dafür müssen wir das alte Denken ablegen, das uns viel zu lange in die falsche Richtung geführt hat. Wer an einen vermeintlichen kurzfristigen Gewinn und nicht an die kommenden Generationen denkt, kann nur verlieren. Selbstverständlich kosten die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz viel Geld, aber noch viel, viel, viel, viel teurer ist es, wenn wir unser Klima nicht mit aller Kraft retten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Wer jetzt nicht handelt, verursacht nicht wiedergutzumachende Schäden an unserer Umwelt auf Kosten der Lebensqualität unserer Kinder und Enkelkin­der und letztlich auch auf Kosten der Wirtschaft in Europa. Wir Grüne wis­sen aus der Erfahrung der letzten Jahre: Der Weg in eine lebenswerte Zukunft ist nicht der Weg des geringsten Widerstandes, aber wir werden ihn beharr­lich weitergehen und auch diese Widerstände überwinden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesmi­nisterin Gewessler. Ich darf ihr das Wort erteilen; auch sie hat 10 Minuten Sollredezeit. – Bitte sehr.


10.27.38

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Die Klimakrise ist unbestritten die größte Herausforderung unserer Zeit. Sie wirkt in all unseren Lebensbereichen, sie verändert unser Land, und es ist klar: Wenn wir nicht handeln, dann wird sie zu einer existenziellen Bedrohung.

Wenn wir zurückblicken – die Frau Klubobfrau hat es schon angesprochen –, dann müssen wir ehrlich sagen: Das wurde in den letzten Jahrzehnten nicht ernst genug genommen, und zwar weder von der Politik noch von der Wirtschaft und auch von vielen Teilen der Gesellschaft nicht. Die vergan­gene lange Zeit bringt uns heute unter Druck. Einerseits ist klar: Je weiter die Klimakrise voranschreitet, umso schwieriger wird es uns allen fallen, die Folgen gemeinsam zu bewältigen. Andererseits hat das auch eine sehr starke wirtschaftliche Dimension, und vor dieser wirtschaftlichen Dimension dürfen wir die Augen nicht verschließen.

Wir sind mittlerweile mitten in einem globalen Wettkampf, nämlich einem Wettkampf, einem Wettlauf um die grünsten Produktionsweisen und um die


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klimafreundlichsten Technologien, denn die Weltmarktführerschaft, die wirtschaftliche Stärke in den kommenden Jahren wird sich nicht mehr nur an den billigsten Produktionsprozessen oder den ausgefeiltesten Produkten festmachen, sie wird daran gemessen werden, wer seine Produkte mit möglichst geringem CO2-Ausstoß auf den Markt bringt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass wir heute über diese Dimension des Klimaschutzes diskutieren, auch im europäischen Kontext diskutieren, denn wir dürfen die Augen nicht davor verschließen: In diesem Wettkampf, in diesem Wettlauf haben uns die USA und China in den vergangenen Monaten, in den vergangenen Jahren große Brocken vorgelegt, und darauf müssen wir reagieren, die müssen wir ernst nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn wir heute sagen: Wirtschaft und Klimaschutz gehen Hand in Hand, dann ist das völlig richtig, aber wir dürfen das auch nicht leichtfertig sagen, denn das ist eine Aussage, die etwas bewirkt, die eine Tragweite hat. Ja, Klimaschutz ist ein absoluter Wirtschafts- und Jobmotor, eine Chance, eine große Chance für den europäischen Industriestandort. Allein durch den Ausbau der erneuerbaren Energien werden in Österreich 100 000 Arbeitsplätze gesi­chert und neue entstehen.

Klimaschutz ist aber nicht nur für unser menschliches Überleben eine sprichwörtliche Überlebensfrage, Klimaschutz ist auch eine entscheidende Überlebensfrage für die europäische Industrieproduktion und für die europäische Technologieführerschaft. Wenn wir diese Aufgabe nicht bewältigen, wenn wir da nicht investieren, wenn wir da nicht in unsere Stärken investie­ren, dann verlieren wir diesen Wettkampf, und das gilt es zu vermeiden, weil das eine Gefahr für die wirtschaftliche Zukunft dieses Kontinents ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wo stehen wir gerade? – Sie wissen, wir haben im Klimaschutz ambitionierte Ziele: in Österreich Klimaneutralität bis 2040, Europa wird 2050 der erste


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klimaneutrale Kontinent, bis 2030 werden wir in Europa unsere Emissionen um 55 Prozent senken. Wir sehen, wir haben es noch in der Hand, mit Klima­schutz den nächsten Generationen einen intakten Planeten zu hinterlassen. Bei dieser Frage geht es aber auch darum, ob wir in unserer Union, ob wir in Europa Wohlstand, wirtschaftliche Zukunft und gut bezahlte Arbeitsplätze ha­ben. Da geht es nämlich auch um Zukunft, und diese Entwicklung hin zum Klimaschutz in der Industrie verlangt große Veränderungen – auch von der hei­mischen Wirtschaft, von der heimischen Industrie.

Wir müssen in dieser Frage einen Anspruch haben. Wir sind in Europa gefordert, diese Entwicklung nicht einfach mitzumachen oder ihr hinterherzuhoppeln. Wir müssen in Europa einen Anspruch haben: Unsere Unternehmen sollen diese Entwicklung gestalten, vorantreiben, unsere Unternehmen sollen festlegen, wie eine klimafitte, eine grüne Wirtschaft aussieht. Sie müssen die Standards der klimafreundlichen Produktion definieren und dafür sorgen, dass andere Staa­ten sich an uns orientieren und nicht umgekehrt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir müssen und wir können den Klimaschutz zu unserem Wettbewerbsvorteil machen. Noch können wir das Rennen gegen China und die USA gewinnen. Beide Staaten investieren gerade sehr viel Zeit, sehr viel Geld, und die Zeit, die wir haben, ist knapp. Die USA fordern uns mit dem größten Klimainvesti­tionspaket, das dieses Land je gesehen hat, heraus, schaffen damit eine enorme Sogwirkung auf Unternehmen, auf europäische Expertise. China hat sich in manchen für uns strategisch wichtigen Wertschöpfungsketten eine dominie­rende Rolle erarbeitet. Wir erleben gerade sehr schmerzlich, was einseitige strategische Abhängigkeit bedeutet, aber wir haben es in der Hand, dem etwas entgegenzusetzen, und wir werden das in der Europäischen Union zu einem zentralen Thema in diesem Jahr machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mit ihrem Green-Deal-Industrial-Plan einen Schritt in diese Richtung gesetzt. Das ist eine notwendige


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und eine wichtige Antwort auf den Inflation-Reduction-Act in den USA. Wir haben gesehen, dass wir gerade im Wettbewerbsrecht unsere Möglichkeiten erweitern müssen, um Klimaschutztechnologien entschieden voranzutreiben und auch strategisch wichtige Produkte wieder im großen Stil in Europa zu etablieren.

Eine erste Antwort, die wir darauf gegeben haben, waren die Ipcei, die Important Projects of Common European Interest, die es uns ermöglichen, in strate­gisch wichtigen Bereichen, wie beim Thema Wasserstoff, beim Thema Batterien, bei Halbleitern, beihilferechtlich großzügiger zu agieren und damit viel in Be­wegung zu bringen.

Schauen wir uns nur das Thema Batterien an: 42 Unternehmen mit 46 Projekten aus zwölf Mitgliedstaaten arbeiten an diesem Ipcei-Projekt mit; 9 Milliarden Euro Investitionen von privater Seite, 2,9 Milliarden Euro aus staatlichen Beihil­fen, auch Österreich fördert da. Da geht es um Fragen betreffend den Ab­bau von Rohstoffen, der nachhaltig passieren muss, über die Batteriezellproduk­tion bis zur Integration und zum Recycling.

Ja, es geht um die ganze Wertschöpfungskette, und ja, wir haben Optimierungs­bedarf in den Projekten, auch da braucht es schnellere Verfahren, aber ja, wir sehen, wir können viel bewegen, wenn wir zusammenarbeiten und uns in Be­zug auf strategisch wichtige Wertschöpfungsketten, wie die Batterieproduk­tion eine ist, zusammenreißen und gemeinsam diese PS und wirtschaftliche Stär­ke auch auf Schiene bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dazu brauchen wir auf europäischer Ebene, und auch das wird ein Thema sein, Veränderungen im Beihilfenrecht. Die Kommission hat Veränderungen auf der europäischen Ebene angekündigt, sodass wir eben Möglichkeiten haben, beim Bau von Wechselrichtern, von PV-Produktionsanlagen oder wo immer es notwendig ist, zu unterstützen. Ich bin da auch sehr offen, sage ich in diesem Rahmen, Erleichterungen im Beihilfenrecht zu schaffen, aber mit


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einer Bedingung: dass wir das Beihilfenrecht dann auch europäisch ein­heitlich wieder streng einhalten und nicht einen Subventionswettlauf unter den Ländern, den wir schon überwunden geglaubt haben, neu eröffnen. Es ist wichtig, dass die gleichen Regeln für alle gelten und dass sie dann auch wieder genau überprüft werden.

Neben den Ipcei brauchen wir Mittel für die industrielle Transformation. Die schaffen wir in Österreich. Mit dem Aufbau- und Resilienzplan haben wir 100 Millionen Euro für die produzierende Wirtschaft zur Verfügung gestellt, da hat am Dienstag der zweite Call gestartet. Das Geld kommt nicht ohne Auf­lagen: Die Industrie muss auch nachweisen, dass im Projekt Emissionen einge­spart werden. – Das ist einer der Bausteine, die wir dafür brauchen.

Um zusammenzufassen: Was brauchen wir? – Wir müssen in den Klimaschutz investieren, das tun wir mit der Transformationsoffensive in der Industrie mit fast 3 Milliarden Euro; wir müssen das auch EU-weit entsprechend tun. Wir müssen grüne Innovation fördern – das bedeutet bei uns: 210 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung für eine klimaneutrale Industrie. Wir müs­sen unsere Finanzströme grün gestalten – das heißt: raus aus den fossilen Altlasten, rein in Investitionen in umwelt- und klimafreundliche Anlagen. Dabei hilft eine glaubwürdige Taxonomie, dafür kämpfen wir auch auf europäi­scher Ebene. Ausbeutung von Mensch und Natur darf sich nicht lohnen, ganz im Gegenteil: Wenn wir Lieferketten zurück nach Europa holen, brauchen wir einheitliche Sozial- und Umweltstandards. Wir müssen die Energiewende weiter vorantreiben: rein in die Erneuerbaren, raus aus dreckigem Öl und Gas und damit auch wieder rein in günstige Energiepreise. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei all dem – und damit möchte ich auch zum Schluss kommen – dürfen wir aber vor allem eines nicht sein: Wir dürfen nicht naiv sein. Die Zeit vermeintlich billigen russischen Gases ist vorbei, wir haben uns viel zu lange darauf ausgeruht. Unsere Stärke in Europa müssen smarte und effiziente Produkte und


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Produktionsweisen sein, unsere Stärke müssen die Erneuerbaren und die Zusam­menarbeit mit einer Vielfalt von Importpartnern für Energie statt einseitigen Abhängigkeiten sein. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Schnabel.)

Unsere Stärke in Europa müssen wir schützen. Wir müssen uns dort, wo wir an­greifbar sind, besser schützen. Das heißt natürlich auch, dass wir im Strommarktdesign dafür sorgen müssen, dass wir nicht mehr so leicht durch politische Manipulationen eines Autokraten in Russland erpressbar sind, sondern – im Gegenteil – dass die Vorteile der Erneuerbaren in Gestalt von günstigeren Preisen bei den Menschen, bei den Unternehmen ankommen. Das war das zentrale Thema der letzten beiden Tage beim Rat der Energieminis­terinnen und -minister.

Wir müssen einseitige Abhängigkeiten in der Produktion abbauen. Der Chips Act auf europäischer Ebene war ein Schritt. Vielleicht brauchen wir auch einen
Heat-Pump-Act oder einen PV Act für die Fotovoltaik, um dem etwas entgegen­zusetzen. Wir müssen Infrastruktur bauen und sie auf unsere neuen Bedürf­nisse ausrichten. Und ja, bei all dem brauchen die Unternehmen Plan­barkeit, aber ich kann allen sagen: Das mit dem Klimaschutz, das geht nicht mehr weg, das bleibt – das bleibt in Österreich, das bleibt in Europa, das bleibt global. Entweder wir stellen unsere Wirtschaft darauf ein und entspre­chend um oder wir werden abgehängt, und das gilt es zu verhindern. Es gilt alle Weichen dafür zu stellen, dass es uns gelingt, uns da auch an die Spitze zu stellen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Eines muss uns klar sein: Wir werden nicht mehr viele Chancen dafür bekom­men. Die billigsten Produkte kommen schon lange nicht mehr aus Europa, die billigsten Produkte kommen aus Asien. Die Produktion von Mikrochips pas­siert vor allem in den USA und in Taiwan. Ja, auch beim Auto hat man mitt­lerweile schon das Gefühl, dass uns chinesische Technologiekonzerne
und US-Startups bei der Entwicklung von modernen und effizienten E-Autos davonlaufen. Aber: Umwelttechnologien, grüne Produktionsweisen, klima­freundliche Produkte, das ist eine europäische Domäne. Da sind wir stark, da


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sind wir vorne, und das dürfen wir uns nicht nehmen lassen. Das wirtschaftliche Rennen um Net-Zero Industry hat begonnen. Stehenbleiben und Zögern sind keine Option. Jetzt ist die Zeit, Entscheidungen zu treffen, und zwar in den Unternehmen und in der Politik. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass es die österreichischen Unternehmen sind, in denen der klimafreundlichste Stahl produziert wird, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der Wechselrichterproduktion erhalten, die­se Technologie in die Welt exportieren, dass die Autozulieferindustrie fit für den technologischen Wandel ist, dass wir klimaneutralen Zement produzieren, Häuser aus klimaneutralen Ziegeln bauen und bei all diesen Veränderungen si­cherstellen, dass wir die Menschen, die in den Betrieben arbeiten, dabei ha­ben, indem wir sie ausbilden, indem wir sie umschulen, indem wir sie wei­terbilden, ihnen gute Arbeitsverhältnisse und eine Perspektive bieten.

Damit uns das gelingt, sehr geehrte Damen und Herren, braucht es Mut, braucht es Entschlossenheit, und die sollte uns in Europa gerade jetzt nicht fehlen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Ich darf als nächsten Redner Herrn Abgeordneten Schnabel ans Rednerpult bit­ten. 5 Minuten stehen ab jetzt zur Verfügung. – Bitte sehr.


10.40.14

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher im Parlament! Da das meine erste Rede im neuen Haus ist, begrüße ich Sie auf der Galerie ganz besonders, vor allem die Gäste aus der Südsteiermark: Herzlich willkommen in Wien! Es freut mich, dass Sie hier sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von SPÖ und FPÖ.)


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Das Thema der Aktuellen Europastunde ist: „Grüne Energie und Technologie für einen modernen Industriestandort Europa“. Über dieses Thema heute zu diskutieren ist deshalb so wichtig, weil im Jänner dieses Jahres die Temperatur in Österreich 3 Grad über dem langjährigen Durchschnitt lag. Es ist auch deshalb wichtig, darüber zu diskutieren, weil vor allem der Ukrainekrieg eine Zä­sur bedeutet hat und die Abhängigkeit von fossiler Energie sowie deren Preis­instabilität aufgezeigt hat. Es ist auch deshalb so wichtig, jetzt darüber zu diskutieren, weil nun viele Entscheidungen gefallen sind und fallen werden, näm­lich auf europäischer Ebene. Wir sind jetzt an einer Kreuzung angelangt, was die europäische Industrie betrifft: Gelingt es Europa, industrialisiert zu blei­ben, sich vielleicht auch zu reindustrialisieren, oder – wenn es falsch ge­macht wird – läuft Europa Gefahr, sich zu deindustrialisieren? (Abg. Kassegger: Zweiteres! Zweiteres, wenn ihr so weitertut!)

Es zeigt sich in vielen Studien und Unterlagen, dass es, damit wir in Zukunft eine nachhaltige wettbewerbsfähige Industrie in Europa haben, drei Komponen­ten braucht: einen massiven Ausbau – die Frau Ministerin hat das schon mehrfach genannt – der erneuerbaren Stromproduktion, Wasserstoff – rein oder auch weiterverarbeitet (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) – und Ge­schwindigkeit.

Als neuer Wasserstoffsprecher der ÖVP möchte ich vor allem dieses The­ma herausgreifen, denn Wasserstoff hat sehr viele flexible Einsatzmöglichkeiten über viele Sektorgrenzen hinweg, ist ein nachhaltiger Ersatz für Erdgas und Erdöl und kann auch für die Energiespeicherung essenziell sein. Die Frau Minis­terin hat schon die globale Dimension – mit China, mit Amerika – angespro­chen. Amerika investiert mit dem Inflation-Reduction-Act 750 Milliarden
US-Dollar. Da gilt es vor allem aus europäischer Sicht entsprechend aktiv dage­gen aufzutreten. Green Deal, REPowerEU, RED II, die EU-Notfallverord­nung für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Ipceis, der Green-Deal-Industrial-Plan, all das sind wichtige und große Maßnahmen, die in den letzten Jahren gesetzt wurden.


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Wichtig ist aber vor allem die Geschwindigkeit, und da muss ich den deutschen Wirtschaftsminister Habeck zitieren, der sagte: In den USA geht „alles ra­send schnell, während wir“ noch dreimal „prüfen, ob wir auch alles richtig bean­tragt haben“. (Zwischenruf des Abg. Rauch.) – Das ist schon ein Auftrag für Europa. Liebe Frau Ministerin, nehmen Sie das mit, dass wir unsere Bürokratie verschlanken müssen, um da mit entsprechender Geschwindigkeit dabei sein zu können. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für den Wasserstoffsektor haben wir einen großen Vorteil: Wir sind da europaweit und auch weltweit führend in der Technologie, wir haben viele Patente. Da gilt es dranzubleiben und auch die richtigen Schritte zu setzen. Wir brauchen Investitionssicherheit und auch da den Abbau der bürokratischen Hürden.

Ich muss es ansprechen – wir haben es auch schon im Umweltausschuss bespro­chen –, ich kann den Ausdruck meines Unverständnisses nicht zurückhalten, wenn es darum geht, wie die Europäische Union, in diesem Fall die Europäische Kommission, grünen Wasserstoff definiert. Die Additionalität bedeutet, dass grüner Wasserstoff nur quasi aus zusätzlichem grünem Strom produziert werden kann – oder aus Atomstrom, und das ist leider eine große Fehlentwicklung. Es gibt nämlich auch noch eine gebietsweise Einschränkung. Durch diesen Pro­duktionsvorgang, diese Deklarierung ist Österreich klar benachteiligt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Ministerin, was sollen wir in Österreich tun? – Ich bitte Sie wirklich, da noch einmal nachzusetzen, denn das ist für den Wirtschaftsstandort Österreich ein klarer Nachteil.

In Österreich haben wir seit vergangenem Jahr die Wasserstoffstrategie. Es gab vor Kurzem den Wasserstoffgipfel mit Hydrogen Austria in Tirol. Wir sind in der Umsetzung, was das Wasserstoffthema betrifft. Wir haben auch gute regio­nale Initiativen in Niederösterreich mit dem Freistaat Bayern und viele tolle Forschungseinrichtungen, die auch in Europa an der Spitze stehen und dement­sprechend Österreich mit Patenten versorgen.


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Ich bitte Sie aber auch, Frau Ministerin, die noch offenen Förderungen im Be­reich des Wasserstoffs aus dem EAG auf Schiene zu bringen, den Wasser­stoffbeirat zu installieren und vor allem, was den Wasserstoffimport betrifft – denn auch der wird notwendig sein –, die Wasserstoffimportstrategie aufzustellen und strategische Lieferketten aufzustellen und abzuschließen.

Ich komme zum Schluss: Wir haben auf europäischer und auf österreichischer Ebene – das wurde auch schon genannt – viel unternommen, um die Industriebetriebe und die Wirtschaft im Allgemeinen in diese industrielle Evo­lution überzuführen, damit sie CO2-frei produzieren können. Als Wasser­stoffsprecher der ÖVP-Fraktion bin ich der Überzeugung, dass gerade das kleinste Atom einen gewichtigen Beitrag zur Energiewende leisten kann.

Jetzt nehme ich zum Schluss Frau Blimlinger als Beispiel und nehme auch einen Satz heraus: kein Klimaschutz ohne Wasserstoff! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Schwarz.)

10.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Herr. – Bitte.


10.45.58

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich freue mich sehr, dass wir heute über Industriepolitik sprechen, denn wir müssen uns die Frage stellen: Welche Güter erzeugen wir überhaupt?, und vor allem: Wie? – Lange Zeit hat man sich ja politisch diese Frage gar nicht mehr gestellt. Man ist da dem Dogma des freien Marktes aufgesessen, und es wurde dort produziert, wo die Produktionskosten eben niedrig waren und die Gewinnspanne sozusagen am größten war.

Das hat oftmals bedeutet, dass dort produziert wurde, wo die Löhne am nied­rigsten waren, wo die Ausbeutung der Menschen am höchsten war, wo ge­ringe Sicherheitsstandards geherrscht haben oder Umweltschutzauflagen inexistent waren – viele Gründe also, die wir ja gar nicht gutheißen können.


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Diese Auslagerung der Produktionskapazitäten hat uns abhängig gemacht – abhängig von China, abhängig von Taiwan, abhängig teilweise von Indien. In guten Zeiten fällt einem das vielleicht sogar gar nicht auf, aber in schlechten Zeiten, wenn die Lieferketten einbrechen und die Waren plötzlich ausge­hen, dann spüren wir es.

Nehmen wir nur das Beispiel Medikamente her: In Österreich waren zu Beginn des heurigen Jahres – heuer, im Jänner 2023 – mehr als 500 Medikamente nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt verfügbar, weil sie nicht mehr geliefert wurden. Da geht es bitte um Medikamente, da dürfen wir nicht abhängig sein, da müssen wir uns selbst versorgen können! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kaniak.)

Die Europäische Union muss sich schlicht die Frage stellen: Welche Produktion ist notwendig?, und diese auch selbstbewusst zurückholen, einfach nur um auch Versorgungssicherheit garantieren zu können. Es braucht eine selbstbe­wusste Politik, die nicht zulässt, dass all diese Fragen einfach an den freien Markt delegiert werden.

Wenn wir heute über Klimaschutzpolitik sprechen, dann gilt dasselbe: Woher kommen die Solarpaneele, die wir auf unsere Dächer montieren? (Abg. Kassegger: Genau!) – Hauptsächlich aus China. Woher kommen die Rohstoffe, die wir dafür brauchen? – Aus der ganzen Welt. Deshalb gilt auch, Frau Ministerin: Wenn wir über erneuerbare Energie sprechen, dann müssen wir sa­gen, es gibt Rohstoffe, die dafür unabdingbar sind – Lithium, Kobalt, Man­gan, Nickel (Abg. Kassegger: Wo kommt das her?), seltene Erden und so weiter und so fort (Abg. Kassegger: Wo kommt das her?) –, und da besteht jetzt schon eine hohe Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen (Abg. Kassegger – nickend –: Richtig!), nach denen der Bedarf mit zunehmender Elektrifi­zierung ja noch zunehmen wird. (Abg. Kassegger: Richtig!) Wir müssen jetzt über strategische Rohstoffreserven sprechen – jetzt, bevor es zu spät ist – und dürfen nicht wieder auf die nächste Krise warten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: ... eine neue Abhängigkeit!)


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Wenn wir das tun, dann brauchen wir endlich faire Lieferketten. Es muss die Einhaltung der Menschenrechte, es muss die Einhaltung der Umweltrechte entlang der gesamten Lieferkette endlich garantiert werden! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen dazu zwingt, dass ent­lang der gesamten Lieferkette – vom Abbau der Rohstoffe bis hin zum Recycling – die gesamte Lieferkette in Ordnung sein muss. Es hat nämlich gar nichts mit Umweltschutz zu tun, wenn für den Abbau von seltenen Erden, die wir dann in unseren Batterien, in unseren Akkus verwenden, ganze Landstri­che in Afrika verwüstet werden. Es hat überhaupt nichts mit Klimaschutz zu tun, wenn für den Abbau von Lithium in Südamerika ganze Regionen aus­trocknen und vor Ort dann an Wasserknappheit gelitten wird. Wir können keine bessere Industrie aufbauen, wenn sie auf der Ausbeutung von Mensch und Natur in anderen Regionen dieser Welt basiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass sich zuletzt die österreichische Bundesregierung, vertreten durch Arbeitsminister Kocher, erneut wieder aufseiten der Zauderer und Zögerer auf EU-Ebene positioniert hat und nicht für ein weitreichendes Lieferkettenge­setz gestimmt hat, das ist abzulehnen. Das ist ganz klar zu verurteilen. Wir brauchen endlich faire Lieferketten.

Frau Ministerin – ich habe Ihnen aufmerksam zugehört –, wenn wir diese modernen Technologien schaffen wollen, dann muss uns natürlich auch klar sein, dass die nicht länger auf fossiler Energie beruhen dürfen. Wir müssen uns so schnell wie möglich aus der Abhängigkeit von Gas, von Öl und von Kohle befreien. Aber dafür muss auch Österreich seine Hausaufgaben machen. Das Energieeffizienzgesetz: 800 Tage ausständig! Das Klimaschutzgesetz: 800 Tage ausständig! Wir warten immer noch auf Verordnungen zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Gewessler.) Das haben wir vor eineinhalb Jahren beschlossen und die Verordnungen sind immer noch nicht da! (Zwischenruf bei den Grünen.) Es braucht endlich einen wirklichen Turbo, was den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft. (Beifall bei der SPÖ.)


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Für all diese Maßnahmen, auf die wir jetzt schon so lange warten, braucht es auch die Arbeiter und Arbeiterinnen, die diese Energiewende tatsächlich auf den Boden bringen können. Wir sprechen immer von mutigen Zielen: Welche Fachkräfte sollen denn all das umsetzen? Wer soll denn die Fotovoltaikanlage aufs Dach bringen? (Beifall bei der SPÖ.)

Die Arbeitskräfte fehlen derzeit. Wir als SPÖ haben einen Plan für 20 000 Kli­maarbeitsplätze, den wir sofort angehen könnten, vorgelegt. Bitte setzen Sie ihn endlich um! Wir brauchen die Fachkräfte, die die Energiewende tatsäch­lich auf den Boden bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Abgeordnete zum Europäischen Parlament Roman Haider. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


10.51.22

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsi­dent! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Offensicht­lich findet die österreichische Linke inzwischen Gefallen daran, sich beim Thema Energiepolitik zu blamieren. Bei der europapolitischen Stunde vor einem Mo­nat war die SPÖ auf der Suche nach irgendwelchen dubiosen Energiespe­kulanten, weil sie die unangenehme Wahrheit zu den Preissteigerungen einfach nicht hören wollte – weil die Preissteigerungen hausgemacht sind und die SPÖ überall mitgestimmt hat (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), bei den Sanktio­nen, beim EU-CO2-Zertifikatehandel, beim EU-Förderverbot für Biomasse­anlagen und bei der österreichischen CO2-Steuer. Das sind auch die wahren Gründe für die Preissteigerungen; und natürlich nicht zu vergessen die rot-schwarze Packelei bei den österreichischen Energieversorgern, bei der EVN und der Wien Energie! (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Heute haben also die Grünen eine Aktuelle Europastunde mit dem Titel „Grüne Energie und Technologie für einen modernen Industriestandort Europa“


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beantragt. (Abg. Kassegger: Das ist ein Oxymoron!) Na ja, meine Damen und Her­ren von den grünen Windradfetischisten, da werden Sie sich entscheiden müssen: entweder moderne Industrie oder grüne Technologie. – Entweder oder, meine Damen und Herren, beides zusammen wird es nämlich nicht spielen!

Es ist überhaupt keine Frage, es wär eine tolle Sache, wenn wir unseren Energiebedarf völlig mit erneuerbaren Energien decken könnten. Ich selbst heize mein Haus seit 24 Jahren mit einer Wärmepumpe, mir war die Umwelt immer schon viel wert. 100 Prozent aus erneuerbaren Energien wären fein – wä­ren, Konjunktiv, das spielt es nämlich nicht, das funktioniert leider nicht. Genauso wenig, wie man mit Genderwahn die Gesetze der Biologie außer Kraft setzen kann, genauso wenig kann man mit Klimawahn die Gesetze der Phy­sik außer Kraft setzen. Allein mit Solar- und Windenergie werden wir unsere Stromnetze nicht aufrechterhalten können. (Beifall bei der FPÖ.)

15 Prozent der heimischen Stromerzeugung kommen aus Gaskraftwerken, zu Spitzenzeiten sind es sogar 40 Prozent. Die brauchen wir leider. Mir wäre es auch anders lieber, aber ich bin halt Realist und nicht ideologisch verblendet. (Abg. Bayr – erheitert –: Der war gut!) Und wenn Sie ganz Europa mit Wind­rädern zupflastern: Darüber kommen auch Sie nicht hinweg. Inzwischen hat das ja sogar Frau Thunberg erkannt, die jetzt gerade in Norwegen gegen – gegen! – einen Windpark demonstriert. Sogar die ist inzwischen schon weiter als die österreichischen Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht bereit, Europa wegen eines ideologischen Wahns zu deindustrialisieren. Ich bin nicht bereit, wegen dieses Wahns Euro­pas wirtschaftliche Grundlagen zu vernichten (Zwischenruf des Abg. Schwarz), nur damit dann die Chinesen mit ihren 200 – 200! – neuen Kohlekraftwerken (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schwarz) dankend die europäische Produktion übernehmen. Das wird nämlich das Resultat Ihrer Klimapolitik und Ihrer Energiepolitik sein. Wir werden in Zukunft Produkte aus schmutzigen chine­sischen Fabriken kaufen, die mit Kohlestrom versorgt werden. So schaut es aus! (Abg. Kassegger: Das tun wir jetzt schon!)


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Wissen Sie, welche Auswirkungen Ihre desaströse Energiepolitik noch hat? – Die Renaissance der Atomkraft in Europa. Das ist das Werk der angeblichen grünen Umweltschützer. Sie führen Europa quasi in eine strahlende Atomzukunft – gratuliere recht herzlich, die Atomlobby dankt schön und reibt sich die Hände. (Beifall bei der FPÖ.)

Worum geht es denn den Grünen wirklich? (Abg. Schwarz: Da bin ich jetzt gespannt ...!) Man muss da nur ein bisschen tiefer graben, dann merkt man ganz schnell, worum es den Grünen wirklich geht. Den Grünen geht es nicht um einen modernen Industriestandort Europa, aber wo! Die Beraterin von Frau Mi­nisterin Gewessler, Frau Katja Diehl aus Deutschland, hat es vor Kurzem ja ganz offen und ehrlich ausgesprochen: Wir nehmen den Deutschen den Traum vom Eigenheim und vom eigenen Auto!

Ja, Frau Minister, da muss man Ihrer Beraterin ja durchaus dankbar sein, die lässt die Maske fallen, die versteckt sich nicht hinter Phrasen vom modernen Industriestandort. Die sagt es ganz klar und deutlich: kein Auto, kein Eigenheim mehr! Die spricht ganz offen aus, was Sie sich offensichtlich insgeheim denken. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.)

Eines ist jedenfalls klar: Werden diese grünen Wahnideen umgesetzt, gibt es keinen modernen Industriestandort Europa mehr, dann gibt es überhaupt keinen Industriestandort. Sie arbeiten in Wahrheit daran, dass es keinen Indus­triestandort mehr gibt. Ihre Politik ist umweltfeindlich, Ihre Politik ist innova­tionsfeindlich und Ihre Politik ist wirtschaftsfeindlich, und aus diesem Grund ist Ihre Politik auch bürgerfeindlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

10.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete. (Abg. Leichtfried: Was ein Ausflug nach Mos­kau für Erkenntnisse bringt!)



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10.56.38

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier – besonders viele sind heute hier, das ist sehr erfreulich – und auch zu Hause! PsP – nein, ich meine nicht die Spielkonsole, ich zitiere einen Slogan der Grünen von 2008 –: „Pellets statt Putin“. – 15 Jahre ist das her. Damals wurden wir als wirtschaftlich ahnungslos belächelt, wir hätten keine Ahnung von der Wirtschaft. Aber es hat sich bewahrheitet: Schon da­mals wollten wir raus aus dieser Abhängigkeit von Putins Gas (Abg. Steger: Da hat sich nichts geändert!) und rein in die erneuerbaren Energien (Abg. Kassegger: Hat sich nichts geändert!) und damit eine Transformation der Wirtschaft hin zu ei­ner CO2-neutralen Wirtschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Unsere Forderungen basierten immer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ziel war und ist langfristiges wirtschaftliches Wachstum, gesundes Wachs­tum. Das ist auch in Österreich schon angekommen. Die EU hat gute Rahmenbedingungen gesetzt, beispielsweise durch das Emissionshandelssystem, den Green Deal und den Aufbaufonds der EU im Rahmen der Coronakrise.

Wir haben in den letzten Jahren hier vieles umgesetzt und holen auf. Ja, wir leiden noch unter Abhängigkeiten. Ich erwähne nur den OMV-Deal, mit dem wir möglicherweise noch viele Jahre an Russland gebunden sind – das sind Alt­lasten. Aber nichtsdestotrotz: Wir lösen uns durch die richtigen Schritte von dieser Abhängigkeit, beispielsweise den Transformationsfonds. Wir inves­tieren 3 Milliarden Euro in eine CO2-neutrale Produktion, Technologie in Österreich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt aber auch viele weitere Förderungen wie die Umweltförderungen oder auch die ökosoziale Steuerreform. Viele Bausteine sind da in den letzten Jahren gelegt und auch zahlreiche Gesetze beschlossen worden.

Die USA ziehen mit dem Inflation-Reduction-Act nach. Sie investieren in die Erneuerbaren, in die Erzeugung von Batterien, in Elektroautos. Manche


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sagen: Oje, jetzt droht von dort Gefahr! – Ich sage: Ganz im Gegenteil, wir haben eine Mitstreiterin in den USA im Kampf gegen diese Klimakrise. Das ist wirklich zu begrüßen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir müssen aber mehr tun. Dieser sozusagen neue Mitbewerber auf dem Spielfeld bedeutet, wir müssen noch mehr tun – und das tun wir auch: Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, also die­se UVP-Novelle, die wir beschlossen haben. Und bei der Novelle des Erneu­erbaren-Wärme-Gesetzes, beim Bundes-Energieeffizienzgesetz, da bin ich sehr zuversichtlich – ich schaue in Richtung SPÖ –, dass da bald etwas gelingt.

Auch die EU setzt sozusagen neue Maßstäbe, sie intensiviert die Anstrengungen durch den Industrieplan für den Grünen Deal. Vier Schwerpunkte möchte ich hier nennen:

Rechtliche Rahmenbedingungen vereinfachen: In Österreich haben wir da durch die UVP-G-Novelle schon etwas vorgelegt, also Vereinfachungen in den Rah­menbedingungen beim Ausbau.

Besserer, rascherer Zugang zu Finanzmitteln: Das ist etwas, das mir – zum Beispiel im Rahmen der Ipceis – immer wieder zugetragen wurde, auch da sollen Verbesserungen kommen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Bessere Kompetenzen: Da geht es um den Arbeitsmarkt. In Österreich haben wir Just Transition beschlossen, das bedeutet, Arbeitskräfte für neue Technolo­gien aufzurüsten. Auch da kommt Unterstützung und vermehrter Druck aus Europa, das ist gut so.

Und als letzten Punkt: Resiliente Lieferketten und Wertschöpfungsketten in Europa. Wenn wir davon sprechen, dass wir gewisse pharmazeutische Produkte nicht mehr bekommen: Ja, genau, da müssen wir hinschauen, da müssen wir investieren – und das passiert auch.

Beispielsweise wurde gerade gestern vorgestellt: 600 Millionen Euro gibt es in den kommenden drei Jahren – also bis 2026 – für KMUs für Forschung


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und Technologieentwicklung in den Bereichen Life Sciences, aber auch Halblei­ter und Automotive, also in den Bereichen, von denen wir wissen, dass wir aufholen, noch mehr tun müssen. „Heute schon an morgen denken“, das ist so­gar aus der Wirtschaftskammer gekommen. – Das finde ich gut.

Zum Abschluss: Wir sind in Österreich nicht auf einer Insel der Seeligen. Wir können das nur gemeinsam mit der EU, im Rahmen der EU schaffen. Gemeinsam sind wir stärker. Das hat in den vergangenen 30 Jahren – seit 1995 sind wir in der EU, aber 30 Jahre im europäischen Binnenmarkt – für Österreich wirklich eine tolle Entwicklung bedeutet. Im Rahmen dieser EU können wir auch die Herausforderungen der Klimakrise meistern und in Bezug auf die Bekämpfung der Klimakrise mit Innovationen, Technologien an die Spitze kommen – und das wollen wir. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.02


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppel­bauer. – Bitte.


11.02.37

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ein besonders herzlicher Gruß auch an die NEOS-Gruppe aus Oberösterreich! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) Der Titel dieser heutigen Europastunde „Grüne Energie und Technolo­gie für einen modernen Industriestandort Europa“ betrifft wirklich einen be­sonders wichtigen Punkt. Ich bedanke mich auch tatsächlich, dass Sie das aufs Tapet gebracht haben. Es ist ein ganz wichtiges Thema.

Insbesondere die Energiepolitik ist ein wesentliches Fundament für eine innovative Industriepolitik. Wir alle und vor allem wir NEOS  wünschen uns ein starkes Europa. Wir wünschen uns ein Europa mit einer wehrhaften Demokratie, wir wünschen uns ein Europa, das für Frieden, für sozialen Frieden steht und vor allem auch für einen Wohlstand, den wir uns gemeinsam erarbeiten. Wir wünschen uns auch ein entschlossenes Europa, um die Klima­politik voranzutreiben.


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Das sind unglaublich wichtige Punkte, aber, das muss ich eben sagen, gerade bei der Energiepolitik hätten wir es eigentlich auch selber in der Hand. Da ist nämlich nicht nur die europäische Ebene gefordert, es ist vor allem auch die na­tionale Ebene gefordert, es sind die Mitgliedstaaten gefordert, um tatsäch­lich auch ins Tun zu kommen.

Statt konsequent, statt wirklich konsequent die Energiewende voranzutreiben, ist es natürlich bequemer, Verantwortlichkeiten auf die Europäische Union abzuwälzen oder auch, wie wir es gerade vom Kollegen Haider gehört haben, einfach auch auf die EU zu schimpfen. Das ist natürlich leichter, man kann es so machen, aber es bringt nichts.

Zur Erinnerung: Die EU ist nämlich nicht schuld daran, dass willfährige Politi­ker:innen und Manager in teilstaatlichen Konzernen  da schaue ich in alle politischen Richtungen der Großparteien  die Abhängigkeit von russischem Gas in den letzten zehn Jahren massivst erhöht haben. Ein Ex-Kanzler Kern hat den Russen den roten Teppich ausgerollt, ein Ex-Kanzler Kurz ist daneben gesessen, hat das sozusagen gecheert und den roten Teppich für Putin ausgerollt, als Seele diese Knebelverträge, diese unglaublichen Verträge, aus denen es jetzt so schwierig herauszukommen ist – wobei wir alle ja nicht wissen, was drinnen steht –, unterschrieben hat.

Und bei der FPÖ weiß man, ehrlich gesagt, gar nicht mehr, wo man anfangen soll. Es ist ja wirklich spannend, was Kollege Haider mit „ideologisch verblendet“ bezeichnet, also ich weiß es nicht. Ich finde es tatsächlich ideologisch verblen­det, wenn Abgeordnete – jetzt sehe ich Kollegen Kassegger gerade nicht, vorhin ist er noch in der ersten Reihe gesessen – 2016 noch auf die Krim reisen und dort sozusagen für russische wirtschaftliche Zuständigkeiten und Ver­einigungen kämpfen. Also das finde ich wirklich ideologisch verblendet und nichts anderes. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Schnabel. Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich muss auch sagen, dass es auch kein EU-Problem ist, dass seit Jahrzehnten der Ausbau der Erneuerbaren in Österreich stockt. Die EU kann vor allem auch


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nichts dafür, dass der Ausbau der Netze in Österreich vollkommen hintenan­steht. Wir alle wissen es: Je mehr erneuerbare Energie produziert wird, desto mehr müssen natürlich auch die Netze fit gemacht werden. Das hat man in den letzten Jahren sträflichst, wirklich sträflichst vernachlässigt, mit dem Resultat, dass jetzt halt tatsächlich mehr Energie aus Fotovoltaik und aus Wind kommt, aber nicht eingespeist werden kann. Auch das ist etwas, wofür die EU gar nichts kann, das ist alles hausgemacht.

Dass sich die Bundesregierung jetzt seit drei Jahren nicht auf ein Bundes-Energieeffizienzgesetz oder auf ein Klimaschutzgesetz einigen kann, auch dafür kann tatsächlich die Europäische Union nichts. Dazu möchte ich weil Sie, Frau Ministerin, gesagt haben, wie wichtig die Batterieproduktion in Österreich ist  noch einen Punkt sagen: Ja, das ist sie. Wenn wir aber dann Umwelt­schutzorganisationen haben, die sich zum Beispiel dagegen wehren, dass in Kärnten Lithium abgebaut wird  essenziell für Batterien , dann haben wir natürlich ein Problem. Also de facto müssen wir schon auch einmal wirk­lich definieren, was wir in Österreich wollen und ob wir tatsächlich etwas machen wollen. Wenn wir es machen wollen, nämlich unabhängig werden, dann müssen wir zum Beispiel diese seltenen Erden in Österreich abbauen können, sonst wird es halt nicht funktionieren. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Litschauer.)

Die EU ist auch nicht schuld an den langen Widmungsverfahren in Österreich und vor allem auch nicht daran, dass wir einen Fachkräftemangel haben. Auch das ist etwas, das wir selber beheben könnten. Die EU kann auch nichts dafür, dass unsere wichtigsten Energieversorger zum großen Teil in der öffentlichen Hand sind und dass die Gelder, die durch die Energieversorger und Infrastrukturproduzenten beziehungsweise -betreiber in den letzten Jah­ren und Jahrzehnten verdient worden sind, in die Landesbudgets gehievt werden und dort irgendwo versickern. Auch dafür kann die Europäische Union nichts.

Deswegen muss ich es leider einfach so hart sagen: Das österreichische Multiorganversagen in der Energiepolitik ist hausgemacht und die EU kann gar


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nichts dafür. (Beifall bei den NEOS. Abg. Steger: ... Realitätsverweigerung! Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte als letzten Satz vielleicht noch sagen, weil Frau Klubobfrau Maurer ich sehe sie jetzt gerade nicht diese Vision gezeichnet hat, wo wir 2040 stehen wollen: Die Vision teilen wir, aber tatsächlich muss man sie halt auf den Boden bringen, und dazu muss man halt einfach etwas tun. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist der Abgeordnete des Europaparla­ments Othmar Karas zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Hörl: Vizepräsident ist er, Frau Präsidentin!)


11.08.17

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Uns allen ist ja wohl bewusst, dass wir derzeit so viele Krisen gleichzeitig erleben wie seit 1945 nicht mehr – eine multiple Krise.

Die Pandemie und Putins Angriffskrieg, die Digitalisierung und die notwendigen Anstrengungen gegen die unseren Lebensraum gefährdende Klimakrise haben eine Zeitenwende ausgelöst; eine Zeitenwende, die einer umfassenden Transformation unseres Wirtschaftssystems und neuer, nachhaltiger politi­scher Rahmenbedingungen bedarf; eine Zeitenwende, die wir als Chance für den Standort Europa begreifen müssen; eine Zeitenwende, die Mut zum Gestalten, Mut zur Ehrlichkeit benötigt. Es darf kein Weiter-wie-Bisher mehr geben!

Unser Anspruch in der Standortpolitik und bei der grünen Wende muss ein ambitionierter sein. Europa muss zum Weltmarktführer bei den grünen Technologien werden. Das ist vor allem deshalb entscheidend, weil wir nach der


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Digitalisierung und der Telekommunikation nicht einen weiteren zukunfts­trächtigen Markt an die USA oder an China verlieren dürfen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Dieses Ziel zu erreichen, meine Damen und Herren, wird uns aber nicht mit einer Liste von neuen Verboten gelingen. Dieses Ziel erreichen wir nur dann, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft und damit Innova­tionen und Investitionen ankurbelt. Nur so gelingt uns die Wende hin zu einem nachhaltigen, wettbewerbsfähigen, sozial verträglichen, innovativen Wirt­schafts- und Industriestandort Europa.

Einige der Lösungen für diese Herausforderungen haben wir ja bereits gefunden, aber leider noch nicht konsequent genug umgesetzt: auf der einen Seite den Binnenmarkt und auf der anderen Seite die ökosoziale Marktwirtschaft. Der Bin­nenmarkt wird mittlerweile als Selbstverständlichkeit angesehen, obwohl wir es in 30 Jahren nicht geschafft haben, ihn fertig zu bauen. Ich denke jetzt nur an die Energiepolitik, an die Infrastruktur, an Schengen, an Forschung, Sicher­heit, Verteidigung, Soziales oder Gesundheit. Die ökosoziale Marktwirtschaft auf der anderen Seite findet sich als Leitmotiv auch im Vertrag von Lissabon, wobei die Debatte, was ökosozial eigentlich bedeutet, nämlich, dass der Markt auch eine Verantwortung für Mensch und Natur hat, viel zu kurz kommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als letzten Punkt möchte ich Ihnen in meiner Funktion als Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der auch für die Kommunikation zuständig ist, mitteilen, dass das Europäische Parlament in diesen Bereichen bereits – wie schon angesprochen wurde – viel auf den Weg gebracht hat. Aber auch da sind wir noch nicht fertig, das zeigen die Debattenbeiträge. Wir haben in den letz­ten beiden Tagen in Brüssel bei der European Parliamentary Week, bei der auch viele Kolleg:innen aus diesem Haus dabei waren – wofür ich danke –, mit Vertreter:innen von insgesamt 39 parlamentarischen Kammern aus 27 Mitglied­staaten der Europäischen Union darüber diskutiert, wie wir die Wirtschaft,


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die Industriepolitik und die Fiskalpolitik neu gestalten und diesem Transforma­tionsprozess unterordnen müssen.

Wir haben bei der letzten Plenarsitzung des Europäischen Parlaments eine umfassende EU-Strategie zur Förderung industrieller Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf den von Ursula von der Leyen vorgelegten Grünen Industrieplan diskutiert. Darin geht es vor allem – wie bereits angeschnitten wurde – darum, bürokratische Hürden abzubauen und damit unseren Industriestandort ge­genüber dem milliardenschweren Subventionsprogramm der USA und dem Fünfjahresplan aus China wettbewerbsfähig und innovativ zu machen.

Außerdem steht die Energiepreiskrise natürlich auch bei uns weiterhin im Fokus. Mit dem Repower-EU-Plan investieren wir 20 Milliarden Euro an Zuschüssen und bis zu 222 Milliarden Euro an Krediten.


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt bitte den Schlusssatz formulieren!


Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (fortsetzend): Ich komme zum Schluss: Damit ermöglichen wir unter anderem schnellere Genehmigungsverfahren und eine stärkere Stromproduktion innerhalb der EU.

Meine Damen und Herren! Wir werden all das aber nur gemeinsam, geeint und entschlossen schaffen, und die Parlamente spielen dabei eine große Rolle. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.14


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Petra Oberrauner zu Wort. – Bitte.


11.14.22

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte die große, weite Welt nach Österreich bringen und einmal beleuch­ten, was Österreich für die grünen Technologien und grünen Energien in Europa tut.


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Wie Sie wissen komme ich aus dem Bundesland Kärnten. Wir haben es mit ein paar strategisch ganz wichtigen Innovationen geschafft, mit 1,5 Milliarden Euro die größte Finanzierungsmaßnahme und Investition der letzten 20 Jahre in Europa nach Kärnten, in meine Heimatstadt Villach, zu bringen.

Was waren die Voraussetzungen dafür? – Eine attraktive Forschungsumgebung, gute Bildungsangebote, Kooperationen unter den Betrieben sowie internatio­nale Expertise. Wir haben 79 Nationen am Standort, und zwar im High­techbereich. Das setzt natürlich auch reizvolle Angebote und eine Umgebung voraus, in der die internationalen Experten auch leben können und möchten und in der sie für ihre Kinder internationale Schulen und gute Kindergärten vorfinden – diese Experten können sich aussuchen, wohin sie gehen, sie haben aber Österreich gewählt.

Es braucht genügend Fachkräfte, um solche Vorhaben umzusetzen – das hat meine Kollegin Herr auch schon gesagt –, Kooperationen vor Ort mit KMUs, zum Beispiel im Zusammenhang mit Reinraumtechnik. Durch diese Entwicklungen sind wir in diesem Bereich Weltmarktführer. Weiters nenne ich Innovationen be­treffend grüne Maßnahmen im Betrieb. Da ist die Infineon führend. Sie hat zum Beispiel das Recycling von Wasserstoff in einem Zirkulationssystem hinbe­kommen und achtet darauf, dass No Waste im Betrieb gelebt wird. Sie hat aber auch eine Initiative für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gestartet, mit der sie das Radfahren zur Firma fördert. Damit wurde die Hälfte der Autos in der Stadt eingespart. Wir reden da von über 7 000 Mitarbeitern – das ist keine Kleinigkeit und ist auch ein Anreiz für eine gute Politik in diesem Bereich.

Wichtig sind schnelle und kompetente Kooperationen mit Gemeinden und Städten, das heißt, wir stellen schnell umgesetzte Infrastruktur zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Schulterschluss zu Forschung, Ausbil­dung, Bildungsinstitutionen und Lehrwerkstätten, um die Bildungssituation damit kompatibel zu machen und damit all die Bereiche, die in der Technologie und in der Energie grün werden sollen, auch mit dem entsprechenden Wissen bedient werden können.


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Ich möchte dazu ein paar Zahlen nennen: Infineon hat seit 2021 in der mo­dernsten Fabrik Europas mit der Produktion von 8,72 Milliarden Energiespar­chips einen großen Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet. Diese kommen in Rechenzentren und Elektroautos zum Einsatz und sind bei Windkraft- und So­laranlagen unverzichtbar. Es wurden zusätzlich 2 300 Hightecharbeits­plätze geschaffen. Diese Fachkräfte kümmern sich nur um nachhaltige und grüne Energie und Technologie.

Was braucht es nicht beziehungsweise was verhindert die Entwicklung und ist damit standortschädigend? – Mangelnder Wille und fehlende Umsetzung von relevanten Gesetzen. Ich nenne Beispiele: Das Klimaschutzgesetz ist vor 788 Tagen ersatzlos ausgelaufen. Betreffend Erneuerbare-Gase-Gesetz ist man seit zwei Jahren säumig. Ebenfalls seit 788 Tagen ausgelaufen ist das Energieeffizienzgesetz.

Das Schlimme ist, dass es auch einige EU-Vertragsverletzungsverfahren gibt, aufgrund derer Kosten in Millionenhöhe auf uns zukommen. Diese Gel­der könnten wir viel besser etwa in Kindergärten stecken. Auch betreffend Erneuerbare-Wärme-Gesetz haben wir sehr viel Zeit verloren. Türkis und Grün können sich noch immer nicht einigen. Zwei Jahre Stillstand heißt auch zwei Jahre Schaden für den Industrie- und Hightechstandort Österreich. Das ist Gift für Innovationen und für die Standortpolitik. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.18


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Petra Steger, ich erteile Ihnen hier­mit das Wort. Bitte sehr.


11.18.23

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Kollegen von Schwarz-Grün! Sie betreiben keine Standortpolitik, sondern nur noch eine Indus­triestandortvertreibungspolitik. Dazu muss ich sagen: Ich finde es schon fast


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erstaunlich, wie Sie ständig – auch heute wieder – versuchen, Ihre absolut irrationale, sündhaft teure, ideologiegetriebene Klimapolitik, die absolut nichts mehr mit einer verantwortungsvollen Umwelt- und Energiepolitik zu tun hat – wie wir uns das zum Beispiel vorstellen würden –, als absolut alternativlos darzustellen oder sogar noch als große Chance zu verkaufen, während Sie in Wahrheit jedoch nichts anderes machen, als unsere Energieversorgung, Wett­bewerbsfähigkeit und Industrie und damit auch Hunderttausende Arbeits­plätze komplett zu zerstören, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir erleben die größte Deindustrialisierung Europas, wir sind mittendrin. Zahlreiche Unternehmer wandern ab. Sie aber schwafeln noch immer etwas von großen Chancen. Optimistisch Richtung Abgrund: So kann man Ihre Politik zusammenfassen. Nun gut, von den Grünen war nichts anderes zu erwar­ten, aber auch alle anderen Parteien und auch die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP sind mittlerweile bei der Vernichtung des Industriestandorts vorne mit  dabei. Offenbar erleben wir, so wie bei Corona oder auch bei den Sanktio­nen, mittlerweile auch da nur noch eine Einheitspartei, die den EU-Main­streamsprech unreflektiert übernimmt, ohne auch nur einmal darüber nachzu­denken oder zu hinterfragen, ob man mit dieser Politik überhaupt die ange­gebenen Ziele erreichen kann oder ob man in Wahrheit nicht viel mehr Schaden anrichtet als Nutzen schafft.

Das beste Beispiel dafür ist das EU-Verbot für Verbrennungsmotoren ab 2035, mit dem Sie nicht nur unsere österreichische Automobilzulieferindustrie zerstören, sondern vor allem auch das Herzstück der deutschen Industrie. Dabei handelt es sich um den Hauptgeldgeber der EU – das sei nur am Rande er­wähnt. Sie schießen sich also nicht nur ins eigene Knie, sondern gleich in die ei­gene Brust. Sie wollen Verbrennungsmotoren bis 2035 verbieten, obwohl Sie wissen, dass die notwendige Infrastruktur nicht so schnell ausgebaut werden kann, obwohl Sie wissen, dass E-Autos wesentlich teurer sind und damit Autofahren zum Luxusgut wird. Bald haben wir dann den Havannaeffekt: nur


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noch Oldtimer auf den Straßen, wie in Kuba. Das ist dann Ihre Form der sozialen Gerechtigkeit.

Sie wollen Autos mit Verbrennungsmotoren verbieten, obwohl Sie wissen, dass Sie damit in Wahrheit niemanden anderen fördern als die amerikanische In­dustrie, Stichwort Tesla, die mit Abstand meilenweit Nummer eins bei den Elektroautos ist. Wenn es nicht so traurig wäre, wäre es ja schon fast lustig, dass ausgerechnet die Grünen Elon Musk fördern wollen und sich gleich­zeitig dann auch noch den Kopf darüber zerbrechen, wie unsere Industrie mit jener der USA mithalten kann. Doch dieser Widerspruch fällt Ihnen an­scheinend nicht einmal auf.

Wofür das Ganze? – Für eine CO2-Einsparung von weit unter 1 Prozent! Die EU hat lediglich einen Anteil von 8 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß, davon macht der Verkehrssektor 15 Prozent aus. Das wären gerade einmal 1,2 Prozent. Und zieht man die Verbrenner ab, die noch länger fahren werden, liegen wir bei weit unter 1 Prozent Einsparung. Diese Einsparung gibt es auch nur dann, wenn die Energie für E-Autos sauber sein sollte. Ich weiß, das blenden Sie immer gerne aus, doch das geht sich schlicht und ergreifend nicht aus. Von all den Umweltschäden, die bei der Produktion von E-Auto-Batterien anfallen, möchte ich gar nicht zu sprechen anfangen. Ihre Politik ist schlichtweg irra­tional, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Doch das ist nicht das einzig Irrationale. Sie negieren sogar jeglichen Zusam­menhang von CO2-Steuern, Emissionshandel, Green Deal, Energiewende und vielen weiteren klimapolitischen Maßnahmen mit der Teuerung und damit auch der Abwanderung von Unternehmen, genauso wie Sie den Zusammen­hang mit Ihrer Coronapolitik oder Ihrer EU-Verschuldenspolitik negieren, mit der Sie den Euro mittlerweile zu einer sterbenden, wohlstandsvernichtenden Infla­tionswährung gemacht haben.

Das kann ich nur noch als vollkommene Realitätsverweigerung bezeichnen, sehr geehrte Damen und Herren. Es ist wirklich einzigartig – einzigartig! –, dass


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die politische Führung eines Staatenbundes zielstrebig auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch seiner Mitgliedstaaten hinarbeitet. Doch genau das tut die Europäische Union. Wenn das wirklich alles so umgesetzt wird, wie die EU das geplant hat, dann kann ich nur noch sagen: Gute Nacht, europäische Wirtschaft!

Diese Klimapolitik ist nichts anderes als ein Programm zur Förderung der Wirt­schaft der USA, Chinas und der ganzen Welt und hat null – gar keine! – Aus­wirkung auf den weltweiten CO2-Ausstoß.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hören Sie endlich auf mit dieser irrationalen, wohlstandsvernichtenden Klimapolitik! Kehren Sie zurück zu einer vernünf­tigen Umwelt-, Industrie- und Standortpolitik! Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, dann seien Sie zumindest so anständig und treten Sie zurück! (Ruf bei der ÖVP: Sie müssen nicht alles vorlesen!) Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen! Am besten nehmen Sie all die EU-Utopisten und Moralisten auf EU-Ebene gleich mit: Das wäre eine sinnvolle Standortpolitik. (Beifall bei der FPÖ.)

11.23


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Abgeordnete des Europaparlaments Monika Vana zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.23.40

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Frau Vorsit­zende! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Nur eine kurze Bemerkung zu meinen Vor­redner:innen der FPÖ: Heute zeigt die FPÖ wieder einmal als Fossil­energiekleberpartei, dass sie auch bei der Energiepolitik ihrem Markenkern der Ewiggestrigen treu bleibt und vollkommen an der Realität vorbei­agiert. (Beifall bei den Grünen.)

Zum Thema: Heute vor genau 144 Jahren, am 1. März 1879, installierte der deutsche Ingenieur Werner Siemens an seinem Haus die erste elektri­sche Straßenlampe. Kurz darauf stattete die Stadt Berlin den weltweit ersten


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Straßenzug mit dieser Lichtquelle aus. Warum erwähne ich dieses Ereignis aus dem historischen Kalenderblatt? – Weil wir damit mitten im Thema dieser Aktuellen Europastunde sind. Wir reden heute von Energie, von Techno­logie und von Industrie, und wir verstehen heute mehr denn je, wie zentral Ener­gie, Technologie und Industrie für die Erreichung unserer Klimaziele und damit für unser aller Zukunft sind. Im EU-Schnitt stellt die Industrie rund 20 Pro­zent unserer Wirtschaftsleistung, gleichzeitig produziert sie rund 40 Prozent unserer Treibhausgasemissionen. Und zwischen 35 und 40 Prozent aller Arbeitsplätze in der Europäischen Union sind vom Übergang zu einer grünen Wirtschaft betroffen.

Das heißt, jeder einzelne Schritt auf dem Weg hin zu einer energieeffizienten und ressourcenschonenden Industrie in Europa ist eine wichtige Etappe zu einer klimagerechten EU und der Schaffung von grünen Arbeitsplätzen. Es erübrigt sich, an dieser Stelle zu betonen, dass der Green Deal für uns Grüne keine lästige Pflicht ist, sondern – im Gegenteil – eine willkommene Chance für eine klima­fitte und nachhaltige Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft. Deswegen waren wir Grüne auch unter den Ersten, die die Ankündigung der Kommission für eine EU-Industriestrategie schon vor zwei Jahren, noch mitten in der Pandemie, sehr begrüßt haben, damals genau zum 70. Jahrestag der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 70 Jahre später braucht es dringend den Ausbau der europäischen Klimaunion für Klimaschutz, für Kreislaufwirtschaft, für erneuerbare Energien und natürlich die effek­tive Erreichung der Pariser Klimaziele. Es braucht eine auf grüner Energie und grünen Technologien basierende EU-Industriestrategie als Katalysator für mehr Europa, als wirtschaftliche Basis für weitere politische Integration.

Eines ist klar: Ohne eine möglichst rasche grüne und gerechte Transformation unserer Wirtschaft und Industrie erreichen wir weder unsere Klimaziele, die für das Überleben des Planeten notwendig sind, noch die Verteilungsziele der UNO; denn eines ist klar: Industriestrategie, Green Deal und Sozialunion – das


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steht für uns Grüne außer Frage – müssen zusammengehen und sind un­trennbar miteinander verbunden. Niemand darf auf diesem Weg zurückgelassen werden. Mit der Klima- und Energiewende braucht es auch eine Wende zu sozialer Nachhaltigkeit. Grün, sozial und gerechte Verteilung – das geht zusammen. (Beifall bei den Grünen.)

Bei unserer letzten Plenartagung in Straßburg waren wir Grüne auch die einzige Fraktion, die geschlossen für die Resolution des Europaparlaments zum Green Deal Industrial Plan der Kommission gestimmt hat: Förderung der indus­triellen Wettbewerbsfähigkeit, des Handels und hochwertiger Arbeits­plätze – genau darum geht es (Beifall bei Abgeordneten der Grünen); Energieunabhängigkeit, Unabhängigkeit von Autokraten und fossilen Ener­gieträgern, massive finanzielle Investitionen und – ich habe es schon er­wähnt – begleitende sozial- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, damit der Green Deal auch ein guter Deal für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wird und zur Reduzierung von Ungleichheiten beiträgt. Existenzsichernde Ar­beitsplätze, aktive Arbeitsmarktpolitik, Zugang zu Bildung und natürlich Geschlechtergleichstellung sind auch wesentliche Kernpunkte des European Year of Skills, das wir 2023 begehen.

Die europäische Industrie für grüne und soziale Ziele in die Verantwortung zu nehmen, das ist das Ziel dieser Resolution des Europaparlaments. Die In­dustrie bekommt damit auch Verbündete für den grünen und sozialen Transfor­mationsprozess. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Jetzt hat die europäi­sche Industrie die Chance, den Grünen Deal umzusetzen, um keine Getriebene zu sein, sondern selbst Treiber und Treiberinnen für Umwelt- und Klima­schutz und Gestalter einer klimafitten Zukunft zu sein.

Die Resolution des Europaparlaments ist eine sehr gute Basis dafür. Für uns Grüne waren mehrere Kernpunkte sehr wichtig, bei denen wir uns zum Thema Finanzhilfe und Investitionen auch durchgesetzt haben. Es braucht nämlich neues und frisches Geld für diese Transformation. Wir sind sehr froh, dass in dieser Resolution ganz klar die Forderung nach einem neuen Souveränitätsfonds


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enthalten ist: für den Ausbau Erneuerbarer, für die Produktion von Wind­turbinen, Wärmepumpen (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), Solarpanels, Batterien und grünem Wasserstoff inklusive einer Strategie für benachtei­ligte Regionen, um Ungleichheiten zu vermeiden.


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen den Schlusssatz formulieren!


Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (fortsetzend): Lassen Sie uns den Green Deal gemeinsam so rasch wie möglich umsetzen, mit Mut und Entschlossenheit! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.29


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michael Bernhard zu Wort. – Bitte.


11.29.15

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuseherinnen und Zu­seher! Die Debatte, die wir heute über die Zukunft der europäischen Wirtschaft führen, über die Zukunft der Technologie, die wir dafür auch einsetzen, ist sehr wichtig. Ich würde aber gerne zu Beginn einen Schritt zurückgehen, weil wir ganz stark nur über Ziele, über die Chancen an sich reden. Wir sollten jedoch generell auch einmal klar sagen, warum wir das Ganze machen: Das ist kein Selbstzweck, weil wir europäische Ziele erreichen wollen, das ist kein Selbstzweck, ausschließlich weil wir neue Märkte erschließen wollen, sondern wir anerkennen, dass die Klimakrise die größte Herausforderung ist, die das 21. Jahrhundert für die Menschheit bereithält.

Wenn man heute mit Vertreterinnen und Vertretern der Industrie spricht, wenn man heute mit Unternehmerinnen und Unternehmern spricht, dann sieht man: Diese anerkennen das natürlich auch. Die österreichische und die europäi­sche Wirtschaft sagen ganz klar: Wir müssen dieser Herausforderung natür­lich mit Optimismus begegnen! Es hilft nichts, wenn man tatsächlich nur darüber spricht, dass uns Extremwettereignisse das Leben schwer machen, dass die


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Klimaveränderung viele Bedrohungen mit sich bringt, sondern wir müssen die Chancen ergreifen. Es geht einmal ganz grundsätzlich darum, dass wir in Österreich in der Wirtschaft, in der Industrie ein klares Bekenntnis dazu abge­ben, dass wir die Klimaneutralität gemeinsam mit der Politik und den Bür­gerinnen und Bürgern 2040 erreichen wollen.

Was zentral ist, ist aber auch ein zweiter Punkt, und dieser ist genauso wichtig: Industriepolitik ist ein Schlüsselbereich, um in die Klimaneutralität zu kom­men. Es ist tatsächlich so: Ob das jetzt der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist, ob es die erneuerbaren Energien sind, ob es die thermische Sanierung ist, ob es die Mobilität und der Umbau in die Elektromobilität hinein sind: All das passiert nicht in romantischen Werkstätten in irgendwelchen Innen­stadtlocations, sondern das passiert in hochkomplexen Industrieproduktionsan­lagen, die eines brauchen, nämlich Energie. Energiepolitik ist also Industrie­politik. Daher müssen wir in der Klimapolitik dieses Thema ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit stellen.

Ich gehe jetzt weiter, und da komme ich auch zu Ihrer Rede, Frau Ministerin. Sie haben einige Themen richtig angesprochen. Was ich allerdings erwartet hät­te, ist, dass Sie, wenn dieses Thema schon von der grünen Fraktion aufbereitet wird, als Klima- und Energieministerin auch mit konkreten Ansagen kom­men. Das vermissen wir ehrlicherweise jetzt schon relativ lange.

Wir haben – das hören wir, wenn wir mit Industrieunternehmen sprechen – nicht das Problem, dass dort jemand sitzt und wie die Freiheitliche Partei sagt: Ist alles kein Problem, das sitzen wir aus, gemeinsam mit Putin schaffen wir das schon!, sondern wir haben die Situation, dass Industrieunternehmen uns sagen, sie haben viele Möglichkeiten, zu elektrifizieren, was aber nicht da ist, sind die Leitungen, die sie dafür brauchen. Wir haben die Situation, dass wir einer­seits Energie produzieren müssen, konkret Strom, andererseits aber natür­lich  diesen auch in die Industrieanlagen hineinbringen müssen.

Wir müssen eines heute hier ganz klar sagen – und das ist noch nicht gesagt worden –: Die Landesenergieversorger haben uns in den letzten Jahrzehnten alle


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gemeinsam geprellt. Wir haben über unsere Netzabgaben den Netzausbau finanziert, es ist aber nichts passiert. Wir haben keine Information darü­ber, wann, was, wo ausgebaut wird, und wir sind – und das ist jetzt keine Neuig­keit, die Klimakrise gibt es nicht erst seit gestern, die erneuerbaren Energien gibt es nicht seit gestern – jetzt in dieser Transformation. Ja, es ist viel ausgebaut worden, aber wir können die Energien nicht einspeisen. Wir können sie gar nicht zur Industrie bringen, weil uns die Landesenergieversorger – und das na­türlich in einer gewissen rot-schwarzen Kooperation – über Jahrzehnte hinweg alle geprellt haben! Das müssen wir heute ändern! (Beifall bei den NEOS.)

Ein anderer Punkt, der ebenfalls angesprochen worden ist: Die tatsächliche Wende, die Transformation, die wir in allen Bereichen brauchen, passiert nur dann, wenn wir wirklich auch den Arbeitskräftemangel auflösen. Wir kön­nen noch so viele schöne Luftschlösser hier im Nationalrat bauen, wir können noch so viele Positionspapiere schreiben, wir können übrigens auch noch so viel Geld über Förderungen ausschütten, wie das die Grünen besonders gerne machen: Wenn keine Arbeitskräfte da sind, die das realisieren, die das umsetzen, hilft das alles nichts. Daher, und das ist auch ganz wichtig, braucht es tatsäch­lich eine deutliche Entlastung, was den Bereich Arbeit betrifft, damit es attraktiver ist, auch Teil dieser Energiewende zu sein, die wir alle hier heute besprechen.

Der dritte Punkt, Frau Ministerin: Was Sie nicht gesagt haben – es haben alle Fraktionen vorhin schon aufgezählt, aber wir müssen das als NEOS auch machen, weil es wirklich schlimm ist –, ist, dass uns das Energieeffizienzgesetz fehlt. Es fehlt uns das Klimaschutzgesetz, es fehlt uns das Erneuerbares-Gas-Gesetz, es fehlt uns die Novelle des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes. Selbst Andrä Rupprechter hat mehr geliefert als die grüne Klima- und Energieministerin. Das ist echt ein Drama. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Schwarz.)

Mein abschließender Satz, weil es zur Industriepolitik wirklich passt: Energie­politik ist ein Gamechanger – ein Gamechanger, der in allen neun Bundesländern


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umgesetzt werden will, denn nur wenn wir das schaffen, schaffen wir Wohl­stand, und der wird nur über Leistung erreichbar sein.

Am Sonntag ist eine Wahl in Kärnten. Dort gibt es ein Angebot für diesen Gamechanger, für erneuerbare Energie. Wir bitten um Unterstützung für unseren Janos Juvan und die NEOS. (Beifall bei den NEOS.)

11.34


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Johannes Schmucken­schlager zu Wort. – Bitte.


11.34.51

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzte Frau Bundesmi­nisterin! Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die erneuerba­ren Energien für Europa, die große Debatte rund um den Klimawandel und vor allem das drängende Problem, CO2 zu reduzieren: Eine Lösung wird es nur geben, wenn wir auch fossile Brennstoffe maßgeblich reduzieren. Über diesen Weg ist sich, glaube ich, die Wissenschaft absolut einig.

Es sind drei Aspekte, die uns dazu in der letzten Zeit besonders bewegen: einerseits der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Frage der Abhängigkeit von diesen Rohstoffen; andererseits die volkswirtschaftliche Frage, denn wir wissen heute, dass wir in diesem Winter bereits 6 Milliarden Euro für fossile Energieträger ausgegeben haben, und durch Ergänzen könnten wir diese volkswirtschaftliche Leistung in Österreich lukrieren; und drit­tens natürlich die dringende Frage des Klimawandels und die Notwendigkeit, dem entgegenzuwirken.

Sie können diese drei Punkte in eine Reihenfolge bringen, die Ihre Priorität widerspiegelt, aber Sie werden um diese drei Punkte nicht herumkommen, und deshalb hat die Bundesregierung die Thematik erneuerbare Energien und Bekämpfung des Klimawandels auch hinsichtlich der Priorität an oberste Stelle gesetzt.


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Ich freue mich ja, dass vorhin auch ein Lob für einen ehemaligen ÖVP-Minister, nämlich Andrä Rupprechter, gekommen ist, dafür, dass er im Umweltschutz auch einiges vorangebracht hat (Abg. Shetty: ... relativ!), denn das zeigt, dass wir auf einem guten Pfad sind und dass wir vor allem mit den Grünen gemein­sam ja noch viel mehr zustande bringen – und es bleibt uns ja noch einige Zeit, um vieles zu tun.

Ich möchte nur darauf verweisen, dass wir europaweit mit dem Europäischen Green Deal, mit Fit for 55 die grundsätzlichen Schienen gelegt haben. In Österreich haben wir das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Wir haben jetzt das Er-neuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz in der Begutachtung. Wir haben die ökosoziale Steuerreform eingeführt. Wir haben das Grüne-Gase-Gesetz jetzt in Begutachtung, im Rahmen dessen wir erneuerbare Gase ins Gasnetz ein­speisen werden. Wir haben heute das Thema, die Umweltverträglich­keitsprüfung neu zu gestalten, auf der Tagesordnung, und wir haben einen enormen Transformationsfonds aufgesetzt. Erst gestern hat Bundes­minister Kocher über die 600 Millionen Euro gesprochen, die wir für diesen Themenbereich in den Arbeitsmarkt fließen lassen, und darüber hinaus gibt es Mittel für Forschung, Entwicklung und Innovation, vor allem für erneuer­bare Technologien.

Ich glaube, das ist doch wirklich ein Grund, auch einmal zufrieden zu sein, zu sehen, dass die Richtung absolut stimmt, denn die globale Herausforderung, diese Transformation zustande zu bringen, ist enorm. Transformation heißt nicht: Wir transferieren unsere Produktion in andere Teile der Welt. Wenn wir davon sprechen, dass in China pro Jahr rund 200 Kohlekraftwerke errichtet werden, kann es keinen Sinn ergeben, in Österreich oder in Europa etwas nicht mehr zu produzieren und stattdessen mit einem höheren Impact in anderen Teilen der Welt produzieren zu lassen – schließlich sprechen wir beim Kli­mawandel von einem globalen Problem –, sondern wir müssen schauen, wie wir unsere Wirtschaft so anpassen können, dass wir entsprechend damit umge­hen können und Produktion in Europa erhalten.


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Vor ein paar Tagen erfolgte erst der Beschluss des Europäischen Parlaments zum Verbrennerverbot ab 2035 bei Pkws, eine durchaus umstrittene Entschei­dung, die auch noch viel Diskussion braucht, vor allem: Wie weit geht das? Sagt man generell: Weg mit dem Verbrenner!, oder lässt man zumindest jene Verbrenner zu, die mit erneuerbaren oder synthetischen Treibstoffen betrieben werden? Da haben wir nämlich auch enormes Potenzial, Wertschöpfung in Europa zu generieren, mit einer bewährten Technologie zu arbeiten und neben­bei neue Technologien zu entwickeln. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir sehen es ja auch beim Stromnetz, und es ist, glaube ich, zu einem gewissen Teil auch ungerecht, den Energieversorgern vorzuhalten, dass sie zu spät mit dem Ausbau der Netze begonnen haben und zu langsam sind. Natürlich braucht es jetzt enormen Aufwand und das muss mit mehr und mehr Ge­schwindigkeit erfolgen. Wir hatten bisher nur eine zentrale Versorgung und kommen jetzt zu einer dezentralen Produktion, im Rahmen derer wir un­seren Bürgerinnen und Bürgern mit all den Maßnahmen – Fotovoltaik und da­rüber hinaus – Stromproduktion ermöglichen, daher müssen wir diese Netze auch bauen. Und ich glaube, die Technologie gibt uns da auch die rich­tigen Werkzeuge an die Hand, sodass wir mit Digitalisierung und Automa­tisierung sehr, sehr viel zustande bringen und die Stromnetze der Zukunft neu managen sowie neu gestalten können. Daher brauchen wir auch davor keine Angst zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)

In all den Bereichen geht es aber auch darum, zu sehen, dass wir auch Anpassun­gen an den Klimawandel stattfinden lassen müssen. Wenn wir von Lebens­erhaltung im Sinne der Prophylaxe sprechen, dann brauchen wir das aber auch jetzt in den Maßnahmen. Ich möchte nur kurz darauf hinweisen, dass wir wieder schon jetzt, bevor die Vegetationsperiode in Europa beginnt, mit Tro­ckenheit in vielen agrarischen Anbaugebieten konfrontiert sind. Da geht es um Lebenserhaltung im Sinne der Ernährungssicherheit Europas, und auch da-


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für brauchen wir Infrastruktur: um diese Produktion in Europa zu erhal­ten – Energie und Lebensmittel als Lebenserhalter für unsere Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Europaparlamen­tarierin Theresa Bielowski. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.40.28

Mitglied des Europäischen Parlaments Theresa Bielowski, BA MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kolleg:innen! Unser aller Ziel als Politiker:in­nen in Europa muss es doch sein, die europäische Industrie so zu positionieren, dass sie im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleibt, um gute Ar­beitsplätze zu sichern und den Wohlstand in Europa zu gewährleisten.

Liebe Kolleg:innen, wir alle gemeinsam können ja auch nicht die Augen vor der Realität verschließen, nämlich dass eine moderne, eine zukunftsträchtige, eine europäische Industrie eine nachhaltige, eine grüne sein muss. Wir alle ken­nen die Herausforderungen und werden uns ihnen gemeinsam stellen.

Mit dem europäischen Green Deal haben wir begonnen, den europäischen In-dustriestandort abzusichern. Wir wollen Europa bis 2050 zum ersten kli­maneutralen Kontinent machen, wir wollen die biologische Vielfalt schützen, wir wollen eine Kreislaufwirtschaft aufbauen, wir wollen die Umweltverschmut­zung verringern – immer mit dem Ziel vor Augen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gestärkt werden muss (Beifall bei der SPÖ) und dass es einen gerechten Übergang braucht: einen gerechten Übergang für die Regionen, vor allem aber auch einen gerechten Übergang für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein Green Deal muss immer auch ein Social Deal sein, denn nur, wenn die Arbeitnehmer:innen diesen Weg mit uns gemeinsam gehen, können wir diese nachhaltige Zukunftsvision umsetzen.


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In den vergangenen Jahren ist einiges gelungen: Es hat eine Zunahme in der Nutzung erneuerbarer Energiequellen gegeben, es wurden neue Technolo­gien entwickelt. Das tut der Umwelt gut, das tut den Chancen für den euro­päischen Industriestandort gut. Wir haben klare Ziele für die Klimaneutralität bis 2050.

Unsere europäischen Unternehmen sind jetzt gefragt. Sie müssen alle Chancen nutzen, sie müssen die Dekarbonisierung angehen, denn ganz klar ist: Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit gehen Hand in Hand. Das ist entscheidend, damit die Industrie in Europa eine international führende Rolle spielen kann, damit wir in der EU strategisch eigenständig bleiben können, sein können und vor allem, damit es hochwertige Arbeitsplätze für Bürgerin­nen und Bürger geben kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen also große Investments: in die Zukunft, in die Forschung, in die Infrastruktur; denn nur so können wir diese Zukunftsvisionen umsetzen. Wir müssen Forschungsprogramme und Förderungen einem Zukunftscheck unterziehen. Ganz, ganz wichtig ist, dass die Energie in Österreich, in Europa nicht nur grün sein soll, sondern vor allem auch leistbar und unabhängig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen die Unabhängigkeit von autoritären Mächten. (Abg. Wurm: China vor allem, oder?) Die Energiekrise, die horrende Inflation, die Tatsache, wie viel Erdgas wir aus Russland beziehen, importieren, sollten uns zu denken geben. Das fordert uns einmal mehr auf, rasch zu handeln. Wir müssen uns auch überlegen, wenn die Technologiepolitik besprochen wird, dass Sonnen- und Windenergie nicht auf Knopfdruck zur Verfügung stehen, eine Priorität da­raus machen, uns Gedanken darüber machen, wie wir die gewonnene Energie langfristig und in großem Umfang speichern.

Jetzt liegt es also auf der Hand, was zu tun ist, und trotzdem bleibt eine Frage noch unbeantwortet, und zwar: Wie wollen wir diese Investitionen be­zahlen? Wie wollen wir diese Investitionen umsetzen? (Abg. Wurm: Gute Frage!)


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Denn selbst wenn die EZB den Leitzins wieder senkt, selbst wenn die Investitionsfreudigkeit steigt, wird der private Sektor diese Lücke nicht schlie­ßen. Das heißt, gerade in Zeiten hoher Inflation dürfen wir nicht den Feh­ler begehen und die Kosten der Energiewende auf die kleinen und mittleren Ein­kommen und Unternehmen abschieben. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit der Green Deal finanziert werden kann, damit die Klimaziele erreicht werden können, brauchen wir eine progressive europäische Steuer auf große Vermögen bei Konzernen und im Privaten. (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Klimafrage werden wir nur lösen, wenn wir Energiepolitik, Investitionspolitik und Sozialpolitik in einer gemeinsamen europäischen Lösung denken und indem wir Solidarität von jenen einfordern, die auch am meisten von der europäischen Infrastruktur profitiert ha­ben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


11.45.29

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Bevor ich mit meiner Rede beginne, ist es mir eine besondere Ehre und Freude, eine Delegation des Pfarrgemeinderats der Streitkräfte hier bei uns im Parlament be­grüßen zu dürfen. Ich danke meinem Schwager, Oberst Andreas Triebl, dass er den Besuch organisiert hat. Wir sehen uns nachher noch in unserem neuen Restaurant hier im Parlament. – Herzlich willkommen! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Der Titel dieser Aktuellen Stunde „Grüne Energie und Technologie für einen modernen Industriestandort Europa“ hat ja etwas von einem Oxymoron, also einem Widerspruch in sich – ich werde darauf eingehen. Ich habe mir das alles jetzt genau angehört, das hat schon viele Komponenten einer realitäts­fremden Märchenstunde.


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Was ist aus der Europäischen Union geworden? – Das ursprüngliche Konzept, die ursprüngliche Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, eine vernünftige Energie- und Standortpolitik, auch die Europäische Wirtschaftsge­meinschaft, hat in den Neunzigerjahren geswitcht: Klimapolitik statt Energiepolitik, statt Umweltpolitik, statt Standortpolitik. Wir kennen das Kyoto­protokoll, wir kennen das Pariser Abkommen. Da wird immer so getan, als ob es eine globale Einigkeit gäbe – das haben nur 60 Staaten überhaupt verbind­lich unterschrieben: nicht China, nicht Indien, nicht die USA, die gerade jetzt mit Frackinggas ihr Imperium ausbauen und stinkende LNG-Tanker über den Atlantik schicken! Das geht sich dann mit den Klimaschutzzielen nicht ganz aus.

Ursula von der Leyen lizitiert hinauf: 20 Prozent Einsparung an Treibhausgas­emissionen, 55 Prozent Green Deal, wunderbar, 750 Milliarden Euro. Wer zahlt es? Die Kollegin hat es eh schon angedeutet: Wer zahlt es? (Abg. Wurm: Hat keine Antwort gegeben!) – Höhere progressive Steuern der bösen Konzerne und der Reichen. Also das ist ja alles nicht mehr erträglich, ganz ehrlich! (Beifall bei der FPÖ sowie des MEP Haider.)

Sie erzählen hier Märchen, ich kann es nicht anders bezeichnen. Sie bauen Luftschlösser! Sie erzählen uns permanent das Märchen, dass Gas, Öl, Kohle als Energieträger ersetzbar wären durch Erneuerbare, durch Windräder und Fotovoltaikanlagen. Das geht sich um Zehnerpotenzen nicht aus. Hören Sie auf, uns diese Märchen zu erzählen!

Sie erzählen uns das Märchen, dass russisches Gas und Öl ersetzbar wären, vollkommen, und zwar umweltschonend! – Ja, durch LNG-Tanker, die auf dem Atlantik mit Schweröl die Luft verpesten. Sie erzählen uns, dass russisches Gas und Öl zum selben Preis ersetzbar wären – das ist absurd, wir zahlen ein Vielfaches. Und Sie erzählen uns, dass es überhaupt ersetzbar ist – ich bin der Meinung, das ist nicht ersetzbar. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen, realistisch sein, eine Standortpolitik machen, die vernünftig ist, die nicht unsere Industrie zerstört und damit Arbeitsplätze und Wohlstand vernichtet,


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anstatt permanent diese Märchen zu erzählen und Luftschlösser zu bauen. Das wäre aufrichtig! (Beifall bei der FPÖ sowie des MEP Haider.)

Sie erzählen uns auch, dass wir mit einer Reduktion der CO2-Emissionen – wie gesagt, von der Leyen: minus 55 Prozent – irgendetwas für das globale Kli­ma bewirken. – Das stimmt nicht, wir bewirken gar nichts, rein gar nichts, weil die Chinesen in derselben Zeit – das ist heute auch schon gesagt worden – 200 Kohlekraftwerke bauen, weil die Inder mittlerweile günstigstes Öl und Gas aus Russland bekommen (Abg. Schwarz: Günstig, weil wir einen Deckel drauf haben! ... Preisdeckel!), weil die Amerikaner Frackinggas produzieren. 8 Prozent emittieren wir, 8 Prozent! Wir bewirken gar nichts. (Beifall bei der FPÖ so­wie des MEP Haider.)

Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie bitte Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, den ich jetzt zitieren möchte. Ich zitiere: Wir machen unsere Industrie kaputt, und es bewirkt nichts, rein gar nichts. Das kann doch wohl nicht sein, irgendwas machen wir doch falsch – bloß für ein gutes moralisches Gefühl, ein gutes Gefühl in der Magengegend: ,Wir sind jetzt die Retter der Welt!‘ oder so. Und kommen Sie mir bitte nicht mit dem Argument, wir hätten dann billige grü­ne Energien und würden Wettbewerbsvorteile haben, und die Welt wird das alles nachmachen! Das ist alles Propaganda, das hat keine wirkliche Basis. – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ sowie des MEP Haider.)

Ich muss Ihnen sagen: Ich glaube Prof. Sinn und nicht Frau Minister Gewessler. Das heißt, Sie machen in der Klimapolitik einen Unfug nach dem anderen, nämlich die Europäische Kommission, die Bundesregierung und auch die Pseu­doopposition SPÖ, die letztlich immer mit der Bundesregierung mitzieht: in der Klimapolitik, in der Sanktionspolitik, in der Migrationspolitik.

Sie bauen Luftschlösser, Sie sind abgehoben, realitätsfremd, und die Rech­nung und die negativen Folgen müssen der Bürger, der Kleine, der Ein­zelunternehmer, die KMUs zahlen. Die werden nicht einmal gefragt, sie sind das letzte Mal 2019 gefragt worden. Das ist Ihnen offensichtlich vollkommen


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egal. Sie mit Ihren Eliten fahren da einfach drüber, und der Bürger hat es zu fressen.

Wachen Sie auf, werden Sie realistisch! Kommen Sie runter von der Märchen­geschichte Klimapolitik, kommen Sie runter von dem Märchen, dass uns die Welt folgen würde! Werden Sie realistisch! Erkennen Sie, dass Europa in ei­nem globalen Wettbewerb steht, dass uns die Chinesen und Amerikaner, wenn wir so weitermachen, um die Ohren fahren werden, dass wir mit Ihrer Politik Tausende Millionen Arbeitsplätze vernichten. Bitte wachen Sie auf, werden Sie vernünftig und werden Sie realistisch! (Beifall bei der FPÖ.)

11.50


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Michel Reimon zu Wort. – Bitte.


11.51.02

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebes Publikum! Ich bin ein Grüner, aber ich bin nicht immer ganz glücklich damit, wenn die Begriffe grüne Transformation, grüne Jobs, grüne Industrie so überstrapaziert wer­den, weil das den Eindruck erweckt, als würde es überhaupt noch eine Alterna­tive und etwas anderes dazu geben.

Ein Stahlwerk in Oberösterreich ist ein Stahlwerk, bleibt ein Stahlwerk, auch wenn aus dem Material, das dort gemacht wird, Windräder gebaut werden und keine Gasturbinen. (Abg. Wurm: ... Zubau!) Ein Autozulieferer in Kärnten bleibt ein Autozulieferer, auch wenn damit Elektroautos und nicht fossile Autos gebaut werden. Ein Anlagenbauunternehmen bleibt ein Anlagenbauunternehmen, wenn damit keine Gasturbinen gebaut werden, sondern Windräder. Wir reden von Industrie, und es gibt nur Industrie und einen Industriestandort. Ein Elektriker bleibt ein Elektriker, wenn jetzt die grüne Transformation kommt, und eine Mechanikerin bleibt auch eine Mechanikerin, wenn sie ein Elektroauto und nicht die alten fossilen Kraxen repariert – das müssen wir den Leuten einmal


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so sagen. Darum wird es gehen, darum geht es. Jeder einzelne Job wird in Zukunft von solchen Technologien getragen werden, gesichert werden, es wird keine Alternative dazu geben.

Was die Leute bewegt, ist die Teuerung, die Jobsicherheit, dass sie Jobs haben, der Wohlstand, und der wird nur so gesichert werden können. Wenn je­mand um 6 Uhr in der Früh in den Supermarkt geht, um dort Regale einzuräumen, dann wird die Technologie, die ihn hinbringt, die Technologie, die seinen:ihren Job sichert, eine grüne oder gar keine sein. Das müssen wir ein­mal so sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das gehört in dieser Deutlichkeit den Leuten vermittelt, und es gibt zwei Länder, die das im letzten Jahr sehr deutlich kapiert haben: Das sind die USA und China, die massive Investitionsprogramme fahren, um diese Technologien jetzt schnell so umzustellen, denn wir sehen, wohin uns die fossile Teuerung im letzten Jahr geführt hat. Europa wird jetzt mithalten müssen oder es wird kein Industriestandort mehr sein. Wir werden mit den USA und mit China mithalten müssen oder wir werden unseren Wohlstand verlieren. (Abg. Kassegger: Richtig!)

Wir werden das machen, wir werden das auf allen Ebenen machen. (Abg. Wurm: Na bravo!) Auf der europäischen Ebene beginnt dieses Investitionsprogramm, auf der österreichischen Ebene machen wir es als Regierung – wir werden heute hier den leichteren Ausbau der Windkraft beschließen – und wir müssen es auch auf lokaler Ebene machen.

Ich habe vom Autozulieferer in Kärnten gesprochen. Unsere lokale Industrie werden wir mit lokaler Politik schützen müssen. In Kärnten geht es am Sonntag darum, das Rennen um den ersten Platz ist eh schon gesichert. Jetzt geht es darum, dass wir den Klimaschutz auch dort hineinbringen und dass dort Ar­beitsplätze geschaffen und gesichert werden. Gemma! (Beifall bei den Grünen.)

11.53



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 130

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe diese Debatte.

11.53.56Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 14223/J bis 14361/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates: 67/JPR

2. Anfragebeantwortung: 13089/AB

Anfragebeantwortung (Präsident des Nationalrates): 58/ABPR

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entschei­dung des Ausschusses):

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Bericht nach § 3 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung des COVID-19-Kri­senbewältigungsfonds und § 1 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die Errichtung eines Härtefallfonds für Jänner 2023, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (III-895 d.B.)

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 131

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsidentin Doris Bures: Der FPÖ-Klub hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 3170/A(E) der Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur ORF-Steuer!“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt werden.

Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3146/A eine Frist bis 28. März zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsord­nung gestellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristset­zungsantrag durchzuführen.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte
über die Anfragebeantwortung 12964/AB


Präsidentin Doris Bures: Außerdem teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 12964/AB der Anfrage 13404/J der Abgeordneten Schrangl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine zweite BUWOG – Nein zu Anleger­wohnungen im gemeinnützigen Wohnbau und der schleichenden Abschaf­fung der Wohnungsgemeinnützigkeit!“ durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft abzuhalten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 132

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, gelangt gemäß § 57b Abs. 1 der Geschäftsordnung nur eine kurze Debatte zum Aufruf.

Da die letzte aufgerufene kurze Debatte auf Verlangen von Abgeordneten des freiheitlichen Klubs länger zurückliegt als jene auf Verlangen von Abgeord­neten des sozialdemokratischen Klubs, gelangt die von Abgeordneten des freiheitlichen Klubs verlangte kurze Debatte zum Aufruf, und zwar im Anschluss an die Behandlung des Dringlichen Antrages. (Abg. Wurm: Ätschi, bätschi!)

*****

Der Fristsetzungsantrag der Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Antrag 3146/A wird nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Fristsetzungsanträge


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Lindner, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1523/A eine Frist bis 1. Juni zu setzen.

Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Becher, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 3090/A eine Frist bis 3. März zu setzen.

Weiters teile ich mit, dass die Abgeordneten Stefan, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 293/A eine Frist bis 28. März 2023 zu setzen.

Schließlich teile ich noch mit, dass die Abgeordneten Kaniak, Kolleginnen und Kollegen beantragt haben, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstat­tung über den Antrag 3104/A eine Frist bis 2. März zu setzen.

Diese Anträge werden gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.


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Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 16 und 17 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Ich frage, ob es dagegen einen Einwand gibt? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 9,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 185, SPÖ 128, FPÖ 105, Grüne 95 sowie NEOS 76 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tagesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 38 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen somit gleich zur Abstimmung über die soeben dargestellte Rede­zeitvereinbarung.

Ich ersuche Sie um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig ange­nommen.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

11.58.591. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über das Volksbegehren (1630 d.B.) „Mental Health Jugendvolksbegehren“ (1932 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.



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11.59.17

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Weil dieser Tagesordnungspunkt ja ganz die Jugend im Blick hat, möchte ich an dieser Stelle auch eine Delegation aus der JVP Graz auf der Besuchergalerie begrüßen. – Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.) Es ist wahrscheinlich hier auch angenehmer als im kommunistischen Rathaus bei euch zu Hause. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Abg. Herr: Was?)

Das Jugendvolksbegehren hat das Thema Mental Health im Fokus und 138 131 Leute haben es unterstützt und unterschrieben.

Ich möchte an dieser Stelle auch unbedingt einmal die Initiatoren dieses Volksbegehrens, allen voran Carina Reithmaier mit dem ganzen Team, dazu beglückwünschen, dass sie wirklich ein solch enorm wichtiges Thema in diesem Volksbegehren kanalisieren konnten und es ganz prominent auf die Tages­ordnung, auch zum Beispiel bei der heutigen Sitzung, gebracht haben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Gestartet ist dieses Volksbegehren vor einem Jahr. Wenn wir uns überlegen, wie vor einem Jahr die politische Debatte und die Situation, auch rund um Corona, ausgesehen haben, dann wissen wir noch umso mehr zu schätzen, wie kon­struktiv dieses Volksbegehren mit uns als Politik interagiert hat. Vor einem Jahr haben wir als Politik nämlich nicht darüber diskutiert: Ist das Glas halb voll oder ist es halb leer?, sondern wir haben darüber diskutiert: Ist es überhaupt ein Glas und ist da überhaupt Wasser drinnen? Das war wirklich eine extrem schwierige Situation.

Wenn ich mich auch an die Reden, zum Beispiel von Kollegin Belakowitsch, bei diversen Coronademos erinnere, muss ich sagen: Das war ja eher so nach dem Motto: Heute Österreich und morgen die ganze Scheibe!

Das war wirklich keine lustige Zeit, und ich bin sehr dankbar, dass Sie, die Initiatoren des Volksbegehrens, es geschafft haben, die Debatte zu


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versachlichen und auch konstruktiv mit uns als Politik zusammenzuarbeiten, um zu Lösungen zu kommen. (Abg. Belakowitsch: Ich habe gedacht, der Herr Bundeskanzler möchte die Aussöhnung! Haben Sie das schon gehört? ...!) Das war damals viel wichtiger und viel notwendiger, als es das Gott sei Dank heute ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Es gab auch damals schon die Initiative der Bundesregierung Gesund aus der Krise, wobei das Volksbegehren, würde ich sagen, auch dieses Soforthilfepaket der Bundesregierung als Mitarchitekt unterstützt hat. Da gab es schon Kapazitäten für Psychotherapie für junge Leute, die das sofort gebraucht haben. Da gab es schon eine Hotline der Schulpsychologie und vieles andere, das in der Situation sehr geholfen hat.

Wir haben es jetzt aber im Zuge des Hearings, das stattgefunden hat, geschafft, einstimmig einen Entschließungsantrag auf den Weg zu bringen, mit dem wir noch etwas auf diese Maßnahmen draufsetzen, das, glaube ich, noch einmal ganz wesentlich dazu beiträgt, dass es jungen Menschen in diesem Land besser geht – ich werde jetzt auf einige Punkte davon eingehen.

Es wird auf der einen Seite im Bildungsbereich für Lehrkräfte eine Weiterbildung geben, es werden auch im Zuge der Lehrerausbildung, die reformiert wird, die Skills mitgegeben, mit denen man Problemsituationen besser erkennt und sofort weiß, wie man auch in der Schule Hilfe holen kann. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass unsere Lehrkräfte dieses Handwerkszeug haben.

Es wird in der Eduthek, also dort, wo digitale Unterrichtsmittel zur Verfügung gestellt werden, einen eigenen Bereich für Schüler, für Eltern und auch für Lehrer geben, wo sie quasi tagesaktuell Informationen, Hilfsangebote zum Thema Mental Health abrufen können.

Es soll Projekttage an den Schulen geben, an denen die Zuständigen, die da unterstützen, von der Schulsozialarbeit bis zur Schulpsychologie, einfach einmal in der Schule sind und niederschwellig für Schülerinnen und Schüler greif­bar sind, um sie zu unterstützen.


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Wir statten die Hotline der Schulpsychologie und Rat auf Draht mit Kapazitäten aus, damit sie ihre wichtige Arbeit uneingeschränkt vollbringen können. Ich glaube, das ist eines der Tools, die sich im letzten Jahr am meisten bewährt haben.

Das ist ein Soforthilfepaket, das das Ziel hat, diesen ersten Schritt anzubieten, dass sich jemand Hilfe holen kann, wenn er sich nicht mehr selber helfen kann. Da ist, glaube ich, der allerwichtigste Punkt, dass wir es schaffen, so schnell und lückenlos wie möglich diesen ersten Schritt einfach und möglichst niederschwellig zu gestalten.

Was wir beim Hearing auch diskutiert haben – und das ist nicht mit diesem Ent­schließungsantrag abgedeckt –, ist die systemische Frage im Gesundheits­system, die dahintersteckt, wie wir Psychotherapie in Zukunft generell so regeln, dass jeder ohne finanzielle Einschränkungen dieses Angebot in Anspruch nehmen kann. Der Herr Gesundheitsminister hat schon im Ausschuss, Vertre­ter:innen des Volksbegehrens und auch schon öffentlich gesagt, dass er sich diesem Thema intensiv widmen will. Da werden wir an ganz großen Schrau­ben drehen müssen, damit das funktioniert.

Ich bin aber sehr froh, dass wir das Soforthilfepaket einstimmig, einhellig, mit Einverständnis auch der Vertreter:innen des Volksbegehrens zustande gebracht haben. Ich freue mich sehr, dass wir dieses Signal heute aussenden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.04


Präsidentin Doris Bures: Ich begrüße Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm im Hohen Haus und erteile Frau Abgeordneter Eva Maria Holzleitner das Wort. – Bitte.


12.04.55

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Frau Staatssekretärin! Wie geht es dir? – Super, danke!


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Es ist gerade ein bisschen stressig! Alles okay! Bei mir ist alles gut! – Das sind die Standardantworten, die man auf die Frage: Wie geht es dir?, oftmals bekommt.

Was aber nach wie vor stigmatisiert ist, sind Antworten wie: Ich glaube, ich habe Depressionen! Ich verletze mich selber, denn ich bin komplett fertig! Ich weiß nicht mehr ein noch aus! Ich habe große Angst und Sorgen! Ich weiß nicht, wie es weitergeht!

Das hat das Mental-Health-Jugendvolksbegehren aufzubrechen versucht. Ich denke, es ist den Proponent:innen auch ein Stück weit gelungen. – Herzli­chen Dank dafür. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Es ist wichtig, dass wir nach mehreren Jahren Pandemie über das Thema psychische Gesundheit, insbesondere von jungen Menschen, sprechen, es in den Fokus rücken. Deshalb unterstützen wir auch den Antrag der Regierungs­fraktionen.

Wir finden auch, dass das Projekt Gesund aus der Krise wichtig ist. Warum ist es wichtig? – Weil man gerade in den ersten zwei Jahren der Pandemie so gut wie gar nicht auf die Bedürfnisse der jungen Menschen eingegangen ist, sondern ihre Bedürfnisse mehr oder weniger ignoriert hat. Das hat auch zu dieser Situation geführt, dass mittlerweile jede dritte junge Person von psychischen Problemen betroffen ist.

SOS-Kinderdorf sagt, dass nach wie vor 70 000 Therapieplätze bei Psycho­log:innen für Kinder und Jugendliche in Österreich fehlen. 70 000 The­rapieplätze – das ist eine unglaublich große Lücke, wenn es darum geht, junge Menschen zu unterstützen.

Es ist an der Zeit, alles zu tun, um die psychische Gesundheit in den Fokus zu rücken, durch die Bank zu heben. (Beifall bei der SPÖ.)

Es braucht Psychotherapie auf Krankenschein, es braucht flächendeckende Angebote von Schulpsycholog:innen und Schulsozialarbeit. Ja, das wur­de aufgestockt, aber wir wissen auch, dass es nach wie vor zu wenig ist, weil die


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Schule als Anlaufstelle wirklich viele – de facto alle – Kinder und Jugendli­che abholt, wenn man die Berufsschulen dazunimmt, wenn man alle Schultypen nimmt. Das wäre sehr wichtig.

Auch die Bundesjugendvertretung hat mit ihrer Kampagne Die Krise im Kopf eine Zehnpunktecharta aufgelegt: zehn Punkte, die die psychische Gesund­heit von Kindern und Jugendlichen besser unterstützen sollen. Diese konkrete Charta findet sich aber nach wie vor nicht in der Umsetzung der Bundesre­gierung wieder, und wir fordern, dass diese Charta der Bundesjugendvertretung auch tatsächlich umgesetzt wird.

Wir wissen auch, dass ökonomische Engpässe dazu führen können, dass die psychische Gesundheit leidet. Egal, ob der Mental Load bei Frauen oder Kinderarmut: Es sind reale Probleme, mit denen wir in Österreich konfrontiert sind. Wir sehen zu wenige Lösungsansätze, um diese Probleme zu bekämp­fen. (Beifall bei der SPÖ.)

Neben dem flächendeckenden niederschwelligen Angebot und Anlaufstellen zur Unterstützung braucht es den flächendeckenden Ausbau von Therapieplät­zen, verstärkte Einsätze von Schulpsycholog:innen, und diese müssen auch langfristig finanziell abgesichert sein. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Es ist höchst an der Zeit, da zu handeln, werte Bundesregierung, werte Kollegin­nen und Kollegen von den Regierungsfraktionen. Bisher ist zu wenig gesche­hen, das zeigen uns die Zahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte. (Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)


12.08.49

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekre­tärin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich werde ja schon von


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den Fraktionen begrüßt. (Abg. Leichtfried: Aber nicht mit Begeisterung! – Der Red­ner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „865.000 geschädigte Kinder und Jugend­liche!“ auf das Redner:innenpult.)

Kollege Marchetti, es war wirklich keine lustige Zeit. Wieso war das keine lustige Zeit? (Abg. Loacker: Weil wir dich so oft anhören mussten!) – Weil ihr, nämlich die Einheitspartei aus ÖVP, SPÖ, Grünen, NEOS, nachweislich 865 000 Kinder und Jugendliche durch eure faktenwidrige Coronapolitik über drei Jahre massiv geschädigt habt. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Das ist das Resultat eurer Politik, über das wir heute reden. Natürlich sind wir froh, dass es das Volks­begehren gegeben hat, sodass das Thema überhaupt einmal zum Thema gemacht wird, aber dieser Kollateralschaden mit 865 000 Kindern und Jugendlichen, die durch eure Politik geschädigt wurden, ist das wirkliche Problem, und das ist ein echtes Desaster. (Beifall bei der FPÖ.)

Wisst ihr, die Selbstanklage ist doch immer das Beste. Heute werden ja Forderungen zu Gesund aus der Krise mitbeschlossen, und ich habe mir im Internet die Fakten dazu, zu Gesund aus der Krise, angeschaut. Das ist tatsächlich die perfekte Selbstanklage.

Ich zitiere: „Psychische Symptome haben vor allem bei jungen Menschen in Österreich seit Beginn der Covid-19-Pandemie überhandgenommen. Mehr als die Hälfte aller Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die den 22. Geburtstag noch nicht erreicht haben, sind von depressiven Symptomen betroffen,“ – mehr als die Hälfte – „knapp jeder zweite [...] Mensch leidet an Schlafstörungen“ – wieder mehr als die Hälfte – „und rund ein Drittel ist von Angstsymptomen betroffen. 16 Prozent haben gar wiederkehrende“ Selbst­mordgedanken.

Noch einmal: Wir haben in Österreich insgesamt 1 730 000 Kinder und Jugendliche bis 22 Jahre. Die Hälfte davon sind 865 000. Ich muss das noch einmal herzeigen (neuerlich die Tafel mit der Aufschrift „865.000 geschädigte Kinder und Jugendliche!“ auf das Redner:innenpult stellend): Das ist das Resultat eurer


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faktenwidrigen Coronapolitik, und das ist wirklich unfassbar! Deswegen ist es wichtig und notwendig, dass wir das Thema heute aufgreifen und das auf­zeigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr habt das wider besseres Wissen gemacht. Wir als Freiheitliche Partei haben unzählige Initiativen und Anträge eingebracht, ich erwähne nur einige we­nige: Wir haben eine komplette Rückkehr zum Präsenzunterricht gefordert. Wir waren immer gegen Schulschließungen. Wir wurden ausgelacht. (Abg. Mi­chael Hammer: Für nix?!) Wir haben eine sichere Präsenzschule ohne Masken-, Test- und Impfzwang eingefordert. Wir haben Initiativen gegen den Mas­kenzwang im Unterricht eingebracht und auch gefordert, dass das Budget für die sündhaft teuren Covid-Tests, bisher 4,3 Milliarden Euro, für Fördermaßnah­men ausgegeben wird. Wisst ihr, was passiert ist? – Wir wurden hier am Redner­pult stehend ausgelacht, unsere Initiativen wurden abgelehnt. (Abg. Wurm: Ja, genau! – Abg. Belakowitsch: Stimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich habe x-mal den Vergleich Österreich – Schweden gebracht. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Covid-19-Pandemie: Vergleich Österreich/Schwe­den“ und einer Tabelle mit zwei Spalten auf das Redner:innenpult. – Abg. Disoski: Das kann keiner lesen!) Dieser Vergleich Österreich – Schweden hat euch auch nicht interessiert. Mit diesem Vergleich haben wir, habe ich im österreichischen Parlament aufgezeigt, dass Schweden keinen einzigen Lockdown hatte, wäh­rend wir in Österreich bis Dezember 2021 152 Schulschließungstage hat­ten. – 152! Zur selben Zeit waren die Grundschule und die Sekundarstufe eins in Holland nie geschlossen. Wisst ihr, was das bedeutet? – Einen massiven Bildungsverlust für unsere Kinder und Jugendlichen, der die Kinder und Jugend­lichen bis zur Pensionierung begleiten wird; ganz abgesehen von den vielen, vielen Kollateralschäden, die ihr verursacht habt.

Jetzt zu noch einem Faktum – eure Politik war völlig unwissenschaftlich und faktenwidrig; das müsst ihr euch einmal eingestehen, wie ihr die Bevölkerung mit diesen Kollateralschäden überhäuft und übersät habt (eine Tafel mit dem Logo der Centers for Disease Control and Prevention und der Überschrift „Morbidity


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and Mortality Weekly Report“ auf das Redner:innenpult stellend) –: Spätestens seit dem 6. August 2021, als die amerikanische CDC, die größte Seuchenbehörde der Welt, publiziert haben – das ist nachzulesen, bitte –, dass Geimpfte den Virus nicht nur aufgreifen, sondern auch übertragen können, war klar, dass eure Politik mit den Lockdowns, mit den Schulschließungen, mit den Testun­gen völlig faktenwidrig war. Das haben die CDC am 6. August 2021 aufgezeigt. (Ruf bei der ÖVP: Ach Gott!) Spätestens da hättet ihr in euch gehen und sagen müssen: Unsere Politik ist falsch.

Was ist denn der Klassiker? – Drei Mal geimpft, drei Mal Corona. Wir wissen das mittlerweile. Und was habt ihr getan? – Ihr habt die Kinder, die Jugendlichen in die Impfung hineingetrieben (Abg. Belakowitsch: Gezwungen!), mit dem Argument: Die Kinder müssen geimpft werden, damit die alten Leute sicher sind. Spätestens seit 6. August 2021 hättet ihr wissen müssen, dass auch geimpf­te Personen den Virus weitergeben können, denn das haben die CDC festgestellt. Ihr wart aber weiterhin mit Vollgas faktenwidrig in die völlig falsche Richtung unterwegs. (Beifall bei der FPÖ.)

Ihr macht weiterhin Politik für die Werbung: Herr Gesundheitsminister, der aktuelle Impffolder – ich zitiere auch daraus – ist auch wieder faktenwidrig. In diesem Folder, der aktuell unterwegs ist, steht (Abg. Michael Hammer: Fake­newsfabrik!): „Die Impfung wirkt. Sie kann eine Ansteckung nicht immer verhin­dern,“ – ja, CDC, seit 6. August 2021 klar, wurde vorher bestritten – „schützt aber nachweislich vor einem schweren COVID-19-Verlauf.“ (Ruf bei den Grünen: Und so ist es auch!) – Das ist faktenwidrig und das ist falsch.

So, was fordert die Freiheitliche Partei? Das haben wir auch schon im Ausschuss eingefordert (Ruf bei der SPÖ: Die Redezeit ist aus!), wir haben gesagt: Macht doch Schluss mit dem Geldverschwenden. Das (eine Tafel mit dem Logo des Bun­desministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie einem Zitat aus der Budgetrede zum Budget 2023 auf das Redner:innenpult stellend) ist ein Zitat zum aktuellen Budget, aus der aktuellen Budgetrede des Finanz­ministers: Es sind für dieses Jahr, für 2023, weitere 1,2 Milliarden Euro


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im Budget unter anderem für die Finanzierung und Beschaffung von Impfstoff enthalten, und das, obwohl wir noch 19 Millionen Impfstoffdosen haben. 26 Millionen Dosen haben wir bereits verschenkt. Dieses Jahr kaufen wir um mehr als 300 Millionen Euro noch weiteren Impfstoff, nur weil Ursula von der Leyen in einem persönlichen, privaten Deal (Abg. Michael Hammer: Unglaublich!) mit Pfizer-Chef Bourla Unmengen von Impfstoff im Wert von 35 Milliarden Euro eingekauft hat. Sie hat 1,8 Milliarden Impfstoffdosen ohne Rücksprache mit dem Europäischen Parlament eingekauft und zwingt die EU-Länder zu fixen Abnahmeverträgen, so auch Österreich. Geld wird nicht mit zwei Händen aus dem Fenster hinausgeschmissen, sondern mit zehn Händen.

Wir stellen daher unseren Antrag (Rufe bei der ÖVP: Redezeit! – Abg. Leichtfried: Wo ist das Taferl? Das Taferl ist weg!):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung unserer Kinder und Jugendlichen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, umgehend die im BVA 2023 in der UG 42 Gesundheit zur COVID-19-Krisenbewältigung vorgesehe­nen Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro – davon allein 301 Millionen Euro für COVID-19-lmpfstoffe und -zubehör – umzuschichten und zur Finanzierung von sofortigen psychologischen und psychotherapeutischen Behandlungen für alle mit negativen Folgen von Corona betroffenen Kinder und Jugendli­chen zu verwenden.“

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Es wäre eigentlich grundanständig, diesen Antrag heute einstimmig anzuneh­men. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Edith Mühlberghuber

und weiterer Abgeordneter

betreffend Unterstützung unserer Kinder und Jugendlichen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1, Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über das Volksbegehren (1630 d.B.) "Mental Health Jugendvolksbegeh­ren" (1932 d.B.), in der 202. Sitzung des Nationalrates am 1. März 2023

Die Situation der psychischen Gesundheit unter Kindern und Jugendlichen hat sich über die vergangenen Jahre massiv zugespitzt und durch Covid-19 einen alar­mierenden Höhepunkt erreicht. Schulen, Kindergärten und Kinderbetreuungseinrich­tungen waren über Wochen geschlossen. Die Möglichkeit, Freunde zu treffen und Sport zu treiben, sowie die Teilnahme am sozialen Leben waren generell einge­schränkt bis völlig unmöglich. Auch die Folgeschäden von fragwürdigen Corona-Impfungen sind zu hinterfragen.

“Home-Schooling, fehlender Kontakt zu Freundinnen und Freunden, Sorge um die eigene Gesundheit und die Eltern und Großeltern: Die Corona-Pandemie hat vor allem Kinder und Jugendliche stark belastet.“, so die Bundesregierung im Okto­ber 2022.

Das von der ÖVP-nahen Schülerunion betriebene „Mental Health Jugendvolks­begehren“ sieht die mentale Gesundheit als „Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben, welches nicht durch Ängste oder Selbstzweifel geleitet wird“ und fordert insbesondere Maßnahmen im Bereich Mental Health bei der Jugend.


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Im Hearing zum Mental Health Jugendvolksgehren im Ausschuss für Familie und Jugend am 14. Feber 2023 führte der Experte Univ.-Doz. Dr. Hannes Strasser, MSc unter anderem aus, dass unsere Kinder und Jugendlichen in den letzten dreo Jahren mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen konfrontiert wurden, das massivste Schäden hinterlassen hat:

Da waren die Lockdowns, die Schulschließungen, die Tests für die gesamte Bevölke­rung, die ja mittlerweile, wie man weiß, über 4 Milliarden Euro gekostet haben, die Masken und die Impfungen. […] Die Konsequenzen für die Kinder und Jugendli­chen waren gravierend. Es kam zu Impfnebenwirkungen, zu Lernrückständen, die zu einer verminderten Lebenserwartung führen, zu einer Zunahme von psychi­schen Erkrankungen und Angst, zu einer messbaren Zunahme von Gewalt, zu einer Zunahme von Übergewicht, von Drogenmissbrauch, zu Diskriminierung und Mobbing vor allem der ungeimpften Kinder und zu einer Zunahme der Suizidalität.

In Österreich bestehe praktisch bis zum Alter von 45 Lebensjahren eine Sterblichkeit von 0 Prozent, d.h. Junge, gesunde Menschen sterben nicht an Corona und sind kaum daran gestorben. Anders bei den Nebenwirkungen der Impfung: Diese betreffen jüngere Menschen ganz massiv, wie eine Vielzahl von Publikationen zeigt. So hat eine Studie beispielsweise festgestellt, dass nach Corona-Impfungen 17 Prozent der Kinder Herzsymptome entwickelten.

•     Die Coronamaßnahmen haben die Entwicklung von Kleinkindern besonders negativ beeinflusst. Eine Studie von Ofsted, der britischen Schulaufsichtsbehörde, die die Maßnahmen „Maskentragen und Schulschließungen“ untersucht hat, kommt zum Schluss, dass das Maskentragen bei Kleinkindern besonders negative Auswirkungen hat: die Sprachentwicklung ist gestört, die gesamte Entwick­lung behindert, das Selbstvertrauen vermindert. Die Kinder sind ängstlicher, we­niger belastbar, haben einen begrenzteren Wortschatz, und es kommt zu einem massiven Anstieg von psychischen Erkrankungen.

•     „Wenn wir Schulen schließen, schließen wir das Leben der Kinder.“, so Professor Russell Viner, der Präsident des Royal College of Paediatrics and Child Health.


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•     Eine aktuelle Metastudie, in der Daten aus 42 Einzelstudien aus 15 Ländern gesam­melt wurden (Stand Jänner 2023), zeigt folgende Fakten: Seit Beginn der Co­rona-Pandemie, also in den letzten drei Jahren, fehlt jedem Schüler pro Schuljahr ein Drittel. Damit mussten Schüler einen enormen Bildungsverlust hinnehmen. Speziell betroffen sind dabei Kinder aus sozioökonomisch schlechtergestellten Haushalten, für die es kaum möglich ist, diese Bildungsdefizite aufzuholen. Diese Bildungsverluste werden zu massiven Einkommensverlusten führen. Über die Lebenszeit gerechnet, schätzt man einen Verlusten von vier Jahreseinkommen.

•     Eine Studie der Weltbank hat erhoben, dass es weltweit zu einer massiven „learning poverty“ kommt und 70 Prozent(!) der Kinder bis zehn Jahre weltweit einen simplen Text nicht lesen oder verstehen können.

•     Der Internationalen Währungsfonds hat in einer Studie festgestellt, dass eine zu schlechte Ausbildung von Kindern in späteren Jahren zu einem deutlichen Verlust nicht nur an Lebensqualität und an Einkommen, sondern auch an Lebens­erwartung führt.

•     Eine Studie der Universität Zürich zeigt, dass die Zahl der sexuellen Gewalttaten und der sexuellen Übergriffe von Jugendlichen in den letzten Jahren massiv zugenommen hat, vor allem gegenüber Mädchen und Frauen. Die Zahl der Raub­delikte ist gestiegen, Schulmobbing hat deutlich zugenommen.

Das sind nur einige wenige Beispiele von Studien, die sich mit den Folgen der teils fragwürdigen Coronamaßnahmen für Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Auf der Webseite von „Gesund aus der Krise“, einem Projekt der Bundesregierung, das „die rasche, unbürokratische und kostenlose Vermittlung von wohnortnahen und bedürfnisgerechten Beratungs- und Behandlungsplätzen für Kinder und Jugendliche“ sicherstellen soll, ist zu lesen1:

Psychische Symptome haben vor allem bei jungen Menschen in Österreich seit Beginn der Covid-19-Pandemie überhandgenommen. Mehr als die Hälfte aller Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die den 22. Geburtstag noch nicht erreicht haben, sind von depressiven Symptomen betroffen, knapp jeder weite junge


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Mensch leidet an Schlafstörungen und rund ein Drittel ist von Angstsymptomen be­troffen. 16 Prozent haben gar wiederkehrende Suizidgedanken.

In Summe ist jeder zweite der rund 1,73 Millionen Jugendlichen in Österreich von negativen Coronafolgen betroffen, also rund 865.000 Jugendliche. Die Bun­desregierung hat das Projekt „Gesund aus der Krise“ vom März bis Oktober 2022 mit 12,2 Millionen Euro gefördert und damit laut eigenen Angaben rund 6.800 Kin­der und Jugendliche erreicht. Mit zusätzlichen Mitteln von rund 7 Millionen Euro will die Regierung nun die psychologische und psychotherapeutische Behandlungen von mehr als 10.000 Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 21 Jahren finanzie­ren. Angesichts von rund 865.000 Betroffenen ein Tropfen auf dem heißen Stein!

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Studien sowie auch das Hearing im parlamentarischen Ausschuss für Familie und Jugend am Dienstag, 14. Feb­ruar 2023, haben gezeigt, dass Maßnahmen für alle Kinder und Jugendliche, die es brauchen, rasch und ohne jeglichen Aufschub notwendig sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, umgehend die im BVA 2023 in der UG 42 Gesundheit zur COVID-19-Krisenbewältigung vorgesehenen Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro – davon allein 301 Millionen Euro für COVID-19-Impfstoffe und -zubehör – umzuschichten und zur Finanzierung von sofortigen psychologischen und psychotherapeutischen Behandlungen für alle mit negativen Folgen von Corona betroffenen Kinder und Jugendlichen zu verwenden.“

1     https://gesundausderkrise.at/

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


12.17.30

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Kollege Hauser, es ist schlichtweg einfach nur grindig, wenn Sie ein Volksbegehren zur mentalen Gesundheit von jungen Menschen für Ihre total skurrile Coronashow mit Tafeln, die schon vor zwei Jahren faktenwidrig waren, zu instrumentalisieren versuchen. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Abg. Wurm: Was heißt da „grin­dig“! – Abg. Belakowitsch: „Grindig“ ist aber bitte, seien Sie mir nicht böse - -! Was soll denn das?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das ist nicht nur peinlich, das ist extrem respektlos. Es ist respektlos gegenüber den jungen Menschen, die diesem wichtigen Thema mittels Volksbegehren Aufmerksamkeit geben. (Abg. Belakowitsch: Nein, respektlos wart ihr, ihr habt sie ja aus der Schule rausgesperrt! Das ist respektlos gewesen! Ganz einfach, es war ...! – Abg. Amesbauer: Ihr seid ja schuld! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist extrem respektlos denjenigen gegenüber, die von diesem Thema betroffen sind, und es ist extrem respektlos, dass Sie ein solch wichtiges Thema zu instrumentalisie­ren versuchen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch: Sagen Sie einfach, es war falsch! – Abg. Deimek: ... die Gesundheit von jungen Kindern! – Abg. Amesbauer: Eine grindige Rede! – Rufe bei den Grünen: Hallo! – Abg. Leichtfried: Also der Einzige, der da grindig ist, seid ihr! – Abg. Amesbauer: Sie hat es ja zuerst gesagt!)

So, jetzt aber: Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher und Zuseherinnen! Wie geht es dir? – Gut, denke ich zumindest, ehrlicherweise habe ich schon länger nicht mehr darüber nachge­dacht. – Das ist, glaube ich, die ehrlichste Antwort auf diese Frage, die ich in letzter Zeit bekommen habe. Auf die Frage, wie es uns geht, muss die Antwort nicht immer „gut“ sein. Das Leben muss auch nicht immer großartig laufen,


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wie es beispielsweise beim Lucky-Girl-Syndrome propagiert wird. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Bei diesem Tiktok-Trend wollen sich vor allem junge Frauen mit Mantras und positiven Gedanken einreden, dass ihnen das Glück einfach zufliegt. Ich halte das für höchst problematisch.

An Optimismus ist nichts verkehrt, das kann ich als unverbesserliche Optimistin auch im politischen Kontext sagen. Allein durch die Kraft der Gedanken kommt man aber nicht zu mehr Glück oder zu einem besseren Leben. Mit dieser toxischen Positivität unterdrücken wir etwas sehr Wichtiges, und das sind negative Erfahrungen und negative Gefühle. Es ist nicht so, dass immer alles toll sein muss. Es braucht negative Erfahrungen, es braucht Fehler, damit man daran wachsen kann. Wir müssen kein künstliches von Glück verfolgtes Selbst schaffen, es ist ganz okay so, wie man ist, auch mit den negativen Episoden, an denen man wächst. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Himmelbauer und Schmuckenschlager.)

Zu den Zahlen: Junge Menschen waren bereits vor 2020 psychisch enorm belastet. Dann kam es Schlag auf Schlag: Corona, Teuerung, Krieg in Europa, die Klimakrise. Gerade bei der Klimakrise geht es um Zukunftsängste. Junge Menschen gehen nicht auf die Straße, weil sie sonst nichts Besseres zu tun ha­ben, sondern junge Menschen gehen auf die Straße, weil es um nichts Ge­ringeres als den Erhalt ihrer Lebensgrundlage geht und sie Sorge haben, dass manche Verantwortungsträger das immer noch nicht verstanden haben. Das, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist die Lebensrealität von jungen Menschen.

Ich bin sehr dankbar, dass das Volksbegehren zur mentalen Gesundheit direkt von jungen Menschen kommt und somit breit mitgetragen wird, weil wir zum Teil in unserer Gesellschaft immer noch nicht verstanden haben, dass das Leben mit einer psychischen Erkrankung sehr viel Stärke bedarf und psychi­sche Erkrankungen immer wieder mit Schwäche verwechselt werden. Sätze wie beispielsweise: Alles halb so wild!, oder: Das wird schon wieder, da muss


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man sich halt zusammenreißen!, sind mehr oder minder gut gemeint, helfen aber absolut nicht.

Ich glaube, wir alle sind gefordert, dass wir psychische Probleme nicht klein­reden. Wir hier herinnen sind gefordert, dass wir Strukturen schaffen, damit alle die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Wir alle hier wissen, dass wir aufgrund großen Reformstaus in der Vergangenheit massive Defizite haben. Wir sind dabei, dieses kränkelnde, unterfinanzierte System auf sichere Beine zu bekommen, mit wichtigen Punkten – der Kollege von der ÖVP hat es schon an­gesprochen – wie eben auch, dass mentale Gesundheit ab dem Schul­jahr 2023/24 als Unterrichtskompetenz in allen Schulformen in allen Lehrplänen verankert wird (Abg. Belakowitsch: Da müsst ihr die Schulen offen lassen!), dass das Supportpersonal aufgestockt wird, die Finanzierungsvereinbarung fixiert wird und – das freut mich ganz besonders – dass das Erfolgsprojekt Gesund aus der Krise, das wir wieder mit 20 Millionen Euro aufgestockt haben, fortgeführt wird, durch das sich wirklich jeder und jede anonym niederschwellig Hilfe holen kann, die er oder sie braucht. Da bekommt man wirklich Psychotherapie, unabhängig vom Geldbörsl.

Danke nochmals an die Initiatoren und Initiatorinnen für das Wachrütteln, nicht nur politisch, sondern auch dafür, dass sie diesem Thema gesellschaftlich die Aufmerksamkeit gebracht haben, die es dringend braucht! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Leichtfried.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich würde Sie ersuchen, dass wir im weiteren Verlauf der Debatte den Aus­druck „grindig“ wieder aus unserem Wortschatz streichen. (Abg. Stögmüller: Sehr gut!)

Ich erteile nun Herrn Abgeordneten Yannick Shetty das Wort. – Bitte.


12.22.58

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe


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Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Und vor allem: Lie­be Initiatoren und Initiatorinnen des Jugendvolksbegehrens! 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen leiden an depressiven Symptomen. Ich merke, einige von Ihnen hören mir bei diesen erschreckenden Zahlen gar nicht mehr zu. Das geht bei vielen schon mittlerweile da (auf sein rechtes Ohr wei­send) rein und da (auf sein linkes Ohr weisend) raus, weil diese Pandemie der psychischen Gesundheit für viele mittlerweile zum Normalzustand geworden ist, um den man sich eigentlich nicht mehr wirklich kümmern muss.

Ich frage mich schon – auch wenn ich dieser Debatte folge und höre, wie stolz man auf diesen Entschließungsantrag ist –, Frau Staatssekretärin, Herr Gesundheitsminister: Verstehen Sie diese Notsituation auch, die uns beispiels­weise von Prof. Plener von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugend­psychiatrie des AKH im Ausschuss geschildert wurde?

Die Zahlen werden nämlich immer erschreckender. Eine ganz neue Studie der Tirol-Kliniken zeigt auf, dass bei den Jüngsten, den Drei- bis 13-Jährigen, schon jedes dritte Kind – ich habe Ihnen das auch mitgebracht (eine Tafel auf das Red­ner:innenpult stellend, auf der unter dem Titel „Jedes 3. Kind besonders gefähr­det“ drei Kinder grafisch dargestellt sind) – besonders gefährdet ist. Das heißt, dass klinisch manifeste Ängste vorliegen, die behandlungsbedürftig sind – bei je­dem dritten Kind unter den Drei- bis 13-Jährigen!

Besonders bedrückend wird es dann, wenn ich mir die Nachrichten durchlese, die ich von jungen Menschen, teilweise noch Kindern, bekomme, die alle dasselbe Muster zeigen. Ich habe vor zwei Jahren hier schon einige dieser Nachrichten vorgelesen und vorgetragen, aber sie wurden in den vergan­genen Monaten nicht weniger, wie man vielleicht meinen möchte.

Zum Beispiel hat mir vor eineinhalb Monaten Sarah geschrieben, sie schreibt: Meine Psyche ist den Berg hinuntergegangen. Es ist aber nicht nur Corona, was alles verändert hat, auch der Krieg. Das Verhältnis mit Geld war noch nie das beste in meiner Familie, aber es ist schlimm, mitanzusehen, dass sogar schon


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Essen zu teuer ist. Wenn ich sagen würde, dass ich eine Psychotherapie brauche, würde mir gesagt werden, dass es zu teuer sei, da das Land nicht genug Beihilfe leistet und auch keine Therapie übernommen wird von der Kranken­kasse, wenn du nicht wirklich schwer erkrankt bist. – Zitatende.

Oder Kilian, ein junger Mann, schreibt: Gerade in den letzten drei Jahren Pandemie haben Freundschaften gelitten, sind gar zerbrochen. Das Sozialleben war auf null, aber das Arbeitspensum, gerade in meiner Branche Pflege, war enorm. Wie geht es mir? Ich bin müde. Ich frage mich, ob das der Sinn des Lebens ist. Ich möchte am liebsten aufhören. – Zitatende.

Oder eine letzte Nachricht, die ich mit Ihnen teilen möchte, von Sandra – ich glaube, sie ist sehr repräsentativ für viele junge Menschen –: Ich öffne Social Media und sehe einen Bericht über die Klimakrise oder eine Naturkata­strophe oder eine andere neue Maßnahme oder Handlung. Ich bin auf der Stelle frustriert, wütend und traurig. Ich beginne zu weinen, weil ich mich macht­los fühle. – Zitatende.

Vor diesem Hintergrund: Natürlich ist es gut, dass die Regierung irgendetwas tut, doch die anfängliche Freude über diesen Entschließungsantrag, die ich auch hatte, wurde schnell zunichtegemacht, als ich ihn genau durchgelesen habe. Die einzelnen Forderungspunkte beziehen sich größtenteils auf Themen, die oh­nehin schon in Umsetzung sind, auf Projekte, die schon laufen – da sind auch gute Projekte dabei. Wo der Antrag konkreter wird, geht es genau nicht in die richtige Richtung.

Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung, es reicht vorne und hinten nicht aus, wenn man sich an einem nichtssagenden, nicht verbindli­chen Entschließungsantrag festklammert, während Jugendliche leiden und die Zahlen immer erschreckender werden, obwohl sie nicht mehr im medialen Fokus stehen. Sie sollten weniger reden und Sie müssen endlich mehr han­deln! (Beifall bei den NEOS.)


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Zum Abschluss, klar ist – ich muss es auf diesen Punkt bringen –: Ohne Psychotherapie als Leistung der Krankenkasse bleibt das alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Eine gebrochene Seele muss von der Krankenkasse endlich genauso behandelt werden wie ein gebrochener Haxen. Bitte handeln Sie endlich! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.27


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Johannes Rauch zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.27.21

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord­nete! Ich möchte mich zuerst an die Initiatorinnen und Initiatoren dieses Volksbegehrens wenden und Ihnen allen, euch allen ein ganz herzliches Danke sagen und meinen Respekt ausdrücken. Ihr habt mit dieser Initiative bewie­sen, dass Engagement, Zuversicht, das Blicken nach vorne entgegen vielen Unkenrufen, die man der Jugend entgegenbringt, nach wie vor Platz haben. Ihr habt eine Initiative gesetzt, die vorbildlich ist und die, so meine ich, auch Dinge in Bewegung gebracht hat.

Euer Ansatzpunkt war, dass wir über psychische Gesundheit insbesondere von Jugendlichen verstärkt reden müssen, diesbezüglich ins Handeln kommen müssen, weil wir – und das ist klar, das wurde angesprochen – in einer Zeit le­ben, in der uns vielfältige Krisen begleiten, die einen Einfluss auf das Le­ben von uns allen, insbesondere auch von jungen Menschen, haben. Das betrifft nicht nur die Coronapandemie, sondern das betrifft auch den Krieg in der Ukraine, das betrifft die Frage der Energieversorgung, das betrifft die Frage der Teuerung, das betrifft auch die Frage der Klimaveränderung, und das hat Folgen – das ist unbestritten – für die psychische Gesundheit.

Was auch klar ist – das habt ihr angesprochen und thematisiert –: Psychische Gesundheit darf kein Tabuthema mehr sein. Auch deshalb ist euch zu danken: Es


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ist euch gelungen, meine ich, gerade auch im Kreis junger Menschen, eine Situation herzustellen, dass darüber gesprochen wird und es kein Tabuthema mehr darstellt. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Dazu gehört allerdings auch eine ausreichende psychosoziale Versorgung im niederschwelligen Bereich. Das Projekt Gesund aus der Krise ist angesprochen worden. Dazu muss ich jetzt ein paar Sätze sagen, weil die Initiatoren und Initiatorinnen, die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Psycholo­g:innen gestern bei mir waren und mir berichtet haben, dass sie mit diesem Projekt inzwischen europaweit nachgefragt werden, modellhaft als Best-Practice-Beispiel herumgereicht werden. Nachgefragt wird: Wie macht ihr das? Wie habt ihr das aufgesetzt? – Sie (in Richtung Abg. Shetty) können den Kopf schütteln, aber es ist eine Tatsache, wir sind damit Frontrunner in Europa. Es ist Ihnen vielleicht unangenehm, aber es ist so. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Gödl.)

Das ist das beste Projekt, das in der Europäischen Union in dieser Frage auf den Weg gebracht worden ist. Es ist niederschwellig, es ist schnell, alle bekom­men ihre Hilfe, es ist ausgebaut worden, es ist budgetär besser ausgestattet wor­den – es ist ein Erfolgsprojekt.

Es wird von Schweden bis Spanien als Pilotprojekt herumgereicht, und es wird gesagt: Wir wollen das auch haben! – Wir sind gerade dabei, den Know-how-Transfer in dieser Frage zustande zu bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben in diesem Jahr die finanziellen Mittel um 20 Millionen Euro aufge­stockt. Wir planen weitere Maßnahmen, es wird die Förderung der Jugendlichen verstärkt – Stichwort Rat auf Draht, Kriseninterventionszentren –, und ja, es stimmt: Es geht auch darum, mit der Novelle des Psychotherapiegesetzes, an der wir arbeiten, an der wir dran sind, die Rahmenbedingungen zu schaffen.

Es gilt, ein Konzept für den niedergelassenen Bereich zu erarbeiten und den kassenfinanzierten Zugang zu psychotherapeutischen, psychologischen


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Hilfeleistungen auszubauen. Es ist so, dass die Inanspruchnahme von Hilfe bei psychischen Schwierigkeiten so selbstverständlich sein muss wie die Inan­spruchnahme einer ärztlichen Dienstleistung bei einer körperlichen Erkrankung. Wir haben die Suizidprävention Austria aufgebaut und ausgebaut – bereits seit 2012 gibt es dieses Programm – und letztlich auch eine Erhöhung der Ausbildungskapazität im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie ver­stärkt forciert, weil es auch da die Nachfrage gibt.

Ja, die psychische Gesundheit gehört ins Zentrum gerückt. Es ist notwendig, da verstärkt tätig zu werden, aber auf der Basis, die ihr, die ihr dieses Volks­begehren auf den Weg gebracht habt, vorgelebt habt. Und damit bin ich beim Anfangspunkt und möchte das, was ich auch im Ausschuss gesagt habe, noch einmal ins Zentrum rücken: Ihr habt mit dieser Initiative auf eine Art und Weise Engagement gezeigt, die vorbildlich ist und eines zeigt: Es geht auch darum, die Probleme nicht nur zu benennen, sondern mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen, Wege aufzuzeigen, wie wir da rauskommen, und bei allen Schwierigkeiten, die die multiplen Krisenlagen, die wir jetzt haben, mit sich bringen, ein Stück weit kritisch, aber respektvoll, zukunftsorientiert und positiv an die Dinge heranzugehen.

Ihr, möchte ich auch sagen, ihr jungen Menschen, die ihr diese Initiative gestartet habt, verkörpert damit das genaue Gegenteil von manchen Redebeiträgen hier, die von einem Blick zurück getragen sind, von einer Verdrehung der Tatsa­chen und von einem völlig falschen Weltbild. Prototypisch dafür ist Abge­ordneter Hauser, der so tut, als hätte die Pandemie nicht stattgefunden, als wäre Putin möglicherweise ein Kandidat für den Friedensnobelpreis (Abg. Michael Hammer: Unsinn!) und als wäre die Erde eine Scheibe. Das ist schlicht und einfach nicht wahr. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.32


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carina Reiter. – Bitte.



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12.32.59

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Kinder und Jugendli­che haben heutzutage viele Dinge zu verarbeiten. Eine Vielzahl an Herausforde­rungen schlagen wie Wellen über der Seele von jungen Menschen zusam­men. Der Krieg, die Klimakrise, Zukunftsängste lösen Unsicherheit, Sorgen und Angst aus. Es ist einfach eine schwierige Zeit, in der wir gerade leben, und die Vision der Initiatoren des Volksbegehrens ist, dass unsere Gesellschaft offen darüber reden kann, wie es uns geht.

Wie es den Kindern und Jugendlichen geht, haben wir heute schon mehrmals gehört: Jeder zweite Jugendliche leidet an depressiven Symptomen, jeder sechste Jugendliche denkt regelmäßig darüber nach, sich das Leben zu nehmen – das sind erschütternde Zahlen.

Umso wichtiger ist es, dass wir enttabuisieren, dass wir ein Bewusstsein schaffen und dass wir Betroffene unterstützen. Um das schaffen zu können, ist aber jeder Einzelne von uns gefragt. Und wenn wir darüber reden, dass jeder Einzelne von uns gefragt ist, möchte ich gerne noch einmal auf Kollegen Hauser von der FPÖ eingehen. Er hat nämlich gesagt, er habe im Internet recherchiert. Da möchte ich nur darauf hinweisen, dass es im Internet eine Vielzahl an Fakten sowie auch sehr viele Fakenews gibt. Man ist gut beraten, sich genau anzuschau­en, was man als Fakt übernimmt, und nicht nach dem Motto: Widdewidde­witt, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt!, vorzugehen – gerade auch aus Respekt gegenüber den Initiatoren des Jugendvolksbegehrens. Ich finde das nicht in Ordnung, das so zu instrumentalisieren! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Shetty.)

Die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens haben es geschafft, dieses Thema noch mehr in den Fokus zu rücken. Wir stehen heute schon an einem anderen Punkt als noch vor einem Jahr, und ich glaube, ihr habt auch dafür gesorgt, dass man, wenn man gefragt wird: Mir geht’s gut, und selber?, vielleicht einmal kurz ein bisschen nachdenkt und dann sagt, wie es einem eigentlich


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wirklich geht, also doch ein bisschen mehr Ehrlichkeit in dieses Thema: Wie geht es mir?, Wie geht es uns als Gesellschaft?, hineinbringt.

Die Anliegen des Volksbegehrens haben sich eigentlich sehr gut mit den Rede­beiträgen der Experten getroffen und es sind einfach einige wichtige Punkte darin vorgekommen: Wir brauchen ein niederschwelliges Angebot, wir brauchen eine Vernetzung zwischen den Akteuren und den verschiedenen Angeboten, die wir haben, und wir brauchen den Ausbau von Beratung.

In dem Entschließungsantrag, den wir basierend auf dem Volksbegehren eingebracht haben, sind, glaube ich, doch Punkte enthalten, bei denen man sehr gut sofort ansetzen kann: Materialien und Wissen für Lehrkräfte zur Ver­fügung zu stellen, weil gerade sie mit sehr großer Verantwortung in diesem Be­reich konfrontiert sind; Aufstockung der Ressourcen für die Hotline Schul­psychologie und auch für Rat auf Draht ist, glaube ich, sehr wichtig, weil das ein ganz wichtiger niederschwelliger Ansatz ist; und auch, dass man prüft, welche Elemente aus dem Projekt Gesund aus der Krise langfristig implementiert werden können, ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig.

Das ist also sozusagen ein Soforthilfepaket, das sich auf die Punkte im Volksbegehren bezieht. Wie mein Vorredner Kollege Nico Marchetti aber schon gesagt hat, muss man natürlich auch in gewisse Bereiche systemisch tiefer hineingehen und dort Änderungen oder Optimierungen überlegen.

Von Expertenseite ist beim Hearing zum Volksbegehren das Projekt Gesund aus der Krise, wie es der Herr Minister schon ausgeführt hat, als Leuchtturmpro­jekt im europäischen Vergleich tituliert worden. Das Projekt bietet ein sehr niederschwelliges Angebot für eine breite psychologische und psychothe­rapeutische Versorgung, und es zeigt auch, wie man eine relativ schnelle Wirkung zustande bringt, und auch, dass man in gewissen Bereichen stabilisieren kann.

Ich möchte da auch Staatssekretärin Claudia Plakolm, gerade ihr als Jugend­staatssekretärin, Danke sagen, dass sie sich so stark dafür eingesetzt hat


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und gemeinsam mit Minister Rauch die Umsetzung und auch die Aufstockung dieses Projektes so vorangetrieben hat. Ich glaube, Frau Claudia Plakolm hat das sehr treffend formuliert. Sie hat gesagt: „Psychische Gesundheit darf kein Tabu-Thema sein – weder am Esstisch noch im Arbeitsprogramm der Regierung“, und das, glaube ich, trifft es bezüglich der Schritte, die wir im letzten Jahr gemacht haben, doch sehr gut. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit. Mit dem Fokus auf Früherkennung und Prävention können wir da ansetzen, wo man wirk­lich frühzeitig helfen kann, wo man auch schon viel vermeiden kann. Nur so kann man, glaube ich, auch Perspektiven schaffen und Hoffnung bieten. Das hat schon Shakespeare gewusst. Er hat nämlich geschrieben: Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte.


12.37.58

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Ich möchte zu Beginn meiner Rede im Namen der Abgeordneten Karin Greiner eine Besuchergruppe aus
Graz-Umgebung sehr herzlich im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben es bereits sehr eindringlich von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gehört: Das Mental-Health-Jugendvolksbegehren ist ein wichtiges Volksbegehren. Es wurde von jungen Menschen eingebracht, um auf die vielfachen Problemlagen unserer Ju­gend hinzuweisen. Darum können wir auch nach dieser Debatte nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern, geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen, es ist ein Arbeitsauftrag an uns, kontinuierlich und konsequent für unsere Jugendlichen zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)


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Da braucht es konkrete Maßnahmen, und zu konkreten Maßnahmen gehört auch eine konkrete Finanzierung dieser Maßnahmen. Jeder investierte Euro hilft unseren Jugendlichen in Österreich und spart dem Staat damit langfristig auch Folgekosten.

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion einbringen: Für Kinder und Jugendliche ist es extrem belastend, wenn es finanzielle Schwierigkeiten in der Familie gibt. Wenn die Eltern nicht wissen, wie sie die Miete, die Strom- und die Heizkosten bezahlen sollen, wenn Mitte des Monats kein Geld für die Schuljause mehr da ist, dann belastet das die Familie, dann belastet das auch die Kinder, die das alles in den Familien ganz intensiv spüren. Daher möchte ich auf die längst überfällige Umsetzung der Europäischen Kinder­garantie auf nationaler Ebene hinweisen. Laut einer Anfragebeantwortung durch Sie, Herr Bundesminister, ist der Nationale Aktionsplan nach zwei Jahren immer noch nicht finalisiert.

Dazu kommt, dass für das Jahr 2023 lediglich 120 000 Euro dafür budgetiert sind, für 2024 und 2025 sind derzeit noch gar keine Budgetmittel vorgesehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, 120 000 Euro sind angesichts von 368 000 ar­muts- und ausgrenzungsgefährdeten Kindern in Österreich nicht ausrei­chend, um das Leben dieser Kinder nachhaltig zu verbessern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

Wir brauchen Maßnahmen. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, armutsfeste Sozialleistungen und endlich eine Unterhaltsgarantie. Auch Alleinerziehende und deren Kinder sollen in Österreich nicht in Armut leben müssen. (Beifall bei der SPÖ.) Wir brauchen ein kostenfreies Mittagessen, denn in Österreich darf es nicht so sein, dass ein Kind hungrig in der Schule sitzt.

Um endlich die notwendigen Schritte hier im Hohen Haus setzen zu können, fordern wir die Regierung dringend auf, den Nationalen Aktionsplan end­lich vorzulegen.

Ich bringe daher für meine Fraktion folgenden Entschließungsantrag ein:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung und Präsentation des Nationalen Aktionsplans zur Europäischen Garantie für Kinder“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst den Nationalen Aktionsplan zur Europäischen Garantie für Kinder vorzulegen und nachhaltige Maßnahmen zur Verringerung von Kinderarmut zu setzen.“

*****

Ich ersuche um breite Zustimmung im Sinne unserer Kinder. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

12.41

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Christian Oxonitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Umsetzung und Präsentation des Nationalen Aktionsplans zur Europäi­schen Garantie für Kinder

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über das Volksbegehren "Mental Health Jugendvolksbegehren" (1630 d.B.)

Laut einer Anfragebeantwortung vom 1. Februar 2023 durch Bundesminister Rauch befindet sich der Nationale Aktionsplan Österreichs zur Umsetzung der Europäi-


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schen Garantie für Kinder (NAP) in der finalen politischen Abstimmung der gemäß Mi­nisterratsbeschluss vom 15. September 2021 koordinierenden Ressorts. Es wird ausgeführt, dass die koordinierenden Ressorts „Bildung, Wissenschaft und Forschung“ sowie „BKA – Sektion Familie und Jugend“ in die Erstellung des NAP voll inhalt­lich eingebunden gewesen seien und es zahlreiche Abstimmungsgespräche seit Okto­ber 2021 gegeben hätte. Trotz dieser langen Zeit ist offen, wann der NAP fertig gestellt wird und, ob dieser der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Wann der Nationale Aktionsplan zur Europäischen Garantie für Kinder im Rahmen des Ausschusses für Arbeit und Soziales diskutiert wird, ist ebenfalls unklar.

Hinzu kommt, dass zur Umsetzung der Europäischen Kindergarantie 120.000 Euro lediglich für das Jahr 2023 budgetiert wurden. Für die Jahre 2024 und 2025 sind aktuell keine Budgetmittel vorgesehen. Angesichts von 368.000 armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Kindern in Österreich ist ein Einmalbudget von 120.000 Euro bei weitem nicht ausreichend, um das Leben dieser Kinder nachhaltig zu verbessern. Dazu braucht es vielmehr armutsfeste Sozialleistungen, eine Unterhaltsgarantie, ein Rechtsanspruch auf ganztägige Kindergartenplätze und eine gesunde kostenlose Mittagsverpflegung.

Aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten sind rasche Maßnahmen dringend notwendig und keine Ankündigungspolitik.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehebaldigst den Nationalen Aktionsplan zur Europäischen Garantie für Kinder vorzulegen und nachhaltige Maßnahmen zur Verringerung von Kinderarmut zu setzen.“

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


12.41.46

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Insbesondere aber: Liebe Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens! Ihr greift ein zentrales und wichtiges Thema auf, das spätestens mit dem Ausbruch von Covid und den gesetzten Maßnahmen zur Sicherung unseres Gesundheitswesens in den öffentlichen Fokus gerückt ist. Es geht um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Vorneweg möchte ich mich daher bei euch bedanken, nicht nur, dass ihr das zum Thema gemacht habt, auch die extrem offene und vor allem sehr konstruktive Art und Weise, in dieser Sache das Gespräch, den Diskurs mit uns allen – mit der Politik, mit all den Stakeholdern – zu suchen, war bemerkenswert. Das sollte uns allen hier herinnen ein Vorbild sein, wie wir in Zukunft mit solchen Themen umgehen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist richtig, Covid – und das wurde hier heute schon mehrfach gesagt – war das vielzitierte Brennglas, wenn wir über die mentale Gesundheit sprechen. Nicht nur, aber vor allem für die Kinder und Jugendlichen im Land waren diese drei Jahre extrem belastend und die aktuelle Situation ist es ja immer noch, aber nicht nur wegen Covid, sondern weil wir in einer Zeit multipler Krisen leben. Die Belastungen sind auch nicht erst mit Covid plötzlich auf dem Tisch gelegen – wer das behauptet, irrt und streut in Wirklichkeit den Menschen Sand in die Augen –, sondern die hat es davor schon gegeben, nur wurden sie von Vorgän­gerregierungen kleingeredet und vom Tisch gewischt. Mit Covid haben sich die Belastungen aber deutlich vervielfacht.


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Was haben wir daher als Sofortmaßnahme während der Pandemie umgesetzt? (Abg. Shetty: ... Sofortmaßnahme?) Zum einen ist das das schon mehrfach er­wähnte Projekt Gesund aus der Krise, gemeinsam mit den Berufsverbänden der klinischen Psychologinnen und Psychologen auf der einen Seite und den Psy­chotherapeutinnen und -therapeuten auf der anderen Seite: niederschwel­lige und schnelle Hilfe für alle Kinder und Jugendlichen, die für die Betroffenen natürlich auch kostenlos sein muss und auch ist. Es ist schnelle Hilfe, die gut angenommen wurde und immer noch wird, und – der Minister hat es gerade ausgeführt – es ist vor allem auch ein Vorzeigeprojekt im europäischen Kontext.

Es gibt aber auch andere Maßnahmen: Die ÖGK hat die entsprechenden Kontingente ausgeweitet; psychosoziale Arbeit in den Schulen wurde in den Fokus gerückt; Unterstützungen wie Frühe Hilfen oder beispielsweise auch die Telefonseelsorge wurden ausgebaut – es hört sich komisch an, aber die Telefonseelsorge kann in der Zwischenzeit mit eigenen Chatangeboten auf­warten und wird da auch vom Ministerium unterstützt.

Reicht das? – Sicher nicht! Deswegen haben wir im Familienausschuss einen Entschließungsantrag beschlossen, in dem es darum geht, einen Pfad, wei­tere Maßnahmen aufzuzeigen und zu zeigen, dass die Regierung natürlich nicht untätig bleibt, sondern – ganz im Gegenteil – dieses zentrale Thema auch als das behandelt, was es ist: nämlich ein zentrales Thema. (Beifall bei Abgeordne­ten von Grünen und ÖVP.)

Diese Maßnahmen sind ja zum Teil auch Hilfsangebote für den Fall der Fälle. Das andere sind die Rahmenbedingungen, über die wir reden müssen, denn die Herausforderungen unserer Zeit belasten unsere Kinder und Jugendlichen. Das sage nicht ich, das sagen mindestens vier der fünf geladenen Expertinnen und Experten; und es waren immerhin eine Psychologin, eine Psychotherapeutin, ein Psychiater und eine selbst Betroffene, nämlich die Vorsitzende der BJV.


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Nehmen wir diese Menschen ernst, nehmen wir deren Expertise ernst und schauen wir, dass wir in Zukunft psychische Gesundheit so in den Fokus rücken, dass sie auch wirklich greifbar ist und sich Verbesserungen für die Kinder und Jugendlichen ergeben! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.45


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Claudia Plakolm zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.45.29

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Claudia Plakolm: Frau Präsidentin! Zuallererst: Liebe Kinder und Jugendliche, die ihr heute der Nationalratssitzung hier auf der Galerie oder vor dem Fernseher folgt! Geschätzte Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Zu Beginn meines kurzen Statements möchte ich ganz herzlich den Initiatoren des Jugendvolksbegehrens danken: Danke für dieses erfolgreiche Enttabuisieren und vor allem auch für das Aufzeigen von Möglichkeiten im Bereich der psy­chischen Gesundheit.

Wer Veränderung haben will, der muss auch selbst mitanpacken und kann so seine Zukunft selbst mitgestalten, und das haben die Initiatoren in so jungem Alter schon geschafft. Es ist schön zu sehen, dass weit über 100 000 Men­schen – Menschen aller Generationen – in ganz Österreich, in allen Regionen, das Jugendvolksbegehren so unterstützen und dass aufgrund der Aus­schusssitzung von vor zwei Wochen nun sogar ein von allen Parteien unterstütz­ter Entschließungsantrag einstimmig verabschiedet wird. Das ist der beste Beweis für gelebte Demokratie, die in diesem Fall von der jungen Generation ausgeht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Fischer.)

Es ist unbestritten, dass die psychische Gesundheit von größter Bedeutung ist, und wenn wir uns drei Jahre zurückversetzen, dann erkennen wir, dass viele Monate von Lockdowns geprägt waren, diese Zeit insbesondere für die


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junge Generation von Verzicht und einer Beschränkung von sozialen Kon­takten geprägt war, und das in einer sehr wichtigen Entwicklungsphase, in einer sehr vulnerablen Phase.

Der Kriegsausbruch in der Ukraine vor einem Jahr hat die Ängste und Zukunfts­sorgen von jungen Menschen noch vergrößert, und auch die Teuerung belas­tet junge Menschen direkt wie auch indirekt; wenn die Familie betroffen ist, dann macht das natürlich auch etwas mit der mentalen Gesundheit von jun­gen Menschen. Gefühlt schlittern wir von einer Krise in die nächsten.

Die Auswirkungen dieser multiplen Krisen sind allen hier herinnen bekannt. Wir als Bundesregierung oder auch als Politik im Generellen werden die jungen Menschen aber nicht allein lassen. Es ist die Unterstützung gegeben, die junge Menschen brauchen, um gut durch diese schwierigen Zeiten zu kommen, und wir werden weiterhin alles daran setzen, um besonders diese ressortüber­greifende Zusammenarbeit zu stärken, die es insbesondere im Bereich psy­chische, mentale Gesundheit auf allen Ebenen braucht.

Ich darf auch ein weiteres Mal unser Pilotprojekt Gesund aus der Krise hervor­heben. Mir geht es da gleich wie unserem Gesundheitsminister, auch ich werde auf internationaler Ebene – zum Beispiel in Brüssel – oft von anderen Jugendministern gefragt, wie denn das auf den Weg gebracht worden ist, wie man denn das schafft, kostenlose Therapieplätze für junge Menschen, die so dringend in aller Welt gebraucht werden, zu schaffen. Wir haben es im April des vorigen Jahres wirklich geschafft, in einem ersten Schritt rasche und vor allem niederschwellige Hilfe zu ermöglichen, und das mittels eines
One-Stop-Shops, der auch international beachtet wird. Deswegen möchte ich unseren Partnern bei diesem Projekt ein ganz, ganz herzliches Dankeschön aussprechen: Das ist der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen und der Österreichische Berufsverband für Psychotherapie. Danke schön für diese großartige Kooperation, die Neugierde in anderen Ländern ausgelöst hat! Ich habe mich davon bei einem Besuch in der Zentrale von


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Gesund aus der Krise vor wenigen Monaten auch selbst überzeugen können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Diese hohe Nachfrage, die wir durch dieses Projekt geschaffen haben, zeigt uns, dass wir genau den richtigen Nerv getroffen haben, dass wir genau den richti­gen Weg eingeschlagen haben, und diesen müssen wir auch konsequent weiter­gehen. Deswegen haben wir bei den Budgetverhandlungen im vergangenen Herbst das Projekt Gesund aus der Krise nicht einfach nur verlängert, sondern wir haben es auch finanziell aufgestockt und können somit auch in Zukunft mehr professionelle Betreuung für junge Menschen garantieren. (Beifall bei Abge­ordneten von ÖVP und Grünen.)

Das Budget ist für das heurige Jahr auf 20 Millionen Euro aufgestockt worden. Noch ein paar Zahlen: Allein im vergangenen Jahr wurde 12 500 Mal Gesund aus der Krise kontaktiert. Über 8 000 jungen Menschen aus ganz Österreich, aus allen Regionen – und das ist durch die Berufsverbände garantiert –, konnte bin­nen elf Tagen eine konkrete Behandlerin, ein konkreter Behandler vermittelt werden. Mit dem Budget für 2023 können weitere 11 000 Kinder ganz unkompliziert zu einer mehrphasigen kostenlosen Psychotherapie kommen.

Danke schön den Initiatoren, danke, dass ihr einen wesentlichen Meilenstein erledigt habt, was vor allem die Enttabuisierung und die Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten betrifft. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir offen – auch im persönlichen Bereich, nicht nur in der Politik – über mentale Gesundheit sprechen können.

Ich möchte auch den vielen Jugendorganisationen, den vielen Kinderorganisa­tionen besonders für ihre Arbeit in den letzten Jahren ein riesengroßes Dankeschön aussprechen. Unsere Jugendvereine und Jugendorganisationen sind wichtige Anlaufstellen, sie stehen gewissermaßen auch für Stabilität abseits der Schule in einer Entwicklungsphase, in der man vielleicht nicht so gerne mit den Eltern, mit den älteren Geschwistern über Probleme spricht. Die vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter in der außerschulischen Jugend­arbeit erkennen Probleme deutlich früher, als es andere tun.


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Auch Freundschaften tragen zu einer stärkeren Resilienz und zu einer stabilen psychischen Gesundheit bei – denken wir an Sportvereine, Musikvereine oder auch an die Kameradschaft, die wir ganz einfach bei allen Generationen im Ehrenamt erleben. Dementsprechend war es uns auch wichtig, die Bundes­jugendförderung, die Kinder- und Jugendorganisationen zugutekommt, erstmals seit ihrem Bestehen um 20 Prozent für jede Organisation zu erhöhen.

Mit diesen und vielen anderen Maßnahmen, beispielsweise auch im Bildungsbe­reich, haben wir schon erste gute Schritte gesetzt, um die psychische Ge­sundheit von jungen Menschen, von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Wir dürfen da auch nicht stehen bleiben. Wir werden auch weiterhin Aktivitäten und Programme ausarbeiten und weiterentwickeln. Wir müssen natürlich mit den jungen Menschen auf diesem Weg mitgehen, so wie es uns die Initiatoren des Jugendvolksbegehrens mit ganz konkreten Forderungen, die heute zum Teil auch schon in einen Entschließungsantrag münden, vorge­zeigt haben. Das zeigt eindeutig, wie wichtig uns als Bundesregierung die Anlie­gen der jungen Menschen sind. Wir werden weiterhin auf Prävention setzen und in weiterer Folge auf die passenden Therapiemöglichkeiten.

Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, dass Kindern und Jugendlichen die Unterstützung zuteilwird, die sie dringend brauchen! Bitte helfen Sie mit, dass wir offen über mentale Gesundheit sprechen, dass wir dieses Tabu sowohl im Freundeskreis als auch in der Familie und ganz besonders in der Politik brechen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.52


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Josef Smolle zu Wort. – Bitte.


12.52.46

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehr-


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ten Damen und Herren! Zuallererst ein ganz herzliches Danke an die Initiatorin­nen und Initiatoren des Jugendvolksbegehrens und an alle 138 000 Unter­stützerinnen und Unterstützer, die zeigen, wie wichtig dieses Thema ist.

Die psychische Belastung der Jugendlichen ist derzeit eigentlich eine vierfache. Es wurde den Kindern und Jugendlichen in der Pandemie tatsächlich vieles abverlangt, und es wurde ihnen zum Schutz von Älteren, zum Schutz von vulnerablen Gruppen abverlangt. Dafür möchte ich den Kindern und Jugendli­chen einmal ein aufrichtiges Danke sagen, das ist keine Selbstverständlich­keit gewesen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der zweite Punkt, über den sehr selten gesprochen wird, ist, dass die Pandemie an sich ja auch eine psychische Belastung ist. Denken wir daran, dass allein in den Vereinigten Staaten etwa 140 000 Kinder eine enge Bezugsperson verlo­ren haben. In Österreich hatten wir im Zusammenhang mit der Pandemie glücklicherweise weniger Todesfälle als in etwa zwei Dritteln der europäischen Länder, dennoch war es ernst genug. Hätte sich das Virus aber weiter aus­gebreitet, wäre das an den Kindern und Jugendlichen sicher auch nicht spurlos vorübergegangen.

Der dritte Punkt betrifft etwas, das sich seit Jahren im Alltag als zunehmende Belastung für diese Generation angekündigt hat – da will ich nur eines he­rausgreifen –, nämlich die sogenannten sozialen Medien und den Druck, den diese auf die Jugendlichen erzeugen, der letztlich – bis hin auch zum Cybermobbing – wirklich massiv sein kann.

Die ständige Konfrontation mit negativen Nachrichten, die im Begriff des Doomscrollings kulminiert, dass das schon aufs Gemüt geht, wenn man ständig Negatives zu lesen kriegt, das führt mich zur vierten Belastung: Das sind tatsächlich aktuelle Zukunftssorgen, das ist der Ukrainekrieg, das ist die Klima­herausforderung – all das zusammen ist natürlich eine Belastung, gegen die wir etwas tun müssen.


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Wir kümmern uns um vieles, was in diesem Volksbegehren gefordert wird; manches ist schon umgesetzt, einiges auf dem Weg, etliches wird noch dazukommen. Ich glaube aber, wir können noch mehr tun, wir können nämlich auch etwas zur Psychohygiene beitragen und zu dem, was wir den jungen Menschen vorleben. Wir sind derzeit verantwortlich für die Gestaltung der Welt, die Welt der Kinder und Jugendlichen, wir werden sie ihnen übergeben, und dabei soll sie in möglichst gutem Zustand sein. Wir müssen ihnen vorleben, dass wir in der Lage sind, Probleme zu erkennen, aufzugreifen und gemeinsam an konstruktiven Lösungen zu arbeiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Diese Welt, die wir übergeben, ist eine Welt, die euch, liebe Kinder und Jugendliche, unendlich viele Chancen bietet. Es wird sehr an euch liegen, wie ihr sie weiterentwickelt. Es gibt zwei Zitate, die da meines Erachtens gut hinein­passen; das eine Zitat ist: Die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu schaffen. Das zweite Zitat stammt von Mahatma Gandhi: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ (Abg. Krisper: Oh mein Gott!)

Liebe Initiatorinnen und Initiatoren, ihr lasst die Zukunft nicht passiv auf euch zukommen, nein, ihr greift die Herausforderung auf. Ihr lasst euch ein, ihr gestaltet die Zukunft. Dazu möchte ich euch ermutigen und dafür möchte ich euch danken. Alles Gute! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Oxonitsch. – Bitte. (Abg. Strasser – in Richtung Abg. Krisper –: Frau Kollegin! Flügel! Flügel! Breitet eure Flügel aus! Die Botschaften kennen die NEOS! Bäume umarmen!)


12.57.14

Abgeordneter Christian Oxonitsch (SPÖ): Sehr geehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich muss man sagen: Es ist eigentlich ein Trauerspiel, dass es dafür ein Volksbegehren braucht. Aber es ist schon mehrfach darauf hingewie-


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sen worden, dass es trotzdem umso wichtiger ist, in dieser Situation auf die ge­sundheitliche Lage von Kindern und Jugendlichen hinzuweisen. Ich kann mich natürlich dem Dank und der Gratulation an die Initiatoren nur anschließen, nicht nur deshalb – es ist schon mehrmals darauf hingewiesen worden –, weil es zumindest mit einem Entschließungsantrag einen ersten wichtigen Schritt gibt, sondern auch deshalb, weil dieses Thema tatsächlich für viele nach wie vor ein Tabu darstellt.

Ich glaube, es ist umso wichtiger, dass man darauf hinweist, dass dies keine wirklich neue Lage für Kinder und Jugendliche aufgrund der Coronakrise ist. Auch darauf ist schon mehrmals hingewiesen worden.

Es hat schon 2020, also vor der Coronakrise, einen Bericht der UN-Kinder­rechtekommission gegeben, in dem auf den starken Anstieg der Zahl von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen hingewiesen wurde. Es hat damals schon Empfehlungen dahin gehend gegeben, dass viele der Maßnahmen, die jetzt langsam anlaufen, umgesetzt werden sollen. Es hat nicht zuletzt auch die Austrian-Teenagers-Studie der Med-Uni Wien darauf hin­gewiesen, dass es große Versorgungslücken gibt, und Empfehlungen ausge­sprochen, wie diesbezüglich tatsächlich mehr Angebote geschaffen werden kön­nen. – Das war schon 2017, also doch auch schon einige Zeit her, und es sind dies Zahlen gewesen, die eigentlich immer schon alarmierend waren.

Man muss auch sagen, es hätten sich schon aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern ganz klare Handlungsnotwendigkeiten ergeben. Da geht es im § 1 schlicht und ergreifend darum, dass es natürlich ein Recht des Kindes auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung und die Wahrung seiner Interessen gibt und dass das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. Davon ist natürlich abzuleiten, dass gerade im Bereich der ge­sundheitlichen Versorgung auch Maßnahmen gesetzt werden müssen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich habe schon darauf hingewiesen, ja, der Entschließungsantrag ist, wie ich glaube, ein erster Schritt, vor allem weil er im Bereich Schule zu sensibilisie­ren versucht. Das Sensibilisieren allein hilft aber nichts, wenn es dann nicht die entsprechenden Angebote gibt.

Und ja, natürlich ist Gesund aus der Krise ein ganz wesentlicher Schritt in diesem Bereich gewesen. Aber wenn man sich nicht nur international umhört – ja, dafür mag es Lob geben, zu Recht, es ist auch eine gute Maßnahme –, wenn man mit vielen Psycholog:innen, klinischen Psychologen et cetera spricht, weiß man, nach wie vor sind die Wartezeiten für den überwiegenden Teil von Patientinnen und Patienten sehr, sehr lange. Gerade die Kinder- und Jugendhilfe weist darauf auch immer wieder hin. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wir brauchen mehr niederschwellige Angebote, wir brauchen endlich auch mul­tiprofessionelle Gesundheitsteams an den Schulen, mit entsprechenden Psychologen, Kinderärzten, Sozialarbeitern. Ich glaube, das ist das Gebot der Stunde. Nehmen wir den Auftrag wahr, hoffentlich können wir dann im Rahmen der Debatte über den Bericht des Kinderrechte-Volksbegehrens hier schon über weitere Umsetzungsschritte diskutieren. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)

13.00


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Julia Elisabeth Herr.

Ich darf mitteilen, dass ich gebeten habe, die Temperatur im Saal ein bisschen herunterzuschrauben. Ich hoffe, das ist auch in Ihrem Interesse. Oder ist jemandem kalt? (Abg. Herr – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Na ja!) Soll man sie nicht senken? Na dann - -

Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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13.00.56

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Auch ich darf mich bei den Vertreter:innen des Volksbegehrens bedanken, weil die Frage: Wie geht es jungen Menschen in Österreich?, eine ist, die wir viel zu selten disku­tieren. Und auch die Antwort darauf ist wahrlich wirklich schockierend: Fast 60 Prozent der über 14-Jährigen haben depressive Symptome, Angst­symptome und Schlafstörungen haben sich in den letzten Jahren verfünf- bis verzehnfacht, 16 Prozent haben suizidale Gedanken. Wir können so, wie es jetzt ist, nicht weitermachen, das muss klar sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Angesichts dessen, was wir jungen Menschen abverlangt haben, auch während der Zeit der Pandemie, muss es jetzt möglich sein, diesen jungen Menschen etwas zurückzugeben. Auch vor der Pandemie war es schon so, dass 50 Prozent aller Schüler und Schülerinnen gesagt haben, sie finden den Leistungsdruck in der Schule zu hoch, es ist ihnen zu viel, es geht ihnen damit nicht gut. Das sind bitte jede zweite Schülerin und jeder zweite Schüler. Da braucht es jetzt ganz dringend, akut Hilfsmaßnahmen, es braucht an jeder Schule Schulsozialar­beiter, es braucht mindestens eine Schulpsychologin, einen Schulpsycholo­gen an jeder Schule – jetzt, akut, dass man sich, wenn man ein Problem hat, an je­manden wenden kann. Das brauchen wir ganz dringend. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber darüber hinaus fehlen 70 000 Therapieplätze – 70 000 Therapieplätze! – für junge Menschen. Der Punkt ist: Wenn man viel Geld hat, wird man wahrscheinlich einen Therapieplatz bekommen; wenn man aus einer Familie kommt, die nicht viel Geld hat, wartet man teilweise monatelang auf einen Therapieplatz. Es gibt ein gutes Zitat, das besagt: „Zu sagen was ist, bleibt die revolutionärste Tat“. Wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Wir brauchen nicht davor zu warnen, wir leben bereits jetzt teilweise in einem Zwei­klassengesundheitssystem. Wie kann es sein, dass die Gesundheitsversor­gung von jungen Menschen von der Geldbörse der Eltern abhängt?! Das darf ganz einfach nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ein Therapieplatz für junge Menschen muss unabhängig von der finanziellen Situation gewährt werden. Warum ist das sozusagen doppelt schwierig? – Weil ja Jugendliche, die aus Haushalten kommen, wo die Eltern wenig verdienen, ohnehin schon viel stärker gefährdet sind. Armut macht krank. Armut macht physisch krank. Kinder, die in kalten Kinderzimmern schlafen müssen, in Kinderzimmern, die nicht ausreichend geheizt oder feucht sind, sind die chro­nisch Kranken von morgen.

Armut macht aber auch psychisch krank. In jedem Haushalt, der von Armut bedroht ist, sind natürlich genauso die Kinder betroffen, die sich um die Eltern Sorgen machen, die sich Sorgen machen, ob es sich bis zum Ende des Mo­nats ausgeht. Wenn irgendjemand hier herinnen sitzt und glaubt, dass, wenn eine Familie von Armut bedroht ist, das nicht auch die kleinsten Kinder schon mitbekommen und spüren, dann muss ich ihm sagen, er irrt. Armut macht physisch und psychisch krank! (Beifall bei der SPÖ.)

Somit komme ich jetzt ganz bewusst zum Schluss: Wer gute Sozialpolitik macht, macht auch gute Gesundheitspolitik. So einfach ist das. (Beifall bei der SPÖ.) Wer sich jetzt gegen die Inflation wehrt und nicht akzeptiert, dass sie bei über 11 Prozent liegt, der tut auch den Kindern und Jugendlichen in diesem Land etwas Gutes.

Als Allerletztes zum Schluss: Viele sozialdemokratische Länder in Europa zeigen es vor, wie man die Inflation nach unten bringt. Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, auch für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land. 11 Prozent sind nicht akzeptabel! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pia Phi­lippa Strache. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.04.38

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Das Jugendvolksbegehren zum Thema Mental Health ist so wichtig und vor


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allem so zeitgemäß wie noch nie zuvor. Es wurde bereits gesagt, man muss es aber noch einmal sagen, damit auch jeder hier versteht, wie wichtig dieses The­ma ist: Jeder zweite Jugendliche leidet an psychischen Problemen oder unter psychischen Belastungen, und jeder sechste Jugendliche hat bereits darü­ber nachgedacht, sich das Leben zu nehmen.

Trotzdem wird mentale Gesundheit leider häufig immer noch stark stigmatisiert, und Betroffene leiden lieber still, als sich Hilfe zu suchen. Oftmals ist es aber auch so, dass Personen, die psychisch an ihre Grenze geraten, erstens nicht wissen, wo sie Hilfe suchen können, und zweitens vor allem nicht wissen, wie sie das bezahlen sollen. Gerade wenn es um Jugendliche oder um Kinder geht, werden diese Probleme nur noch gravierender. Zahlreiche Betroffe­ne wissen nicht einmal, dass sie Hilfe brauchen würden, oder trauen sich oftmals nicht, offen zu sagen, wie es um ihre psychische Gesundheit steht. Gerade in Zeiten, in denen sich zahlreiche Krisen immer mehr zuspitzen, wird es immer wichtiger, aufeinander Rücksicht zu nehmen und aufeinander zuzugehen, auch aufeinander zu achten, Hilfe anzubieten, wo Hilfe gebraucht wird.

Und ja, es gibt einige Initiativen, aber die sind immer noch nicht flächendeckend ausgerollt. Es ist schlicht zu wenig, was an Angebot da ist. Mütter und Väter, die abgewiesen werden oder auf eine Warteliste gesetzt werden, müssen, obwohl sie Hilfe für ihr Kind brauchen würden, warten – und das darf es nicht geben. Es muss in unserer Gesellschaft eine breite Akzeptanz dafür ge­schaffen werden, dass ein Besuch bei einem Psychologen genauso normal ist wie jeder andere Arztbesuch.

Was passiert, wenn wir weiterhin so tun, als wäre alles okay? – Betroffene werden weiterhin zu wenig oder zu spät Hilfe in Anspruch nehmen, und das wird bestenfalls in einer schlichten Zwangsstörung enden. Das können und dürfen wir nicht zulassen. Nur weil man uns nicht vorgelebt hat, was es heißt, Rücksicht auf seine Seele und seine Psyche zu nehmen, müssen wir jetzt nicht nahtlos damit weitermachen.


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Ich bin den Initiatorinnen und den Initiatoren dieses Volksbegehrens sehr dankbar, denn je mehr man über das Thema spricht, umso mehr bekommt dieses Thema Aufmerksamkeit und umso mehr wird es alltäglicher, darüber zu sprechen; vor allem deswegen, weil gerade Offenheit bei diesem Thema ein ent­scheidender Faktor auf dem Weg zur Heilung ist, denn Betroffene müssen nicht nur oft selbst erkennen, dass sie Hilfe brauchen, sondern auch den Mut fin­den, offen darüber zu sprechen. Umso mehr man darüber spricht, umso all­täglicher wird es also, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ohne dabei ausgegrenzt zu sein oder sich ausgegrenzt zu fühlen. Und das ist etwas, das uns allen ein Anliegen sein sollte: dass mentale Gesundheit enttabuisiert wird, denn Scham gefährdet in diesem Fall die Gesundheit.

Es liegt an uns, zuzuhören, wenn wir jemandem die Frage stellen: Geht es dir gut?, auch darauf zu achten, was denn die Antwort ist, die dahinter steckt. Dafür muss man jetzt nur noch einen Rahmen schaffen, damit auch jedes Kind und jeder Jugendliche, die Hilfe bekommen wollen, diese Hilfe auch bekom­men können. Das klingt leichter, als es ist. Im Jahr 2021 stand es 1 : 6 100, heißt: Auf 6 100 Schülerinnen und Schüler entfiel ein Schulpsychologe. Es wurde nachgerüstet, aber nur marginal. Das ist immer noch nicht so bewältigbar, wie es sein müsste. Vor allem online gibt es da definitiv noch Ausbaupotenzial.

Eines muss ich noch anmerken: Auch im Bereich der mentalen Gesundheit sind die Zahlen der betroffenen jungen Frauen und Mädchen deutlich höher. Vier von zehn jungen Frauen schätzen sich als mental krank ein. Es wäre dringend an der Zeit, zumindest Rahmenbedingungen zu schaffen, die Frauen den Alltagsstress von den Schultern nehmen. Das fängt schon bei Dingen wie einer lückenlosen Kinderbetreuung an.

Oftmals fällt gerade jetzt der Satz, dass diese Generation ja viel mehr Chancen als vorangegangene Generationen hat. Diese Aussage ist ganz klar mit Ja zu beantworten, ja, sie hat viel mehr Chancen, aber gleichzeitig steht sie auch viel mehr Herausforderungen und Belastungen gegenüber, die nicht mehr allein bewältigbar sind. Daher ist es mehr als zeitgemäß, dass man hier reagieren muss,


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und diese Zeit, hier zu reagieren, war eigentlich schon gestern. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.09


13.09.25 Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist niemand mehr dazu gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 1932 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1932 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „psychische Gesundheit von Kin­dern und Jugendlichen stärken“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (304/E)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung un­serer Kinder und Jugendlichen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Min­derheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung und Prä­sentation des Nationalen Aktionsplans zur Europäischen Garantie für Kinder“.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

13.10.382. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1899 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz 2021 geändert wird (1935 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen jetzt zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Es wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.11.02

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir diskutieren jetzt die Novelle des Medizinpro­duktegesetzes. Notwendig geworden ist diese Novelle aufgrund einer
EU-Richtlinie. Die müssen wir natürlich umsetzen, allerdings können wir dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmen, und ich möch­te begründen, warum.

Die aktuelle Gesetzesnovelle des Medizinproduktegesetzes zeigt wieder einmal, dass vor allem das Gesundheitsministerium mit gesetzlichen Materien durch­aus sorglos umgeht und Kritik, die auch im Rahmen des Begutachtungs­verfahrens eintrifft, nicht berücksichtigt. Ich habe bis heute, bis zum jetzigen Tagesordnungspunkt darauf gewartet, dass die Kritik, die vor allem auch vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts gekommen ist – sieben Seiten mit konstruktiver Kritik und Änderungswünschen zu dieser


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Gesetzesvorlage –, berücksichtigt wird und die Bundesregierung und Herr Bundesminister Rauch eine neue Vorlage ausarbeiten, in der diese Fehler behoben sind, und das ist leider nicht passiert.

Was waren diese Kritikpunkte? – Es ist nicht sichergestellt, dass diese Informationspflicht, die nun eingeführt werden soll, auch tatsächlich ausgeübt werden kann, dass die notwendigen Kontaktdaten der Patienten überhaupt datenschutzrechtlich korrekt erhoben werden können. Es herrscht ein Begriffswirrwarr zwischen den verschiedenen Teilen der Gesetzesnovelle. Es sind unterschiedliche Begriffsdefinitionen und Geltungsbereiche zwischen den Erläuterungen und dem Normtext vorhanden. Das kann an sich alles pas­sieren, aber, sehr geehrter Herr Minister, ich verstehe beim besten Willen nicht, warum man diese Anregungen nicht aufgegriffen und diese Fehler korri­giert hat. In dieser Form ist dieses Gesetz schlicht und ergreifend nicht zu beschließen.

Die EU-Richtlinie für Medizinprodukte hat aber auch ganz andere Probleme gebracht, und die möchte ich auch ansprechen, ich möchte das auch kri­tisch hinterleuchten. Wir haben nicht nur eine Fristerstreckung für die Umsetzung dieser ganzen neuen Vorgaben drinnen, sondern es hat sich auch gezeigt, dass durch diese europaweite Richtlinie die benannten Stellen in ganz Europa massiv überlastet sind und dass wir einen riesigen Rückstau bei der Neuzertifizierung von Medizinprodukten haben. Wir steuern sehenden Auges wieder auf eine Mangelsituation in der Versorgung mit Medizinprodukten in Europa zu, selbst gemacht durch ein Regulativ, das nicht praxisorientiert ist, mit zu kurzen Übergangsfristen und zu wenigen Kapazitäten, um das Ganze auch tatsächlich abzuarbeiten.

Ich glaube, das ist ein sehr schönes Beispiel, wo sich zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns als Österreich und Sie, Herr Bundesminister Rauch, als Ver­treter Österreichs sich in den europäischen Gremien mehr einbringen und schauen, dass dieses Gold Plating und diese zu optimistische Herangehens­weise an europaweite Richtlinien etwas auf normales Niveau zurückgefahren


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wird und praxisorientiertere Gesetze kommen, die in der Realität auch um­setzbar sind und nicht wieder eine künstliche Verknappung schaffen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir schon beim Thema Verknappung und Lieferschwierigkeiten sind, dann möchte ich an dieser Stelle auch noch die Versorgungs- und Lieferengpässe bei den Arzneimitteln aufgreifen. Wir haben da tatsächlich ein sehr großes Pro­blem, nicht nur in Österreich, sondern europaweit, und ich habe im Gesund­heitsausschuss schon mehrmals Anträge eingebracht, in denen es darum geht, wie wir diese Probleme in der Versorgungssituation zumindest lindern könnten, wie wir Rechtssicherheit bei der Verteilung und bei der Abga­be der noch vorhandenen Medikamente schaffen können – diese Anträge sind erneut vertagt worden.

Ich möchte noch kurz zitieren, was da alles enthalten war. Da war zum Beispiel die Forderung nach einer rechtlichen Absicherung für die Apotheken, wenn sie Produkte aufgrund von Nichtlieferfähigkeit austauschen müssen, drinnen. Da war die Forderung nach einer Belieferungspflicht der Industrie gegenüber den pharmazeutischen Großhändlern drinnen, damit diese auch eine entspre­chende Bevorratung mit Medikamenten durchführen können. Da waren Vorschläge drinnen, die eine Evaluierung des Exportverbotes in Österreich vor­sehen und eine amtswegige Überprüfung, ob es nicht lieferanten- oder herstellerseitig zu einer willkürlichen Verknappung von Arzneimitteln auf dem österreichischen Markt kommt.

Da war die Forderung drinnen, die Preisgestaltung zu überdenken, damit wir in Österreich nicht immer die Letzten sind, die dann, wenn wieder Arzneimit­tel verfügbar sind, von den Herstellern tatsächlich versorgt werden. Letztendlich geht es natürlich auch darum, dass wir langfristig wieder Arzneimittelproduk­tion in Europa ansiedeln, dies vor allem aber nicht nur im Bereich der patentier­ten Medikamente, sondern auch im Bereich der Generika, der patentfreien Medikamente, weil bei diesen die Abwanderung nach Asien, nach China beson­ders groß war und damit auch die Abhängigkeit besonders groß ist.


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Ein letzter Satz noch, Herr Minister, zu dem Exportverbot, das wir in Österreich als einer der wenigen europäischen Staaten noch haben. Man muss sich das ja einmal auf der Zunge zergehen lassen: Wir haben seit gut drei Jahren eigent­lich ein Verbringungsverbot innerhalb der EU, nicht aus der EU raus. Wäh­rend alle Pharmahersteller den europäischen Markt de facto fast als ein Ganzes betrachten, darf man innerhalb von Europa die Not nicht lindern, aber wenn große Hilfslieferungen von Hunderttausenden, ja Millionen Medikamenten in die Ukraine, die Türkei, nach Syrien oder sonst wohin stattfinden, findet über­haupt keine Überprüfung statt, ob diese Medikamente in Europa selber benötigt werden oder nicht. Innerhalb von Europa ist Österreich eines von, glaube ich, zwei Ländern, die der europäischen Solidarität den Rücken kehren und ein Exportverbot erlassen haben, sodass eine europäische Solidarität im Arz­neimittelhandel nicht möglich ist.

Ich rufe Sie entschieden auf: Überdenken Sie das, überprüfen Sie das, schauen Sie sich einmal genau an, was da in dieser Verordnung Ihres Ministeriums drinnen steht, und beenden Sie das! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ralph Schall­meiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.16.39

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Minister! Ich glaube ja, dass dieser Aufruf zur europäischen Solidarität vom Kollegen Kaniak gerade eher ein bisschen profitgetrieben war und weniger etwas mit dem Gedanken von Solidarität untereinander zu tun hat – soll so sein. (Abg. Kaniak: Umgekehrt ist es! Umgekehrt ist es!) Ich möchte jetzt aber auf das Thema sel­ber, eben auf das MPG, das wir hier heute novellieren, eingehen. (Abg. Rauch: Das kann nur von einem Grünen kommen!)


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Wir beschließen nämlich heute eine echte Verbesserung in Sachen Rechte und Schutz für Patientinnen und Patienten. Der Anlassfall für diese Novellierung waren schadhafte beziehungsweise mangelhafte gynäkologische Spiralen eines spanischen Herstellers. Der VSV, der Verbraucherschutzverein, beschreibt auf seiner Website den Mangel wie folgt, und ich glaube, das sollten wir uns ein­mal anhören:

„Die Firma Eurogine stellt [...] Verhütungsspiralen aus Gold bzw Kupfer her. Aufgrund eines Materialfehlers brechen bei bestimmten Chargen die Plastikarme frühzeitig [...] entweder spontan und oft unbemerkt oder bei der Entfernung der Spirale. Wenn die Teile bei einer Monatsblutung nicht herausgespült wer­den, dann bedarf es einer operativen Entfernung mit Narkose. Frauen er­leiden Schmerzen und Angst, in manchen Fällen“ kam es zu einer ungewollten „Schwangerschaft.“

Als diese Mängel bekannt wurden, haben die betroffenen Patientinnen keine entsprechende Information erhalten, weil es die dafür notwendige Verpflichtung der Medizinerinnen und Mediziner zur Informationsweitergabe nicht gab. Schätzungen zufolge sind in Österreich mehr als 1 500 Frauen von diesem Man­gel betroffen – mehr als 1 500 Frauen, die damals eben eine schadhafte Spirale eingesetzt bekommen haben, ein Medizinprodukt, bei dem sich dann he­rausgestellt hat, dass es mangelhaft ist. Niemand war verpflichtet, die Betrof­fenen darüber zu informieren und eine Lösung im Sinne dieser Betroffenen und nur im Sinne dieser Betroffenen zu suchen und zu finden. Um dem Ganzen noch eins draufzusetzen: Viele der betroffenen Frauen haben, wenn überhaupt, nur aus Medienberichten davon erfahren.

Das ändern wir heute. In Zukunft gibt es eine eindeutige Verpflichtung beim Vorliegen einer Mangel- oder Schadensmeldung für bestimmte Medizin­produkte, nämlich für Implantate, die davon betroffenen Patientinnen und Patienten umgehend zu informieren. In Zukunft sind die für das Implantat verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Patientinnen und Patien­ten ohne Aufschub über eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu informieren.


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Sie haben außerdem die Verpflichtung, empfohlene Maßnahmen zur Behe­bung des Problems mit den Betroffenen zu erläutern. Erfolgt eine Mangel- oder Schadensmeldung durch das Basg, das Bundesamt für Sicherheit im Gesund­heitswesen, dann haben zukünftig die behandelnden Ärztinnen und Ärzte umgehend, sofort zu handeln.

Dem heutigen Beschluss vorausgegangen ist eine Regierungsvorlage, die ent­sprechend in Begutachtung war und die überwiegend positive Resonanzen hervorgerufen hat. Ich möchte da schon noch einmal auf die Kritik vom Kollegen Kaniak eingehen, wir haben ja auch im Gesundheitsausschuss darüber dis­kutiert: Der Gesundheitsminister hat ja dann genau diese ganzen datenschutz­rechtlichen Bedenken in die Novelle mitaufgenommen, hat diese nochmals erläutert und hat auch aufgezeigt, dass diesen durchaus gerecht wurde. Sich also hier hinzustellen und zu behaupten, das wurde nicht aufgenommen, das wur­de nicht berücksichtigt, ist schlicht und ergreifend falsch – aus meiner Sicht zumindest. (Zwischenruf des Abg. Kaniak.)

Der Auftrag zu dieser Regierungsvorlage entstammt einem einstimmig angenom­menen Entschließungsantrag, eingebracht von Sepp Smolle, Philip Kucher und mir, auf Initiative der Kolleginnen und Kollegen der SPÖ – auch das sollte an dieser Stelle einmal gesagt werden. Mir ist der Hinweis auch deshalb so wich­tig, weil die Frage der Sicherheit von Patientinnen und Patienten keine Frage der Parteizugehörigkeit sein darf und sein soll. Daher hoffe ich auch, dass die FPÖ ihre Ablehnungshaltung nochmals überdenkt und heute trotzdem zustim­men wird.

Feststeht: Dieser Beschluss hebt nicht nur die Sicherheit der Patientinnen und Patienten in unserem Gesundheitswesen, sondern sichert ihnen auch mehr Rechte zu. Damit kann Vertrauen hergestellt werden – Vertrauen, ohne das unser Gesundheitswesen nicht existieren kann und nicht existieren soll. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.20



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 182

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie kennen die Bestimmungen der Geschäftsordnung.


13.20.51

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Abgeordneter Schallmeiner hat in seiner Rede soeben behauptet, dass die im Rahmen des Begutachtungs­verfahrens vom Verfassungsdienst eingebrachten Kritikpunkte von Bundesmi­nister Rauch eingearbeitet und aufgenommen worden wären.

Ich berichtige tatsächlich: Es liegt kein Abänderungsantrag vor, der die Gesetzesnovelle in irgendeiner Art und Weise an die vorliegende Kritik angepasst hätte oder diese aufgenommen hätte.

Des Weiteren hat Abgeordneter Schallmeiner behauptet, meine Kritik am Exportverbot in Österreich käme aus rein persönlichen, wirtschaftli­chen Interessen. (Abg. Schallmeiner: Ich habe gesagt aus Profitinteresse! Wenn du das persönlich machst: deine Sache!)

Ich korrigiere: Bis vergangenen Winter war der Großteil der tatsächlich bestehenden Lieferengpässe aus wirtschaftlichen Gründen (Abg. Lukas Hammer: Alles noch eine tatsächliche Berichtigung, Herr Präsident?– Abg. Schallmeiner: Ist das noch eine tatsächliche Berichtigung?) durch aktive Kontingentierung vonsei­ten des Herstellers verursacht und nicht durch einen tatsächlichen Mangel. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rauch: Sachlicher und korrekter geht es ja gar nicht! Das war eine Blamage für die Regierung! ... Schallmeiner ist ...!)

13.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.21.51

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf für meine Kollegin Andrea Kuntzl die 8b des Piaristengymnasiums


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 183

auf der Galerie begrüßen. (Allgemeiner Beifall.) Ich begrüße auch gleichzeitig alle Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie. Meine Damen und Herren, wir verhandeln hier und heute das Medizinproduktegesetz, das geändert wird.

Kollege Schallmeiner hat es schon gesagt, er hat das Beispiel der Spirale, die Frauen eingesetzt wird, gebracht. Es gibt ja viele Implantate. Implantat kommt vom lateinischen implantare – im-: hinein, plantare: pflanzen. Das heißt, ein Implantat ist ein in den Körper eingepflanztes künstliches Material, das per­manent oder zumindest für einen längeren Zeitraum dort verbleiben soll.

Meine Damen und Herren! Das sind nicht nur Spiralen. Medizinische Implantate sind zum Beispiel implantierbare Kardioverterdefibrillatoren, Herzschrittma­cher, es sind auch Stents, Gefäßprothesen, Cochleaimplantate, Retinaimplantate, Intraokularlinsen, das ist der Ersatz für die Linse, wenn man wegen grauem Star operiert wird. Wenn bei diesen Implantaten in der Vergangenheit Probleme aufgetreten sind – Kollege Schallmeiner hat es schon gesagt –, dann war es nicht verpflichtend, die Patienten vordringlich zu informieren, dass es Probleme mit diesem Implantat gibt. Das werden wir jetzt mit einem Entschließungs­antrag, den wir eingebracht haben, ändern: dass die Patienten unmittelbar und nachweisbar informiert werden müssen, dass es Probleme mit diesem Implantat gibt, und dass da gehandelt werden muss. Dieser Aufgabe wird jetzt also nachgekommen.

Was auch festgelegt werden soll, ist die Umsetzung der EU-Verordnung betref­fend längere Übergangsfristen für die Verwendung von In-vitro-Diagnos­tika, denn ohne diese längeren Übergangsfristen könnte es anscheinend zu er­heblichen Lieferengpässen bei wesentlichen In-vitro-Diagnostika sowohl für die Gesundheitseinrichtungen als auch für die Öffentlichkeit kommen.

Das heißt, wir beschließen hier jetzt ein Gesetz, das für alle Österreicherinnen und Österreicher, die davon betroffen sind, sehr notwendig ist. – Ich danke allen, die dieser Gesetzesvorlage hier in diesem Haus zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.23



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 184

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Josef Smolle. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.24.08

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht nun um eine Novelle des Medizinproduktegesetzes. Der Fokus liegt da natürlich auf den Implantaten, es gibt aber auch einige forma­le Änderungen. Es wurde schon angesprochen: Gewisse Übergangsfristen werden geändert. Es geht darum, relativ rasch und praktikabel einheitliche Schutz­niveaus herzustellen.

Dann gibt es auch noch Details, bei denen ich sage, da habe ich ganz besonderen Respekt vor der Arbeit der Legistinnen und Legisten. Zum Beispiel wird eine Phrase geändert: Wo bisher stand: „die dem Medizinprodukt beiliegenden Infor­mationen“, steht jetzt: die „mit dem Medizinprodukt gelieferten Informa­tionen“. Da denkt man: Was soll das? – Das hat eine wesentliche Bedeutung, weil es ja schon viele digitale Gesundheitsanwendungen gibt, die auch Medizin­produkte sind, denen aber halt kein Beipackzettel beiliegt, sondern da ist die Information am Bildschirm abzulesen. – Allein das ist wieder ein Zeichen, wie gründlich da gearbeitet werden muss und auch gearbeitet wird. Ich sage ein­mal: ein Dank an die Legistik! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen war, wenn Meldungen eintreffen, die den Verdacht erzeugen, dass mit einem Implantat etwas nicht stimmen kann, schon bisher verpflichtet, Ärztekammern, Landessanitäts­direktionen zu verständigen und das auch auf seiner Homepage zu veröf­fentlichen. Was jetzt wirklich neu ist – und das ist ein wesentlicher Fortschritt –, ist, dass die Gesundheitsdiensteanbieter und die Ärztinnen und Ärzte, die ein solches Implantat hineinoperiert haben, aktiv ohne Verzögerung die betroffe­nen Patientinnen und Patienten nachweislich informieren müssen.


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Das ist ein ganz großer Fortschritt. Es kommt jetzt nicht mehr den Patientinnen und Patienten sozusagen eine Holschuld zu, ob sie sich informieren, ob etwas auf der Basg-Homepage steht, sondern sie bekommen eine aktive Infor­mation. – Das ist ein wesentlicher Schritt zur Patientinnen- und Patienten­sicherheit.

Es ist vorher kurz Gold Plating angesprochen worden. Ich sehe bei dieser Gesetzesnovelle eigentlich kein Gold Plating, sie ist sogar mit beson­derem Augenmaß gemacht worden. So sind zum Beispiel weitgehend un­komplizierte Implantate wie Zahnimplantate oder auch einzelne Schrauben, die in der Orthopädie verwendet werden, von der Regelung ausgenommen, weil das überschießend wäre. Ebenso ist es auch der Pragmatik geschuldet, dass zum Beispiel für den Fall, dass Patientinnen und Patienten ihre Kontaktdaten geändert haben, ohne die Gesundheitsdiensteanbieter zu informieren, keine Recherchepflicht, dass man dem jetzt nachgehen muss, entsteht. Das heißt, es ist eine klare gesetzliche Regelung, die gut umsetzbar ist, die im Interesse der Sicherheit und der Transparenz für die Patientinnen und Patienten ist.

Ich freue mich über eine möglichst breite Zustimmung. – Herzlichen Dank. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete MMag.a Ka­tharina Werner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.27.33

Abgeordnete MMag. Katharina Werner, Bakk. (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleg:innen hier im Haus! Liebe Menschen hier im Saal und natürlich auch zu Hause! Das Medizinproduktegesetz ist jetzt zwei Jahre alt. Ich möchte schon noch auf diesen Prozess betreffend die Spirale eingehen: Am 15. Juni vor zwei Jahren startete der erste Musterprozess. Das heißt, man wusste eigentlich schon vorher, dass es da Handlungsbedarf gibt. Am 8.6.


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war die Ausschusssitzung, um das ursprüngliche Gesetz zu beschließen. Das heißt, man hätte eigentlich schon damals, vor zwei Jahren, auf diesen Um­stand eingehen können.

Schon damals haben wir darauf hingewiesen, dass es einige Dinge in diesem Ge­setz gibt, die nicht vollständig den EU-Vorgaben entsprechen, Punkte – das ist mir als Konsumentenschutzsprecherin schon wichtig –, die eben das Interesse der Patientinnen und Patienten betreffen. Einen dieser Punkte korrigieren wir heute, das ist wichtig und richtig, nämlich dass eben die Patientinnen und Pa­tienten direkt informiert werden müssen, wenn es Probleme mit einem Implantat gibt.

Weil das Ganze bislang noch sehr abstrakt geklungen hat, möchte ich es an diesem Beispiel noch einmal verdeutlichen. Das betrifft viele Menschen: 28 500 dieser Verhütungsspiralen des spanischen Herstellers wurden in Öster­reich verkauft. Die betroffenen Frauen wurden nicht informiert, dass die Verhütung nicht funktioniert – aber nicht nur das: Teile von diesem Produkt können unbemerkt abbrechen, diese scharfkantigen Teile können dann zu erheblichen Schmerzen führen, und im schlimmsten Fall folgt eine Operation und müssen diese Teile operativ entfernt werden. Das heißt, es sind massive Eingriffe, die dann stattfinden müssen, weil die Patientinnen nicht informiert wurden.

Das Tragische an diesem Fall ist: Erst nach Medienanfragen hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen vor den Gefahren gewarnt. Deshalb ist der Schritt, den wir heute setzen, umso wichtiger. Es ist ein erster Schritt, dieses Gesetz zu verbessern. Sind jetzt alle Punkte, die wir damals schon bemän­gelt haben, verbessert worden? – Nein. Das heißt, das Gesetz ist immer noch nicht perfekt.

Ein wichtiger Punkt – und ich denke, da spreche ich einem grünen Gesund­heitsminister aus dem Herzen – ist der Punkt der Nachhaltigkeit der Pro­dukte. So muss zum Beispiel eine Verbandschere, wenn sie einmal verwendet


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worden ist, jetzt weggeworfen werden. Das ist noch ein Punkt, der in die­ses Gesetz eingearbeitet werden müsste. Von unserer Seite gilt da natürlich immer die Einladung zur Zusammenarbeit, dass wir das gemeinsam angehen und da einfach auch noch einmal Verbesserungen in unserem Gesundheitssystem schaffen.

Vielleicht funktioniert das Ganze im Gesundheitsbereich auch ein bisschen besser als im Bereich Tierschutz, wo wir noch immer auf die Übermittlung des Vor­schlags, des Entwurfs für die Verordnung warten. Ich meine, die Oppositionsparteien haben das Ganze noch immer nicht bekommen, der Kleintierzuchtverband in Niederösterreich aber sehr wohl. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.30


13.30.54

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist eindeutig nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1899 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.


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13.31.303. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 3135/A(E) der Abge­ordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präventionsauftrag im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (1936 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


13.31.57

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Haus auf der Galerie beziehungsweise zu Hause vor den Bildschirmen! Sehr geehrter Herr Minister! Beim gegenständlichen Tagesordnungspunkt behandeln wir grosso modo das Thema Prävention in der Gesundheitsvorsorge. Der Anlassfall, wenn man so möchte, ist ein Entschließungsantrag der Kollegin Fiedler von den NEOS, dem wir im Gesundheitsausschuss auch zugestimmt haben. Wir ha­ben das deshalb gemacht, weil zum einen dieser Antrag ein zentrales Anlie­gen betreffend bessere Präventionsangebote in Österreich aufgreift und zum anderen weil (Abg. Lindner: Es gescheit ist!) wir an anderen Staaten, insbe­sondere in Skandinavien, sehr gut erkennen können, wie sich Investitionen in den Präventionsbereich dann auch auswirken.

Die Währung, in der man das messen kann, sind sogenannte gesunde Lebens­jahre, und beim Vergleich anhand dieser Währung schneidet Österreich schon seit Jahren oder eigentlich schon seit Jahrzehnten nicht wirklich berau-schend ab, zumindest nicht so gut, wie es wünschenswert wäre – denn ich glaube, unser gemeinsamer Wunsch ist, dass wir da zu den Besten gehören.

Woran liegt das? – Na ja, zum einen daran, dass viele Präventionsangebote spätestens nach dem Kindesalter einfach freiwillige Leistungen durch


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die jeweiligen Sozialversicherungen, durch die jeweiligen Versicherungsanbieter oder auch durch die Bundesländer sind. Während der Kindheit ist ein Prä­ventionsangebot noch im schulischen Bereich eingebettet oder eben durch den Eltern-Kind-Pass gegeben, aber ab einem gewissen Alter rutschen dann viele dieser Angebote einfach in die Freiwilligkeit hinaus und die Menschen werden damit auch nicht wirklich erreicht. Vielen ist das gar nicht bewusst, oder die Sozialversicherungen haben gänzlich unterschiedliche Angebote – auch das muss man einmal klar so benennen –, und natürlich haben unterschiedliche Bundesländer – wie könnte es in Österreich anders sein – unterschiedli­che Zugänge und einen unterschiedlichen Ausbaugrad bei diesen Maßnahmen.

Der Antrag von Kollegin Fiedler setzt jetzt an dem Punkt an, zu sagen: Na ja, eruieren wir die Maßnahmen einmal dort, wo die Situation zumindest bundeseinheitlich ist, nämlich bei den Sozialversicherungen. Dem können wir durchaus etwas abgewinnen, das ist gescheit. Das ist ja auch mit einer An­frage, die es schon gegeben hat, meines Erachtens grosso modo schon abge­deckt. Wir werden halt dann noch schauen, was sozusagen aus dem he­raus ablesbar ist.

Ich glaube aber, das gemeinsame Ziel in dieser Debatte muss jetzt auch sein, daraus ein gemeinsames Verständnis von Prävention für ganz Österreich herzuleiten, denn es muss uns in Wirklichkeit egal sein, wo in diesem Land je­mand wohnt, welchen Background die Person hat, er oder sie muss den gleichen Zugang zu Präventionsmaßnahmen, zu Präventionsangeboten haben, sei das jetzt ein gutes Impfangebot, das wir durchaus noch ausbauen müssen – die HPV-Impfung war ein guter erster Schritt, aber da geht aus meiner Sicht noch mehr –, oder sei es im Bereich der schulischen Prävention, dass wir den Kindern eben auch in der Schule oder vielleicht sogar schon im Kindergarten so etwas wie ein Gesundheitsverständnis, eine Gesundheitserziehung mitge­ben können. All das sind Dinge, die vor allem in Skandinavien, wie wir sehen, gut funktionieren. Schauen wir uns von dort etwas ab! Eröffnen wir die Debatte und gehen wir hinein!


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Heuer haben wir eine gute Chance dazu. Mit den Verhandlungen zum Finanz­ausgleich ist die Möglichkeit gegeben, dass wir da auch in der Systematik etwas verändern. Ich gehe einmal davon aus, dass das auch genau das ist, was der Herr Bundesminister möchte; zumindest hat er es schon mehrfach so angekündigt. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.)

13.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mario Lindner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.35.20

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich freue mich ja, dass wir im Gesundheitsbereich heute überhaupt etwas zu diskutieren haben. Maßnahmen gegen den Ärzt:in­nenmangel, die Sicherstellung der Medikamentenversorgung, der Kosten­deckel für Arzneimittel – all das wurde in der letzten Sitzung des Gesundheits-ausschusses von den Regierungsfraktionen auf die lange Bank geschoben. Zumindest in einer Frage aber waren wir uns alle einig, nämlich dass wir im Bereich von Prävention und Vorsorge noch eine ganze Menge zu tun haben.

Und sei es drum: Angesichts der Krisen, in denen unser Gesundheitssystem steckt, ist jede Anstrengung im Präventionsbereich wichtig. Deshalb haben wir als SPÖ diesem Antrag auch zugestimmt. Jede Erkrankung, die vermieden werden kann, ist ein Erfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass es in diesem Bereich viel zu tun gibt, darauf weist uns der Rechnungshof schon seit Langem hin. Jeder Mensch in Österreich soll zwei Lebensjahre mehr gesund verbringen können. Dieses Ziel hat der Ministerrat 2012 beschlos­sen. Fakt ist: Zwischen 2014 und 2019 ist der Durchschnitt der Zahl der gesunden Lebensjahre nicht gestiegen, sondern leider um fast zwei Jahre ge­sunken.


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Umso wichtiger ist, dass es endlich einen umfassenden Überblick über den Präventionsauftrag gibt, aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es greift zu kurz, sich dabei nur die Sozialversicherungsträger anzuschauen. Echte Zukunfts­perspektiven in diesem Bereich wird es nur geben, wenn Bund, Länder und
SV-Träger gemeinsam analysiert werden. Ich hoffe, dass Sie, Herr Gesundheits­minister, diesen Antrag ernst nehmen und genau so eine Studie in Auftrag geben.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Über eine ganz konkrete Präventions­maßnahme haben wir in diesem Ausschuss auch diskutiert, nämlich über die HIV-Prophylaxe PrEP auf Kosten der öffentlichen Hand, denn bis heute hängt für viele Menschen eine wirksame HIV-Prävention vor allem vom Einkommen ab. Länder wie Deutschland, Spanien, Belgien, Italien und Slowenien ma­chen längst vor, wie es geht. Das Ziel muss sein, jede einzelne HIV-Ansteckung zu verhindern. Die öffentliche Finanzierung der PrEP wäre auch in Öster­reich ein zentraler Schritt. Ich freue mich, dass der Druck von Expert:innen und Zivilgesellschaft endlich Wirkung zeigt und langsam Bewegung in diese Fra­ge kommt.

Ihnen, Herr Gesundheitsminister, kann ich die volle Zusammenarbeit in diesem Thema anbieten. Bringen wir die kostenfreie PrEP endlich auch in Österreich auf den Weg, denn sexuelle Gesundheit und Gesundheit ganz im Allgemeinen dür-fen niemals eine Frage des Einkommens sein! (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Ger­hard Kaniak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.38.15

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Präven­tionsmedizin ist tatsächlich ein Punkt, bei dem sich alle Parlamentsfraktionen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 192

einig sind und zu dem wir auch im Gesundheitsausschuss einen einstim­migen Beschluss gefasst haben, dass es im Rahmen der allgemeinen Sozialversi­cherung zu einer Verankerung der Präventionsmedizin kommen soll. Ich denke, auch die Debatte, die wir im Gesundheitsausschuss und auch unter den Fraktionen schon geführt haben, zum Facharzt für Allgemeinmedizin, der ja auch einen präventionsmedizinischen Schwerpunkt haben soll, zeigt, dass wir das ernst meinen und dass wir auch Taten folgen lassen wollen, die eine Verbesserung für die Patienten in Österreich darstellen.

Nichtsdestotrotz haben die vergangenen zwei, drei Jahre gezeigt, gerade auch während Corona, dass die Vorsorgeuntersuchungen in Österreich viel zu wenig in Anspruch genommen worden sind. Die Menschen haben sich teilweise auch bedingt durch die Coronamaßnahmen nicht in die Spitäler getraut. Die Anzahl der Diagnosen von Krebs ist massiv unterdurchschnittlich gewesen, teil­weise wurden nur halb so viele Tumore entdeckt wie in den Jahren davor. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das liegt nicht daran, dass die Menschen weniger an Krebs erkranken, sondern es liegt schlicht und er­greifend daran, dass die Erkrankungen jetzt erst mit deutlicher Verzögerung, zu spät entdeckt werden – und das kostet viele, viele Hundert, ja vielleicht Tau­sende Menschenleben.

Der Österreichische Krebsreport 2023 hat aufgezeigt, dass bei regelmäßig und systematisch durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen in etwa die Hälfte der Krebstoten in Österreich verhindert werden könnte. Wir sprechen da von Zehntausenden Betroffenen jedes Jahr, wir sprechen da von vielen Tau­send Toten und Leidenden, die damit verhindert werden könnten.

Ich möchte nur ein Beispiel ganz konkret herausnehmen, das ist das Thema Dickdarmkrebsvorsorge. Herr Minister, ich weiß, auch Ihnen ist das Thema ein großes Anliegen. Wir haben momentan ein System, das überhaupt nicht funktioniert. Wir haben monatelange Wartezeiten, teilweise über ein halbes Jahr, ein Dreivierteljahr, für Coloskopien. Von einer Systematik und von einer engmaschigen Kontrolle kann da gar nicht mehr die Rede sein. Wir haben


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auch das Problem, dass diese Untersuchungen nicht in den Leitlinien drin-nen sind. Sie werden zwar kostenmäßig ersetzt, aber eine wirklich strategische und flächendeckende Umsetzung dieser Vorsorgeuntersuchung findet nicht statt. Es hat sich gezeigt, dass auch vor Corona nur 15 Prozent der öster­reichischen Männer über 60, für die das eigentlich vorgesehen wäre, auch tatsächlich eine entsprechende Untersuchung haben machen lassen.

Was wären die Lösungsvorschläge oder die Alternativen? – Sie wissen: Es gibt neuartige Tests, basierend auf DNAfit, die im nicht-invasiven niedergelas­senen Bereich viel angenehmer für den Patienten, viel nebenwirkungsärmer oder risikoärmer gemacht werden könnten und eine Möglichkeit wären, dass dieser Untersuchungsrückstau, der vorhanden ist, auch zeitnah abgebaut werden könnte und so wirklich Leben gerettet werden könnten.

Nicht nur beim Kolonkarzinom, das vor allem die Männer betrifft, sondern auch bei Tumorarten, die besonders die Frauen betreffen – ob das jetzt Gebär­mutterhalskrebs ist, ob das die Mammografien anlangt –, waren die Vorsorgeun­tersuchungen massiv unterdurchschnittlich. Auch da haben wir schon Vor­schläge eingebracht, dass zum Beispiel durch einen Zweitbefund die Entdeckungsrate von Mammakarzinomen signifikant erhöht werden kann, das zeigen internationale Studien. Das wäre sofort und einfach umsetzbar.

Damit wir da etwas konkreter werden, möchte ich auf den einheitlichen Beschluss, den wir im Gesundheitsausschuss gefasst haben und den wir heute auch treffen werden, einen weiteren Entschließungsantrag aufsetzen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Frauengesundheit – Ausbau der Krebs-Früherkennungs­programme sowie der automatischen Einladungen zu Vorsorgeuntersuchungen“

Der Nationalrat möge beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 194

„Die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien und der Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wer­den aufgefordert, den Ausbau von Krebs-Früherkennungsprogrammen zu for­cieren und die automatische Einladung zu medizinischen Voruntersu­chungen, wie etwa Gebärmutterhalskrebs-Untersuchungen oder Darmspie­gelungen auszubauen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Rosa Ecker, MBA

und weiterer Abgeordneter

betreffend Stärkung der Frauengesundheit – Ausbau der Krebs-Früherkennungspro­gramme sowie der automatischen Einladungen zu Voruntersuchungen

eingebracht im Zuge der Verhandlung über die Debatte zu TOP 3) Bericht des Ge­sundheitsausschusses über den Antrag 3135/A(E) der Abgeordneten Fiona Fied­ler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präventionsauftrag im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (1936 d.B.) am 1. März 2023

„Jeder zweite Krebstodesfall in Österreich könnte durch Vorsorge vermieden wer­den – durch einen gesunden Lebensstil und regelmäßige Vorsorgeuntersu­chungen.“ (Österreichischer Krebsreport 2023)

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat anlässlich des Weltkrebstags am 4. Februar an alle Versicherten appelliert, zur Vorsorge zu gehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 195

Im Österreichischen Krebsreport 2023 der Österreichischer Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie und der Österreichischen Krebshilfe betonen Expertinnen und Experten die Wichtigkeit der Vorsorge. „… 50 Prozent aller
Krebs-Todesfälle in Europa könnten vermieden werden, wenn zwölf Empfehlungen des Europäischen Kodex gegen Krebs eingehalten werden würden“.

Dass die Vorsorgeuntersuchung zum eigenen Schutz dient, wird oft verdrängt. Der Krebsreport 2023 stellt deutliche Fortschritte in der Krebsversorgung und teilweise gestiegenen Überlebenswahrscheinlichkeiten bei bestimmten Krebsdiagno­sen fest.

Bei Frauen ist Brustkrebs die am häufigsten diagnostizierte Krebsform; Vorsorge­untersuchungen sind in diesem Bereich enorm wichtig. Das 2014 gestarte­te österreichische systematische und standardisierte Brustkrebs-Früherkennungs-programm ist sehr positiv zu sehen. Eine schriftliche Erinnerung für die freiwil­lige Vorsorgeuntersuchung erhalten mittlerweile alle Frauen über 45 Jahre.

Eine weitere wichtige gesundheitliche Vorsorgemaßnahme für Frauen sind Früher­kennungs-Untersuchungen gegen Gebärmutterhalskrebs.

Für alle Personen ab dem 50. Lebensjahr wäre es enorm wichtig, die alle zehn Jahre empfohlene Darmkrebsvorsorge – die Darmspiegelung – zu nutzen.

Leider gibt es in Bezug auf Vorsorgeuntersuchungen noch Verbesserungsbedarf. In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz werden aufgefordert, den Ausbau von Krebs-Früherkennungsprogrammen zu forcieren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 196

und die automatische Einladung zu medizinischen Voruntersuchungen, wie etwa Gebärmutterhalskrebs-Untersuchungen oder Darmspiegelungen auszubauen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Dr. Werner Saxinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.42.25

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Vorbeugen ist besser als Heilen. Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben. – Diese bei­den Gedanken kann ich zu 100 Prozent unterschreiben. Ich glaube auch, dass diese Gedanken Leitgedanken für eine sinnvolle, innovative und zukunfts­trächtige Gesundheitspolitik sein könnten. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Es geht um Prävention, also um Gesundheitsvorsorge: Vorbeugen ist besser als Heilen. Die NEOS haben im Gesundheitsausschuss einen Antrag für einen besseren Überblick über Angebote der Gesundheitsvorsorge eingebracht, und diesem Antrag haben alle Parteien zugestimmt.

Was ist Prävention? – Prävention ist eigentlich alles, was auf eine Besserung der Gesundheit und eine Verhütung und Früherkennung von Krankheiten ab-stellt. Was gehört dazu? – Dazu gehören Impfungen, dazu gehören Unfallverhü­tung, gesunde Ernährung, Bewegung, Vorsorgeuntersuchungen und auch Therapien in Kur- und Rehazentren.

Wie schaut es jetzt mit den Präventionsmaßnahmen in Österreich generell aus: gut, schlecht, besser als im EU-Durchschnitt? – Ich würde einmal sagen, wir haben da viel Luft nach oben. Das sieht auch der Rechnungshof in seinem


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Bericht vom 13. Jänner so. Er sieht einen dringenden Handlungsbedarf bei der Gesundheitsvorsorge, vor allem bei Präventionsmaßnahmen bei chronischen Erkrankungen wie Adipositas, Übergewicht oder auch psychiatrischen Erkran­kungen.

Die Zahl der gesunden Jahre – das haben wir heute schon gehört – ist in Österreich zwischen 2014 und 2019 sogar um 1,6 Jahre gesunken. Eine Euro­staterhebung mit einem Vergleich aller EU-Länder ergab, dass die Öster­reicherinnen und Österreicher ab dem 65. Lebensjahr noch 7,7 gesunde Jahre zu erwarten haben, der durchschnittliche EU-Bürger jedoch 10,3 gesunde Jah­re ab dem 65. Lebensjahr. Das heißt, wir sind in Österreich manchmal gut – bei der Therapie –, aber bei der Prävention gibt es einen Nachholbedarf.

Wer finanziert dann die Gesundheitsausgaben bei der Prävention? – Die Ausgaben betrugen 2016 laut dem Rechnungshofbericht 2,4 Milliarden Euro. Die Sozialversicherung gab zum Beispiel 1,4 Milliarden Euro für Rehabili­tation und Kuren aus. Wie schaut es denn bei Ernährung und Bewegung aus, eine ganz wichtige Sache bei der Prävention? – Studien und Befragungen belegen, dass circa 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung übergewichtig, adipös sind. 2011 wurde ein Nationaler Aktionsplan Ernährung ins Leben gerufen, 2013 auch ein Nationaler Aktionsplan Bewegung, beide Aktionspläne wurden aber seit 2013 nicht mehr aktualisiert.

Das Gesundheitsministerium hat gemeinsam mit der Lebensmittelindustrie zahl­reiche Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährung von Kindern gesetzt, hauptsächlich um den Zucker- und Salzgehalt in Lebensmitteln zu senken. Die Maßnahmen waren allerdings nicht verbindlich und zeigten nur eine beschränkte Wirkung.

Erinnern Sie sich noch an die Initiative Mach den ersten Schritt im Septem-ber 2018? – Ich nicht, es war aber eher ein Schritt zurück. Sowohl das damalige –2018 – Gesundheitsministerium als auch das Sportministerium haben die Initiative nach mehreren Monaten wieder eingestellt.


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Was ist zu den Vorsorgeuntersuchungen – auch eine wichtige Präventions­maßnahme – zu sagen? – 2016 fielen Kosten von 140 Millionen Euro an. Vorsorgeuntersuchungen wären grundsätzlich schon geeignet, Erkrankungen und Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen. Wissen Sie, wie viele Menschen diese Präventionsmaßnahmen in Anspruch nehmen? – Leider nur 15 Pro­zent haben 2019 in Österreich Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen. Beim Mutter-Kind-Pass oder Eltern-Kind-Pass hat sich einiges ge­tan, da wurde nachgebessert. Das gehört aber immer wieder weiterentwi­ckelt, da sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg.

Zum Bereich Schutzimpfungen, auch ein Thema der Vorsorge, der Prävention: Die wichtigsten Impfungen werden in Österreich Kindern bis zum vollende­ten 15. Lebensjahr kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Impfungen werden seit 1998 gemeinsam von Bund, Ländern und Sozialversicherung finanziert.

Was ist das Resümee aus dem Rechnungshofbericht beziehungsweise der Dis­kussion um Prävention? – Die Prävention hat in Österreich einen großen Aufholbedarf. Der Antrag geht aber in Richtung besserer Überblick, bessere Datenlage und auch Abschaffung von Ineffizienzen. – Wir unterstützen das zur Gänze.

Abschließend noch einmal ein Spruch, nach dem man leben sollte: Es kommt nicht darauf an, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Fiona Fiedler ist die nächste Rednerin. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.47.16

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! (Die Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlo­se Menschen! Gesundheitsprävention ist ein Thema, das wir NEOS seit Jahren


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rauf- und runtertrommeln. Umso mehr freut es mich, dass wir in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses wieder einen NEOS-Antrag einstim­mig annehmen konnten und so nun auch gemeinsam am Präventionsgedanken arbeiten können.

Die Fragen, wo welche Prävention stattfindet und ob Behandlung als Prävention von Folgeerkrankungen notwendig ist, werden, kritisch betrachtet, je nach­dem, wen Sie im österreichischen Gesundheitssystem fragen, unterschiedlich be-antwortet. Sie werden viele verschiedene Antworten auf die Frage, wer für Prävention zuständig ist oder sein sollte, bekommen.

Dank dieses Antrages bekommen wir nun einen Überblick, was bei Versi­cherungsträgern überhaupt passiert, welche Programme für Patienten bestehen und was als Prävention gesehen wird. Auch der Rechnungshof zeigt auf, dass es Prävention zwar gibt, aber sehr eingeschränkt und an vielen unterschied­lichen Stellen, wie mein Kollege vorhin schon geschildert hat. Was genau pas­siert, ist aber sehr undurchsichtig.

Jetzt haben wir einen ersten Schritt gemacht, um uns diese Programme genauer anzusehen, denn nur wer weiß, was passiert, kann auch für die Zukunft über­legen, wie es aussehen soll. Wir müssen diese Zukunft aber jetzt gestalten. Diese Gestaltung gilt sowohl in der Vorsorge, vor allem beim Eltern-Kind-Pass – bei dem ja jetzt die Ärztekammer wieder droht, auszusteigen –, bei der Diagnose Endometriose und vielen anderen Krankheiten, die zu spät oder überhaupt viel zu spät entdeckt werden, sie gilt bei der Behandlung, zum Beispiel bei chro­nischen Therapieprogrammen – wir müssen da viel besser werden –, aber auch bei der Verknüpfung von Daten betreffend Diabetiker, betreffend
E-Impfpass und viele andere mehr. Diesen Gedanken gebe ich auch für die Ver­handlungen für den Finanzausgleich mit.

Wir sollten nun gemeinsam an die Patienten denken, genau anschauen, was es wo gibt, damit wir dann die Prävention auch bestmöglich für alle Patienten –


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aber auch für die Menschen im Gesundheitsbereich – im Sinne eines präventiven Gesundheitssystems weiterentwickeln können. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

13.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Philip Ku­cher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.50.07

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Kollegin Fiedler wirklich doppelt und dreifach gratulieren, und zwar nicht nur zu diesem Antrag, den wir heute einstimmig beschließen wer­den. Ihr ist nämlich etwas ganz, ganz Seltenes gelungen. Die Kolleginnen und Kollegen, die nicht im Gesundheitsausschuss sind, werden das nicht wissen, aber es gibt wahrscheinlich keinen Ausschuss hier im Parlament, in dem derart viel und leidenschaftlich vertagt wird wie im Gesundheitsausschuss. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Im letzten Gesundheitsausschuss sind 25 Anträge der Oppo­sitionsparteien vertagt worden. Kennen Sie andere Ausschüsse, in denen ähnlich viel vertagt wird?

Jetzt könnte man sagen – wie es uns Grüne und ÖVP immer wieder weismachen wollen –: Die Gesundheit in Österreich ist Weltklasse unterwegs, man braucht nichts zu tun, wir haben keinen Ärztemangel, in der Pflege gibt es über­haupt keine Probleme (Ruf bei der ÖVP: Lei-lei!), im Bereich der Prävention brauchen wir nichts zu tun. – Zumindest da haben wir heute einen ersten kleinen Schritt gemacht.

Wenn man sich die Herangehensweise der Regierung ansieht, könnte man glauben, dass alles, das die Opposition einfordert, in Wahrheit nicht notwendig ist, weil das österreichische Gesundheitssystem wirklich so Weltklasse unter­wegs ist. (Abg. Zarits: Fasching ist vorbei, Philip!) 25 vertagte Anträge – ein spannender Zugang!

Kollege Schallmeiner, weil du so kritisch herausschaust: Man könnte auch den Mut haben, Nein zu sagen, man könnte sagen: Wir haben eine bessere


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Idee! Oder noch schöner: Wenn es Vorschläge der SPÖ betreffend Behebung des Ärztemangels gibt, könnte man ja sagen: Die brauchen wir nicht, wir sind perfekt unterwegs, es gibt schon Maßnahmen, die die Regierung setzt!

So geht es nicht! Die Opposition wird immer wieder irgendwie abgekanzelt, ihre Anträge werden nicht einmal zur Abstimmung gebracht, 25 Anträge wurden vertagt, und das nach einer riesengroßen Gesundheitskrise, die wir alle miteinan­der erleben mussten. Das zeugt davon, dass ihr die Lehren, die wir alle aus der Coronakrise ziehen sollten, nicht gezogen habt. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Die SPÖ auch! – Abg. Haubner: Deine Vorgänger haben immer ver­tagt! – Ruf: Sie haben sogar verachtet!)

Auf uns wartet Arbeit! Wir haben dem Gesundheitsminister sehr oft Unterstüt­zung angeboten. Vielleicht ist es auch möglich, dass der Gesundheitsminis­ter endlich auch die Unterstützung der Regierungsfraktionen bekommt, dass die Grünen und die ÖVP den Gesundheitsminister auch unterstützen und Anträ­ge nicht nur vertagen oder ablehnen. Erst dann bringen wir in Österreich etwas weiter.

Wir werden den Antrag betreffend Prävention unterstützen. Ich glaube, es wäre auch wichtig, eine ganzheitliche Präventionsstrategie – da haben wir sehr viel Luft nach oben – und entsprechende Sozialversicherungsmaßnahmen für Öster­reich zu forcieren, aber auch das, was die Länder machen und was die Bun­desregierung selbst tut, alles offensiv in eine gesamte Strategie zu gießen. Die Datengrundlage ist das absolute Minimum. Wir werden das jetzt auch hier einfordern.

Da der Gesundheitsminister gleichzeitig auch Sozialminister ist, darf ich ihn persönlich noch einmal erinnern: Eine der ganz, ganz zentralen Determinanten für Gesundheit in Österreich sind die sozioökonomischen Verhältnisse, das ist die Armut von Menschen.

Wir erleben es, dass Menschen in Österreich sich das Leben nicht mehr leisten können, sich den Einkauf nicht mehr leisten können, sich die Wohnung nicht


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mehr leisten können. Da gibt es auch aus gesundheitspolitischer Sicht sehr viel beizutragen. Menschen, die in Armut leben, sterben früher, sind deutlich häufiger von Krankheiten betroffen, und ich glaube, es ist eine wichtige Aufgabe hier, dass wir nicht nur Anträge produzieren, sondern dass auch der Ge­sundheitsminister in seiner Funktion als Sozialminister im Bereich der Armutsbekämpfung aktiver wird. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


13.53.10

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1936 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Präventionsauftrag im Allgemei­nen Sozialversicherungsgesetz“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (305/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der Frauengesundheit – Ausbau der Krebs-Früherkennungsprogramme sowie der automatischen Einladungen zu Voruntersuchungen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.54.014. Punkt

Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über die Regierungsvorlage (1900 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Mak-lergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG) (1952 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag.a Ruth Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.54.16

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Frühling kommt der Sommer, nach dem Sonntag der Montag und nach dem Regen scheint wieder die Sonne. (Ruf bei der ÖVP: Und was kommt nach Rendi-Wagner?) Aber eines, liebe Kollegin­nen und Kollegen, kommt in Österreich sicher nicht: ein echtes Besteller­prinzip bei der Maklerprovision. (Beifall bei der SPÖ.) Die ÖVP will es nicht und die Grünen können es nicht. (Abg. Maurer: Das ist einfach paktwidriger Schmarrn! Das ist doch ein bissel peinlich! – Abg. Lukas Hammer: Und das von einem Politikneuling! Seit 1988 ist sie Abgeordnete!)

Dabei ist die Sache relativ einfach: Wer eine Leistung bestellt, muss sie auch bezahlen. Und wenn es den Vermietern lästig ist, die Wohnung herzuzeigen und Mietvertragsformulare auszufüllen, dann beauftragen sie einen Makler. Den beauftragen sie aber in der Praxis nur dann, wenn er auf das Honorar des Vermieters verzichtet und der Mieter zwei Bruttomonatsmieten zahlen muss, nämlich bis zu mehreren Tausend Euro für einmal aufsperren und Formu­lare unterschreiben. Das ist ein Unrecht, das kritisieren sehr viele Betroffene.

Wenn diese Bundesregierung das ändern möchte, dann kann sie das relativ einfach tun: Sie kann der Gesetzesvorlage der SPÖ zustimmen, da wird die Sache ganz eindeutig geregelt, oder sie kann auch das Gesetz aus Deutsch­land abschreiben. In Deutschland wurde das Bestellerprinzip nämlich be­reits 2015 eingeführt. Die Regeln dort sind sehr einfach, es funktioniert tadellos: Wird eine Wohnung vom Makler vermittelt, zahlt der Vermieter, um nicht zahlen zu müssen, muss der Vermieter beweisen, dass er nichts mit der Arbeit des Maklers zu tun hat. Das funktioniert und ist ein ordentliches Gesetz.

Die Bundesregierung hat sich aber entschlossen, es anders zu machen. Sie will den Menschen einen Schmäh verkaufen. In der Praxis ist das dann so:


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Unterschreibt ein Mieter für eine Wohnung, bekommt er dann vom Makler die Rechnung. Die muss er bezahlen oder er muss möglicherweise zu Gericht gehen, wo er beweisen muss, dass er dem Makler keinen Suchauftrag erteilt hat.

Im Strafrecht ist es anders, da gilt das Prinzip, dass jeder unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen ist. Für die Mieter in Österreich gilt das nicht, da muss der Mieter die Provision bezahlen, bis seine Unschuld bewiesen ist. In Deutschland muss der Vermieter beweisen, dass der Mieter den Auftrag gegeben hat. In Österreich muss der Mieter beweisen, dass der Vermieter den Auftrag gegeben hat. Wie kann er das beweisen? Im Bautenausschuss haben Sie, Frau Justiz­ministerin dazu erklärt, dass es eine Dokumentationspflicht gibt und dass es Auf­fangbestimmungen dazu gibt. Ich sage Ihnen aber: Ein Gesetz, das schon im Vorhinein mit Dokumentationspflicht und Inkrafttreten von Auffang­bestimmungen lebt, ist eigentlich ein kaputtes Gesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung weiß genau, dass es kaputt ist. Die Regierung behauptet ja nicht einmal, dass sie das Bestellerprinzip eingeführt hat, sie spricht von einem Erstauftraggeberprinzip. Laut Duden – Sie können gerne nachschauen – bedeutet der Begriff Bestellerprinzip aber, dass die Vermittlergebühr von jenem gezahlt wird, der die Vermittlung beauftragt, das Wort Erstauftraggeber­prinzip hingegen gibt es im Duden gar nicht.

Zusammengefasst kann man sagen: Wer die Mieter:innen in Österreich entlasten möchte, beschließt ein Bestellerprinzip, und wer die Mieter:innen verschaukeln möchte, erfindet das Erstauftraggeberprinzip. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe aber auch eine gute Nachricht für Sie: Es ist nicht zu spät, umzukehren. Es gibt nämlich einen Abänderungsantrag, mit dem man das Gesetz reparieren könnte. Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über die Regierungsvorlage (1900 d.B.):


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Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Ände­rungsgesetz – MaklerG-ÄG) (1952 d. B.) (TOP 4)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Nach dem Einleitungssatz wird folgende neue Ziffer 1 eingefügt und die nachfol­genden Ziffern werden entsprechend umnummeriert:

„1. § 17 samt Überschrift lautet:

Provision bei Verträgen über Wohnungen und Wohnräume

17. (1) Eine Vereinbarung, mit der sich der Vertragspartner des Immobilienmak­lers zur Zahlung eines Entgelts für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen über Wohnungen oder Wohnräume verpflichtet, bedarf der Schriftform.

(2) Der Immobilienmakler darf von einem Wohnungssuchenden für die Ver­mittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen über Wohnungen oder Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, es sei denn, der Wohnungssuchende hat mit dem Immobilien­makler einen Maklervertrag geschlossen, bevor der Vermieter oder Verkäu­fer oder ein anderer Berechtigter den Immobilienmakler mit dem Angebot der Wohnungen oder Wohnräume beauftragt hat oder der Makler sonst wie von der Vertragsgelegenheit Kenntnis erhielt. Eine Vereinbarung, durch die der Woh­nungssuchende verpflichtet wird, ein vom Vermieter oder Verkäufer oder einem anderen Berechtigen geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen, ist un­wirksam.

(3) Im Streitfall obliegt der Nachweis über die Einhaltung der Abs. 1 und 2 dem Immobilienmakler.


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(4) Wer entgegen Abs. 2 eine Provision fordert, sich versprechen lässt oder an­nimmt, kann mit einer Geldstrafe bis zu 25.000 Euro bestraft werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Zusatz- bzw. Abänderungsantrag

der Abg. Mag. Ruth Becher, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über die Regierungsvor­lage (1900 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz geändert wird (Maklergesetz-Änderungsgesetz – MaklerG-ÄG) (1952 d. B.) (TOP 4)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

Nach dem Einleitungssatz wird folgende neue Ziffer 1 eingefügt und die nachfol­genden Ziffern werden entsprechend um nummeriert:

„1. § 17 samt Überschrift lautet:

Provision bei Verträgen über Wohnungen und Wohnräume

17. (1) Eine Vereinbarung, mit der sich der Vertragspartner des Immobilienmaklers zur Zahlung eines Entgelts für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegen­heit zum Abschluss von Verträgen über Wohnungen oder Wohnräume verpflichtet, bedarf der Schriftform.

(2) Der Immobilienmakler darf von einem Wohnungssuchenden für die Vermittlung oder den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss von Verträgen über Wohnun­gen oder Wohnräume kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen,


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es sei denn, der Wohnungssuchende hat mit dem Immobilienmakler einen Maklervertrag geschlossen, bevor der Vermieter oder Verkäufer oder ein anderer Berechtigter den Immobilienmakler mit dem Angebot der Wohnungen oder Wohnräume beauftragt hat oder der Makler sonst wie von der Vertragsgelegenheit Kenntnis erhielt. Eine Vereinbarung, durch die der Wohnungssuchende ver­pflichtet wird, ein vom Vermieter oder Verkäufer oder einem anderen Berechtigen geschuldetes Vermittlungsentgelt zu zahlen, ist unwirksam.

(3) Im Streitfall obliegt der Nachweis über die Einhaltung der Abs. 1 und 2 dem Immobilienmakler.

(4) Wer entgegen Abs. 2 eine Provision fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, kann mit einer Geldstrafe bis zu 25.000 Euro bestraft werden.“

Begründung

Zu § 17:

Der Makler soll bei der Vermittlung von Wohnraum künftig vom Wohnungssuchen­den eine Maklerprovision nur noch dann fordern können, wenn ein Vertrag über Wohnungen oder Wohnräume (sowohl bei Miet- als auch bei Kaufverträgen) zustande kommt, die dem Makler zum Zeitpunkt des Abschlusses des Makler­vertrages mit dem Wohnungssuchenden noch nicht von der Gegenseite (Vermieter, Verkäufer, Wohnungsverwalter oder Vormieter, etc.) bekannt gegeben worden waren oder ihm sonst irgendwie bekannt wurden (= Erstauftraggeber-Prinzip).

Vereinbarungen, durch die der Mieter oder Käufer sich gegenüber dem Vermieter oder Verkäufer oder dem Makler verpflichtet, eine ursprünglich vom anderen Vertragspartner geschuldete Provision zu tragen, sollen unwirksam sein.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.


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Ich darf die Frau Bundesministerin für Justiz Dr.in Alma Zadić sehr herzlich hier im Haus begrüßen und bitte nun Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.00.41

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Kollegin Becher, ich schätze Sie sehr, Sie sind seit über 20 Jahren Abgeordnete und immer eine ausgesprochen empathische Red­nerin und Wohnpolitikerin, aber das hier, es tut mir leid, das kann ich einfach nicht glauben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir Grüne haben in dieser Bundesregierung das durchgesetzt, was viele, viele Jahre rote und von der Sozialdemokratie geführte Bundesregierungen nicht zustande gebracht haben, nämlich die Abschaffung der Maklergebühren. (Abg. Kassegger: Eine Wende um 360 Grad!) Ich verstehe schon die Rolle der Oppo­sition und so, aber ich finde es schade, wie sehr man hier Haare in der Suppe zu finden versucht. Warum kann man bei aller Kritik nicht einfach sagen: Es ist gut, dass in Zukunft die Mieterinnen und Mieter keine Makler:innengebühren mehr zahlen, weil in Zukunft der zahlt, der bestellt?! Das finde ich schade, insbesondere angesichts Ihrer Vita. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Dann wird halt alles teurer!)

Worum geht es heute? Es gibt so Etappen im Leben von uns allen – als Kinder, als Jugendliche, als junge Erwachsene –, die für uns große Veränderungen bedeutet haben, ein großes Gefühl von Freiheit geweckt haben: Radlfahren ler­nen, das erste Mal den Schulweg erfolgreich alleine zurücklegen, das erste Mal ausgehen. Natürlich gehört da auch dazu, das erste Mal in eine eigene Woh­nung zu ziehen. Wenn man, nachdem man von den Eltern ausgezogen ist, zum ersten Mal in der neuen Wohnung, im neuen Zimmer steht, in dem man die nächsten Jahre verbringen wird, ist das sehr aufregend. Meistens wirkt das alles noch größer, als es dann vielleicht wirklich ist. Ich glaube, wir alle haben ir­gendwann diese Erfahrung gemacht; nicht viele hier wohnen noch bei den


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Eltern. (Heiterkeit der Rednerin sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Abg. Belakowitsch: Was soll denn das? Was ist da so lustig?)

Ich kann mich beispielsweise noch gut an mein erstes WG-Zimmer in Wien er­innern. Das war nicht groß, es hatte nur 8 Quadratmeter und einen Wand­verbau und ein Klappbett. Das Problem bei dem Klappbett war, dass man es nicht mehr zurückklappen konnte, das heißt, ein Teil der Fläche wurde vom Bett verbraucht. (Abg. Kassegger: Eine typische Baerbock-Rede!) Die Dusche war in der Küche, aber es ist mir trotzdem toll vorgekommen, denn es war damals halt mein erstes Zimmer in Wien. (Abg. Belakowitsch: Entschul­digung, könnten Sie auch etwas zum Thema sagen? – Abg. Matznetter: Und heute müssen Sie mit der ÖVP zusammenleben!)

Was damals wie auch heute immer noch eine große Rolle spielt, ist, dass auch bei der Vermittlung solcher Substandardwohnungen oder kleiner WG-Zim­mer Maklerinnen und Makler ihre Arbeit machen und Provision gezahlt werden muss. Das war damals so und das ist heute so. Das kann natürlich für Mie­ter:innen sehr viel Geld ausmachen, insbesondere für junge Menschen und Men­schen mit niedrigem Einkommen. Man kennt das, man schaut 1 000 Anzei­gen auf den Plattformen durch, dann findet man etwas, dann bekommt man ei­nen Slot, in dem man die Wohnung besichtigen kann. Der Makler oder die Maklerin sperrt die Tür auf und sagt: Das ist die Wohnung! (Abg. Kassegger: Die Zeit ist aus, Frau Kollegin! – Abg. Belakowitsch: Gott sei Dank blinkt es!) Und dann zahlt man für diese Leistung eine hohe Gebühr, dann zahlt man zwei Mo­natsmieten, manchmal mehr, um diese Wohnung zu bekommen.

Wir machen damit jetzt Schluss. In Zukunft zahlt die Maklergebühr die Person, die den Makler oder die Maklerin beauftragt, und das ist in der Regel der Vermieter oder die Vermieterin. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit fällt diese teure Zusatzlast beim Finden einer Wohnung, die dann ja auch noch einzurichten ist et cetera, weg. Wohnen ist ein Grundrecht, und des-


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halb setzen wir Grüne uns für strengere Regeln zum Schutz von Wohnungssu­chenden ein. Wohnen darf aufgrund dieses Grundrechtsstatus nicht voll­ständig dem Renditeprinzip unterworfen werden.

Wir sorgen mit dem Makler:innengesetz für starke Entlastung. Man spart sich künftig bis zu zwei Monatsmieten an Provision, wenn man einen neuen Mietvertrag abschließt, insgesamt bringt das eine finanzielle Entlastung von mehr als 55 Millionen Euro pro Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Was in allen anderen Lebensbereichen selbstverständlich ist – wer bestellt, der zahlt auch –, das wird damit jetzt auch für diesen Bereich Realität, provi­sionsfreies Wohnen wird zum Standard.

Wir haben in die Gesetzesvorlage einen umfassenden und strengen Umge­hungsschutz eingebaut. Wir wollen eben nicht, dass Mieter:innen nach der Ab­schaffung der für sie unfairen Makler:innengebühr stattdessen über Um­wege trotzdem wieder Zahlungen bei Vertragsabschluss leisten müssen, wie et­wa durch Vereinbarungen, die Mieter:innen zwingen, Zahlungen an die Vor­mieter, die Makler:innen oder an andere Dritte zu leisten. (Abg. Kassegger: Oder höhere Mieten!) Die werden mit dem neuen Gesetz unwirksam.

Meine lieben Damen und Herren! Mit dieser Neuregelung des Makler:innenge­setzes schaffen wir mehr Gerechtigkeit am Wohnungsmarkt. Das ist eine ganz, ganz langjährige Forderung. Das ist eine massive Entlastung für alle jungen Menschen, die von daheim, von ihren Eltern ausziehen, aber auch für alle anderen, die umziehen, in eine andere Stadt, in eine andere Wohnung ziehen, in eine neue Lebenssituation geraten et cetera. Und wir räumen mit dieser jahrzehntelangen Ungerechtigkeit auf. Wer bestellt, der zahlt: Eine Entlastung für alle Wohnungssuchenden wird damit Realität. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.06



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Maximilian Lercher. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.06.51

Abgeordneter Maximilian Lercher (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Frau Klubobfrau! Jawohl, wir sehen die Intention – das ist sehr, sehr gut gemeint –, aber was wir noch stärker sehen, ist die sehr, sehr schlechte Umsetzung in diesem Gesetz­entwurf. Deswegen hat Kollegin Becher auch recht mit ihrer Kritik. Ihre jahre­lange Erfahrung überzeugt sie nämlich, da nicht zuzustimmen, weil sie weiß, welche Auswirkungen da auf die Mieterinnen und Mieter noch zukommen werden. Deswegen ist auch die Sozialdemokratie dagegen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie, Frau Klubobfrau, wenn Sie sagen, Wohnen ist ein Grundbedürfnis, dann haben Sie definitiv recht. Genau deswegen wäre es jetzt umso wichti­ger, nicht ein schlecht umgesetztes Gesetz zu präsentieren, sondern mit der ÖVP eine Mietpreisbremse einzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

So, so viele Menschen in diesem Land erwarten diese, und die Grünen – das weiß ich – kämpfen auch für diese Mietpreisbremse. Geschätzte Damen und Herren von der ÖVP, ich bitte Sie, verlegen Sie den Streit auf ein anderes Thema. Es geht um Schicksale in diesem Land und nicht um Parteipolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Bitte geben Sie sich einen Ruck und gehen Sie in dieser Frage zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher mit – die Grünen haben ohnehin nicht oft recht, aber in dieser Frage haben sie recht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen.) Es wäre wichtig, dass Sie da etwas zusammenbringen. Die Sozial­demokratie hält Ihnen ihre ausgestreckte Hand entgegen, wir wären dabei, heute noch, damit wir etwas für die Mieterinnen und Mieter in diesem Land wei­terbringen, für jene, die sich das Wohnen nicht mehr leisten können. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Den Mietsprung, der jetzt kommt, den müssen Sie verhindern. Ich bitte Sie inständig! Parteipolitik ist da nicht angebracht.


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Ich sage Ihnen ganz offen, wenn wir schon dabei sind: Nutzen Sie angesichts dieser Krise die Instrumente, die Ihnen der Sozialstaat gibt! Die Men­schen in diesem Land, die Bürgerinnen und Bürger, zahlen hohe Steuern. Sie erwarten sich im Gegenzug Schutz und Hilfe in Zeiten der Krise. Der Sozialstaat hat die Instrumente, es liegt an Ihnen, sie zu nutzen. Sie wollen es aus Partei­kalkül nicht. Ich bitte Sie trotzdem darum, zum Wohle der Mieterinnen und Mieter in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, zum Gesetzentwurf: Die Intention ist zweifelsohne eine gute, aber Umgehungen sind nicht ausgeschlossen. Nachdem dieses Gesetz in Kraft getreten ist, wird die Justiz sehr, sehr oft damit beschäftigt sein, und ich glaube nicht, dass das Ihre Intention war. Man kann sein Amt aber auch so verstehen, die Justiz beschäftigen zu wollen. Es wäre nicht notwendig, wenn Sie nur richtig abschreiben könnten, die Deutschen haben es ja vorgelegt.

Ich finde es bedauerlich, dass Sie sogar beim Abschreiben scheitern. Wenn Sie das richtig machen würden, dann hätten wir einen Gesetzentwurf, der keine Umgehungskonstruktionen ermöglicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hätten einen Gesetzentwurf, der wirklich ein Bestellerprinzip vorse­hen würde, und vor allem hätten wir eines: eine Beweislastumkehr. Das ist etwas, das wirklich ausdrückt, wie Sie ticken: Bei Ihrem Gesetz muss der Mieter beweisen und nicht der Vermieter, und das drückt aus, worum es Ihnen geht. Wenn es Ihnen wirklich um die Mieterinnen und Mieter gehen würde, dann wäre das anders. Ich fordere Sie auf, das noch zu reparieren, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss möchte ich noch eines einbringen, Kollege Schrangl wird es auch noch erwähnen – Kollege Singer hat es ausgeschlossen; ich glaube es ihm, aber ich glaube es dem Ministerium nicht –: Wenn wirklich von Beamten im Mi­nisterium ein Anschlag auf die Gemeinnützigkeit geplant wird, und zwar auf die Anlagewohnungen im gemeinnützigen Bereich, dann wird die Sozialdemokra­tie gemeinsam mit allen anderen Parteien der Opposition dagegen aufstehen,


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weil das bedeuten würde – wenn das stimmt –, dass es über kurz oder lang keine Gemeinnützigkeit (Abg. Steinacker: Stimmt ja nicht! Das ist ja ein Blödsinn!) mehr im Wohnbau in Österreich geben wird. (Abg. Disoski: Das stimmt nicht! Das ist ein Blödsinn!) Das wäre ein Riesenskandal, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, wenn das stimmt (Abg. Steinacker: Das lassen wir auch nicht zu!), was jetzt noch debattiert werden wird – und da hat der Kol­lege recht –, dann wird es eine vereinte Opposition dagegen geben. Die Grünen sind aufgefordert, nachzufragen und sehr, sehr gut aufzupassen, was geplant wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Philipp Schrangl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des sich zum Redner:innenpult begebenden Abg. Schrangl in Richtung Bundesministerin Zadić.)


14.11.44

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und zu Hause! Ich möchte in meiner Rede den Bautenausschuss vom 23. Februar nachbilden. Das Maklergesetz hat dort keine allzu große Rolle gespielt. Zusammenfassend möchte ich festhalten – oder kann man auch festhalten –, dass es mehr ein Tropfen auf den heißen Stein der Wohnkosten ist, wenn auch ein heiß umstrittener, das gebe ich zu, der sich auch am schlechten Verhal­ten mancher Makler entzündet. Wir werden dem Entwurf zum Maklergesetz auf jeden Fall unsere Zustimmung erteilen.

Vielmehr hat sich aber die Debatte – Kollege Lercher hat es ja schon angespro­chen – zu Recht um das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz gedreht. Wir sprechen da von mehr als 700 000 Wohnungen, die in Gefahr sind, an Immobi­lienspekulanten verscherbelt zu werden – dagegen war ja selbst die Buwog


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eine Kleinigkeit. Die Frage betreffend Anlegerwohnungen im Bereich der Woh­nungsgemeinnützigkeit sorgt daher aus gutem Grund für erhebliche Aufre­gung. ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher sieht sich diesbezüglich auch mit der Kritik der SPÖ und der NEOS konfrontiert. Das heißt, die FPÖ steht dies­bezüglich alles andere als alleine da.

Doch worum geht es, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Martin Kocher und leitende Angestellte aus dem Ministerium haben den größten An­schlag auf den sozialen Wohnbau in der Geschichte der Zweiten Republik zu verantworten. Ja, es ist der größte Anschlag, denn leider sind die Auswirkun­gen wesentlich umfangreicher und gefährlicher als jene des unsäglichen
Buwog-Verkaufes.

Man will im ÖVP-Wirtschaftsministerium, dass Anleger, Spekulanten, Banken und Versicherungen den gemeinnützigen Wohnbau aufkaufen. Leistbare Wohnungen gibt es dann nur noch für Investoren, nicht aber für Mieter. (Abg. Steinacker: Man kann auch Angst machen!) Wenn es nach Martin Kocher und leitenden Mitarbeitern seines Hauses geht, dann dürfen Investoren So­zialwohnungen zum Sozialtarif kaufen und sie dann frei an die Men­schen vermieten. Da hilft auch die Abschaffung der Maklergebühr nicht. (Abg. Steinacker: Das stimmt ja nicht! Das stimmt nicht!)

So sieht die Lage jetzt aus. Das ist Wohnpolitik gegen die Menschen. Das ist Wohnpolitik für Superreiche. Das ist ein Gesetzesputsch (Zwischenruf bei den NEOS) gegen den gemeinnützigen Wohnbau. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der SPÖ. – Abg. Steinacker: Du kennst dich besser aus!) Das ist ein politisches Geschenk an jene, die in Krisenzeiten enorme Gelder gewinnbringend veranlagen wollen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ein Drittel der Haushalte geht davon aus, sich die Miete in den kommenden Monaten nicht mehr leisten zu können. Was ist die Antwort des Wirtschaftsministeriums auf diese Krise? – Es schafft die Voraussetzungen dafür, dass der gemeinnützige Wohnbau an Investoren


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verscherbelt wird. (Abg. Steinacker: Also schön langsam Themaverfehlung! – Abg. Disoski: Schön langsam, ja!)

Vor den Folgen dieser unsozialen und verantwortungslosen Politik, dieses wohnpolitischen Raubzugs mahne aber nicht nur ich. Vor den Folgen warnen die Sozialpartner in Gestalt der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer. Bitte bei der ÖVP einmal nachlesen, was die Wirtschaftskammer letzte Woche für eine Aussendung herausgegeben hat! Der genossenschaftliche Dachverband, GBV, fordert rasche gesetzliche Gegenmaßnahmen. Die SPÖ-Wohnbaustadt­rätin Kathrin Gaál kritisiert die Regelung. Oberösterreichs FPÖ-Wohn­baulandesrat Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner kritisiert die Regelung und ruft den Gesetzgeber zum Handeln gegen Anlegerwohnungen in der Wohnungsgemeinnützigkeit auf. (Abg. Haubner: Eine neue Achse tut sich auf!)

Der Niederösterreichische Landtag, meine sehr verehrten Damen und Herren der ÖVP, hat auf eine FPÖ-Initiative einstimmig, also auch die ÖVP, einen Resolutionsantrag gegen diese Politik der Bundesregierung angenommen. ÖVP-Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger stemmt sich laut einer Anfragebe­antwortung ganz klar gegen die Regelung aus dem Hause von Martin Kocher. Es heißt wieder einmal ÖVP-Niederösterreich gegen ÖVP-Wirtschaftsministerium.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Wenn Martin Kocher in der Frage der Anlegerwohnungen länger auf die Expertise seines Hauses vertraut, so wie er es im Ausschuss bekundet hat, dann wird es politisch langsam grob fahrlässig. Selbst der ÖVP-Bautensprecher Hans Singer hat im Bautenausschuss gemeint, dass das Thema besser in der Hand von Experten aufgehoben wäre.

Eben diese Experten haben sich aber bereits eindeutig, nämlich ablehnend, geäußert. Ich bringe nur wenige Beispiele: Verfassungsrichter Michael Holoubek spart nicht mit Kritik daran, ebenso wie der renommierte Wohnrechtler und Anwalt Christian Prader. Du siehst, lieber Hans, die Experten kommen bereits zu


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einem eindeutigen Ergebnis, dem Ergebnis, dass die Regelung falsch und verpfuscht ist, weil Anlegerwohnungen im sozialen Wohnbau keinen Platz haben.

Jetzt wäre es daher dringend an der Zeit, entsprechend dieser Expertise politisch-gesetzgeberisch zu handeln. Die Expertise ist verfügbar, sie steht in Gesetzeskommentaren, sie wurde in Fachjournalen abgedruckt. Eine Lö­sung wäre alles andere als eine Hexerei. Aber Martin Kocher und sein Haus stemmen sich gegen diese Expertise und gegen den vereinten politischen Druck der Opposition. Es fragt sich nur, warum das so ist. Daher sage ich von die­ser Stelle eines: Es muss klar sein, Gesetze werden hier im Nationalrat beschlos­sen und nicht von Perspektivengruppen bestellt.

Wenn ich mir die sonderbare Genese zu den Erläuterungen zum Wohnungsge­meinnützigkeitsgesetz 2022, die uns jetzt beschäftigen, ansehe, dann muss ich sagen, diese Genese wirft dramatische Fragen auf. Wir reden da über eine Dreistigkeit, die selbst dem berüchtigten Chatman Thomas Schmid die Spra­che verschlagen würde. Es muss auch für die Zukunft klar sein, dass die für das WGG zuständige Abteilung im Wirtschaftsministerium letztlich nicht dafür da ist, einzelfallspezifische Auskünfte an Unternehmen zu erteilen. Es muss in Zukunft klar sein, dass diese Bereiche sauber zu trennen sind. Es kann nicht sein, dass die Aufsichtsbehörden in den Ländern von einer Anwalts­kanzlei in Wien mit der Expertise der für das WGG zuständigen Abteilung im Wirtschaftsministerium hinsichtlich einer Regelung, die vom Gesetz her nicht gedeckt ist, in die Zange genommen werden.

Und es kann nicht sein, dass hier im Nationalrat Unwahrheiten verbreitet wer­den, wonach die WGG-Novelle 2022 (Zwischenrufe der Abgeordneten Für­linger und Jachs) dem Schutz vor Spekulation dienen soll. Leider ist das Gegenteil wahr. Das belegt beispielsweise auch ein Fachbeitrag; dessen Autor schreibt ganz klar, dass seit der WGG-Novelle 2022 Wohnungen im Neubau ohne Selbstnutzung im Hauptgeschäft an Dritte veräußert werden können.


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Ich weiß, Sie glauben es nicht. Vielleicht glauben Sie mir nicht, aber ich werde Ihnen nachher mehrere Kommentare von führenden Wohnrechtlern vorlegen, in denen das ganz klar belegbar ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich appelliere vor allem an die ÖVP: Bitte hören Sie auf, den Falschen Glauben zu schenken! Hören Sie auf Verfassungsrichter, die Sozialpartner, den genossenschaftlichen Dachverband, Ihren eigenen Landesrat in Niederösterreich, alle sagen das­selbe! Machen Sie es schnell, denn sonst wird es zu spät sein! Über 700 000 Wohnungen sind in Gefahr. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Johann Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.19.46

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Justizministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind wieder in einer ähnlichen Situation, wie wir sie schon im Bautenausschuss hatten, nämlich dass wir beim Tagesordnungspunkt Maklerge­setz-Änderungsgesetz eine Vielzahl von Themen besprechen, die am heu­tigen Tag zum Beispiel bei einem späteren Tagesordnungspunkt noch kommen und besprochen werden können.

Ich darf daher nur kurz eine Klarstellung zu den Äußerungen des Kollegen Schrangl anbringen: Die ÖVP hat eine klare Haltung zu diesen Themen, nämlich dass wir die Anlegerwohnungen ablehnen, dass wir zur Gemeinnützigkeit stehen, dass wir das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz für ein wesentliches Ge­setz für die Wohnungslandschaft in Österreich halten, dass wir froh sind, dass es die Gemeinnützigkeit gibt und dass ich niemanden kenne, weder auf der politischen Ebene noch auf der fachlichen Ebene, der diese Form, die von Kollegen Schrangl vorgetragen wurde, gutheißt. (Beifall bei der ÖVP.) Daher eine


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klare Ablehnung seitens der ÖVP – alles Weitere dann, wenn wir hier im Hohen Haus diesen Punkt besprechen.

Nun zurück zum Maklergesetz: Die Grünen und wir haben im Regierungspro­gramm das Vorhaben Maklerprovision nach dem Bestellerprinzip vereinbart, mit der Beschlussfassung am heutigen Tag werden wir dieses Projekt entspre­chend umsetzen.

Worum geht es? – Meine Vorrednerinnen und -redner haben es schon aus­geführt: Künftig sollen die Kosten für die Maklerinnen beziehungsweise Makler bei Vermittlungen von Mietwohnungen von demjenigen übernommen werden, der den Auftrag gegeben hat, so, wie es gewöhnlich bei Dienstleistun­gen üblich ist. Das bedeutet in Österreich allerdings einen Paradigmen­wechsel. Heute sind Immobilienmakler in der Regel Doppelmakler, das heißt, sie waren bisher sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter tätig. Allerdings war die Provision des Maklers zu einem großen Teil vom Mieter zu zahlen.

Die nun zur Beschlussfassung vorliegende Änderung des Maklergesetzes sieht wie gesagt die Einführung des Bestellerprinzips für die Vermittlung von Mietverträgen über Wohnräume vor. Daraus folgend ist künftig die Provision des Maklers grundsätzlich nur vom Auftraggeber zu bezahlen. Zusammengefasst: Wer bestellt, schafft an und bezahlt.

Was sind die finanziellen Auswirkungen? – Die am Beginn eines neuen Mietverhältnisses für Mieter:innen entstehenden Kosten werden maßgeblich gesenkt, wie dies in den Erläuterungen zur Gesetzesänderung ausgeführt wird. Es sei eine jährliche Einsparung an nicht zu zahlender Maklerprovision für die Mieter in Höhe von rund 55,1 Millionen Euro zu erwarten.

Ein konkretes Beispiel: Ein junges Paar mit Kind meldet sich auf das Online­inserat eines Maklers für eine 72 Quadratmeter große Dreizimmerwoh­nung. Nach der Wohnungsbesichtigung schließt diese Familie einen Mietvertrag


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mit dem Vermieter ab. Die monatlichen Gesamtkosten belaufen sich auf 986 Euro inklusive Umsatzsteuer. Da der Vermieter Erstauftraggeber des Im­mobilienmaklers ist, muss die Familie keine Provision zahlen, sie erspart sich damit 2 112 Euro.

Bei den Verhandlungen zu dieser Gesetzesänderung war uns die Schaffung von Klarheit über die praktische Umsetzung für alle Beteiligten wichtig: für die Vermieter, die Mieter und die Makler. Mit der transparenten Dokumentation der zeitlichen Abfolge der Vertragsabschlüsse wird klargestellt, wer die Provision zu leisten hat.

Sehr geehrte Damen und Herren, solch ein Paradigmenwechsel fordert alle Be­teiligten, in dem Fall insbesondere auch die Makler. Sie erbringen eine wert­volle Dienstleistung für die Wohnungswirtschaft. Sie sehen jetzt aber einige Fragezeichen hinter dieser Änderung: Gibt es künftig noch ein genügend sichtbares Angebot? Wie entwickelt sich die Branche generell? Wie wirkt sich die fehlende Unterstützung auf die Mieter aus? Wird das Ablöseunwesen wieder gestärkt?, um nur einige Themen anzusprechen.

Ja, der Markt wird sich verändern, ich bin davon überzeugt. Ich habe aber das Vertrauen in die Branche, dass es mit ihrer Professionalität gelingen wird, die Umstellung gut zu bewältigen.

Positiv zu sehen ist, dass sich jeder Auftraggeber seinen Makler aussuchen kann. Mieter werden von dem von ihnen beauftragten Makler exklusiv beraten und vertreten; sie haben auch die Möglichkeit, Makler nur gezielt für einige ge­wünschte Leistungen zu engagieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, entscheidend ist künftig, wer die Maklerin, den Makler tatsächlich beauftragt. Wer beauftragt, bezahlt die Provision. Die Änderung des Maklergesetzes bringt eine Entlastung für die Mieter, senkt die am Beginn eines neuen Mietverhältnisses entstehenden Kosten. Das bedeutet


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insbesondere für junge Wohnungssuchende eine spürbare Entlastung. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.26.17

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherin­nen, liebe Zuseher! Ja, wir NEOS stimmen dieser Regierungsvorlage zu, aber – ich sage es gleich vorweg und gleich zu Beginn – ohne die hier verbreitete Euphorie und die Begeisterung für diese Regierungsvorlage, sondern aus ganz nüchternen Gründen.

Wir stimmen zu, weil die derzeitige Rechtslage insbesondere für junge Men­schen, aber auch für Menschen mit einem geringen Einkommen unbefriedigend ist, weil sie beim Abschluss eines Mietvertrages für einen Makler in der Regel zu zahlen haben, obwohl nicht sie es waren, die ihn faktisch beauftragt haben. Das ist deswegen gut, weil Mieter dadurch nicht mehr verpflichtet wer­den, automatisch zwei bis drei Monatsmieten beim Abschluss eines Miet­vertrages hinzulegen.

Aber es gibt natürlich auch in dieser Regierungsvorlage einige Tücken. Unse­re Fragen dahin gehend wurden im Ausschuss aus unserer Sicht nicht ausreichend beantwortet. Der erste Punkt ist: Natürlich wird diese Gesetzesän­derung dazu führen, dass in Mietverträgen, die nicht dem Mietrechtsge­setz unterliegen, also am freien Mietmarkt, der Vermieter das, was er jetzt an den Makler zahlen muss, aufschlagen wird, also sich die Miete monatlich erhöhen wird. Das ist ganz logisch. Jemand, der häufig die Wohnung wechselt, wird von dieser Gesetzesänderung profitieren; jemand, der länger in ein- und derselben Wohnung bleibt, wird – auf lange Sicht gesehen – nicht davon profitieren, weil er unterm Strich mehr zahlen wird.


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Ich meine, das könnte man eingestehen, das wäre auch eine Abwägung, zu sagen, es ist trotzdem wünschenswert, aber, Frau Bundesministerin, Sie haben im Ausschuss dann mit Angebot und Nachfrage argumentiert. Die Begrün­dung war etwas kurios, insbesondere von einer grünen Ministerin, weil Sie dann sozusagen mit dem freien Spiel des Marktes argumentiert haben, der das im Sinne der Mieterinnen und Mieter regelt, wobei Ihre Argumentation aber da öko­nomisch nicht wirklich Sinn ergeben hat. Natürlich wird das dazu führen, dass die Mieten am freien Mietmarkt steigen werden.

Der zweite Punkt, den wir kritisch sehen, ist die Evaluierung dieser Novelle, die Sie mit 2027 angesetzt haben, wenn Sie und auch diese Bundesregierung aller Wahrscheinlichkeit oder aller Hoffnung nach (Abg. Wurm: Hoffnung! Hoff­nung ist das richtige Wort!) nicht mehr im Amt sein werden, also ein doch recht langer Zeitraum. Eine Evaluierung wäre früher notwendig, um auch zu se­hen, ob die Entwicklungen ähnlich sind wie in Deutschland, also ob der Markt intransparenter wird, und vor allem, ob die Mieten dadurch steigen.

Ganz grundsätzlich ist zu sagen, dass es, wie so oft, hier eine Ablenkungsdebatte ist, eine Ablenkungsnovelle, denn am Ende des Tages ist doch wünschens­wert, gerade in Zeiten der Teuerung, dass den Menschen am Ende des Monats mehr Geld übrig bleibt. Erstens: Leistung muss sich wieder lohnen. Zwei­tens: Menschen, die Vollzeit arbeiten, muss mehr übrig bleiben – die Vorschläge dazu haben wir heute schon unterbreitet. Drittens müssen Steuern und Ab­gaben endlich runter, auch vor dem Hintergrund steigender Mieten, denn wenn Menschen am Ende des Monats mehr übrig haben, dann federt das auch höhere Kosten im Bereich der Mieten ab.

Deswegen wäre unser Wunsch, dass Sie weniger mit der Gießkanne arbeiten, sich weniger auf Nebenschauplätzen aufhalten, sondern sich dem widmen, dem man sich eigentlich widmen müsste, nämlich den großen Brocken und nicht dem Klein-Klein. (Beifall bei den NEOS.)

14.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 222

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich nun Frau Bundes­ministerin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


14.29.34

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich wirklich sehr, dass wir endlich – endlich! – das Besteller:innen­prinzip hier und heute debattieren und hoffentlich dann auch beschließen werden.

Worum geht es beim Besteller:innenprinzip? – Sie alle haben es schon erwähnt: Es geht letzten Endes darum, dass Immobilienmakler und Immobilienmaklerinnen von denjenigen zu bezahlen sind, die deren Leistung auch in Anspruch neh­men, und das ist in der Regel der Vermieter oder die Vermieterin.

Wie Sie alle wissen, ist die übliche, gelebte Praxis so, dass diejenigen, die eine Wohnung suchen, oft zur Zahlung der Provision verpflichtet werden, ob­wohl sie stundenlang damit verbracht haben, eine Wohnung zu suchen, In­serate durchzusehen, sich Termine auszumachen – und trotzdem müs­sen sie dann für eine Leistung zahlen, die sie selbst erbracht haben. Sie müssen dem Makler, der Maklerin die Provision des Maklers oder der Maklerin zahlen, obwohl sie diese Leistung, die ein Makler oder eine Maklerin zu erbrin­gen hat, selbst erbracht haben. Mit dieser Umsetzung des Besteller:innen­prinzips räumen wir endlich mit dieser jahrzehntelangen Ungerechtigkeit auf. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP)

Endlich – endlich! – gilt auch bei den Mieten das, was überall sonst im Dienst­leistungssektor gilt: Wenn man eine Leistung bestellt, dann bezahlt man sie und wälzt das nicht auf jemand anderen ab, in diesem Fall den Mieter. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich: Wir verbieten es nicht, wenn Mieterinnen und Mieter oder Woh­nungssuchende der Meinung sind, sie brauchen einen Makler, weil sie diese Zeit nicht selbst investieren wollen, dann sollen sie einen Makler bestellen und


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diesen auch bezahlen. Das ist nach wie vor möglich. Was uns diese Reform aber zeigt und warum diese Reform so wichtig ist, veranschaulicht ein Blick auf den österreichischen Wohnungsmarkt: Jeder dritte Mieter, jede dritte Mieterin hat einen befristeten Mietvertrag und erhält dann keine Verlängerung. Das heißt, die Mieterinnen und Mieter sind gezwungen, einen teuren Woh­nungswechsel in Kauf zu nehmen, und das bedeutet für viele, viele junge Men­schen, für Menschen mit geringem Einkommen, auch für Familien mit ge­ringem Einkommen, dass das einfach sehr teuer wird; das kann bis zu einige Tausend Euro kosten, denn es müssen die Umzugskosten, die Woh­nungsausstattung und so weiter bezahlt werden und zusätzlich auch die Makler:innenprovision, die bis zu zwei Bruttomonatsmieten betragen kann, und das ist viel. Viele können sich das schlicht und ergreifend nicht leisten, aber sie brauchen eine Wohnung. Sie müssen eine Wohnung haben und müssen das teuer bezahlen. Damit machen wir endlich Schluss und sorgen für Gerech­tigkeit in diesem Bereich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist heute schon viel diskutiert worden und ich möchte das auch noch einmal erwähnen: Wir haben in diesem Gesetz einen umfassenden Umgehungs­schutz vorgesehen. Ich möchte kurz erklären, wie dieser ausschaut, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir eine bessere Regelung als jene in Deutsch­land gefunden haben, weil wir auch aus den Fehlern in Deutschland ge­lernt haben.

Unser Umgehungsschutz sieht folgende Maßnahmen vor: Wenn der Vermieter und die Maklerin bewusst keinen Vertrag abschließen, damit der Mieter oder die Wohnungssuchende provisionspflichtig ist, dann ist das eine Umgehung und somit wird der Vermieter provisionspflichtig. Zweiter Umgehungs­schutz: Wenn zwischen Maklerin und Vermieterin ein wirtschaftliches Nahever­hältnis besteht, dann wird der Mieter auch nicht provisionspflichtig, sondern die Vermieterin. Und wenn der Makler eine zu vermietende Wohnung mit Ein­verständnis des Vermieters inseriert oder in einem Interessentenkreis be­wirbt, da wird auch der Vermieter provisionspflichtig.


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Ja, viele glauben, dass das jetzt nicht ausreichend ist, aber ich kann Ihnen versichern, das ist ausreichend, weil wir diese Auffangklauseln haben. Das Ge­setz lebt von Auffangklauseln, damit nicht mehr irgendwelche Scheinver­träge vorkommen können. Das ist genau der Grund, warum ich auch der festen Überzeugung bin, dass wir eine sehr, sehr gute Regelung haben, einen sehr guten Umgehungsschutz. Das wird sich in den nächsten Jahren weisen, weil wir auch eine Evaluierung vorgesehen haben, nämlich 2027, damit man wirk­lich sieht, wie sich das auf den Markt ausgewirkt hat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und ja, wir haben auch die Maklerinnen und Makler verpflichtet, das Geschäftsverhältnis und auch den Vertragsabschluss transparent zu verschrift­lichen und auch zu dokumentieren. Warum ist das wichtig? – Das ist des­wegen wichtig, weil es hier um die Beweise geht. Es ist heute schon gefallen, dass wir keine Beweislastumkehr haben. Wir brauchen diese Beweislast­umkehr nicht, weil wir das nach ganz normalen verfahrensrechtlichen Regelun­gen machen. Wenn der Makler behauptet, dass der Mieter provisionspflich­tig ist, dann muss der Makler das beweisen, dann muss er die Dokumente vorle­gen, und er ist verpflichtet, das auch zu dokumentieren und zu verschriftli­chen. Daher bin ich der Meinung, dass unsere verfahrensrechtlichen Regelungen da ausreichen. Wenn nichts dokumentiert wird, wenn nichts verschriftlicht wird, dann gibt es natürlich auch hohe Verwaltungsstrafen.

Ein Argument ist heute auch noch gefallen: Das bringe ja nichts, weil die Mieten dadurch höher werden, weil die Provision von den Vermietern auf die Mieten aufgeschlagen werde. – Ich kann Ihnen sagen, ich habe mich mit der deutschen Justizministerin dazu ausgetauscht. Die Deutschen haben eine umfassende Evaluierung vorgenommen und haben festgestellt, dass sich die Einführung des Bestellerprinzips nicht auf die Höhe der Mieten ausgewirkt hat. Insofern habe ich ein gutes Gewissen dabei, zu sagen, dass das bei uns in Österreich auch nicht der Fall sein wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich bin der festen Überzeugung, dass das eine große Entlastung für viele Wohnungssuchende in Österreich ist und dass wir damit mit einer jahrzehntelangen Ungerechtigkeit endlich Schluss machen. Ich freue mich wirklich, dass wir als Bundesregierung diese jahrzehntelange Forderung endlich im Sinne der Mieterinnen und Mieter umgesetzt haben, und hoffe sehr auf eine breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich begrüße Frau Staatssekretärin Mag. Susanne Kraus-Winkler sehr herzlich im Haus.

Es gelangt nun Frau Mag. Nina Tomaselli zu Wort. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.


14.37.06

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Herr Präsident! Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, heute ist ein wunderbarer Tag, ein wunderbarer Tag vor allem für die Mieterinnen und Mieter. Ich freue mich sehr über diese wohnpolitische Errungenschaft, dass wir die Abschaffung der unfairen Maklergebühren heute über die Ziellinie bringen und heute in diesem Haus beschließen. (Beifall bei den Grünen.)

Worüber ich mich weniger freue – ich glaube, so gut kennen Sie mich alle, ich bin sehr, sehr offen für Kritik, aber ich bin vor allem offen für sachliche
Kritik –: Das, was Sie machen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, halte ich für eine unzulässige Verunsicherung der Mieterinnen und Mieter. Wenn ich mir das so anhöre, dass Sie sagen: Nein, Mieterinnen und Mieter müssen zukünftig, wenn es um einen Makler­vertrag geht, das Gericht aufsuchen!, dann muss ich sagen, das ist einfach die absolute Unwahrheit. (Beifall bei den Grünen.)

Ehrlich gesagt verstehe ich Sie überhaupt nicht, weil Sie sich eigentlich traditionell selber Mieterschutzpartei schimpfen, Sie sind aber nicht dabei, wenn


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es darum geht, dass man die Mieterinnen und Mieter, die sonst potenziell zwei Bruttomonatsmieten plus Umsatzsteuer zahlen würden, tatsächlich entlas­tet – das, was Sie bitte jahrelang nicht hinbekommen haben. (Beifall bei den Grünen.)

Sie operieren da mit Schlagworten, sagen, Sie wollen ein echtes Bestellerprinzip, und sind dabei aber alle Antworten einfach schuldig geblieben. (Abg. Matz­netter: Beweislastumkehr, Frau Kollegin!) Am besten sieht man das an Ihrem eige­nen Maklergesetz, das Sie eingebracht haben. Das ist ja auch schon Teil der parlamentarischen Debatte gewesen. Das (einen querformatigen Ausdruck in die Höhe haltend) ist das ganze Absätzlein. Das ist die Mühe, die Sie sich für die Mieterschutzinteressen gegeben haben (Zwischenruf des Abg. Kollross) – kurzer Absatz, keinerlei Überlegungen zu Umgehungskonstruktionen, keinerlei Schutzschirm für die Mieter, einfach nur ein hingefetzter Absatz (Abg. Matznetter: Das ist schäbig!) – und das soll bitte ein echtes Bestellerprin­zip sein? – Nein, wirklich nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Da sieht man, was für ein schlechtes Schauspiel das eigentlich ist. Ich glaube, Sie tun sich damit keinen Gefallen. Es gibt eine Partei in diesem Haus, die seit über 30 Jahren Populismus macht. Deshalb werden Sie die Wählerinnen und Wähler von dort wirklich nicht zurückgewinnen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm: Wen meinst du jetzt da, Nina?)

Ich kann Ihnen noch einmal versichern, liebe Wohnungssuchende in Österreich: Beim klassischen Fall – Sie sehen ein Inserat online, in der Zeitung, vielleicht auch als Aushang, Sie melden sich dort, besichtigen diese Wohnung – müssen Sie dann selbstverständlich keine Maklergebühr zahlen. Wir haben in der Überlegung, dass es vielleicht Umgehungskonstruktionen gibt, sogar im Gesetz geregelt, dass der Mieter, selbst wenn er einen Erstauftrag gibt, trotzdem nicht  provisionspflichtig wird. Wenn nämlich eben genau die Wohnung schon einmal inseriert worden ist, dann gehen wir, der Gesetzgeber, davon aus, dass der Vermieter den Auftrag gegeben hat. Das Gleiche trifft übrigens auch zu, wenn es irgendwelche unternehmerischen Verbandelungen zwischen Makler,


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Hausverwaltung oder Vermieter beziehungsweise Eigentümer gibt, und das trifft auch zu, wenn man davon ausgehen kann, dass es da irgendwelche Abspra­chen gegeben hat, nur damit Mieterinnen und Mieter dann doch provi­sionspflichtig sind.

Liebe Wohnungssuchende, ich verstehe wirklich Ihr Ärgernis, das Sie bisher hatten, indem Sie einfach stundenlang Inserate durchforstet haben, zu vielen Besichtigungen gegangen sind, Besichtigungen gemacht haben, bei denen ein Makler, eine Maklerin nur die Tür aufgemacht hat und Sie dann trotzdem 2 000 Euro oder noch mehr an Kosten haben tragen müssen. Dieses Ärgernis ist tatsächlich vorbei, denn in Zukunft gilt auch bei den Maklergebühren: Wer anschafft, muss auch zahlen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Mag. Ruth Becher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeord­nete. (Abg. Krainer: Was ist jetzt mit der Mietpreisbremse?!)


14.41.39

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Die Frau Ministerin hat in ihren Aus­führungen gesagt, wir beschließen heute das Bestellerprinzip.

Es ist aber tatsächlich das Erstauftraggeberprinzip, das wir beschließen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.41


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.42.00

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst darf ich im Auftrag meines Kollegen Christoph Zarits die Mitglieder des Seniorenbundes Eisenstadt recht herz­lich bei uns im Hohen Haus willkommen heißen – schön, dass Sie hier


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sind! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und Grünen. – Abg. Krainer: Ist das eine Parteiorganisation? Ist das jetzt eine Parteiorganisation oder eine gemeinnützige?)

Vom Seniorenbund jetzt zu den etwas jüngeren Menschen in unserem Lande: Für junge Menschen ist der Schritt in die eigenen vier Wände meistens ein ganz besonderer, ein ganz besonders aufregender, aber in aller Regel auch ein beson­ders teurer: Kaution, Ablöse, Geschirrspüler, Trockner, Staubsauger und so weiter, und bis dato auch noch die Maklerprovision. Das ist eine ganz schöne Stange Geld, für die junge Leute in der Regel lange sparen müssen.

Und heute? – Heute führen wir das Bestellerprinzip ein. Mit dem Bestellerprinzip ändert sich einiges ganz grundlegend, denn ab Juli zahlen zukünftig diejeni­gen die Maklerprovision, die die Maklerinnen und Makler bestellen, und das sind in aller Regel die Vermieterinnen und Vermieter.

Im letzten Studienjahr gab es in Österreich circa 388 000 Studierende, davon 75 000 Erstsemestrige, und die Hälfte der Studierenden wohnt in eigenen Haushalten. Jeder vierte Studierende wohnt in einer WG, nur 10, 11 Prozent wohnen in Studierendenheimen. Also es wird auch für etwa 190 000 Stu­dierende wirklich günstiger.

Denken wir auch an die Lehrlinge! Etwa 8 000 Lehrlinge verlassen jährlich ihr Heimatbundesland für die Berufsausbildung. Auch für sie, die vielen Lehr­linge, wird es jetzt günstiger, wenn wir das provisionsfreie Wohnen als Standard in Österreich implementieren. Darum freue ich mich sehr, dass wir diesen Schritt gegangen sind, dass wir einen weiteren Punkt aus dem Regierungspro­gramm abhaken können und dass sich unsere Frau Bundesministerin und insbesondere auch unsere Frau Staatssekretärin Plakolm sehr stark dafür eingesetzt haben.

Abschließend möchte ich noch eines festhalten, was heute ganz besonders zutage getreten ist. Liebe Zuseherinnen und Zuseher, ich möchte Ihnen das noch


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einmal kurz erklären: Heute Vormittag und auch jetzt sind immer wieder Kolleginnen und Kollegen der SPÖ ans Rednerpult getreten, die lauthals leistba­res Wohnen fordern. Jetzt, am frühen Nachmittag, haben wir einen Punkt auf der Tagesordnung, mit dem wir Mieterinnen und Mieter wirklich entlasten, im Schnitt um 55 Millionen Euro pro Jahr. (Abg. Matznetter: Wo ist der Miet­preisdeckel?!) Das beschließen wir von der ÖVP, von den Grünen, die FPÖ und die NEOS sind dabei, nur die SPÖ ist dagegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Haubner: ... in sich gehen!)

Also die Doppelzüngigkeit und die Unglaubwürdigkeit der SPÖ sind wirklich nicht mehr zu überbieten.

Heute in der Früh ist auch Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hier heraußen gestanden und hat uns vom Rednerpult aus ausgerichtet, wir sollen den Menschen das Leben doch nicht noch schwerer machen, als es ist. Ich sage Ihnen: Machen Sie, liebe SPÖ, sich das Leben nicht schwerer, als es ist, und stimmen Sie heute der Entlastung der Mieterinnen und Mieter doch einfach zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Aber sicher nicht! – Abg. Matznetter: ... Mieterinnen und Mieter mit dem Zynismus der Frau Kollegin Jachs ...!)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Ulrike Fischer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.45.52

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Immer dann im Gemeinderat, wenn wir als ÖVP und Grüne etwas besonders Gutes beschließen (Ruf bei der SPÖ: Sehr oft ist das nicht!), spuckt uns verbal die SPÖ in die Suppe und sagt: Das ist nichts Gescheites, das hätten wir viel besser gemacht (Abg. Krainer: Im Gemeinderat?!), früher, als wir noch Bürgermeister waren, das können wir besser. (Abg. Lindner: Absolut richtig!)


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Für das, was wir heute beschließen, möchte ich herzlich Danke sagen an die Verhandler:innen der Grünen (Abg. Krainer: Wir sind hier aber nicht im Ge­meinderat, ich sag’s nur!), der ÖVP und natürlich an unsere Justizministerin. Es wird keinen so teuren Wohnungswechsel für Mieterinnen und Mieter mehr geben. Heute machen wir gescheiten Konsumentenschutz für uns alle. Wenn junge Menschen sich eine Wohnung leisten möchten, dann suchen sie sich eine Wohnung, für die sie keine Provision zahlen, für die sie keine Ablöse zahlen, und das wird in Zukunft besser möglich sein. Das heißt, wir machen den Wohnungsmarkt besser und schneller. (Beifall bei den Grünen.)

Weil hier wieder irgendwelche Dinge vermischt werden: Wir entlasten die Mieter:innen, indem sie eben nicht bis zu zwei Monatsmieten Provision bezahlen müssen. Eine langjährige Ungerechtigkeit wird heute hier beseitigt. Das schaf­fen wir, das schaffen wir gemeinsam. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ob wir jetzt sagen, es ist der Ersteinschreiter, ob wir es das Bestellerprinzip nennen, ist doch letztendlich egal – eine Leistung soll einmal bezahlt werden. Wenn der Unternehmer, der Vermieter, bezahlt, dann soll der Konsument, der Mieter, nicht mehr zahlen. Das ist richtig und gescheit so. Die teure Wohnungssuche schaffen wir somit ab, und die SPÖ kann zustimmen, wenn sie verstanden hat, dass es sogar besser wird als in Deutschland. Was wir heute hier machen, ist das beste Maklergesetz, das es in Europa gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Dr. Harald Troch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.48.23

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Wohnen ist im Nationalrat ein Thema, das ist auch gut so, denn Wohnen ist ja nicht nur ein Thema des Parlaments, für die SPÖ ist Wohnen ein Menschenrecht. (Beifall bei der SPÖ.)


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In diesem Sinn kann ich auch das neue Volksbegehren Recht auf Wohnen be­grüßen, das wir in den nächsten Monaten hier im Hohen Haus behandeln werden. Danke auch an alle Engagierten des Volksbegehrens, denn die ÖVP muss man zwingen, das Thema Wohnen hier zu behandeln. Die ÖVP muss man vor allem zwingen, das Thema leistbares Wohnen und den Mieterschutz hier zu thematisieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute geht es aber um das Maklergesetz. Bisher war es so: Die Maklergebühren haben im Wesentlichen die Mieter, die Wohnungssuchenden, getragen. Die Makler sind ja meist von den Vermietern oder Hausbesitzern bestellt wor­den, aber fast immer von den Mietern und Mieterinnen bezahlt worden. Das ist eigentlich ungewöhnlich. Es war die einzige Branche, wo bisher nicht das Bestellerprinzip zur Anwendung gekommen ist, und das ist nicht nur unge­wöhnlich, es ist auch unfair gewesen. Gut, die SPÖ hat das Bestellerprinzip ja seit Jahren, seit vielen Jahren gefordert. (Abg. Tomaselli: Und nicht umgesetzt!)

Unsere Bautensprecherin Ruth Becher hat aus gutem Grund immer wieder darauf hingewiesen, denn die Mieter haben ja bis zu zwei Bruttomonatsmieten als Maklergebühr abgelegt. Die Regierung nimmt jetzt überfällige Änderun­gen vor, aber Sie erlauben schon, dass sich die Oppositionspartei SPÖ sehr kri­tisch, nämlich genau und auch mit den Details dieses Gesetzes auseinander­setzt. 

Eigentlich war es eine schwere Geburt. Im März 2022 ist schon eine Einigung – auch von Ihnen, Frau Bundesministerin – mit Vertreter:innen der ÖVP be­kannt gegeben worden. Das Gesetz ging in Begutachtung und dann war Funk­stille. Funkstille! Die ÖVP lief Sturm, heißt es von der grünen Fraktion intern, die ÖVP lief Sturm gegen das Bestellerprinzip. Das Gesetz wäre zu mieterfreund­lich gewesen. (Zwischenruf der Abg. Disoski.) Jetzt tritt das Gesetz erst am 1. Juli mit einer 15-monatigen Verzögerung in Kraft.

Die Krux bei dem Gesetz ist, es gibt zu viele Umwege und Umgehungsmöglich­keiten, zu viele Hintertürln. In der Presseaussendung sprechen ÖVP und


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Grüne davon, dass es jährlich um 55 Millionen Euro Entlastung für die Mieter geht. Es geht also um viel, viel Geld. Daher ist es völlig klar, dass der Gesetzgeber sich genau überlegen muss, dass es keine Hintertürln gibt. 55 Millionen Euro sind schon eine große Herausforderung.

Das heißt, kommt es zu Absprachen bei der Wohnungsvermittlung, zum Beispiel zwischen Makler und Vermieter, liegt die Beweislast beim Mieter. Für die SPÖ ist aber der Mieter das schwächste Glied am Wohnungsmarkt, während die Vermieter oder auch die Makler natürlich Profis sind und auch Profis sein müssen. Viele Mieter kennen sich aber im Mietrecht oder in den diversen Geset­zen zum Wohnrecht nicht so aus. Daher muss eben oft ein Gegengewicht existieren, die Mietervereinigung, die SPÖ oder der Konsumentenschutz. Dabei wäre es eigentlich so einfach gewesen, Frau Ministerin: einfach die deutsche Regelung übernehmen. Nein, stattdessen – das muss man ja sagen – können ÖVP und Grüne durchaus kreativ sein - -


Präsident Ing. Norbert Hofer: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter!

Frau Klubvorsitzende (in Richtung der mit Bundesministerin Zadić sprechenden Abg. Maurer), wir haben uns darauf geeinigt, dass wir vor allem dann, wenn die Fachministerin betroffen ist, zwar kurze, aber keine längeren Gespräche führen, wenn das irgendwie möglich wäre. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Strasser: Jetzt habt ihr was zum Klatschen!)


Abgeordneter Dr. Harald Troch (fortsetzend): Ich war gerade dabei: Der ÖVP und den Grünen kann man ein gewisses Maß an Kreativität nicht absprechen. Statt dem Bestellerprinzip wird der völlig neue Begriff Erstauftrags­prinzip konstruiert und in dieses Gesetz eingebaut. Das heißt, es gibt einen Erstaufträger, einen Zweitaufträger, vielleicht einen Drittaufträger. Wenn Gerichte eine Entscheidung über das Unrecht von Vermittlungsgebühren treffen, dann wird es schwierig und die Beweislast liegt beim zukünftigen Mieter. So kann es nicht gehen. Das heißt, den österreichischen Gerichten wird da etwas umgehängt, was in den Verfahren schwierig zu klären sein wird.


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Einfach das deutsche Gesetz abschreiben – so einfach wäre es gewesen –, aber das schaffen ÖVP und Grüne nicht oder sie wollen es nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Maurer: Warum hat es die Sozialdemokratie nie gemacht, unter einem roten Bundeskanzler? – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Für die SPÖ ist Wohnen ein Menschenrecht, und dabei bleiben wir. Daher sagen wir zu diesem Pfusch auf Kosten der Mieter ein klares Nein. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Disoski. – Abg. Maurer: Tolle Rede, Herr Kollege!)

14.53


14.53.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? –Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1900 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend die Einfügung einer neuen Ziffer 1 und entsprechende Umnummerierung der nachfolgenden Ziffern eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein zustim­mendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (Abg. Wöginger: Ich hätte geglaubt, die Blauen stimmen mit! – Abg. Kassegger: Wart einmal!)


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht ab­gestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zei­chen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Abg. Maurer: Die SPÖ stimmt nicht mit! – Abg. Leichtfried: Wenn die NEOS mit euch stimmen, wäre ich vorsichtig! – Abg. Wöginger: Wie in Wien! In Wien haben sie Rot-Rot!)

14.55.305. Punkt

Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den Antrag 3095/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekostenabrech­nungsgesetz geändert wird (1953 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Mag.a Nina Tomaselli. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.55.52

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Jetzt müssen wir uns schon beeilen, damit wir mit dem ersten Redebeitrag vor dem Aufruf des Dringlichen An­trages durchkommen, aber man kann es ja relativ kurz machen. (Unruhe im Saal.)


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Das vorliegende Gesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, nennen wir poli­tisch gerne Heiz-KG.

Herr Vorsitzender, ein bissel ruhiger darf es aber schon sein, oder?


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sie haben recht, Frau Abgeordnete. Vielleicht können wir den Geräuschpegel ein bisschen senken.

Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (fortsetzend): Wir nennen es in der Kurzfassung immer Heiz-KG. Das klingt alles sehr, sehr spärlich, ist aber, liebe Konsumentinnen und Konsumenten, eine Errungenschaft für Sie, denn im Grunde genommen geht es darum, welche Kosten im Wärmebereich, im Käl­tebereich Sie tragen, und vor allem, wie sie abgerechnet werden, und drittens – ganz, ganz wichtig –, wie Transparenz über diese Abrechnungskosten geschaffen wird.

Dass das in Österreich immanent wichtig ist, liegt unter anderem daran, dass es mehrere Ablesefirmen gibt, die in der Vergangenheit ihre Marktmacht ausgenutzt haben. Die Bundeswettbewerbsbehörde ist dahin gehend auch schon tätig geworden, hat schon Millionenstrafen ausgesprochen. Ich kann jedem nur empfehlen, diese Entscheidung des Kartellgerichtes auch zu lesen, sie liest sich nämlich tatsächlich wie ein Krimi. Ich gehe aber davon aus, dass es die wenigsten von Ihnen getan haben, deshalb fasse ich noch ganz kurz zusammen, was darin vorkommt.

Darin wird zum Beispiel kollusives Verhalten beschrieben. Ein Zitat: „Im Zeitraum von Juli 2004 bis Februar 2019 kam es zwischen der Antragsgegnerin und Mitbewerberinnen zu horizontalen Preis- und Konditionenabsprachen, zum Aus­tausch wettbewerblich sensibler Informationen sowie zur wechselseitigen Abgabe von Deckangeboten [...]“


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Es wird weiters zu den Preisabsprachen Folgendes beschrieben: „So einigte sich ista mit Mitbewerbern über einheitliche Preiserhöhungen für die Kunden­diensttarife im Rahmen der Jahresvereinbarungen mit Kunden, stimmte die Prei­se für Montagen, für den Austausch von Boilern, für Entsorgungskosten von Messampullen, für die Entsorgung von Litium-Ionen-Batterien und für Nachter­mine ab.“ – Also alles, was man Ihnen, liebe Wohnungsnutzerinnen
und -nutzern, in Rechnung stellt.

Und drittens, damit das Ganze mit den Absprachen irgendwie einfacher vonstattengeht, hat man 2012 sogar einen Branchenverband gegründet. Damit ja niemand anderer mitreden kann – auch das schreibt das Kartellgericht –, hat man andere Mitbewerber einfach nicht mitmachen lassen.

Dagegen, sehr geehrte Damen und Herren, hilft nur radikale Transparenz. Deshalb haben wir bereits letztes Jahr Anpassungen gemacht und machen jetzt weitere Anpassungen im Heizkostenabrechnungsgesetz. (Beifall bei den Grü­nen. – Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Diese Anpassungen sind im Sinne des Konsumentenschutzes und bedeuten auch Kostenersparnis. Wir haben letztes Jahr bereits integriert, dass es eine Mög­lichkeit der Selbstablesung gibt. Sie können seit letztem Jahr alle zwei Jahre selbst ablesen. Das sorgt dafür, dass Sie sich Kosten sparen können. Weil es noch nicht ganz gut angenommen wird, haben wir jetzt in dieser Novelle eine weitere Verbesserung integriert: Die Firmen müssen ab sofort ganz transpa­rent ausweisen, wie hoch die Kosten sind. Sie werden sehen, die Kosten für die Ablesung an sich sind sehr, sehr hoch. Wenn Sie selbst ablesen, können Sie sich das alles sparen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

14.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist ein paar Sekunden vor 15 Uhr, und ich darf die Verhandlungen zu Tagesordnungspunkt 5 damit unterbrechen. – Jetzt ist es genau 15 Uhr. (Abg. Stögmüller: Ihre Kamera ist an!)


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15.00.01Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur ORF-Steuer!“ (3170/A(E))


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Behandlung des Dringlichen Antrages.

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

„Die hunderttausenden Unterstützer mehrerer Volksbegehren zur Abschaffung der ORF-Gebühren sowie der seit Jahren voranschreitende Zuseherschwund haben bereits klar verdeutlicht, dass das Finanzierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Disposition steht.

Derzeit erhält der ORF von den verbliebenen Gebührenzahlern monatlich 18,59 Euro aus Radio- und Fernseh-Entgelt. Das sind etwa zwei Drittel der Gesamtgebühren, die GIS-pflichtige Haushalte entrichten müssen. Insgesamt nimmt der ORF so im Jahr 2023 rund 676 Millionen Euro bei einem Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro ein. Dieser umfasst außerdem Werbeeinnahmen in Höhe von mehr als 217 Millionen Euro sowie sonstige Umsatzerlöse in Höhe von rund 130 Millionen Euro. Zu den GIS-Gebühren kommen noch Gebühren und Abgaben an Bund und Länder. Die Gesamtbelastung schwankt je nach Bundesland zwischen 22,45 und 28,65 Euro pro Monat.


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Es war der ORF selbst, der mittels Antrags beim Verfassungsgerichtshof erreichen wollte, dass auch jene Haushalte, die bisher nicht gebührenpflichtig waren, für den ORF bezahlen sollten. Der Verfassungsgerichtshof hielt in seiner diesbezüglichen Entscheidung fest, dass die gegenwärtige Finanzierung des ORF verfassungs­widrig sei, da durch diese eine funktionsadäquate Stellung als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht gewährleistet werde.

Dem öffentlich-rechtlichen Kernauftrag wurde der ORF jedoch schon seit Jahren nicht mehr in dem Ausmaß gerecht, wie es das Gesetz vorsieht, was von den Gebührenzahlern zu Recht bemängelt wird. Statt die Versorgung der Bevölkerung mit einem adäquaten Programm zu gewährleisten, versorgt man sich am Künigl­berg lieber selbst:

•     Manager-Millionen: Generaldirektor Roland Weißmann erhält rund 400.000 Eu­ro Jahresgage. 248.000 Euro beträgt laut Rechnungshof das jährliche Durchschnittsgehalt der 14 ORF-Direktoren. Die GIS hat zwei Geschäftsführer, die 2020 im Schnitt 223.700 Euro bekamen. 272.250 Euro verdienen die beiden Geschäftsführer der ORF-Vermarktungstochter Enterprise im Schnitt.


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•     Gehaltskaiser: Pro ORF-Vollzeitjob betrug das Gehalt inklusive Sozial- und Sachleistungen im Jahr 2020 85.900 Euro brutto. Im Vergleich dazu mussten sich ganzjährig vollzeitbeschäftigte Arbeiter, Angestellte, Vertragsbediens­tete und Beamte mit einem durchschnittlichen mittleren Bruttojahreseinkommen von 44.395 Euro begnügen. Allein im ORF, also ohne Tochterunternehmen, gab es 3.101,7 Vollbeschäftigtenäquivalente.

•     Luxuspensionen: Gemäß der Konzernbilanz 2021 musste der Staatsfunk alleine für Ruhebezüge 118,6 Millionen Euro an Rückstellungen bilden.

•     Urlaubsmillionen: Für nicht konsumierte Urlaube wurden Rückstellungen in der Höhe von 23,3 Millionen Euro gebildet.

•     Golden-Handshakes: Für Abfertigungen wurden Rückstellungen in der Höhe von 156,6 Millionen Euro gebildet. 2020 bezahlte der ORF (brutto) an 96 Dienst­nehmerinnen und Dienstnehmer jeweils 143.800 Euro Abfertigung aus.

•     Blackbox ORF: Dazu kommen „sonstige Rückstellungen“ in der Höhe von 100,6 Millionen Euro.

Auffällig wird der ORF aber auch in vielerlei anderer Hinsicht:

•     ÖVP-Hofberichterstattung: Der Rückzug von ORF-Niederösterreich-Landesdirektor Robert Ziegler noch vor Veröffentlichung des Untersuchungskommissionsberichts zur ÖVP-Einflussnahme belegt den Missbrauch des ORF als Propagandasender.

•     Türkisfunk: Das Vorgehen erinnert an die Übertragung des Parteitags der Jungen ÖVP samt Parteiwerbespot und Moderation im Jahr 2021, die mit der aktuel­len Diskussion rund um eine mögliche Anklage gegen den damaligen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz gerechtfertigt wurde. Das Interesse der ORF-Gebühren­zahler war mit nur 57 Aufrufen überschaubar.

•     Grünfunk: Vom Berater des Bundespräsidenten mit einem Salär von 77.500 Euro brutto pro Jahr sowie Auftragnehmer aus dem Ministerium „seiner“ grünen


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Parteigenossin Gewessler mit Volumina von 900.000 Euro in den Jahren 2020 und 2021 sowie 400.000 Euro rund um das Sinnlos-Projekt „Klimarat“ ist die Karriere Lothar Lockls zum Stiftungsratsvorsitzenden des ORF auf „Sideletter-Basis“ sinnbildlich für den Zustand des ORF.

•     Partei-Bussibussi: Da es keine Unvereinbarkeit zwischen parteipolitischer Akti­vität und ORF-Tätigkeit gibt, moderiert Vera Russwurm den Wahlkampf­auftakt der ÖVP Niederösterreich, „ORF NÖ-Gärtner“ Johannes Käfer war gleich direkt im Unterstützungskomitee für ÖVP-Landeshauptfrau Mikl-Leitner.

•     Unobjektiv: Die Medienbehörde KommAustria hat in einer Entscheidung festgehalten, dass der ORF gegen das Objektivitätsgebot verstoßen hat, indem er die Bezeichnung „blaue Regierungsbande“ verwendet hat.

•     Demokratievergessen: Statt Sondersitzungen des Parlaments im Hauptsender zu übertragen, verschiebt der ORF diese Berichterstattung just zu den dring­lichen Tagesordnungspunkten der Opposition ins mediale Nimmerland ORF III.

•     Genderwahn: „Zuseher:Innen“, „Politiker:Innen“, „Soldat:Innen“: Bei diesen Wörtern halten ORF-Moderatoren vor dem Binnen-I in politisch kor­rekter Andacht seit zwei Jahren kurz inne. 66 Prozent – also zwei Drittel der Österreicher – lehnen die sogenannte gendergerechte Sprache ab. Nur 20 Prozent der Österreicher verwenden sie selbst.

•     Impfzwang: Noch vor dem Beschluss des Impfzwang-Gesetzes drohte der ORF-Chef von ÖVP-Gnaden Roland Weißmann Anfang Februar 2022 unge­impften Mitarbeitern mit Gehaltsstreichung und Jobverlust, wenn sie keine Bescheinigung eines Amtsarztes über medizinische Gründe vorwei­sen konnten, warum die Impfung bei ihnen nicht durchgeführt werden kann.

•     Impflobbyismus: Im Stil einer Pressekonferenz der Bundesregierung sprachen im Dezember 2021 eine Moderatorin und mehrere sogenannte Experten live vom ORF übertragen über die Vorzüge einer Covid-19-Impfung von Kindern ab


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fünf Jahren. Produziert wurde die Sendung vom Verband der österreichi­schen Impfstoffhersteller, der – unter anderem – von den Covid-Impfstoff-Her­stellern Astra-Zeneca, Johnson&Johnson, Moderna und Pfizer finanziert wird.

•     Vernaderung: „Wir haben Polizisten gesehen, die lachend Fotos mit Coronade­monstranten machen und auch diesen Brief, den es gestern gegeben hat. Was tun sie mit diesen Polizisten, die Sympathien für Verschwörungstheorien, Coronaleugner, etc. haben?“ fragte die ORF-Redakteurin Simone Stribl in diskreditierender Art ÖVP-Innenminister Karner vor laufender Kamera.

•     Corona-Profiteure: Mehrere ORF-Stars haben sich laut der Transparenz­datenbank des Finanzministeriums die Krise vergolden lassen:

o     ORF-Moderator Christoph Grissemann ("Willkommen Österreich") erhielt als "Einzelunternehmer" insgesamt 57.000 Euro verteilt auf drei Jahre. Dirk Stermann erhielt in Summe sogar rund 58.241 Euro.

o     Ö3- und Dancing-Stars-Moderator Andi Knoll kassierte laut Datenbank 19.900 Euro als Einmalzahlung.

o     "Was gibt es Neues"-Dauergast Viktor Gernot hatte während der Pandemie verkündet, von seinem Ersparten leben zu müssen – dabei kassierte er laut Datenbank 248.000 Euro an Corona-Hilfen.

o     "Dancing Stars"-Gewinnern Marika Lichter erhielt in zwei Tranchen satte 76.428 Euro.

o     "Wir sind Kaiser"-Star Robert Palfrader wurde fürstlich entlohnt: Er erhielt für die Jahre 2021 und 2022 rund 111.000 Euro.

o     188.837 Euro erhielt der Kabarettist Michael Niavarani als Einzelunternehmer. Die Niavarani & Hoanzl GmbH bekam in den Jahren 2021 und 2022 sogar über 2 Millionen Euro Coronahilfen.


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Gerade weil Millionen Österreicher einer ungewissen Zukunft in Zeiten von Teuerung, Krieg und Inflation entgegenblicken, darf es beim ORF kein „weiter wie bisher“ geben. Die Zeichen stehen auf Veränderung.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, von den Plänen zur Einführung einer ORF-Steuer oder ORF-Haushaltsabgabe Abstand zu nehmen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antragssteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Abgeordnetem Hafenecker als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten.

Ich darf die Frau Bundesminister recht herzlich begrüßen und dem Herrn Abge­ordneten das Wort erteilen. – Bitte sehr.


15.00.38

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Frau Bundesminister, gleich eingangs eine höfliche Frage an Sie: Wissen Sie, warum Sie heute hier sind? – Ich kann es Ihnen sagen: Sie sind hier, weil Sie seit einigen Monaten – ich möchte jetzt schon fast sagen: seit Jahren – die Neufassung des ORF-Gesetzes mutwillig verschleppen. Sie sprechen mit keiner Partei darüber, wie es mit dem ORF weitergeht, und Sie


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lassen uns nur durch irgendwelche Zwischentöne wissen, was Sie für die Zu­kunft planen, Frau Bundesminister. Das ist genau das Problem, mit dem wir es beim ORF zu tun haben.

Wissen Sie, Sie schlafen auf der einen Seite in der Pendeluhr, bringen beim ORF-Gesetz nichts weiter und machen auf der anderen Seite wieder einmal einen festen grün-schwarzen Griff in die Taschen der österreichischen Steuerzahler, Frau Bundesminister, und das geht so nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

So, wie bei der derzeitigen Regierung sehr vieles mit dem Prädikat unfähig zu versehen ist, ist das auch beim ORF der Fall. Es gibt ein unfähiges Management, das diesen Konzern völlig gegen die Wand fährt, und Ihnen fällt nichts Bes­seres ein, als die Menschen in diesem Land in einer Teuerungsphase zur Kasse zu bitten. Ich würde das als zynisch bezeichnen, Frau Bundesminister. Da sollten Sie vielleicht den Entwurf, den Sie ohnehin noch nicht fertig formuliert haben, wieder mitnehmen und noch einmal gescheit darüber nachdenken, was Sie da besser machen können und wie vor allem eine Grundreform des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks eigentlich auszusehen hätte.

Wir Freiheitliche sagen zu dieser ORF-Steuer – denn nichts anderes ist diese Haushaltsabgabe – deswegen auch ein klares Nein, und wir sind damit nicht allein. Laut einer aktuellen Unique-Research-Umfrage sind 58 Prozent der Bürger gegen diese Haushaltsabgabe. Auch im „Standard“ gibt es eine ähn­liche Umfrage. Dort heißt es, dass sogar 63 Prozent der Bürger in diesem Land gegen Ihre politischen Verirrungen sind, Frau Bundesminister. Das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Interessant ist bei der „Standard“-Umfrage die Aufgliederung der Befürworter dieser Haushaltsabgabe in Anhänger politischer Parteien. Bei allen Partei­en außer den Grünen sind die Anhänger gegen die Haushaltsabgabe, bei den Anhängern der Grünen sind gerade einmal 55 Prozent dafür. Frau Kolle­gin Maurer, wenn Sie dann kurz Zeit haben, zuzuhören: 55 Prozent der Anhän­ger der Grünen fallen – da werden Sie mir vielleicht sogar recht geben,


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wenn Sie kurz Zeit haben – nicht besonders ins Gewicht. Ich würde da eher von einem Zwergenaufstand in Minimundus sprechen. Ich hoffe tatsächlich, dass irgendwann einmal Schluss damit ist, dass der grüne Schwanz mit der gan­zen Republik wedelt. Ich glaube, das haben wir uns alle verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe mir aber trotzdem darüber Gedanken gemacht, warum die Anhänger der Grünen zumindest mit einer geringen Mehrheit für die Haushaltsab­gabe sind, und dann ist mir eingefallen: Das hat ja einen Grund: Es sind ja doch ein paar Politikwissenschaftsabbrecher in den Reihen der Grünen, die dann auch irgendwo einen Job brauchen und ihre verqueren Gedankenspiele vielleicht auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kundtun wollen. Ich glaube, das ist der Grund. Also Sie sind dafür, damit Sie Ihre Powi-Abbrecher auch irgendwo unterbringen und damit halt ein bisschen Sozialpolitik machen können oder – ich möchte es eigentlich eher so sagen – damit Sie Ihren Ökomarxismus entspre­chend an Mann und Frau bringen können und vielleicht noch ein bisschen herumgendern können. Das ist doch der Grund, warum Sie das als so wichtig für sich erachten, meine Damen und Herren von den Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt habe ich aber zu lange über die Grünen gesprochen. Man muss das immer auch vor dem Hintergrund des Wahlergebnisses sehen.

Gehen wir wieder zurück zum ORF und schauen wir uns an, wie der ORF eigent­lich momentan verfasst ist! Es gibt momentan GIS-Zwangsgebühreneinnah­men im ORF in der Höhe von 676 Millionen Euro. Das sind die Zwangsgebühren, die Sie den Menschen in diesem Land abnötigen. Dazu kommen noch 217 Millionen Euro an Werbeeinnahmen. Das ergibt mit diversen Nebengeräu­schen ein Gesamtbudget des ORF in der Höhe von circa 1 Milliarde Euro. Ich würde sagen, das ist nicht das, was man als schlampig bezeichnen kann, sondern damit könnte man an sich schon einen vernünftigen Betrieb führen. Das passiert nur nicht.


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Die verbliebenen Gebührenzahler bringen dem ORF pro Mann und Nase oder pro Haushalt, der da mitzahlt, 18,59 Euro. Dazu kommen noch die Landes­abgaben. Das heißt also, man muss für den ORF im Monat zwischen 22,45 Euro und 28,65 Euro berappen.

Genau das, meine sehr geehrten Damen und Herren, war der Grund, warum wir uns immer für ein Aus der GIS-Gebühren ausgesprochen haben. Wir sind damit, wie gesagt, auch nicht allein. Es gab erst kürzlich ein sehr, sehr erfolgrei­ches Volksbegehren, das erfolgreichste in diesem Bereich. 360 000 Men­schen haben die Mühe auf sich genommen, sind auf die Gemeindeämter und Magistrate gegangen und wollten ihre Meinung einmal kundtun. Auch ich habe dieses Volksbegehren unterschätzt, ah, unterstützt – Verzeihung! (Abg. Leichtfried: Das ist aber schon was anderes!) – und möchte mich ganz ausdrücklich bei den Herrschaften bedanken, die das initiiert haben und die sich auch gegen den medialen Gegenwind gestellt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist aber passiert? – Es gibt im ORF so etwas wie kommunizierende Gefäße. Auf der einen Seite sind die Zuschauerzahlen geschwunden, auf der ande­ren Seite sind die GIS-Gebühren erhöht worden. Das ist das, womit man das ORF-Budget in den letzten Jahren immer irgendwie drübergebracht hat. Ich glaube, da sollte man doch einmal ansetzen und schauen: Wo liegt eigentlich das wirkliche Problem im ORF? Warum laufen dort die Leute davon? Warum finden die Menschen, dass das Programm so mies ist? Warum ärgern sich die Leute so über oberlehrerhafte Moderatoren im ORF? Warum ärgern sich die Menschen über Personen im ORF, die eigene politische Agenden verfol­gen? Warum ärgern sich die Menschen in diesem Land – ich glaube, auch darüber sollte man wirklich einmal reden; der Herr Bundeskanzler hat das ir­gendwann in Aussicht gestellt, ich glaube es ihm nur nicht – auch über die Coronaberichterstattung, die in dieser Art und Weise stattgefunden hat und für die sich seitens des ORF bis heute niemand bei der ständig beschimpften Bevölkerung entschuldigt hat? (Beifall bei der FPÖ.)


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Was macht der ORF? – Er lernt nichts aus der eigenen Situation und versucht halt ständig, irgendwelche Finanzlücken zu schließen. Das ist ja mittler­weile schon im Monatstakt passiert. Wenn er das Geld nicht bekommt oder wenn es nicht leicht geht, dann wird der ORF besonders dreist: Dann geht er nämlich selbst zum Verfassungsgerichtshof und weist darauf hin, dass es unter Umständen Menschen gibt, die über Streaminggeräte ORF-Programme empfangen könnten, und dass das gegen den Gleichheitsgrundsatz sei, dass die dafür nichts bezahlen müssen, und baut sich damit gleich selbst die Haus­haltsabgabe, um den eigenen Privilegienstadel wieder von vorne bis hinten durchzufinanzieren. Das ist schon eine Vorgehensweise, bei der man wirklich sagen muss: Also schäbiger geht es eigentlich nicht mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Nichtsdestotrotz: Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist da und be­sagt, es ist ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Es gibt aber auch eine andere Lösung. Die Lösung ist nicht zwangsläufig, Frau Bundesminister, eine Haushaltsabgabe, sondern die Lösung könnte auch sein, die Zwangsgebühren für alle abzuschaffen. Das ist das, was wir Freiheit­liche schon seit Jahren fordern und was auch ein Zugang wäre. Man muss halt einfach den ORF auf andere Beine stellen, was seine Finanzierung betrifft. (Abg. Kucher: Auf welche denn? Was ist der konkrete Vorschlag?) Aber aus dem Erkenntnis zu schließen, dass man jetzt alle Menschen mit einer Haushalts­abgabe beglücken muss, kommt dem gleich, als würde man jedem Grünen sagen, er müsse jetzt grundsätzlich Kfz-Steuer zahlen, obwohl die Grünen be­kanntermaßen ja nur Fahrrad fahren und gar keine Autos haben. (Abg. Kucher: Gibt es auch einen konkreten Vorschlag der FPÖ?)

Also das ist das, was jetzt Seite passiert: Für Ihre grünen Thematiken und Ihre grüne Gesellschaftspolitik, die im ORF immer mehr überhandnimmt, müs­sen jetzt auch Leute bezahlen, die den ORF gar nicht mehr sehen wollen, die sich schon längst bei der GIS abgemeldet haben. Sie sehen also: Auch das ent­spricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz. (Beifall bei der FPÖ.)


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Das Hauptproblem im ORF ist, dass er seit Jahren seinen Kernauftrag nicht erfüllt. Statt der Versorgung der Bürger mit adäquaten Informationen und adäquatem Programm versorgt er sich nur selbst im Privilegienstadel namens Küniglberg. Das ist dort wirklich die Hochburg, die Gralsburg der Privilegienritter.

Ich möchte einmal ein paar Zahlen vorlesen, sodass man einfach sieht, was man sich dort im Hinblick auf Teuerung und so weiter alles gönnt. Es gibt dort die Managermillionen in Hülle und Fülle. 400 000 Euro ist das Jahresgehalt für einen ORF-Generaldirektor. Frau Kollegin Maurer – ich will Sie jetzt eh nicht auf­wecken (Zwischenruf der Abg. Maurer) –, nicht, dass ich das Gehalt des Herrn Bundespräsidenten in irgendeiner Art und Weise rechtfertigen möchte – da ist jeder Euro zu viel (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner) –, aber selbst der Bundespräsident hat nicht so viel wie der ORF-Generaldirektor. Das muss man sich einmal anschauen, das ist hochinteressant.

Es geht aber munter weiter: Der ORF leistet sich auch 14 ORF-Direktoren, von denen jeder mit einem Jahressalär von 248 000 Euro rechnen kann. Das ist sogar mehr – und auch da ist das Gehalt nicht gerechtfertigt, es ist aber trotz­dem mehr –, als unsere Minister, auch Sie, Frau Ministerin Raab, im Jahr bekommen.

Es geht aber noch weiter: Es gibt ja die zwei Obereintreiber, die zwei GIS-Direktoren. Die gönnen sich auch noch im Jahr jeweils 223 000 Euro. Ich habe mir die Mühe gemacht und das durchgerechnet. Wissen Sie, bei wie vielen
GIS-Haushalten man die Gebühren eintreiben muss, nur damit die Gehälter für diese zwei Personen herinnen sind? – Es sind 16 500 Haushalte, die man mit der GIS-Gebühr sekkieren muss, nur um die zwei Geschäftsführer der GIS zu bezahlen. Das entspricht der Bevölkerung einer Stadt, die so groß wie Eisenstadt ist – nur, damit Sie vielleicht einen Maßstab haben.

Das ist der ORF. In diesem Zusammenhang gibt es auch eine Mitschuld der SPÖ, die diesen Privilegienstadel unter Wrabetz mitverursacht hat. Und – weil ich


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jetzt manch böse Blicke aus der SPÖ ernte (Abg. Leichtfried: Aber geh!) – das ist auch der Grund, warum es im ORF ein Durchschnittsgehalt in der Höhe von 85 900 Euro gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozial­demokratie. Das ist nicht – das sollten Sie wissen – der österreichische Durch­schnittslohn, sondern das haben Sie Ihren linken Freunden dort zukom­men lassen. Ich sage Ihnen auch eines: Das ist nicht das, was der Herr oder die Dame verdient, der oder die dort mit der Kabeltrommel durch die Gegend läuft, sondern das sind die Manager, die Sie gemeinsam mit den Grünen und mit den Schwarzen dort installiert haben. Also ich würde mich angesichts der derzeitigen Situation eigentlich dafür schämen und selbst einen Beitrag dazu leisten, diesen Privilegienstadel rückzubauen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe vorhin bereits über den ehemaligen Generaldirektor Wrabetz gesprochen, bei dem ich mich wundere, warum für ihn keine Managerhaftung gilt. Herr Wrabetz war immerhin, glaube ich, 16 Jahre Generaldirektor des Unternehmens. Wissen Sie, auch da kann man eine Milchmädchenrechnung anstellen – Frau Kollegin Maurer, Sie hätten jetzt schreien müssen; na macht nichts –, und zwar: Wenn man diese 400 000 Euro pro Jahr auf 16 Jahre hochrechnet, dann sind es 6,8 Millionen Euro, die Herr Wrabetz bereits aus dem Unternehmen herausgezogen hat. Bei 6,8 Millionen Euro kann man doch davon sprechen, dass er nicht unbedingt vom Verhungern bedroht ist und dass er wahrscheinlich seine Schäfchen im Trockenen hat. Nein, es reicht noch nicht: Herr Wrabetz, Sozialdemokrat – oder zumindest von Ihnen immer wieder forciert worden –, hat jetzt auch noch eine Luxuspension in der Höhe von 8 000 Euro bekommen; da werden sich die Leute im Gemeindebau alle freuen.

Und das ist so bezeichnend für die Sozialdemokratie: Ich finde es ja interessant, dass gerade Sie darüber nachdenken, jetzt Herrn Wrabetz zu Ihrem neuen Parteichef zu machen (Abg. Wurm: Wahnsinn!), denn das würde ja im Grunde der Vranitzky-Doktrin entsprechen (Abg. Wurm: Oh!), denn wir wissen ja, seit 1986 ist der Arbeiter in der SPÖ komplett verräumt, da geht es nur noch um die Nadelstreifsozialisten. So gesehen würde er auch ganz gut ins Bild


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passen. Ich hoffe, Sie finden da bald eine Entscheidung. (Beifall bei der FPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Die Finanzlücke beim ORF ist auch bemerkenswert (Abg. Leichtfried: War das wieder so ein Gschichtl aus Russland?): Man spricht von 340 bis 350 Millio­nen Euro. Wissen Sie, auch da – weil ich gerade wieder irgendwelche Misstöne aus der SPÖ höre – haben Sie sich am Küniglberg ganz tolle Geldspeicher zusammengebastelt, Herr Kollege. (Abg. Leichtfried: Was man in Russland so alles erfährt, ist unglaublich!) Die Geldspeicher können wir gerne miteinander durchgehen, aber da könntest du vielleicht auch einmal aktiv werden, vielleicht gibt es da Personen in der Sozialdemokratie, die wissen, warum gewisse Gelder wo liegen.

Warum gibt es zum Beispiel 118 Millionen Euro an Pensionsrücklagen, Herr Kollege Leichtfried? Für wen sind die denn reserviert? – Das sind nicht die Mitarbeiter in der Technik, sondern das sind Ihre Direktoren, die Sie überall hingesetzt haben. (Abg. Leichtfried: Ich sage ja: Was man alles in Russland erfährt, ist unglaublich! – Ruf bei der FPÖ: 118 Millionen!) Das müssen wir einmal ganz klar sagen.

Kollege Leichtfried, für wen haben Sie in Zusammenarbeit mit den Grünen und mit der ÖVP 118 Millionen Euro an Golden-Handshake-Geld zur Seite gelegt? Für wen haben Sie denn das gemacht: 118 Millionen Euro für Golden Handshakes? – Davon werden sicher auch nicht die Leute in der Technik profitiert haben, sondern andere.

Wissen Sie, eines würde mich ganz besonders interessieren: Da gibt es eine Blackbox – ich will das jetzt gar nicht parteipolitisch meinen, vielleicht war es einmal eine Redbox, dann war es eine Türkisbox, eine Grünbox, und jetzt ist es eben eine Blackbox –, es gibt dort oben ein Budget, es gibt dort einen Geldspeicher, in dem 100,6 Millionen Euro liegen, und die sind ohne kon­krete Verwendung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Leichtfried:


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Hast zu viel Dagobert Duck gelesen, gell?) Wofür sind denn diese 100 Mil­lionen Euro? Warum muss man denn schon wieder dem Bürger in die Tasche greifen und eine Haushaltsabgabe einführen, und auf der anderen Seite werden da oben insgesamt 374 Millionen Euro verwaltet, während es ein Fi­nanzloch von 340 Millionen gibt?

Frau Ministerin, ich habe da jetzt vielleicht mit meinen Rechenaufgaben auch Ihre Arbeit mitgemacht, aber schauen Sie sich einmal an, wo das Geld liegt, anstatt in irgendwelche Taschen zu greifen, in denen Sie nichts verloren haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Womit ist der ORF kürzlich aufgefallen? – Na ja, mit einem extrem miserablen Programm und mit einer Politisierung seines Programms. Da lasse ich jetzt einmal die SPÖ ein bisschen durchschnaufen (Heiterkeit des Abg. Wurm) und wende mich zur ÖVP, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Sie haben den ORF in einer Art und Weise politisiert, wie es sich bis jetzt noch keiner getraut hat. Das war der Gipfel der Schamlosigkeit.

Ich denke allein an den Fall Ziegler, in dem Herr Ziegler schon sozusagen als geheimer Medienlandesrat in Niederösterreich gehandelt worden ist, der bei Frau Mikl-Leitner am Schreibtisch oder am Besprechungstisch sitzt, dort schon die Landtagswahlkampagnen mitplant und sie von der „ZIB 1“ bis zur ZIB 5 durchschaltet. Daran sieht man, dass man dort etwas falsch verstanden hat, und man sieht auch, dass es dringend nötig wäre, im ORF danach zu trachten, dass eben nicht politisch besetzt wird, wenn es um einen ORF-Direktor geht, sondern dass es der macht, der es am besten kann. Das wäre in diesem Fall wahrscheinlich nicht Herr Ziegler gewesen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wichtig – und das gebe ich Ihnen auch mit – wäre es vielleicht auch, eine gewisse politische Äquidistanz zu üben. Ich verstehe nicht, was Frau Russwurm als ORF-Moderatorin bei Ihrer Wahlkampfschlussveranstaltung verloren hat. Da muss man sich eben entscheiden: Möchte man Politik für eine im Abstieg


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begriffene ÖVP machen – das kann man ja machen, Frau Russwurm kann ja kandidieren – oder möchte man am besten Sendeplatz im ORF sein? Man kann beides hinterfragen, aber man muss sich für eines entscheiden. Dass Sie Frau Russwurm in solch eine Situation bringen, war auch nicht sehr höflich von Ihnen, denn Sie hätten ihr ja sagen können, dass Sie im Begriff sind, die Wahl haushoch zu verlieren, dann hätten Sie die arme Dame mit Ihrem eigenen Problem nicht noch mit beschädigt.

Aber nicht nur die politische Korrumpierung ist im ORF vorangeschritten, sondern es gibt natürlich auch noch andere Dinge, bei denen man sich wirklich fragen muss, wie das eigentlich funktioniert. Wie geht das, dass im ORF eine Fernsehsendung im Dezember 2021 ausgestrahlt wird, in der den Bürgern, die noch ORF schauen, empfohlen wird, ihre eigenen Kinder impfen zu lassen? Da sagt der Moderator dazu: Das ist alles gut und wichtig!, und so weiter und so fort. (Abg. Schallmeiner: Ah ja!) Wissen Sie, Herr Kollege – hören Sie zu, was ich Ihnen jetzt sagen muss, und das erklären Sie mir dann auch vielleicht gleich, wenn Sie dann doch herauskommen –: Können Sie mir sagen, warum diese Sendung vom Impfstoffherstellerverband produziert worden ist und wie es da mit der Compliance ausschaut? (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Können Sie mir das sagen? Haben Sie den Eindruck, dass dort wirklich objektiv Bericht erstattet worden ist? Oder ist da auch noch etwas, was man sich vielleicht einmal genauer anschauen muss, vielleicht in einem Coronauntersu­chungsausschuss, Herr Kollege? Das sind Dinge, die man sich anschauen muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Weil wir gerade bei den Grünen sind: Ich habe ja vorhin gesagt, da werden ein paar Studienabbrecher untergebracht, und so weiter und so fort, und auch Ihre Multifunktionäre, wie zum Beispiel Herr Lockl. Herrn Lockl sollten wir uns genauer anschauen. Das ist der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrates, und wissen Sie, was der sonst noch so getrieben hat? – Na ja, er hat früher für ein Jahressalär von 78 000 Euro den Herrn Bundespräsidenten beraten. Er


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hat sich in den letzten zwei Jahren aus Ihrem Klimaministerium von Frau Ge­wessler gleich 900 000 Euro überweisen lassen (Abg. Wurm: Wahnsinn!), und diesen marxistischen Ersatzbeirat, Klimarat oder wie auch immer das heißt (Abg. Schallmeiner: Klimamarxisten!), hat er auch noch mitorganisiert. Ich weiß schon, dass Sie auf Räte stehen, aber das ist nicht meine Meinung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Nichtsdestotrotz hat auch das 400 000 Euro gekostet. Und dann sitzt er im ORF und greift da unter Umstän­den noch ins Programm ein.

Ich sage Ihnen eines: Wenn der ehemalige Berater des Bundespräsidenten jetzt im ORF die Fäden zieht und dann zufälligerweise keine Wahlkampfaus­einandersetzung mit dem Bundespräsidenten stattfindet, dann glaube ich nicht an Zufälle.

Wenn der Berater von Frau Gewessler mit insgesamt 1,3 Millionen Euro den Klimarat über die Maßen (das Wort wie Massen aussprechend) forciert (Abg. Leichtfried: Über die Maßen! Nicht die Massen!) und auf der anderen Seite auch Frau Gewessler über die Maßen im ORF vorkommt, dann glaube ich da auch nicht an Zufälle. Da sieht man, wie schnell Sie es geschafft haben, genauso korrupt wie die ÖVP zu werden – das kann ich Ihnen hier auch einmal sagen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Weratschnig: Haarsträubend! – Abg. Maurer: Man soll nicht von sich selbst auf andere schließen! – Abg. Wurm: Zwei Jahre habts gebraucht!)

Genderwahn allen Ortes – Sie versuchen, Ihre krausen politischen Ideen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk direkt in die Gesellschaft hineinzu­treiben. Das glaubt man Ihnen aber nicht, das nimmt man Ihnen nicht ab, und genau deswegen sind wir gegen diese Haushaltsabgabe – und das muss man auch sein.

Nun wieder zu Ihnen, Frau Minister: Sie kennen die Probleme im ORF seit Langem, Sie wissen ganz genau, wo es Handlungsbedarf gibt. Sie wissen


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ganz genau, dass Sie von den Grünen nur mehr ausgebremst und miss­braucht werden, weil Sie selbst aufgrund Ihrer politischen Verfasstheit nicht mehr manövrierfähig sind. Ich sage Ihnen aber eines: Noch sind Sie trotz­dem Mitglied dieser Bundesregierung und noch haben Sie auch eine gewisse Verantwortung, uns vor den Grünen zu schützen, auch wenn sie Ihr Koali­tionspartner sind, denn wir brauchen kein ideologisch umgebautes Staatsfern­sehen wie in der DDR (Heiterkeit des Abg. Schallmeiner), sondern wir brau­chen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der objektiv Bericht erstattet (Abg. Schallmeiner: Genau das wollt ihr ja nicht!) und in dem irgendwelche links­sozialistischen Träumereien hintangestellt werden. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Genau, Hafi, bravo!)

Und weil ich es auch vorhin schon erwähnt habe: In der Coronakrise ist ja jeder Gebührenzahler schon zum Masochisten erklärt worden, weil er sich jeden Tag aus dem Fernsehen heraus beschimpfen lassen musste, ein großer Teil der Bevölkerung, und das noch dazu von Ihren Staatskabarettisten, die es auch noch alle gibt. Das waren die Ersten, die beim Coronatopf gestanden sind und dort Millionen abgezogen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da sieht man die Doppelmoral: auf der einen Seite mit dem erhobenen Zeigefinger dastehen, einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung tagtäglich in irgendwelchen spaßfreien, trotzdem zumindest humoristisch titulierten Sendungen irgendwie traktieren, aber auf der anderen Seite die Ersten sein, wenn es darum geht, Coronahilfen abzu­greifen, wie zum Beispiel Herr Niavarani, der unglaublich viele Beschimp­fungen in allen möglichen sozialen Medien vorgenommen hat, aber die 2,2 Mil­lionen Euro hat er sich dann schon ausbezahlen lassen. Also da sieht man schon, mit welcher Doppelmoral da agiert wird und warum es wichtig ist, da eini­ges zu verändern. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Beim ORF kann man von einer riesengroßen Bau­stelle sprechen. Frau Bundesminister, ich glaube nicht, dass Sie diese Bau-


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stelle dieses Jahr noch lösen werden. Ich bin auch schon gespannt, ob es irgend­wann einmal so weit sein wird, dass Sie uns ein ORF-Gesetz vorlegen, mit dem man irgendetwas anfangen kann. Das, was man bis jetzt hören konnte, lässt jedenfalls darauf schließen, dass es nicht sehr weit damit her sein wird.

Eines noch zum Schluss: Das Wichtigste im ORF ist eine Entpolitisierung, und da können Sie sich gleich samt der ÖVP mit hinauspolitisieren. Genau das ist es aber, was Sie nicht machen, denn wenn ich heute höre, dass Herr Aigelsreiter, der nur dadurch berühmt geworden ist, dass er in Niederösterreich immer Ja ge­sagt hat, jetzt ORF-Sport-Chef wird, eines der größten Budgets innerhalb des ORF verwaltet und in Zukunft vielleicht auch noch dafür sorgen muss, dass die Gattin des Herrn Bundeskanzlers an möglichst vielen High-Society-Events im Sportumfeld teilnehmen kann, dann zeigt das, dass Sie es wieder nicht verstanden haben. Sie setzen Ihren Weg der Korruption genauso fort, wie Sie es die letzten Jahre getan haben, und genau da müssen Sie ansetzen.

Wir sind für einen ORF, der der Politik entrissen wird. Wir sind für einen ORF, der ganz sicher nicht mit einer Haushaltsabgabe finanziert wird, und vor allem sind wir für einen ORF, der fair Bericht erstattet, der die Bedürfnisse der Bürger ernst nimmt.

Zum Schluss könnte man vielleicht vom ORF noch eines verlangen – in Dänemark ist es vorgezeigt worden –: Dort hatten Medien den Mut, sich für eine verfehlte Berichterstattung in der Coronazeit zu entschuldigen. – Das vermisse ich vom Küniglberg noch immer. (Beifall bei der FPÖ.)

15.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Raab. – Bitte.


15.20.48

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher!


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Ich möchte heute im Nationalrat einmal mehr die Gelegenheit nutzen, um Sie alle über die Fakten in Bezug auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu informieren und Ihnen einfach ein aktuelles Bild zur tatsächli­chen Situation zu geben. (Abg. Wurm: Das hat eh der Hafenecker schon gemacht! – Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.)

Ich möchte gerne damit beginnen, Ihnen zu erklären, warum wir diese Debatte überhaupt führen, warum wir überhaupt vor der Herausforderung stehen, eine neue Finanzierungsform erstellen zu müssen. (Abg. Belakowitsch: Haben wir schon alles gehört! – Abg. Michael Hammer: Na dann braucht’s eh keine Dring­liche zu machen!)

Der Verfassungsgerichtshof hat vor einigen Monaten in seinem Erkenntnis festgestellt, dass auch das ORF-Streaming, also wenn jemand den ORF nur über digitale Formate konsumiert, kostenpflichtig sein muss und aufgrund des Gleichheitssatzes alle Formen der Finanzierung auch gleichermaßen in die Fi­nanzierung miteinzubeziehen sind.

Die derzeitige Regelung ist also verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat bis Ende 2023 Zeit, eine neue Regelung umzusetzen, sodass auch jene, die den ORF nicht nur über TV und Radio beziehen, sondern auch über das Handy, über das Tablet, über den Laptop, also über das Internet, dafür zahlen müssen. Das ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes. Es ist keine politische Ent­scheidung, sondern eine höchstgerichtliche Entscheidung. (Abg. Belako­witsch: Nein, es ist eine politische!)

Manche politischen Mitbewerber mögen jetzt ignorieren wollen, was Höchst­gerichte in Österreich entscheiden. Wir tun das nicht. Wir wollen das auch nicht tun, das ist auch nicht mein Verständnis von Demokratie, denn wir leben in einem Rechtsstaat. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Scherak: Das hat Kurz noch ganz anders gesehen! – Abg. Leichtfried: Aber nicht nur der Kurz! – Ruf: Der be­sonders!)


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In der Umsetzung dieses Urteils ist es für mich aber sehr wohl wichtig, dass wir eine Lösung finden, mit der wir für die Österreicherinnen und Österreicher, die mit ihrem GIS-Beitrag über viele Jahre, ja Jahrzehnte brav den ORF finanziert haben, eine spürbare finanzielle Entlastung zustande bringen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), sodass es günstiger wird. Das ist für mich eine absolute Vorbedingung in der Lösung dieser Finanzierungsfrage. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dafür ist es notwendig, dass der ORF, der in den letzten Jahren definitiv ein Rie­sentanker am österreichischen Medienmarkt geworden ist, gerade in Zeiten wie diesen auch spart – so wie das alle Menschen in unserem Land derzeit tun müssen, so wie das andere Unternehmen in unserem Land tun müssen, so wie das auch besonders Medienunternehmen in der aktuellen Situation tun müssen.

Dass der ORF jetzt selbst Sparmaßnahmen setzt, ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, und wir werden uns das im Zuge der Überlegungen zu einer neuen Finanzierungsform auch genau ansehen, denn der Sparkurs ist die Grundlage dafür (Abg. Belakowitsch: Sparen müssen nur die Menschen!), dass es für die Menschen günstiger werden kann und dass es am Ende einen
ORF-Rabatt für die Menschen gibt. (Abg. Belakowitsch: Was für ein ORF-Rabatt? – Abg. Kassegger: ... ORF-Rabatt gibt’s von ...!)

Wo und wie der ORF sparen will, ist letztlich Sache des ORF und des ORF-Ma­nagements. Seine Aufgabe ist es, den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu er­füllen (Abg. Belakowitsch: Hat er das getan?) und innerhalb dieses Rah­mens effizient und kostengünstig sowie eben sparsam zu wirtschaften. Gerade wenn es um Steuergeld geht, ist die Sparsamkeit die oberste Prämisse. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Krisper: Hört, hört!)

Wenn sie mich auch als Staatsbürgerin fragen, dann wünsche ich mir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der natürlich schlanker ist, der österreichischer ist und der auch digitaler ist, um auch die Jugend zu erreichen. (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, das zerstören Sie doch gerade!)


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Als Bundesregierung setzen wir insofern an, als der ORF sich auch im digitalen Raum weiterentwickeln können soll. (Abg. Heinisch-Hosek: 300 Millionen Ein­sparung? – Abg. Leichtfried: Ja, und was machen Sie dafür? Bist jetzt haben Sie überhaupt nichts dafür gemacht!) Der ORF soll künftig, natürlich unter Rück­sichtnahme auf den privaten Markt, mehr Möglichkeiten im digitalen Be­reich erhalten und mehr Inhalte auch online anbieten können. (Abg. Leichtfried: Ja, deswegen die blaue Seite einschränken, das ist sinnvoll! – Abg. Heinisch-Hosek: Orchester streichen!) Den dafür notwendigen gesetzlichen Rahmen wer­den wir mit einer sogenannten ORF-Digitalnovelle schaffen, die wir mög­lichst rasch auch dem Nationalrat vorlegen wollen. Ich werde dazu natürlich vertiefende Gespräche mit dem Koalitionspartner führen, die derzeit beginnen.

Ich möchte gerne noch etwas Grundsätzliches sagen, weil in dieser Debatte auch immer wieder der Ruf nach einer Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu hören ist: Alle Länder in Europa haben einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und das aus gutem Grund. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist grundsätzlich eine sinnvolle Einrichtung, auch wenn ich – und es geht sicher vielen Menschen in diesem Land genauso wie mir – nicht alles gut finde, was im ORF gemacht wird. Aber: Ein öffentlich-rechtlicher Sender stellt einen Mehrwert für unser Land dar, er ist eine ganz tragende Säule eines soge­nannten dualen Medienstandortes, an dem wir eben öffentlich-rechtlichen Rundfunk und private Medien haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Gerade in einem kleinen Land, wie wir es sind, brauchen wir regionale, österreichische Inhalte; gerade in Zeiten von Fakenews, in Zeiten von Verun­sicherung brauchen wir öffentlich-rechtliche Inhalte, auf die wir uns ver­lassen können. Ich denke, das ist auch das, was sich viele Zuseherinnen und Zuseher wünschen: einen ORF, der sie objektiv und unabhängig informiert (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Dafür sollte die Politik einmal ...!), der über Kultur und Sport in unserem Land und über die Grenzen hinaus berichtet, insbeson-


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dere regionale und österreichische Inhalte transportiert und nah bei den Men­schen ist, bei ihrem täglichen Leben, und darüber auch berichtet. (Abg. Be­lakowitsch: Heißt das, dass Sie ORF 1 auflösen?)

Wenn wir, sehr geehrte Damen und Herren, einen solchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wollen, der das ermöglicht – und ich bin davon überzeugt, dass die Mehrheit der Menschen in unserem Land das möchte –, dann müssen wir als Gesellschaft auch entsprechende Finanzierungsformen gesetz- und verfassungsmäßig sicherstellen.

Um zum Aspekt der Finanzierung zu kommen: Dass jetzt gewisse Medien – es ist ja heute schon angeklungen – schon eine Einigung bei der Finanzierung herbei­schreiben oder herbeireden, ist schlichtweg falsch. Die Gespräche mit dem Koalitionspartner haben jetzt begonnen (Abg. Brandstötter: Entschuldigung, aber die Grünen haben ja schon gesagt, dass sie ganz erfreut sind über diese Finanzierungsform!), wir sind am Anfang der Gespräche und nicht am Ende, und ja, die Variante eines neuen, günstigeren ORF-Beitrages für die Menschen liegt auf dem Tisch. (Abg. Leichtfried: Was liegt da am Tisch? Es liegt gar nichts am Tisch!) Natürlich gibt es auch noch andere Varianten, über die man reden muss. Fest steht jedenfalls, dass die derzeitige Finanzierung der GIS über TV-Ge­räte und Radio verfassungswidrig ist.

Ein Wort möchte ich auch gerne noch zur GIS generell sagen: Unabhängig vom Verfassungsgerichtshoferkenntnis ist die GIS aus meiner Sicht ein schlicht­weg nicht mehr zeitgemäßes Modell. Dass GIS-Kontrolleure an Wohnungstüren läuten, um dort zu kontrollieren, ob Geräte im Haus oder in der Wohnung sind, ist in Wahrheit ein Wahnsinn, das ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäß. (Abg. Belakowitsch: War noch nie zeitgemäß!) Die Österreicherinnen und Österrei­cher zahlen Zigmillionen Euro für dieses veraltete Kontroll- und Strafsystem, und deshalb ist es mehr als legitim, darüber nachzudenken, wie man das verändern kann.


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Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns diese Diskussion nicht ausgesucht, aber wir müssen und werden sie führen. Das mag vielleicht eine Aufgabe sein, die nicht sonderlich populär ist, aber der Verfassungsge­richtshof hat entschieden, und dem werden wir uns auch stellen. Das ist eine Verantwortung, die man als Regierungspartei tragen muss, und diese Ver­antwortung werden wir auch übernehmen, wenngleich wir wie gesagt am Beginn der Gespräche stehen und nicht am Ende.

Meine Bedingungen sind ganz klar: Der ORF muss sparsamer werden; der ORF muss für die Menschen, die ihn über viele Jahre finanziert haben, günstiger werden.

Zum Schluss möchte ich noch zur Medienpolitik im Generellen ein paar Worte finden. Ich darf die Medienagenden nun seit einem Jahr verantworten, und es ist ein Bereich, in dem es über viele Jahre Stillstand gegeben hat. (Abg. Brand­stötter – erheitert –: Ja, der Kurz war der zuständige Minister! – Abg. Loacker: Wer hat da regiert eigentlich? – Abg. Brandstötter: Ja, wer war denn Medienminis­ter? Wer war Medienstaatssekretär? Es war der Herr Kurz!) Zehn Jahre lang gab es faktisch Stillstand, wenngleich sich die Rahmenbedingungen am Medien­markt sehr stark geändert haben, insbesondere aufgrund der Digitalisierung. Die Geschäftsmodelle der klassischen Medien verlagern sich Schritt für Schritt in die Digitalisierung, vom Print ins Internet, was natürlich neue Fragen der Transformation und auch der Finanzierung aufwirft. Und durch den Markteintritt von Onlinegiganten wie Google und Facebook wird natürlich der Wettbe­werb am österreichischen Medienmarkt auch härter. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Die Medienpolitik hat jetzt die Aufgabe, da zu unterstützen, auch ein duales Mediensystem zu unterstützen, das wie gesagt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den privaten Markt aufrechterhält. Es ist unsere Verantwortung, da auch die Stärkung der österreichischen Identität über den Medienmarkt darzustellen. Deshalb haben wir unter anderem auch eine Digitalförderung für


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Medien, die sich ins digitale Zeitalter transformieren müssen, auf den Weg gebracht.

Wir arbeiten derzeit an einer Journalismusqualitätsförderung zur Stärkung der Meinungsvielfalt und der Medienvielfalt in Österreich, die die journalisti­sche Qualität in den Mittelpunkt stellt, denn offene und freie Gesellschaften sind ohne unabhängige und pluralistische Medien unvorstellbar. Daher unterstützen wir auch finanziell.

Eine weitere Neuerung wird es auch im Bereich der Inseratenvergabe durch die öffentliche Hand geben, denn nur durch lückenlose Transparenz und Be­richtspflichten (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Dafür ist die ÖVP bekannt!) ist gewährleistet, dass das Steuergeld der Menschen richtig eingesetzt wird.

All diese medienpolitischen Vorhaben sind jetzt bereits umgesetzt (Zwischenruf des Abg. Scherak), befinden sich derzeit in Umsetzung – mit dem Ziel der Stärkung der Meinungs- und Medienvielfalt und der Transparenz. Ich sehe das als Aufgabe einer wertvollen Medienpolitik in unserem Land, die letztlich auch einen Mehrwert für jede und jeden Einzelne:n darstellt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steger. – Bitte sehr.


15.31.49

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Hohes Haus! Zuallererst möchte ich Ihnen gratulieren, Frau Bundes­minister. Ich gratuliere Ihnen und mit Ihnen der gesamten schlechtesten Bundes­regierung aller Zeiten (Abg. Michael Hammer: Na so was! – weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP), da Sie nun nach der katastrophalen Performance der letzten Jah­re auch noch die Verantwortung für die schlechteste ORF-Reform aller Zeiten tragen werden. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Kassegger: Guter Einstieg! Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)


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Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was bisher präsentiert wurde, kann ich nur noch als absoluten Skandal (Ruf bei der ÖVP: Aschermittwoch!) und als einen Schlag ins Gesicht eines jeden Österreichers bezeichnen. (Abg. Michael Hammer: ... Aschermittwochskassette!) Der ORF wird seit Jahren massiv ge­gen die Wand gefahren. Die Einnahmen sinken, die Schulden steigen, es gibt immer mehr Abmeldungen, und Ihre Lösung ist es offensichtlich, ihn für diese Leistung auch noch zu belohnen – mit noch mehr Geld durch die soge­nannte Haushaltsabgabe. Diese ist nichts anderes als eine ORF-Zwangs­steuer, mit der Sie in Zukunft der inflationsgeplagten Bevölkerung noch mehr schamlos in die Tasche greifen wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Mit dieser soll der ORF laut Berechnungen wie gesagt nicht weniger, sondern mehr Geld bekommen. Misswirtschaft soll sich anscheinend lohnen. Die rund 1 Milliarde Euro, die er schon jetzt zur Verfügung hat, reicht offenbar nicht aus. Verständlich, denn der Privilegienstadel, die Luxusgagen und -pensionen und die – freundlich ausgedrückt – teils realitätselastische Berichterstattung müs­sen natürlich ausreichend finanziert werden; natürlich auf Kosten der Bürger, und in diesem Fall vor allem auf Kosten jener Hunderttausenden, die sich in den vergangenen Jahren entweder aus Protest oder auch aus finanziellen Grün­den abgemeldet haben. In Zukunft sollen also diejenigen, die sich zum Beispiel aus Protest gegen die Coronaberichterstattung abgemeldet haben, wie­der für die Gagen derjenigen bezahlen, die sie beschimpft haben. Da ist Zwang ausüben natürlich leichter, als sich zu entschuldigen oder für eine ausge­wogene Berichterstattung zu sorgen. Das verstehe ich schon. (Beifall bei der FPÖ.)

Doch anstatt die Menschen in Zeiten der Inflation zu entlasten, schlagen Sie, Frau Bundesminister, dem Fass auch noch den Boden aus, indem Sie ver­suchen, die Bevölkerung mit angeblichen Sparvorgaben auch noch für dumm zu verkaufen. Selbstverständlich muss der ORF dringend massivst einsparen! Ich glaube, das steht außer Frage. Da gibt es viele Ansatzpunkte: bei den Privile-


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gien, den Luxuspensionen, beim teilweisen Missbrauch der ÖVP der Lan­desstudios für ihre Haus- und Hofberichterstattung, siehe Niederösterreich, bei der tausendsten Wiederholung von „Malcolm mittendrin“ oder sonstigen Sitcoms. Doch anstatt dafür zu sorgen, werte ÖVP, dass bei den wirklichen Bau­stellen gespart wird, schauen Sie tatenlos zu, wie ausgerechnet im Kernbe­reich des öffentlich-rechtlichen Auftrages gestrichen werden soll, nämlich bei den Sportübertragungen von Randsportarten, und das ist wirklich der fal­sche Weg! (Beifall bei der FPÖ.)

Ausgerechnet in einem Bereich, bei dem mit nur 8 Millionen Euro Kosten sowie­so kaum Sparpotenzial liegt, will man einsparen. Nur zum Vergleich: 156 Mil­lionen Euro liegen dort allein als Rückstellungen für Golden Handshakes und 180 Millionen Euro für Luxuspensionen. Sie wollen ausgerechnet in einem Bereich sparen, in dem sowieso schon jetzt ein qualitatives Minimalpro­gramm gefahren wird und bei dem Sie auch durch Umlagerungen auf ORF 1 oder Onlinebereiche nicht viel einsparen können; Produktionskosten gibt es sowieso. Wenn Sie sparen wollen, dann können Sie nur sparen, indem Sie tatsächlich Übertragungen streichen. Genau das haben Sie offenbar vor und genau das wäre wirklich der falsche Ansatz. (Zwischenruf der Abg. Scharzenberger.)

Das Schlimmste ist: Sie lassen das Ganze verkünden, ohne überhaupt vorher mit dem organisierten Sport gesprochen zu haben. Deren Meinung ist Ihnen offenbar vollkommen egal. Ist das Ihre Form des respektvollen Umgangs, Frau Bundesminister? Ich halte diese konzeptlose und damit Unsicherheit schü­rende Streichung des Spartensenders für eine gewaltige Missachtung des österreichischen Sports. (Beifall bei der FPÖ.)

Und nein, dabei spreche ich nicht über die teuer eingekauften Lizenzrechte für Formel-1-Rennen oder über Skifahren oder Fußball, sondern dabei geht es um die Übertragung von Randsportarten wie Frauensport, Behinderten- oder auch Schul- und Breitensport – jene Bereiche, die so unglaublich wichtig für unsere Gesellschaft sind, jedoch leider immer viel zu wenig Aufmerksamkeit


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bekommen. Dabei geht es um österreichische Athleten und um Vereinsför­derung, um die Förderung von Bewegung, Gesundheit und der so wichtigen eh­renamtlichen Tätigkeit. Und vor allem geht es auch um Heimatverbunden­heit und Nationalstolz. Ich weiß, damit können die meisten hier herinnen nicht viel anfangen, aber gerade das wäre der Kernbereich des öffentlich-rechtli­chen Auftrags. (Beifall bei der FPÖ.)

Doch das Schockierende ist, dass Sie offenbar keine Ahnung haben, wie wichtig Fernsehübertragungen für den österreichischen Sport sind und welche Aus­wirkungen es hätte, wenn man Sportübertragungen auch nur teilweise streicht. Ich sage Ihnen eine einfache Formel: Fernsehübertragungen ist gleich Wer­bewert, ist gleich Sponsoren, ist gleich Überleben des Vereins – ja oder nein – oder auch internationaler Wettkämpfe – ja oder nein –, denn nur solange ein Werbewert gegeben ist, ist Sponsoring auch für Unternehmen absetzbar. Wenn Sie Übertragungen streichen, werte Kollegen, dann wird es zu massivsten finanziellen Einbußen bei den Vereinen kommen. Die Sponsoren würden reihenweise wegbrechen und mit ihnen die Vereine, Athleten und die Gesund­heit. Die Bedeutung der Fernsehübertragung geht bei Randsportarten weit über die Bedeutung der Einschaltquoten hinaus. (Beifall bei der FPÖ.)

Nach den Coronalockdowns, den Sportverboten für Ungeimpfte, durch die Sie zahlreiche Vereine in den Ruin getrieben haben und einer ganzen Genera­tion de facto Bewegung abgewöhnt haben, nach der nun schon monatelangen Energie- und Inflationskrise, die die Vereine weiter ausschröpft und quält und bezüglich derer von Ihrer Seite noch immer kein einziger Cent an Hilfe ge­flossen ist, ist das der nächste gewaltige Schlag ins Gesicht des österrei­chischen Sports. Genau aus diesem Grund gehen die Sportorganisationen zu Recht auf die Barrikaden, denn da geht es um ihre Existenz, sehr geehrte Damen und Herren! Das zu ignorieren, gegen diese Pläne nicht sofort Einspruch zu erheben, kann ich nur als absolut ahnungslos abstempeln. (Beifall bei der FPÖ.)

Apropos ahnungslos: Wo ist eigentlich der Sportminister, wenn man ihn einmal braucht? Sehr geehrte Kollegen von den Grünen, vielleicht könnten Sie dem


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Vizekanzler einmal erklären, dass er auch Sportminister ist. Von ihm hat man zu dem Ganzen noch überhaupt kein Wort gehört. Er ist aber auch nicht der Einzige, auch von den Sportsprechern der anderen Parteien habe ich noch kein einziges Wort der Kritik gehört. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Bei der Kultur dage­gen ging es ziemlich schnell.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sport­übertragungen sicherstellen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, Gespräche mit dem organisierten Sport (Sport Austria) und dem ORF zu führen und sich dafür einzusetzen, dass Sportübertragungen im bisherigen Ausmaß auch in Zukunft vollumfänglich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgestrahlt werden. Dafür soll ein attraktives Konzept erarbeitet werden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt können Sie Nägel mit Köpfen machen: Schützen Sie den österreichischen Sport! Zeigen Sie mit Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag, dass Ihnen der Sport und damit auch die Gesundheit der öster­reichischen Bevölkerung nicht vollkommen egal sind! Das, was wir in diesem Antrag fordern, ist sowieso das absolute Minimum. Die Qualität müsste sowieso verbessert werden.

Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren: Hören Sie endlich auf, die Bevölkerung mit Zwangsgebühren noch mehr zu belasten, oder haben


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Sie  zumindest den Anstand, diejenigen, die Sie belasten wollen, vorher mittels Volksabstimmung oder Volksbefragung zu befragen! Doch das werden Sie wie immer nicht tun, weil Sie genau wissen, dass die Bevölkerung Ihren Plänen eine klare Absage erteilen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

15.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Sportübertragungen sicherstellen

eingebracht in der 202. Sitzung des Nationalrates am 1. März 2023 im Zuge der Debatte zum dringlichen Antrag des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA und weiterer Abgeordneter betreffend Nein zur ORF-Steuer!

ORF SPORT+ ist ein Sport-Spartenkanal des ORF, sein Programm wird über Astra und im Kabel ausgestrahlt. Gezeigt werden vor allem Randsportarten, die durch die Ausstrahlung im ORF Reichweite generieren. Dazu zählen etwa Leicht­athletik, American Football, Badminton, Wintersport, Eishockey, Fußball, Landhockey, Badminton, Tennis, Volleyball, Handball, Tanzen, Pferde­sport, Schwimmen und Behindertensport – manchmal live, manchmal aufgezeichnet.

Aufgrund von Vorschriften durch die Medienbehörde KommAustria darf ORF SPORT+ keine sogenannten „Premium-Sportarten“ übertragen. Dazu gehören jene Bewerbe, „denen in der österreichischen Medienberichterstattung breiter Raum zukommt“, wie beispielsweise die Fußball-Bundesliga, der Alpine Skiweltcup oder auch die Formel 1.

In einem offenen Brief des Präsidiums von Sport Austria sprechen sich zahlrei­che Sportfunktionäre dafür aus, dass ORF SPORT+ in Form eines attraktiven Kon­zepts weitergeführt wird. In diesem Brief ist unter anderem zu lesen:


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Aussagen, wie den „Breitensport auf ORF1 zu legen, zeigen, dass in der ORF-Führung ein immenser Informationsbedarf besteht. Denn ORF SPORT+ ist natürlich nicht nur die Lebensader für den Breitensport, sondern im Besonderen für einen Großteil des Spitzensports, für spezielle Formate des Behindertensports, des Schulsports so­wie des Frauensports. Fest steht: Der heimische Sport benötigt unbedingt eine Sendefläche wie ORF SPORT+! Und nicht nur das, schließlich hat der ORF auch den gesetzlichen Auftrag einer umfassenden Sportberichterstattung, die auch in Zukunft gewährleistet sein muss!

Im Speziellen wird seitens der Sport Austria zu Recht kritisiert, dass ein Streichen des Sportkanals die Vielfalt der österreichischen Sportkultur zerstört und die Versu­che, den heimischen Sport nach den Pandemie-Jahren wieder zu stabilisie­ren, konterkariert wird. Vorschläge, wie Sportereignisse künftig nur mehr im Internet zu streamen, sind keinesfalls als gleichwertige Alternative anzusehen – abgese­hen davon, würden dadurch kaum Kosten eingespart. Ausreichend Werbewert zu generieren ist für viele Sportarten primär mittels Übertragung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen möglich. Einsparen könnte man nur, wenn sportliche Wett­kämpfe überhaupt nicht mehr übertragen werden – das ist jedoch strikt abzulehnen.

„In Anbetracht der Tatsache, dass wir bestehende Sponsor-Vereinbarungen haben und intensiv daran arbeiten, unser Sponsor-Portfolio zu erweitern, fühlt sich diese An­sage wie ein Schlag ins Gesicht an“, wird ÖEHV-Präsident Klaus Hartmann in einer Aussendung zitiert. „Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, damit der Sport nicht an Sichtbarkeit und Wahrnehmung verliert.“ Die Sportfachverbände müssen und werden an einem Strang ziehen, damit die mediale Präsenz nicht verloren gehe. „Sparen: Ja - aber nicht beim Sport! Dieser ist die Basis für Gesundheit und Leben. Selbstverständlich sind die Effizienz und Wirtschaftlichkeit wichtig, auch bei uns im ÖTV. Das darf aber nicht dazu führen, dass dermaßen wichtige gesell­schaftliche Aufgaben nicht erfüllt werden“, sagte Martin Ohneberg, der Präsident des heimischen Tennisverbandes. „Wenn man dem Sport die öffentliche Auf­merksamkeit nehmen würde, dann nähme man ihm auch die Ader, das Blut, weil hier


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durch die Publikumswirksamkeit und damit auch das Sponsoring und die finan­ziellen Mittel verloren gingen.“1

Außer Frage steht, dass beim ORF gespart werden muss – jedoch nicht auf Kosten des Sports. Durch einen etwaigen Wegfall des Spartensenders ORF SPORT+ ist die Existenz von vielen Sportarten und Vereinen gefährdet. Sportminister Kogler und ORF-Generaldirektor Weißmann werden aufgefordert, eine Lösung zu finden, um Sportübertragungen auch in Zukunft sicherzustellen. Die Produktionskosten für Sportveranstaltungen, die auf ORF SPORT+ gezeigt werden, sind günstig, vor allem im Vergleich zum Werbewert für die produzierten Inhalte. Gerade dieser er­zeugte Werbewert ist für unsere Sportvereine unabdingbar. Man erreicht mit wenig finanziellem Aufwand einen unermesslichen Multiplikatoreffekt.

Dank ORF SPORT+ erhielten in den vergangenen Jahren zahlreiche Sportarten Reichweite und damit auch Relevanz für Sponsoringpartner. Bei einer Einstellung des Senders kommt es für zahlreiche Sportfachverbände zu Einbußen beim Medien­wert in Millionenhöhe, insbesondere in den Bereichen des Behindertensports, des Schulsports sowie des Frauensports. Es ist für den österreichischen Sport unab­dingbar, auch ausreichend Sendezeit im Sportkanal zu bekommen. Alle Sportveran­staltungen, die bis dato gezeigt wurden, können nicht ausschließlich auf ORF 1 und ORF 2 gesendet werden. Es gibt den klaren gesetzlichen Auftrag des ORF, eine umfassende Sportberichterstattung zu gewährleisten und für „die Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung“ zu sorgen. Dieser muss auch in Zukunft sichergestellt werden!

Man darf nicht vergessen, dass Österreichs Sport jährlich 24,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung generiert und für 357.000 Arbeitsplätze sorgt. 15.000 Sportvereine mit 540.000 Ehrenamtlichen bilden die Stütze unserer Gesellschaft. Die Arbeit un­serer heimischen Sportler wird auch durch ORF SPORT+ sichtbar gemacht.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, wird aufgefordert, Gespräche mit dem organisierten Sport (Sport Austria) und dem ORF zu führen und sich dafür einzusetzen, dass Sportübertragungen im bisherigen Ausmaß auch in Zukunft vollumfänglich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgestrahlt werden. Dafür soll ein attraktives Konzept erarbeitet werden.“

1     https://www.vienna.at/proteste-gegen-geplante-einstellung-von-orf-sport/7924756

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsge­mäß eingebracht und ausreichend unterstützt.

Abgeordneter Köllner hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort ge­meldet. – Bitte.


15.40.04

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Abgeordnete Steger hat soeben behauptet, dass sich die Sportsprecher der anderen Fraktionen noch nicht zu diesem Thema zu Wort gemeldet haben. – Ja, es ist die erste Debatte heute darüber (Abg. Steinacker: Ich berichtige tatsächlich!), aber ich berichtige tatsächlich (Abg. Steinacker: Super!): Wir haben bereits eine Pres­seaussendung ausgeschickt und wir haben bereits einen Antrag seitens der SPÖ eingebracht, der fordert, dass ORF Sport plus auch in Zukunft erhal­ten bleibt. (Beifall bei der SPÖ sowie Bravoruf des Abg. Amesbauer.)

15.40


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Abgeordneter Egger. – Bitte.



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15.40.46

Abgeordneter Mag. (FH) Kurt Egger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen auf der Galerie und via Livestream! Ganz besonders begrü­ßen darf ich eine Gruppe von Bäuerinnen aus dem Innviertel: Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abgeordneten Cornelia Ecker und Leichtfried.)

Herr Präsident Hofer hat vorhin gesagt, es kommt ihm ein bisschen warm vor hier im Saal. Ich glaube, das ist nicht die Heizung, sondern ich glaube, das ist die heiße Luft, die die Freiheitlichen da produzieren. Das kann man also relativ rasch abstellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Scherak: Ich habe geglaubt, der Fasching ist schon vorbei!)

Worum geht es den Freiheitlichen? Sie machen viel Lärm, sie versuchen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen (Abg. Deimek: Es hat aber jeder aufgepasst, ...!), sie versuchen, Menschen zu diffamieren (Abg. Wurm: Stimmen die Gehaltszahlen nicht?), aber sie überraschen mich auch (Abg. Belakowitsch: Wirklich?): Ich habe es sehr beachtlich gefunden, dass Frau Kollegin Steger sich hierherstellt und über die Arbeit ihres Vaters als Stiftungsratsvorsitzenden so schlecht redet (Abg. Amesbauer: Hallo!) – das finde ich schon entspannt. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Weratschnig.)

Und dass die Freiheitlichen, die ja von Fakenews und Echokammern leben, über­haupt kein Interesse an einem starken öffentlichen Rundfunk haben, über­haupt kein Interesse daran haben, den Medienstandort zu stärken, verstehe ich, weil das das Geschäftsmodell ist. Da werden wir dagegenhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Genau, ja natürlich! – Zwi­schenruf der Abg. Belakowitsch.)

Dieser Dringliche Antrag gibt mir aber die Möglichkeit, ein paar Punkte noch einmal zu unterstreichen: Wir stehen für einen Pluralismus, für Unabhängigkeit,


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für Medien- und Pressefreiheit (Heiterkeit des Abg. Wurm), deswegen versu­chen wir, den Medienstandort zu stärken. Die Frau Ministerin hat ausge­führt, was wir alles auf den Weg gebracht haben – davor muss man sich nicht verstecken. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Neßler.)

Der Wettbewerb – auch das wurde bereits ausgeführt – ist auch international zu sehen. Daher sind wir alle gefordert, unsere Medienhäuser und auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in diese Richtung zu unterstützen. (Abg. Brand­stötter: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in keinem internationalen Wettbewerb!) – Sie können dann reden, Frau Kollegin. (Abg. Brandstötter: Das ist ein Blödsinn! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir haben es uns nicht ausgesucht, dass wir uns mit der Finanzierungsfrage be­schäftigen müssen, das können Sie wegdiskutieren, wie Sie wollen. Der Ver­fassungsgerichtshof hat uns diesen Auftrag erteilt, und dem werden wir nachkommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Heinisch-Hosek.)

Mit Ihrem Antrag stellen Sie ganz klar unter Beweis: Ich richte mir die Welt, wie ich sie gerne hätte! Echokammern, Fakenews (Abg. Belakowitsch: Haben Sie schon gesagt!), Alternativinformationen: immer dasselbe, einfach freiheitlich – das geht nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Die Rede verlängern, jede Minute bringt 1 Prozent für uns! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Die Alternativen liegen auf dem Tisch. Wir übernehmen Verantwortung, wir ha­ben die Verantwortung und wir werden dem Auftrag des Verfassungsge­richtshofes nachkommen. Und wenn die Freiheitlichen sich hierherstellen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk infrage stellen oder auch abschaffen wollen, dann müssen Sie auch klar dazusagen, Sie wollen nicht, dass 100 Millio­nen Euro in die Filmwirtschaft investiert werden, dass 120 Millionen Euro für Kunst und Kultur ausgegeben werden, dass 100 Millionen Euro für den Spit­zen- und Breitensport ausgegeben werden und 170 Millionen Euro für die


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Regionalität. (Zwischenrufe der Abgeordneten Brückl, Deimek und Belakowitsch.) Sie wollen das nicht, da können Sie noch so schreien! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Im Zusammenhang damit werden 10 000 Arbeitsplätze gesichert werden. Sie wollen das nicht. Ist auch okay, nehmen wir zur Kenntnis. (Abg. Ames­bauer: Na geh, bitte! Netflix-Abo ist billiger!) 10 000 Arbeitsplätze, die Sie nicht wollen – sagen Sie es! (Abg. Belakowitsch: Beim ORF! Prekäre Verhältnis­se ...! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Klar ist für uns: Wir stehen für einen starken öffentlichen Rundfunk, der zu­kunftsfit ist und digitaler wird, der ein vielfältiges Angebot bietet: von Nachrichten über Sport, Unterhaltung bis hin zu Kultur mit Qualität (Abg. Be­lakowitsch: Auf ORF 1, ja, das ist Qualität!), und österreichischer wird. Wir wollen einen schlanken und zeitgemäßen österreichischen Rundfunk und wir werden dafür sorgen, dass die Gebühren gesenkt werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Deimek: Das kann man nur sagen, wenn einen keiner kennt, dann kann man mutig sein! – Abg. Wurm: Danke für die Rede! – Abg. Belakowitsch: Das bringt uns ein weiteres Plus!)

15.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte sehr.


15.46.12

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Regie­rungsmitglieder! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin froh über diese Debatte, weil sie mehrere Dinge aufzeigt, die nicht uninteressant sind. Sie zeigt einmal auf, was mit der FPÖ so ist: Herr Abgeordneter Hafenecker hat sich hierhergestellt und gesagt – ich habe das mitgeschrieben –: Wir wollen, dass der ORF „der Politik entrissen wird“!

Das ist das, was Sie so spielen, wenn man Sie hört. Wenn man Sie nicht hört oder wenn Sie glauben, dass man Sie nicht hört, ist das etwas ganz anderes.


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Es gibt ja die Chats von Herrn Strache zum Beispiel – dem ehemaligen Partei­vorsitzenden; den kennt ihr schon noch, nehme ich an (Abg. Belakowitsch: Die Gattin sitzt bei euch!); das ist nicht wie bei der ÖVP der Herr Schmid, den kei­ner mehr kennt. Herr Strache also: „Deshalb braucht es ein ORF-Gesetz, wo totale Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden!“ – Ihr wolltet da die totale blaue Einfärbung, liebe Freundinnen und Freunde von der FPÖ. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Maurer und Weratschnig.)

Oder er schreibt: „Brauchen Vorschläge für loyalen top ORF-Direktor.“ – Aha, den Direktor wollen wir auch blau haben. Ja, das ist Entpolitisierung. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Doppelmoral, geschätzte Kolleginnen und Kollegen. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Dann schreibt er: „Bei ORF-Struktur“ – in Zukunft – „bitte darauf achten:

1. Vorstand: Fernsehen

2. Vorstand: Digital und Radio

3. Finanzen/Personal

4. Zentrale Dienste [...]

Wir“ wollen unbedingt „auf 2 und 3 bestehen!“

Ja, das ist Entpolitisierung für die FPÖ. – Doppelmoral ist das, nichts anderes ist das, was ihr da von euch gebt! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grü­nen sowie des Abg. Schmidhofer.)

Ich bin aber ein zweites Mal froh, dass wir das heute diskutieren, weil der ORF schon auch ein Beispiel für das zentrale Versagen der Bundesregierung in diesem Bereich ist – das muss man auch ganz offen sagen.

Fakt ist: Mit 1.1.2024 braucht der ORF eine neue Finanzierung, und Sie haben sich jetzt einmal oder mehrmals in Richtung Haushaltsabgabe geäußert.


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Heute stellen Sie sich wieder hierher und sagen: Haushaltsabgabe oder irgend­etwas anderes; mit dem Koalitionspartner ist auch nichts ausgemacht. – Ich meine, so kann man es auch nicht machen. Sie müssen doch hierherkommen und einmal etwas Konkretes vorschlagen, Frau Bundesministerin, und nicht mit vagen Begriffen um sich werfen, die am Ende nichts heißen und nichts bedeuten und an denen auch nichts dran ist. So kann man nicht Politik machen und so kann man auch nicht Politik für den ORF machen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Brandstötter.)

Wenn Sie auf dieser Haushaltsabgabe bestehen, dann würde mich interessieren: Wie schaut denn so etwas eigentlich aus? Wie ist Haushalt genau definiert? Zahlt die Villenbesitzerin gleich viel wie die Pensionistin in der Zimmer-Küche-Wohnung? (Abg. Michael Hammer: Der Haushaltsvorsitzende, wenn man weiß, wer das ist, aber bei euch ist das ja nicht so! – Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ist das Ihre Absicht? Ich traue Ihnen das zu, deshalb frage ich Sie ja.

Sie zäumen vor allem das Pferd ja von hinten auf. Bevor man über die Finanzierung sinnvoll diskutiert, muss man ja einmal diskutieren: Was soll der ORF eigentlich können? Was ist die Aufgabe des öffentlichen Rund­funks? – Dazu habe ich von Ihnen überhaupt noch nichts gehört, außer, dass jetzt alles Mögliche eingespart werden soll, dass ORF Sport plus einge­spart werden soll, dass das Orchester eingespart werden soll. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ist es das, was wir vom ORF wollen, dass alles, was interessant ist und einen gewissen öffentlich-rechtlichen Sinn macht, eingespart wird? Ist es das, was Sie wollen, Frau Bundesministerin?

Was ist mit dem Bildungs- und Kulturauftrag? Was ist mit der Strukturierung? Also meines Erachtens ist Medienpolitik viel mehr, als zu sagen: Ihr müsst 300 Millionen Euro einsparen, und wir machen irgendeine Abgabe, von der ich noch nicht weiß, was es ist. Das ist nicht Medienpolitik, Frau Bundesminis­terin, das ist Pfusch! Das sage ich Ihnen ganz offen. Das ist Pfusch in der Medienpolitik, und das ist das, was ich wirklich kritisiere. (Beifall bei der SPÖ.)


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Sie haben es angesprochen, Sie haben selber gesagt, der ORF braucht mehr digitale Möglichkeiten. Da finden wir uns. Wir sind auch der Auffassung, dass öffentlicher Rundfunk, wenn er öffentlicher Rundfunk bleiben will und eine gewisse Größe und Verbreitung hat, natürlich auch die neuen Medien und vor allem die Menschen, die neue Medien benutzen, mitumfassen muss. Nur, wo ist Ihr Konzept dafür? Wie soll das gehen? Auch dazu haben Sie meines Erachtens kein Konzept. Ich habe das Gefühl, dass Sie eigentlich, ich weiß nicht, diese 300 Millionen Euro irgendwie in der Nacht gewürfelt haben und jetzt behaupten, das muss genau so sein. – Nein, das ist es nicht.

Es geht darum: Was muss er können? Meines Erachtens braucht es ein Finan­zierungsmodell, das die Unabhängigkeit des ORF sichert – das ist Punkt
eins –, das sozial verträglich ist – das ist Punkt zwei –, das den ORF auch zur Sparsamkeit verpflichtet – das ist Punkt drei –, das dem Verfassungsge­richtshofurteil entspricht – das ist Punkt vier – und das es dem ORF ermöglicht, seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag wahrzunehmen, geschätzte Damen und Herren. Das wäre Medienpolitik, wie ich sie mir von der Bundesregierung erwarten würde.
(Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte aber auch noch zum Dringlichen Antrag der FPÖ kommen. Ich habe das Gefühl, ihr habt euch beim Verfassen dieses Antrages ein bisschen von der Aschermittwochrede des Herrn Kickl inspirieren lassen. Ich habe noch nie eine derartige unterirdische, wirre, unsachliche und – Kollegin Neßler wird wahrscheinlich sagen – grindige Begründung eines Antrages erlebt wie bei die­sem Antrag. Bei so etwas geht die Sozialdemokratie sicher nicht mit, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Wurm: ... ihr geht immer mit der Regierung mit, Kollege Leichtfried!)

Wenn Sie den ORF zerschlagen wollen, und das scheint offensichtlich Ihr Plan zu sein, sage ich Ihnen eines: Oligarchen-TV brauchen wir in Österreich nicht, auch wenn das anscheinend Ihr Traum in der Medienpolitik ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)


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Deshalb bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein faires Finanzierungsmodell für den ORF“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien werden aufgefordert, von den bisher bekannten Plänen für eine Haushaltsabgabe abzusehen und dem Nationalrat ein Finan­zierungsmodell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich vorzulegen, das die Unabhängigkeit des ORF sichert, das fair nach den jeweiligen wirt­schaftlichen Möglichkeiten der Haushalte und Unternehmen gestaltet ist und es dem ORF ermöglicht, seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen.“

*****

Frau Bundesministerin, ich habe noch einen persönlichen Appell an Sie. Sie werden wahrscheinlich in die österreichische Mediengeschichte als die Ministerin eingehen, die dafür verantwortlich ist, dass es die älteste Ta­geszeitung der Welt nicht mehr geben wird. (Abg. Loacker: ... Abo von der „Wiener Zeitung“?) Ich würde Sie schon auffordern, darüber nachzudenken, ob Sie auch als die Ministerin in die Geschichte eingehen wollen, die den öffentlichen Rundfunk in Österreich auf dem Gewissen hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Jörg Leichtfried,

Genossinnen und Genossen


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betreffend ein faires Finanzierungsmodell für den ORF

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend „Nein zur ORF-Steuer!" in der 202. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 01.03.2023.

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt als rot-weiß-rotem Leitmedium und Quelle hochwertiger Information im Internetzeitalter mit all seinen medienpolitischen Umbrüchen und Verwerfungen eine besondere Rolle zu. Die Unabhängigkeit und stabile Finanzierung des ORF ist daher die Fahnenfrage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Denn davon hängt ab, ob der ORF auch in Zukunft als journalistisches Leitmedium in Österreich anerkannt wird. Der ORF lebt durch seine Mitarbei­ter*innen. Diese bilden das Herz des Unternehmens und müssen optimale Rahmenbedingungen für ihre kritische und engagierte Arbeit vorfinden. Aufgabe der Politik ist es sicherzustellen, dass der ORF und seine Journalist*innen unab­hängig arbeiten können. Aufgabe der Politik ist es nicht, sich in die journalistische Arbeit einzumischen, politischen Druck auszuüben oder Finanzierungsspiel­chen mit diesem wichtigen Unternehmen zu spielen.

Die Medienpolitik der Bundesregierung in Sachen ORF beschränkt sich bisher auf vage Ankündigungen. Die Medienministerin lässt lediglich das Stichwort „Haushaltsabgabe" fallen, mit dem Koalitionspartner scheinen vor allem wichtige Details noch nicht abgesprochen zu sein. Wie hoch soll die Haushaltsabgabe sein? Wie und von wem soll sie eingehoben werden? Wer soll sie zahlen - gibt es wei­terhin eine Gebührenbefreiung, gibt es eine soziale Staffelung, wie werden auch Unternehmen miteinbezogen? Soll der Villenbesitzer die gleiche Haushaltsabgabe zahlen wie die Mindestpensionistin in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung? All das ist unklar. Diese Vorgangsweise bietet den Gegner*innen des öffentlich-recht­lichen Rundfunks großes Angriffspotential, ist doch unabhängiger Journalismus immer noch kein Ziel, das alle Parteien gleichermaßen eint. Vielmehr scheinen einige nach wie vor von einer Vereinnahmung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks à la Orban zu träumen.

Unverständlich ist auch, dass gemeinsam mit den Finanzierungsfragen nicht der öffentlich-rechtliche Auftrag mitdiskutiert wird. Was ist die Aufgabe des öffentlich-


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rechtlichen Rundfunks? Wo muss man den Auftrag an das 21. Jahrhundert an­passen? Hier bestehen vor allem im Digitalbereich große Lücken. So soll durch eine Haushaltsabgabe die Zahl der Einzahler*innen vergrößert und gleichzeitig – bei­spielsweise durch Einschränkungen der blauen Seite orf at - das Angebot des ORF im Internet reduziert werden. Das ist der falsche Weg. Will man auch jenen Öster­reicher* innen, die den ORF bisher über das Internet konsumiert haben, ein Angebot machen, braucht es endlich eine Novelle des ORF-Gesetzes, die den Bewegungs­spielraum des ORF im Internet erweitert.

Will der ORF relevant bleiben und eine Zukunftsperspektive haben, muss er sich an die neuen Nutzungsgewohnheiten des Publikums anpassen können, Anschluss an die Bedürfnisse junger Menschen finden und ORF-Inhalte verstärkt auch online, zeitunabhängig und mobil zur Verfügung stellen. Geschieht dies nicht, wird die Zukunft des ORF in Frage gestellt. Auch eine undifferenzierte Kürzungspolitik, die wichtige Angebote wie das ORF-Radio Symphonieorchester (RSO), Öl , FM4 oder ORF Sport + in Frage stellt, ohne ihre Bedeutung für das Kulturland Österreich und den Kreativwirtschaftsstandort in die Überlegungen einzubeziehen, unter­gräbt die Zukunftsperspektive des wichtigsten österreichischen Medienunterneh­mens. Wenn jetzt durch Kürzungen viele attraktive Angebote des ORF wegfallen und gleichzeitig keine Investitionen in Zukunftsbereiche getätigt werden können, stellt man den ORF als Ganzes in Frage. Wir müssen daher jetzt entscheiden, ob wir in Zukunft noch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wollen, oder ob wir Fernsehen und mediale Angebote im Internet ausschließlich in die Hände von Sil­vio Berlusconi, Mark Zuckerberg oder Dosen-Milliardären legen wollen. Der ORF braucht ein Finanzierungsmodell, das die Unabhängigkeit des ORF sichert, das sozial verträglich ist, das den ORF zur Sparsamkeit verpflichtet, dem VfGH-Urteil ent­spricht und mit dem der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen kann. Es muss fair nach den jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten der Haushalte und Unternehmen gestaltet, also sozial gestaffelt werden. Die bisher bekannten Pläne der Bundesregierung erfüllen diese Bedingungen nicht.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien werden aufgefordert, von den bisher bekannten Plä­nen für eine Haushaltsabgabe abzusehen und dem Nationalrat ein Finanzierungsmo­dell des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich vorzulegen, das die Un­abhängigkeit des ORF sichert, das fair nach den jeweiligen wirtschaftlichen Möglich­keiten der Haushalte und Unternehmen gestaltet ist und es dem ORF ermöglicht, seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsge­mäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte. (Abg. Mau­rer übernimmt – auf dem Weg zum Redner:innenpult – einen Zettel von Abg. Leichtfried. – Abg. Belakowitsch: Wie weinerlich ist das denn? Rot-grüner ORF, da seids euch wieder einig! – Der Präsident gibt das Glockenzeichen.)


15.53.51

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie, aber auch vor den Bild­schirmen auf ORF III im ORF! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (neuerlich das Glockenzeichen gebend): Darf ich Sie bitten, wieder etwas gemäßigter zu sein und die Rednerin nicht zu stören?! – Danke.


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Also in meinem Redemanuskript steht zu Beginn, ich weiß nicht, ob ich heute über diesen Dringlichen Antrag, den


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wir jetzt diskutieren, lachen oder weinen soll. Die Antwort ist aber leider ein­deutig: Es gibt hier nichts zu lachen, es ist ausschließlich zum Weinen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Die Ibiza-Partei möchte also nun auch dem ORF seine finanzielle Grundlage entziehen. Wir erinnern uns: Wie war denn das? (Abg. Wurm: Reden wir wieder über Ibiza oder über was reden wir jetzt?) Ihr Parteichef, der auch die vom Kollegen vorgelesenen SMS zur politischen Umfärbung des ORF geschrieben hat (Abg. Belakowitsch: Reden wir etwas über den Pius Strobl!), Ihr Parteichef Heinz-Christian Strache hat versucht, die größte Tageszeitung des Landes zu ver­scherbeln (Abg. Belakowitsch: Bleiben wir beim ORF, es geht um den ORF!) und sich Zeitungen und Medien zu kaufen. (Abg. Belakowitsch: Reden wir über den ORF!) – Ja, ich verstehe schon, dass das sehr unangenehm ist, Frau Belakowitsch. Da können Sie jetzt ganz viel dazwischenschreien.

Es ist aber leider Tatsache: Man bekommt H.-C. Strache offensichtlich aus der FPÖ heraus, aber seinen Geist gibt es in der Freiheitlichen Partei nach wie vor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Und dieser Geist geht gegen die Pressefreiheit und letztlich gegen die Demokratie. Das ist leider nichts Neues, aber es verschärft sich zunehmend, was man leider an diesem Dringlichen Antrag hier heute sieht.

Ihr ehemaliger Parteivorsitzender hat auf Ibiza darüber fantasiert, wie er die „Kronen Zeitung“ verkaufen kann, um eigenes politisches Kapital daraus zu schlagen, und in der gleichen Denke gehen Sie jetzt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an. Offensichtlich reicht es den Freiheitlichen nicht, auf ihrem eige­nen FPÖ-TV Propaganda zu verbreiten; Russia Today, wir kennen das alle. Sie hätten wahrscheinlich am liebsten Fox News in Österreich, das würde Ihnen gefallen – mit uns gibt es das aber selbstverständlich nicht.

Die Chats wurden verlesen, die zeigen, wie sich der ehemalige Parteichef der Freiheitlichen das mit dem ORF und der Umfärbung vorgestellt hat, wir erinnern


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uns aber an den ewigen Zyklus, wie das mit den Freiheitlichen ist: Opposi­tionsbank, Regierungsbank, Anklagebank. (Beifall bei den Grünen.) Das ist die Ge­schichte der Freiheitlichen und ihrer Regierungsbeteiligungen. Wir haben nach Ibiza in zwei Ausschüssen ganz ausführlich darüber diskutiert und auch all die Chats gekriegt, die offenlegen, wie Sie mit der Demokratie, mit dem Geld der Republik, mit dem Geld der Steuerzahler:innen umgehen wollen.

Kommen wir aber zum eigentlichen Thema dieses heutigen Dringlichen An­trages! (Abg. Belakowitsch: Sie kommen jetzt zum Thema! Gratuliere!) Worum geht es hier eigentlich? Nach dem Ende der Schreckensdiktaturen von National­sozialismus und Faschismus sind öffentlich-rechtliche Medien, die der freien und unabhängigen Berichterstattung verpflichtet waren, ganz essenzielle Bau­steine der Demokratie. (Abg. Belakowitsch: Reden Sie nicht über Demokratie!) Und es wundert mich natürlich nicht, dass die Freiheitliche Partei, die es nicht ein­mal geschafft hat, bei der Rede des Bundespräsidenten bei den Worten „nie wieder“ zu klatschen, diese Tradition in Europa, diese demokratische Errun­genschaft nicht verteidigt und anstrebt, diese weiter zu stützen. Es ist letzt­lich nicht nur feindlich gegenüber der Presse-, der Medienfreiheit, es ist feindlich der Demokratie gegenüber. Das ist der wahre Geist der Freiheitlichen, er war es damals und er ist es bis heute. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Deimek: ... schlecht! Wird nicht besser!)

Nach dem Ende von NS-Zeit und Faschismus sind in ganz Europa öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gegründet worden, die mit ihrem Bildungsauftrag und mit einer breiten und tiefgehenden Berichterstattung ein ganz wesentli­cher Motor und Katalysator für die Demokratisierung waren, wie es Massenme­dien ganz allgemein waren. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Es ist also die FPÖ, die heute erneut antritt, um diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich zu beschneiden.

Glücklicherweise gibt es aber in Österreich genug Menschen, die es anders se­hen als die FPÖ. (Abg. Amesbauer: Wo sind die?) Jeden Tag nutzen 6,4 Mil­lionen  Menschen den ORF, 6,4 Millionen. (Abg. Wurm: Dann können die auch


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zahlen! ... Freiwilligkeit, Frau Kollegin Maurer! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dort holt sich ein Großteil der Bevölkerung Tag für Tag seine Informationen. Der ORF besteht natürlich nicht nur aus ORF 1 und ORF 2 (Abg. Amesbauer: Ein Netflix-Abo ist günstiger!), der ORF bietet Inhalte in TV, Radio, auf orf.at und nahezu allen großen Social-Media-Plattformen.

Durch seinen gesetzlich festgeschriebenen Auftrag hat der ORF für die Allgemeinheit Sendungen zur Information, Unterhaltung und Bildung bereitzu­stellen. Das unterscheidet ihn von den Privaten, die im Grunde zeigen kön­nen, was sie wollen. Die können ihr Programm in erster Linie nach wirtschaftli­chen Gesichtspunkten gestalten. Themen wie Kunst, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Inklusion oder auch Volksgruppen würden ohne den ORF kaum Sicht­barkeit erhalten. (Abg. Deimek: Das ist falsch, das wissen Sie! Das ist grundle­gend falsch, aber das wissen Sie!)

Da muss ich schon sagen, Frau Steger, Ihre Rede ist leider komplett – ich weiß nicht – gespalten wieder einmal. Auf der einen Seite beschweren Sie sich über den ORF im Allgemeinen und dann beschweren Sie sich über die Beschnei­dung der Sportberichterstattung. Also wie jetzt? Das geht sich insgesamt nicht aus. Ebenso wie es sich nicht ausgeht, dass Sie sich wieder einmal nicht auskennen, was denn überhaupt im ORF-Gesetz drinnen steht und wer denn für allfällige Sparprogramme zuständig ist. Es ist nämlich ausschließlich der Stiftungsrat und nicht die Politik (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP) – der Stiftungsrat, bei dem Sie ja einen Verwandten haben, der da eigentlich sehr viel Erfahrung hat. Gerd Bacher hat einmal den Satz gesagt: „Privatsender brauchen Programm, um Geld zu machen. Öffentlich-rechtli­che Sender brauchen Geld, um Programm zu machen.“ – Der Wirt­schaftsstandort braucht den ORF. Der ORF ist nicht nur der größte und wichtigste Arbeitgeber am heimischen Medienmarkt, er ist auch der wichtigste, mit Abstand der größte Kooperationspartner und Auftraggeber der heimi­schen Film- und Musikwirtschaft. Ohne einen starken ORF würde die­sen Branchen eine wichtige Grundlage entzogen. Ich möchte ein paar Beispiele nennen.


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Beispiel Film: Der heimische Film hat gerade ein neues Anreizmodell erhalten, das so für Furore sorgt, dass es in Deutschland bald kopiert werden soll. Damit dieses Anreizmodell auch seine Wirkung entfalten kann, muss der ORF auch weiterhin seine Rolle wahrnehmen können.

Musik: Über die Musik-Charta verpflichtet sich der ORF seit Jahren dazu, heimische Produktionen im Hörfunk zu spielen. Das ist ein wesentlicher Faktor für die Musikbranche, die nur durch einen starken ORF gewährleistet ist. Ich sage ein paar Beispiele: Die Rolle von FM4 als erstem Förderer von großen heimischen Popkulturexporten wie Bilderbuch, Mavi Phoenix, Soap&Skin oder Ja, Panik ist unbestritten. Das RSO, das Radio-Symphonieorchester, wirkt an heimischen Filmproduktionen mit, kooperiert mit den Salzburger Fest­spielen, der Ars Electronica, dem Steirischen Herbst, den Wiener Festwochen oder auch Wien Modern.

ORF Sport plus: Das Programmangebot von ORF Sport plus steht gleichermaßen für Spitzen- wie Breitensport und bildet natürlich das nationale und interna­tionale Sportgeschehen in seiner ganzen Vielfalt ab. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Gleichberechtigung gelegt. Randsportarten, Behindertensport oder Frauen im Sport bekommen dadurch die Sichtbarkeit, die in ande­ren Medien oft fehlt. Diese Präsenz ist unverzichtbar für die Weiterentwicklung des Sports, die Attraktivierung des Sponsorings und erfolgreiche Karriere­wege heimischer Athletinnen und Athleten.

Auch die anderen Medien brauchen den ORF. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass ein schwacher ORF den privaten Medien nutzt. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt sehr viel belastbare, international erhobene Evidenz, dass der Medien­konsum insgesamt stark leidet, wenn es keinen relevanten öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. (Abg. Amesbauer: Mit Evidenz haben Sie ja nichts zu tun!) Letzt­lich braucht es den ORF auch für die Stabilität am Werbemarkt. Große Player wie Ö3 sind unersetzlich, wenn es darum geht, das Preisniveau für Werbe­buchungen zu halten. Das wissen und betonen auch private Sender wie zum Beispiel Kronehit. (Abg. Belakowitsch: Das fällt auch nur der Frau Maurer ein!)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist damit wohl deutlich geworden wie in vielen ganz anderen politischen Bereichen: Man sollte auch bei der Medienpolitik keinesfalls auf die Freiheitliche Partei hören. Sie konzentrieren sich lieber auf Propagandasender wie FPÖ TV, Russia Today und Fox News, wo Sie Radio Moskau rauf und runter spielen können, Ihre Propaganda, völlig faktenbefreit, wie Sie das in den letzten drei Jahren sehr deutlich gezeigt haben. (Abg. Belakowitsch: Passt schon! – Abg. Amesbauer: Schauen Sie sich die Umfragen an!)

Tatsache ist: Eine starke, unabhängige und freie Medienlandschaft – nicht so, wie sich das Heinz-Christian Strache in seinen SMS vorstellt – ist essenziell für eine demokratische Gesellschaft. (Abg. Belakowitsch: Auch nicht, wie Sie sich das vorstellen!) Ohne sie funktioniert es nicht, und da gehört der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Wird Zeit, dass die Grünen wieder aus dem Parlament fliegen! Reden Sie nur weiter! – Abg. Amesbauer: Besser ein Haus im Grünen als Grüne im Haus!)

16.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


16.03.06

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseher auch zu Hause vor den Bildschirmen! Wir leben in einer Zeit voller Desinforma­tion und Fakenews. Erst kürzlich hat ein Team von Investigativjournalisten herausgefunden, dass eine israelische Firma 27 internationale Wahlen manipu­liert haben will. Man muss aber nicht sehr weit in die Ferne schweifen, es reicht ein Blick nach Oberösterreich. Dort ist auf1.tv zu Hause, einer der erfolg­reichsten Kanäle für Verschwörungsmythen, der auch vor Kurzem sehr er­folgreich nach Deutschland expandiert ist. (Abg. Amesbauer: Habe ich schon ein


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Interview gegeben! Nicht schlecht! – Abg. Schallmeiner – in Richtung Abg. Amesbauer –: Ja, spricht für dich!)

Ich lese Ihnen einen Satz vor, der auf auf1.tv existiert: „Die neue Weltordnung, die immer mehr mit subtiler Gewaltandrohung von den öko-kommunisti­schen linken Globo-Homo-Eliten durchgesetzt werden soll, beinhaltet nicht nur die Corona-Plandemie und den Klimaschwindel, sondern auch die Trans­gender Ideologie.“ – Gesendet werden übrigens auch Inhalte von auf1.tv auf dem steirischen Sender RTV. Bei all dem ist die FPÖ immer herzlich gerne gesehen und zu Gast. Es sind aber nur zwei von vielen Beispielen, die verdeutli­chen, dass wir eine funktionierende Medienlandschaft in Österreich brau­chen. Wir brauchen Qualitätsmedien, wir brauchen eine Berichterstattung, bei der wir uns darauf verlassen können, dass das stimmt, was berichtet wird. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Belakowitsch: Das ist ja beim ORF ein bissel schwierig!)

Ja, Kollegin Belakowitsch, da kommt auch dem ORF eine tragende Rolle zu. Wir NEOS bekennen uns auch zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Öster­reich, wiewohl es uns der ORF wirklich nicht leicht macht. Erst gestern wurde die Vergabe von gut dotierten Posten im ORF veröffentlicht. Ich spreche jetzt von jenem Mitarbeiter, der sich, als er Nachrichtenchefredakteur war, gemeinsam mit dem damaligen – das haben Sie, Herr Hafenecker, ganz klug unter den Tisch fallen lassen – FPÖ-Vizekanzler in Chats diverse Postenver­gaben ausgemacht hat. Dieser musste ja dann seinen Posten räumen, aber er fällt sehr weich, er wird nämlich Leiter des Projekts Smart Producing. Vonseiten des ORF heißt es dazu: „Diese Innovationsposition evaluiert im Rahmen der ORF-Strukturreform moderne, kostensenkende Produktionsme­thoden sowohl für bestehende als auch künftige multimediale Programm­initiativen.“ – Ich habe wirklich keine Ahnung, was das für ein Job ist, aber es klingt definitiv nicht nach einer Verschlechterung.

Weiteres Beispiel: Der ehemalige ORF-Niederösterreich-Landesdirektor, der Redakteure massiv unter Druck gesetzt hat, massiv für die ÖVP interveniert hat, wechselt jetzt zu „Licht ins Dunkel“. Ja, das ist auch ein gutes Stichwort,


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denn Licht ins Dunkel sollte es auch bei dem Bericht jener Kommission geben, die diese ganzen Vorgänge untersucht hat, aber der Bericht ist Geheimsache und liegt in der Generaldirektion.

Diese Botschaften sind fatal, weil das heißt, man kann beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen, was immer man möchte, es hat überhaupt keine Konsequenzen. Und das ist höchst irritierend. Entschuldigen Sie: Warum sollen wir alle den ORF mitfinanzieren und dieses Verhalten mit unserem Geld sponsern? Das darf einfach nicht sein. (Beifall bei den NEOS.)

Damit beschädigt sich der ORF und jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jeden Tag exzellent arbeiten, einfach auch massiv selbst. Er ist dabei aber nicht alleine, auch unsere Regierung arbeitet hart daran, den ORF zu delegitimie­ren. Frau Medienministerin, Sie haben jetzt sieben Monate gebraucht, um das Erkenntnis des VfGH mit einer Überschrift umzusetzen. Wir brauchen eine Neufinanzierung des ORF, ja, aber sieben Monate lang ist einfach nichts passiert. Nichts! Das Einzige, das wir jetzt hören, ist: Na das Geld wächst nicht auf den Bäumen. Wir brauchen einen ORF-Rabatt. – Entschuldigung, wir sind ja hier nicht bei Raabs Resterampe. So kann man doch einfach nicht spre­chen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk!

Mit der Haushaltsabgabe steht jetzt einmal eine Überschrift im Raum. Alle weiterführenden Fragen bleiben unbeantwortet, außer dass Sie sagen, Frau Mi­nisterin, es habe so einen großen Stillstand in der Medienpolitik gegeben und Sie würden jetzt diesem Stillstand entgegentreten. Ich möchte daran erin­nern, dass es Sebastian Kurz war, der von 2020 bis 2021 der zuständige Medienminister war, und davor war es Blümel als Staatssekretär von 2017 bis 2019. Also ich weiß nicht, ob Sie sich gerade selbst von dieser vorherigen Regierung distanzieren. (Beifall bei den NEOS.)

Ja – um Kollegen Leichtfried zu zitieren, der Kollegin Neßler zitiert hat –, dieser FPÖ-Antrag ist grindig. Er ist grindig! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Abg. Amesbauer: Schon wieder! Das darf man einfach nicht


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sagen! – Abg. Leichtfried – in Richtung Abg. Amesbauer –: Das ist ja nur ein Zitat!) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, Sie haben ja auch ei­nen Punkt drinnen: Es kann nicht sein, dass wir jetzt über eine ORF-Finan­zierung sprechen, ohne wirklich ganz grundlegende Fragen vorher zu klären. (Beifall bei den NEOS.) Wir müssen uns die Frage stellen: Was ist denn eigent­lich der öffentlich-rechtliche Auftrag im Jahr 2023 und darüber hinaus? Wie soll denn ein ORF der Zukunft aussehen?

Ich möchte daran erinnern, was die Aufgabe des ORF ist: Er muss ein differenziertes Gesamtprogramm von Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für alle anbieten, er muss Vielfalt bieten, er muss die Interessen der Hörerinnen und Seher abbilden, er muss ausgewogen berichten. Das wäre einmal, recht schwammig formuliert, ein Kernauftrag, aber wir müssen uns zusammensetzen, und zwar gemeinsam mit der Zivilbevölkerung, und in einem ordentlichen Prozess einfach einmal klären: Was ist heute der Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Was soll er leisten? Was soll er können? Was ist nicht seine Aufgabe? Was können andere deutlich besser leisten?

Wir wissen derzeit einfach nicht mehr, was die Aufgabe eines Öffentlich-Rechtlichen ist. Diese Fragestellungen werden ja eigentlich auch von den Verantwortlichen gemieden. Wir hören einfach nur ein Buzzword-Bingo von Ihnen, und das führt dann dazu, dass totales Chaos ausbricht. Im Augenblick schreien alle nur mehr durcheinander: Das RSO muss erhalten bleiben – nein, das RSO ist nur etwas für Eliten! Sport plus muss erhalten bleiben – nein, das braucht niemand! Es herrscht totales Chaos, es herrscht totale Verun­sicherung und es herrscht seitens der Politik maximale Beschädigung des öffent­lich-rechtlichen Rundfunks. (Beifall bei den NEOS.)

Dann haben wir aber auch im ORF einen Generaldirektor von Gnaden der ÖVP, der keine Worte zu formulieren vermag: Warum braucht es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?, Warum braucht es sein Haus?, der sich auch nicht hinter seine Redakteurinnen und Redakteure, hinter seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt.


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Es fehlt also jede – jede! – ernsthafte Debatte über den ORF. Das ist aber die Basis, das müssen wir klären. Wir müssen den öffentlich-rechtlichen Auf­trag klären, und wenn wir das gemacht haben, dann brauchen wir eine Gremienreform. Wir müssen den ORF zwingend, umgehend und sofort entpolitisieren. Wir müssen beispielsweise das Anhörungsrecht der Lan­deshauptleute abschaffen. Es sitzen hier ja auch einige junge Leute: Stellt euch einmal vor, ihr bewerbt euch für einen Job, es ist ein interessantes Ge­spräch, und plötzlich sitzt da der Landeshauptmann und redet ein Wörtchen mit – das ist ja völlig absurd – und fragt: Na, welche Partei wählen wir denn? Passt denn das in unser Programm? (Abg. Zarits: Sind wir lustig heute?!) Das darf heute einfach nicht mehr sein. (Beifall bei den NEOS.)

Dann kommt hinzu, dass die Ministerin die zukünftige Finanzierung des ORF, nämlich mit dem Schlagwort Haushaltsabgabe, öffentlich auch dem Koali­tionspartner ausrichtet, ohne vorher mit ihm darüber gesprochen zu haben – das ist natürlich auch ganz alter Stil. Gleichzeitig bleibt der ORF mit der Länder­abgabe, die es weiterhin geben soll, auch weiterhin das Inkassobüro für sieben von neun Bundesländern.

Ich fasse also zusammen: Es bleibt alles, wie es ist. Es gibt keine Reform der Gremien. Die Medienministerin hat es schon ausgerichtet: Eine Gremienreform steht nicht im Regierungsübereinkommen, deshalb macht man es nicht. Es gibt keine Strategie zur Reduktion politischer Abhängigkeiten, keine Maßnahmen für ein Mindestmaß an Transparenz, keine Diskussion darüber, wie der ORF in die gesamte Medienlandschaft Österreichs passt, nichts darüber, was er kann, was er soll und was er darf.

Das ist keine Medienpolitik, das ist Fortführung von Stillstand. Das ist eine bewusste Weiterführung der Abhängigkeit des ORF von der Politik. Hier werden weiterhin mit Sidelettern Posten ausgedealt werden, es wird weiterhin keine Gremienreform geben.


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Es gibt ja auch im ORF Menschen, die aufstehen und sich dagegen wehren, es gibt genügend Stellungnahmen seitens des Redakteursrates, aber das verfängt sich anscheinend nicht in der Politik, da agiert man planlos, und das lässt ja auch die Medienexperten und -expertinnen dieses Landes ratlos zu­rück. Man fragt sich schon, was denn eigentlich das Ziel dieser ganzen Übung ist, ob da nicht einfach der ORF weiterhin geschwächt werden soll, der General­direktor sturmreif geschossen werden soll, und dann hat man einfach noch mehr Durchgriffsrecht im Öffentlich-Rechtlichen – und das gilt es auch zu verhin­dern! (Beifall bei den NEOS.)

16.12

16.12.49Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich bekannt geben, dass die Abgeordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung einen Antrag, 5/US, auf Ein­setzung eines Untersuchungsausschusses betreffend „die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses [...] zur Untersuchung der politischen Verantwortung in Zusammenhang mit sämtlichen Corona-Maßnahmen zur tatsächlichen oder vorgeblichen Bekämpfung der Covid-19-Pandemie im Zeitraum vom 7. Jän­ner 2020 bis zum 28. Juni 2022“ eingebracht haben.

Dieser wird gemäß § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung an alle Abgeordneten verteilt.

Die Zuweisung des gegenständlichen Antrages an den Geschäftsordnungs­ausschuss erfolgt dann gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung am Schluss dieser Sitzung.

16.13.33Fortsetzung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Jetzt gelangt Abgeordneter Spalt zu Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.



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16.13.44

Abgeordneter Thomas Spalt (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Abgeordnete! Hohes Haus! Vielleicht vorweg: Kollege Leichtfried hat vorhin gemeint, die FPÖ wolle den ORF zerschlagen, aber – an Sie, Kollege Leichtfried, aber auch an Kol­legin Maurer – zwischen Zerschlagen und der Forderung nach objektiver Be­richterstattung und Sparsamkeit ist ein riesenriesengroßer Unterschied. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass gerade objektive Berichterstattung und Sparsamkeit nicht unbedingt die Topsteckenpferde der Sozialdemokratie und der Grünen sind, das wissen wir auch hier in diesem Haus. (Abg. Leichtfried: Wie war das in Graz: 700 000 Euro!? Erklären Sie das einmal! – Abg. Egger: Leider ist er aus Vorarlberg!)

Geschätzte Damen und Herren! Die Bundesregierung versucht wieder und wieder, den schwarz-grünen Belastungsstrick enger und enger um den Hals der österreichischen Bevölkerung zu spannen. (Abg. Leichtfried: Der Klubdi­rektor zahlt 700 000 Euro präventiv zurück? Das ist auch sehr sparsam! – Heiterkeit des Abg. Egger.) Wir haben es heute schon gehört: Rund 676 Millionen Euro wird der ORF im Jahr 2023 einnehmen – 676 Millionen Euro, geschätzte Damen und Herren, bei denen sich der österreichische Bürger zu Recht fragt: Warum soll ich das bezahlen?

Zu diesen 676 Millionen Euro kommen aber noch neben sonstigen Umsatzer­lösen – wir haben es gehört: rund 130 Millionen – die Werbeeinnahmen von rund 217 Millionen Euro. Nun ja, man könnte gerade bei den 217 Millionen Euro an Werbeeinnahmen meinen, dass da wirtschaftlich gehandelt wird – Kollegin Maurer hat es vorhin angesprochen – beziehungsweise da auch der öf­fentliche Auftrag wahrgenommen wird. Auch das gilt es aber zu hinterfragen.

Als aktuelles Beispiel müssen wir da die Werbeeinschaltung zur Abschaffung der kalten Progression erwähnen. Geschätzte Kollegen der Regierungsfraktionen, vielleicht kann einmal jemand den österreichischen Bürgern erklären, warum für


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eine Sache, die ja sowieso jedem ohne jegliches Zutun zugutekommt, mit Steuergeld Werbung im ORF geschalten wird (Zwischenruf des Abg. Zorba) – wo­bei vielleicht „zugutekommt“ da nicht ganz richtig ist, denn eigentlich müsste die Werbeeinschaltung lauten: Tausche kalte Progression gegen Inflation, Ihre Bundesregierung!

Damit sind wir auch schon bei einem weiteren wichtigen Punkt: In Zeiten von Rekordinflation, wenn Mieten durch die Decke schießen, Heiz- und Stromkosten nicht mehr bezahlt werden können, der tägliche Einkauf von Grundnahrungs­mitteln für viele einfach nicht mehr bezahlbar ist, der österreichischen Be­völkerung als Zusatzbelastung eine Zwangssteuer aufs Auge zu drücken, das versteht in Wahrheit niemand, geschätzte Kollegen von Schwarz-Grün!

Neben all den bereits erwähnten Themen von Managermillionen, Luxuspen­sionen, aber auch den 100 Millionen Euro an sonstigen Rückstellungen, wobei anscheinend niemand genau weiß, wofür diese 100 Millionen da sind, ist mir ein Thema noch besonders wichtig: das Thema Kultur.

Zum einen gibt es da seit Jahren eine bestimmte Berichterstattungskultur, die sich beim ORF etabliert hat. Gerade in den letzten Jahren, insbesondere zum Thema Pandemie und Impfpflicht, vermissen viele Österreicher eine neutrale Berichterstattung, wie sie einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk anstehen würde. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum anderen, geschätzte Kollegen, die Kulturthemen an sich: Viele Österreicher wissen zum Beispiel gar nicht, dass sie sich über ihre Gebühren ein Radio-Symphonieorchester leisten. Es geht mir aber nicht darum, das Radio-Sympho­nieorchester schlechtzureden – in gewisser Hinsicht hat es seine
Berechtigung –, sondern darum, dass wir in Wahrheit seit Jahren eine Zweiklas­senkulturberichterstattung erleben. So wird zum Beispiel stundenlang live über den Opernball berichtet. – Ja, der Opernball gehört zur österreichischen Kultur und braucht diese Berichterstattung, ist aber auch das perfekte Beispiel für diese Zweiklassenkulturberichterstattung.


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Der große Teil der Berichterstattung über Kultur zeigt leider eine Kultur, die sich nur ein ganz, ganz kleiner Teil der österreichischen Bevölkerung leisten kann. Dagegen ist jedoch der große Teil unserer österreichischen Kultur, die Volkskul­tur und die Kultur der breiten Masse, wenn überhaupt, nur mit einem sehr, sehr kleinen Anteil vertreten. Auch das, geschätzte Damen und Herren, ist für mich der Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders: nicht nur über eine Kultur von gewissen Privilegierten zu berichten, sondern sich auch der Volkskultur anzunehmen, zumal gerade im Bereich der Volkskultur von meist sogar ehrenamtlichen Kunst- und Kulturschaffenden ein wichtiger Beitrag zum Funk­tionieren des Zusammenlebens hier in Österreich geleistet wird.

Geschätzte Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sagen ganz klar Nein zu dieser neuen geplanten Zwangsabgabe. Geschätzte Mitglieder der Bun­desregierung, gehen Sie noch einmal in sich! Hören Sie auf die österreichische Bevölkerung! Hören Sie auf die österreichischen Steuerzahler und nehmen Sie Abstand von der Einführung dieser neuen ORF-Zwangsgebühr! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Belakowitsch – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Abg. Spalt –: Du musst uns auch klatschen lassen! Du musst auch manchmal Pausen machen!)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Großbauer. – Bitte sehr.


16.19.26

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Österreich ist ein Musikland – das zeigt und beweist auch diese heftige Diskussion um das Radio-Symphonie­orchester ganz eindeutig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Generaldirektor Weißmann! Diese heftige Diskussion ist eigentlich irgend­wie auch beruhigend, denn in Österreich kann man nicht einfach so flapsig


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dahinsagen, dass man ein wichtiges Orchester einsparen will; auch kein General­direktor des ORF – das weiß man. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ORF Radio-Symphonieorchester ist nicht nur Thema in Österreich, es beschäftigt sozusagen mittlerweile ganz Europa, man diskutiert über diese wun­derliche Idee des Generaldirektors. „Wir [...] sind entsetzt“, sagen Münchner Orchester in einer gemeinsamen Aussendung. „Kein anderer österreichi­scher Klangkörper verschreibt sich mit auch nur annähernd vergleichbarer Ex­pertise und Leidenschaft der aktuellen Musik“, heißt es in einer Stellung­nahme der acht österreichischen Landesorchester. Dirigent Franz Welser-Möst sagt, das „Musikland Österreich wird [...] zu einem Witz, der nicht lustig ist.“ Helga Rabl-Stadler sagt: „Ich hoffe, dass [...] Österreich gegen diese Schließung aufsteht“. Otto Schenk sagt: Das Orchester „[...] aufzulösen wäre so, als wür­den wir unsere Geigen einheizen.“

Ich sage, sie alle haben recht. Das ORF Radio-Symphonieorchester ist ein fantas­tisches Orchester, es widmet sich der zeitgenössischen Musik, mit unzähli­gen Ur- und Erstaufführungen schreibt es sozusagen europäische Musik­geschichte fort.

Der ORF muss bestimmt sparen (Abg. Leichtfried: War das nicht eure Idee?), aber ich glaube, nicht in der Kultur – weder beim Orchester noch, wie ich finde, bei ORF III. Er muss eine langfristige und stabile Lösung für dieses wunderbare Orchester finden, denn diese Diskussion, die immer wieder kommt, kann man eigentlich vernachlässigen. Es wurde schon einmal die ORF-Bigband einge­spart, es gab auch einmal einen ORF-Chor. Notabene: Der ARD hat im Üb­rigen 16 Ensembles und Orchester.

Der ORF muss sich schon auch bewusst sein, welche Sendungen und Pro­duktionen die mit Abstand meistgesehenen sind. Das sind Sendungen zum Thema Kultur und Sport. Die meistgesehene Sendung des ORF im Jahr ist


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das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, es wird in 95 Länder die­ser Welt übertragen, wird von über 60 Millionen Menschen gesehen. – Das ist so.

Im Übrigen, Kollege Spalt von der FPÖ: Es gibt auch sehr viel Volkskultur in den Regionalradios, in den Bundeslandsendungen. Das ist ja etwas ganz Wert­volles und Wichtiges und findet – aus meiner Sicht – auch statt.

Ich möchte zu diesem wichtigen Punkt, dass Österreich – und damit auch der ORF – zu unserer Identität, aber auch zu unserem Image in der Welt bei­trägt, kurz Außenminister Schallenberg zitieren, der letzte Woche anlässlich 50 Jahre Auslandskultur gesagt hat: „Kultur ist zentrales Element unse­rer internationalen Soft Power und gerade jetzt“ – in diesen Zeiten – „brauchen wir diese Soft Power [...]. Dabei ist und bleibt Kultur unsere verbindende Konstante.“

Weil im Zusammenhang mit dem ORF auch immer wieder die Stichworte Digitalisierung und Streaming fallen: Ich sage, in einer digitalen Welt brauchen wir auch stark das Analoge, das ist extrem wichtig. Da muss ich auch wie­der meinen Lieblingssatz hervorholen: Kunst ist wie Küssen, das muss man auch spüren, live und echt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nun aber zurück zu den Gesetzen: In § 4 ORF-Gesetz ist der öffentlich-rechtli­che Kernauftrag ganz klar verankert. Es gibt einen ganz klaren gesetzlichen Bildungs- und Kulturauftrag und in mehr als der Hälfte aller Punkte kommen die Wörter Kultur oder Bildung vor, des Weiteren die Begriffe „österreichische Identität“, „kulturelle Eigenständigkeit Österreichs“, „regionale Identitäten“, viel­fältige, kreative Produktion, „Unverwechselbarkeit“, „hohe Qualität“.

Dass es ein neues Finanzierungsmodell für den ORF braucht, ist keine Erfindung der Bundesregierung und auch nicht der Medienministerin, der ORF selbst hat beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag zum Thema Finanzierung einge­bracht. Niemand hat dem ORF vorgeschrieben, was er sparen soll, sondern


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nur, dass er besser wirtschaften muss. Ganz ehrlich: Bei einem Jahresbudget von 1 Milliarde Euro machen die 10 Millionen Euro für das Orchester genau 1 Pro­zent aus.

Zum Schluss: Beim Einzug hier ins neu renovierte Parlament ist mir eine histori­sche Abbildung untergekommen, auf der zu sehen ist, wie Abgeordnete im Bundesversammlungssaal Obstruktion, also Störung, mit Musikinstrumenten verüben. Herr ORF-Generaldirektor! Ich habe jetzt aufgrund der Dringlich­keit dieser Debatte leider heute hier kein Instrument parat, aber ich glaube, eini­ge Abgeordnete und auch die versammelte Kultur Österreichs haben Ihnen in den letzten Tagen ziemlich den Marsch geblasen, und ich hoffe, Sie haben das auch gehört. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


16.24.35

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Zum Glück sind ja Geschmäcker verschieden, und so hoffen wir doch, dass, wenn wir ORF 1, 2 oder III schauen oder einen Hör­funksender hören, doch für jeden und jede von uns etwas dabei ist.

Frau Bundesministerin! Wenn Sie jetzt den Vorschlag getätigt haben, es müssten rund 300 Millionen Euro eingespart werden, denn für den ORF wachse das Geld nicht auf den Bäumen, so sind das fast 40 Prozent der jetzigen GIS-Gebühren. Gleichzeitig, Frau Bundesministerin, haben Sie zu Recht gesagt, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF klar definiert ist, dass man aber den Content, den Inhalt österreichischer Produktionen im Vordergrund haben soll.

Das heißt, 300 Millionen Euro einzusparen, eine Haushaltsabgabe anzudenken, von der wir noch nicht wissen, wie sie aussieht, und es für die Seher:innen, die Hörer:innen günstiger zu machen, dagegen haben wir nichts. Wir wissen aber


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nicht genau, was gemeint ist, denn gleichzeitig sagen Sie – Ihre Äußerungen waren ein bisschen gespalten–, dass die Qualität erhalten bleiben muss, nein, noch gesteigert werden sollte und dass wir den ORF in die Zukunft füh­ren müssen. Also ganz kenne ich mich nicht aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wiederhole vielleicht einiges, was vorher schon gesagt wurde, ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen, dass der Informationsauftrag, der Bil­dungsauftrag, der Unterhaltungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nur uns alle angeht, sondern wir alle auch davon profitieren. Der ORF als der größte Arbeitgeber der Kreativwirtschaft in Österreich sieht sich natürlich gefährdet, obwohl – jetzt bin ich nicht die Schutzherrin des ORF – seit Jahren jede dritte und vierte Pensionierung eingespart wird und es dadurch schon auch dazu kommt, dass man junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr, sehr gut ausgebildet sind, zum Teil unter sehr schlechten Bedingungen, wenn überhaupt, anstellt – beschäftigt, würde ich sagen.

Oft kommt es zu Kettenverträgen, die wir zutiefst ablehnen, von denen wir glauben, dass sich das junge, gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verdient haben. Das heißt, es gehört im ORF schon etwas getan, aber gleichzeitig 300 Millionen Euro Einsparvorgabe zu machen und auch zu sagen, wir müssen dem Auftrag gerecht werden, da bin ich schon neugierig auf Ihre konkreten Vorschläge, Frau Bundesministerin.

Das wurde auch schon gesagt: Der ORF spiegelt ja jetzt schon analog eine enorme Vielfalt wider, braucht aber aufgrund des Verfassungsgerichts­hoferkenntnisses auch die Breite in der Digitalisierung, um genau dieser Vielfalt an Fakenews, denen wir auch ausgesetzt sind, entgegenhalten zu können, und ich glaube, wir brauchen das auch im Austausch mit dem Publikum. Ich glaube, dass es einseitig ist, zu sagen, jetzt machen wir das so, und ein paar Überschriften hinzuwerfen.


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Frau Bundesministerin! Übrigens kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Ihr Vorschlag für einige Medienwissenschafter und -wissen­schafterinnen nicht nur befremdend war, sondern zum Teil als dilettantisch und unüberlegt bezeichnet wurde. Wir sind sehr gespannt darauf, wenn Sie hier konkreter werden.

Was will ich damit sagen? – Um in der ganzen Breite mit der Digitalisierung diesen Fakenews entgegenzuhalten, braucht es auf jeden Fall auch die­sen Zusatzauftrag des ORF, dass er auch im Internet und im Streamingbereich erweiterte Dinge anbieten kann, das ist klar, denn nicht nur junge Mitar­beiter:innen wollen im ORF gut behandelt werden, es gibt auch das junge Pu­blikum, das wahrscheinlich nicht mehr ORF 1, 2 aufdreht, sondern sich ganz anders informiert. Wir haben aber sehr wohl gesehen, dass es während der Pandemie ganz wichtig war, dass sich junge Leute ganz konkret und ganz schnell informieren konnten, aber eben anders, als wir Älteren das vielleicht ge­wohnt waren.

Wir brauchen den ORF als multimediales Plattformunternehmen, und dafür braucht es schon eine gute Absicherung. Das Radio-Symphonieorchester ist ja nicht zum ersten Mal genannt worden, die Frau Kollegin hat es jetzt auch sehr ausführlich von der Bedeutung her erwähnt. Ja, wir haben einen Antrag formuliert, ich bin ja gerne dazu bereit, wenn wir alle einen Antrag auf Erhalt des Radio-Symphonieorchesters unterschreiben können, ihn gemeinsam einzu­bringen und im nächsten Kulturausschuss zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Weratschnig.)

Der ORF ist der Gesellschaft verpflichtet, uns allen verpflichtet und nicht Aktionären, wie es manche Privatsender – ich sage nur Stichwort Berlusconi – in anderen Ländern oder auch in Österreich sind. Puls 4 und so weiter gehören ja zum Teil auch in diese Gruppe.

Ich glaube, wichtig ist, dass die Debatte sich nicht ausschließlich darum drehen darf: Welche Sendungen kann ich einsparen, welche Sender kann ich redu­zieren?, denn die Debatte um Ö1, um Österreich 1, um FM4 hat ja schon vorigen


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Oktober begonnen – vielleicht noch früher, aber damals habe ich sie dann wahrgenommen –, und ich habe damals vorgeschlagen: Könnte man nicht ein immaterielles Kulturerbe der Unesco daraus machen, damit wir diese Sen­der erhalten? – Das heißt nicht, dass sie genau so bleiben müssen, wie sie sind, das heißt aber auch nicht, dass wir sie so mir nichts, dir nichts einsparen können.

Das Radio-Symphonieorchester ist mir genauso wichtig wie zum Beispiel die österreichische Filmwirtschaft. Wir sind so stolz auf den österreichischen Film, und ja, es gibt jetzt Zusatzgelder, aber trotzdem hängen daran Tausende Arbeitsverhältnisse, und die offenen Briefe von Film Austria, der offene Aufruf von mindestens jetzt schon 800 Künstlerinnen und Künstlern an die Bun­desregierung, aber auch eine Petition zum Erhalt des RSO mit 77 000 Unter­schriften sprechen ja schon auch eine sehr deutliche Sprache, nämlich da­für, dass wir endlich ins Reden und Diskutieren darüber kommen, wie wir uns den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Zukunft vorstellen, unter Einbin­dung möglichst vieler, die ihn auch konsumieren. (Beifall bei der SPÖ.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weratschnig. – Bitte.


16.31.34

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Abgeordnete! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Es freut mich, dass es jetzt auch viele Zuseherinnen und Zuseher live auf ORF III gibt, die sich für die Nationalratssitzung entschie­den haben, die jetzt neben der Liveübertragung der Snowboard- und Ski-Free­style-WM auf ORF 1 und auf der anderen Seite der „Barbara Karlich Show“ mit dem Titel „Mut zur Veränderung“ auf ORF 2 zu sehen ist.

Mut zur Veränderung braucht es auch hier im Hohen Haus, Mut zur Verände­rung braucht es auch hier in der Debatte und natürlich auch beim ORF, und da sind wir, glaube ich, alle gefordert, diese Veränderung im Sinne des


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öffentlichen Auftrages weiterzuentwickeln. Das ist unsere Aufgabe. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der ORF besteht aber nicht nur aus drei Sendern, sondern – es ist heute schon oftmals gesagt worden – 6,4 Millionen Menschen nutzen das Angebot des öffentlichen Rundfunks täglich, ob das die Radiosender sind, ob das FM4 ist, ob das Interviews, Hörspiele, Ö1, Ö3, zeitgenössische Schwerpunkte, Doku­mentationen sind – eine Reihe von Dingen, von denen ich glaube und davon überzeugt bin, dass sie genau in diesen öffentlichen Auftrag hineinspielen.

Der ORF, insbesondere auch ORF III, ist ein Bilderbuch der österreichischen Ge­schichte, der österreichischen Gesellschaft, der österreichischen Identität. Gerade gestern konnte ich am Abend eine sehr interessante Folge der Serie „Er­be Österreich“ mitverfolgen, bei der es um historische Plätze, um histori­sche Gebäude gegangen ist. Der öffentliche Rundfunk stärkt unser kulturelles Österreich. Der ORF stärkt unser Kulturbewusstsein, macht Österreich auch interessant für den Tourismus aus aller Welt – insbesondere auch durch die Sportsendungen –, stiftet Identität, gerade im Bereich der Landesstudios, der regionalen Schwerpunkte; hier wird auch Volkskultur gelebt, übertragen und den Menschen nähergebracht.

Werte Abgeordnete, der ORF hat auch eine ganz klare Aufgabe in der Vermitt­lung und als Sprachrohr für die Volksgruppen in unserer Republik, einen klaren Auftrag in der Bildung. Das ist zu unterstützen, da haben wir, glaube ich, zusammenzuhalten und den ORF und unseren öffentlichen Auftrag auch zu stützen.

Werte Abgeordnete – und das sage ich jetzt als Zuschauer für alle Zuschau­er:innen –, natürlich hat es auch eine Qualität, einen Film im ORF ohne ständige Werbeunterbrechungen anzuschauen. Auch das ist ein Wert eines öffentli­chen Rundfunks; ebenso wie ein Radio-Symphonieorchester mit internationalem Renommee zu haben – ausgebucht, gefragt und weltweit geschätzt. An die­ser Stelle auch Gratulation an das Dirigat Marin Alsop, an sie als erste Frau am


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Pult, und auch Gratulation an ihr gesamtes Team! (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Heinisch-Hosek.)

Die Radiosymphonie ist für die Zukunft abzusichern. Das muss gemeinsame Aufgabe sein, unabhängig davon, wie viel hier auch der ORF mitspielt. Ich glaube aber, dass die Radiosymphonie auch dem ORF guttut und auch für den ORF einen Mehrwert bedeutet.

Werte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen und hier im Haus! Das, was uns lieb geworden ist – und das festzuhalten ist, glaube ich, ganz wich­tig, weil wir heute so einige Beiträge der FPÖ gehört haben –, will die FPÖ zerschlagen. Das muss man hier ganz deutlich auch zur Sprache bringen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das, was unserer Heimat guttut, was unsere Heimat ausmacht, wollt ihr verscherbeln, will die FPÖ auf Grundlage von Kooperationen, von spendenfreudigen Firmen verscherbeln und diesen öffentlichen Auftrag unterminieren. – Das wollen wir nicht!

Wir unterstützen diesen öffentlichen Auftrag. Solange es Grüne in der Regierung gibt, wird es auch ein klares Ziel für uns Grüne sein, diesen öffentlichen Auftrag des unabhängigen ORF zu erhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Werte Abgeordnete, der ORF hat gespart, der ORF hat in den letzten fünf Jah­ren gespart: circa eine halbe Milliarde Euro, 200 Millionen Euro beim Per­sonalaufwand – niedrigster Lohnabschluss (Abg. Belakowitsch: Sind die großartig!); in den letzten 15 Jahren wurden 25 Prozent der Mitarbeiter:innen nicht mehr nachbesetzt. Es wurde da viel getan, das muss man ganz klar und deutlich sagen. (Abg. Belakowitsch: Bei den jetzigen prekären Verhältnissen arbeiten ...!) Natürlich gibt es auch weitere Potenziale, und ich glaube auch, dass wir über Ga­gen und Strukturen im ORF auch transparent und öffentlich diskutieren und reden müssen.

Ja, liebe NEOS, der ORF gehört in einigen Bereichen auch noch viel mehr ent­politisiert, da gebe ich euch vollkommen recht (Beifall der Abgeordneten


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Hoyos-Trauttmansdorff, Krisper und Scherak), aber trotzdem braucht es eine politische Verantwortung – eine politische Verantwortung in einem öffentlichen Auftrag. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Aber die politische Verantwortung heißt ...!) Das ist keine alleinige Expertenfrage, sondern das ist eine politische Aufgabe, genauso wie auch die Finanzierung letztendlich eine politische Aufgabe ist. (Abg. Scherak: Wo ist ... eine politische Aufgabe?)

Weder die Österreicherinnen und Österreicher noch der Stiftungsrat noch die Politik haben etwas davon, dass wir den ORF zerschlagen. Und schon gar nicht kann es darum gehen, ihn einem Wettbewerb auszusetzen und anderen Privatsendern anzugleichen, sodass wir alle dann im selben Teich fischen. Wir wollen, glaube ich, nicht mehr Soap-Operas aus Übersee, und wir brauchen nicht noch mehr Talkshows und andere Verkaufssendungen.

Entweder budgetfinanziert oder auf der Grundlage einer Haushaltsabgabe, wie auch die Ministerin heute bereits erwähnt hat: fair, günstiger, einfach und für alle. Wir leben auch alle hier in Österreich, und das tun wir gerne, das tun wir mit Freude (Abg. Deimek: Und zahlen auch gerne für die ...!) und auch mit ein wenig Stolz auf unser Land der Kulturen, auf unsere Künstler:innen und Sport­ler:innen. Auf jeden Fall: Glück auf – auf einen öffentlichen, rechtlich unab­hängigen ORF! Ich wünsche ihm das Allerbeste, und wir alle sind gefordert, alles daranzusetzen, dass wir den ORF auch dementsprechend erhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte sehr.


16.38.50

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie oder in den diversen digitalen Medienangeboten des ORF! Insbesondere natürlich auch herzlich willkommen alle Kolleginnen und


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Kollegen! Wir haben bei der Rede von Kollegen Weratschnig gerade wunder­bar die Doppelmoral der Grünen gesehen (Wah-Rufe bei den Grünen), in einer Art und Weise, wie man das selten sieht. Bei den Grünen ist es nämlich immer so: Wenn die anderen etwas machen, dann ist es ganz, ganz böse, wenn man es aber selber macht – wie beispielsweise Herrn Lockl in einem Sideletter zum Vorsit­zenden beim ORF zu machen –, dann ist das ganz normal und dann ist das natür­lich redlich, denn wir sind ja die Grünen und wir wissen es besser und ma­chen es besser. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Darüber hinaus, Herr Kollege Weratschnig: Sie haben gesagt, es gibt eine politische Verantwortung und eine politische Aufgabe. Jetzt erklären Sie mir ein­mal, wo im unabhängigen Journalismus die politische Verantwortung und wo die politische Aufgabe ist! Wie geht das für Sie zusammen? Wie geht es für Sie zusammen, dass ein ORF-Landeschef von einem Landeshauptmann mitausgewählt wird? Das ist nämlich genau das, was die politische Verantwor­tung macht. Das ist genau die Nichtunabhängigkeit des ORF, die eben ein Problem ist, wobei die Grünen hier leider nicht hilfreich sind. Und das sehen wir regelmäßig. (Beifall bei den NEOS.)

Damit sind wir schon beim Kern der Debatte, die wir eigentlich heute hier führen sollten. Der Kern der Debatte ist: Wie bringen wir den ORF weiter? Kollegin Brandstötter hat das gerade schon ausgeführt. Da ist einer der zentralen Punkte natürlich die politische Unabhängigkeit. Wenn sich jetzt jemand hierherstellt und sagt, na ja, das ist alles super, dann muss man sich ganz ehrlich die Frage stellen, was er die letzten Jahre und Jahrzehnte gemacht hat. Der ORF wurde nämlich leider durch und durch politisiert, von allen Parteien – ob das die ÖVP ist, die das regelmäßig macht, ob das die SPÖ war, aber auch die FPÖ, und bei den Grünen habe ich es schon angesprochen.

Schauen wir uns den Stiftungsrat an! Der Stiftungsrat ist in Freundschaftskreise eingeteilt. Was passiert dort? Es wird im Vorhinein mit Entscheidern hier aus dem Nationalrat, aus den Parteigremien heraus politisch abgestimmt, wie die


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Dinge im ORF passieren sollen, wer bestellt werden soll, et cetera. Das kann doch nicht ein unabhängiger ORF sein!

Die einzige Stiftungsrätin, die unabhängig bestellt wurde, ist die von NEOS. Da hat es eine Ausschreibung gegeben, und wir haben hier eine international renommierte Expertin gefunden (Abg. Steger: Der Haselsteiner war vorher auch ganz unabhängig!), die gesagt hat, sie will das machen. Die ist nicht Parteimitglied und hat auch darüber hinaus mit uns nichts zu tun. (Beifall bei den NEOS.)

Das ist, glaube ich, der Weg, den wir gehen müssen, um den ORF zu entpolitisieren. Sonst passiert das, was wir in der letzten Koalition zwischen Schwarz und Blau gesehen haben. Die Sache mit Strache wurde schon angesprochen. Wir haben damals an vielen Beispielen gesehen, wie die schwarz-blaue Regierung in den ORF hineinregiert hat, aber ein besonderes Zuckerl war das Fitnessprogramm, das H.-C. Strache präsentiert hat. Wo ist bitte der Mehrwert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn der Vizekanzler zeigt, wie er ins Fitnessstudio geht, und dafür 15 Minuten zur besten Sendezeit bekommt? Das kann nur politisch beauftragt sein. Genau so hat die FPÖ damals in der Zeit agiert. (Beifall bei den NEOS.)

Über die ÖVP und darüber, wie das bei der niederösterreichischen Landtagswahl war, wurde schon gesprochen. Auch das ist so ein Zuckerl, ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark die Politik nach wie vor in den ORF eingreift.

Da gibt es eine Untersuchungskommission, die sich die Vorfälle rund um den ORF in Niederösterreich anschaut. Wir haben alles schon gehört, was da­zu wichtig ist. Und wann wurde dieser Bericht veröffentlicht? – Einen Tag nach der Wahl, einen Tag nach dem Wahlergebnis! Wer hier an Zufall glaubt, der, muss ich ehrlich sagen, sollte sich das gut überlegen.

Die Grünen spielen sich hier, wie ich vorhin schon gesagt habe, als die Oberheiligen auf und sagen, na ja, ist alles gut. Am Ende müssen wir eines sagen: Der ORF wird nur unabhängig werden, wenn wir ihn entpolitisieren und alle


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Parteien herausbringen; denn – und das ist der Fehler, den wir teilweise auch hier in der Debatte hören – es ist nicht das Problem der ORF an sich, es sind nicht die Journalisten (Abg. Belakowitsch – erheitert –: ...unabhängig und äquidistant zu allen Parteien!), sondern das Problem des ORF sind rein die parteipolitischen Einflussnahmen, die wir über die letzten Jahrzehnte gesehen haben. (Beifall bei den NEOS.)

Frau Bundesministerin! Es ist absurd, wenn Sie sagen, gut, dieses Problem lösen wir, wir machen jetzt ein anderes System, jetzt zahlen wir nicht mehr GIS-Gebühren, sondern die Haushaltsabgabe, ohne alle Hausaufgaben, die davor zu erledigen sind, auch nur angegangen zu sein. Das sind ganz einfache Haus­aufgaben. Das ist einerseits die klare Definition: Was ist der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF? Das ist eine Sache, die wir hier diskutieren können, die auch hier zu diskutieren ist, neben vielen anderen Dingen, die wir nicht hier dis­kutieren müssen, nämlich wer genau wo oder was, welche Sender bekommt oder ob das Radio-Symphonieorchester gerettet werden soll, ob ORF Sport plus gerettet werden soll.

Das ist ja die Absurdität in der Debatte, die wir hier führen: Wir sagen, wir wollen eigentlich weniger Einfluss vonseiten der Politik, und gleichzeitig gibt es die ganze Zeit politische Zurufe, was der ORF zu tun hat und zu erhalten hat. Das ist ja absurd!

Aber kommen wir zurück: Das heißt, Sie haben hier jetzt die Aufgabe, nicht nur über die Finanzierung zu reden, sondern davor die Hausaufgaben zu machen, nämlich erstens den Begriff öffentlich-rechtlicher Auftrag klar zu definieren und zweitens – und das ist genau das Wesentliche – den ORF zu entpolitisieren. Erst der nächste Schritt wäre es, über die Finanzierung zu reden.

Dann komme ich zum Antrag der FPÖ. Die FPÖ stellt hier einen Antrag, den ich in vielen Punkten nicht unterschreiben kann, insbesondere die Begründung ist wirklich teilweise unterirdisch. Ich habe selten einen so unterirdischen Antrag erlebt, was die Begründung betrifft. (Abg. Steinacker: Was ist „unterirdisch“? –


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Abg. Belakowitsch: Inhaltslos!) Allerdings muss man dazusagen, dass der Entschließungstext natürlich richtig ist, denn es ist jetzt nicht der richtige Zeit­punkt, hier Maßnahmen finanzieller Natur zu setzen, ohne davor die an­deren Hausaufgaben zu machen. Darüber hinaus ist es aber notwendig, eben die anderen Maßnahmen zu setzen.

Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entpolitisierung ORF“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einflussnahme auf den ORF sofort zu beenden und rein politische Besetzungen rückgängig zu machen. Zusätz­lich braucht es ein neues ORF-Gesetz, das folgende Punkte beinhaltet:

- Reform der Gremien: Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von par­teipolitischer Logik dominiert werden.

- Verankerung der redaktionellen Eigenverantwortlichkeit sowie Doppelspitzen für Informationskanäle bzw. den multimedialen Newsrooms.

- Nachschärfung des Programmauftrages: Der ORF bekommt eine transparente und nachprüfbare Programmstruktur, die sicherstellt, dass jedes ORF-Pro­gramm dem Programmauftrag entspricht.“

*****

Das sind die Dinge, Frau Bundesministerin, die Sie als Erstes angehen müssen, bevor wir über die Finanzierung reden. Besonders wichtig ist es, dafür zu sorgen, dass endlich die Politik raus aus diesem ORF kommt. (Beifall bei den NEOS.)

16.45


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Henrike Brandstötter, Kollegin­nen und Kollegen

betreffend Entpolitisierung ORF

eingebracht im Zuge der Debatte in der 202. Sitzung des Nationalrats über den Dring­lichen Antrag betreffend „Nein zur ORF-Steuer!“

Seit Ende Jänner 2021 ist bekannt, dass es neben der Regierungsvereinbarung einen Sideletter zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grüne gibt. Dieser bein­haltet – neben anderen Absprachen zu Posten und politisch heiklen Themen – auch Absprachen zum ORF. „Darin werden die ORF-Direktoriumsposten im Verhält­nis drei ÖVP – inklusive Generaldirektor – versus zwei Grüne aufgeteilt. Wrabetz war laut Salzburger Nachrichten zwar bewusst, dass es Abmachungen gab, „aber ich bin erstaunt, dass das so detailliert geregelt war. Das ist selbst in der ORF-Geschichte ungewöhnlich.“ Man müsse nun daraus lernen und etwa darüber nachdenken, den Stiftungsrat pluralistischer aufzustellen.“ (https://www.derstandard.at/story/
2000133002881/ex-orf-chef-wrabetz-bestaetigte-postenabsprachen-unter-tuerkis-blauer-regierung) Zusätzlich zu Alexander Wrabetz hat sich auch der ORF-Re­dakteursrat per Aussendung zu der Thematik sehr kritisch geäußert. Überdies stellt sich die Frage, ob die aufgetauchten Absprachen überhaupt mit dem ORF-Gesetz vereinbar sind, in dem es unter §1 Abs 3 heißt: „Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungs­ordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Be­richterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogen­heit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Öster-


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reichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichi­schen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten.“

Einmal mehr wird klar, dass die Regierung endlich unserer langjährigen Forderung einer Entpolitisierung des ORF und seiner Gremien nachkommen und sicher­stellen muss, dass der öffentlich-rechtliche ORF unabhängig und im Sinne des ORF-Ge­setzes arbeiten kann. Wichtigster erster Schritt ist eine Neuorganisation der Gremien des ORF: Der ORF soll strukturell ähnlich einer Aktiengesellschaft aufgestellt werden. Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert werden. Stattdessen gibt es eine "Hauptversammlung", die sich aus Bürger:innen, die per Los gewählt werden, aus Repräsentant:innen von Institu­tionen der Zivilgesellschaft sowie einer Person pro Parlamentsklub zusammensetzt. Die Hauptversammlung wählt auf Basis von Ausschreibungen und Hearings ein Präsidium. Dieses wiederum bestellt einen Vorstand, der als Kollegialorgan aus mehreren Vorständen besteht, um so nachhaltige Führungsqualität zu gewährleisten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Einflussnahme auf den ORF sofort zu beenden und rein politische Besetzungen rückgängig zu machen. Zusätz­lich braucht es ein neues ORF-Gesetz, das folgende Punkte beinhaltet:

-            Reform der Gremien: Publikums- und Stiftungsrat sollen nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert werden.


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-            Verankerung der redaktionellen Eigenverantwortlichkeit sowie Doppelspitzen für Informationskanäle bzw. den multimedialen Newsrooms.

-            Nachschärfung des Programmauftrages: Der ORF bekommt eine transpa­rente und nachprüfbare Programmstruktur, die sicherstellt, dass jedes
ORF-Programm dem Programmauftrag entspricht.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


16.46.08

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen auf der Regierungsbank! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem vor den Fernsehgeräten, die Sie uns jetzt via ORF zusehen! Es ist eine Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und ich möchte klarstellen: Als Freiheitliche Partei haben wir uns immer zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannt, weil er natürlich Teil unserer Identität ist. Als Milliardenunternehmen ist der ORF aber gleichzeitig auch ein Millionengrab. Das muss man hier so offen und so deutlich ansprechen.

Wir haben in den letzten 20 Jahren mehr als einmal davor gewarnt, dass es beim ORF zu einem Seherschwund kommt. Das hängt natürlich zu einem Teil damit zusammen, dass sich das Seherverhalten verändert hat – wir wissen, viele konsu­mieren jetzt Streamingdienste –, aber zu einem größeren Teil ist dieser
ORF-Seherschwund natürlich hausgemacht.

Es bräuchte ganz, ganz dringend eine Strukturreform in diesem ORF, aber die fehlt beziehungsweise lässt auf sich warten, und das ist das Problem. Wir bräuchten eine Struktur für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der dem 21. Jahrhundert gerecht wird. Man hat manches Mal, und das hat man auch heute bei der Debatte wieder gesehen, den Eindruck, die Denkart ist wie in den 1970er- und 1980er-Jahren. Die sind aber eben vorbei, die Zeiten haben


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sich geändert. Damals gab es nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da­mals – für all jene, die sich noch erinnern können – gab es FS 1 und FS 2, und das war es! Es gab noch nicht einmal einen Teletext in den Siebzigerjahren.

Beim ORF gibt es Luxuspensionen. Es gibt Luxuspensionsvereinbarungen, allerdings nur für die selbsternannte Anchor-Elite. Der Kollege von den Grünen hat vorhin gesagt, es ist viel an Personal eingespart worden. Das mag ja gut klingen, aber gleichzeitig gibt es dann Leistungen, die von außen erbracht werden, von Personen, die in prekären Verhältnissen arbeiten müssen. Das lehnen wir zutiefst ab! Wir wollen keinen Dreiklassen-ORF haben, beste­hend aus einer selbsternannten Elite mit den Millionengagen, aus ein paar Mitarbeitern aus dem Altbestand, und der Rest arbeitet in prekären Verhältnis­sen. Das ist nicht der ORF der Zukunft! Das ist nicht der ORF, wie wir ihn uns vorstellen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister! Jetzt komme ich zu Ihnen, denn Sie sind ja die Medien­ministerin, sind also und waren auch in den letzten Jahren für den ORF zuständig. Ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Sie haben heute unter anderem gesagt, Sie möchten gerne, dass der ORF österreichischer wird. Das höre ich sehr gerne. Was heißt das jetzt für die Zuseherinnen und Zuseher? Heißt das, dass man ORF 1 endlich abstößt, dass man diese amerikanischen Sitcoms, die kein Mensch braucht, den Gebührenzahlern nicht mehr aufbrummt? Diese Sitcoms können Sie sich über jeden deutschen Privatsender wahrscheinlich besser anschauen. Um ein solches Programm zu bieten, braucht es keine Zwangsgebühren. Da fangen die Probleme des ORF an.

ORF III ist wahrscheinlich der einzige Sender, der tatsächlich dem Auftrag des
ORF-Gesetzes nachkommt, nämlich dem Bildungs- und Informationsauftrag. Ein bisschen problematisch ist der ORF natürlich beim Objektivitätsauftrag, das haben wir in den letzten drei Jahren gesehen. Also von Objektivität im ORF, von Meinungsausgleich im ORF war gerade während der Coronapandemie nichts zu sehen. Da sind die Seher, die Zwangsgebührenzahler vom ORF be­schimpft worden, da wurden vom ORF Fakenews verbreitet, wobei sich bis zum


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heutigen Tag kein Mensch aus der ORF-Riege dafür entschuldigt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann geht der ORF her und versucht einmal, mehr Gebühren zu bekommen. Jetzt gibt es ein Gerichtsurteil, das besagt, dass es dem Gleichheitsgrund­satz widerspricht, wenn manche ORF-Gebühren zahlen, andere nicht. Und jetzt kommen Sie ins Spiel, Frau Medienministerin, jetzt sind Sie dran. Es gibt meh­rere Möglichkeiten. Man hätte auch sagen können: Dann lassen wir die
GIS-Gebühren eben sein, und zwar für alle in Österreich. Dann schaffen wir die GIS-Gebühren ab. Diesen Weg haben Sie nicht beschritten. Sie gehen den Weg und sagen: Na gut, dann machen wir halt eine Haushaltsabgabe, dann müssen jetzt alle zahlen, egal, ob sie den ORF haben oder ob sie den ORF nicht haben. Das ist dann deren Pech. Zahlen muss man auf jeden Fall.

Frau Minister, das ist eine ORF-Steuer, die aufgebrummt wird, ohne dass man den ORF konsumiert, und das geht sich nicht aus, das geht nicht zusammen! Und selbst in der Gruppe der ÖVP-Wähler ist es nur eine ganz knappe Mehrheit, die sagt: Ja, das ist eine gute Idee. Das sind halt diejenigen, die sozusagen dann irgendwie Ihnen zuliebe sagen: Das machen wir.

Unterm Strich, Frau Minister, wird mit dieser Haushaltsabgabe dem ORF dann mehr Geld gegeben, als er jetzt bekommt. Es ist schon richtig: Für die, die jetzt bezahlen, wird es ein bisschen billiger, aber es müssen sehr viele mehr be­zahlen. Und: Einsparen beim ORF, das geht sich sowieso nicht aus, das haben die noch nie gemacht. Würden Sie es mit der Aufforderung an den Öster­reichischen Rundfunk ehrlich meinen, dass dort endlich einmal gespart wird, dann schauen wir doch in all diese Pensionsrückstellungen rein! Machen wir doch beispielsweise einmal eine Sonderprüfung der Personaldoku­mentationsblätter! Schauen Sie sich doch an, wie viele Millionen Euro für die Pension von Herrn Wrabetz zurückgestellt sind! Sind es tatsächlich die 2,2 Millionen Euro, wie in den Medien kolportiert wird, oder sind es nicht


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vielmehr bis zu 7 Millionen Euro, die nur für Herrn Wrabetz zurückge­stellt worden sind? Warum tun Sie das nicht, Frau Minister, wenn Sie es mit dem Einsparen ernst meinen?

Sie haben heute überhaupt nichts gesagt, was irgendwie ernst zu nehmen war. Sie sind mit ein paar Floskeln hergekommen: Der ORF soll österreichi­scher werden, dafür stehen Sie, und Sie möchten jetzt, dass der ORF spart, weil die GIS-Gebühr wegfällt. Dafür machen wir eine Haushaltsabgabe, und in den Medien wird kolportiert, die soll in etwa 16,50 Euro betragen. 16,50 Euro werden dann monatlich automatisch abgezogen. Bei rund vier Millionen Haushalten würde das eine Summe von 792 Millionen Euro pro Jahr ausmachen. Frau Bundesminister, das sind 130 Millionen Euro mehr, die Sie dann jähr­lich dem ORF und Ihrem neuen Generaldirektor Weißmann geben werden. Und da muss ich Ihnen sagen: Das haben die Österreicher nicht verdient, dass sie von Ihnen auch noch hinters Licht geführt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte mir nach all den Skandalen, die wir im ORF in den letzten Monaten erlebt haben, mehr erwartet. Ich erinnere nur an den ORF-Niederöster­reich, Herrn Ziegler, der auf Bestellung Programm geliefert hat und weich ge­fallen ist - - (Abg. Steinacker: In Wien gibt es das auch! Und auch in Kärnten!) Da mögen Sie schon recht haben, Frau Kollegin aus Niederösterreich, wenn Sie sagen, das gibt es in Wien auch. Ja, ganz bestimmt! Aber Herr Ziegler ist halt jetzt vor der Landtagswahl in Niederösterreich aufgefallen, und das müssen Sie sich halt auch gefallen lassen. Es tut mir leid für Sie, dass das jetzt gerade in Wien nicht aufgepoppt ist, aber in Niederösterreich eben sehr wohl. Damit müssen Sie leben.

Und die Bestellungen: Der neue Leiter der ORF-Hauptabteilung Sport, nach welchen Kriterien wurde denn der ausgewählt, Frau Minister? Auch diese Antwort sind Sie uns jetzt schuldig geblieben.

Das alles ist einfach zu viel, und vor diesem Hintergrund stellen die unterfer­tigten Abgeordneten den folgenden Entschließungsantrag:


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Misstrauensantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundes­kanzleramt wird gemäß Art. 74 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrats das Vertrauen versagt.“

*****

Frau Bundesministerin, Sie sind dafür verantwortlich! Sie sind dafür verantwort­lich, mit den Skandalen im ORF adäquat umzugehen, die auch aufzuklären. Es ist nicht Ihre Aufgabe, diese Skandale zuzudecken. (Beifall bei der FPÖ.)

16.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

Gem. § 26 iVm § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Dr. Dagmar Belakowitsch und weiterer Abgeordneter

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt

eingebracht in der 202. Sitzung des Nationalrates am 1. März 2023 im Zuge der Debatte zum dringlichen Antrag des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA und weiterer Abgeordneter betreffend Nein zur ORF-Steuer!


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Wie in dem freiheitlichen Entschließungsantrag betreffend „Nein zur ORF-Steuer!“ im Detail ausgeführt, stellt sich aus vielerlei Gründen die Frage, ob der ORF noch zu retten ist. Die Österreicherinnen und Österreicher haben diese Frage für sich laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique-research für die Zeitschrift Profil eindeutig beantwortet. Demnach lehnen es 58 % der Bevölke­rung ab, dass in Zukunft alle Haushalte – und nicht nur jene mit einem Emp­fangsgerät – für die ORF-Programme zahlen sollen. Nur 33 % sprechen sich für das neue Finanzierungsmodell aus. Am größten ist der Widerstand unter FPÖ-Wäh­lern, von denen 83 % die Haushaltsabgabe ablehnen. Unter SPÖ-Wählern sprechen sich 52 % gegen das neue System aus. Bei ÖVP-Wählern findet die Einführung einer Haushaltsabgabe mit 58 % hingegen eine Mehrheit.

Quelle: https://www.profil.at/oesterreich/umfrage-mehrheit-gegen-orf-haus­haltsabgabe/402342123

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen erscheint es geradezu grotesk, wenn die Medienministerin einer Bundesregierung, die laut Umfragen hinter sich kaum ein Drittel der Wähler versammeln kann, nun dennoch eine ORF-Steuer bzw.
ORF-Haushaltsabgabe einführen möchte. Auch ihr Appell an sich selbst, es brauche


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eine „ORF-Rabatt für Österreich“ oder gar einen „Raab-Rabatt“, mag nicht darüber hinwegtäuschen, dass die türkis-grüne Bundesregierung zehn Monate vor dem Ende der Reformfrist nichts vorweisen kann. Statt sich tatsächlich um Einsparungen im ORF zu bemühen, liegt die Priorität wie gewohnt bei Selbstvermark­tung und Inszenierung. Statt echte Lösungen zu finden, wird das 320 Millionen Euro Finanzloch im ORF mit Steuergeld behelfsmäßig zugeschüttet.

Im Ergebnis wird der ORF für die Österreicherinnen und Österreicher in Zeiten einer ungekannten Teuerung aber weder billiger, noch am Küniglberg auch nur im entferntesten an Einsparungen gedacht. 16,50 Euro soll die monatlich automatisch vom Gehalt eingezogene Haushaltsabgabe laut Medienberichten betragen. Das macht bei rund vier Millionen Haushalten 792 Millionen Euro pro Jahr – von Einsparungen kann daher gar keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Der ORF darf sich damit über ein jährliches Plus von rund 130 Millionen Euro freuen.

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten den folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanz­leramt wird gemäß Art. 74 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Natio­nalrats das Vertrauen versagt.“

*****


16.54.19

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsge­mäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

*****

Abgeordneter Hafenecker kommt anscheinend nicht mehr. Ich habe mir das Protokoll kommen lassen. Für den Ausdruck „Sie setzen Ihren Weg der


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Korruption genauso fort“ wie in den letzten Jahren erteile ich ihm einen Ord­nungsruf.

*****

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hintner. – Bitte sehr.


16.54.39

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Meine Staatssekretäre! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Um meinen viel verehrten ehemaligen Präsi­denten des Nationalrates Fritz Neugebauer zu zitieren: Es gehört manches und vieles wiederholt und gefestigt, damit es auch hängenbleibt. – Worüber wir heute reden, ist die Umsetzung eines VfGH-Urteils, die Finanzierung des ORF auf neue Beine zu stellen, da die bisherige GIS-Finanzierung als nicht ver­fassungskonform angesehen wurde.

Es geht dabei um die Frage, ob wir auch in Zukunft einen öffentlich-rechtli­chen Rundfunk haben wollen, weil die Finanzierung eng mit der Frage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Zusammenhang steht und eine große Mehrheit in Österreich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk möchte.

Bislang hat ja die große Mehrheit der Österreicher GIS-Gebühren bezahlt; nur eine Minderheit zahlte nichts. So ist es neben dem klar definierten Auftrag des Verfassungsgerichtshofes auch eine Gerechtigkeitsfrage. Also: Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk bedingt eine Finanzierungsform, die dem Spruch des VfGH gerecht wird.

Im Zuge der jetzigen Diskussion, in der keiner etwas wirklich weiß, weil alles im Fluss ist, in der man über Eier gackert, die noch nicht gelegt sind, sagen vor allem jene, die bislang keine GIS-Gebühr bezahlt haben, dass sie keinen Fernse­her haben, keinen Computer, kein Smartphone, ja nicht einmal ein Autoradio. Mag sein, so unwahrscheinlich es klingt, dass es den einen oder anderen Bürger


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gibt, bei dem es sich so verhält. Der Verfassungsgerichtshof aber gibt vor, wie die Finanzierungserfassung – nicht das konkrete Modell – zu erfolgen hat.

Was ist im ersten Schritt für die ÖVP wichtig? – Erstens dass der ORF Ein­sparungspotenzial im eigenen Bereich erkennt und nach Gesprächen und Verhandlungen konsensual umsetzt und dass, zweitens, wie auch immer die Finanzierungsform in Zukunft aussehen wird, es für den bisherigen GIS-Bei­tragszahler billiger wird. Angesichts dessen, dass weder die Koalition noch die Bundesregierung Leitlinien vorgestellt haben, wird mit Behauptungen und Annahmen spekuliert, die jeglicher sachlicher Grundlage entbehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was wir haben, sind einzelne durchgesickerte ORF-Sparvorschläge von Roland Weißmann, die vom Radio-Symphonieorchester bis zum Sportkanal reichen. Das ist für mich persönlich nicht vorstellbar, weder, was das RSO anbelangt, noch Sport plus, der für die heimische Sportszene und deren Sponsoring von immen­ser Bedeutung ist. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das sind keine Vorschläge der Ministerin, der ÖVP, der Grünen oder der Bun­desregierung, sondern Vorschläge des ORF, an denen ja auch noch Dr. Nor­bert Steger mitwirkt. Etwaige Bedenken oder Protestnoten sind also an Roland Weißmann zu richten und an niemand anderen.

Die große Mehrheit der Österreicher will einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und sagt Ja zum ORF. Der ORF ist eine nationale identitätsstiftende Medien­institution mit einem eindeutigen gesetzlichen Auftrag. Ja, es wäre verlo­ckend, Anmerkungen zu diesem Gesetzesauftrag zu machen, ob der ORF ihn auch im Sinne von Information, Kultur, Sport und der anderen gesellschaftlichen Bereiche ausübt. Als täglicher ORF-Konsument kann ich sagen, dass da bei der Ausgewogenheit der Berichterstattung, beim Respekt mancher Redakteure, bei der Transparenz noch viel Luft nach oben ist, um nur einige Beispiele zu nennen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Ich merke auch persönlich an, dass jede Steuer-, Gebühren- oder Abgabenfi­nanzierung selbstverständlich eines gewissen Einflusses demokratisch legitimierter Kräfte bedarf. Wenn unter Entpolitisierung zu verstehen ist, dass die Bürger über Finanzierungsgesetze zu zahlen haben und ein paar Leute an der Spitze eines Unternehmens werkeln, wie sie wollen, dann ist das meiner Meinung nach kein Ansatz. Natürlich kann man gegen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein, dann ist man auch gegen seine Finanzierung. Die billige Polemik, von einer ORF-Steuer zu sprechen, trifft nicht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.

Ich sage Ja zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil ich keine rein privatisierte Medienwelt möchte, deren einzige Parameter Unterhaltung mit „Tutti Frutti“, dem „Bachelor“ oder dem „Dschungelcamp“ sind, oder keine Nachrichten à la FPÖ-Fernsehen, demgegenüber Grimms Märchen als reine Sachbücher er­scheinen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köll­ner. – Bitte.


16.59.40

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die FPÖ war das gewiss eine Steilvorlage, ein aufgelegter Elfer, als Sie jetzt die Einführung einer Haushaltsabgabe für den ORF angekündigt haben.

Liebe FPÖ, bei aller Kritik, die man an einer GIS-Gebühr oder an einer geplanten Haushaltsabgabe üben kann: Eines geht aus Ihrem Antrag nicht hervor, nämlich wie Sie den ORF finanzieren wollen; das steht nirgends. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder ist es so, wie es Kollege Leichtfried schon gesagt hat: Wollen Sie den ORF gar zu einem Oligarchenrundfunk umbauen? – Das ist mir schleierhaft. Fakt ist allerdings: Von Luft und Liebe kann auch der ORF nicht leben und damit den


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Bildungsauftrag erfüllen. Fakt ist auch: Es gibt ein Urteil des Verfassungsge­richtshofes, nach dem das Onlinestreaming auch kostenpflichtig sei. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Das heißt, schon alleine aus diesen Gründen müssen wir über die Finanzierung des ORF sprechen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Das Problem ist nur: Frau Ministerin, Sie haben bis dato noch nichts Konkretes vorgelegt. Wir wissen nicht, wie hoch die Abgabe sein soll. Wir wissen nicht, ob der Villenbesitzer die gleiche Abgabe zahlen soll wie eine Mindestpensionistin in einer kleinen Wohnung. Wir wissen nicht, ob es Gebührenbefreiungen geben soll. All das ist nach wie vor unbekannt.

Genau wie es der Zufall möchte, und da tut mir als Sportsprecher auch das Herz weh, hört man in dieser Diskussion plötzlich von der geplanten Streichung des Spartensenders ORF Sport plus. Dass da natürlich die Sportwelt in Aufruhr ist, wird Ihnen, glaube ich, auch bewusst sein. Ich möchte es aber gleich ganz kurz machen. Wer auch immer diese Schnapsidee gehabt hat, das zu strei­chen: Vergessen Sie diese Idee bitte gleich wieder! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns an, was das überhaupt bedeutet: Mit einer Streichung des ORF Sport plus lassen Sie ja ausgerechnet jene von der Bildfläche verschwinden, die ohnehin kaum Werbepräsenz haben. Wer ist das? – Das sind die Randsport­arten, das sind die Breitensportler und Behindertensportler. Da geht es nicht um den Fußball, um Skifahren, um das, wo das große Geld daheim ist. (Abg. Hörl: Skifahrer wären wichtig!) Da geht es um jene Sportlerinnen und Sportler, die eben nicht das Sponsoring haben, das sie bräuchten, um erfolgreich in ihrem Sport zu sein, um auch eine Bühne zu bekommen.

Was Sport für die Gesundheit einer Gesellschaft, für die Volkswirtschaft bedeutet, brauche ich, glaube ich, heute nicht mehr sonderlich lange zu erklären. Eines ist jedoch gewiss: Diesen Angriff wird sich der organisierte österreichi­sche Sport sicherlich nicht gefallen lassen. (Beifall bei der SPÖ.) Im Sport wird nämlich der Zusammenhalt gelebt.


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Frau Kollegin Steger, ich finde das auch sehr interessant - - (Ein Wasserglas fällt vom Präsidium und zerbricht am Boden.) – Hoppla! Ich finde das auch sehr interessant - - (Ruf: Scherben bringen Glück!) – Scherben bringen Glück: Ich hoffe, das trägt dazu bei, dass der ORF-Sportsender erhalten bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Steger, sich einerseits als die Retterin des Sports hierherzustellen und andererseits gleichzeitig die Abschaffung von Gebühren für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu fordern geht sich, glaube ich, ganz einfach nicht aus – das hatscht ein bissl. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Steger.)

Was wir brauchen, ist ein neues Finanzierungsmodell für den ORF, das zum einen die Unabhängigkeit des Mediums sichert und sozial ausgewogen ist und das zum anderen dem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachkommt, auch die Vielfalt des österreichischen Sports abzubilden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


17.04.00

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eigentlich erwartet, dass das jetzt eine relativ spektakuläre Dringliche wird. Populismus können Sie von der FPÖ ja an und für sich, aber das ist jetzt schon eine sehr fade und zache Gschicht, die Sie da präsentieren. (Zwischenruf des Abg. Ka­niak.) Wahnsinnig viel ist da nicht gekommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich hätte eigentlich bei diesem Antrag – Sie fordern ja nur, was nicht kommen soll, keine ORF-Steuer und keine Haushaltsabgabe – erwartet, dass Sie es paschen lassen und da die Privatisierung des ORF fordern, aber das trauen Sie


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sich ja auch nicht, na gut. Wenn Sie das nicht fordern, dann hätte ich erwar­tet, dass Sie dann vielleicht eine Finanzierung über die GIS und die Beibehaltung der GIS fordern (Zwischenruf der Abg. Steger), wurscht was der Verfassungs­gerichtshof sagt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das trauen Sie sich aber auch nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie fordern ja überhaupt nichts. Sie sagen einfach nur, was nicht passieren soll. Das, sorry, kann jeder. Dafür, dass Sie hier eigent­lich gar nichts fordern und damit eine Dringliche machen, kassieren Sie ziem­lich viel Geld. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man muss den Leuten schon auch sagen: Das, was Sie jetzt machen, dass Sie andere Finanzierungen weghaben wollen, bedeutet natürlich, dass die Leute, zum Beispiel Pensionist:innen, die jetzt eine GIS-Gebühr zahlen und den ORF jetzt im Fernsehen schauen, weiterhin zahlen würden, wenn Sie bei dem bleiben wollen, während die jungen Leute, die im Internet streamen und einen Job haben, mit dem sie das finanzieren können, ausgelassen sind. Mit der jetzigen Lösung zahlen die jungen Leute für den ORF mit, und die Pensionis­tinnen und Pensionisten müssen weniger zahlen. Den Leuten wird Geld erspart, und genau dagegen protestiert die FPÖ, wenn sie hergeht und sagt, das soll nicht passieren. Ich muss sagen, ich verstehe, dass Sie sich nicht laut zu sagen trauen, dass Sie das haben wollen. Das würde ich an Ihrer Stelle auch nicht sagen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Berlakovich.)

Dann kommt halt so eine fade Geschichte so wie das jetzt heraus, bei der Sie eigentlich gar nichts fordern. Sie fordern die Entpolitisierung, aber dann eigentlich nichts Konkretes. Sie haben völlig recht damit, dass einige Landesstu­dios durchaus entpolitisiert gehören würden, aber Sie sagen dann ja nicht, wie Sie sich das vorstellen. Warum? – Weil es Ihnen ja eigentlich nicht darum geht, dass die Politik rauskommt, sondern weil Sie einfach selbst reinwollen.

Kollege Leichtfried hat vorgelesen, was H.-C. Strache gefordert hat, wie die FPÖ bei den Regierungsverhandlungen in den ORF hinein wollte. Ihnen geht es ja nicht um die Entpolitisierung, Ihnen geht es um blaue Posten. Deswegen kriti­sieren Sie die jetzige Politisierung. (Zwischenruf bei der FPÖ. – Abg. Steger:


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Sagen ausgerechnet die Grünen!) Es ist natürlich auch nicht wahnsinnig spannend, das hier offen und ehrlich zu sagen; das verstehe ich schon.

Dann etwas, das nicht langweilig ist und das mir bis jetzt zu wenig betont wor­den ist – ich glaube, darauf muss ich schon hinaus –: Dieser Entschlie­ßungsantrag, den Sie da bringen, ist in der Begründung in Wahrheit ein Skandal. Ich kann mich nicht erinnern, dass schon einmal eine Parlamentspartei in einem Antrag einzelne Journalisten und Journalistinnen namentlich für ihre Be­richterstattung kritisiert und den Antrag (Zwischenruf des Abg. Amesbauer) quasi zur Verurteilung von Journalist:innen verwendet hat. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) So etwas habe ich eigentlich überhaupt noch nicht gesehen. (Abg. Amesbauer: ... kritisieren uns ja auch! – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Jetzt sage ich Ihnen etwas: Man muss sich als Politiker vor den öffentlich-recht­lichen Rundfunk stellen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wurm und Belako­witsch.Man muss sagen (ein Exemplar des Antrages in die Höhe haltend und zerrei­ßend): Eine Parlamentspartei, die Journalist:innen im Parlament ausrichten möchte, was sie zu berichten haben, ist untragbar. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der Antrag ist inakzeptabel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben Journalist:innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht auszurich­ten (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), wie sie in einer Sendung zu reden haben, welche Fragen sie zu stellen haben oder sonst etwas. Sie haben sich um das alles gar nicht zu kümmern. (Abg. Wurm: Da haben Sie jetzt das wahre Gesicht gezeigt!) Das geht Sie nichts an. Da hat man sich vor den ORF zu stellen. (Abg. Wurm: Die Diktatur der Grünen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn es Ihnen wirklich darum gehen würde, etwas zu verbessern, wenn Sie wirklich von Geld reden würden (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ): Es gibt noch etwas, das wirklich ein Thema sein müsste, damit man die Berichter­stattung verbessert. Sie schreiben über alte Verträge von ORF-Mitarbeitern, die wahnsinnig viel Geld bekommen haben, weil sie ihre Verträge vor Jahrzehn­ten abgeschlossen haben. Das stimmt, und man kann kritisieren, dass


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das vor Jahrzehnten passiert ist. (Abg. Wurm: Ah! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was Sie thematisieren sollten, was thematisiert gehört und was ich thematisie­ren möchte, ist, dass so etwas überhaupt nicht mehr passiert. Im ORF ar­beiten Journalistinnen und Journalisten seit Jahren prekär, mittlerweile seit zehn Jahren, zwölf Jahren (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), verdienen kaum etwas, haben keine Chance auf eine feste Anstellung, haben keine Chance da­rauf, sich diesen Job langfristig abzusichern, eine Familie zu haben. (Neuer­licher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das gehört geändert.

Wenn es Ihnen um eine seriöse Finanzierung des ORF gehen würde, um eine seriöse Entpolitisierung, um eine seriöse Berichterstattung (Zwischenruf des Abg. Wurm), dann würden Sie sich darum kümmern, dass Journalist:innen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sauber bezahlt werden, sauber angestellt sind, abgesichert sind und sauberen Journalismus machen können (Zwischenruf des Abg. Deimek – Abg. Belakowitsch: Herr Strobl ...!), dass sie dann keinerlei Sorgen haben müssen, ob, wenn eine Parlamentspartei Anträge stellt, um ihnen in die Berichterstattung reinzureden, solche Leute je wieder in die Regie­rung kommen und aus dem ORF ein Russia Today machen wollen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Sche­rak. – Bitte.


17.08.58

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir erleben hier heute ein poli­tikwissenschaftlich schon sehr intensiv untersuchtes Phänomen, und das ist das Phänomen, dass populistische Parteien, so wie die FPÖ eine ist, Themen an­sprechen, Probleme ansprechen, Fragen aufwerfen, die viele Menschen beschäf­tigen und die eine gewisse Legitimation haben. Dass sie gleichzeitig auch


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nicht übertrieben viele Antworten darauf haben, steht auf einem anderen Blatt, aber das werfe ich ihnen nicht einmal vor, weil ich nicht der Meinung bin, dass es ihre Aufgabe ist.

Was ich absurd finde, ist, dass die meisten meiner Vorredner hier, insbesondere von der ÖVP, den Grünen, aber auch von der SPÖ, begonnen haben, die Fragen der FPÖ zu delegitimieren und so zu tun, als ob diese Probleme gar nicht da wären und sie gar nicht das Interesse hätten, sich damit zu beschäftigen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Frau Bundesministerin hat gesagt, wir erleben eine Situation, dass der Verfassungsgerichtshof das Finanzierungsmodell des ORF aufgehoben hat und wir ein neues Finanzierungsmodell brauchen. – Das ist selbstverständlich richtig, aber wenn wir schon diese Debatte hier führen, sollte man auch vorgela­gert darüber diskutieren, wie der ORF denn strukturell aufgestellt ist. Da sind natürlich alle diese Themen, die die FPÖ angesprochen hat, Fragen, die man diskutieren muss.

Was aber passiert ist, ist, dass von Regierungsseite so getan wird, als ob keine Probleme da wären, dass es strukturell beim ORF nicht irgendwo knarzt, dass man da gar nichts machen muss, dass die parteipolitische Einflussnahme auf den ORF gar nicht existiert, dass es das noch nie gegeben hat. Und das ist doch skurril. Jetzt haben wir die Chance, über die Finanzierung des ORF zu re­den, und anstatt vorgelagert darüber zu diskutieren, was wir denn in der Struktur des ORF ändern müssen, tun Sie so, als ob nichts zu tun wäre. Das ist genau das Problem, der Grund, wieso die FPÖ in Umfragen kontinuierlich steigt: weil Sie diese Probleme, die zu Recht von der FPÖ angesprochen werden, für die die FPÖ aber keine Lösungen hat, negieren. So funktioniert – politik­wissenschaftlich untersucht – regelmäßig der Aufstieg von rechtspopulistischen Parteien. (Abg. Kickl: Professor Scherak!) Das können Sie sich selbst zuschrei­ben, weil Sie keine Antworten zur Lösung wichtiger Probleme geben können. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Es ist ein Fakt, dass es Problemfelder im ORF gibt, es ist ein Fakt, dass er parteipolitisch durchdrungen ist. Wir haben jetzt gerade wieder die Beispiele aus Niederösterreich mitbekommen, wo die Nähe des ORF-Landesdirektors zur ÖVP Niederösterreich so extrem war, dass er sich dann doch verabschie­den musste, weil da auf Bestellung Beiträge geliefert wurden. Wir haben auch erlebt, wie ehemalige Führungspersonen der FPÖ mit Redakteuren im Austausch waren und mit Verantwortlichen SMS geschrieben haben. Genau das sind die Probleme, die man lösen muss. Diese Probleme löst man dadurch, dass man den ORF endlich parteipolitisch freigibt, dass es keinen Stiftungsrat mehr gibt, der nach entsprechenden Freundeskreisen organisiert ist, sondern dass man schaut, dass man die Leute, die wirklich am meisten Ahnung von sol­chen Unternehmen haben, auch entsprechend dorthin bringt, dass man das eben sinnvoll macht.

Ich glaube, diese Fragen müssen wir zuerst beantworten, bevor wir über die Finanzierung reden. Solange diese Fragen nicht beantwortet werden und solange noch nicht einmal eine Diskussion darüber zugelassen wird, halte ich es für einigermaßen müßig, über die Finanzierung des ORF zu diskutieren. (Beifall bei den NEOS.)

17.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wolfgang Gerstl. – Bitte.


17.12.34

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Freunde der Parlamentssendungen und alle, die uns jetzt vor den Bildschirmen folgen! Der Verfassungsgerichtshof hat (ein mehrseitiges Schriftstück in die Höhe haltend) mit diesen 38 Seiten ein Er­kenntnis getroffen, in dem er dem Gesetzgeber – das heißt uns allen – den Auftrag gegeben hat, das ORF-Gesetz zu ändern. Warum? – Er hat die Finanzierung für nicht verfassungskonform gehalten, weil wir ein Ver­fassungsgesetz aus 1973 haben, das die Sicherung der Unabhängigkeit des


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Österreichischen Rundfunks als eine öffentliche Aufgabe sieht. Diesem Gesetz widersprechend stellt er nun fest, dass die Finanzierung zu ändern ist. Mein Vorredner hat gemeint, da gebe es noch viele andere Dinge, über die man reden sollte, selbstverständlich, aber eines nach dem anderen.

Das eine ist der Auftrag an den ORF, sparsam mit seinen Mitteln nach den Grundsätzen der Verfassung umzugehen: Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und auch entsprechend fachlich ausgerichtet.

Der andere Punkt ist: Wie finanziert man den Österreichischen Rundfunk? Da sagt der Verfassungsgerichtshof ganz klar: Die öffentliche Hand hat einen Auftrag, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren. Wir können uns daher dessen nicht entziehen, wir müssen das tun.

Daher ist es nicht so, dass die Bundesregierung einen Wunsch hat, irgendetwas zu verändern, sondern es war der ORF, der das beim Verfassungsgerichts­hof beantragt hat. Die österreichische Bundesregierung hat sogar dagegengehal­ten, weil sie gemeint hat, es sei in der Ingerenz des ORF, wie wirtschaftlich er arbeitet – der ORF muss selbst wirtschaftlich arbeiten –, aber der Ver­fassungsgerichtshof hat dem ORF recht gegeben und gemeint, es sei ungleich, wenn die einen terrestrisch und die anderen über Streaming empfangen.

Da es in den letzten Jahren eine totale Veränderung beim Empfang von Rund­funk und von Fernsehen gab, Streaming vollkommen gleichwertig zu ter­restrischem Empfang ist und auch in der Qualität kein Unterschied ist, sind beide zu berücksichtigen. Wenn nicht, wäre das ein Verstoß gegen den Gleichheits­grundsatz. Das ist der Grund, warum wir heute hier sind, aus keinem ande­ren Grund führen wir heute eine Diskussion über die Finanzierung.

Vielleicht noch so eine Aussage, die der Verfassungsgerichtshof getroffen hat: Das Programmentgelt muss „technologieoffen gestaltet sein“. Das ist das, an dem wir arbeiten müssen.

Ich lade daher alle ein, daran mitzuwirken. Es ist nicht Aufgabe einer ein­zelnen Ministerin, es ist nicht nur Aufgabe der Bundesregierung, sondern es ist


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Aufgabe von uns allen, ein Gesetz zu ändern. Es ist nicht die Aufgabe,
ein FPÖ-TV zu machen oder den ORF zum FPÖ-TV zu machen, sondern es ist die Aufgabe, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einem Informa­tionsauftrag (Abg. Deimek: ...! ... zur Kenntnis nehmen!), mit einem Kulturauftrag und mit einem Sportauftrag auch in Zukunft sicherzustellen. Das ist unser Job, das ist unsere Aufgabe. Dazu ermuntere ich Sie und bitte Sie, daran mitzu­wirken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Philip Ku­cher. – Bitte. (Abg. Kickl: Bist du Team Rendi oder - -? – Abg. Leichtfried: Du bist auf jeden Fall Team Putin!)


17.16.38

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Regierungsmitglieder! Ich darf vielleicht gleich Klubobmann Kickl, der sich zu guter Letzt hier noch eifrig mit Zwischenrufen in die Debatte einbringt, ein paar Fragen stellen: Ihr habt heute eine Dringliche zur Zukunft des ORF eingebracht, und all die Fragen, die eigentlich spannend ge­wesen wären, sind leider von der freiheitlichen Fraktion unbeantwortet ge­blieben.

Ich bin ja ein bisschen neugierig und mich hat interessiert, Herr Klubobmann Kickl: Waren Sie in diesen Whatsapp-Gruppen mit H.-C. Strache drinnen, in denen es darum gegangen ist, die Posten im ORF untereinander aufzuteilen? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe dazu jetzt im Internet nachgeschaut, das „Profil“ hat ja vor einem Jahr recherchiert, da steht zu lesen: „Postenschacher und ORF-Umbau: Das Ge­heimpapier von Türkis-Blau. Wie ÖVP und FPÖ Verfassungsrichter, Aufsichts­räte und ORF-Führungskräfte untereinander aufteilten –“ – und jetzt kommt es noch schlimmer, Frau Kollegin Maurer – „und auch bei Türkis-Grün wurden Nebenabreden getroffen.“


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Also all die Fragen, zu denen wir jetzt in Sonntagsreden gehört haben, wie wichtig ein unpolitischer und entpolitisierter ORF ist, genau diese Fragen sind offengeblieben. (Abg. Belakowitsch: ... bei Rot-Schwarz hat es so was ...! – Abg. Kickl: Bei euch, Philip, gibt es nur Pfostenschacher! Pfostenschacher!)

Frau Kollegin Belakowitsch, ich tu mich jetzt schwer (ein Blatt Papier in die Höhe haltend), anhand dieser kleinen Fotos nachzuvollziehen, ob Sie da auch dabei sind. Ich erkenne, glaube ich, Herrn Vilimsky, der ist aufgrund der Frisur eindeu­tig auszumachen. Ich weiß nicht, ob Sie da in diesen Chatnachrichten auch dabei sind. (Abg. Schallmeiner: Hast du nicht Wahlkampf zu führen?) Ich möchte nur gern wissen: Wer von der FPÖ ist in diesen Whatsapp-Gruppen ge­wesen? Was ist da herausgekommen? Was hat man im ORF gemacht? (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kickl, ich glaube, Sie waren auf Ibiza nicht dabei, das ist inzwischen belegt, auf den Videos habe ich Sie nicht erkannt. Ich würde nur gern wissen – viel­leicht kann man das Ganze noch aufklären –: Wer war in diesen Whatsapp-Grup­pen? Was hat die FPÖ gemeinsam mit Kurz zur Zukunft des ORF geplant? – Diese Fragen sind nach 2 Stunden an Reden offengeblieben. Wir wissen alle nicht: War Herr Kickl in der Whatsapp-Gruppe? Wer war da dabei? – Das wären doch die Fragen gewesen, die spannend gewesen wären (Abg. Kickl: Es darf spekuliert werden!), die man hier in dieser Debatte auch einmal hätte beantworten können. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wer uns aber die ganze Debatte eingebrockt hat, ist die Frau Medienministerin – und das passiert, Frau Bundesministerin, wenn Sie einen Vorschlag machen und jetzt von einer Haushaltsabgabe reden, die in Wahrheit extrem unsozial ist, bei der dann wirklich die Alleinerzieherin mit drei Kindern gleich viel zahlt wie ein großes Unternehmen. Das kann ja auch nicht fair sein, das ist typisch ÖVP. Sie haben sich aber dafür ausgesprochen: Der ORF muss sparen. Da­rüber, dass man dort mit dem Geld der Gebührenzahlerinnen und Ge­bührenzahler ordentlich und sparsam umzugehen hat, brauchen wir keine Se­kunde zu diskutieren.


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Aber, Frau Bundesministerin, Sie hätten natürlich als Medienministerin auch offen das Wort ergreifen können, da wir vor wenigen Tagen wieder ein­mal schwarz auf weiß belegt gekriegt haben: die teuerste Regierung aller Zeiten. Das heißt, im Journalismus, bei der Presse, bei der unabhängigen Presse sozusagen, da wird eingespart, da sagt die Medienministerin, es muss gespart werden, aber im Politapparat von ÖVP und Grünen explodieren die Kosten. Da gibt es inzwischen mehr als 100 Pressesprecherinnen und Pressesprecher allein im Bundeskanzleramt. Da spielt Geld keine Rolle, da gibt es Rekord­ausgaben – 54 Millionen Euro allein für Inserate! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb wehrt ihr euch auch. Wenn wir sagen: Entwickeln wir die Presseför­derung in Österreich weiter hin zu einer Medienförderung, stärken wir den unabhängigen Journalismus in Österreich!, dann sagt die Medienministerin gar nichts. Die Kosten explodieren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Noch nie hat es in der Geschichte Österreichs eine derartig teure Bundesregierung gegeben. (Heiterkeit des Abg. Lukas Hammer.) Je schlechter die Politik der Bundesre­gierung, desto mehr Pressesprecher, das merkt man ganz stark bei den Grünen und auch bei der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)

Hochbezahlte Generalsekretäre, die politischen Büros, Pressesprecher sozusa­gen, die größer sind als jede Redaktion dieses Landes (Abg. Michael Ham­mer: 2,15 Meter!): Da steht eine Armada an Pressesprechern, und dann heißt es, im Journalismus muss eingespart werden. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Es ist doch bitte kein ehrlicher Zugang, dass wir in Österreich darüber diskutieren, dass die Kontrolle, genauso wie wir es in der Justiz erleben, und die unabhängigen Medien bei der Medienministerin um das Geld betteln müssen, und im eigenen Politapparat spielt Geld keine Rolle, wenn es um die Pressesprecher und um die Inserate geht.

Die Inseratenkaiserin sitzt bei den Grünen. Die schafft es nämlich, allein mehr Geld auszugeben als drei Minister vorher. Frau Ministerin Schramböck, Frau Ministerin Köstinger und Herr Minister Hofer haben insgesamt weniger ausgegeben als jetzt Frau Bundesministerin Gewessler. Da spielt Geld


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keine Rolle, wenn es um die Eigenwerbung der Regierung geht. (Abg. Schallmei­ner: Vergleich einmal ... mit der Stadt Wien! – Gegenruf der Abg. Erasim.)

Das Ganze haben wir leider – so hat es ja begonnen – schon mit der FPÖ erlebt. Herbert Kickl sitzt da. Ich darf das nur sagen: Es hat noch nie einen Politiker in Österreich gegeben, der ein derartig aufgeblasenes politisches Büro gehabt hat: 54 Mitarbeiter als Innenminister im eigenen Apparat. Da hat man sozu­sagen auch ordentlich zugegriffen. (Ruf bei der ÖVP: Und einen blauen Teppich!) In Wahrheit aber, wenn es dann darum geht, die Medien in Österreich zu stär­ken, feilscht man dann um jeden Euro. Herr Kickl, Sie können das gerne nachlesen, im Vergleich zu Ihnen ist Minister Karner ein Sparefroh. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Zahlen liegen offen auf dem Tisch: 54 Mitarbeiter im politischen Büro von Herbert Kickl. Wir können das gerne noch miteinander diskutieren, aber wenn das Geld in den eigenen Politapparaten de facto abgeschafft ist, kann man nicht wie die Medienministerin anfangen, bei Journalistinnen und Journalis­ten, die es eh schwer haben, das Geld herunterzustreichen. Das ist kei­ne faire Debatte. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Erzähl das einmal einem Ludwig in Wien! Was der raushaut! – Abg. Ottenschläger: Wien gibt mehr aus als alle Bundesländer zusammen!)

17.21


17.21.49

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wir kommen zu einer Reihe von Abstimmungen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 3170/A(E) der Ab­geordneten Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zur
ORF-Steuer!“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sportübertragungen sicherstellen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein faires Finanzierungsmodell für den ORF“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Entpolitisierung ORF“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Ab­geordneten Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu solch einem Beschluss des Nationalrates gemäß Absatz 2 der zitierten Verfassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrau­ensantrag aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.23.53Kurze Debatte: „Keine zweite BUWOG“


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft mit der Ordnungszahl 12964/AB.


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Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer, die Schriftführerin erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsord­nung kein Redner, keine Rednerin länger als 5 Minuten sprechen darf.

Herr Abgeordneter Philipp Schrangl, Sie haben als Einbringer eine Redezeit von 10 Minuten und somit auch das Wort. – Bitte.


17.24.33

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es bei einem vorigen Tagesordnungspunkt schon angesprochen, aber es ist ein so wichtiges Thema, dass es gar nicht oft genug gesagt werden kann.

Schade ist, dass leider im Gegensatz zum letzten Bautenausschuss Bundesminis­ter Kocher nicht anwesend ist – auch wenn ich mich freue, dass Sie heute da sind, Frau Staatssekretärin, lieber hätte ich gesehen, dass Herr Bundesminis­ter Kocher da wäre, weil er die Anfragebeantwortung unterschrieben hat beziehungsweise der Kopf Ihres Hauses ist, und auch deswegen, weil er im Bau­tenausschuss am 23. Februar wiederum falsche Dinge wiederholt hat, von denen ich ihm schon eindeutig nachgewiesen habe, dass das nicht so ist. Ich ha­be es auch hier ausgedruckt (ein Schriftstück in die Höhe haltend), ich werde es Ihnen dann übergeben, Sie können es ihm mitnehmen. (Abg. Steinacker: An Selbstvertrauen nicht zu übertreffen, der Philipp!) – Frau Kollegin Steinacker, auch Sie sind in der Gemeinnützigkeit verankert (Abg. Steinacker: Ja, sicher!), Sie wissen es, und Sie kennen auch ganz sicher den Kommentar zu § 7, zu dem Verfassungsrichter Holoubek eindeutig festhält, dass es dem Gesetz widerspricht, was in den Erläuterungen steht, und dass es überschießend ist.


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Aber nun zu meiner Rede und der Besprechung der Anfragebeantwortung: Im Bautenausschuss vom 23. Februar sorgte die Frage um Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau zu Recht wieder für erhebliche Aufregung. Herr Bundesminister Kocher steht nicht ohne Grund auch in der Kritik der So­zialdemokratie und der NEOS.

Ich sage es ganz offen, Herr Bundesminister – vielleicht hören Sie es nach oder vielleicht hören Sie es sich eh an –: Sie und leitende Mitarbeiter Ihres Minis­teriums haben den größten Anschlag auf den sozialen Wohnbau in der Geschichte der Zweiten Republik zu verantworten. Ja, leider sind diese Aus­wirkungen wesentlich umfangreicher und noch gefährlicher als jene des unsäglichen Buwog-Verkaufes. Diese durch Ihr Haus und dadurch auch durch Sie verantworteten Gefahren für den sozialpolitisch so essenziellen Bereich der Wohnungsgemeinnützigkeit müssen Ihnen im Detail bekannt sein. Ich habe Sie brieflich bereits darüber in Kenntnis gesetzt, und auch im Bautenaus­schuss wurde wie gesagt darüber gesprochen. Auch meine Kollegen von der Sozialdemokratie und von den NEOS haben das Gleiche noch einmal auf­gegriffen. Es gibt also genügend Hinweise.

Dazu habe ich auch eine Anfrage gestellt, und Ihre Anfragebeantwortung dazu vom 14.2. soll offenbar nur dazu dienen, diese sozialpolitisch explosiven Gefahren zu verschleiern – sozialpolitisch explosive Gefahren für circa zwei Millionen Bewohner und fast 700 000 leistbare Mietwohnungen.

Es wird immer offensichtlicher, Herr Bundesminister, dass Sie sogar wollen, dass Anleger, Spekulanten, Banken und Versicherungen den gemeinnützigen Wohnbau aufkaufen. Leistbare Wohnungen gibt es dann aber nur noch für In­vestoren und nicht mehr für Mieter. Wenn es nämlich nach Ihnen und lei­tenden Mitarbeitern Ihres Hauses geht, Herr Bundesminister, dann kau­fen Investoren Sozialwohnungen zum Sozialtarif und dürfen diese dann frei an die Menschen vermieten. Dass das keine abstrakte Sorge ist, zeigen die ersten Vorbereitungshandlungen im Bereich der Grazer Reininghausgründe in


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der Steiermark – so viel dazu, dass es, wie im Bautenausschuss behauptet wurde, keinen Anwendungsfall gibt. Es gibt ihn!

Ein Drittel der Haushalte geht davon aus, sich die Miete in den nächsten drei Monaten nicht mehr leisten zu können. Der ÖVP-Wirtschaftsminister und seine leitenden Angestellten verscherbeln den gemeinnützigen Wohnbau an Investoren. Die berüchtigte Eiserne Lady Maggie Thatcher hat ihn wenigstens günstig an die Bewohner verkauft. Sie gehen noch weiter als diese fanati­sche Neoliberale, Sie verscherbeln ihn gleich an Anleger.

Vor den Folgen dieser unsozialen, verantwortungslosen Politik, dieses wohnpoli­tischen Raubzuges warne nicht nur ich, nein, vor den Folgen warnen auch die Sozialpartner in Gestalt der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer. Dazu sei allen Wirtschaftskammerfunktionären gesagt: Es gibt dazu eine Presseaus­sendung von WKO-Obmann Pisecky. Bitte schauen Sie sich die an! Auch er warnt davor.

Der genossenschaftliche Dachverband der GBVs fordert rasche Gegenmaßnah­men. Die SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál kritisiert die Regelung. Oberösterreichs FPÖ-Landeshauptmannstellvertreter und Wohnbaulandesrat Manfred Haimbuchner kritisiert die Regelung und ruft den Gesetzgeber zum Handeln gegen Anlegerwohnungen in der Wohnungsgemeinnützigkeit auf. Der Niederösterreichische Landtag hat auf FPÖ-Initiative einstimmig einen Resolutionsantrag gegen diese Politik angenommen.

ÖVP-Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger stemmt sich in der Beantwortung einer Anfrage, die die FPÖ an ihn im Niederösterreichischen Landtag gestellt hat, gegen Ihre Politik und gegen die Politik des ÖVP-Wirtschaftsministeriums.

Ich sage Ihnen eines, Herr Bundesminister – und ich gebe es Ihnen jetzt mit, Frau Staatssekretärin –: Wenn Sie länger allein auf die Expertise Ihres Hauses ver­trauen, wie Sie eben auch im Ausschuss bekundet haben, dann wird das langsam politisch grob fahrlässig.


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Ich hoffe, es wird auch mein Kollege, ÖVP-Bautensprecher Hans Singer, widersprechen. Er hat im Bautenausschuss gemeint, dass das Thema besser bei Experten und nicht hier im Hohen Haus aufgehoben wäre. Lieber Hans – und ich gebe es dem Herrn Bundesminister mit –: Alle namhaften Experten ha­ben sich bereits gegen diese legistisch wie moralisch schlechte Regelung ausgesprochen. Ich bringe nur wenige Beispiele: Verfassungsrichter Michael Ho­loubek spart nicht mit Kritik daran, ebenso wie der renommierte Wohn­rechtler und Anwalt Christian Prader.

Du siehst also, lieber Hans, die Experten kommen zu eindeutigen Ergebnissen, und ich übergebe Ihnen das jetzt, Frau Staatssekretärin. Bitte schön, feier­liche Übergabe. (Der Redner überreicht Staatssekretärin Kraus-Winkler Papiere.) Randziffer 4, da steht es eindeutig drin, Frau Kollegin Steinacker kann es sich dann auch noch einmal anschauen.

Martin Kocher und sein Haus aber stemmen sich gegen diese Expertise, meine sehr verehrten Damen und Herren, gegen den vereinten politischen Druck der Opposition. Daher frage ich mich: Warum?

An dieser Stelle muss ich noch einmal wiederholen: Es muss klar sein, dass Ge­setze hier im Nationalrat beschlossen werden und nicht von irgendwelchen Perspektivengruppen. Wenn ich mir die sonderbare Genese jener Erläuterungen ansehe, die uns jetzt alle hier beschäftigen, dann wirft diese Genese dramati­sche Fragen auf. Da reden wir über eine Dreistigkeit, dass es selbst einem Thomas Schmid die Sprache verschlagen würde. Es muss für alle Zukunft klar sein, dass die Abteilung WGG nicht dafür da ist, einzelfallspezifische Aus­künfte etwa an Unternehmen oder Aufsichtsbehörden zu erteilen. Es muss für die Zukunft klar sein, dass die Aufsicht über gemeinnützige Bauvereini­gungen allein bei den Landesregierungen liegt und der genossenschaftliche Re­visionsverband und auch die Finanz – die wird sich eh noch damit beschäf­tigen – mitzureden haben, nicht das Wirtschaftsministerium. Diese Bereiche sind sozusagen wieder sauber zu trennen.


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Und: Es geht nicht an, dass Aufsichtsbehörden, die nachfragen, ob das denn auch alles rechtens wäre, von einer Anwaltskanzlei und dem Wirtschaftsministe­rium in die Zange genommen werden. Es muss klar sein – und ich hoffe, dass Sie das sicherstellen –, dass aktive leitende Angestellte des Wirtschaftsmi­nisteriums nichts in Perspektivengruppen zu suchen haben, die Interessen ver­treten. Ich weiß, dass Aufsichtsbehörden der Länder in der Frage Anleger­wohnungen bereits Anfragen an Ihr Haus gestellt haben, und ich erwarte, dass Sie Ihrem zuständigen Herrn Abteilungsleiter eine entsprechende Weisung erteilen, nämlich dass Anlegerwohnungen im sozialen Wohnbau nichts zu suchen haben, vor allem nicht im steuerprivilegierten Geschäftskreis.

Um exemplarisch zu belegen, dass Sie wohl durch falsche Informationen bewusst in die Irre geführt werden, darf ich Ihnen Auszüge aus einem Buch überrei­chen, auch das habe ich schon gemacht; aus einem Buch, an dem auch Ihr Abteilungsleiter mitgeschrieben hat, aus einem Buch, für das mehrere Autoren Beiträge schreiben, aus denen hervorgeht, dass letztlich Anlegerwoh­nungen durch die WGG-Novelle 2022 und nicht, wie der Herr Bundesmi­nister fälschlich im Bautenausschuss behauptet hat, 2019 implementiert wurden. Damit wäre bereits die erste Desinformation nachgewiesen, die auch in der heutigen gegenständlichen Anfragebeantwortung enthalten ist.

Kommen wir nun konkret zur Anfragebeantwortung. Sie tritt das Interpellations­recht mit Füßen. So gesehen ist zu hoffen, dass Sie die Beantwortung nicht eingehend studiert haben, Herr Bundesminister, bevor Sie sie unterschrie­ben haben. Das würde nämlich ein Demokratieverständnis offenbaren, das in unserer Zeit und auch in Ihrem Verständnis, glaube ich, nichts zu suchen hat. Nicht eine Frage wurde konkret beantwortet.

Sie schreiben ganz unverfroren und wahrheitswidrig: „Nachdem die Geschäfts­kreisnorm des § 7 [...] nicht geändert wurde, erfolgte durch die WGG-No­velle 2022 keine wie immer geartete ,Öffnung‘ der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft im Sinne der Anfrage.“


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Jetzt frage ich: Was soll denn diese Formulierung „keine ,Öffnung‘ im Sinne der Anfrage“ bedeuten? Was wäre denn eine Öffnung nicht im Sinne der An­frage? – Offenbar wollte mir der Herr Bundesminister keine konkre­ten Antworten geben, oder vielleicht wollten mir auch leitende Mitarbeiter seines Hauses keine Antworten geben, weil es unbequeme Wahrheiten sind, die da ans Licht kommen würden; weil man geglaubt hat, mit diesen Sachen durchzukommen – ein schlimmeres Wort, das ich da aufgeschrieben habe, sage ich nicht –, weil man geglaubt hat, dass diese Sachen niemandem auffallen würden – bis es zu spät ist, bis die Wohnungsgemeinnützigkeit sich selber abge­schafft hat.

Fakt, meine sehr verehrten Damen und Herren – und das ist auch mein Schluss­satz –, ist jedenfalls, dass es durch die WGG-Novelle 2022 zur entspre­chenden Öffnung kam. Exemplarische Auszüge aus der Literatur habe ich Ihnen bereits übergeben. Damit ist auch diese Antwort bereits falsifiziert. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf der Abg. Steinacker.)

Im Übrigen: Welche Auskünfte das Ministerium gegenüber gemeinnützigen Bauvereinigungen hinsichtlich der Auslegung des WGG bereits gegeben hat,  blieb unbeantwortet.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt bitte wirklich den Schlusssatz formulieren.


Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (fortsetzend): Dazu werde ich eine geson­derte Anfrage einbringen.

Festzuhalten bleibt: Es kann nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Her­ren, dass Beamte Politik machen und nicht wir hier im Hohen Haus. (Beifall bei der FPÖ.)

17.35


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler zu Wort gemeldet. – Frau Staatssekretärin, Ihre Redezeit soll auch 10 Minuten nicht überschreiten. Sie haben jetzt das Wort.



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17.35.42

Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft Mag. Susanne Kraus-Winkler: Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren vor dem Livestream und auf der Galerie! Bei der heutigen Kurzdebatte darf ich stellvertretend für Herrn Bundesminis­ter Martin Kocher auf die Fragen des Kollegen, Herrn Abgeordneten Philipp Schrangl, zum Thema „Keine zweite BUWOG – Nein zu Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau und der schleichenden Abschaffung der Woh­nungsgemeinnützigkeit!“ eingehen. Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

Zu Beginn möchte ich darauf verweisen, dass es gemeinnützigen Bauvereini­gungen im Regelgeschäftskreis verboten ist, Anlegerwohnungen zu errich­ten. Projekte, bei denen ganze Baulichkeiten in Wohnungspaketen an Anleger verkauft werden, sogenannte Paketverkäufe, würden als Umgehung der Bestimmungen des WGG gewertet werden und strenge aufsichtsbehördliche Maßnahmen nach sich ziehen, denn gemeinnützige Bauvereinigungen haben sich bei der Vergabe von Wohnungen von objektiven Kriterien, beispielsweise den Einkommensverhältnissen, der Haushaltsgröße und dem Wohnbedarf, leiten zu lassen.

In den vergangenen Jahren hat das Wirtschaftsministerium mehrere Novellen des WGG erlassen, um Spekulationen im gemeinnützigen Wohnbau mas­siv einzuschränken und zu verhindern, zuletzt durch die Novelle 2022. Um Spe­kulation mit gemeinnützig errichteten Wohnungen zu verhindern, wurden in den letzten Novellen zahlreiche Normen zur Verhinderung von Spekulation verschärft und auf den Bereich der sofortigen Eigentumsübertragung aus­gedehnt.

Der Vollständigkeit halber möchte ich darauf hinweisen, dass die Geschäftskreis­norm des § 7 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz durch die Novelle 2022 nicht geändert wurde. Dementsprechend erfolgte auch keine wie immer gear-


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tete Öffnung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft im Sinne der An­frage. Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft steht im ständigen Austausch mit dem Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen – Revisionsverband und den für das WGG zuständigen Lan­desaufsichtsbehörden.

Nach Rücksprache mit Expertinnen und Experten sowie der Branche sind derzeit keine Anlegerprojekte im Regelgeschäftskreis bekannt. Des Weiteren sind auch keine Fälle bekannt, in denen Einzelpersonen in mehreren verschiedenen Baulichkeiten Wohnungspakete im Regelgeschäftskreis erworben hätten. Zusätzlich kontrollieren auch die für die Vollziehung des WGG zuständigen Lan­desaufsichtsbehörden sehr genau die Einhaltung der Bestimmungen des WGG und ergreifen bei jeder Art des Missbrauchs sofort entsprechende auf­sichtsbehördliche Maßnahmen bei Übertretungen.

Abschließend möchte ich festhalten, dass es in der Natur der Sache liegt, dass zahlreiche unterschiedliche Rechtsansichten zu Normen bestehen, deren Auslegung ausschließlich der unabhängigen Justiz zusteht. Im Bereich des ge­meinnützigen Wohnbaus kann ich Ihnen jedoch versichern, dass für Spe­kulation kein Platz ist. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.39


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Johann Singer zu Wort. – Bitte.


17.39.32

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit der Frage von Anlegerwohnungen in der Gemeinnützigkeit und den dazu notwendigen politischen Feststellungen.

Die ÖVP lehnt den Verkauf von Anlegerwohnungen aus dem Bestand der Gemeinnützigkeit, so wie es Kollege Schrangl darstellt, kategorisch ab. Ich kenne


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niemanden aus der Politik, der so einen Verkauf forciert. Warum? – Damit würde die Gemeinnützigkeit in den Grundlagen infrage gestellt werden, und das will niemand. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist ein wesentliches Standbein der österreichischen Wohnungslandschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir sind froh, dass wir sie haben. Sie trägt dazu bei, dass Wohnraum auf sozialen Grundlagen geschaffen wird, und sie trägt auch zur Leistbarkeit von Wohn­raum bei.

Warum ist diese Diskussion entstanden? – Weil die Interpretation der Erläute­rungen der Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz 2022 in Ex­pertenkreisen zu unterschiedlichen Auffassungen geführt hat. Ich betone, es geht nicht um Gesetzestexte, sondern um Erläuterungen. (Abg. Schrangl: Stimmt!) Normalerweise wird so eine Situation in Expertenkreisen diskutiert, und wenn es notwendig ist, werden Klarstellungen gemacht. (Abg. Schrangl: Dann ma­chen wir die, bitte!)

Sehr geehrte Damen und Herren, seit dem Jahr 2016 wurden in jeder Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz Verschärfungen im Aufsichts­recht vorgenommen und die Normen zur Verhinderung von Spekulationen mit gemeinnützig errichtetem Wohnbau eingeführt oder weiter verschärft. Dazu darf ich ein paar Punkte anführen, die unsere Frau Staatssekretärin bereits angesprochen hat:

Die Errichtung von Anlegerwohnprojekten ist gemeinnützigen Bauvereinigungen im steuerbefreiten Regelgeschäftskreis streng verboten. Verkäufe ganzer Baulichkeiten unterliegen bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörden. Verkäufe von Paketen mit mehr als drei Woh­nungen unterliegen bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Genehmigung der Landesaufsichtsbehörden und dürfen nicht im Regelgeschäftskreis durchgeführt werden. Zusammenfassend sind das alles Punkte, die einen Ver­kauf in der diskutierten Größenordnung nicht ermöglichen.


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Wie soll es nun mit diesem Thema weitergehen? – Herr Bundesminister Kocher hat im Bautenausschuss die Bautensprecher aller Fraktionen dieses Hauses eingeladen, mit ihm dieses Thema zu diskutieren und Lösungsansätze zu finden. Das ist eine Vorgangsweise, die meiner Meinung nach dem Problem gerecht wird.

Abschließend noch einmal: Ich sehe in der Politik und auch im Wirtschaftsmi­nisterium niemanden, der den Verkauf von Anlegerwohnungen will und forciert. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ruth Becher. – Bitte.


17.43.19

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorsorgespekulationswohnungen sind ein Unding, und die SPÖ wird die notwendigen diesbezüglichen Reparaturen gerne und grundsätzlich immer unterstützen.

Was die gegenständliche Debatte angeht, so möchte ich schon gerne auch ein­fordern, dass wir auf die Zahlen und Daten schauen und die Kirche im Dorf lassen. Wenn ich die betreffende Anfrage lese – ich zitiere daraus –, scheint das nicht so: „Diese strukturelle Etablierung von Anlegerwohnungen im sozialen Wohnbau kommt [...] faktisch einer zweiten BUWOG gleich.“

Bleiben wir bei den Fakten: Der Buwog-Skandal betrifft die Bundesregierung Schüssel I, eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ. Verantwortlich war der damalige Finanzminister, der von der FPÖ gestellt wurde. Die juristische Aufarbeitung – ich sage jetzt Eurofighter, Privatisierung, Hausbesorger und so weiter – ist bis heute letztinstanzlich noch nicht abgeschlossen und kos­tet die Steuerzahler Millionen.

Der Buwog-Skandal bedeutet, dass von der ÖVP und der FPÖ 60 000 Bun­deswohnungen um 30 000 Euro pro Stück abzüglich der Förderungen verkauft


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wurden und die Menschen vom Baby bis zum Greis deswegen heute um 1 500 Euro leichter sind. Bei einem Vierpersonenhaushalt macht das 6 000 Euro aus. Ich sage das, um das hier auch in die richtige Dimension zu rücken.

Natürlich betreibt die FPÖ hier Kindesweglegung, denn die FPÖ von heute will mit der FPÖ von gestern nichts mehr zu tun haben. Die inneren Widersprü­che zwischen Ankündigungen und der realen mieterfeindlichen Politik bestehen aber bis heute, und das kann ich auch belegen.

Wie oft waren Vertreter Ihrer Partei hier heraußen und haben sich über die Auslaufannuitäten beschwert? Auslaufannuitäten bedeuten, dass die gemeinnützigen Bauträger mit den Mieteinnahmen die Kredite für die Wohnun­gen abbezahlen und dann, wenn die Kredite ausgelaufen und abbezahlt sind, diese Miete unverändert weiter hoch vorschreiben dürfen. Was haben die Abgeordneten der FPÖ hier gewettert, dass die gemeinnützigen Bauträger sich eine goldene Nase verdienen würden. Es waren die Sozialdemokraten, die mit der WGG-Reform 2016 die Auslaufannuitäten abgeschafft haben. (Abg. Kassegger: Also haben wir recht gehabt!) Für alle abbezahlten Wohnungen durfte man dann nur mehr 1,80 Euro plus Erhaltung und Betriebskosten verlangen. (Abg. Steinacker: Da waren wir aber schon auch dabei! – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Das ist bis heute so, das sind die günstigsten Wohnungen, aber die FPÖ hat 2019 de facto die Auslaufannuitäten wieder eingeführt. (Abg. Schrangl: Für einen Sanierungsbeitrag!) De facto zahlen das die Mieterinnen und Mieter, und Er­haltungs- und Verbesserungsmaßnahmen durch Eigenmittelvorlagen der GBV, der Gemeinnützigen, verlängern die Weiterzahlung der bisherigen Miete beliebig lang. (Abg. Schrangl: Aber dass Sozialwohnungen von Anlegern verscherbelt wer­den, findest du gut?) Das kostet die Mieter bares Geld, und das ist mein Appell an Sie, an die FPÖ: Finger weg von der Wohnungsgemeinnützigkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Um diese Gesetzeslücke, die trotz der WGG-Reform unter Beteiligung der Grünen und der FPÖ besteht, zu schließen, wird die SPÖ demnächst


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einen Gesetzesantrag einbringen. Der wird gerade finalisiert, und sobald die Ge­setzesvorlage vorliegt, werden wir sie auch einbringen. Dann können Sie und die Grünen zeigen, auf welcher Seite Sie stehen, auf Seite der Buwog-Pri­vatisierer oder auf Seite der arbeitenden Bevölkerung und der Mieterinnen und Mieter. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Rag­ger. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Jetzt bin ich neugierig!)


17.47.58

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Ich will Ihre Interpretation und das, was Sie jetzt quasi vom Ministerium in Vorlage bekommen haben, gar nicht noch einmal kritisch vertiefen, aber Faktum ist: Wir waren bei den letzten zwei Novellen dabei, und man hat es übersehen. Das ist Faktum, und das hätte Ihr Beamter richtigstellen müssen, nämlich dass im Wohnungsgemeinnützig­keitsgesetz explizit der § 10 auf den § 7 verweist und dort dementsprechend klargestellt worden ist, dass es so viel Interpretationsspielraum gibt, dass eine Spekulation möglich ist. Das wollen wir ausgeräumt wissen.

Es wird sicherlich keine Parlamentsfraktion Interesse haben, nur irgendwie an der Gemeinnützigkeit zu zweifeln oder diese abzuschaffen. Faktum ist aber, dass sich derzeit gemeinnützige Wohnbauvereinigungen damit bedienen, dass sie theoretisch drei Wohneinheiten verkaufen können; und das sukzessive. Das lässt diese Erläuterung zu, und daher bedienen sie sich dieser Geschichte. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube einfach, dass wir, auch Kollegin Becher folgend, generell über die gesetzliche Novellierung der Wohnungsgemeinnützigkeit reden müssen, denn wir wollen nicht wirklich die gleichen Effekte wie in Deutschland erzielen. Am Ende des Tages ist es dann wie in Berlin, wo wir dann mit wirklich inten­siven öffentlichen, teilweise aber auch mit Antifa-Aktivisten bestehenden,


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Auseinandersetzungen Mieten in unendliche Höhen treiben und letztendlich die gesamte Gesellschaft spalten.

Faktum ist, wir müssen in der Wohnungsgemeinnützigkeit ganz klar die gleiche Parität wie mit den Privaten halten. Wir brauchen die Wohnungsgemein­nützigkeit vor allem in den großen Städten wie Wien, aber auch den anderen Städten wie Graz oder Linz oder Klagenfurt. Wichtig ist, dass der Private dort gleichzeitig auch Raum hat.

Was ich sehe, ist der Spielball, der seit Bestehen der Zweiten Republik immer wieder besteht – und da nehme ich auch die ÖVP nicht aus –, dass man halt versucht hat, in jedem kleinen Bundesland und auf jeder Ebene seine ge­meinnützigen Wohnbaugenossenschaften zu schaffen. Die sind natürlich ohne Ende mit Sauerwiesen bestückt.

Ich kenne auch diese Wohnungsgemeinnützigkeitsgenossenschaften, und ich sehe, dass es bis vor zwei Jahren möglich war, dass man über Stockwerk­gesellschaften einfach individuell Genossenschaften verscherbelt hat. Das war Fakt. Man hat es nur das erste Mal zumachen müssen.

Man weiß heute genau, dass natürlich die Wohnungsgemeinnützigkeits­genossenschaften Kolosse sind und der eigene Revisionsverband, der aus eigenen Revisoren aus der Wohnungsgemeinnützigkeit besteht, diese prüft. Es kann doch nicht sein, dass ein Eigener in der Revision (Beifall des Abg. Loa­cker), der dort drinnen ist, auch überprüft, was die einzelnen Gemeinnützigen an­gestellt haben. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Also das ist ja unfassbar. Daher ist es wichtig, in dieser Novellierung mitzudenken, dass man Externe nimmt, die das überprüfen, weil die alle auf Millionenbeträgen sitzen.

Man darf ja nicht vergessen, dass auch die Gemeinnützigkeit nur dann über-tragen werden kann, wenn man zum Nominalwert überträgt. Das heißt, man kann billigst eine Wohnbaugenossenschaft von einer Gemeinnützigen in die andere übertragen. Faktum ist aber letztendlich, dass da öffentliche Gelder zum Einsatz kommen.


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Speziell Wien – das nehme ich nicht aus – ist ein Pflaster der echten Eitelkeiten von gemeinnützigen Genossenschaftern, die letztendlich sogar ihren Kin­dern – und da nehme ich nur die südlichen gemeinnützigen Wohnbaugenossen­schaften von Wien heraus – die Geschäftsführung der Genossenschaften übertragen.

Also hören Sie mir damit auf, dass unter der sozialistischen Wohnungsge­meinnützigkeitspolitik alles so supersauber ist! Faktum ist, dass dort ein riesiger, stinkender Haufen drinnen ist, der letztendlich auch einmal zusammenge­packt werden kann, weil dort über Jahrzehnte hinweg auch Schindluder getrie­ben worden ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwi­schenruf des Abg. Kollross.)

Wenn man aber ehrlich über Gemeinnützigkeit reden will, dann wird man auch darüber nachdenken müssen, wie man die Finanzausgleichsverhandlungen führt und warum man zum Beispiel bei den Finanzausgleichsverhandlungen die Zweckwidmung bei den einzelnen Wohnbaudarlehen aufgegeben hat. An­ders wäre es nämlich nicht möglich gewesen, dass die Niederösterreicher ihre Wohnbaudarlehen – über 30 Milliarden – verscherbelt hätten. Das sind halt alles Fakten, die in dieser Republik Realität sind. Nur verschließen wir uns diesen einzelnen Aufgaben wieder.

Wenn man zum Ende kommen will, dann muss man auch darüber nachdenken: Wie sieht man denn Wohnungsgemeinnützigkeit, Wohnungswesen überhaupt in der Zukunft? Vor ein paar Jahren sind alle groß beim Forum Alpbach gesessen und haben gesagt: Ja, jetzt werden wir quasi neue Wohnformen aufreißen!

Seit zehn bis fünfzehn Jahren gibt es in verschiedenen Organisationen in verschiedenen Ländern das Ambient Assisted Living. Das ist sogar europaweit unterstützt worden. In Österreich ist es nicht einmal existent.

Weitere Formen wie zum Beispiel Holz, das Slowenien seit 2010 einsetzt, wo 50 Prozent aus Holz gebaut werden können: Das ist in einem Holzland wie


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Österreich null. Sie schaffen es, in Mailand elfstöckige Wohnhäuser aus Holz zu bauen, aber wir schaffen es in einem Holzland wie Österreich nicht, diese Wohnbauformen – in der Gemeinnützigkeit, aber auch im Wohnungswesen – zu etablieren. (Zwischenrufe bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das sind Ansätze, die auch Sie im Volkswohnungswesen aufgreifen können.

Dementsprechend werden wir auch diesen Antrag stellen – ich muss ihn auch noch verlesen –:

Antrag gemäß § 92 Abs. 3 GOG

des Abgeordneten Mag. Christian Ragger auf Nichtkenntnisnahme der schriftli­chen Beantwortung einer schriftlichen Anfrage

Der unterzeichnete Abgeordnete stellt folgenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Beantwortung 12964/AB der Anfrage 13404/J der Abgeordneten Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Keine zweite BUWOG – Nein zu Anlegerwohnungen im gemeinnützigen Wohnbau und der schleichenden Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit! durch den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird nicht zur Kenntnis genommen.“

*****

Danke. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

17.53


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Nina Tomaselli zu Wort.

Ich gebe auch noch bekannt, dass dieser Antrag auf Nichtkenntnisnahme eingebracht ist und im Anschluss dann auch zur Abstimmung gelangt.

Entschuldigung, Frau Abgeordnete! Jetzt gelangen Sie zu Wort. Bitte.



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17.54.17

Abgeordnete Mag. Nina Tomaselli (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich glaube, wenn wir über den gemeinnützigen Wohnbau sprechen, dann müssen wir schon auch einmal festhalten, wie wichtig dieses Standbein für die österreichische Wohnungspolitik ist. Damit wir auch eine gute Zahl vor Augen haben: Es sind 667 300 Woh­nungen derzeit in Österreich nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ge­baut. Das heißt, 1,5 Millionen Menschen leben in solchen Wohnungen. Das sind im Übrigen bedeutend mehr Menschen als jene, die in Wohnungen mit frei­er Mietzinsbildung wohnen.

Das ist ein Modell, das langfristig Preissicherheit und damit Wohnkostensicher­heit für die Bewohnerinnen und Bewohner bietet, auf das wir sehr, sehr stolz sein können. Wohnungsgemeinnützigkeit ist immer noch die beste Preis­bremse und ist übrigens auch wohnpolitisch unser bester Partner, was den Klimaschutz anbelangt: Nur diese Sparte erreicht quasi das Klimastaatsziel von 3 Prozent Sanierungsrate.

Worum geht es heute? – Es geht grundsätzlich darum, inwiefern Eigentum überhaupt im gemeinnützigen Wohnbereich erlaubt werden sollte.

Wenn Sie jetzt mich fragen: Tatsächlich bin ich überhaupt keine Freundin von Eigentum im Wohnungsgemeinnützigkeitswesen, weil es im Grunde ge­nommen dem Ziel widerstrebt, das die Wohnungsgemeinnützigkeit vorgibt. Dieses Ziel lautet nämlich, dass man Wohnungen der Marktlogik und damit der Spekulationslogik langfristig entzieht. Nur dadurch ist diese Preisbremse überhaupt möglich.

Wenn man Eigentum erlaubt – und es ist nach der derzeitigen Gesetzeslage erlaubt; das haben mehrere Vorgängerregierungen mitbeschlossen, im Übrigen auch mit den Stimmen der SPÖ, falls man das vergisst –, bietet das natür­lich immer die Möglichkeit, das mitunter auch in dem Sinn zu missbrauchen, dass dann Wohnungen, die eigentlich einmal steuerbegünstigt gefördert erbaut


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worden sind, wirklich zu Preisen vermietet werden, die nichts mehr mit Gemein­nützigkeit zu tun haben. Deshalb – wir stehen ja auch vor einem Jahrzehnt der Miete – kann man sich durchaus, denke ich, überlegen, wie wir diesem Cre­do: Einmal gemeinnützig, immer gemeinnützig!, auch gesetzlich mehr oder neues Leben einhauchen können.

Beim vorliegenden Thema, das Kollege Schrangl ja seit Monaten verfolgt – und Kollege Singer hat es erklärt –, geht es nicht konkret um eine Gesetzesände­rung im letzten Jahr, sondern um die Änderung von erläuternden Bemerkungen zu einer Gesetzesnovelle. (Ruf bei der FPÖ: So ist es!) Tatsächlich – auch ich habe mein Ohr in der Fachbranche – hat das offenbar dazu geführt, dass ein In­terpretationsspielraum geöffnet wurde.

Zur Erklärung: Es geht nicht um eine zweite Buwog, sondern es geht in diesen erläuternden Bemerkungen darum, dass eine Person auf einen Schlag drei Wohnungen kaufen kann. (Abg. Schrangl: Drei pro Person pro Anlage! Also Sie kön­nen auch 60 Wohnungen kaufen!) Wenn man jetzt davon ausgeht, dass man selber ja nur eine Wohnung nutzen kann, dann sieht man, dass umgekehrt die restlichen zwei selbstverständlich Investoren- oder Anlegerwohnungen sind, weil man sie eben nicht selber nutzen kann.

Wenn es da Unklarheiten gibt, die tatsächlich missbraucht werden könnten, dann sind wir selbstverständlich dafür, dass man da eine Klarstellung macht. Ich habe in der letzten Ausschusssitzung den zuständigen Minister Kocher auch so verstanden, dass er sich dieses Problems sehr gerne annimmt, und freue mich sehr auf den runden Tisch, zu dem er alle Bautensprecherinnen und Bauten­sprecher eingeladen hat, um dort diese Problematik zu besprechen und allen­falls – und dafür werde ich mich einsetzen – eine Lösung zu finden. – Dan­ke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Marg­reiter. – Bitte sehr.



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17.58.45

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Ich bin sehr froh darüber, dass in den Debattenbeiträgen, die wir bisher in dieser kurzen Debatte gehört haben, ein doch sehr einmütiges Bekenntnis zur Wohnungs­gemeinnützigkeit abgegeben wird. Die Wohnungsgemeinnützigkeit – Kol­legin Tomaselli hat die Zahlen genannt – ist ein ganz wesentliches Standbein dessen, dass es im Sinne der Erfüllung eines verfassungsrechtlichen Auf­trages leistbaren Wohnraum gibt. In der Verfassung ist da noch vom „Volks­wohnungswesen“ die Rede.

Die Gemeinnützigen und auch die Gemeinden wären ja auch die richtigen Ansprechpartner und die richtigen Adressaten, wenn es jetzt darum geht, Teuerungen abzufangen und, und, und. Da zeigt sich einmal mehr, wie wichtig der gemeinnützige Bereich ist.

Allerdings ist es so, dass in den Jahren des Aufschwungs, in den Jahren, in denen auch die Österreicher gelernt haben, in Aktien zu investieren und, und, und, auch da Begehrlichkeiten gekommen sind. In den letzten 20 Jahren ist doch fest­zustellen, dass an der Gemeinnützigkeit schon da und dort geknabbert wird.

Gerade die letzte Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes ist eigentlich ein sehr deutlicher Anschlag auf die Wohnungsgemeinnützigkeit. Daran kann die Anfragebeantwortung des Herrn Bundesministers nichts ändern. Ich glaube ja auch Kollegen Singer gerne, dass er das nicht wahrhaben will.

Tatsache ist aber, dass man einerseits diesen § 10a Abs. 1 lit. d – wir erinnern uns an diese Novelle 2022, an die politische Debatte, da ist es hauptsächlich um die Spekulationsfristen gegangen, wenn Wohnungen an Mieter verkauft werden – doch sehr versteckt schon ein bisschen hineingeschummelt hat, dass dann plötzlich bei der Berechnung, wie viele Wohneinheiten im Paketver­kauf veräußert werden können, die Autoabstellplätze und die Garagenplätze nicht mehr mitgezählt werden. – Das ist einmal das eine.


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Das Zweite ist – und das ist eine sehr interessante Frage – der § 7 des WGG, des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes. Der regelt die Vermögensverwendung durch die gemeinnützigen Bauvereinigungen. Der § 10 regelt die Vermö­genssicherung. Er liefert also die Beschränkungen, unter denen die gemeinnützi­gen Bauvereinigungen ihre Anteile oder eben auch Immobilien veräußern können. Da gibt es klare Regelungen: Da gibt es das Hauptgeschäft, das sich im steuerbefreiten Bereich abspielt, und im § 7 Abs. 3 sind die Nebengeschäfte geregelt. Das sind all jene Geschäfte, die ohne aufsichtsbehördliche Ge­nehmigung durchgeführt werden können.

Das ist der Knackpunkt, weil jetzt eben die Diskussion darüber besteht, ob und inwieweit dieser Paketverkauf notwendig ist, der ja immer wieder stattfin­det und dem ja auch Vertreter der gemeinnützigen Wohnbauwirtschaft das Wort reden, wenn sich eben Wohnungen als Ladenhüter erweisen oder wenn die gemeinnützige Bauvereinigung Kapitalbedarf hat, um ein Wohnprojekt zu verwirklichen. Dann sieht man eine gewisse Notwendigkeit, außerhalb des Hauptgeschäftes und des Nebengeschäftes Veräußerungen durchzuführen.

Mit diesem Argument – und das sagen nicht ganz unbedeutende Experten des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes – wurde 2022 eine Regelung einge­führt, die so interpretiert wird, dass das Entscheidende ist, ob wir von einer An­legerwohnung oder eben von einer Wohnung in Selbstnutzung sprechen. Eine Wohnung in Selbstnutzung bleibt der Zielrichtung des gemeinnützigen Wohnwesens erhalten, Wohnungen ohne Nachweis der Selbstnutzung werden zu Anlegerwohnungen und zu Spekulationsobjekten.

Da gibt es Experten, die selber sagen, seit der WGG-Novelle 2022 ist davon auszugehen, dass ohne Nachweis der Selbstnutzung bis zu drei Woh­nungen – das wird dann noch näher ausgeführt – sondergenehmigungsfrei als Nebengeschäft anzusehen sind, weil da ein Zusammenhang zwischen den Vermögensverwendungsbestimmungen im § 7 und den Vermögenssi-


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cherungsbestimmungen im § 10 hergestellt wird – mag er auch aus dem Geset­zestext nicht abzuleiten sein, aber die Experten sehen es so, und das ist das Gefährliche.

Ich bin Kollegen Schrangl sehr, sehr dankbar dafür, dass er dieses Thema auf­gegriffen hat, weil wir hier in diesem Hohen Haus hinsichtlich dieser The­matik sehr, sehr wachsam bleiben müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Schrangl.)

18.04


18.04.08

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für deren Nichtkenntnisnahme aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Michael Hammer: Die SPÖ ist eh geschlossen, was tuts ihr in der Öffentlichkeit so?)

18.04.40Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit gehen wir in der Tagesordnung weiter. Ich nehme die Verhandlungen über Punkt 5 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Kollross. – Bitte.


18.04.57

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vielleicht noch eine Anmerkung zur Vordebatte, weil ein Kollege von der FPÖ da für mei­ne Begriffe ein bisschen selbstgefällig betreffend schwarze und rote Wohn­baugenossenschaften Haltungsnoten verteilt hat: Ich möchte nur in Erinnerung rufen – man vergisst ja so schnell –, dass der Versuch der FPÖ, ebenfalls


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eine Wohnbaugenossenschaft ins Leben zu rufen, nach relativ kurzer Zeit im Konkurs gelandet ist, und es war bisher die einzige Wohnbaugenossen­schaft in der Geschichte der Zweiten Republik, die in Konkurs gegangen ist. – Nur so viel zu diesem Thema. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: ... Mantel des Schweigens darüber!)

Nun kommen wir aber zur völlig zu Recht hitzigen Debatte zum Thema Wohnen zurück – es geht ja um nichts weniger als um das Grundrecht auf Wohnen –, wieder zur Ursprungsdebatte, die wir zuvor geführt haben, nämlich zum Gesetz­entwurf zur Heiz- und Kältekostenabrechnung. Ich schicke gleich voraus: Wir werden diesem Antrag zustimmen, sagen aber gleichzeitig dazu, dass es ein erster Schritt in diesem Bereich ist, der Gesetzentwurf aber eigentlich viel zu wenig weitgehend ist und vieles in dieser Gesetzeslage nach wie vor offen ist.

Was die Verbraucherinnen und Verbraucher, was die Mieterinnen und Mieter betrifft, gibt es eine kleine Verbesserung in diesem Bereich, aber wirkli­che Transparenz und wirkliche Selbst- und Mitbestimmung für Menschen, die in Miete ab vier Wohneinheiten leben, gibt dieses Gesetz nur bedingt her. Es ist aber zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung. Das erkennen wir auch dementsprechend an.

Trotzdem wollen wir auch in dieser Debatte klarlegen, wo unsere Positionierung ist und wo wir meinen, dass es in diesem Bereich noch Verbesserungen braucht, und deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „No­vellierung des Heizkostengesetzes zu Gunsten der Wärmeabnehmer“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird ersucht, eine Regierungs­vorlage auszuarbeiten und dem Nationalrat zu übermitteln, die eine


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Änderung des Heizkostenabrechnungsgesetzes in folgenden wesentlichen Punkten vorsieht:

- Wohnungsnutzer*innen dürfen mit den Heiz-, Kälte- und Warmwasserkosten nur die Betriebskosten der Anlagen verrechnet bekommen, keinesfalls allfäl­lige Reparatur- oder gar Baukosten.

- aus den Abrechnungen muss für die Wohnungsnutzer*innen klar ersichtlich sein, welche Kosten man wem schuldet.

- die Abrechnungen sollen für die Wohnungsnutzer*innen in einem einfachen Verfahren auf Richtigkeit und Angemessenheit bzw. Unangemessenheit der verrechneten Kosten überprüfbar sein.

- die Verlängerung der Nutzungsdauer der Messgeräte von 5 auf 10 Jahre aus ökonomischen und ökologischen Gründen.

- die Einführung standardisierter Softwareschnittstellen, um das anbieterunab­hängige Auslesen von Verbrauchswerten zu ermöglichen.“

*****

Das wäre eine wirkliche Verbesserung. Das, was wir jetzt zu beschließen haben, ist eine kleine Verbesserung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abg. Andreas Kollross, Mag. Ruth Becher

Genossinnen und Genossen

betreffend Novellierung des Heizkostengesetzes zu Gunsten der Wärmeabnehmer


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eingebracht in der 202. Sitzung des Nationalrates am 1. März 2023 im Zuge der Debatte zu TOP 5 Bericht des Ausschusses für Bauten und Wohnen über den Antrag 3095/A der Abgeordneten Johann Singer, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heiz- und Kältekosten­abrechnungsgesetz geändert wird (1953 d.B.)

Das HeizKG gilt in Österreich schon seit 1991 für die Aufteilung der Heiz- und Warmwasserkosten und neuerdings auch Kältekosten in Gebäuden und wirtschaftlichen Einheiten mit mindestens vier Nutzungsobjekten, die durch eine gemeinsame Versorgungslage mit Wärme, Warmwasser oder Kälte versorgt werden1. Es gilt also im mehrgeschoßigen Wohnbau für Gebäude mit Miet- oder auch Eigentumswohnungen, aber auch für Reihenhausanlagen und sogar Grundstücke mit mehreren Einfamilien- und Doppelhäusern, sofern 4 oder mehr Objekte durch eine gemeinsame Versorgungsanlage (Fernwärme oder Zentralheizungsanlage auf der Liegenschaft) versorgt werden.

Ziel des Gesetzes ist eigentlich, eine rationelle und sparsame Energieverwendung durch eine verbrauchsabhängige Verteilung von Heiz- und Warmwasserkos­ten zu erreichen und zwar dort, wo die Wärmeabnehmer*innen Einfluss auf den Ver­brauch haben und die erwartete Energieeinsparung die Kosten übersteigt, die sich aus dem Einbau und Betrieb von Messinstrumenten ergeben. Diesem Ziel wird das HeizKG in seiner derzeitigen Fassung nicht gerecht. Im Gegenteil: es entste­hen durch die Unklarheiten seiner Normen Rechtsschutzdefizite und Widersprüche zum finanziellen Nachteil der Bewohner*innen.

Bei einer zentralen Wärme(Kälte)aufbereitungsanlage besteht aber das Grundproblem darin, dass die Rahmenbedingungen oft nicht von den Nutzer*innen beeinflusst werden können. Über die Art der Wärmeversorgung entscheiden nämlich die Bauträger*innen und Vermieter*innen meist vor Errichtung der Wohnun­gen. Rahmenverträge werden dabei von Vermieter*innen, Verwalter*innen so­wie Bauträgern auf der einen Seite und Dienstleister*innen oder Heizungsbetrei­ber*innen auf der anderen Seite abgeschlossen. Die daraus resultierenden


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Kosten sollen jedoch von den Mieter*innen und Wohnungseigentümer*innen getra­gen werden. Dabei handelt es sich um klassische Verträge zulasten Dritter.

Zum intransparenten und widersprüchlichen HeizKG kommt aber noch hinzu, dass das Ablesen der Heizungs-, Kälte- und Warmwasserverbrauchswerte ein lukra­tiver Markt für einige wenige global agierende Konzerne ist. Ein Indiz für die Di­mensionen dieses Geschäfts ist der Umstand, dass beispielsweise der Anbieter „ISTA“ vor einigen Jahren um 4,5 Milliarden Euro den Besitzer wechselte. Bei einer ver­gleichbaren Marktsituation in Deutschland hat das dortige Bundeskartellamt die Strukturmerkmale und Verhaltensweisen der Submetering-Anbieter kritisiert, indem er ihnen vorwarf, den Kund*innen einen Anbieterwechsel zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern. Es ist daher davon auszugehen, dass hier erhebliche Einsparungspotentiale für die Mieter*innen und Eigentümer*innen zu ihren Gunsten ermöglicht werden könnten. So wäre eine Verlängerung der Nutzungs­dauer der notwendigen Messgeräte anzustreben oder die Einführung standardisierter Softwareschnittstellen denkbar, um das anbieterunabhängige Auslesen von Ver­brauchswerten sicherzustellen.

Will man überdies das Potenzial des Gebäudesektors zur Erreichung der Klimaziele im Mehrfamilienhaus voll ausschöpfen, etwa auch durch eine Forcierung von Fern­wärme oder durch zentrale Wärmeversorgung statt Einzelheizungen, muss man die Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten der Mieter*innen und Wohnungseigen­tümer*innen stärken und zusätzliche finanzielle Belastungen für sie vermeiden. Vor diesem Hintergrund ist das Heizkostenabrechnungsgesetz in großen Teilen er­heblich zu verbessern.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird ersucht, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten und dem Nationalrat zu übermitteln, die eine Änderung des Heiz­kostenabrechnungsgesetzes in folgenden wesentlichen Punkten vorsieht:

•     Wohnungsnutzer*innen dürfen mit den Heiz-, Kälte- und Warmwasserkosten nur die Betriebskosten der Anlagen verrechnet bekommen, keinesfalls allfällige Re­paratur- oder gar Baukosten.

•     aus den Abrechnungen muss für die Wohnungsnutzer*innen klar ersichtlich sein, welche Kosten man wem schuldet.

•     die Abrechnungen sollen für die Wohnungsnutzer*innen in einem einfachen Verfahren auf Richtigkeit und Angemessenheit bzw. Unangemessenheit der verrechneten Kosten überprüfbar sein.

•     die Verlängerung der Nutzungsdauer der Messgeräte von 5 auf 10 Jahre aus ökonomischen und ökologischen Gründen.

•     die Einführung standardisierter Softwareschnittstellen, um das anbieterunab­hängige Auslesen von Verbrauchswerten zu ermöglichen.

1          Von den rund 2.406.000 Haushalten, die österreichweit in Mehrfamilienhäusern wohnen, sind rund 35,4% an Fernwärme angeschlossen. Und in rund 34,5% gibt es eine Zentralheizung.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte.


18.08.49

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätztes Mitglied der Bundesregierung! Also, lieber Andi Kollross, ich weiß jetzt nicht, was du uns mit „in Konkurs gegangen“ sagen wolltest, aber ich kann dir sagen, was


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unter SPÖ-Beteiligung schon alles in Konkurs gegangen ist (Abg. Kollross: Keine Wohnbaugenossenschaft!): Konsum, Bawag, Kommunalkredit und so weiter und so fort. (Abg. Becher: ... Rosenstingl ...!) Also da wäre ich vorsichtig. Ich glaube, da könnte jede Partei der anderen etwas vorhalten und etwas nennen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: ... die meisten!)

Was ich schon sagen will, ist, auf den Antrag zurückkommend: Wir sind gegen diesen Antrag. Uns geht er zu wenig weit. Man hätte die Monopolstellung abstellen können, man hätte da viel mehr machen können. Das ist uns eigentlich zu wenig.

Der Grund aber, warum ich mich zu Wort gemeldet habe, ist die Wohnbauförde­rung in Niederösterreich. Wohnen wird immer teurer, speziell in Nieder­österreich. – Dazu hätte ich mir von dir als Bürgermeister mehr erwartet, lieber Andi Kollross, dass du da ein bisschen mehr darauf eingehst (Abg. Kollross: Ja, aber das ist eine andere ..., da geht’s jetzt nicht ums Wohnen!) – Ja, aber trotz­dem kann man das schon erwähnen, die Belastung der Bürger durch die Teuerung ist absolut ein Thema, und ich glaube, das ist auch wichtig. Da hat Nie­derösterreich unter Wolfgang Sobotka – dem jetzigen Nationalratspräsi­denten; als langjähriger Landesrat für Finanzen in Niederösterreich verantwort­lich – natürlich schon kläglich versagt.

So kommt es auch, dass mir viele, viele Bürger:innen aus Niederösterreich schreiben und sagen, dass sich bei gemeinnützigen Wohn- und Sied­lungsgenossenschaften die Miete jetzt, per 1.1.2023, um bis zu 47 Prozent erhöht hat, weil die Kreditzinsen natürlich gestiegen sind und Niederösterreich so gut finanziert hat, dass man bezüglich Krediten bei der Wohnbauförde­rung alles weitergibt; so kommt man auf diese 47 Prozent. Eine Bürgerin hat mir geschrieben, bei ihr habe sich die Miete von 735 Euro auf stolze 1 090 Euro erhöht. Wie sollen das die Bürgerinnen und Bürger zahlen, alleinerziehen­de Frauen, Familien mit wenig Einkommen? Man weiß ja, die Billigarbeitskraft Frau, die in Teilzeit arbeitet – wie soll sich das am Ende des Tages ausgehen?


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Da ist Niederösterreich, muss ich sagen, kein Ruhmesblatt, und es ist das Versagen dieser Österreichischen Volkspartei, bei der ja der Name schon gänz­lich falsch ist. Volkspartei – ich frage mich, was in dieser Partei noch Volk ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da muss man einfach sagen: Es ist gut, dass bei der Landtagswahl die Lehren gezogen wurden und ihr deftigst verloren habt. Die Bürgerinnen und Bürger erkennen schon, wer für die Bürger und wer gegen die Bürger arbeitet – das seid ihr, mit eurem Präsidenten Wolfgang Sobot­ka, langjähriger Finanzlandesrat in Niederösterreich. Er hat die Wohn­bauförderung in Niederösterreich buchstäblich zu Grabe getragen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Michaela Steinacker zu Wort. – Bitte.


18.12.18

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich bin grundsätzlich bekannt dafür, dass ich gerne zur Sache rede und die Themen, die anstehen, gerne nicht nur im Ausschuss diskutiere, sondern auch hier Stel­lung dazu beziehe. Ich muss aber jetzt schon sagen: Das, was heute hier an – wie sagt man? – Themenverfehlungen zu verschiedenen Tagesordnungspunk­ten präsentiert wird, vor allem von Kollegen von der FPÖ, regt mich jetzt schon an, etwas dazu zu sagen.

Natürlich kann es sein – und ja, das ist ein Problem –, dass, wenn Kredite nicht fix verzinst vergeben worden sind und Teil einer Wohnbauförderung sind, jetzt durch die steigenden Kreditzinsen diese Mietzinszahlungen – Sie wissen, nach dem WGG haben wir ja das Kostendeckungsprinzip – entsprechend teurer werden. Man hat natürlich die Vorteile einer niedrigen Verzinsung vorher auch gerne genommen (Abg. Lausch: Es hat keiner ... Kredite nehmen ...!) und


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viele Jahre niedrige Mieten, dem Kostendeckungsprinzip entsprechend sehr niedrige Mieten, gezahlt.

Ich kann dir versichern, Kollege Lausch, im Land Niederösterreich arbeiten viele Experten – echte Experten – daran, um da für die Menschen im Land Lösun­gen zu suchen. Das ist, wie wir in Niederösterreich Politik machen, und nicht nur mit Polemik. (Beifall bei der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Zum Thema Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz: Es ist das Ergebnis einer aktiven Klima- und Energiepolitik, mit dem Ziel, dass das Verbrauchsverhal­ten bei der Energie für die Abnehmer klarer und steuerbarer wird. Wir haben den Anwendungsbereich – das wäre vielleicht auch einmal interessant, um nicht ständig Themenverfehlungen zu machen – des zentralen Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetzes in mehrgeschossigen Wohnbauten, wo eben mehrere Wohnungen mit einer Anlage versorgt werden und die Auf­teilung der verschiedenen Kosten einerseits nach individuellem Verbrauch und andererseits nach der Fläche passiert. Und weil genau diese Steuerung des individuellen Verbrauchs ein ganz wichtiges Messkriterium ist, hat man mit der Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie bereits im Jahr 2018 begonnen, Transparenz in die Abrechnung hineinzubekommen, das später mit einer Novelle noch nachgeschärft, und heute tun wir das noch einmal.

Entscheidend ist, dass die Abnehmer von Kälte oder Wärme wirklich wis­sen, wofür und in welchem Ausmaß sie diesen Verbrauch bezahlen. Wir wissen, sie können auch – das ist ja mit Covid eingeführt worden – selbst ablesen, da sind die Kosten der Ablesung dann entsprechend geringer. Wenn nicht, muss – die Neuerung, wenn wir heute das Gesetz beschließen – auch ausgewiesen werden, wie diese Kosten der Ablesung zustande kommen.

Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Schritt im Sinne der Abnehmer und des Kon­sumentenschutzes, dass da Transparenz und Klarheit noch verschärft und deutlicher werden. Ich glaube, dass es auch für die Steuerung des eigenen Ver­brauchs wichtig ist, zu wissen: Wann, zu welchem Zeitpunkt heize ich wie


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viel? Ist es denn notwendig, all diese Kosten zu produzieren? Genau da sind mög­licherweise auch Energiedienstleister gefragt, die Kunden sagen können, wie sie ihre Verbrauchskosten minimieren können, was ja auch energetisch sinnvoll ist – wenn weniger verbraucht wird –, sowohl bei der Wärme als auch bei der Kälte. Genau um die Daten einem Dritten zur Verfügung stellen zu können, schaffen wir die Möglichkeit, dass auf Verlangen des Abnehmers diese Daten an Dritte weitergegeben werden.

Was die Novelle bringt? – Ein deutliches Plus an Transparenz. Ich glaube, es ist für die Endabnehmer ganz wichtig im Sinne eines ausgewogenen Konsu­mentenschutzes, dass da vollumfänglich Offenheit herrscht. In diesem Sinne verstehe ich nicht, dass die FPÖ dieser tollen Maßnahme nicht zustim­men wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Marg­reiter. – Bitte.


18.16.23

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Kollegin Steinacker hat die inhaltlichen Schwerpunkte der Gesetzesvorlage, die wir beschließen, bereits ausgeführt. Ich möchte dazu noch ergänzen: Klima­schutz ist ein sehr wichtiges Thema, das haben wir heute schon gehört. Ich würde aber meinen, dass Menschenschutz noch wichtiger ist, weil der Kli­maschutz letztlich ja auch nur dem Ziel dient, dass wir Menschen geschützt sind, dass wir ein Leben unter Bedingungen führen können, die lebenswert sind.

Die Gesetzesnovelle, die wir beschließen, dient beidem: Sie dient dem Klima­schutz, weil eben die Verbrauchsabrechnungen transparenter werden, sie dient aber natürlich auch insofern dem Schutz der Menschen, als sie durch bes­sere Information in die Lage versetzt werden, ihre Wohnungen sparsamer zu beheizen und in diesem Sinn auch einen persönlichen Vorteil zu lukrieren – im


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Sinne einer Win-win-Situation: Sie tun für sich etwas und sie tun etwas für die Umwelt.

Nur, die ganze Ableserei und das alles hilft dann nicht viel, wenn man halt doch ein veraltetes Heizsystem im Haus oder in der Wohnung hat, wo man dann sehr transparent ablesen kann, wie der Zähler hinaufrauscht und wie es immer teurer und wie es unleistbar wird. Daher verknüpfe ich das Lob und die Zu­stimmung zu dieser Gesetzesvorlage mit einer dringenden Forderung – das geht jetzt zwar nicht an die Adresse Wirtschaftsministerium, sondern an die Adresse Justizministerium; an das Wirtschaftsministerium, insoweit es das heute schon thematisierte WGG betrifft.

Wir haben nämlich drei ganz wesentliche Gesetze, die das Wohnen in Österreich regeln: Das ist das Mietrechtsgesetz, MRG, das Wohnungseigentumsgesetz, WEG, und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz; und diese drei Rechtsmaterien müssen wir klimafit machen!

Nehmen wir ein Mehrparteienhaus mit von mir aus 20 Wohnungen her, alle sind im Wohnungseigentum, aber nur teilweise wohnen die grundbücherlichen Eigentümer selber in dieser Wohnung, zum Teil sind auch Mieter drinnen. – So.

Die Mieter sind jene, die eine Heizung brauchen, eine möglichst effiziente, mög­lichst günstige Heizung. Welche Möglichkeiten haben sie, den Wohnungs­eigentümer dazu zu bringen, die Heizung auszutauschen? Vielleicht sagen sie so­gar, sie würden es selber machen, aber der Wohnungseigentümer, der Ver­mieter, muss zustimmen. Jetzt stimmt vielleicht sogar der Vermieter zu, es ist aber eine Gemeinschaftsanlage, in der man die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auch noch braucht. – Da sieht man also: Das ist sicher eine sehr, sehr anspruchsvolle Geschichte.

Ich denke aber doch, dass es gelingen müsste, dass es uns unter dem Druck der faktischen Verhältnisse, die einfach Handlungsbedarf erzeugen, gelingen muss, ein maßgeschneidertes Gesetzespaket zu schnüren, mit dem wir die drei


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Wohngesetze aufeinander abgestimmt so novellieren, dass es eben jedem in Österreich ermöglicht wird, effizient, nachhaltig und klimaschonend zu heizen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte.


18.20.10

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Worum geht es? – Es geht darum, dass wir im Sinne des Konsumentenschutzes dafür sorgen, dass es mehr Transparenz, mehr Information gibt. Wenn man in einer Wohnung wohnt, dann möchte man auch die Kosten wissen. Wir verbessern da die Ablese.

Da ich vorhin darauf angesprochen wurde, möchte ich ganz kurz noch einmal auf das Maklergesetz zurückkommen. Ich habe gesagt: Bei guten Sachen, die ÖVP und Grüne zusammenkriegen, „spuckt uns“ manchmal „die SPÖ in die Sup­pe“. Das war nicht so gemeint, dass man mit der SPÖ nirgends konkret oder konstruktiv zusammenarbeiten kann, aber bei diesem Gesetz, das wirklich gut gemacht wurde, für das lang verhandelt wurde, da hätte ich mir mehr Zusammenarbeit und Unterstützung von der SPÖ gewünscht.

Aber ein kurzer Switch zur Gemeindepolitik: Dort haben wir auch immer wieder Probleme gehabt, aber da gibt es derzeit eine sehr konstruktive Zusammen­arbeit. Daher würde ich meinen, dass wir in einer Teuerungswelle und in einer Zeit, in der so viele Probleme anstehen, nicht immer das Haar in der Suppe suchen, sondern einfach im Sinne des Konsumentenschutzes, im Sinne der Bür­gerinnen und Bürger besser zusammenarbeiten sollten. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte.



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18.21.40

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aus unserer Sicht ist dieses Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz so weit in Ordnung, denn wir sehen eine Verbesserung für die Wärmeabnehmer. Es gibt mehr Transparenz betreffend die Kosten und auch stärkere Informationsrechte. Das passt an und für sich so.

Ich sehe jetzt Erwin Angerer nicht. Wo ist Erwin? Er hat heute – und darauf möchte ich eingehen, weil wir ja am Sonntag Landtagswahlen in Kärn­ten haben – hier in diesem Hohen Haus gesagt, dass Peter Kaiser, unser Lan­deshauptmann, den Leuten in Kärnten das Geld aus der Tasche zieht. – Da möchte ich ihn schon daran erinnern, dass wir in den letzten zehn Jahren in Kärnten unter diesem Landeshauptmann Peter Kaiser eine Politik gemacht haben, über die die Menschen sehr, sehr froh sind. (Abg. Schmidhofer: Wir sind im Nationalrat und nicht in Kärnten!)

Wir haben eine menschliche Politik gemacht, wir haben geschaut, dass wir in Kärnten gemeinsam arbeiten, um den Schuldenberg aufzuarbeiten, den die Freiheitliche Partei in Kärnten mit dem Hypo-Desaster angerichtet hat. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Es war uns wichtig, den Kärntnerinnen und Kärntnern Perspektiven zu geben. Auch dem Nationalrat, der uns geholfen hat, dass Kärnten von diesem Abstellgleis wieder auf die Überholspur kommt, möchte ich hier an dieser Stelle danken. Das war deshalb wichtig, damit Menschen nicht annehmen müssen, dass es in einem Bundesland einfach nicht mehr weitergeht.

Heute herzugehen und jeden Tag eine Aschermittwochrede zu halten, wie sie Herbert Kickl hält - - (Abg. Kassegger: ... jeden Tag ...!) – Ihr könnt Herbert Kickl schon runterschicken, damit er dort jeden Tag eine Aschermittwochrede hält, aber die Kärntnerinnen und Kärntner werden euch nicht vergessen, was ihr bei der Hypo angerichtet habt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Das ist für mich einmal das eine, das ist einmal ganz klar, und ich kann das auch beweisen. (Abg. Kassegger: Hör auf mit deinen ...!)

Wie man gut zusammenarbeitet, kann ich euch jetzt auch noch sagen: Das ist das Kinderstipendium, das wir gemacht haben. Trotz Wahlkampf ist es uns in Kärnten gelungen, mit allen Fraktionen, mit allen Parteien zusammenzuarbei­ten, gemeinsam zu arbeiten (Abg. Lausch: Das merkt man eh gerade!) und ein Kindergartengesetz auf den Weg zu bringen, durch das kein Kind mehr für den Kindergarten etwas bezahlt. (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich erwarte ich mir das in Wirklichkeit letztendlich auch von der ÖVP (Abg. Michael Hammer: Wir sind eh in der Landesregierung): dass ihr endlich auch die Opposition, uns hier im Parlament, ernst nehmt, mit uns gemeinsam etwas ausarbeitet, um eben gemeinsam für die Menschen hier tätig zu sein.

Ich bin davon überzeugt (Abg. Lausch: Du bist ein Brückenbauer!), dass die Menschen in Kärnten der SPÖ und Landeshauptmann Peter Kaiser am Sonntag, dem 5. März, ihre volle Zustimmung geben werden. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ. Abg. Lausch: Erst drischt er hin und dann will er zusammenarbeiten! Ein sonderbarer Mensch! Ruf: Das ist beim Doskozil besser!)

18.24


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Andrea Holzner zu Wort ge­meldet.– Bitte.


18.24.32

Abgeordnete Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause vor den Bildschirmen! Heiz- und Kältekostenabrech­nungsgesetz: Für wen gilt es? – Es gilt bei Wohnobjekten ab mindestens vier Wohneinheiten. Was bringt es? – Es bringt mehr Klarheit und Transparenz bei der Abrechnung. Und wofür? – Damit jeder Haushalt seinen Energiever­brauch kennt, Sparpotenziale ausschöpfen und zeitnah reagieren kann.


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Es sind laut Statistik Austria vor allem die Energiekosten, die als Preistreiber beim Wohnen wirken. Daher, sehr geehrte Damen und Herren, hat die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um die Teuerung abzumildern: zum Beispiel den Heizkostenzuschuss von 450 Millionen Euro – in Ober­österreich ist im Schnitt jeder zweite Haushalt anspruchsberechtigt –, die Ab­schaffung der kalten Progression, die Anhebung vor allem der niedrigen Pensionen, die Valorisierung der Sozialleistungen, und ebenso fangen die Lohn­abschlüsse Preissteigerungen auf. Sollte ein Mieter, eine Mieterin tatsächlich in eine Situation kommen, in der ein Wohnungsverlust droht, greift und unterstützt der Wohnschirm des Sozialministeriums. Seit Jänner können damit auch Energiekostenrückstände beglichen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Bremse allein schafft noch keinen Wohnraum. Bei dieser Bremse entsteht auch keine Wärme, und eine Bremse spart keine Energie, daher umfasst leistbares Wohnen für uns von der ÖVP einen weitaus breiteren Ansatz.

Unser Ansatz ist: Wohnen wird leistbarer, wenn investiert wird. Wenn zum Beispiel Gebäude thermisch saniert werden, können die Bewohner:in­nen dadurch ihren Energieverbrauch senken, oder sie können, wenn Fotovol­taikanlagen installiert werden, ihren eigenen Strom erzeugen.

Der Traum vom Eigenheim, der eigenen Wohnung wird für junge Menschen leistbarer, wenn beim Ersterwerb die Grunderwerbsteuer erlassen wird. Unsere Vorschläge für leistbares Wohnen liegen vor.

Nun zurück zum Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz, das heute mit breiter Mehrheit beschlossen wird: Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Maximilian Köllner zu Wort. – Bitte. (Abg. Michael Hammer – erheitert –: Team Dosko!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 364

18.26.59

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Staats-sekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg: Wir werden der vorliegenden Novelle zum Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz unsere Zustimmung geben, und zwar aus zweierlei Gründen: Zum einen entsprechen wir damit natürlich einer
EU-Richtlinie, wonach Kundinnen und Kunden stärkere Informationsrechte bekommen sollen, und das leistet diese Novelle. Zum Zweiten: Die Kundinnen und Kunden erhalten so auch mehr Transparenz darüber, wie die Kosten ei­gentlich zustande kommen.

Dabei ist für uns klar, dass diese Novelle nur ein erster Schritt sein kann, aber an den ganz grundlegenden Problemen ändert diese Novelle auch nichts. Wir haben nach wie vor horrende Preise für Energie und Lebensmittel. Wir liegen mit einer Teuerungsrate von nach wie vor unverändert über 11 Prozent im euro­päischen Spitzenfeld. Das sind keine Zahlen, auf die man stolz sein kann. Und da frage ich mich schon: Warum schaffen es Länder wie Spanien und Portugal, die Teuerung am Wohnungsmarkt zu stoppen? Warum schafft das unsere Regie­rung nicht? (Abg. Obernosterer: 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit!) Vor allem: Warum müssen bei uns im April die Mieten erneut um 8,6 Prozent steigen?

Die Menschen in Österreich brauchen dringend diese Mietpreisbremse, und ich glaube, das ist Ihnen noch immer nicht bewusst. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie brauchen sie deshalb, weil sich die Menschen von der Reibungshitze, die ÖVP und Grüne hier miteinander erzeugen, nicht wärmen können; das geht sich einfach nicht aus. Ich weiß schon, dass das für die Großspender der ÖVP, für ihre Kernklientel, leicht zu verkraften ist – denen wird das wurscht sein, während sie im warmen Wohnzimmer sitzen und auf das nächste Steuergeschenk von Ihnen warten –, aber das ist nicht das Abbild unserer Bevölkerung (Zwischenruf der Abg. Steinacker), meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht das Abbild unserer Bevölkerung.


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Was ist mit einer durchschnittlichen österreichischen Familie? Was ist mit dieser? – Mitten im Winter muss diese vielleicht die Heizung ausschalten, weil sie sich das Heizen nicht mehr leisten kann. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das kann es doch, bitte, in einem wohlhabenden Land wie Österreich nicht sein! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Sie schreien da rein (Ruf bei der ÖVP: Du schreist ja auch heraus!), aber ich frage mich wirklich, wie Sie nachts noch gut schlafen können. Wie können Sie noch mit ruhigem Gewissen schla­fen? (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Machen Sie es nicht für uns, machen Sie es nicht für sich selbst, sondern machen Sie es für die Menschen da draußen in unserem Land (Beifall bei der SPÖ), die sich dringend Unterstützung erwarten und Entlastung benötigen! Und wenn nicht, dann seien Sie wenigstens so fair und machen Sie Platz für andere. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe der Abgeordneten Hörl und Zarits.)

18.29


18.29.52

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Ein­gang in 1953 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Novellierung des Heizkostengesetzes zu Gunsten der Wärmeabnehmer“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 366

18.30.546. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 3161/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fokus: Stärkung von älteren Frauen (1930 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 6. Punkt unserer heutigen Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte.


18.31.21

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Es ist nur zu hoffen, dass die Frauenministerin sich dieser Debatte im Hohen Haus auch noch anschließen wird. Wir sind es zwar gewohnt, dass im Gleichbehandlungsausschuss von den Regierungsparteien nur noch Minimalkompromisse vorgelegt werden, wie dieser Tagesordnungspunkt zeigt, aber wir würden uns wirklich wünschen, dass sich die zuständige Ministerin zumindest bei diesen Minimalkompromissen auch hier im Haus die Debatte anhört. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Wir werden es ihr ausrichten!) – Ja, richten Sie ihr das aus, Herr Kollege Hammer! (Abg. Heinisch-Hosek: Skandal! Typisch Hammer! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

Das Haus hier beschließt Dinge wie zum Beispiel diesen Antrag zur Stärkung äl­terer Frauen, in dem nichts drinnen steht, und heute lesen wir in der Zei­tung, dass es eine Projektausschreibung für ältere Frauen geben wird, obwohl das Haus den Beschluss noch nicht einmal gefällt hat. So gehen Sie mit diesem Haus um, so gehen Sie mit dem Parlament um! (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Bevor Beschlüsse gefällt werden, in denen de facto eigentlich nichts drinnen steht, kommt schon die Presseaussendung. Das ist wirklich beschä­mend! (Beifall bei der SPÖ.)


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Was aber steht in dem Antrag? (Bundesministerin Raab nimmt auf der Regie­rungsbank Platz.) – Ich begrüße nun auch die Frau Ministerin bei uns. (Abg. Hörl: Entschuldigen Sie sich jetzt!) – Nein, ich entschuldige mich nicht. 1 Minute meiner Redezeit ist schon vorbei, die Tagesordnung des Nationalrates ist im In­ternet für alle jederzeit abrufbar, die Zeiten sind planbar (Beifall bei der SPÖ), eine Entschuldigung ist daher nicht notwendig.

Was diskutieren wir? – Die Bedürfnisse von älteren Frauen sind wirklich in den Fokus zu stellen. Was haben wir im Ausschuss diskutiert? – Wir haben kei­nerlei Vorhaben präsentiert bekommen, und mit diesem Antrag wird nur beschlossen, sich weiterhin für die Stärkung von älteren Frauen einzusetzen. Was heißt das jetzt? Bedeutet das eine Aliquotierung der Pensionen, durch die ins­besondere Frauen benachteiligt werden und ihnen mehrere Hundert Euro, Tausende über die Dauer ihrer Pension, einfach nicht zugutekommen, ihnen weggenommen werden? Ist es die Aliquotierung der Pension, mit der Sie weiterhin ältere Frauen stärken wollen, wobei wirklich unzählige Euro verloren gehen, und das in einer Situation der Teuerung? Ist es das geplante automa­tische Pensionssplitting, das Frauen nicht aus der Altersarmut holen wird, wie es uns das Wirtschaftsforschungsinstitut dargelegt hat? Insbesondere bei niedri­gen Erwerbseinkommen nämlich werden die Partnerin und der Partner am Ende des Erwerbslebens einfach arm sein. Ist es das automatische Pensionssplitting, das dieser Antrag beinhaltet? – Das unterstützen wir nicht.

Für uns ist klar: Ältere Frauen, die jetzt schon in Pension sind, brauchen zum Beispiel eine bessere Anrechenbarkeit der Kindererziehungszeiten. Unzählige Anträge haben wir hier im Parlament dazu schon eingebracht – vertagt, abgelehnt, vertagt, abgelehnt; keine Stärkung von älteren Frauen durch die Re­gierungsparteien also. (Beifall bei der SPÖ.)

Das in einer Zeit wie dieser – man muss sich das auf der Zunge zergehen las­sen –: Der Equal-Pay-Day des Frühjahrs ist heuer einen Tag später als noch in den letzten Jahren! Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern öffnet sich wieder; statt wie letztes Jahr 46 Tage gratis zu arbeiten, heißt das für


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Frauen in Österreich, nun 47 Tage gratis zu arbeiten. Danke schön, das ist eine tolle Stärkung der Frauen: länger gratis arbeiten, anstatt tatsäch­lich in Zeiten der Teuerung unterstützt zu werden.

Was heißt das noch? – Ein Veto gegen die Lohntransparenz von Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher auf europapolitischer Ebene – dass Frauen nach wie vor nicht das gleiche Gehalt bekommen, das ihnen bei gleicher Qualifikation zusteht. Das macht der Arbeits- und Wirtschaftsminister zur Stärkung der Frauen: nicht die Lohntransparenz unterstützen! (Zwischenruf der Abg. Zotter.)

Was passiert noch? – Die langfristige Budgetanalyse des Finanzministeriums be­sagt, dass es, wenn man nichts tut, noch 2060 eine Pensionslücke zwischen Männern und Frauen geben wird – 2060 wird es noch eine Pensionslücke geben! Ist das die Stärkung der älteren Frauen? – Ich kann sie mir so nicht vorstellen, denn die Pensionslücke ist zu schließen, und zwar schleunigst! (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu brauchen wir die Lohntransparenz, dazu brauchen wir einen Rechts­anspruch auf Kinderbildung und dazu brauchen wir die bessere Anrechenbarkeit der Kindererziehungszeiten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das wären Maßnah­men, mit denen Sie ältere Frauen unterstützen würden, und nicht mit einem sol­chen Larifariantrag und dann irgendeiner Projektausschreibung. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Pfurt­scheller. – Bitte.


18.36.06

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich habe gewusst, dass Kollegin Holzleitner mit dem Thema Frauenpension kom­men wird – es ist auch ein sehr wichtiges Thema –, und möchte jetzt, bevor


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ich mit meiner eigentlichen Rede beginne, ganz kurz entgegenhalten: Frau Kolle­gin, ich kann Ihnen ganz genau sagen, was wir im Jahr 2022 für die Pen­sionen der Frauen getan haben.

Wir haben in Österreich einen ausgezeichneten Seniorenbund, der von einer wirklich tollen Frau geleitet wird, von Ingrid Korosec – Ihnen allen bekannt. Frau Korosec ist ein echtes Rolemodel für Frauen, für ältere Frauen, 60-plus-Frauen, auf die wir auch sehr stolz sind. Der Seniorenbund hat ganz genau zusammenge­stellt, was zum Beispiel eine Pensionistin mit Ausgleichszulage im vergange­nen Jahr mehr an Geld von uns erhalten hat. Die Entlastungen für solch eine Pensionistin betrugen letztes Jahr 1 948 Euro. Das sind fast zwei Mindest­pensionsmonatsbeträge, und das ist nicht nichts. Ich glaube, damit können wir auch beweisen, wie wichtig uns die Pensionistinnen sind. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Ribo.)

Jetzt aber zu meiner Rede. Ich freue mich sehr, dass ich heute in meiner Rede je­ne Bevölkerungsgruppe adressieren kann, die mir persönlich sehr am Herzen liegt: das sind die Frauen der Generation 60 plus. In Österreich haben wir aktuell rund neun Millionen Einwohner und Einwohnerinnen, und davon sind sage und schreibe rund 1,3 Millionen Frauen über 60 – das sind fast 15 Prozent. Wir sprechen also von einer sehr großen Gruppe, allerdings auch von einer Gruppe, die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht laut und fordernd ist und daher leider oft etwas vernachlässigt wird.

Die ältere Frau ist unsichtbar – das ist eine traurige Tatsache in unserer Gesell­schaft, die so sehr auf Jugendlichkeit ausgerichtet ist –, obwohl Frauen über 60 eben eine zentrale gesellschaftspolitische Rolle spielen. Sie leisten we­sentliche Beiträge, zum Beispiel in der Pflege, in der Kinderbetreuung oder im Ehrenamt. Trotzdem werden ihre Leistungen in der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen, und sie werden vor allem auch nicht honoriert. Daher ist es umso wichtiger, dass wir den Fokus auf die Bedürfnisse von älteren Frauen richten, und das ist auch der Grund, warum wir unseren Antrag einge­bracht haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Die Lebenserwartung der durchschnittlichen österreichischen Frau beträgt 83,7 Jahre, die der Männer 78,9 Jahre. Das bedeutet, Frauen werden älter als Män­ner, aber sie haben weniger gesundheitlich gute Jahre. Sie haben nämlich zu ihrem Lebensende hin circa 20 Jahre, in denen es ihnen nicht so gut oder sogar schlecht geht, während die Männer circa 16 Jahre haben.

Ein Drittel der Frauen im Alter zwischen 60 und 79 Jahren lebt allein, ab 80 Jahren sogar mehr als die Hälfte. Aufgrund ihrer Biografien sind sie häufig von Altersarmut betroffen, das hat Kollegin Holzleitner vorhin schon ge­sagt. Sie haben im Schnitt 42 Prozent weniger Pension als Männer. Sie haben also viele Herausforderungen zu stemmen, und deswegen brauchen Frauen niederschwellige und barrierefreie Zugänge zu sozialen und Gesundheits­dienstleistungen.

Auch der Frauengesundheitsbericht, der erst kürzlich veröffentlicht worden ist, zeigt, dass wir die Frauen, die älteren Frauen, stärker adressieren müssen. Es gibt zum Beispiel das Tabuthema Gewalterfahrungen von älteren Frauen. Da gibt es noch einen blinden Fleck, da müssen wir genauer hinschauen. Ich möchte allen Frauen dieser Generation ans Herz legen, die Frauen- und Mäd­chenberatungsstellen in Anspruch zu nehmen, das möchte ich betonen. Diese stehen ihnen genauso zur Verfügung wie jüngeren Frauen und Mädchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Unsere Ministerin, unsere Frauenministerin, hat diesen Antrag von uns, Frauen weiter zu stärken, sofort aufgenommen und eben heute diesen Fördercall, den sie für die Stärkung von älteren Frauen ins Leben gerufen hat, präsentiert. Es geht dabei darum, Projekte ins Leben zu rufen, die ältere Frauen stärken, die deren gesellschaftliche Teilhabe stärken und die mehr Bewusstsein für die Bedürfnisse von älteren Frauen in Österreich schaffen sollen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.



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18.41.46

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Jährlich grüßt der Internationale Frauentag, und bei jeder Plenarsitzung grüßt das Murmeltier: Die Regie­rung stellt Anträge an sich selbst.

Bedürfnisse und Leistungen von älteren Frauen zu unterstützen ist wichtig, ja – aber nicht reden, Frau Minister, keine Anträge stellen, nur weil nächste Wo­che Internationaler Frauentag ist! Let’s do it, tun Sie es einfach!

Warum brauchen Frauen in Österreich unsere Unterstützung? – Der Frauen­gesundheitsbericht lässt da beinahe keine Lücken offen: Wir haben 4,5 Millionen Frauen in Österreich, mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 84 Jahren, 20 davon in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit. Frauen ab 60 leben meistens allein. Der Genderpaygap liegt bei 19 Prozent, der Pensions­gap liegt bei 41 Prozent. Das bedeutet durchschnittlich 800 Euro weniger für die Frauen, im Vergleich zu den Männern. Und die Armutsgefährdung ist wieder gestiegen: 24 Prozent der allein lebenden Frauen, 26 Prozent der Pen­sionistinnen sind armutsgefährdet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Viele finden es nicht lustig, aber die Definition von älteren Frauen beginnt oft schon für unter 50-Jährige, und jede zweite Frau geht nicht aus dem Erwerbsleben heraus in die Pension, sondern aus der Arbeitslosigkeit.

Wenn wir – wir haben es heute schon gehört – im Ausschuss Anträge stellen, zum Beispiel zur Frauengesundheit, dann wird auf den Aktionsplan Frau­engesundheit verwiesen. Es wird auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Außerdem werden die Anträge sowieso vertagt.

Im diesem Aktionsplan Frauengesundheit wurden viele Wirkungsziele formuliert. Frau Minister, Papier ist geduldig. Was davon wurde für die Frauen tatsäch­lich erreicht und umgesetzt? Frauen erleben psychische Belastungen, Gewalter­fahrungen, Mehrfachbelastungen, leben im Alter isoliert, haben Arbeitsplätze


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im Niedriglohnsektor in atypischen und informellen Bereichen. Das führt zur Er­schöpfung der Frauen. Dieses Thema füllt ein Buch. Carearbeit ist unsicht­bar, nichts wert, nicht in der politischen Diskussion, nicht in der gesellschaftli­chen Diskussion – ach ja, außer es ist Corona, dann klatschen alle. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir hatten in Österreich in den letzten drei Jahren 88 Frauenmorde – im Schnitt drei Frauenmorde pro Monat, Tendenz seit Jahren steigend –, mit gestern für das heurige Jahr schon wieder den sechsten Femizid, 18 Mordversuche bezie­hungsweise Fälle von schwerer Gewalt. Frauen fühlen sich nicht mehr sicher.

Frauen werden zusätzlich bestraft, weil die Pensionserhöhung durch diese Änderung beim Pensionsantrittsalter im zweiten Halbjahr geringer ausfällt oder quasi auf null geht.

Für keines dieser Probleme hat die Regierung heute einen ordentlichen Antrag. Stattdessen steigt der Druck auf die Frauen, Vollzeit zu arbeiten, so nach dem Motto: Es kann ja jede Frau Vollzeit arbeiten gehen, das Land braucht Ar­beitskräfte!, ansonsten würden Sozialleistungen, Familienleistungen ge­kürzt. Und wer dann wie Betreuungspflichten definiert, das möchte ich gar nicht wissen.

Frauen sollen offensichtlich quasi die ganze Welt retten. Sie kommen mit diesen Herausforderungen schon jetzt nicht mehr zurecht, und es werden immer mehr werden. Gehen die Frauen kaputt, sind die Familien unsere nächste Groß­baustelle.

Sehr geehrte Damen und Herren, wollen wir das wirklich? Soll so unsere Zukunft aussehen? Selbstbestimmung und freie Entscheidung, dafür haben Frauen ein­mal hart gekämpft. – Sehr geschätzte Frau Minister, setzen Sie sich endlich dezi­diert für Frauenpolitik ein! Wir brauchen Gesundheitspolitik, die auf Frauen besonders eingeht. Wir brauchen Maßnahmen, damit Frauen länger und gesün­der leben und arbeiten können. Wir brauchen Maßnahmen, damit sich


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Frauen sicherer fühlen können. Wir brauchen Maßnahmen, damit Frauen or­dentlich bezahlt werden und am Ende des Tages in der Pension den Be­trag für die geleistete Arbeit erhalten, der ihnen auch zusteht. Und wir brauchen Maßnahmen, damit Frauen bis zur Erreichung des Pensionsantrittsalters in Beschäftigung sind und die Pensionslücke nicht noch größer wird, als sie sowie­so schon ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung für ältere Frauen am Arbeitsmarkt“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, um Unterschiede von Frauen und Männern in der Arbeitswelt auszugleichen und insbesondere mit verstärkten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen den Verbleib von Frauen in der Arbeitswelt bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu fördern.“

*****

Das, Frau Minister, würde Frauen wirklich unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA

und weiterer Abgeordneter


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betreffend Unterstützung für ältere Frauen am Arbeitsmarkt

eingebracht im Zuge zur Debatte zu TOP 6, Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 3161/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fokus: Stärkung von älteren Frauen (1930 d.B.), in der 202. Sitzung des Nationalrates am 1. März 2023

,,In Österreich verdienen Frauen für die gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation immer noch deutlich weniger als Männer." Frauen verdienen in der Regel weniger als Männer, auch wenn sie einen vergleichbaren Job haben. Frauen arbeiten viel häu­figer in Teilzeit als Männer. Und Frauen sind weit öfter als Männer neben ih­rer Berufstätigkeit für die Kinder- und Familienarbeit, aber auch für die Pflege von Angehörigen zuständig. So verdienen Frauen zehn Jahre nach der Geburt ihres Kindes durchschnittlich um ein Drittel weniger als wenn sie kinderlos geblieben wären.

In Folge bekommen Frauen eine im Vergleich zu Männern viel niedrigere Pension; der aktuelle Gender-Pensions-Gap liegt noch immer bei rund 56 Prozent der Pensions­höhe der Männer bekommen. Die von der letzten Bundesregierung beschlosse­ne Anrechnung von Karenzzeiten von bis zu 24 Monaten für Gehaltsvorrückungen, Urlaubsansprüche, Entgeltfortzahlungen und Krankenstandsansprüche war ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Das im schwarz-grünen Regierungsprogramm geplante automatische Pensions­splitting bis zum zehnten Lebensjahr als Ersatz für die Kindererziehungszeit bringt weniger Pension für Väter und trotzdem insgesamt nicht genug für Frauen. Daher ist es wichtig , dass Frauen berufstätig sind bzw. berufstätig sein kön­nen. Es müssen gezielte Maßnahmen gesetzt werden, auch um Vollzeitbeschäftigung für Frauen wieder attraktiver zu machen, gerade in Hinblick auf die Pensionsvor­sorge. Denn nur so können Einkommensunterschiede beseitigt und Altersarmut ver­mieden werden.


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Gerade die Coronazeit hat uns mehr denn je gezeigt, wie wertvoll und systemrelevant Frauen für die Gesellschaft sind . Ihre überwiegende Tätigkeit in Bereichen, wie Gesundheitsberufen, dem Handel, der Kinder- und 24-Stunden-Betreuung kann nicht genug wertgeschätzt werden. Und der seit Monaten herrschende Arbeitskräf­temangel kann ohne Frauen nicht bewältigt werden. Dazu braucht es aber endlich Maßnahmen, um die vorhandenen Unterschiede von Frauen und Männern in der Arbeitswelt auszugleichen und vermeintliche Nachteile in Chance umzuwandeln.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Inte­gration und Medien, der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, werden aufgefordert, Maßnahmen zu setzen, um Unterschiede von Frauen und Män­nern in der Arbeitswelt auszugleichen und insbesondere mit verstärkten arbeits­marktpolitischen Maßnahmen den Verbleib von Frauen in der Arbeitswelt bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu fördern."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


18.47.02

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen hier auf der Galerie und zu Hause! Carearbeit ist unsichtbare Arbeit. Sie wird kaum wahrge­nommen und sie wird auch nicht bezahlt. Am heutigen Equal-Care-Day


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wollen wir uns in Erinnerung rufen, dass im Jahr 2023 das Verhältnis in der Care­arbeit nach wie vor bei 4 : 1 liegt. Das bedeutet, dass Männer nach wie vor etwa vier Jahre lang bräuchten, um private, ehrenamtliche, welche Arbeit auch immer, Fürsorgearbeit zu machen – Arbeit, die Frauen innerhalb von einem Jahr erledigen.

Gerade Frauen, die Carearbeit verrichten, müssen oft aufgrund dessen Teilzeit arbeiten. Wir haben heute bereits in der Aktuellen Stunde über das Thema Vollzeit versus Teilzeit diskutiert. Es hieß oft, die Teilzeit sei zu attraktiv. Für wen denn bitte? Vielleicht für die Männer, deren Frauen eben Teilzeit arbeiten, damit die Frauen ein bisschen etwas dazuverdienen und sich trotzdem noch um die Kinder, um den Haushalt und um die Angehörigen kümmern können? (Abg. Wurm: Frau Kollegin, das müssen Sie der ÖVP erklären! Das müssen Sie der ÖVP erklären!) Für uns Frauen ist Teilzeit nicht attraktiv! (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

Und die Rechnung dafür, dass sie nicht attraktiv ist, bekommen wir spätestens in der Pension, im Alter. Laut vielen Statistiken leben wir Frauen zwar länger, man würde meinen, darüber müssten wir uns ja freuen, in Würde altern, was auch immer das für jeden Einzelnen bedeuten mag, die Realität aber ist eine ganz andere. Wir leben länger, werden älter, haben aber weniger Geld im Alter. Ein Leben lang gearbeitet – und trotzdem geht sich nur eine Mindestpen­sion aus! Weiters sind Frauen im Alter einsamer als Männer. Wir leben län­ger, deswegen sterben uns die Partner früher weg. (Abg. Wurm – erheitert –: Was soll man da jetzt machen? – Abg. Pfurtscheller: Überleben bitte schön!) Kurz ge­sagt, wir Frauen verschwinden mit der Zeit von der Bildfläche.

Apropos Bildfläche, weil ich Kollegen Wurm hier vor mir sehe: Wenn sogar unser Bundespräsident von einem hochrangigen Politiker öffentlich als „Mumie“ und als „senil“ bezeichnet wird, dann ist ganz klar, welchen Stellenwert ältere Menschen in dieser Partei haben. Ich bin nicht überrascht, dass Sie auch diesem Antrag nicht zustimmen. (Abg. Wurm: Wir haben nur den Bundespräsidenten gemeint!)


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Leider, muss ich sagen, geht generell die Tendenz eher in die Richtung, dass ältere Menschen, in dem Fall auch ältere Frauen, als eine Belastung für die Gesellschaft gesehen werden, als ein Kostenfaktor bei der Pflege, bei der Pension. Man redet viel zu wenig darüber, wie viele Beiträge ältere Men­schen in unserer Gesellschaft leisten, wie viele wertvolle Beiträge sie leisten. (Abg. Wurm: Dann müsst ihr unseren Anträgen zustimmen, Frau Kollegin!) Ich muss ganz ehrlich sagen: Das sind wirklich viele Ressourcen, die ältere Menschen für unsere Gesellschaft bereitstellen.

Glaubt mir: Hinter vielen erfolgreichen Menschen, egal, ob Mann oder Frau, steckt oft eine Mama oder eine Schwiegermama, die oft die Kinder abholt, die manchmal kocht (Abg. Wurm: Ganz genau!), die im Haushalt mithilft oder die ein­fach gut zuredet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Bravo!)

Ich freue mich sehr, dass wir heute diesen Antrag beschließen, einen Antrag, in dem es eben um ältere Frauen geht, um ihre Sichtbarkeit in unserer Gesellschaft. Oft wird über die Köpfe von älteren Frauen hinweg gesprochen, oder wir reden, vor allem auch hier – ich nehme uns Politiker da nicht aus –, über ältere Frauen, wenn es um Sozialleistungen geht, wenn es um die Pflege geht, wenn es um Pensionen geht, aber es gibt viel zu wenige Diskussionen wie diese.

Wir wissen, dass die Weltbevölkerung und natürlich auch die Bevölkerung in Österreich immer älter werden. Weiters wissen wir, dass wir in einer Ge­sellschaft leben, in der Männer einfach im Vorteil sind. Das ist nichts Neues, das ist einfach ein Faktum. Da gibt es eine Schieflage, und an dieser Schieflage müssen wir alle gemeinsam arbeiten, wir als Gesellschaft, wir hier als Politikerin­nen und Politiker, in der Familie, in den Medien, denn nur gemeinsam schaf­fen wir es, dass wir Frauen, auch ältere Frauen, in den Fokus rücken, sie sichtbar machen – und dieser Antrag ist ein guter Anfang. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.51



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Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Gerald Loacker zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.51.51

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! 1,3 Millionen Menschen in Österreich sind weiblich und über 60 Jahre alt – eine riesige Gruppe: 14,5 Prozent der Gesamt­bevölkerung. Die Stärkung von älteren Frauen soll mehr in den Fokus ge­rückt werden, wie es der Antrag der Regierung, über den wir hier sprechen, for­dert. Dieses Anliegen teilen wir natürlich.

Aber ganz ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal darüber nachgedacht, was Frauen über 50 am Arbeitsmarkt machen oder wie es sich auswirkt, dass Frauen für die Pflege ihrer Eltern in Altersteilzeit gehen oder die Betreuung der Enkelkinder übernehmen? Darüber denkt man ganz wenig nach. Selbst in der aktuellen Teilzeitdebatte geht es vor allem um junge Menschen, die in Teil­zeit arbeiten.

Die Frage, die nicht vorkommt, ist, wohin die Frauen über 50 verschwinden, wenn sie vom Arbeitsmarkt verschwinden. Dass sie vom Arbeitsmarkt verschwinden, das wissen wir, aber die Regierung kümmert sich nicht darum. Stattdessen will sich die Regierung, jetzt wörtlich, „weiterhin für die Stär­kung von älteren Frauen“ einsetzen. – Mhm. Wie das aussehen soll, geht aus dem Antrag nicht hervor.

Wir brauchen aber nicht nur einen Fokus auf ältere Frauen, sondern auf die Umstände, warum Frauen verstärkt von Altersarmut betroffen sind; warum sie vom Arbeitsmarkt verschwinden; warum auch ältere Frauen häufiger Ge­walterfahrungen machen; warum Frauen auch im Alter noch sagen: Ja, ich mache das, das geht schon in Ordnung!, wenn in der Familie irgendetwas erledigt werden muss – unbezahlt meistens.

Wenn Sie ältere Frauen, wenn Sie diese 1,3 Millionen Menschen in Österreich, die über 60 sind, tatsächlich stärken wollen, dann müssen wir diesen Sys­temwandel angehen. Wir müssen über Wiedereingliederung am Arbeitsmarkt


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reden, über die Möglichkeit, sich gegen Altersdiskriminierung im Beruf zu wehren, wir müssen über den Ausbau der Kinderbetreuung reden, damit Frauen, die mehr arbeiten wollen, auch tatsächlich mehr arbeiten können, sonst wird das auch mit der Schließung des Pensionsgaps nie etwas werden. Damit Frauen tatsächlich gestärkt werden, braucht es mehr als irgendwelche netten För­derprogramme, die dann an irgendwelche ÖVP-Kollegen vergeben werden. (Beifall bei den NEOS.)

Frauen arbeiten natürlich auch oft in Teilzeit, weil sie zum Teil auch von ihrem Mann gesagt bekommen, dass sich das steuerlich mehr rentiere, dass man nicht auf den Alleinverdienerabsetzbetrag verzichten wolle und solche Dinge. Das bringt mich zu dem Entschließungsantrag, den ich jetzt einbringe. Wenn nämlich jemand voll arbeitet, soll er von dieser Vollzeitarbeit auch voll profitieren:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollzeitbonus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Gesetzesvorlage vorzulegen, die einen steuerlichen Vollzeitabsetzbetrag von 100 Euro für jeden Monat, in dem eine Vollzeitbeschäftigung vorliegt, vor­sieht.“

*****

Das soll nämlich dem entgegenwirken, dass gerade bei Frauen der Teilzeitanteil besonders hoch ist. Über die Hälfte der Frauen, die beschäftigt sind, arbei­ten in Teilzeit, und das ist natürlich eine wesentliche Ursache für den Pensionsgap, den die Vorrednerinnen schon beklagt haben.


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Keine Gruppe ist in den letzten Jahren bei den Abgaben- und Steuernachlässen so vernachlässigt worden wie die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten, und daher sollen die Männer und die Frauen auch von der Vollzeitarbeit profitieren. (Beifall bei den NEOS.)

18.55

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Vollzeitbonus

eingebracht im Zuge der Debatte in der 202. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 3161/A(E) der Abgeord­neten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fokus: Stärkung von älteren Frauen (1930 d.B.) –TOP 6

Vollzeitbonus: Vollzeit muss sich steuerlich wieder auszahlen

Vollzeit zu arbeiten, muss sich steuerlich wieder auszahlen. Denn keine Gruppe wurde in den letzten Jahren bei Abgaben-/Steuerentlastungen so sehr vernachlässigt wie die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten. Der Fokus lag nämlich auf einer Verschär­fung der Abgabenprogression, was sogar zu gestaffelten Beiträgen in der Ar­beitslosenversicherung und in der Krankenversicherung führte. Zudem zogen es die Regierungen vor, verstärkt bei den unteren Einkommensstufen zu entlasten, die oberen wurden jedoch nur nachrangig und minimal entlastet. Dieser Umstand hat den Teilzeittrend zusätzlich gefördert. Dabei wurde völlig übersehen, dass es speziell die Gruppe die Vollzeitbeschäftigten ist, die den wesentlichen Beitrag leistet, um den Sozialstaat zu finanzieren. Gleichzeitig verstärkt sich in den nächsten Jahren der demographisch bedingte Arbeitskräftemangel, der für einen Rekordwert an offenen Stellen sorgt. Es ist unverantwortlich, diesem volkswirtschaftlich ge­fährlichen Trend weiterhin mit einer Fülle an Teilzeitanreizen entgegen zu treten. Eine


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Maßnahme gegen diesen Trend muss daher ein Anreiz zu mehr Vollzeit sein. Kon­kret soll diesem Antrag nach für jedes Monat Vollzeitbeschäftigung ein 100 Euro Absetzbetrag gutgeschrieben werden – ein "Vollzeitabsetzbetrag" bzw. "Vollzeitbonus". Vor allem jüngere Beschäftigte, die oft noch keine Kinder haben und in der Phase des Vermögensaufbaus sind, würden besonders davon profitieren, da diese tendenziell Vollzeit arbeiten, oft sogar noch darüber hinaus. Insgesamt profitieren bei einer Annahme dieses Antrags sofort drei Millionen Vollzeitbeschäf­tigte. Künftig sogar nach mehr, da der Vollzeitbonus weitere Beschäftigte steuerlich überzeugen wird, (in Zeiten des akuten Arbeitskräftemangels) auf Vollzeit aufzustocken.

Der Anteil an Frauen, die Teilzeit arbeiten, ist besonders hoch. Damit sind gerade Frauen von Altersarmut gefährdet. Auch deswegen ist es wichtig, dass wir Anreize für Vollzeitarbeit schaffen. In erster Linie gelingt das durch eine flächendeckende Kin­derbetreuung. Aber es braucht auch Anreize im Abgabenbereich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Gesetzesvorlage vorzulegen, die einen steuerlichen Vollzeitabsetzbetrag von 100 Euro für jeden Monat, in dem eine Vollzeitbeschäftigung vorliegt, vorsieht."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit mit in Verhandlung.

Nun hat sich Frau Bundesministerin Susanne Raab zu Wort gemeldet. – Bitte.



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18.55.34

Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundes­kanzleramt MMag. Dr. Susanne Raab: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Gerade ältere Frauen nehmen eine ganz zentrale Rolle innerhalb der Familie und natürlich auch innerhalb der Gesellschaft ein. Sie sind Trägerinnen eines enormen Erfah­rungsschatzes, den sie an die nächste und die übernächste Generation weiterge­ben. Ob jetzt im Beruf, in der Familie oder natürlich in der Unterstützung bei der Kindererziehung, aber auch im Ehrenamt: Frauen der Generation 60 plus leisten Großartiges für unsere Gesellschaft, für unsere Familien und unser Gemeinwohl. Und ich glaube, da sind wir uns einig: Diesen Beitrag wollen wir sichtbar machen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Es ist auch unsere Aufgabe, neben politischen Maßnahmen, zu denen ich gleich kommen werde, unsere Wertschätzung für diese Leistung und für dieses Engagement auszudrücken und einfach auch Danke zu sagen, Danke an die Ge­neration meiner Eltern, auch unserer Großeltern für alles, was sie leisten. Auch ich selbst erfahre das tagtäglich innerhalb meiner Familie, dass meine El­tern, meine Schwiegereltern uns in der Erziehung unseres Kindes aushel­fen, besonders wenn es einmal krank ist und die Kinderbetreuungseinrichtung nicht besuchen kann. Ich denke, so geht es vielen, auch in diesem Raum, und dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Deshalb ist der Entschließungsantrag auch so richtig und wichtig. Auch mir als Frauenministerin ist es ein ganz besonderes Anliegen, dass wir insbeson­dere ältere Frauen vor den Vorhang holen und sie umfassend stärken. Wir haben bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt, die speziell ältere Frauen unter­stützen (Abg. Wurm: Welche? Welche, Frau Minister?), egal ob jetzt im Bereich des Gewaltschutzes, wo wir besonders auch Projekte unterstützen, die sich an ältere Frauen richten, egal ob beim Ausbau der Barrierefreiheit oder natürlich auch durch Projektförderungen, insbesondere wenn es um die Frauengesund­heit geht.


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Es ist ganz klar, dass Frauenpolitik nicht die alleinige Aufgabe des Frauenressorts sein kann und darf, sondern dass es einen breiten Schulterschluss innerhalb der Bundesregierung braucht, dennoch versuchen wir aber alle, einen Beitrag zu diesem Vorhaben zu leisten.

So werde auch ich einen neuen Förderaufruf starten, der sich konkret Projekten zur Stärkung und zur Sichtbarmachung älterer Frauen widmet. Ich will, dass die Teilhabe von älteren Frauen an unserer Gesellschaft gelebt und ge­stärkt wird. Ich will, dass wir die positiven Vorbilder sichtbar machen und na­türlich ein besonderes Bewusstsein für die Bedürfnisse von älteren Frau­en schaffen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Aber eben nicht nur in meinem Verantwortungsbereich haben wir zentrale Maßnahmen gesetzt, sondern auch in anderen. Mit der aktuellen Pen­sionserhöhung wurde angesichts der Teuerung ein zusätzlicher, wichtiger Schritt gesetzt. Etwa durch die Anhebung der Ausgleichszulage sowie die Einfüh­rung des Frühstarter:innenbonus haben wir insbesondere Frauenpensionen im unteren Drittel eine deutliche und dringend notwendige Aufwertung erfah­ren lassen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Wurm: Bitte, Frau Minister, wo denn?)

Weiters darf ich, sehr geehrte Damen und Herren, an das Pflegepaket erinnern. Frauen stellen – und das wissen wir alle – die Mehrheit des Pflegepersonals und der pflegenden Angehörigen dar. Das Pflegepaket entlastet beide Stützen die­ses Systems, sowohl die pflegenden Angehörigen als auch die Pflegekräfte. Es ist daher ein ganz wesentlicher Schritt zur Stärkung der Frauen. (Beifall bei Ab­geordneten von ÖVP und Grünen.) Für pflegende Angehörige gibt es seit 2023 den Angehörigenbonus und einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz für einen Zeitraum von drei Monaten. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Und ja, ich wünsche mir auch ein automatisches Pensionssplitting, weil es schlichtweg eine Frage der Fairness ist, dass sich Eltern während der Kindererziehung auch die Pensionsansprüche partnerschaftlich aufteilen. Im


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Regelfall wird auch diese Maßnahme Frauen zugutekommen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Wurm: Und wer bekommt den, Frau Minister? Wie bekomme ich den?)

Sehr geehrte Damen und Herren, nächste Woche am 8. März ist Weltfrauentag. Dieser Tag erinnert uns jährlich daran, wie wichtig die Gleichstellung von Männern und Frauen ist, nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt, und woran wir als Gesellschaft natürlich auch und besonders in Österreich weiterhin arbeiten müssen.

Ich will, dass jede Frau frei von Gewalt leben kann. Ich will, dass jede Frau selbstbestimmt leben kann. Ich will, dass Frauen fair entlohnt werden, denn es ist inakzeptabel, wenn Frauen mit gleicher Qualifikation bei gleicher Tätigkeit nicht den gleichen Lohn erhalten. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich will, dass Frauen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf frei wählen können. Das bedingt auch, dass Familien einen Kinderbetreuungsplatz haben, dass dieser zur Verfügung steht, wenn sie ihn brauchen. Ich will, dass Mädchen ihr volles Potenzial ausschöpfen können, besonders wenn es um die Berufswahl geht, und dass wir da die Rollenklischees durchbrechen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das alles zu erreichen ist wie gesagt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden, aber auch jede und jeder Einzelne muss dazu einen Beitrag leisten. Ja, wir im Frauen­ministerium machen Frauenpolitik. Es wäre aber falsch, zu glauben, dass Frauen­politik nur Sache des Frauenressorts ist und sonst niemanden etwas angeht. Frauenpolitik geht uns alle an, und das leben wir in der Bundesregierung mehr denn je. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie müssen sich einmischen, das ist alles! Bei­fall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. Abg. Heinisch-Hosek: Nein!)

Noch niemals gab es zwischen allen Ministerien einen solch starken Schulter­schluss zur Stärkung der Frauen in allen Lebensbereichen. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber es geht nichts weiter! Abg. Becher: Was ist das Ergebnis?) Das ist der Grund, weshalb wir in den letzten drei Jahren so viel erreicht haben.


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Einige Beispiele: Frauenpolitik heißt im Bereich des Gewaltschutzes natürlich auch Sicherheitspolitik, denn nur wenn Frauen auf unseren Straßen und auch in den eigenen vier Wänden sicher sind, können sie selbstbestimmt leben und frei entscheiden. Gemeinsam mit dem Innen-, Justiz- und Sozialministerium haben wir in den beiden letzten Jahren das größte Gewaltschutzpaket in der Zweiten Republik mit einem Volumen von 25 Millionen Euro geschnürt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Wir haben den Opferschutz weiter gestärkt; wir haben die Präventionsbeamt:in­nen massiv aufgestockt; wir haben verpflichtende Täterarbeit eingeführt; wir haben die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen deutlich erhöht und mit mehreren Förderaufrufen und der Stärkung des Budgets die Ausfinanzie­rung aller Gewaltschutzzentren sichergestellt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Natürlich ist für viele Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein ganz zentraler Lebensbereich. Es muss natürlich eine familiäre Aufgabe sein, aber Tatsache ist, dass wir besonders die Frauen stärken müssen. Diese Bun­desregierung hat den Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro erhöht. Wir haben den Kindermehrbetrag auf 550 Euro deutlich erhöht und wir haben besonders bei den Alleinerzieher:innen angesetzt, indem nun der Bezie­her:innenkreis des Kindermehrbetrags auf alle Erwerbstätigen ausgedehnt wur­de. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich darf erinnern, dass wir nun erstmals die Familienleistungen automatisch infla­tionsangepasst haben. Das betrifft die Familienbeihilfe, den Mehrkindzu­schlag, das Kinderbetreuungsgeld, den Kinderabsetzbetrag, das Schulstartgeld. All das wird in Zeiten der Teuerung jährlich erhöht und an die Inflation an­gepasst. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Zu guter Letzt braucht es natürlich einen flächendeckenden Ausbau der Kinder­betreuung. Nur so können wir die gelebte Wahlfreiheit erzielen, indem Fami­lien wählen können, wie, wann und ob sie Kinderbetreuung in Anspruch nehmen,


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und dazu braucht es ein flächendeckendes Angebot. Deshalb haben wir mit einer Bund-Länder-Vereinbarung für die kommenden Jahre ein zusätzliches In­vestitionsvolumen von 1 Milliarde Euro. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich möchte auch noch etwas zum Arbeitsmarkt sagen. Es gilt zunächst, Rahmen­bedingungen zu schaffen, damit Frauen auch in atypische Berufe einstei­gen können, damit wir die Rollenklischees durchbrechen. Dazu braucht es auch Vorbilder und Anreize. Ich habe deshalb im letzten Jahr einen neuen Fonds gegründet  LEA, Let’s empower Austria , der sich genau diesem The­ma widmet und bewusst junge Mädchen erreicht. (Abg. Stöger: Zur Sache, Herr Präsident!) Wir gehen nun mit großartigen Rolemodels  insbesondere auch aus technischen Berufen, aus Digitalisierungsbereichen in die Schulen, um eben besonders Mädchen vielleicht für eine atypische Berufswahl zu begeistern. (Abg. Kuntzl: Was hat das jetzt mit älteren Frauen zu tun?) Außerdem werden Frauen aus dem AMS-Budget überproportional gefördert.

All das zeigt Wirkung, sehr geehrte Damen und Herren. Wir haben mit Stand Februar dieses Jahres die seit 2013 niedrigste absolute Zahl an arbeitslo­sen Frauen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Zu guter Letzt darf ich schon noch einmal erinnern, dass wir es als Regierung ge­schafft haben, nach vielen Jahren eines stagnierenden Frauenbudgets erst­malig das Frauenbudget zu erhöhen und in den letzten drei Jahren mehr als zu verdoppeln. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.) All das Geld wird in Projekte und in eine flächendeckende Struktur zur Stärkung der Frauen  von jung bis alt in Österreich investiert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Kommende Woche findet die Tagung der Frauenstatuskommission der Vereinten Nationen in New York statt. Wir Frauenminister:innen werden uns dort auch über Maßnahmen im Bereich der Frauenpolitik und der Gleichstellung austauschen. Auch wenn Sie es in diesem Raum vielleicht nicht alle glauben mögen: Österreich dient da in vielen


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Bereichen als Vorbild. Darauf können wir auch stolz sein. Bei all dem Hand­lungsbedarf, den wir noch vor uns haben, gibt es auch viel Positives, das wir auf den Weg gebracht haben, und ich freue mich, Österreich da vertreten zu dürfen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf die Vertreter der Komturei Burgenland des St. Georgs-Ordens sehr herzlich hier im Hohen Haus willkommen heißen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei Ab­geordneten von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Zu Wort gelangt nun Mag.a Romana Deckenbacher. – Bitte schön, Frau Abge­ordnete.


19.07.22

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herzlich willkommen auch hier auf der Galerie! 84 Jahre ist die durchschnittliche Lebens­erwartung der Frauen in Österreich. 20 Jahre davon leben die Frauen bei mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit, es kommt häufig zu Krebserkrankun­gen, aber auch zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und sehr häufig ist Stress eine Hauptursache.

In diesem Zusammenhang liegt es aber vor allem auch in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass jungen Frauen und Mädchen bewusst ist, wie wichtig Vorsorgeuntersuchungen sind. Ich denke an Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen und die Kampagne Pink Ribbon, an die Gesundenuntersuchungen, die es in Österreich gibt, aber auch an viele betriebliche Maßnahmen für die Gesundheits­vorsorge. Das alles sind wesentliche Schritte zur Vorbeugung. Präventions­arbeit ist das Fundament dafür, dass auch Frauen im Alter eine hohe Lebensqua­lität haben. Es gibt zudem unzählige telefonische Hotlines und Beratungs­stellen, und ja, wir müssen diese Informationsquellen für sie auch wei­terhin sichtbar machen.


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Machen wir aber auch die unbezahlte Carearbeit vieler Frauen sichtbar! Wö­chentlich verbringen Frauen ungefähr 32 Stunden mit Hausarbeit, mit Kinderbetreuung oder auch der Pflege von Angehörigen, 17,6 Stunden sind es etwa bei den Männern. Auch da gilt es, junge Frauen rechtzeitig dahin ge­hend zu informieren, welche Folgen und Konsequenzen es zum Beispiel hat, wenn sie zu lange in Teilzeitarbeit sind, ob gewollt oder ungewollt, welche Nachteile es aufgrund ihrer weiblichen Erwerbsbiografie gibt.

An dieser Stelle möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, was ältere Frauen auch nach ihrer Erwerbstätigkeit alles leisten: unglaublich viele ehrenamtliche Tätig­keiten, Unterstützung ihrer Familien, Betreuung ihrer Enkelkinder. Sie leisten alle einen ungemein großen Beitrag für unsere Gesellschaft. Machen wir diese Frauen noch sichtbarer! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ziel unserer Frau Bundesminister, aber auch Ziel des uns vorliegenden Antrages ist es, weiterhin die Lebensqualität von älteren Frauen zu verbessern und mehr Bewusstsein für die Lebenssituation älterer Frauen zu schaffen.

Und ja, Frauen brauchen Sicherheit. Auch ältere Frauen brauchen Sicherheit – gesundheitliche, soziale und finanzielle Sicherheit –, und ja, es braucht, vor allem auch für ältere Frauen, einen sicheren öffentlichen, aber auch häuslichen Raum, denn auch sie sind leider Gottes von Gewalterfahrungen betroffen. Ältere Frauen reden weniger über diese Erlebnisse, holen sich vielleicht auch sel­tener Hilfe. Stärken wir diese Frauen auch in diesem Zusammenhang, machen wir sie auf Hilfsangebote bei Frauenberatungsstellen für ältere Personen aufmerksam!

In unserer politischen Arbeit haben wir unter anderem einen Fokus auf die Stärkung von Frauen gelegt. Ich erinnere an die Maßnahmen der Bun­desregierung, die auch armutsgefährdete Frauen unterstützen. Die Frau Minister hat es schon erwähnt: Pflegepaket, viele Entlastungsmaßnahmen, Aus­gleichszulagen, aber auch die Valorisierung der Sozialleistungen – eine ganz wichtige, notwendige Maßnahme. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)


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Die Hälfte der Bevölkerung in Österreich sind Frauen, und jede Einzelne ist einzigartig. Machen wir Frauen noch sichtbarer und stärker, und zwar in jedem Alter! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.11


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Dr.in Petra Oberrauner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.11.32

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauer und Zuschau­erinnen auf der Galerie! Die Lebenssituation älterer Frauen in Österreich muss dringend verbessert werden. Vielen Frauen droht die Altersarmut – wir ha­ben die Gründe bereits gehört. Angesichts der Ernsthaftigkeit dieser Situation ist der vorliegende Antrag eine Farce. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wurm.)

Er enthält keinen konkreten Vorschlag, wie ältere Frauen gestärkt werden könnten und wie ihre Lebenssituation verbessert werden kann. Er ist ein Ausdruck der Lust- und Ideenlosigkeit der Regierungsparteien. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall und Bravoruf des Abg. Wurm. – Ah-Ruf der Abg. Ribo.)

In Ihrem Antrag steht zum Beispiel auch, dass die Kinderbetreuung und die Pflegearbeit von Frauen oft nicht gesehen wird und dass man dafür Bewusstsein schaffen muss. Ich darf Sie mit einer Überraschung beglücken: Die Öffentlich­keit hat dieses Problem schon längst erkannt. Von der Industriellenvereini­gung bis zur Arbeiterkammer gibt es schon lange ein breites Bündnis für den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, damit Frauen arbeiten können, ohne Angst zu haben, dass ihre Kinder nicht gut versorgt sind, wenn sie arbeiten wollen.

Die Einzigen, die oft unfreiwillige, unbezahlte Carearbeit von Frauen nicht sehen wollen oder nichts zur Verbesserung beitragen wollen, sind Sie. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Anträge eingebracht. Ich verweise auf Kollegen Muchitsch, der 2020 einen Antrag auf faire Pensionen für Frauen


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eingebracht hat, in dem er dezidiert dargestellt hat, wie das funktionieren könnte – der Antrag wird seit drei Jahren vertagt. Wir haben Anträge für die Pflege eingebracht, zum Beispiel um den Zugang von Pflegekräften zur Schwerarbeiterpension zu erleichtern, wovon insbesondere Frauen profitieren würden – seit 2021 regelmäßig vertagt.

Das, was Sie hier machen und was vorgelegt wird (Abg. Ribo: Pflegereform!), ist angesichts des Ernstes der Situation für ältere Frauen in Österreich zynisch. Dem können wir nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Betreffend den Unterschied zwischen dieser Politik und der Kärntner Politik möchte ich sagen: In Kärnten geben wir den Menschen ein Recht auf Finanzierung. (Ah-Rufe der Abgeordneten Disoski und Ribo.) Wir haben das Kin­derstipendium, wir haben den Kärntenbonus, wir haben den Heizkostenzuschuss (Abg. Disoski: Kärnten ist so toll!), wir haben den Energiebonus (Abg. Pfurt­scheller: Den gibt’s nur in Kärnten!), wir haben die Wohnbeihilfe (Zwischenruf des Abg. Ragger) und wir haben die Pflegebeihilfe (Ruf bei den Grünen: Wo Milch und Honig fließt!), und zwar als Recht der Frauen und der Bevölkerung und nicht als Almosen oder Projekt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Disoski: Amen! – Abg. Ribo: Amen! – Abg. Disoski: Lang lebe der Kaiser!)

19.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Elisabeth Scheucher-Pich­ler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.14.18

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es schade – auch an meine Vorrednerin aus Kärnten gerichtet –, dass dieser Antrag eigentlich nur abwertend und negativ gesehen wird. Gerade wenn es um Frauenthemen geht, vermisse ich wieder einmal den Zusammenhalt und die Seilschaft der Frau­en. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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In dem Antrag geht es gerade um das Bewusstmachen dieses Themas, es wurde ja sogar erwähnt. Viele konkrete Maßnahmen – die Frau Bundesministerin ist ja darauf eingegangen, ich brauche das jetzt nicht alles im Detail zu wiederho­len – sind von dieser Regierung gesetzt worden, zum Beispiel auch die Ver­doppelung des Frauenbudgets.

Auch die Opposition hat in diesen letzten Jahrzehnten viele Frauenminis­ter:innen gestellt. Sie hätten all das umsetzen können. Wir haben ein Regierungsprogramm mit vielen Maßnahmen für Frauen, die wir jetzt Stück für Stück umsetzen, und darüber freue ich mich. Gott sei Dank ist das so, und wir machen das auch weiter. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Frau Bundesministerin, danke für diesen Förderaufruf für Projekte zur Stärkung älterer Frauen! Die Diskussion im Ausschuss war ja auch der Frau Bundes­ministerin schon bekannt. Ich glaube, das ist genau das richtige Signal für diesen Antrag. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich sehe meinen Redebeitrag jetzt vor allem auch als Hommage an die tragende Rolle älterer Frauen in der Gesellschaft, die immer noch nicht – das stimmt, da teile ich die Einschätzung – die entsprechende Anerkennung und Wertschät­zung finden, und zwar im Denken der Menschen, in der Gesellschaft insgesamt.

Die ältere Generation hat dieses Land groß gemacht, und daran haben gerade Frauen einen sehr, sehr großen Anteil. Sie haben oft lebenslange Mehrbe­lastungen, vergessen dabei sehr oft, auch an sich zu denken. Dafür gilt es, ein Bewusstsein zu schaffen. Sehen wir, was Frauen im Alter noch leisten! Das wollen wir mit diesem Antrag unterstreichen, auch Danke sagen, wie es die Frau Bundesministerin auch getan hat, und eben auch Bewusstsein für die­ses Thema schaffen. Ich glaube, das alleine verleiht diesem Antrag Wert. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren, es wurde schon gesagt: Frauen leisten natürlich in der Pflege, in der Kinderbetreuung sehr viel. Da hat aber gerade diese Regierung jetzt ganz konkrete Verbesserungen und ganz konkrete Maßnahmen gesetzt.


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Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich eine Kämpferin für Kinderbetreuung bin, aber trotzdem: Es lässt sich eine Großmutter, es lassen sich die Arbeit und die Leistung einer Großmutter, der Wissensschatz der Großmutter, nicht erset­zen, auch nicht durch Kinderbetreuung – das ist etwas, was man zusätzlich braucht. Gerade Großeltern, im Speziellen Großmütter, sind ganz wichtig im Eh­renamt, in der Kultur, im Brauchtum und in der Weitergabe ihres Erfahrungs­schatzes, auch an die Enkelkinder. Ich glaube, das ist etwas, was unbezahlbar ist, und darum geht es auch in diesem Antrag.

Sehr oft bleiben Frauen – das wurde ja auch schon erwähnt – alleine zurück, weil eben ihre Ehepartner früher sterben, und sind dann auf sich allein gestellt. Auch da gilt es anzusetzen, dass man darauf achtet.

Es ist aber ganz einfach auch wichtig, zu schauen, dass sich die Einstellung der Jüngeren gegenüber der älteren Generation und speziell gegenüber älteren Frauen noch verbessert und ändert. Wenn man weiß, dass das Frauenwahlrecht erst 1918 eingeführt wurde und wir erst seit 1975 ohne Zustimmung des Ehemannes arbeiten gehen dürfen und dass die partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit erst 1999 gesetzlich festgelegt wurde, dann ist da noch viel zu tun – nämlich im Denken, in den Köpfen der Menschen, aber auch in den Herzen, in der empathischen Einstellung der Menschen gegenüber den Frauen und gegenüber einem partnerschaftlichen Miteinander. Genau darum geht es auch ganz, ganz stark in diesem Antrag.

Ja, wir brauchen zusätzliche niederschwellige Beratungsmöglichkeiten – das wurde ja schon erwähnt, das kann ich nur bestätigen. Es handelt sich aber vor allem um eine Querschnittsmaterie, wie die Frau Bundesministerin ja auch gesagt hat. Da müssen alle mithelfen: alle Ministerien und die gesamte Gesellschaft. Das ist ein Thema, das alle gemeinsam betrifft.

Frau Bundesministerin, daher noch einmal: Danke für diesen Förderaufruf, 1 Million Euro für Projekte zur Stärkung von älteren Frauen! Ich appelliere an die Frauen, auch an Fraueninitiativen und Frauengruppen, da auch mitzumachen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Stärkung der Frauen ist nicht nur wichtig für die Frauen selbst, sondern sie ist vor allem auch wichtig für die Gesellschaft insgesamt! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

19.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.19.06

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir schreiben das Jahr 2023 und, wir haben es gehört: Die Gehaltsschere klafft wieder weiter auseinander. Frauen arbeiten im Vergleich zu Männern immer noch zwei Monate im Jahr gratis – das muss man sich im Jahr 2023 wirklich einmal vorstellen! –, weil typische Frauen­berufe, Frauenbranchen nach wie vor schlechter bezahlt sind.

Ja, Frau Ministerin, ich habe Ihnen vorhin zugehört: Es ist wichtig, dass wir Frauen auch in technische Berufe bringen. Das allein wird aber nicht helfen. Wir müssen Frauenbranchen und Berufe in Frauenbranchen nicht nur beklat­schen, wir müssen sie auch besser bezahlen! (Beifall bei der SPÖ.)

Eine echte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist in vielen Regionen des Lan­des nach wie vor ein Wunschgedanke, einen Rechtsanspruch auf Kinderbe­treuung gibt es immer noch nicht, und der Anteil an Männern, die länger als ei­nen Monat in Väterkarenz gehen, stagniert auf einem sehr niedrigen Niveau.

Und weil heute Equal-Care-Day ist: Auch der Großteil der unbezahlten Carearbeit wird von Frauen geleistet: Ob es jetzt Kindererziehung, Kinderbetreuung ist, ob es die Hausarbeit oder eben auch die häusliche Pflege von Angehörigen ist – die Frauen schultern das zum Großteil alleine und vor allem unbezahlt. Das sind nur einige der Faktoren, die letztlich dazu führen, dass Frauen in Österreich im Jahr 2023 um mehr als 40 Prozent weniger in der Pensionskasse haben als Männer. Dass die Wahrscheinlichkeit, dann in Altersarmut abzurutschen, für genau diese Frauen viel, viel höher ist, das liegt auf der Hand.


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Gerade in einer Zeit einer Rekordinflation von mehr als 11 Prozent trifft das na­türlich jene besonders, die wenig haben und die wenig verdienen – und das sind nun einmal die Frauen, es sind nun einmal auch vor allem ältere Frauen, die da besonders betroffen sind. Nicht umsonst geht es in vielen der E-Mails, die uns als Abgeordnete erreichen, in vielen der Sprechtagsstunden, die wir leis­ten, der persönlichen Kontakte, vor allem um ältere Frauen, die uns schildern, dass sie sich die Gasrechnung nicht mehr leisten können, die Miete nicht mehr leisten können, dass das tägliche Leben tatsächlich zu einer großen Herausforderung wird.

Anstatt aber gerade in dieser Situation einer enormen Teuerung Maßnahmen zu setzen, die nachhaltig wirken, die die Preise senken und nicht nur einmalige Kostenabfederungen sind, schürt der Arbeitsminister die Unsicherheit auch noch, indem er vorschlägt, dass jene, die Teilzeit arbeiten, dann auch noch weniger Sozialleistungen erhalten sollen. Das ist wirklich zynisch den Frauen gegenüber, und, Frau Ministerin, ich hätte mir da eine ganz klare Positionierung von Ihnen erwartet, eine Positionierung, die ein klares Nein zu diesem Vor­schlag von Minister Kocher ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Stattdessen aber diskutieren wir heute wieder einmal einen nichtssagenden Antrag der Regierungsparteien. Oder, Frau Ministerin, brauchen Sie tatsächlich die Aufforderung aus dem Parlament, um sich als Frauenministerin auch für ältere Frauen einzusetzen? – Ich glaube nicht; und dass Sie heute diesen Call in Höhe von 1 Million Euro für ältere Frauen präsentiert haben, das zeigt ja, dass Sie diese Aufforderung nicht brauchen. Ich hätte mir aber konkrete Maß­nahmen erwartet. Wo sind die konkreten Maßnahmen? (Abg. Heinisch-Ho­sek: Was ist das? Was ist ein Call um 1 Million?) Die sind in diesem Antrag nicht drinnen. Die sind Sie uns schuldig geblieben, und die sind Sie auch in Ih­rem Redebeitrag hier schuldig geblieben. Wo sind die konkreten Maßnahmen, die jetzt ältere Frauen tatsächlich stärken? (Abg. Heinisch-Hosek: Genau! – Abg. Ribo: Das wurde genannt!) Bitte werden Sie aktiv und geben Sie uns das be­kannt! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.22



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.22.56

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Zuseher! Ja, man muss zu dieser Märchenstunde der ÖVP und der Grünen bei diesem Thema jetzt doch einmal einige Sätze sagen und ein paar Dinge zur Sprache bringen. (Abg. Disoski: Von den Männern Frauenpolitik erklären lassen, ich liebe das! –Abg. Ribo: Wir lassen uns von Männern sehr gern die Welt erklären!) Auslöser dieser jetzigen Diskussion ist natürlich die klare Ansage der Regierung, bei den Teilzeitkräften, sprich bei über einer Million Frauen, offensichtlich Sozialleistungen kürzen zu wollen.

Jetzt kommt von der Regierung, von Grünen und ÖVP, dieser nette Antrag be­treffend „Stärkung von älteren Frauen“. (Abg. Ribo: Wer sagte, man kann von 150 Euro pro Monat leben?) Doch die Katze ist aus dem Sack, Sie werden das Thema nicht mehr einfangen können. Eine Million Frauen, die in Teilzeit ar­beiten, haben erkannt, was diese Regierung will; und Sie stärken eben nicht die Frauen. Das ist genau das Gegenteil von Frauenpolitik. (Abg. Ribo: Die FPÖ stärkt die Frauen!)

Ich sage es noch einmal, ich habe es auch am Vormittag erklärt: Sehr, sehr viele Frauen sind auch in der Pflege in Teilzeit beschäftigt, im Krankenhaus (Abg. Ribo: Ja!), in Altersheimen (Abg. Ribo: Ja!) und in sonstiger Form – und das ist ein massiver Angriff, den Minister Kocher in Zusammenarbeit mit Ihren Fraktio­nen, den Grünen und der ÖVP, da gestartet hat. (Abg. Ribo: Die Grünen waren hier nicht dabei!)

Ich darf auch noch einmal klarstellen: Es wäre in den letzten Jahren relativ ein­fach gewesen – das ist nachweisbar, wir haben unzählige Anträge dazu ein­gebracht –, genau diese Kinderbetreuungszeiten von Frauen, die Kinder bekommen haben, auf die Pension besser anzurechnen. Das ist nachweisbar! Da waren alle vier Fraktionen immer dagegen, leider Gottes auch Sie, die Sozial-


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demokraten, weil Sie halt dieses Frauenbild, dass Frauen Kinder bekom­men, nicht haben wollen. (Abg. Heinisch-Hosek: Wer sagt das? – Abg. Lindner: Das ist eine Unterstellung!) – Ja, Frau Kollegin, wir wollten das immer höher be­wertet haben. (Abg. Heinisch-Hosek: ... wollen es bei der Pension aufgewertet ha­ben, bei der Pension!) Noch einmal: Diese Anrechnung wollten wir höher bewertet haben! (Abg. Heinisch-Hosek: 50 Euro im Monat mehr ...! –Heiterkeit bei Abge­ordneten der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Das ist die Umverteilung von unten nach oben!) Bitte gehen Sie da mit uns mit, weil das die Frauen am besten gegen eine schlechte Pension absichert! Das wäre relativ einfach zu machen.

Wir haben auch – und da wart ihr auch dagegen – die Aktion 60 plus für Frauen, die in der Pension sind, vorgeschlagen, dass sie steuerfrei und abgabenfrei vielleicht noch 10 Stunden die Woche irgendwo arbeiten können. Das wäre auch eine Möglichkeit, Frauen im Alter von 60 plus vielleicht noch ein Einkommen zu bescheren. Auch da wart ihr dagegen.

Und dann noch einmal – man muss es einfach sagen – zum Thema der Kin­derbetreuung, die Sie da jetzt immer ins Spiel bringen: Jeder, der sich bei diesem Thema auskennt, weiß, dass das natürlich nicht kostenlos ist. Ein Kinderkrip­penplatz kostet pro Monat, je nachdem wie umfangreich die Betreuung ist, zwi­schen 800 und 1 200 Euro, ein Kindergartenplatz zwischen 500 und 800 Eu­ro pro Monat. Das ist ja nicht kostenlos, sondern das muss der Steuerzahler – wir alle – bezahlen. Was Sie natürlich nicht wollen, ist – und da spreche ich das berühmte Berndorfer Modell an –: Sie wollen natürlich nicht Frauen, die zu Hause bleiben – was die Allgemeinheit weniger kosten würde –, auch dementsprechend monatlich Geld übergeben. Das sind aber Dinge, die man dis­kutieren muss, denn – wir wissen das alle – die Gemeinden können das nicht finanzieren, der Bund sowieso nicht.

Bitte schön, wenn Sie wirklich für Frauen auch im Alter etwas tun wollen, dann ge­hen Sie mit unseren Anträgen einfach mit, weil das den Frauen helfen würde!

Vielleicht noch Folgendes: Ganz generell haben Menschen im hohen Alter, ob Männer oder Frauen, viele Problemstellungen. Da ist Kollege Drobits von


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der SPÖ mit mir gemeinsam im Konsumentenschutzausschuss aktiv gewesen und wir haben durchgesetzt – Sie sind nachgezogen –, dass man im Alter auch Kredite bekommen kann. Aber es geht ja dann weiter: Du kannst heute, wenn du 70, 80 Jahre alt bist, als Kunde bei Banken nur mehr online arbeiten, du musst im Internet sein. All das sind Benachteiligungen für alte Menschen, egal ob Frau oder Mann, und auch da sollten wir Initiativen setzen, damit das leichter wird.

Das heißt: Bitte schön nicht hier einen Pro-forma-Antrag einbringen, während Sie in Wahrheit die Frauen vor allem im Alter im Stich lassen! Diesbezüglich war die Aussage von Kocher ja ganz eindeutig: Er will diesen über einer Million Frau­en, die in Teilzeit arbeiten, offensichtlich Leistungen streichen, und da sind wir Freiheitliche strikt dagegen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.27


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Meri Disoski. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.27.43

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher, die Sie hier auf der Galerie oder vor dem Bildschirm die Sitzung noch mitverfolgen! Herr Kollege Wurm, ich habe es heute Vormittag schon einmal gesagt: Ich finde es ja echt erstaunlich, dass euch das nicht peinlich ist, als FPÖ darüber zu lavieren und die­ser Bundesregierung vorzuwerfen (Abg. Wurm: War was falsch an meinen Aus­sagen, Frau Kollegin? Was war falsch? Was war falsch?), sie würde in irgend­einer Form Sozialabbau betreiben wollen. Ihr seid diejenigen, die das machen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bitte schaut euch an, was ihr gemacht habt, als ihr in der Bundesregierung in Verantwortung wart! Das war eine sozialpolitische Geisterbahnfahrt, die Gott sei Dank nur kurz gedauert hat. Wir, diese Bundesregierung, sind jetzt damit be-


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schäftigt, eure Steine aufzuklauben und auch den Dreck, den ihr sozialpolitisch hin­terlassen habt, aufzuräumen – und das machen wir. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Kollegin Oberrauner, Sie haben diesen Antrag, den wir gerade debattieren, als Farce bezeichnet. Wissen Sie, was wirklich eine Farce ist, Kollegin Oberrau­ner? – Es ist eine Farce, dass beispielsweise Sie als Abgeordnete der SPÖ sich hier herausstellen und all jene Maßnahmen einfordern – und beklagen, dass nichts passiert –, zu deren Umsetzung Sie jahrelang, jahrzehntelang als Kanz­lerpartei, als Frauenministerinpartei die Möglichkeit gehabt hätten. (Ruf bei der SPÖ: Immer dieselbe Rede! – Abg. Heinisch-Hosek: Es ist immer die gleiche Rede! – Abg. Ribo: Aber es ist immer noch wahr!) Sie haben es aber halt nicht ge­macht. Sie haben es nicht gemacht – und wir machen es. (Abg. Kucher: Die­se Rede kennen wir schon! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Diese Rede kennen wir schon! –Abg. Kucher: Es wird ja nicht wahrer! Es wird nicht wahrer!)

Ich verstehe, es gibt jetzt Aufregung im Sektor der Sozialdemokratie. Ich verste­he diese Aufregung, ich verstehe euren Schmerz. Es ist sehr wahr, und des­wegen regt ihr euch so auf: weil ihr einfach nichts weitergebracht habt. Und wir machen das! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sowohl die Frauenministerin als auch die Kolleginnen von den Regierungs­parteien haben das kursorisch schon aufgezeigt: das höchste Frauenbudget in der Geschichte der Zweiten Republik, das größte Gewaltschutzpaket. Wir haben es geschafft, dass wir die Familien- und Sozialleistungen aufgewertet haben: Sie werden automatisch angepasst. Das ist jahrelang gefordert worden, nie hat es jemand umgesetzt – wir machen es! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben den Ausbau der Kinderbetreuung auf den Weg gebracht, wir haben eine feministische Pflegereform auf den Weg gebracht. Das sind lauter Maß­nahmen, die jahrelang, jahrzehntelang versprochen worden sind, aber es hat halt keiner gemacht – und jetzt machen wir es. Es ist gut so, es ist wichtig so, und es war, verdammt noch mal, auch an der Zeit, das zu tun. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Scheucher-Pichler.)


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Und weil es hier fokussiert auch um ältere Frauen geht: Die Ministerin hat schon kursorisch ausgeführt, was da die wichtigsten Maßnahmen waren, die diese Bundesregierung umgesetzt hat. Ich darf es noch einmal verstärken und in Erin­nerung rufen: Die Ausgleichszulage für Pensionsbezieher:innen wird im Jahr 2023 noch einmal extra stärker als mit dem errechneten Anpassungsfaktor erhöht. Das kommt insbesondere älteren Frauen zugute.

Dann wäre die Einführung des Frühstarter:innenbonus zu erwähnen, auch darauf hat die Ministerin schon hingewiesen. (Abg. Wurm: 3 Euro oder wie pro Monat, Frau Kollegin?) – Nein, ich sage es Ihnen gleich, Herr Wurm (Abg. Wurm: 3 Euro!), 3 Euro wären es vielleicht gewesen, wenn es die FPÖ gemacht hätte. (Abg. Wurm: 3 Euro!) Der Frühstarter:innenbonus hat im ersten Jahr seit der Ein­führung 51 000 Personen geholfen. (Abg. Wurm: 3 Euro pro Monat!) 51 000 Personen haben davon profitiert, und sie haben im Durchschnitt 610 Euro jährlich bekommen, Kollege Wurm. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm: Die Hacklerpension hat sich ...!) 57 Prozent derjenigen, die davon profitiert haben, waren Frauen.

Wir haben auch den Angehörigenbonus ab der Pflegestufe 4 geändert und eine Sonderzuwendung in der Höhe von 1 500 Euro möglich gemacht, das gab es vorher auch nicht.

Es gibt die laufende Umsetzung des Bundesplans für Seniorinnen und Senioren, das gab es vorher auch nicht. Es gibt – erst in der vergangenen Woche ist es präsentiert worden – die erleichterte Kreditvergabe für Seniorinnen und Senioren ab Mai 2023. Wo wart ihr? Wieso habt ihr das nicht gemacht? Das sind lauter Dinge, die ihr als Regierungspartei auch hättet umsetzen können – habt ihr nicht getan; wir tun das.

Der heutige Entschließungsantrag hat einen sehr klaren Sinn, einen sehr klaren Zweck, nämlich jenen, die Bundesregierung und jene Ministerinnen und Minister, die da insbesondere in der Verantwortung sind, dazu aufzufordern, dazu zu ermutigen und auch noch einmal fokussiert darauf hinzuweisen, dass dieser Weg,


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den die Bundesregierung in den vergangenen drei Jahren eingeschlagen hat, der richtige ist, dass wir uns hier erwarten, dass auch weitere, dringend notwen­dige Maßnahmen gesetzt werden.

Frau Ministerin, da freuen wir uns auch auf die Vorschläge, die es von Ihnen und von den anderen Regierungsmitgliedern geben wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dipl.-Kffr. Elisabeth Pfurtschel­ler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.31.50

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Herr Präsident! Herr Kollege Wurm, wenn Sie mir bitte Ihre Aufmerksamkeit schenken würden!

Herr Kollege Wurm, wenn wir jedes Mal herausgehen würden, um etwas rich­tigzustellen, was Sie oder einer Ihrer Kollegen wissentlich (Abg. Wurm: Können Sie immer machen, Frau Kollegin!) immer wieder falsch vorbringen, würden wir fast schon unsere ganze Redezeit dafür verwenden müssen (Beifall bei ÖVP und Grünen – Abg. Wurm: Können Sie immer machen! Was war falsch? – Abg. Strasser – in Richtung Abg. Wurm –: Zuhören!), aber heute gebe ich mir einmal die 3 Minuten. (Abg. Wurm: Was war jetzt falsch? – Abg. Strasser: Zuhören!)

Herr Kollege Wurm, Ihre Behauptung, dass Herr Minister Kocher Teilzeitbe­schäftigte strafen will (Abg. Wurm: Hat er das nicht gesagt oder was?) oder ihnen etwas wegnehmen will, ist falsch. (Abg. Wurm: Weil?) Der Herr Minister war heute da und hat ganz genau erklärt, wie er es gemeint hat. Er hat es auch schon des Öfteren in den Medien richtiggestellt, und es würde Ihnen gut anstehen, Dinge, die der Herr Minister richtiggestellt hat, dann auch so aufzunehmen und nicht fälschlicherweise danach wieder das Falsche zu behaup­ten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich glaube, man kann von einem Abgeordneten des Hohen Hauses wohl verlangen, dass er, wenn Dinge richtiggestellt werden, das auch akzeptiert und


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Falsches nicht wiederholt. (Ruf: Haben wir es einmal falsch gesagt?) – Das ist das Erste.

Und das Zweite, Herr Kollege Wurm, weil ich jetzt schon heraußen stehe und noch ein bisschen Zeit habe: Sie stellen sich als FPÖler hierher (Abg. Wurm: Bitte höflich bleiben, Frau Kollegin!) und wollen den Menschen (Abg. Wurm: Höflich bleiben, nicht FPÖler!), den älteren Menschen, der älteren Generation - - (Abg. Wurm: Da kann ich schon sagen, ihr seid ÖVPler, bitte schön! – Abg. Strasser – in Richtung Abg. Wurm –: Zuhören! Jetzt hör einmal zu! – Ruf bei der FPÖ: Ist ja wahr! Der hält ja nichts aus!) – Jetzt lassen Sie mich einmal ausreden und dann können Sie sich wieder melden! (Abg. Steinacker: – in Richtung Abg. Wurm –: Pscht! – Ruf bei der ÖVP: Lassen Sie sie ausreden, wirklich! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Sehr geehrte Damen und Herren, ich tu mir jetzt ein bisschen schwer, weil der Herr Kollege Wurm so hereinschreit.

Herr Wurm, Sie stellen sich hierher und wollen wirklich den Eindruck vermitteln, dass Ihre Partei eine Sympathie für die ältere Generation hat (Abg. Wurm: Ja klar, ja sowieso!), und Ihr Herr Kickl, der heute übrigens den ganzen Tag nicht da ist (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt nicht, er war da! – weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), hat doch wirklich die Frechheit und stellt sich bei seiner Ascher­mittwochsrede hin und nennt den Herrn Bundespräsidenten (Abg. Wurm: Genau!), der genau dieser älteren Generation angehört, die sich deutlich mehr Respekt verdient hat, die wirklich sehr viel für unser Land geleistet hat, die­sen Herrn Bundespräsidenten, der von uns gewählt worden ist (Abg. Wurm: Na von mir nicht! – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ – Abg. Ribo: Von der Mehr­heit!) – ja, von uns, von der Mehrheit der Österreicher und Österreicherinnen –, eine Mumie, und er hat sich bis jetzt noch nicht dafür entschuldigt!

Sie brauchen der älteren Generation nicht zu erzählen, dass Sie Achtung vor ihr haben! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Ihr Herr Kollege Kickl hat die Würde der älteren Generation mit dieser Aussage mit


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Füßen getreten! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

19.34


19.34.45

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1930 der Bei­lagen angeschlossene Entschließung betreffend „Fokus: Stärkung von älteren Frauen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (306/E)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Rosa Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterstützung für ältere Frauen am Arbeitsmarkt“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vollzeitbonus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

19.35.497. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1497/A(E) der Ab­geordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absiche­rung von qualitätsvoller sexueller Bildung und Umsetzung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens (1931 d.B.)



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Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mario Lindner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.36.14

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Barbara Prammer, Gabriele Heinisch-Hosek, Doris Bures, Sabine Oberhauser, Pamela Rendi-Wagner und Johanna Dohnal, was haben diese Frauen gemeinsam? – Sie alle waren beeindruckende Frauenministerinnen der Zweiten Republik, sie haben sich für die Frauen in diesem Land eingesetzt und sie kommen und kamen von der Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Und weitergebracht haben sie nichts!) – Willst du jetzt irgendwie sagen, dass Johanna Dohnal in diesem Land nichts zu­sammengebracht hat? Schämen Sie sich, Herr Kollege! Johanna Dohnal war eine der Vorreiterinnen der Frauenbewegung in diesem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich mir anschaue, was in einzelnen Ausschüssen passiert, dann ist es manchmal wirklich nicht einfach, die Würde dieses Hauses zu wahren. Denn, seid mir nicht böse, die Art und Weise, wie die Regierungsfraktionen im Gleichbehandlungsausschuss mit The­men umgehen, das grenzt an eine Frotzelei und an nichts anderes. (Zwi­schenruf des Abg. Obernosterer.)

Ich bin froh darüber, dass wir heute überhaupt zwei Vorlagen aus dem Bereich Gleichbehandlung im Plenum diskutieren können, darunter auch über die­sen Antrag zur sexuellen Bildung, aber auch nur, weil Sie ihn abgelehnt haben. Schauen wir uns an, warum Sie diesen Antrag hier abgelehnt haben: Weil der Bildungsminister nach fünf Jahren Ankündigung und Versprechen endlich den Erlass für externe Sexualpädagogikworkshops veröffentlicht hat.


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Das Problem ist nur: Dieser Erlass löst keines der vielen, vielen Probleme, die wir in diesem Bereich haben. Statt einer echten Lösung für sexuelle Bildung in Schulen, bekommen wir ein zahnloses, intransparentes Bewertungsverfahren. Es gibt weder ausreichend Geld noch regelmäßige Qualitätskontrollen. Fakt ist: Der Verein Teenstar kann und wird durch diesen Erlass wieder in unsere Klassenzimmer kommen, und das ist inakzeptabel, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie des Abg. Stögmüller.)

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garantieren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die Gewährleistung bestmöglicher, qualitätsvoller sexueller Bildung in Schulen durch externe Anbieter*innen – insbesondere durch eine umfassende, langfristige Finanzierung und regelmäßige Kontrolle der gelehrten Inhalte – ab Beginn des Schuljahrs 2023/2024 bundesweit sicherzustellen.“

*****

(Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Art und Weise, wie die Regierung mit der sexuellen Bildung an unseren Schulen umgeht, ist leider beispielhaft für alle anderen Fragen im Gleichbehandlungsbereich.

Ich gebe Ihnen ein anderen Beispiel: Konversionstherapien. Zwei Mal hat der Nationalrat schon beschlossen, dass es ein gesetzliches Verbot dieser Prakti­ken braucht. Doch anstatt dass ein wirkliches Gesetz verabschiedet wird,


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heißt es von ÖVP und Grünen alle paar Monate: Bald sind wir soweit. Die Grü­nen haben es anscheinend endlich geschafft, einen Gesetzentwurf fertig­zustellen, die ÖVP will jetzt einmal in Ruhe darüber diskutieren.

Während Sie Ihre Arbeit in der Regierung nicht machen, berichtet die „Kleine Zei­tung“ letzte Woche darüber, wie solche Konversionstherapien in der Praxis ausschauen. Wenn zum Beispiel in Graz unter dem Deckmantel einer Hagiothe­rapie Menschen therapiert werden und dort lernen, Homosexualität sei eine Krankheit, die man heilen muss, dann geht das einfach nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, machen Sie endlich Ihre Arbeit und setzen Sie die Beschlüsse des Nationalrates ohne Parteispielchen um! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

19.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mario Lindner,

Genossinnen und Genossen

betreffend endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garantieren

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1497/A(E) der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung von qualitätsvoller sexueller Bildung und Umsetzung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens (1931 d.B.)

Seit fast fünf Jahren zeigt die mediale und politische Debatte in Österreich den drin­genden Handlungsbedarf im Bereich der sexuellen Bildung. Nach jahrelangen Ankündigungen legte das BMBWF Ende 2022 endlich einen Entwurf für das lange angekündigte Akkreditierungsverfahren für externe Angebote sexueller Bildung


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im Schulunterricht vor. Doch sowohl Expert*innen als auch Organisationen, die seit Jahren wichtige Angebote in diesem Bereich zur Verfügung stellen, haben zahl­reiche Probleme in den Details der „Verordnung über die Geschäftsstelle zur Quali­tätssicherung von schulexternen Angeboten zur Unterstützung des schuli­schen Unterrichts (externe Qualitätssicherungsverordnung)“ ausgemacht. Auf diese Bedenken wurde jedoch im Zuge der Begutachtung, sowie in der im Febru­ar 2023 schließlich veröffentlichten Verordnung nicht eingegangen.

Klar ist, dass die bundesweite Bildungspolitik den dringenden Auftrag hat, quali­tätsvolle und wissenschaftlich fundierte sexuelle Bildung zu garantieren. Die Befürchtung, dass sich beim nun stark verspätet vorgestellten Akkredi­tierungsverfahren am Ende um ein zahnloses Bewertungsprozedere handelt, dass keine der grundlegenden Herausforderungen im Bereich der sexuellen Bil­dung löst, zeigen jedoch, dass das BMBWF dieser Aufgabe bisher nicht gerecht wird.

Fehlende Ausschlussmöglichkeiten, keine regelmäßige Überprüfung und das Aus­bleiben regelmäßiger, stichprobenartiger Kontrollen der von externen Anbieter*innen gelehrten Inhalte bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs. So kritisieren langjäh­rige Expert*innen gegenüber den Medien schon jetzt, dass beispielsweise im Bereich des Vereins Teen Star, der 2018 als Auslöser der medialen Debatte um sexuelle Bildung diente, eine rein einmalige Überprüfung der Schulungsunterlagen möglicher­weise nicht den tatsächlich gelehrten Inhalt in Schulworkshops kontrollieren kann: „Auf der Website kann man bereits lesen, wie bestimmte Inhalte dem White­washing unterzogen wurden.“1 Bisher hat das zuständige Ressort nicht ersicht­lich machen können, wie ein solche Whitewashing dauerhaft unterbunden werden soll und damit sichergestellt werden kann, dass externe Angebote sexueller Bildung im Klassenzimmer als notwendige Ergänzung zum Regelunterricht den wis­senschaftlichen und humanistischen Standards unserer Bildungspolitik auch wirklich entsprechen. Es bleibt zu befürchten, dass auch künftig unter dem Deckman­tel der sexuellen Bildung sexistische, homophobe und unwissenschaftliche Inhal­te in österreichischen Klassenzimmern gelehrt werden. Laut eigenen Angaben ist zum Beispiel der Verein Teen Star trotz des medienwirksamen „Verbots“ durch den


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damaligen Bildungsminister im Schuljahr 2021/2022 in drei Bundesländern aktiv ge­wesen – das Problem im System ist nicht nur dadurch offensichtlich.

Mutige Bildungspolitik, die erkennt, dass sexuelle Bildung vor allem die Aufgabe hat, junge Menschen dabei zu unterstützen, ein selbstbestimmtes und sicheres Er­wachsenenleben führen zu können, sieht anders aus: Statt eines zahnlosen Bewer­tungsprozederes externer Anbieter*innen und des Abwälzens der Verantwortung auf Schulen und Lehrer*innen braucht Österreich endlich ein gut ausgebautes und ausreichend finanziertes Netz an Anbieter*innen sexueller Bildung. Die Frage der Fi­nanzierung ist dabei von besonderer Bedeutung: Es kann und darf nicht im Inter­esse der Republik liegen, dass Angebote, die für Schulen notwendigerweise kostenfrei sein müssen, sich auf Finanzmittel von Stellen zu verlassen haben, die ideologi­sche oder politische Hintergründe haben. Gleichzeitig muss für alle Anbieter*innen auch eine entsprechende Aus- und Fortbildung, sowie Supervision gewährleistet sein, wenn sie sexuelle Bildung in unseren Klassenzimmern unterrichten. Der Zustand, dass solche Angebote über Mittel aus anderen Bereichen, zum Beispiel aus dem Frauen- oder Familienressort „mitfinanziert“ werden, deckt zwar Lücken ab und ermöglicht notwendige Arbeit, erfüllt aber den Zweck einer bundesweiten Bil­dungspolitik nicht. Es braucht bundesweite Finanzmittel für ausreichend über­prüfte, regelmäßig kontrollierte Angebote, die den gesetzlichen Anforderungen und dem Stand der Wissenschaft unserer vielfältigen und selbstbestimmten Gesell­schaft entsprechen – und zwar rasch, bevor noch weitere Jahrgänge an Schüler*innen aufgrund politischer Untätigkeit zurückgelassen werden!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, die Gewährleistung bestmöglicher,


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qualitätsvoller sexueller Bildung in Schulen durch externe Anbieter*innen – insbesondere durch eine umfassende, langfristige Finanzierung und regelmäßige Kontrolle der gelehrten Inhalte – ab Beginn des Schuljahrs 2023/2024 bundesweit sicherzustellen.“

1     https://www.moment.at/teenstar-noch-immer-an-schulen-2023

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Nico Marchetti. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.40.18

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Kollege Lindner, wenn man schon die Geschichte strapaziert: Die erste weibliche Ministerin hat die ÖVP nominiert (Abg. Heinisch-Hosek: Na, nicht Frauenministerin, hallo! Nein, nein!), Grete Rehor, die hat als Arbeits- und Sozialpolitikerin Dinge umgesetzt (Abg. Lindner: Wir haben von der Frauenministe­rin geredet! – Abg. Heinisch-Hosek: Wir sprachen von der Frauenministerin! Bleiben Sie korrekt!), von denen wir heute noch zehren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lindner: Dann sag wenigstens das, was ich wirklich gesagt habe!)

Dieser Tagesordnungspunkt ist tatsächlich – man kann es kaum glauben – zu einem ganz anderen Thema, zum Akkreditierungssystem zu sexueller Bildung. Ich möchte diesen Ball gleich aufgreifen. (Abg. Heinisch-Hosek: Nein, das ist kein Akkreditierungssystem! – Abg. Lindner: Es ist kein Akkreditierungssystem!) Ich möchte nämlich dazusagen, dass wir gerade aufgefordert wurden, Dinge umzusetzen. Das ist ein gutes Beispiel, dass wir es auch tun, weil wir tatsächlich das diesen Tagesordnungspunkt Betreffende umgesetzt haben.

Es gibt jetzt ein Akkreditierungsverfahren, das Bildungsministerium hat dieses auch per Verordnung bereits festgelegt. Das schaut so aus (Abg. Shetty:


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Aber nicht schlecht umsetzen ...!), dass wir ermöglichen, dass es an den Schulen externe Anbieter einer Sexualpädagogik gibt – das war ja ein Teil der For­derung –, aber qualitätsgesichert und gemonitort.

Das System schaut so aus, dass sich alle Vereine, die diese Angebote den Schulen anbieten, registrieren müssen, sie Kriterien entsprechen müssen. Es gibt ein Rückmeldungssystem: Wenn in der Schule Schüler, Eltern, Lehrer sagen, dieses Angebot ist nicht den Kriterien entsprechend, wird das von einer Kommission geprüft. Das Angebot wird dann auch gesperrt und kann nicht mehr von Schulen gebucht werden.

Ich glaube, das ist wirklich ein seriöses System, das auch sicherstellt, dass in der Schule auch bei Externen ein Qualitätsstandard angeboten wird. Es gibt vor allem auch die Kontrolle, dass, wenn dort irgendetwas passiert, das für Schü­ler oder Eltern nicht passt oder das nicht den festgelegten Kriterien ent­spricht, das dann aufscheint und andere Schulen davon wissen und das Angebot dann nicht mehr buchen können.

Ich bin sehr froh, dass wir das so sachlich umgesetzt haben. Gerade weil Sexualpädagogik so ein emotionales, hoch ideologisches Thema ist, ist es umso wichtiger, dass es qualitätsgesichert und auch unter transparenten Bedin­gungen stattfindet. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung diesen Punkt um­gesetzt hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Lindner. – Bitte schön. (Ruf bei der ÖVP: Na, da bin ich jetzt gespannt!)


19.42.36

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Marchetti hat behauptet, es handelt sich hierbei um ein Akkreditierungsverfahren. Diese Behauptung ist unwahr.


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Ich berichtige tatsächlich: Es handelt sich schlicht und einfach um ein Bewer­tungsverfahren.

Herr Kollege Marchetti, Sie können das in meiner schriftlichen Anfrage nachlesen, die der Herr Bundesminister beantwortet hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Stögmüller.)

19.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.43.10

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Lindner hat es schon angesprochen; ich weiß nicht, ob Sie sich noch an den Verein Teen­star erinnern können. Das ist ein Verein, der – das muss man so ausspre­chen – widerliche Kurse an Schulen abgehalten hat, die homophob, die frauen­verachtend und die reaktionär waren. Das hat damals für einen großen Aufschrei gesorgt. Das war im Jahr 2019.

Es hat also fast vier Jahre gebraucht, bis diese Regierung eine Verordnung vor­gelegt hat, in der sie Kriterien für externe Vereine im Bereich der Sexual­pädagogik aufgestellt hat. Diese Verordnung, die vorgelegt wurde, folgt einem Muster – wie die türkis-grüne Regierung arbeitet. Die hat, wenn man so will, das türkis-grüne Regierungsgütesiegel. Zuerst wird blockiert. Zuerst blo­ckieren Sie es, dann verzögern Sie es und dann legen Sie ein schlechtes Gesetz und eine schlechte Verordnung vor, und das sehen wir auch in diesem Fall. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Fakt ist, Teenstar kann weiterhin an Schulen tätig sein. Der Verein, der ausschlaggebend für dieses ganze Verfahren, für diesen ganzen Prozess war, kann weiterhin an Schulen tätig sein. Deswegen ist auch die Kritik der Expertinnen und Experten, sind die Stellungnahmen zu dieser Verordnung vernichtend.


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Ich möchte noch zu einem anderen Thema sprechen, das im Ausschuss auch Thema war – leider noch immer, also schon wieder Thema war –, nämlich das Verbot von sogenannten Homoheilungen, also Homoumpolungstherapien. Um das vielleicht noch einmal kurz für all jene zu erklären, die noch immer nicht wissen, was das bedeutet: Da geht es um Verfahren, mit denen versucht werden soll, minderjährige Teenager, die schwul oder lesbisch sind, umzu­polen, also ihre sexuelle Orientierung zwanghaft zu verändern.

Weil gerade Kollegin Kugler hereinkommt, die ja immer wieder gesagt hat, sie kann sich nicht vorstellen, dass es so etwas in Österreich noch gibt: Ich weiß nicht, ob Sie sich noch erinnern, Sie waren ganz außer sich, dass es so etwas in Österreich gibt. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der „Kleinen Zeitung“ vom letzten Wochenende, die in einer ausführlichen Reportage dargelegt hat, dass mitten in Graz – Kollege Lindner hat es gesagt – ein sogenanntes Hagiotherapiezentrum tätig ist, das genau solche Therapien durchführt. Das ist der beste Beweis dafür, dass es solch ein Verbot end­lich braucht. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie des Abg. Stögmüller.)

Jetzt würde man sich denken, okay, wir haben das Problem erkannt und jetzt müsste nur noch der Gesetzgeber tätig werden beziehungsweise bräuchten wir irgendeinen Vorschlag. Seit 2021 ist Frau Justizministerin Alma Zadić vom Parlament verpflichtet – mit Entschließungsantrag dazu verpflichtet! –, eine Re­gierungsvorlage vorzulegen. Sie hat das bis zum Jahr 2022 nicht gemacht. Da wurde es dem Koalitionspartner übermittelt, und das Parlament hat immer noch nichts davon gesehen. Das verstehe ich nicht. Unabhängig vom In­halt: Es gibt einen Entschließungsantrag, und der ist umzusetzen. Ich sehe nicht ein, warum das immer noch nicht auf dem Tisch liegt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Auch in Richtung der Grünen sei gesagt, weil Sie jetzt sagen, die ÖVP verzögert es: Wer hat denn überhaupt verzögert, dass es zum Entwurf gekommen ist? Was hat da so lange gebraucht? In Deutschland gibt es ein Gesetz, das müsste man nur abschreiben. Man könnte sich das Begutachtungsverfahren dort anschauen, man könnte die Inputs nehmen. Warum braucht das denn Jahre?


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Und vor allem: Warum verspricht die Frau Justizministerin, dass es kommt, und bricht ihr Versprechen regelmäßig? Das ist nicht einzusehen. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist ungeheuerlich, dass es im Jahr 2023 noch legal ist, zu versuchen,
einen 17-jährigen Schwulen nach der Tortur eines Outings umzupolen, zu ver­suchen, einer 16-jährigen Lesbe darzulegen, dass die heterosexuell sei, wo wir doch wissen, dass es nicht möglich ist, die sexuelle Orientierung umzupolen, die sexuelle Orientierung zu heilen. Weil Sie das ohne parlamentarischen Druck nicht schaffen, bringe ich erneut einen Entschließungsantrag ein, der fol­gendermaßen lautet:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversionstherapien stoppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird erneut aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der die Ausübung von Konversions- und vergleichbaren ‚reparativen Therapieformen‘ an Minderjährigen verboten wird.“

*****

Nehmen Sie diesen Entschließungsantrag an! Legen Sie einen Entwurf vor und beschließen wir gemeinsam endlich ein Verbot dieser Therapien! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

19.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Konversionstherapien stoppen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 202. Sitzung des Nationalrats über den Be­richt des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 1497/A(E) der Abge­ordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung von qua­litätsvoller sexueller Bildung und Umsetzung des angekündigten Akkreditierungsverfahrens

– TOP 7

Bereits im Juli 2019 hat der Nationalrat eine einstimmige Entschließung gefasst (1), die dezidiert die unverzügliche Ausarbeitung einer Regierungsvorlage gefordert hat, die die Ausübung von sogenannten Konversions- und vergleichbaren "reparati­ven Therapieformen" an Minderjährigen verbietet. Diese Regierungsvorlage wäre dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen gewesen.

Obwohl es sich hierbei um eine einstimmige Entschließung aller damals im Parlament vertretenen Parteien (2019 exklusive Grüne) gehandelt hat, wurden bis heute in dieser Hinsicht keine weiteren Schritte gesetzt. Regelmäßige Nachfragen bringen zu Tage, dass es offensichtlich eine jährliche Abstimmung zwischen Justiz- und Ge­sundheitsministerium gibt, seit Sommer 2022 gäbe es eine Regierungsvor­lage "in Koalitionsabstimmung" (2).

Gerade bei LGBTIQ-Materien scheint es allerdings immer wieder zu Verzögerungen bei der Vorlage von erarbeiteten Gesetzen zu kommen. Neben dem einstim­mig beschlossenen Verbot von Konversionstherapien heißt es schließlich auch bei der Qualitätssicherung in der Sexualpädagogik(3) oder einem IGM-Verbot(4): "Bitte warten". Der gemeinsame Nenner besteht darin, dass es in diesem Bereich zwar gemeinsame Bekenntnisse gibt, im Ergebnis LGBTIQ-Jugendliche aber weiterhin ungeschützt gesellschaftlicher Willkür ausgesetzt sind.


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Denn die aktuelle Rechtslage ist nicht ausreichend, um Minderjährige vollumfassend vor sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" zu schüt­zen. Weder sind Berufsgesetze unter dem Aspekt des "Arbeitens nach bestem Wissen und Gewissen" ausreichend, da solche sog. Therapien häufig außerhalb eines beruflichen/therapeutischen Kontexts stattfinden, z.B. im erzkatholischen Umfeld oder in konservativ-muslimisch geprägten Familienkulturen(5). Auch sind be­reits bestehende Schadensersatzansprüche, die ja erst dann greifen, wenn es bereits zu spät ist, kein ausreichendes Mittel, um Minderjährige vor massiv psychisch und physisch schädigenden Behandlungen zu schützen. Genauso gibt es Minderjäh­rige, die durch Druck von außen ihre sexuelle Orientierung selbst als falsch emp­finden und sich freiwillig solchen sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" unterziehen - auch hierfür gibt es zurzeit keine angemessene gesetzliche Grundlage, um den Schutz von Minderjährigen zuverlässig und vollum­fänglich zu garantieren.

Nachdem gerade die Pandemie und folgende Krisen gezeigt haben, dass psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen dringend weiter in den Fokus ge­rückt werden muss, müssen Worten endlich Taten folgen. Denn trotz der bisherigen Beschlüsse und Bekenntnisse zeigt sich nämlich immer wieder, dass Konver­sionstherapien weiterhin angeboten werden. Selbst 2023 gibt es immer noch Ange­bote, die Homosexualität als "Anomalie" bezeichnen und mit Alkoholismus ver­gleichen und - eben besonders problematisch - psychische Probleme als Ursache für sexuelle Orientierung sehen (6). Besonders der erhöhte Fokus auf Mental Health erhöht die Einfallschancen für derartig missbräuchliche Unterstellungen.

Wie so oft, könnte die deutsche Gesetzgebung als Vorbild genommen werden, wo am 7. Mai 2020 im Deutschen Bundestag ein Verbot von sogenannten Konversions­therapien als „wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexuali­tät hadern“ beschlossen und das begleitende Gesetz bereits am 12. Juni 2020 erlassen wurde (6). Derartiges Tempo bei der Umsetzung wird sich wohl nicht mehr ausgehen, doch die ausgearbeiteten Gesetzesvorlagen könnten endlich dem


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Parlament zur Beschlussfassung zugeleitet werden. Denn noch immer gibt es Grup­pen und Organisationen, die die Überzeugung vertreten und verbreiten, nicht heterosexuelle Orientierungen (z.B. Homo- oder Bisexualität) seien eine „Krankheit“ und behandlungsbedürftig. Sie bieten sogenannte Konversionstherapien an, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperli­ches und seelisches Leid. Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende ge­sundheitliche Schäden durch solche „Therapien“ wie Depressionen, Angst­erkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem auch Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.

Es gilt daher nach wie vor, zumindest die einstimmige Entschließung des Nationalrats vom 16. Juni 2021 umzusetzen, um unverzüglich den notwendigen, angemesse­nen und vollständigen Schutz von Minderjährigen vor solchen sog. Konversions- und vergleichbaren "reparativen Therapieformen" zu garantieren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird erneut auf­gefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der die Ausübung von Konversions- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen verboten wird."

1.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVI/E/82?selectedStage=105

2.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/12490

3.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/1497

4.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/594


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5.    https://www.derstandard.at/story/2000118968091/jung-laessig-aber-bitte-nicht-schwul

6.    https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6255094/Heilung-von-Homosexualitaet_Wie-eine-Grazer-Einrichtung

7.    https:// www.bundesgesundheitsministerium.de/
konversionstherapienverbot.html

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Eßl: Was sagt der dazu?)


19.47.20

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren! Wie wir gehört haben, will die SPÖ mit die­sem Antrag einen umfassenden Aktionsplan für die Gewährleistung flächende­ckender Bildungsangebote im Bereich der Sexualpädagogik, abgesehen da­von, dass es, wie wir auch schon vernommen haben, einen Erlass des Bundesmi­nisteriums in dieser Frage gibt, der den gegenständlichen Antrag obsolet macht, und abgesehen davon, dass unser Bildungssystem einen generellen Ak­tionsplan bräuchte, weil die Baustellen in Zahl, in Größe, in Masse immer mehr werden, nämlich vom hausgemachten Lehrermangel über existierende Sprachdefizite in den Schulen, die latente Gefahr eines generell sinkenden Bildungsniveaus, Bildungslücken und Bildungsdefizite, die in den vergangenen Jahren deswegen entstanden sind, weil die schwarz-grüne Bundesregierung eine völlig verfehlte Coronapolitik und völlig verfehlte Coronamaßnahmen ins Leben gerufen hat.

Es gibt einen unglaublich überbordenden Verwaltungsaufwand bei den Pädago­ginnen und Pädagogen, mangelnde Gewaltprävention an unseren Schulen.


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Auch darum wird sich viel zu wenig gekümmert. Für all diese Punkte bräuchte es einen Aktionsplan, einen groß angelegten Aktionsplan. Aber einen Aktions­plan dafür, dass schulfremde Personen und Vereine an unseren Schulen unter­richten können – denn genau das ist ja das Hauptanliegen des Antrages der SPÖ –, genau das wollen wir als Freiheitliche nicht. Wir unterstützen diesen Antrag daher auch nicht (Beifall bei der FPÖ – Abg. Lindner: Wer soll das denn dann sonst machen?), im Gegensatz zur ÖVP, die da in gewohnter Manier wieder umgefallen ist.

Im Jahr 2019 hat es hier einen Antrag gegeben, der auch von der Österreichi­schen Volkspartei angenommen wurde, in dem dezidiert gefordert wurde, dass wir keine schulfremden Personen und Vereine mehr an unseren Schulen haben wollen.

Darüber hinaus dient dieser Antrag auch dazu, dass Sie Ihre – vermeintliche – Community bedienen können. Ich darf zitieren – Kollege Leichtfried heute beim Dringlichen Antrag –: Sie spielen mit einem Thema, und das ist in Wirklichkeit das Unehrliche, das Sie an den Tag legen. Diese Bedienung eines Wählersegments, mit dem Sie glauben, hier punkten zu können, ist wie gesagt das Unehrliche.

Hohes Haus, für uns als Freiheitliche steht fest, dass eine ideologiefreie Sexual­erziehung am besten durch an der Schule wirkende Pädagoginnen und Pädagogen gewährleistet und sichergestellt werden kann. Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder und unsere Jugendlichen die besten Bedingungen an den Schulen vorfinden. (Abg. Heinisch-Hosek: Dafür brau­chen sie Sexualbildung von außen!)

Es ist Aufgabe der Schule, es ist Aufgabe vor allem aber auch der Familien, dass wir unsere Kinder beim Erwachsenwerden begleiten, dass wir ihnen helfen, dass wir sie schützen, dass wir ihnen Traditionen und Werte vermitteln, genauso wie Zusammenhalt, gesellschaftlichen Zusammenhalt, Sicherheit, Pflichtbe­wusstsein, Geborgenheit und Verantwortung. All das muss da geschehen, all das


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müssen wir unseren Kindern zukommen lassen – und dafür stehen wir Frei­heitliche auch. (Beifall bei der FPÖ.)

19.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.50.55

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Heute ist der sogenannte Zero-Discrimination-Day. Diskriminierung erfolgt, wie Sie wissen werden, aufgrund der Herkunft, aufgrund des Geschlechts, aufgrund von Alter, Religion, aber ja, auch aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.

Noch immer gibt es in 64 UN-Mitgliedstaaten ein Verbot von gleichgeschlecht­licher Liebe und in 20 gar eine Kriminalisierung von Transpersonen. All das ist nicht so weit von Österreich weg. Noch vor 50 Jahren ist man als Homose­xueller, als Homosexuelle unter Umständen in den Kerker gekommen, Werbung für gleichgeschlechtliche Unzucht war in Österreich bis 1996 verbo­ten. Das heißt, es ist zum Teil schändlich, dass wir im 21. Jahrhundert in Europa noch immer darüber diskutieren müssen, dass Menschen aufgrund ihrer Identität oder sexuellen Orientierung wie Menschen zweiter Klasse behan­delt werden. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie der Abg. Pfurtscheller.)

Und ja, da gibt es tatsächlich auch in Österreich noch einiges zu tun, wir arbeiten das auch Schritt für Schritt ab. Wichtig ist mir auch, zu sagen, dass sich alle Beschlüsse, die hier im Parlament gefasst worden sind, nicht nur in Umsetzung befinden, sondern es konkrete Vorschläge dazu gibt und wir deshalb, wenn es auch natürlich manchmal ein Marathon ist, nicht nur in der Zielgeraden sind, sondern es bald auch ein Finale geben wird, vor allem beim Verbot der Konversionstherapie. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Lindner.)


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Wir reden aber jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt eigentlich über die Akkreditierungsverfahren, die wir Qualitätssicherungsverfahren nennen. Und ja, es steht außer Frage, es braucht Qualität, es braucht wissenschaftliche Standards, es braucht ein zeitgemäßes, fortschrittliches Verständnis von Sexual­pädagogik. Natürlich muss sichergestellt werden, dass sexistische, diskri­minierende, homophobe, transphobe, Angst machende, vor allem den Jugendli­chen Angst machende Inhalte an Schulen keinen Platz haben dürfen. Das ist unser Ziel in der Politik und das ist das Ziel dieser Verordnung.

Weil gesagt worden ist, Teenstar kann dann noch immer behaupten, Homo­sexualität sei eine Krankheit: Nein, so ein Verein wird in Zukunft diesen Qualitätskriterien nicht standhalten können. Alle Vereine, die künftig an Schulen tätig sein wollen, müssen dieses Verfahren durchlaufen, müssen von einem Expertenboard begutachtet werden. Die Maßstäbe, mit denen wir hier arbeiten, orientieren sich an den europäischen WHO-Standards oder aber auch am Unterrichtsprinzip zu Sexualpädagogik in Österreich.

Wenn Sie mir das nicht glauben: Ich zähle Ihnen auf, was diese Standards sind, die sicherstellen werden, dass solche Angst machenden Inhalte an Schulen nicht mehr unterrichtet und verbreitet werden dürfen. Es geht bei den Kriterien darum, dass Sexualpädagogik einen positiven Zugang zu Sexualität und zum eigenen Körper fördern soll. Ziel sind die Gleichheit der Geschlechter, eine gleichberechtigte Gesellschaft und gleichberechtigte Beziehungen. Es geht um die Achtung vor der Vielfalt der Geschlechter, der sexuellen Identitäten und natürlich auch der sexuellen Orientierung. Es geht darum, dass wir Jugend­lichen mitgeben, dass sie eigenständig und selbstbestimmt über ihren Körper be­stimmen können, dass wir sie durch sexualpädagogische Maßnahmen an Schulen oder Aufklärung empowern und dass die sexuelle Selbstbestimmung von Jugendlichen gefördert wird.

Es geht auch um die zwei wichtigsten Kriterien, die genau das verunmöglichen, was hier kritisiert worden ist: Bei diesen Vereinen, die sich bewerben, muss


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klargestellt werden, dass sie frei von jeglicher Diskriminierung arbeiten, und es gilt auch ein ausdrückliches Indoktrinierungsverbot.

Alles in allem: Es braucht Qualität, es braucht Standards – diese Verordnung gibt das her. In Zukunft werden Vereine, die irgendetwas anderes behaupten, an Schulen so etwas nicht mehr verbreiten können. – Vielen Dank und danke an al­le, die diese Verordnung möglich gemacht haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.55


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Mario Lindner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.55.42

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Was schon spannend ist, ist, dass sich von der Regierungsbank zu diesem wichtigen Thema wieder einmal niemand zu Wort gemeldet hat.

Liebe Ewa, ich habe dir ganz genau zugehört, und ich stimme deinen Ausführun­gen zu. Was mich jedoch wirklich verwirrt, ist Folgendes: Alles, was du sagst, ist richtig, aber alles, was du sagst, steht nicht in der Verordnung drinnen. (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic.) Alles, was du sagst, steht nicht in den Er­läuterungen zur Verordnung drinnen.

Weißt du, wo du das nachlesen kannst? – Lies dir die Beantwortung meiner An­frage noch einmal durch, nämlich das, was mir das Ministerium geantwortet hat! Kollegin Hamann von deiner Fraktion hat beim letzten Mal gesagt: Es steht eh alles in der Anfragebeantwortung an Abgeordneten Lindner drinnen. – Was heißt denn das jetzt? Sollen wir die Anfragebeantwortung jetzt an alle Schulen schicken, dass die Lehrerinnen und Lehrer und Direktoren drau­ßen wissen, was sie tun sollen? Also bitte schreib, was du sagst – was auch alles richtig ist – in die Verordnung rein! (Beifall bei der SPÖ.)


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Zu Kollegen Brückl: Worum bei einer qualitätsvollen sexuellen Bildung schon auch geht, ist, dass man Lebensrealitäten abbilden muss, auch im Schulbe­reich. Genau das macht ihr nicht, ihr vergesst immer eine Gruppe von Menschen, bei der wir von circa 10 Prozent reden. Wenn wir das auf Österreich umle­gen, dann reden wir von über 900 000 Menschen in diesem Land, und die sind euch einfach – nein, das darf ich jetzt nicht sagen – egal. Dafür sollte sich die FPÖ wirklich schämen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Marchetti. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.57.17

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Ich wende mich jetzt an alle Kolleginnen und Kollegen, die behaupten, an Lösungen interessiert zu sein. Ich habe es im Ausschuss genau erklärt: Wenn wir jetzt, wie ihr das sagt, die Stopptaste drücken, alle Vereine durch ein Akkreditierungsverfahren laufen lassen – das sind Hunderte –, dann steht die komplette Sexualpädagogik mindestens für zwei Jahre (Abg. Heinisch-Hosek: Seit fünf Jahren ...!), und ich bin gespannt, wie ihr das dann den Vereinen, die ihr unterstützen wollt, erklären wollt. (Abg. Lindner: Seit 2018 reden wir drüber!)

Es ist ein ganz, ganz seriöses System, dass jeder diese Richtlinien, die jetzt klar sind – die Kollegin hat es gesagt –, die Richtlinien der WHO, den Grund­satzerlass Sexualpädagogik erfüllen muss. Das müssen diese Vereine auch be­stätigen, wenn sie sich registrieren, das heißt, es ist eine Falschangabe, eine Täuschung, wenn sie das falsch angeben. – Das wäre einmal der erste Punkt.

Zweitens wird das an der Schule kontrolliert, es wird immer eine Lehrkraft dabei sein, die die Aufsichtspflicht hat. Wenn irgendetwas nicht eingehalten wird, wird das sofort eingemeldet, von der Kommission überprüft und dieser Verein wird gesperrt. Das ist eine seriöse Vorgehensweise. Dieses Sand-in-die-


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Augen-Streuen, nur damit man billige Punkte macht, ist wirklich überhaupt nicht der Sache dienlich. Und dass ihr das dann noch unter diesem Deckmantel so darstellt, finde ich unerträglich. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Lindner: Seit 2018 wissen wir es!)

19.58


19.58.30

Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf Herrn Bundesminister Mag. Gerhard Karner zur abendlichen Debatte herzlich begrüßen.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungs­ausschusses, seinen Bericht 1931 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „endlich qualitätsvolle sexuelle Bildung garantieren“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversions­therapien stoppen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 423

19.59.328. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung (3116/A)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für innere Angelegenheiten eine Frist zur Berichterstattung bis 27. Februar 2023 gesetzt.

Ein Wunsch auf eine mündliche Berichterstattung im Sinne des § 44 Abs. 4 der Geschäftsordnung liegt nicht vor.

Zu Wort gelangt Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.00.20

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben es mit einem Antrag der Regierungsparteien zu tun, bei dem wieder Gelder verschenkt werden. Es ist ein sogenannter Teuerungsausgleich – zum x-ten Mal –, und jetzt geht es um die Quartiergeber von Asylunterkünften, die ja in Österreich aufgrund der verfehlten Asyl- und Zuwanderungspolitik dieser Bundesregierung sprichwörtlich wie die Schwammerln aus dem Boden schießen.

Besonders perfide ist aus meiner Sicht, dass dieser Antrag, in dem es jetzt immerhin einmal um zusätzliche 11 Millionen Euro für dieses System geht, nie im Innenausschuss besprochen wurde. Aufgrund eines Fristsetzungsantrages wird uns das hier auf den Tisch geknallt und soll zu später Stunde ohne große Öffentlichkeit verabschiedet werden.

Worum geht es denn konkret? – Die Bundesregierung begründet das damit, dass aufgrund der gestiegenen Gebäude- und Energiekosten die Quartierbetrei­ber – ob das jetzt private sind oder auch organisierte – höhere Kosten haben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 424

Unter der Teuerung, unter den höheren Energiekosten leiden und stöhnen die Österreicher ja insgesamt. Die Menschen können sich das Wohnen vielfach nicht leisten, sie können sich die Energiekosten, die Treibstoffe nicht leisten, sie können sich den täglichen Warenkorb, die Lebensmittel oftmals nicht leis­ten. Menschen überlegen schon, ob sie sich ein Packerl Milch oder zwei leisten können. Was macht die Regierung dagegen? – Nichts. Anstatt dass diese Bundesregierung hergeht und, so wie das andere Länder auch machen, wirksame Maßnahmen setzt, um die Teuerung ein bisschen in den Griff zu kriegen, geht sie her und verschenkt wiederum Millionen an Steuergeld an das nicht funk­tionierende, dysfunktionale Asylsystem, meine Damen und Herren.

Besonders interessant ist übrigens, dass die Gelder, die jetzt hier beschlossen werden, zusätzlich zu den vielen Millionen, die in der Grundversorgung schon ausgegeben werden, und zusätzlich zu den Milliarden, die uns das Asyl­system insgesamt kostet, sind. Kollege Kassegger wird dann noch Zahlen aus der Steiermark nennen. Da geht es um 1 Milliarde Euro alleine im Bereich des BMI und um viel, viel weiteres Steuergeld im Bildungswesen, im Ge­sundheitswesen, im Sozialsystem und so weiter und so fort.

Im Gesetzestext steht interessanterweise auch das Ziel dieser ganzen Maßnah­me – jetzt bitte ich ein bisschen um Aufmerksamkeit –: Ziel ist es, die Be­reitschaft zur Bereitstellung von Unterkünften aufrechtzuerhalten beziehungs­weise – und jetzt kommt es – „die notwendige Schaffung neuer Quartiere [...] zu unterstützen“. Das heißt, diese Bundesregierung rechnet mit einem weite­ren Anstieg der Asylzahlen und mit einem weiteren Bedarf an dement­sprechenden Unterkünften. Deshalb werden diese Geldgeschenke jetzt ge­macht. Das ist eigentlich eine Frechheit in Zeiten wie diesen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ein Schlag ins Gesicht der Österreicher, die fleißig arbeiten und nicht mehr über die Runden kommen, weil am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig bleibt, meine sehr geehrten Damen und Herren!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 425

Die ÖVP behauptet ja, obwohl sie da hineinschreibt, die Schaffung neuer Quar­tiere sei notwendig, dass wir angeblich einen starken Rückgang bei den Asylzahlen haben – 40 Prozent habe ich gelesen. Na bitte, das sind ja Fakenews allererster Güte, Herr Minister! Ich weiß ja nicht, mit welchen Zahlen Sie das verglichen haben, um auf diesen starken Rückgang zu kommen – mit dem Dezember, dem November? –, keine Ahnung, ich weiß es nicht.

Wenn man sich den Jänner anschaut – und der Jänner ist ja traditionell aufgrund der Witterung auch ein eher schwaches Monat, was die Zuwanderung betrifft, die spielt sich ja mehr im Hochsommer, im Herbst ab –, und ich habe mir das an­gesehen, so sieht man: Es gibt heuer, 2023 – und das sind Zahlen aus Ihrem Ressort, Herr Minister –, im Jänner 4 288 Asylanträge. Im Jänner des Vorjahres – und das ist ja der logische Vergleichszeitraum – gab es 3 349. Es sind also um 28 Prozent mehr als im Vorjahr.

Ich habe mir auch den Zehnjahresschnitt ausgerechnet, also den Mittelwert der Asylantragszahlen im Jänner der letzten zehn Jahre. Er liegt bei 2 740. (Abg. Krisper: Grundversorgung!) Das sind heuer im Jänner um 58 Prozent mehr Asylanträge als im Zehnjahresschnitt, und die ÖVP erzählt uns dann ein Märchen von einem starken Rückgang und einer Asylbremse, die angeblich wirkt. Das ist eine Schmähpartie, mehr ist das nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Krisper: Wie viele ...?) – Frau Kollegin Krisper, ich weiß nicht, warum Sie da jetzt die Regierung verteidigen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie überall bei den großen Themen machen das die Regierungsparteien im Ver­bund mit den NEOS, im Verbund mit der SPÖ. Das zeigt wieder: In diesem Land gibt es zwei politische Kräfte – die Freiheitliche Partei und alle anderen, die sogenannte Einheitspartei, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Was wir brauchen, sind nicht zusätzliche Millionen für das nicht funktionierende Asylsystem. Was wir brauchen, ist ein echter Grenzschutz, sind Push-backs, sind Rückführungen, sind Maßnahmen, um Österreich auch in der Sozialpolitik für die ungebetenen Gäste aus aller Herren Länder zu deattraktivieren.


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Ich werde einen Entschließungsantrag einbringen. Wir fordern das zwar schon lange, aber auf die Idee gebracht hat mich der Innenminister, denn – noch eine Zahl – im ersten Halbjahr 2022 sind 12 697 Asylverfahren letztinstanzlich negativ entschieden worden, Abschiebungen hat es aber nur 1 602 gege­ben. Es wird also nicht abgeschoben, auch nicht Leute, die per Gerichtsentscheid gar nicht mehr hier sein dürfen. Nach Afghanistan wird gar nicht abgeschoben.

Der Innenminister hat vor Kurzem in den Medien gesagt, er wünsche sich wieder Abschiebungen – auch nach Afghanistan und Syrien. Syrien ist eh klar, da gibt es kein Problem. Ich verstehe nicht, warum wir nicht nach Syrien abschie­ben. Googeln sie das einmal! Es gibt Reisebüros, die mittlerweile Urlaubs­reisen nach Damaskus vermitteln, und wenn man da Urlaub machen kann, ver­stehe ich nicht, warum wir nicht zumindest in den Großraum Damaskus abschieben können.

Was Afghanistan betrifft, stelle ich jetzt folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich dafür Sorge zu tragen, dass Abschiebungen nach Afghanistan wieder durchgeführt werden.“

*****

Meine Damen und Herren von der Regierungspartei, hören Sie auf, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, hören Sie auf, mit falschen Zahlen zu operieren und zu sagen, Sie hätten das Problem im Griff! Machen Sie end­lich eine ordentliche Asylpolitik und hören Sie auf, unsere Steuermillionen, die


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wir dringendst woanders brauchen, für dieses falsche und nicht funktionie­rende Asylsystem zu verschwenden, bei dem sich die Quartierbetreiber eine goldene Nase verdienen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Durchführung von Abschiebungen nach Afghanistan

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 8, Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über einen befristeten Kostenersatz des Bundes an die Länder für finanzielle Aufwendungen als Teuerungsausgleich im Rahmen der Grundversorgung (3116/A) in der 202. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 1. März 2023

Der ORF berichtete, dass Innenminister Karner über Afghanistan-Abschiebungen diskutieren will:1

Nach den Berichten über geplante Abschiebungen nach Afghanistan „aus innen­politischen Gründen“ hat nun Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) reagiert. Auf Puls 24 sagte er gestern, es sollte über Afghanistan-Abschiebungen diskutiert wer­den. Derzeit sei es „noch nicht möglich“. Karner verteidigte laut einer Vorausmeldung auf Puls 24 das Vorgehen von 2021. Er verstehe nicht, dass „etwas, das nicht zustande kommt, das nicht passiert ist, der große Skandal wäre“, wurde Karner zitiert. Immerhin sei der Flug gestoppt worden. „Wenn es Straftäter gibt, die abgescho­ben werden müssen, dann ist der politisch Verantwortliche dafür zuständig, dass das auch durchgeführt wird“, verteidigte er das Vorgehen.


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Karner würde gern darüber reden, wieder nach Afghanistan abzuschieben – er tue das auch mit Ministerkolleginnen und -kollegen. Man müsse aber vor allem da­rüber nachdenken, was man mit Anhängern der Taliban tue. Ebenso sollte über Abschiebungen nach Syrien nachgedacht werden.

Flug gestoppt - Hintergrund sind Berichte von „Falter“, WDR, NDR und „Süddeut­scher Zeitung“, wonach der frühere deutsche Innenminister Horst Seeho­fer (CSU) seinem früheren Amtskollegen, dem heutigen Bundeskanzler Karl Neham­mer (ÖVP), 2021 helfen wollte, ein Abschiebeflugzeug mit Afghanen nach Ka­bul zu chartern. Die Aktion sei in letzter Sekunde gestoppt worden. Anlass sei der Mord an einer 13-Jährigen in Wien − begangen durch drei Afghanen – gewesen.

Die Medien beriefen sich auf vertrauliche Dokumente, Depeschen, E-Mails, Botschaftsberichte und Korrespondenzen der deutschen Bundesregierung. So heißt es laut „Falter“ in einem Bericht der deutschen Botschaft in Wien, man habe An­fang August 2021, als Kabul schon längst unter Beschuss der Taliban war, „aus einem ÖVP-geführten Ressort“ gehört, „dass an eine demonstrative Abschiebung einer größeren Zahl von Afghanen per Charterflug gedacht werde, wobei damals eine Pro­vokation des grünen Koalitionspartners wohl bewusst in Kauf genommen wer­den sollte“. Nach dem Mord an der 13-jährigen Niederösterreicherin habe sich die Re­gierung in Wien unter enormem Druck gefühlt.

Nehammer verteidigte Vorgehen - Der deutsch-österreichische Abschiebeflug hätte am 3. August 2021 um 21.30 Uhr von München starten sollen, heißt es den Berichten zufolge weiters. An Bord waren demzufolge mehrere Straftäter – verurteilt zum Beispiel wegen gefährlicher Körperverletzung, sexueller Belästigung, Volksverhetzung, Diebstahl mit Waffen, Drogenmissbrauch –, aber nicht ausnahms­los „schwere Straftäter“, wie es die afghanische Regierung verlangt habe.

Zwei Afghanen aus Wien hätten gefehlt, einer davon R. A., dessen Abschiebung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gestoppt habe, so der „Falter“. Und das Flüchtlingsministerium in Kabul habe sein Veto eingelegt. Kurz darauf fiel Kabul in die Hände der Taliban.


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Nehammer erklärte in einer Stellungnahme auf Anfrage der APA zu den Vorwürfen: „Österreich hat von Beginn an klargestellt, dass Rückführungen nach Afghanis­tan so lange stattfinden werden, solange es rechtlich möglich ist. Das war kein Ge­heimnis und ist unzähligen öffentlichen Statements zu entnehmen.“

Die FPÖ ließ per Aussendung wissen, es sei bestürzend zu sehen, wie sehr die Politik der ÖVP einzig und allein darauf ausgerichtet sei, um in der Öffentlichkeit gut dazustehen. „Getürkte Umfragen, Message-Control – und, wie jetzt bekannt wurde, Showabschiebungen nur aus Angst vor der FPÖ. Das ist ein Armutszeugnis, was die ÖVP in diesem Land aufführt“, so FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz.

Es ist Zeit für einen nationalen Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg und wir nehmen die Bundesregierung und die SPÖ beim Wort, sagte doch auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch bereits am 1. Juli 2021: 2

Für die SPÖ ist vollkommen klar: Wer um Asyl ansucht, muss sich an Gesetze und Regeln halten. Wer unsere Gesetze missachtet, hat in Österreich keinen Platz und kein Recht auf Schutz.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich dafür Sorge zu tragen, dass Abschiebungen nach Afghanistan wieder durchgeführt werden.“

1     https://orf.at/stories/3297733/

2     https://orf.at/stories/3219431/

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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20.07.17

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon bemerkenswert, wenn mein Vorredner von der Freiheitlichen Partei zum Thema Grundversorgung spricht und kein einziges Mal - kein einziges Mal! – den Ukrainekrieg erwähnt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS so­wie des Abg. Bürstmayr.)

Lieber Herr Kollege Amesbauer, ich weiß nicht, ob dir bewusst ist, dass in der Grundversorgung in Österreich derzeit circa 56 000 Menschen aus der Ukraine untergebracht sind. Sie sind deswegen untergebracht, weil einer, dem Sie oft das positive Wort reden, nämlich ein gewisser Herr Putin, in der Ukraine einmar­schiert ist und dort die Leute massakriert. Deswegen sind die Menschen ge­flüchtet und sie sind auch zu uns geflüchtet, weil wir Nachbarn sind und weil wir uns dazu committet haben, sie aufzunehmen und ihnen eine Grundversor­gung anzubieten. Mit keinem einzigen Wort, Herr Amesbauer, hast du das er­wähnt. Das ist wirklich eine Schande der Sonderklasse für einen Parla­mentarier. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Schauen wir einmal ein bisschen in die Geschichte: Wann kam diese 15a-Ver­einbarung über die Grundversorgung zustande? – Das war kurioserweise im Jahr 2004. Wer hat damals regiert? – Es war Schwarz-Blau. Die schwarz-blaue Bundesregierung hat 2004 den Beschluss gefasst, mit den neun Bundesländern in Verhandlung zu treten, um eine Grundversorgung einzurichten und sie auch zu vereinheitlichen.

Ich darf vorlesen, wie es im Art. 1 Abs. 1 dieser Vereinbarung heißt: „Ziel der Vereinbarung ist die bundesweite Vereinheitlichung der Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die im Bundesgebiet sind“. – Diesen Passus haben die Freiheitlichen be­schlossen. Kurioserweise haben übrigens die Grünen nicht mitgestimmt, aber alle anderen im Parlament waren dafür. (Heiterkeit des Abg. Schwarz.)


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Diese Vereinbarung über die Grundversorgung hat bislang auch prinzipiell sehr gut funktioniert. Sie wurde dann jahrelang nicht angepasst. Erst im Jahr 2016, als ein großer Flüchtlingsstrom nach Europa kam und auch in Österreich sehr viele ihre Zuflucht gefunden haben, wurden die Tarife erstmals angepasst. Im vorigen Jahr, im Juli, haben wir dann nochmals die Tarife angepasst, weil natürlich die Teuerung beziehungsweise die Inflation insgesamt vorangeschritten ist.

Wir setzen uns aber natürlich zum Ziel, jene Menschen, die bei uns landen, die bei uns um Asyl ansuchen oder die als Vertriebene aus der Ukraine kommen, bestmöglich zu versorgen, so dass es auch menschenwürdig ist. Dazu bekennen wir uns auf jeden Fall.

Dieses Gesetz, das wir jetzt beschließen – es ist ein Gesetz mit nur vier Para­grafen –, hat zum Ziel, in dieser schwierigen Phase der Teuerung auch jenen Quartiergebern unter die Arme zu greifen, die Quartiere bereitstellen. Wenn es jetzt in den Erläuterungen heißt, wie du erwähnt hast, dass mög­licherweise zusätzliche Quartiere gebraucht werden: Ja, wir wissen nicht, wie es in der Ukraine weitergeht, aber ich denke, es sollte auch bei Ihnen Konsens sein, dass Menschen, die in unserer Nachbarschaft ihre Heimat verlassen müssen, bei uns entsprechend versorgt werden. Daher werden wir dieses Gesetz beschließen, nämlich dass es einen Teuerungsausgleich gibt, befristet für sechs Monate: 50 Euro für private Unterkünfte bei Unterbringung einer Einzel­person, 100 Euro bei Unterbringung einer Familie pro Monat, befristet bis zum Ende dieses Monats, rückwirkend ab Oktober.

Vielleicht noch zu den Zahlen: Derzeit sind 91 000 Menschen in Österreich in der Grundversorgung. Es waren zu Beginn des Jahres sogar 93 000. Warum gibt es weniger? – Das hat zwei mögliche Gründe: erstens weil die Asylantragszahlen tatsächlich zurückgehen – danke, Herr Minister, für alle Bemühungen in verschiedenen Ländern, zuletzt auch in Marokko, zu versuchen, Abkommen zu schließen –, und zweitens weil es auch hoffentlich zunehmend gelingt, dass Menschen aus der Ukraine, die in der Grundversorgung sind, am Arbeitsmarkt


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bei uns Fuß fassen und damit die Grundversorgung verlassen können. Es gibt jetzt 2 000 Menschen weniger in der Grundversorgung als noch zu Beginn dieses Jahres.

Mit diesem Gesetz wollen wir klarstellen, dass wir die Quartiergeber – die Länder, aber indirekt die Quartiergeber – unterstützen, wenn sie bereit sind, Quartiere für jene Menschen, die vertrieben worden sind oder die bei uns um Asyl ansuchen oder die nicht abgeschoben werden können, zur Verfügung zu stellen, damit diese auch menschenwürdig untergebracht sind. Dazu stehen wir als Republik Österreich und dafür beschließen wir jetzt auch diese Gesetzes­novelle. Ich bin froh, dass zumindest vier der fünf Parteien diesen Konsens pflegen. Es wäre sehr schön, wenn Sie von der FPÖ – und Herr Kassegger, der jetzt dann auch ans Rednerpult kommt – zumindest diesen Grundkonsens herstellen, dass jene Menschen aus unserer Nachbarschaft, die zu uns vertrieben werden, auch dementsprechend versorgt werden. Darum würde ich wirklich herzlich bitten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischen­ruf des Abg. Amesbauer.)

20.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt MMMag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.12.22

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Kollege Gödl, mit diesem Konsens können wir nicht dienen. Ich werde auch versu­chen, Ihnen argumentativ darzulegen, warum die Freiheitliche Partei bei diesem Antrag nicht mitgeht und dem Antrag nicht zustimmen wird.

Ich möchte gleich ein Wort aufgreifen, das Sie in Ihrer Rede erwähnt haben, re­plizierend auf die Grundversorgungsvereinbarung, die, wie Sie gesagt ha­ben, 2004 von FPÖ und ÖVP, also Schwarz-Blau, beschlossen wurde, eben mit dem Ziel – das ist das entscheidende Wort –, einen „vorübergehenden“ Schutz beziehungsweise eine Finanzierung dieses „vorübergehenden“ Zustands


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sicherzustellen. (Abg. Gödl: Ja!) Dazu stehen wir, dazu standen wir und dazu werden wir auch stehen.

Von vorübergehend kann ja aber keine Rede sein, wenn Sie sich die Begründung im besonderen Teil durchlesen, und das habe ich gemacht. Ich zitiere: „Die private Unterbringung ist eine wesentliche Säule der Landesgrundversorgung“ – und so weiter und so fort –, „mehrheitlich in privaten, kleinstrukturierten Quartieren untergebracht, was eine rasche Integration ermöglicht.“

Also, ich weiß nicht, ich kenne mich nicht mehr aus: Sind wir jetzt nicht in der Phase, in der für den Asylwerber beurteilt wird, ob Asyl gewährt wird oder nicht?! Dann geht sich das aber logisch-argumentativ nicht mit Ihrem of­fensichtlichen Ziel, eine rasche Integration zu erzielen, aus. Da kann man ja nicht von vorübergehend reden – und das ist ja genau das Problem. Es ist eben keine vorübergehende Sache, sondern – offensichtlich von Ihnen auch gewünscht – ein Dauerzustand. Das ist schon der erste Punkt, warum wir nicht mitkönnen.

Der zweite Punkt, warum wir nicht mitkönnen, steht schon im nächsten Absatz, und zwar ist der Kostendruck da. Herr Kollege Amesbauer hat es ja schon gesagt: gestiegene Gebäudekosten, Energiekosten und so weiter und so fort.

Sie lösen aber das Problem nicht. Selbstverständlich gibt es eine Inflation, selbst­verständlich sind diese Sanktionen, die Sie im Einklang mit der Europäi­schen Union im Rahmen des Ukraine-Russland-Krieges jetzt noch ausbauen – ein zehntes Paket –, ursächlich, teilursächlich für diese Preisentwicklung. Sie lösen aber wieder keine Probleme, sondern verteilen mit der Gießkanne Steuergelder. Kollege Amesbauer hat es schon gesagt: 11,5 Millionen Euro zusätzlich sind ja nicht viel, die kommen aber zu den grundsätzlichen 65 Millionen Euro dazu, die alleine in meinem Heimatbundesland Steiermark für diesen Bereich ausgegeben werden. Hannes Amesbauer hat es schon gesagt: alleine im BMI ist es 1 Milliarde Euro.


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Also, das entwickelt sich ja. Ich würde nicht sagen: Fass ohne Boden, aber das sind ganz, ganz beträchtliche Beträge. Auf der anderen Seite ist für die eige­nen Leute kein Geld da beziehungsweise ist das Geld, das Sie zuschießen, auch wieder auf Pump. Das zahlen wir uns doch auch alles selbst. Das heißt, Ihre Politik ist von der strategischen Ausrichtung her eben nicht als eine Politik im Interesse der eigenen Bevölkerung, insbesondere der nicht so privilegierten Bevölkerung, ausgestaltet. Auch aus diesem Grund können wir nicht mitgehen.

Kollege Amesbauer hat es auch schon gesagt: Sie rechnen ja mit noch höheren Zahlen, wenn Sie sagen: „notwendige Schaffung neuer Quartiere“. – Sie sind also nicht in der Lage - - (Abg. Gödl: Putin lässt grüßen!) –Jetzt hör einmal mit dem Putin-Blödsinn auf! (Abg. Gödl: Ja sicher, Putin lässt grüßen! Euer Freund!) Also, wenn euch sonst nichts mehr einfällt, bin ich beruhigt, denn dann habt ihr überhaupt keine Argumente, sondern nur: Putin, Putin, Putin! – Das wird schon langweilig. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Gödl: 60 000 ...!)

Das ist ein Totalversagen von Ihnen (Abg. Gödl: Putin-Freunde, es ist unglaublich! Die Putin-Versteher!), der Europäischen Union, der Eliten in Brüssel, der Eliten in der Bundesregierung, ein vollkommener Realitätsverlust, die eigenen kleinen Leute außer Augen lassend, eine vollkommen verfehlte – wir ha­ben es am Vormittag gehabt – Energiepolitik, die uns noch sehr, sehr teuer zu stehen kommen wird, eine vollkommen verfehlte Finanz- und Budgetpolitik, eine vollkommen verfehlte Sanktionspolitik und in Wahrheit auch ein Totalver­sagen in der Migrationspolitik. Sie lösen überhaupt keine Probleme. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Brückl.)

Da muss man halt einmal grundsätzlich überlegen, welche Pullfaktoren es gibt, welche Signale Sie und die Europäische Kommission in die Welt senden, nämlich jene: Kommt zu uns und ihr kommt in die Grundversorgung, ihr kriegt Geld et cetera! – Das sind doch nicht die richtigen Signale.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 435

Der EU-Außengrenzschutz, Frontex sind ein Dauerthema: Wollen Sie mit 1 500, 2 000 Frontex-Leuten eine EU-Außengrenze von ein paar Tausend Kilome­tern schützen? Das sagt einem ja der Hausverstand, dass das absolut unmöglich ist.

Schengen war jetzt ein Thema, Kollegen vom rumänischen außenpolitischen Ausschuss haben uns gestern im Parlament besucht. Zu Schengen sagen Sie sogar selbst: Schengen funktioniert nicht, das muss dringend reformiert wer­den, aber es ist alles so schwierig in der EU und wir können die anderen nicht überzeugen!

Jetzt frage ich Sie: Wer hat denn Schengen gemacht? – Das waren ja auch wie­der Sie, also das ist ja auch keine Lösung. Bei Schengen möchte ich schon auch einen Satz zu Bundeskanzler Nehammer sagen. Seine Glaubwürdigkeit hat er ja in Österreich schon stark verloren, aber jetzt ist er gerade dabei, auch international seine Glaubwürdigkeit und damit die der Republik Österreich aufs Spiel zu setzen, nämlich seine Glaubwürdigkeit im Zusammenhang mit sei­ner Äußerung, Rumänien und Bulgarien werden jetzt nicht in den Schengenraum aufgenommen. Das sagt er, nachdem er davor ungefähr 20 Mal gesagt hat: ja, Rumänien, Bulgarien, kein Problem, Österreich ist offen. – Die rumänische Delegation, die gestern bei uns war, war über dieses Vorgehen entsetzt. Das ist also ein außenpolitischer diplomatischer Fauxpas der Sonderklasse, der nicht nur die Glaubwürdigkeit unseres Bundeskanzlers, sondern in Wahr­heit die der ganzen Republik Österreich im internationalen Kontext schwerstens beschädigt.

Es ist aber schon ein Signal gesendet worden, und das werden wir uns als Freiheitliche genau anschauen. Es gibt jetzt einen Pfad, um zu eruieren, ob man Rumänien vielleicht doch in den Schengenraum mitintegrieren sollte. Wir werden uns anschauen, ob der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung noch 20 Mal sagen: kein Problem – jetzt nein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 436

Ein Schelm, der da einen Zusammenhang mit Landtagswahlen et cetera sieht, der sozusagen meint, der Bundeskanzler mache den harten Maxi, intern, nicht berücksichtigend, was das für ein diplomatischer Schaden ist. Kollege Lopatka, du warst ja dabei, du kennst die Aussagen der rumänischen Delegation: Das war eigentlich nicht sehr respektvoll einem ganzen Land gegenüber.

Wir werden sehen, ob er wieder eine Kehrtwendung macht und es im Jahr 2023 dann doch möglich sein wird. Glaubwürdigkeit schaut anders aus. Ich hoffe, ich habe jetzt einigermaßen gut erläutert, warum wir nicht mitgehen können – ohne Putin. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Bürstmayr: Ja, es ist sehr deutlich ge­worden! Unmissverständlich!)

20.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf Frau Bundesministerin Edtstadler herzlich bei der Debatte willkommen heißen und bitte Ing. Reinhold Einwallner ans Rednerpult. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.19.37

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Kassegger, ich versuche jetzt wieder ein bisschen, zum ursprünglichen Antrag und zum Thema, um das es eigentlich geht, zurückzukommen. Es geht um eine aus meiner Sicht sehr notwendige Maßnahme, die getroffen wird, damit man einen Teuerungsausgleich für jene schafft, die jetzt entsprechend gestiegene Energiekosten in der Grundversorgung haben. Dem muss man doch Rechnung tragen.

Da geht es um die Landesgrundversorgung, die von den Bundesländern organi­siert wird. Das sind dann dementsprechend – das wissen wir, ich kann es auch aus meinem Bundesland beschreiben – sehr kleingliedrige Unterkünfte, die oft von Privaten zur Verfügung gestellt werden. Eigentlich ist es das, was wir in der Grundversorgung wollen: dass wir keine Großquartiere haben, son­dern dass wir schauen, dass wir kleine, private Unterkunftgeber haben,


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wo dann in weiterer Folge, wenn es zu einem positiven Bescheid des Asylverfah­rens kommt, eine schnelle Integration möglich ist und das dementsprechend auch akzeptiert wird.

Kollege Gödl hat die Beträge schon genannt, um die es da geht. Es geht um 50 Euro für Einzelpersonen und um 100 Euro für Familien, die rücker­stattet werden. Das Einzige, das wir dabei sagen: Warum braucht es da diese Befristung? Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich glaube, die Teuerungsef­fekte werden auch darüber hinaus noch wirksam sein. Wenn wir gerade den privaten Unterkunftgebern nachhaltige Sicherheit geben wollen und wenn wir das haben wollen, dann macht diese Befristung aus meiner Sicht kei­nen Sinn. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir lösen damit aber natürlich nicht das grundsätzliche Problem. Wir lösen nicht das grundsätzliche Problem, wenn es darum geht, wie wir in Österreich ei­nen Verteilungsschlüssel schaffen, wie die Quotenerfüllung in den Bundeslän­dern ist. Das ist ein Problem, das wir mit diesem Antrag nicht lösen. Da werden wir uns schon noch etwas einfallen lassen müssen, denn es kann nicht sein, dass von neun Bundesländern nur zwei Bundesländer – Wien und Bur­genland – die Quote erfüllen.

Alle anderen tun es nicht und sind weit unter dieser Quotenerfüllung. Da wird es Maßnahmen und auch bundesgesetzliche Überlegungen brauchen, da dem­entsprechend vielleicht auch wieder etwas durchsetzen zu können, wenn die Bun­desländer es selbst nicht auf die Reihe bekommen oder selbst nicht genug Engagement an den Tag legen, Unterkünfte zu finden.

Das Problem, das wir aber grundsätzlich in diesem Bereich haben, ist – Herr Amesbauer und auch Sie, Herr Kassegger, haben es jetzt angesprochen, Sie sprechen ja die gesamte Asylproblematik an –, und davon bin ich felsenfest überzeugt, dass diese nicht mit nationalen Maßnahmen zu lösen ist, son­dern da braucht es internationale Maßnahmen, da braucht es europäische Lö­sungen. Diese brauchen wir ganz, ganz dringend. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 438

Da helfen auch keine Zahlenspielchen der FPÖ. Ich sage Ihnen jetzt einmal, wie die Zahlen in der Grundversorgung ausschauen. Es wurde bereits genannt: Derzeit haben wir gut 90 000 Personen in der Grundversorgung, 55 000 kom­men aus der Ukraine, die stehen, glaube ich, parteiübergreifend außer Diskussion, dann bleiben – wenn wir die ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger abziehen – 35 000 Personen übrig, die jetzt in der Grund­versorgung sind.

Weil Sie es ja so darstellen, als ob die FPÖ das Problem lösen könnte (Abg. Amesbauer: Was heißt „könnte“?): Nein, ihr könnt es nicht. Ihr habt unter Kickl be­wiesen, dass ihr es nicht könnt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Amesbauer: Schau dir die Zahlen an!) Als Kickl Innenminister war, wie hoch waren da die Zah­len in der Grundversorgung? Wie hoch waren die Zahlen in der Grundver­sorgung? – 62 000 Menschen waren in der Grundversorgung. Also tut nicht im­mer so, als würdet ihr ein Problem lösen können! (Abg. Amesbauer: Wir haben sozialistische Politik aufarbeiten müssen, so schaut’s aus!) Ihr könnt es na­türlich nicht, denn das Problem kann man nicht national lösen, das Problem kann man nur europäisch lösen – und das müssen wir angehen.

Meine Damen und Herren! Eines sage ich Ihnen auch – weil wir heute hier ste­hen –: Letzte Woche hat sich wieder eine humanitäre Katastrophe im Mit­telmeer ereignet, und die Europäische Union schaut leider zu. Sie schaut leider zu! Im Mittelmeer sterben Tausende Menschen, tagtäglich passiert dort eine humanitäre Katastrophe, und die Europäische Union schafft es nicht, dieses Problem zu lösen. Ein Teil des Problems, Herr Bundesminister, ist natürlich auch die österreichische Bundesregierung, weil sie auf europäischer Ebene nicht auf Lösungen drängt, sondern auf der Bremse steht. Das ist das Problem, das wir tatsächlich haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen ein couragiertes, ein engagiertes Auftreten, dass wir endlich eine Lösung auf europäischer Ebene schaffen. Es braucht eben ein einheitliches
Asyl-und Migrationssystem für Europa, es braucht einen funktionieren­den Grenzschutz in Europa (Ruf bei der FPÖ: Das wird es nicht geben!) und es


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braucht Verfahrenszentren an den EU-Außengrenzen. Das sind Lösungsansätze, die wir brauchen, aber man kann da nicht mit nationalem Klein-Klein versu­chen, eine große Lösung zu erreichen. Meine Damen und Herren, so wird es nicht gehen.

Wir stimmen diesem Antrag zu. (Abg. Kassegger: Eh klar, Pseudoopposition!) Ich glaube, dass die Befristung falsch ist, aber die Maßnahme passt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.25


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.25.30

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte, ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Diejenigen, die in Österreich Tag für Tag dazu beitragen, dass Flüchtlinge gut untergebracht, betreut und integriert werden, das sind Dutzende große und kleine NGOs und Hilfsorganisationen, aber auch Zehntausende Menschen der sogenannten Zivilgesellschaft, sind doppelt von der momentanen Inflation betroffen, da ja nicht nur ihr eigenes Leben teurer wird, sondern eben auch für die aufgenommen Flüchtlinge mehr Geld aufgewendet werden muss.

Deshalb hat diese Koalition einen eigenen Inflationsausgleich für diese Gruppe auf den Weg gebracht. Es sind keine großen Summen, um die es geht: 50 Euro pro Monat für jene, die Geflüchtete bei sich privat aufgenommen haben, 100 Euro pro Monat, wenn das mehr als eine geflüchtete Person ist, 2 Euro pro Tag zusätzlich für die Betreuung in der sogenannten organisierten Grundver­sorgung, 4 Euro zusätzlich für die in Grundversorgung aufgenommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, und das befristet für sechs Monate, von Oktober bis Ende März.

Es war zu erwarten, wir haben es ja hier erlebt, dass die Freiheitliche Partei wie­der dagegen wettern wird und auf dem Rücken der Allerärmsten eine


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Neiddebatte entfachen wird, aber das ist mir ehrlich gesagt gleich, denn ich weiß, diese Maßnahme ist notwendig, weil sie Not abwendet.

Ich weiß aber auch: Ohne die unermüdliche Arbeit der Zivilgesellschaft und ihre Bereitschaft, dort einzuspringen, wo der Staat auslässt, hätten wir große Not. Denn es ist dem Staat, der Republik Österreich – die bisher ganz überwie­gend mit jungen männlichen, meist alleinstehenden Geflüchteten zu tun hatte – noch nicht gelungen, auf ein paar Besonderheiten ausreichend zu reagie­ren. Aus der Ukraine sind vor allem Frauen und Kinder zu uns gekommen. Die machen derzeit mehr als zwei Drittel der in Österreich aufhältigen Geflüch­teten aus. Frauen und Kinder brauchen viel mehr als Männer, zum Beispiel Hygieneartikel, Binden, Windeln – und das kostet.

Da springen tatsächlich immer noch kleine Organisationen und Private ein, weil es im bisherigen System einfach noch nicht abgebildet ist. Diesen Organisa­tionen und Einzelpersonen – stellvertretend darf ich hier Train of Hope und Tan­ja Maier nennen – möchte ich ausdrücklich danken. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Zu Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ, noch ein kurzes Wort: Sie ver­langen in einem Entschließungsantrag, dass Österreich Abschiebungen nach Afghanistan wieder durchführen möge (Abg. Amesbauer: Das hat der Herr Minister gefordert!), egal ob Männer oder Frauen, Sie differenzieren nicht einmal da­nach. Wissen Sie eigentlich, wer in Afghanistan seit anderthalb Jahren regiert? – Eine islamistische Terroristenbande, die von keinem vernünftigen Staat der Welt anerkannt wird. (Abg. Amesbauer: Das hat der Innenminister gefordert!) Mit die­ser Terroristenbande wollen Sie einen Vertrag über Abschiebungen schlie­ßen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. Ruf bei der FPÖ: Zuhö­ren!) Es ist jede einzelne afghanische Frau, die sich derzeit in Europa befin­det, asylberechtigt, weil sie verfolgungsgefährdet ist (Abg. Amesbauer: 85 Prozent Männer!), und die wollen Sie abschieben. – Danke! (Abg. Deimek: ... verdienen Sie an den Menschen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Ich sage Ihnen noch etwas: Sie haben nicht nur der Republik Österreich die un­verbrüchliche Treue gelobt und in diesem Haus 70 Anträge zugunsten der Russischen Föderation gestellt, sondern Sie verlangen seit Wochen und Mona­ten von diesem Pult aus auch, dass österreichische Beamte und Minister Gesetze brechen. (Abg. Deimek: Sie verdienen an den Menschen! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.) Sie haben die stete und volle Beobachtung der Ver­fassungsgesetze und aller anderen Gesetze gelobt. (Ruf bei der FPÖ: Horchen Sie sich einmal den Bundeskanzler an!) Sie brechen Ihren Eid! – Danke fürs Zuhö­ren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Dr.in Stephanie Krisper. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.30.01

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst einmal an Kollegen Amesbauer die traurige Nachricht: Der Rest abseits der FPÖ ist kei­ne Einheitspartei, denn wir unterstützen den Antrag nur deswegen, weil erbärmlich wenig immer noch mehr ist als nichts; aber zufrieden sind wir nicht.

Auch an die ÖVP eine Replik: Sie sehen vielleicht, wenn Sie Herrn Amesbauer zuhören, dass es völlig egal ist, wie human Sie mit Flüchtlingen umgehen, es wird Ihnen von der FPÖ, die den Antrag nicht einmal gelesen hat, sowieso ein Strick daraus gedreht. Sie glaubt, die Hilfe ist unbefristet – ist sie leider nicht, sie ist befristet, und dementsprechend geht sie uns nicht weit genug. Es ist kei­ne echte Hilfe, die durch diesen Antrag passiert.

Worum geht es eigentlich? Als der Aggressionskrieg Putins gegen die Ukraine ausgebrochen ist, waren wir in der Grundversorgung dysfunktional aufge­stellt, wir konnten als Staat nicht der Verpflichtung nachkommen, alle zu versor­gen. Sie, Herr Minister, haben sich eh schon sehr oft bei der Zivilbevölke-


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rung, die eingesprungen ist, bedankt. Ein Jahr nach dem Krieg ist es aber weiter­hin nötig, dass die privaten, sehr, sehr generösen Mitbürgerinnen und Mit­bürger aushelfen. Natürlich geht sich das bei vielen nicht mehr aus, insbesondere wegen der Inflation.

Was ich nun aber als wahrlich zynisch erachte, ist, nur befristete Hilfe zu ermöglichen; rückwirkend, Herr Kollege Amesbauer, und nur von Oktober bis März, weil ein Mietzuschuss von 330 Euro für eine ganze Familie wahrlich nicht Miete und Stromrechnung abdecken kann. Dementsprechend ist absehbar, dass sich auch nach dem Antrag die Situation, dass Private aushelfen, wo der Staat weiterhin versagt, nicht verbessern wird.

Wo Sie auch mit diesem Antrag helfen wollen, ist, dass die Quartiere bei unbe­gleiteten Kindern pro Tagsatz 4 Euro mehr erhalten sollen: statt 95 Euro 99 Euro, das aber auch nur rückwirkend von Oktober bis März. Das ist auch eine Farce, das motiviert nicht dazu, UMF-Quartiere weiterhin offen zu halten oder erst neu zu eröffnen. Wir wissen doch genau, dass gerade aus der Ukraine viele Kinder gekommen sind, auch unbegleitete aus Waisenhäusern, und da wahrlich Bedarf besteht, diese kindgerecht zu versorgen. Sie, Herr Minister, haben es zwar den anderen Flüchtlingskindern davor nicht versprochen, dass Sie helfen wollen, aber den ukrainischen Kindern und Frauen, Herr Minister, sehr wohl – und zu diesem Versprechen sollten Sie stehen.

Warum ist das Ganze so schwierig? Herr Kollege Amesbauer, jeder Cent, der dort investiert wird, bringt woanders eine Ersparnis – wenn Sie mir viel­leicht jetzt zuhören wollen! Die Länder erfüllen ihre Quote nicht, gerade die ÖVP-Länder, wenn es darum geht, aus den großen Bundesbetreuungs­einrichtungen Menschen zu übernehmen. Dort kostet aber jedes Monat 4 Mil­lionen Euro mehr, als wenn die Asylwerber in Bundesländerquartieren untergebracht wären, wo sie integriert und auch individueller versorgt werden könnten.


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Dementsprechend wäre es genau im Interesse des Steuerzahlers, der Steuer­zahlerin, wenn auf Bundesländerebene Quartiere öffnen und die Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler so entlastet werden; abgesehen davon, dass es für die Betroffenen kein Zustand ist, Monate und Jahre in Mehrstockbet­tenquartieren zu verbringen; das muss ich nicht weiter ausführen.

Von der Regierung heißt es aber, es würden noch weitere Maßnahmen überlegt werden, nach dieser seltsamen befristeten Aktion heute. Es gäbe bereits eine Schablone für zusätzliche Entlastungsmaßnahmen. Wann aber kommen diese? Ich wiederhole den Appell von Tag eins des Krieges: Sie haben ver­sprochen, Sie helfen wirklich. Entlasten Sie zumindest die Österreicherinnen und Österreicher, die helfen wollen, und alle Menschen, die bei uns generös ihre Türen geöffnet und ihre Sofas bereitgestellt haben! Diese befristete Aktion heute ist ein kleiner Schritt, und die FPÖ dreht Ihnen ohnehin aus allem einen Strick. Helfen Sie wirklich, stehen Sie dazu, lösen Sie Ihr Versprechen ein und zeigen Sie Anstand! – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.34


20.34.13

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den im Antrag 3116/A enthaltenen Gesetz­entwurf samt Titel und Eingang.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. –


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Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Durchfüh­rung von Abschiebungen nach Afghanistan“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

20.35.159. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Umsetzungsbericht 2022 zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus, vorgelegt von der Bundes­ministerin für EU und Verfassung (III-880/1950 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Gleich zu Beginn hat sich Frau Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler zu ei­ner Stellungnahme zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.


20.35.43

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Ich weiß, es ist für Minis­terinnen und Minister nicht üblich, sich am Beginn der Debatte als Erste zu melden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich tue das aber zum einen, weil Sie schon einen langen Tag hinter sich haben, und zum anderen, weil jetzt gera­de eine Abstimmung war und ich hoffe, dass möglichst viele im Raum bleiben (Abg. Wurm: Ja! Ja!), denn es geht um ein sehr, sehr wichtiges Thema. Es geht um den Umsetzungsbericht 2022 zur Nationalen Strategie gegen Antisemitismus (den Bericht in die Höhe haltend), das ist der zweite Umsetzungsbericht, den ich


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vorlege. Der erste wurde nicht im Plenum diskutiert, und deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen, Ihnen diesen heute hier zu erläutern.

Ich möchte ein bisschen allgemeiner anfangen: mit Zahlen, Daten, Fakten. Der Antisemitismusbericht der IKG Wien hat für das erste Halbjahr 2022 einen Rückgang antisemitischer Vorfälle um rund ein Drittel gezeigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist erfreulich. Ja, das ist erfreulich, aber das ist keineswegs ein Grund, die Hände in den Schoß zu legen oder gar Entwarnung zu geben, denn jeder einzelne Vorfall ist ein Vorfall zu viel; und was ich besonders bedauere, ist, dass wir einen Anstieg von Vorfällen bei Jugendlichen sehen, wir einen Anstieg physischer Angriffe sehen. Dennoch möchte ich die Gelegenheit heute nützen, auch einen Blick zurückzuwerfen, denn ich habe schon das Gefühl, dass unsere Nationale Strategie gegen Antisemitismus einen Teil dazu beigetragen hat, dass wir über mehr Sensibilität verfügen und dass wir da auch einen Rückgang verzeichnen konnten.

Was ist passiert? – Wir haben im Jänner 2021 als einer der ersten Mitglied­staaten der Europäischen Union eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus mit 38 Maßnahmen vorgelegt, die in vielen verschiedenen Bereichen ganz konkret ansetzen, um Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Wir haben uns damit innerhalb der Europäischen Union als Taktgeber, als Vorrei­ter, als Impulsgeber positioniert. Mittlerweile gibt es zwar nicht in jedem Mitgliedstaat eine derartige Strategie, aber immerhin in 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und das ist schon ein Beleg dafür, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.

Ich möchte auch sagen, dass ich im September 2022 die Ehre hatte, den Staats­präsidenten Israels, Jitzchak Herzog, zu treffen und auch ihm diese Strate­gie vorgelegt habe; und ja, wir haben da noch viel zu tun, dass wir auch sagen, was wir hier in Österreich machen. Nachdem die dunkelsten Kapitel in der


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Geschichte lange Zeit nicht bearbeitet worden sind, sind wir jetzt tatsächlich an der Spitze, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen Antisemitismus zu treffen.

In den vergangenen Monaten – und ich möchte fast sagen: Jahren – ist wahnsinnig viel passiert. Wir haben nach wie vor viele Herausforderungen zu meistern, aber was trotzdem gelungen ist, ist, diese 38 Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie nicht nur anzugehen, sondern ich kann Ihnen heute doch auch mit ein bisschen Stolz sagen, dass wir 26 dieser Maßnahmen bereits zur Gänze umgesetzt haben und dass alle anderen Maßnahmen in Um­setzung sind, also dass zumindest damit begonnen worden ist.

An dieser Stelle möchte ich mich auch einmal bei meinem Haus bedanken, insbe­sondere beim Leiter der Stabsstelle, Dr. Antonio Martino, aber auch bei meinem Team im Kabinett – Leo Czernin ist heute hier anwesend –, die wirklich unermüdlich mit allen Ressorts zusammenarbeiten, um das zusammenzu­bringen. Das ist viel Arbeit, und da ist auch viel passiert. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Bayr.)

Schlagwortartig möchte ich ein paar Meilensteine nennen: Im Jahr 2021 haben wir das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz einstimmig – haben Sie das einstimmig in diesem Haus – beschlossen; eine Förderung von 4 Millionen Euro jährlich für die IKG, rückwirkend ab 2020 – für aktives jüdisches Leben als wichtigstes Mittel im Kampf gegen Antisemitismus.

Wir haben Schulungs-, Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen in zahlreichen Ministerien, bei Sicherheitsbehörden, bei der Justiz und beim Bundesheer gesetzt, und wir haben ganz allgemein die Sensibilität erhöht.

Ein ganz besonderes Highlight war für mich aber die Eröffnung der Shoah-Namensmauern im Ostarrichi-Park am 9. November 2021, wo auch der Initiator Kurt Tutter, ein Überlebender der Schoah, persönlich anwesend war, der rund 20 Jahre für die Verwirklichung dieses Projektes gekämpft hat. Dieser Ort


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ist mittlerweile nicht nur ein lebendiger Ort des Gedenkens für die Nach­fahren von ermordeten Jüdinnen und Juden, sondern auch ein Ort, wo Schülerinnen und Schüler hinkommen. Wenn Sie jemals die Zeit haben, dort hinzugehen, was ich Ihnen sehr anrate, dann werden Sie dort Kerzen, Steine und andere Dinge sehen, die von Besucherinnen und Besuchern nieder­gelegt werden.

Im Jahr 2022 haben wir dann das Motto der Vernetzung als unseren Arbeits­auftrag genommen. Wir haben das Nationale Forum gegen Antisemitismus gegründet, eine Plattform, wo Bund, Länder, Gemeinden, Sozialpartner, Vereine, Museen und staatliche wie zivilgesellschaftliche Institutionen sich einmal im Jahr austauschen, aber darüber hinaus natürlich in Kontakt gekommen sind und auch immer wieder schauen, ob die Maßnahmen wirken, die wir in diese Strategie geschrieben haben.

Wir haben die European Conference on Antisemitisms initiiert und dort auch die Wiener Deklaration aufgelegt, wo es darum geht, in der Europäischen Union besser zusammenzuarbeiten, wenn es um die Erfassung antisemitischer Vorfälle und gleiche Parameter geht, damit wir auch tatsächlich eine Grundlage haben, um einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Mitgliedstaaten ziehen zu können. Diese Vergleichbarkeit der Daten ist hoffentlich bald gewährleistet. Elf Mitgliedstaaten haben jedenfalls diese Wiener Deklaration unterschrieben. Wir werden auch jährlich eine European Conference abhalten, zu der wir die jeweiligen Special Envoys aus den Mitgliedstaaten einladen.

Sie haben sicher auch in Erinnerung, dass ich gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadić den Arbeitsgruppenbericht zur Novellierung des Verbotsge­setzes präsentiert habe.

Die Klangwelten Kanzleramt, eine Konzert-, Kulturveranstaltungsreihe, viermal pro Jahr im Bundeskanzleramt, kann man wohl nach dreimaligem Stattfinden jetzt schon als etabliert bezeichnen. Wir haben das erste Jahr diese Klangwelten Kanzleramt unter das Motto Jüdisches Leben vor den Vorhang holen gestellt und werden in Kürze die vierte Veranstaltung abhalten.


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Warum machen wir das? – Weil der beste Kampf gegen Antisemitismus ein pulsierendes, blühendes jüdisches Leben mitten in unserer Gesellschaft ist. Das ist mein Ziel, und dafür werde ich kämpfen, denn eines dürfen wir nicht ver­gessen: Wir werden immer weniger Überlebende haben, die in der Lage sind, auch der jüngeren Generation authentisch von ihren Erlebnissen zu berich­ten. Daher braucht es auch Kreativität, wenn es darum geht, wie wir die Generationen jetzt und auch danach über diese dunkelsten Kapitel informieren und wie wir daraus lernen und in eine bessere Zukunft gehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme damit zum Schluss und möchte festhalten: So gut diese Strategie auch ist, so wichtig auch die Umsetzung dieser Maßnahmen ist, so sehr kann es nicht ein gesamtgesell­schaftliches Ändern der Einstellung ersetzen. Es gilt für jeden Einzelnen und jede Einzelne in dieser Gesellschaft, aufzustehen, wenn Antisemitismus irgendwo spürbar wird, ruchbar wird, wenn ein blöder Witz erzählt wird, aufzustehen, da­gegen anzukämpfen, es auch sichtbar zu machen. Ich habe die Vision von einer Gesellschaft frei von Antisemitismus. Das ist ein erster Schritt, aber nur ge­meinsam können wir dieses Ziel erreichen. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Mitarbeit. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.44.04

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Vielen Dank für diesen Bericht, dem man ja fast gar nichts hinzufügen kann. Was ich sagen möchte, ist ein herzlicher Dank für das Engagement. Ich darf das wirklich sagen, es ist beeindruckend. Ich glaube, du persönlich und die Regierung insgesamt haben wohl mehr in Österreich für jüdisches Leben, für den Kampf gegen Antisemitismus getan als je ein Minister oder eine Regierung zuvor. Dafür


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ein herzliches Dankeschön. Ich glaube, man könnte fast sagen, es ist ein historisches Verdienst, das da hinzukommt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Ich möchte einfach nur zwei, drei Gedanken noch dazu geben. Ich finde es ganz besonders wichtig, dass wir dabei auch nicht auf irgendeinem Auge blind sind, dass wir gegen jede Form des Antisemitismus kämpfen und das auch so aussprechen. Ich halte das für ganz wichtig. Auch das geschieht.

Ich finde es auch ganz wichtig, dass wir uns da nicht nur auf nationaler Ebene, sondern eben auch auf EU-Ebene einsetzen. Frau Ministerin, du hast es erwähnt, dass auch die Vergleichbarkeit der Zahlen so besonders wichtig ist, was den Antisemitismus und antisemitische Vorfälle betrifft. Das ist auch etwas, was mich schon sehr viele Jahre beschäftigt hat. Ich finde das auch ganz wichtig.

Insgesamt finde ich es auch sehr wichtig, dass wir uns nicht nur auf den Kampf gegen Antisemitismus beschränken, sondern eben auch, wie du das mehr­mals gesagt hast, auf den Erhalt und die Förderung jüdischen Lebens hinwirken. Ein früherer Präsident der jüdischen Gemeinde hat einmal zu einem Bundes­kanzler gesagt: Wissen Sie, wenn Sie wissen wollen, wie es einem Land geht, dann schauen Sie sich an, wie es der jüdischen Gemeinde geht! Ich glaube, das war ein sehr kluges Wort. Ich glaube, der jüdischen Gemeinde geht es heute in Österreich sehr, sehr gut, ich glaube, besser als je zuvor. Sie ist gut aus­gestattet, hat die volle Unterstützung der Regierung und von dir als Minis­terin. In dem Sinne, glaube ich, können wir wirklich von einem guten Bericht und von einer guten Zeit sprechen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

20.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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20.46.38

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Ich denke, wir wissen alle, wie wichtig wirklich starkes Auftreten gegen Antisemitismus ist, dass eine nationale Strategie gegen Antisemitismus weitergeführt werden muss und diese Strategie wahrscheinlich auch für die nächsten Jahre notwendig ist.

Es ist – und ich sage wirklich: leider – in der Zeit der Pandemie nicht besser, sondern schlimmer geworden. Antisemitische Taten und auch – Sie haben es er­wähnt, Frau Ministerin – insbesondere physische Angriffe haben zugenom­men und nicht abgenommen. Was mich wirklich entsetzt hat – und ich sage das ganz offen –, war, dass bei den Coronademonstrationen Judensterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“ getragen wurden und Zeichnungen mit dem Text „Impfen macht frei“ zu sehen waren. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, diese Verharmlosung ist brandgefährlich, und das sollte von allen von uns in diesem Parlament so gesehen werden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS. – Ruf bei den Grünen: Nicht überraschend, dass eine Fraktion nicht klatscht! – Ruf bei den Grünen: Welche wohl? – Abg. Fischer: Die auf einem Auge blind ist!)

Auch wenn jetzt die Fälle zumindest etwas zurückgehen, muss man auch berücksichtigen, dass das noch nicht so lange so gemessen wird, und daher, mei­ne ich, ist es unbedingt notwendig, weiter wachsam zu bleiben und viel­leicht noch wachsamer zu werden. Wenn Menschen angegriffen werden, wenn jüdische Einrichtungen bewacht werden müssen, dann ist das nicht nur ein Problem für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern dann ist das ein gemeinsames Problem von uns allen, wo wir uns stärker anstren­gen müssen, damit diese Dinge in Zukunft nicht mehr geschehen, denn das hat in Österreich keinen Platz, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)


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Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein Thema ansprechen, Frau Bundesministerin, von dem Sie wissen, dass es für mich ein wirklich großes An­liegen ist, und betreffend dieses ich Sie ersuche, weiterzumachen: Es ist auch inakzeptabel, dass im Jahr 2023 die posthume Aberkennung von Ehren­zeichen für NS-Verbrecher immer noch nicht möglich ist. Das ist wirklich absolut überfällig, und ich glaube, wir sollten gemeinsam raschest dafür sorgen, dass das bald möglich ist. – Herzlichen Dank, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

20.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Harald Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.49.55

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FPÖ lehnt – und sie hat das auch immer schon deutlich gemacht – Antisemitismus in jeder Form ab. Ich habe dazu ein sehr interessantes Buch von Raimund Fastenbauer, dem ehemaligen Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemein­de, der sich mit dem Thema sehr eingehend und sehr fundiert befasst hat, gelesen.

Er macht das sehr umfassend und stellt vollkommen klar, dass der Antisemitis­mus eben keine Einbahnstraße ist, sondern dass es den linken, den rech­ten und den des politischen Islam gibt und dass das zum Teil durch überborden­de Israelkritik oder Antizionismus oder wie auch immer man das auf der lin­ken Seite gerne nennt, verbrämt wird und dass es in Europa vor allem einen doch sehr deutlichen Schub durch die Zuwanderung von Muslimen beziehungsweise auch durch hier lebende Muslime, die durch Imame und durch Indoktrination noch radikalisiert worden sind, gegeben hat.

Da sollten wir nie vergessen, vor allem, wenn wir hier auch die politischen Diskussionen führen und immer auf andere zeigen und dabei oft auch die FPÖ


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kritisiert wird, dass wir in Wirklichkeit natürliche Verbündete sind, weil wir von Anfang an darauf hingewiesen haben, welche Entwicklung es nimmt, wenn man die Zuwanderung gerade aus dem muslimischen Raum – junge Männer, die kommen, die radikalisiert sind, und so weiter – einfach so gleiten lässt, aus ideologischer Verblendung, Gutmenschentum oder was auch immer die Augen verschließt und glaubt, man kann das wegreden. Das Problem ist vorhanden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben zuletzt dem Antisemitismusbericht und auch dem ursprünglichen Konzept aus dem einfachen Grund nicht zugestimmt, dass da ein paar Dinge hineingemischt worden sind, die mit dem Antisemitismus oder mit dem Kampf gegen den Antisemitismus nichts zu tun haben.

Das eine war so ein eigenartiges System, dass man bei Delikten ein Flag, also eine Markierung, für Hasskriminalität setzen sollte. Wir sind bekanntermaßen bei dem Thema Hasskriminalität schon sehr kritisch, weil das so ein Ausdruck ist, der in Wirklichkeit nichts Juristisches aussagt, und es daher sehr problematisch ist, wenn die Polizei da Anweisungen bekommt, irgendetwas zu markieren. – Das war das eine.

Das Zweite, das uns noch viel mehr gestört hat, war, dass immer wieder – das ist heute auch schon kurz angesprochen worden – dieser Konnex hergestellt wurde, dass die Coronademonstranten, die aus berechtigter Sorge und berech­tigter Kritik an den überbordenden und sinnlosen, evidenzbefreiten Maß­nahmen in der Coronazeit demonstrieren gegangen sind, als Antisemiten diskre­ditiert wurden. (Beifall bei der FPÖ.) Das haben wir immer wieder betont, und wir haben das daher als völlig fehlgeleitete Vermengung gesehen und es so empfunden, dass dieses berechtigte Vorgehen gegen Antisemitismus poli­tisch dazu missbraucht wurde, dass man im Windschatten andere Kritik anbrin­gen konnte.

Bei diesem Bericht, der heute vorgelegt wird, ist das nicht mehr der Fall. Das heißt, möglicherweise hat man auch auf unsere Kritik Rücksicht genommen, und


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daher überwiegt jetzt eindeutig das Positive, und wir stimmen daher heu­te dem Antisemitismusbericht zu und hoffen natürlich auch, dass er in Zukunft ohne diese politischen Verquickungen auskommt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.54.03

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! (Abg. Wurm: Freundlich bleiben! Freundlich bleiben! ...! – Abg. Leichtfried: Geh, Wurm, gib einmal eine Ruhe!) Der Bericht, von dem wir heu­te sprechen, behandelt unter anderem die Umsetzung der Nationalen Stra­tegie gegen Antisemitismus (einen Ausdruck der genannten Strategie in die Höhe hal­tend), wie sie Anfang 2021 beschlossen worden ist. Das ist ein ziemlich di­ckes Werk mit rund 150 Seiten geworden, mit mehreren ganz verschiedenen Ka­piteln: Bildung, Ausbildung und Forschung; Effektive Strafverfolgung; Sicher­heit und Schutz jüdischer Gemeinden, Gemeinschaften und Einrichtungen. – Es ist schlimm genug, dass das in Österreich überhaupt ein Kapitel sein muss, aber solange das so ist, wird besonders Österreich all seinen Verpflichtungen ge­genüber jüdischen Gemeinschaften und jüdischen Mitbürgerinnen und Mit­bürgern nachkommen.

Wichtig ist in diesem Bereich, dass auch ein gesellschaftlicher Ansatz gewählt wird. In diesem Bereich hat es in den letzten ein, zwei Jahren sehr, sehr viele Schritte gegeben, die gesetzt wurden: von der Errichtung einer Stabsstelle Österreichisch-Jüdisches Kulturerbe im Bundeskanzleramt über den Ankauf der noch vorhandenen Teile des KZ Gusen, eine Markierung für Hasskriminalität, sprich ein Ausweisen des Vorurteilsmotivs für Strafhandlungen, wie es nicht nur in der Strafverfolgung, sondern vor allen Dingen in der Prävention von gro­ßer Bedeutung ist, bis hin zur schon angesprochenen Eröffnung der Mauer des Gedenkens.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 454

Sie, Frau Bundesministerin, haben mehrfach angesprochen, dass solche Gedenk­einrichtungen auch deshalb wichtig sind, weil es zur schlimmsten Zeit des Antisemitismus, nämlich im Nationalsozialismus, Ziel der Nationalsozialisten war, jüdische Menschen nicht nur zu töten, sondern auch die Erinnerung an sie auszulöschen.

Ich weiß aus Gesprächen mit Mitgliedern der jüdischen Kultusgemeinde, wie wichtig es auch ihnen ist, dass wenigstens das den Nazis nicht gelungen ist, dass wenigstens dieser Triumph von uns verhindert wurde und auch weiter ver­hindert werden wird, denn wir werden gegen den Antisemitismus auch in zwei, auch in fünf Jahren noch angehen, noch kämpfen müssen.

Das ist ein Phänomen, das es nicht nur in Österreich, nicht nur in Mitteleuropa, sondern weltweit gibt. (Der Redner hält erneut den Ausdruck der zuvor erwähn­ten Strategie in die Höhe.) Ich würde nichts lieber tun, als heute von dieser Stelle aus zu verkünden: Wir sind mit der Umsetzung dieser Strategie fertig, es ist uns alles gelungen, es gibt keinen Antisemitismus mehr! Das ist aber nicht wahr, und solange das nicht so ist, werden wir alles dafür tun, dass wir ernsthaft sagen können: Nie wieder! – Danke fürs Zuhören. (Beifall bei den Grünen, bei Ab­geordneten der ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

20.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.58.22

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Fast 80 Jahre nach Ende des Holocaust müs­sen wir feststellen, dass Antisemitismus global nach wie vor ein seuchenhaftes Problem ist, das unsere Gesellschaft massiv bedroht. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass wir im Verfassungsausschuss entschieden haben, dass wir den Bericht 2022 über die Nationale Strategie gegen Antisemitismus hier im Plenum behandeln.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 455

Es muss uns allen hier im Hohen Haus bewusst sein, welche Verantwortung wir bei diesem Thema tragen, gerade in Österreich. Deshalb verstehe ich nicht ganz, Frau Bundesministerin, sosehr ich Ihr Engagement als wirklich glaubwürdig und fundiert empfinde, warum auch hier wieder die Spitzenstellung, die wir angeblich haben, betont werden muss. Gerade wir in Österreich brauchen das nicht zu betonen. Für uns in Österreich muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um diesem grauen­haften Phänomen des Antisemitismus beizukommen. Da ist noch viel zu tun.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, geschätzte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, aber mir begegnet viel zu oft immer noch dieser Alltagsanti­semitismus, gerade jetzt mit dem Krieg in der Ukraine, mit Staatspräsidenten Se­lenskyj, von dem bekannt ist, dass er Jude ist. Was das für Reaktionen aus­löst, am Stammtisch oder weiß Gott wo, wo man halt hinkommt – da läuft es ei­nem kalt über den Rücken und da fragt man sich: Haben wir in den letzten 80 Jahren wirklich nichts gelernt?

Da ist also noch wirklich viel zu tun und es ist sehr erfreulich, dass von den 38 Maßnahmen bereits ein Großteil umgesetzt ist beziehungsweise der Rest sich in Umsetzung befindet. Insbesondere bin ich schon sehr neugierig auf die Diskussion über die Reform des Verbotsgesetzes und erwarte mir, dass wir jetzt sehr bald einen Entwurf bekommen werden, damit wir auch da an den nöti­gen Schrauben drehen können.

Es geht aber auch darum, dass im Sinne der Zielsetzungen der Strategie, wie es im Bericht heißt, die Maßnahmen „ständig neu überdacht und erwei­tert werden“ müssen. Genau das ist es, und wir müssen Überlegungen anstellen, wie wir diese 38 Maßnahmen, die in der Strategie 2021 fixiert worden sind, weiterentwickeln, wie wir eben gerade zum Beispiel dem Problem dieses Alltagsantisemitismus beikommen.

Es gibt die Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde. Diese muss viel mehr propagiert werden. Es muss auch viel besser gewährleistet sein, dass je­mand, der Vorfälle meldet, in seiner Anonymität geschützt ist. Das


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kommt auf dieser Meldehomepage, die es gibt, zu wenig deutlich zum Ausdruck. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wichtig ist auch, im Bildungsbereich, und zwar nicht nur im elementaren und sekundären Bildungsbereich, sondern auch später in der Berufsausbildung, in einschlägigen Bereichen – seien es die Taxifahrer oder sonst irgendje­mand, der Personenkontakt hat –, zu vermitteln, dass antisemitische Äußerun­gen kein Spaß sein können. Wir brauchen diese Witze nicht!

Es ist auch wichtig, dass bei Übergriffen Maßnahmen im Sinne diversionellen Vor­gehens möglich sind, dass die Menschen in eine Art Nachschulung kommen, so wie ein Alkohollenker, dass ihnen vermittelt wird, warum es ein absolutes No-Go ist, sich antisemitisch zu äußern.

In diesem Sinne bleibt nach wie vor viel zu tun. Es geht wirklich darum, dass wir dieses Ziel erreichen müssen, dieses Nie-mehr-wieder. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

21.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Stein­acker. – Bitte sehr.


21.03.02

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, 2023 ist ein bedeutendes Jahr für den Staat Israel, denn am 14. Mai 1948 verlas David Ben-Gurion die Unabhängigkeitserklärung des Staates, und viele Jüdinnen und Juden sind dann, vor 75 Jahren, nach Israel aufgebrochen und haben dort einen Neubeginn gemacht. Aber: Gott sei Dank sind auch etliche Jüdinnen und Juden hier in Österreich geblieben und ha­ben an Österreich geglaubt.

Sie haben daran geglaubt, dass es einen Staat Österreich gibt, der sich irgend­wann einmal, auch wenn es lange gedauert hat, mit der Schoah auseinan­dersetzen wird. Sie haben daran geglaubt, dass es eine gesamtgesellschaftliche


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Wandlung geben wird, die den Antisemitismus hintanhalten wird, und sie haben gedacht, dass all diese Gräuel, die passiert sind, gewissenhaft aufgearbei­tet werden.

Gott sei Dank gibt es in Österreich eine aktive, eine wachsende, eine schöne und für uns auch so unendlich wichtige jüdische Gemeinde. Ich bin stolz darauf, dass es die gibt, und dankbar, dass nicht alle den Weg aus Österreich gewählt ha­ben, denn sie bereichern unser Leben. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Krisper.)

Unser Auftrag ist es, alles dafür zu tun, dass dieses jüdische Leben in Österreich zukünftig frei, sicher und ohne jegliche Einschränkung oder Diskriminierung erfolgen kann – und dazu vielen Dank, Frau Bundesministerin, denn die Nationa­le Strategie gegen Antisemitismus ist genau das, was es gebraucht hat: die­sen Push nach vorne; aber es ist nicht nur ein Papier, sondern es ist mittlerweile mit Leben erfüllt, so mit Leben erfüllt, dass von diesen 38 Maßnah­men 26 schon gut umgesetzt und im Laufen sind.

Ja, Kollege Margreiter, die Nationale Strategie ist ein wandelndes, ein wachsen­des, ein sich veränderndes Dokument, und es muss natürlich auf Zu- und Umstände reagieren, die sich auch in Österreich abspielen; denn wir wissen: An­tisemitismus ist nicht nur eine Frage von rechts. Er ist in der Mitte der Ge­sellschaft angekommen, er ist bei den Linksextremen zu finden, bei Verschwö­rungsdenkern, bei Islamisten und natürlich auch bei den radikalen Rechten; und dort gilt es, hinzuschauen und dagegen anzugehen.

Diese vielen Maßnahmen  wie Bildung; nach wie vor Zeitzeugen zu hören, solange es sie noch gibt, zu sichern, was sie zu sagen haben; letztendlich effektive Strafverfolgung zu machen; Antisemitismusprävention durch Aufklä­rung  sind, glaube ich, ganz, ganz wichtig, denn all das, was Hass und Hetze ausmacht, darf und soll nie wieder in Österreich passieren.


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Meine Damen und Herren, man muss dankbar sein, dass Jüdinnen und Juden heute noch Teil Europas sind, dass sie Teil der österreichischen Geschichte sind. Ich bin dankbar dafür, dass sie einen Weg der Versöhnung und des Verzei­hens mit uns gehen. Und da ein Bild mehr sagt als tausend Worte, möchte ich Sie bitten, gelegentlich im Umsetzungsbericht auf die Seite 97 zu schauen, denn das Bild, das hier abgebildet ist – unsere Ministerin mit einer Holocaust­überlebenden (die genannte Seite des Berichts in die Höhe haltend) –, zeugt von Respekt, von Liebe sowie von gegenseitigem Verzeihen und von Wert­schätzung. Dieses Bild ist für mich Maßstab für die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schatz. – Bitte.


21.06.47

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Bericht, den wir hier diskutie­ren, und auch Ihr Redebeitrag, Frau Bundesministerin, zeigen, wie breit und viel­schichtig die gemeinsam beschlossene Strategie gegen Antisemitismus in Österreich in den letzten zwei Jahren und besonders auch im Jahr 2022 umge­setzt worden ist; und ja, es ist mir wirklich ein Anliegen, mich bei allen, die dazu beigetragen haben, auf unterschiedlichen Ebenen, wirklich zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Engelberg.)

Ich möchte noch einmal festhalten, dass wir als Sozialdemokratinnen und So­zialdemokraten immer Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Kampf gegen Antisemitismus sind. Was bedeutet das aber für uns? – Das heißt zum einen, da­für einzutreten, Gedenkarbeit, Erinnerungskultur auszubauen, zu fördern, die Gräuel der Schoah für nachfolgende Generationen sichtbar zu machen und im Sinne der Überlebenden ihre Aufklärungsarbeit fortzuführen. Das heißt auch, dass wir auf vielen Ebenen gefordert sind, gerade weil wir heute damit kon­frontiert sind, dass nur noch wenige Zeitzeuginnen und Zeitzeugen uns in


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dieser Arbeit entsprechend unterstützen können. Es heißt auch, Ressourcen und die Förderung des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur in der Gegen­wart, im Hier und Jetzt sicherzustellen, und dafür haben wir gemeinsam das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz auf den Weg gebracht, um jüdi­sche Kultur entsprechend sichtbar und zu einem Teil der aktuellen Gegenwart zu machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Vergessen wir dabei aber bitte nicht, dass es im Jahr 2023 immer noch notwendig ist, enorme Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen si­cherzustellen, auch – das ist besonders beschämend – für Schulen und Kindergärten, und das ist wirklich ein sehr beschämender Ausblick, den wir aktuell in diesem Bereich noch haben.

Seit Jahren beobachten wir zudem ein extremes Hoch an antisemitischen Vor­fällen – Frau Ministerin, Sie haben darauf hingewiesen. Die Israelitische Kultusgemeinde sammelt diese Vorfälle, und auch wenn wir im ersten Halb­jahr 2022 einen Rückgang verspüren konnten, dürfen wir uns in keiner Art und Weise irgendwie zurücklehnen, sondern im Gegenteil: Wir müssen Antise­mitismus, ganz egal, aus welcher ideologischen Ecke er kommt, aktiv und ge­meinsam bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder einzelne antisemitische Vorfall ist einer zu viel, und jeder einzelne antisemitische Übergriff muss für uns Auftrag sein, die gemeinsamen Strategien gegen Antisemitismus zu evaluieren, zu untersu­chen und, wenn notwendig, zu schärfen und zu verbessern sowie gemein­sam dagegen vorzugehen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Die genannte Statistik der Israelitischen Kultusgemeinde zeigt aber auch, dass der Großteil der ideologisch zuordenbaren Übergriffe einen eindeutig rechtsextremen Hintergrund aufweist. Wir sagen hier schon seit Jahren, dass es verschränkte, gemeinsam abgestimmte Maßnahmen gegen Antisemitismus


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und Rechtsextremismus braucht. Es ist mittlerweile beinahe zwei Jahre her, dass wir hier im Hohen Haus einen Vierparteienantrag an den Innenminister verabschiedet haben, der einen Nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus fordert, im Rahmen dessen entsprechend auch das Thema Antisemitismus berücksichtigt werden muss.

Verlieren wir bitte dieses Thema nicht aus den Augen! Frau Ministerin, bitte gehen Sie auf den Innenminister zu und schauen wir hier auch entspre­chend, dass wir gemeinsam diesen Nationalen Aktionsplan auf den Weg bekommen – mit Berücksichtigung auch des Themas Antisemitismus, denn da ist bis jetzt leider noch nichts passiert! Da müssen wir entsprechend aktiv werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie rasch sich antisemitische Verschwörungstheorien und Holocaustverharm­losungen verbreiten können, haben wir leider in den letzten drei Jahren im Rahmen der Protestmaßnahmen gegen die Coronapandemie tatsächlich vor Augen geführt bekommen. Das dürfen wir auch nicht verschweigen, das ist so. Ich war ehrlicherweise selbst überrascht, wie schnell dieser Antisemitis­mus von den ideologischen Rändern in der Mitte der Gesellschaft ange­kommen ist und sich dort leider auch verfestigt hat. Frau Ministerin, es ist not­wendig, dass wir diesen Alltagsantisemitismus auch in künftigen Berich­ten entsprechend abbilden, damit wir gemeinsam dagegen vorgehen können.

Wenn ich schon bei der gemeinsamen Vorgehensweise bin: Sie haben es ange­sprochen, Sie haben mit Justizministerin Zadić gemeinsam eine Reform des Verbotsgesetzes angekündigt. – Ja, es ist notwendig, das Verbotsgesetz auf die Höhe der Zeit zu bringen, aktuelle Herausforderungen auch entspre­chend im Verbotsgesetz abzubilden. Dafür sind wir, da sind wir Mitstreiter:innen, wir sehen aber auch einige Punkte kritisch wie etwa die Ausweitung der Diversion auf Erwachsene. Wir wollen da wirklich gemeinsam eine Lösung fin­den. Bitte holen Sie uns hier auch entsprechend an den Verhandlungs­tisch. Gerade bei dieser Materie ist es ganz, ganz wichtig, dass wir einen breiten


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Konsens zusammenbringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Ab­geordneten Engelberg und Stögmüller.)

21.12


21.12.04

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Verfassungsausschusses, den vorliegenden Bericht III-880 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig. Ich danke Ihnen.

Ich danke auch der Frau Ministerin.

21.12.3110. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Analyse klimakontraproduktiver Subventionen in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 26. März 2021,
E 160-NR/XXVII.GP (III-835/1937 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 10.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf Frau Bundesministerin Gewessler recht herzlich bei uns begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. Bei ihm steht das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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21.13.10

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Wir debattieren jetzt den Bericht betreffend Analyse klima­schädlicher Subventionen in Österreich. Worum geht es in diesem Bericht? – Es ist sehr einseitig: Es geht um Verkehr, es geht um Energie, es geht um Land­wirtschaft – hauptsächlich im Verkehrssektor gibt es klimaschädliche Subventio­nen –, die Pendlerpauschale, das gesetzliche Kilometergeld sowie das Die­selprivileg werden thematisiert, im Energiebereich Öl, Gas, all diese Themen. Auch die Landwirtschaft wird nicht aus diesem Bereich ausgenommen, für den es klimaschädliche Subventionen geben soll. Im Endeffekt reden wir von 5,7 Milliarden Euro, die in diesem Bereich ausgegeben werden, nur: Das ist die eine Sichtweise.

Was ist die tatsächliche Sichtweise? (Die Abgeordneten Schwarz und Bernhard – erheitert –: Die „tatsächliche“!) Diese Subventionen, die man da so darstellt, sind ja im Endeffekt notwendig, notwendig vor allem für den ländlichen Raum, notwendig für die, die nicht in den Bobo-Bezirken wie dem 7. Bezirk leben und vor der Haustür eine Straßenbahn oder eine U-Bahn haben. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Darum geht es hier: dass das im Endeffekt linkslinke Fan­tasien sind. Wir werden deshalb diesem Antrag auch nicht zustimmen. (Abg. Lukas Hammer: Das ist kein Antrag! Ich kann dich beruhigen, das ist nur ein Bericht!)

Wenn ich von linkslinken Fantasien spreche, Frau Bundesminister, dann gehe ich auf Katja Diehl, Ihre Beraterin, ein. Das finde ich ja sehr, sehr spannend, und das war heute schon einmal Thema: Da geht es darum, dass Autos und Eigenheim im Endeffekt keine Zukunft mehr haben werden. Das sind die Fanta­sien von Frau Katja Diehl, die Sie natürlich auch sehr prominent in den FTI-Beirat entsandt haben. Was ist der FTI-Beirat? – Da geht es um eine Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie für Mobilität. Dort sitzt die Dame, die Sie berät, und was sagt die Dame? – Ich zitiere: Vielmehr müss­ten wir „den Kommunismus haben [...], wenn wir eine Zukunft für alle wollen“.


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Damit sind wir in China, das hört man in China, in Nordkorea, in diesen Staaten, aber ich glaube, das ist für Österreich nicht sehr zukunftsträchtig. (Abg. Michael Hammer: ... was sagen die Chinesen?) Also ich frage mich wirklich, Frau Bundesminister: Woher nehmen Sie diese Dame? Was ist deren Expertise, oder aufgrund welcher Grundlage ziehen Sie diese Dame als Ihre Beraterin heran?

Ich finde es ja spannend, weil sehr, sehr viele ÖVP-Abgeordnete jetzt sehr verdattert schauen. (Zwischenruf des Abg. Brandweiner.) Ich frage mich wirklich: Warum schauen Sie diesem Treiben zu? Warum schauen Sie diesem ge­samten munteren Treiben der grünen Fraktion und der Frau Bundesminister zu?

Damit komme ich schon zum nächsten Thema: zur Letzten Generation, diesen Klimaklebern. Jeden Tag in der Früh stauen und stauben in Wien – das ist anscheinend deren Motto; die Menschen nicht nur zu verärgern, sondern wirk­lich zu provozieren, jeden Tag in der Früh, an dem diese sich das Schauspiel anschauen müssen. Sie terrorisieren die Menschen auf diese Art und Weise, in­dem diese nicht zeitgerecht zur Arbeit kommen, sie terrorisieren die Men­schen, indem diese nicht zeitgerecht ihre Kinder in den Kindergarten bringen können, sie terrorisieren die Menschen, indem diese nicht zu ihrem Arzt­termin kommen können und zeitgerecht ihre Termine einhalten können.

Im Endeffekt ist es eine Maßnahme, die kontraproduktiv für den Klimaschutz ist. Ich bringe deswegen auch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „stren­gere Strafen für die Klimakleber“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvor­lage zuzuleiten, mit welcher strengere Strafen für Klimakleber eingeführt werden.“

*****

Die einzige Maßnahme hier sind strengere Strafen, damit dieses tägliche Schauspiel in der Früh in Wien aufhört. (Beifall bei der FPÖ.)

21.17

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

betreffend strengere Strafen für Klimakleber

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 10, Bericht des Umweltausschusses über den Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Analyse klimakontraproduktiver Subventio­nen in Österreich aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 26. März 2021, E 160-NR/XXVII.GP (III-835/1937 d.B.).

Mit destruktiven Aktionen legen die sogenannten Klimakleber seit Wochen öster­reichweit regelmäßig den Frühverkehr an städtischen Hauptverkehrsrouten lahm. Arbeitnehmer gelangen verspätet an ihr Ziel, Einsatzfahrzeuge von Rettung und Polizei müssen im Notfall Staus umfahren. Die dadurch entstehende Luftver­schmutzung durch Feinstaub, Stickstoffdioxid etc. lässt sich durch strengere Strafen für Klimakleber rascher beheben, als es eine „Reform von Subventionen mit nega­tiven Klimaauswirkungen“ vermag.


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Die Klebeaktionen kommen bei den Österreicherinnen und Österreichern ver­ständlicherweise nicht gut an, wie eine Umfrage der Marktforschungsins­titute Spectra und Integral vom 21. Februar 2023 belegt. Fast die Hälfte der Befragten bewertete die Klebeaktionen als sehr negativ, weitere 18 Prozent sehen diese eher negativ. Nur 16 Prozent stehen voll beziehungsweise eher dahinter. 18 Prozent äußerten sich neutral. Befragt wurden 1.000 für die österreichische Be­völkerung repräsentative Personen zwischen 16 und 75 Jahren, die Online-Be­fragung wurde zwischen 26. und 31. Jänner durchgeführt. Eine Mehrheit von 53 be­fürwortet härtere Strafen für Klimakleber.

Der Exekutive fehlen jedoch die rechtliche Handhabe um gegen die Aktivisten vor­gehen zu können. Wie Medien berichten, greift die blockierte Bevölkerung inzwischen zunehmend zu Selbstjustiz und schleift die Klimakleber an den Straßenrand. Den volkswirtschaftlichen Schaden hat die Allgemeinheit zu bezahlen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit welcher strengere Strafen für Klimakleber eingeführt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


21.17.19

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Der österreichische Staat unterstützt mit fast 6 Milliarden Euro an Steuer­geld die Umweltzerstörung und befeuert somit die Klimakrise noch zusätzlich. Zu dieser doch sehr schockierenden Zusammenfassung kommt man, wenn


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man sich die vorgelegte Analyse klimakontraproduktiver Subventionen durch­liest und gleichzeitig mitbekommt, wie die Expertinnen und Experten die­sen Bericht analysieren.

Es gibt zwei Bereiche der heimischen Wirtschaft, die die größten Summen an Fördergeldern für klimaschädliche Maßnahmen bekommen. Das ist einerseits der Energiebereich und andererseits der Verkehrssektor. Gerade diese beiden Sparten sind essenziell für die Erreichung unserer Klimaziele, denn sie zählen zu den größten Verursachern der klimaschädlichen Emissionen. Anstatt den Istzustand mit Milliarden an Steuergeldern zu erhalten, sollte die Bundesregie­rung Initiativen setzen, um klimaschädliche Subventionen abzubauen, und, wie es die Klimawissenschaft fordert, die dadurch frei werdenden Mittel in sozial gerechte Klimaschutz- und Energiesparmaßnahmen einfließen lassen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schwarz.)

In der Entschließung betreffend Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Klima­volksbegehren ist deshalb auch klar von einem „verträglichen Aufhebungs­pfad“ die Rede. Es gibt ihn aber leider nicht, Frau Ministerin, und wir würden uns wünschen, dass Sie diesen Pfad endlich vorlegen. Die größten Versäumnisse sehen wir schon in Ihrem Ressort, Frau Ministerin. Wie können Sie es als Grüne verantworten, dass Ihr Ressort, welches mehr oder minder Verkehr und Energie beinhaltet – in diese Bereiche fließen 99 Prozent aller klimaschädlichen Subventionen und Förderungen –, dem Parlament keine Lösungsvorschläge präsentiert? (Abg. Weratschnig: Das ist ja unglaublich!)

Die Studie zeigt auch klar, wo der Hebel zum Ansetzen ist. Es sind nämlich nicht sehr oft die Pendlerinnen und Pendler oder die Häuslbauer. (Abg. Hörl: Auch!) Der Schlüssel liegt ganz klar woanders (Abg. Lukas Hammer: Du hättest es lesen sollen!): Zwei Drittel der klimaschädlichen Subventionen laufen in die Un­ternehmen. Was es jetzt braucht, sind massive finanzielle Anreizsysteme und klare Zielvorgaben, um den Umstieg in eine klimafreundliche Arbeits- und Produktionsweise zu gewährleisten.


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Frau Ministerin, da muss es eine starke Partnerschaft zwischen uns als Politik und den Unternehmungen geben, um diesbezüglich voranzukommen. Frau Ministerin, ich erwarte mir da von Ihnen auch, dass wir diese Studie im Ausschuss als klaren Handlungsauftrag ansehen und die Förderpolitik gemeinsam mit der Regierung grundlegend reformieren. Greifen Sie zum Te­lefon, rufen Sie den Finanzminister an und legen Sie uns schnellstmöglich einen Plan vor, wie Sie die klimaschädlichen Subventionen in den nächsten Jah­ren vor allem sozialverträglich abbauen werden!

Für mich als Mitglied des Umweltausschusses ist diese Analyse des Wifo ein Startschuss für eine ehrliche Diskussion im Ausschuss und auch für Transparenz. Ich denke, das ist jetzt nur einmal eine Kerze, die wir anzünden, um Licht ins Dunkel zu bringen; da braucht es noch viel, viel mehr. Es hat uns auch der Jahreswechsel 2022/23 gezeigt, wie weit fortgeschritten der menschengemach­te Klimawandel in Europa bereits ist. Wir hatten Rekordtemperaturen, der Rekord wurde gesprengt. Das macht uns natürlich alle nachdenklich, und des­halb müssen wir jetzt in die Gänge kommen, Frau Ministerin. Ich bitte Sie auch an dieser Stelle: Legen Sie endlich das Klimaschutzgesetz vor! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf noch nachholen, dass der Ent­schließungsantrag, eingebracht von Walter Rauch und weiteren Abgeordneten, ordnungsgemäß eingebracht und ausreichend unterstützt ist und somit in Verhandlung steht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.


21.21.40

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Bericht betreffend Analyse klimakontraproduktiver Subventionen in Österreich: Im Durchschnitt der letzten Jahre belief sich das Volumen an klimakontra­produktiven Förderungen auf bis zu 5,7 Milliarden Euro. Hauptprofiteure dieser


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Subventionen sind vor allem der Verkehr sowie die Energieerzeugung. (Abg. Weratschnig: Ich glaube auch, dass die Landwirtschaft nichts damit zu tun hat!) Der Verkehr erhält mit 61 Prozent der Förderungen knapp 4 Milliarden Euro. Davon entfallen rund drei Viertel auf den Straßenverkehr und ein weiteres Vier­tel auf Luft- und Schifffahrt. Auf die Energieerzeugung entfallen mit rund 1,6 Milliarden Euro 38 Prozent der Subventionen. Da werden übrigens großteils diejenigen gefördert, die dafür verantwortlich sind, dass unsere Österrei­cherinnen und Österreicher bei den Stromkosten abgezockt werden.

Nur 1 Prozent dieser Förderungen entfällt auf die Landwirtschaft (Abg. Bernhard: Ihr seids auch nur 2 Prozent!), und trotzdem heißt es immer: Die Landwirt­schaft ist der große Förderungsempfänger, die Landwirtschaft bekommt zu viel! – Offensichtlich ist es aber doch anders. Wie schädlich die Tierhaltung ist und dass wir sie einschränken müssen, wie schädlich die Landwirtschaft für den Klimawandel ist und dass sie an der Klimaveränderung schuld ist, hören wir auch täglich in den Nachrichten. (Abg. Bernhard: Ich glaube, das ist die falsche Rede!) Die Landwirtschaft ist kein Klimasünder, sondern sie macht viel für die Umwelt, und sie ist die einzige Branche, die tatsächlich CO2 binden kann. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Diesner-Wais.)

Als klimakontraproduktiv wird in diesem Bericht als Erstes natürlich der niedrige Steuersatz für Lebensmittel dargestellt. Dabei wird vor allem die tierische Produktion kritisiert: Fleisch, Milch, Eier, Fisch. Wenn man dann hergeht und diesen Steuersatz auf 20 Prozent anpasst, was werden wir dann kriegen? – Wir befeuern weiter die Teuerung! Viele Haushalte, viele Bürger werden auf manche Lebensmittel verzichten, viele werden dann im Regal zu Billigpro­dukten greifen. Die Produktion im Inland wird zurückgehen und der Import wird ausgeweitet werden. – Na das ist sicher gut für den Klimawandel; alles zum Nachteil für Österreich, für unsere Familien, für unsere Wirtschaft.

Frau Ministerin, Sie schaden mit Ihrer Politik dem Klima innerhalb Österreichs! Sie gefährden mit Ihrer Politik den Zusammenhalt in Österreich! (Abg.


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Weratschnig: Das sagt der Richtige!) Sie zerstören die Wirtschaft! Sie machen die Menschen arm! (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade deswegen ist ein Klimawandel in der Politik längst notwendig und über­flüssig. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Lukas Hammer: Ist dir der Blödsinn sel­ber eingefallen?) Frau Ministerin, fangen Sie an, bei sich selbst zu sparen, und greifen Sie nicht den Menschen in die Taschen! Schauen wir, dass wir für unsere österreichischen Bürger endlich etwas weiterbringen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.


21.25.26

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Meine geschätzten Da­men und Herren! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Alle, die zu Hause zusehen! Die Bekämpfung des fortschreitenden Klimawandels ist sicher eine ganz große Herausforderung unserer Zeit, und sie ist leider nicht nur eine lokale, sondern eine globale Herausforderung.

Es ist unsere Aufgabe, auch hier in Österreich alle Register zu ziehen, alle Maß­nahmen zu ergreifen, die im Bereich unserer Möglichkeiten sind, sowohl für den Staat als Stakeholder, wie man so schön sagt, als auch für jeden Einzelnen von uns. Folgerichtig ist auch die Analyse des Wifo, dass wir uns fragen müssen, ob wir falsche Steuerungsansätze in unserem System haben, ob wir vielleicht falsche Signale für unsere Verhaltensweisen aussenden.

Nun ist die Frage: Ist diese Studie tatsächlich eine Handlungsanleitung? – Da möchte ich gleich sagen: Ja, das ist von vornherein eine Gratwanderung (Abg. Shetty: Da musst du ja selber lachen dabei!), denn die Stoßrichtung des Be­richts ist klar: Es ist eine ökologische Betrachtung, eine prinzipiell ökologi­sche Betrachtung des Problems.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 470

Meine Damen und Herren, verantwortungsvolle Klimapolitik bedeutet aber viel mehr, wenn wir erfolgreich sein wollen. Sie bezieht nämlich unbedingt – un­bedingt, meine Damen und Herren! – die sozialpolitischen und auch die ökono­mischen Gesichtspunkte mit ein. Wohin nämlich eindimensionale Politik füh­ren kann – und davor soll gewarnt sein –, das haben wir zum Beispiel in Frankreich gesehen, als damals Präsident Macron versucht hat, die Kraftstoff­steuer zu erhöhen, mit dem „Erfolg“ – unter Anführungszeichen –, dass sich die Gelbwestenproteste gebildet haben. Sie haben nicht deswegen protes­tiert, weil sie gegen die ökologische Maßnahme waren, sondern sie haben deswegen protestiert, weil es einfach sozialpolitisch nicht verträglich war.

Deswegen, meine Damen und Herren, möchte ich hier schon auch einen exakteren Fokus auf diesen Bericht legen. Ich war ein bisschen überrascht über die etwas eindimensionale Rede der SPÖ-Vertreterin. Julia Herr, die heute offensichtlich nicht mehr da ist, hat das im Ausschuss nämlich etwas anders for­muliert. Wir müssen ein ganz genaues Augenmerk auch auf die sozialpoli­tische Komponente im Klimaschutz legen. Nehmen wir den Punkt der Pendler­förderung heraus: Die Pendlerförderung ist eine wichtige sozialpolitische Maßnahme, um gerade den ländlichen Raum lebendig zu erhalten. Ich komme aus diesem ländlichen Raum, ich komme aus einem Bereich, wo es einfach nicht möglich ist, seine Verkehrswege nur mit dem öffentlichen Verkehr zu erle­digen. Das heißt, wir brauchen auch in Zukunft einen Individualverkehr. (Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Der entscheidende Punkt ist daher, meine Damen und Herren – auch im Bewusstsein dessen, den Menschen das Leben nicht möglichst schwer und teuer zu machen –, die Transformation voranzutreiben. Es ist sehr vieles in dieser Gesetzgebungsperiode passiert, aber auch schon vorher; ich denke da zurück ans Jahr 2000. Es waren übrigens Schüssel und Haider, die im Regierungsprogramm 2000 die Koralmbahn, die heute vor meiner Haustüre gebaut wird, beschlossen haben. Ich lebe fast direkt an dieser Baustelle und bin froh darüber, dass es diese Baustelle gibt. Sie wird Generationen helfen,


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Verkehrswege von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Das ist das, was wir im Blick haben müssen, diese Transformation, also die Stärkung des ÖV dort, wo es möglich ist.

Wie gesagt, wir werden den Individualverkehr absolut immer brauchen, gerade auch in Gegenden wie jenen, wo Sie zum Beispiel her sind, Frau Bundes­ministerin, Sankt Marein bei Graz – übrigens mein Bezirk Graz-Umgebung. Das ist ein stark ländlicher Bereich mit Streusiedlungen, da werden wir immer individuelle Mobilität brauchen. Dafür brauchen wir aber neue Techniken, näm­lich Techniken, die die Umwelt nicht schädigen wie die fossilen Brennstoffe, und das müssen wir eben auch ganz gezielt vorantreiben.

Da ist es erfreulich, dass viele Menschen bereits im positiven Sinne mitgenom­men sind, nämlich mitmachen. Es gab vor einigen Tagen eine Erfolgsmeldung aus der Steiermark: Im Vorjahr, im Jahr 2022, wurden so viele neue PV-Anlagen installiert wie noch nie zuvor – konkret 6 671 neue Anlagen in einem Jahr mit ei­ner Gesamtleistung von 110 Megawatt. Das brauchen wir: motivierte Men­schen, die diese Transformation mittragen, und nicht Klimapolitik, die quasi mit Strafen und teurem Alltagsleben zu Lösungen zu kommen versucht. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, auch schon angesprochen wurde von meinem Vorredner, dass die Unternehmen so viele klimaschädliche Subventionen erhal­ten würden. Auch da bitte ich um den genauen Blick. Es geht auch um Stand­ortfragen, es geht auch darum, unseren Wohlfahrtsstaat zu erhalten, es geht auch darum, dass es Arbeitsplätze gibt. Da müssen wir die drei Kompo­nenten Ökologie, Ökonomie und sozialpolitische Fragen immer in der Balance halten. Darauf möchte ich, möchten wir als ÖVP auch ganz entschieden hinweisen.

Der nächste Tagesordnungspunkt, den wir dann besprechen, UVP-Gesetz, ist so ein Mosaiksteinchen, um diese Transformation voranzutreiben. Diese Trans­formation brauchen wir. Es gilt, nicht die Leute am Land zu bestrafen, indem man


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Sprit noch teurer macht, sondern die Transformation voranzutreiben, dann werden wir auch die Bekämpfung des Klimawandels schaffen. Ich bin davon über­zeugt, um auch ein Bonmot aus einem anderen politischen Bereich zu ver­wenden: „Wir schaffen das!“ Wir schaffen das in einer gemeinsamen Anstren­gung, gegen den Klimawandel anzukämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte.


21.31.28

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Am Freitag findet wieder ein weltweiter Klimastreik statt, und die Hauptforderung, wenn nicht sogar die Kernforderung der Jugend­bewegung ist: Legen Sie endlich ein Klimaschutzgesetz mit Zähnen vor!

Über ein Klimaschutzgesetz reden Sie ja gar nicht mehr. Ich glaube, das haben Sie aufgegeben, das Projekt ist irgendwie ad acta gelegt. Das Einzige, das man von der Regierung in den letzten Wochen hört, ist die Aufregung rund um die Klimakleber. Jetzt kann man schon darüber diskutieren, wir machen das ja auch rauf und runter in den letzten Wochen, aber mittlerweile haben, glaube ich, schon sehr viele Österreicherinnen und Österreicher verstanden, dass die wahren Klimakleber, die wahren Klimachaoten in der Bundesregierung kle­ben, die nämlich wirklich den Fortschritt in der Klimapolitik blockiert. (Bei­fall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Ein ganz ein witziges Kerlchen!)

Ich verstehe den Frust der jungen Menschen. Ich verstehe den Frust der jungen Menschen, ich sage Ihnen ehrlich, ich würde mich auch am liebsten hier am Rednerpult festkleben, bis ein Klimaschutzgesetz kommt (Abg. Zarits: Nein, bitte nicht! Bitte nicht!), aber ich erspare Ihnen das aus Nächstenliebe. Ich ma­che das nicht, weil es ja vermutlich auch nicht viel bringen würde. Aber ich klebe Ihnen hier etwas anderes her (der Redner klebt ein Plakat mit der Aufschrift


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„Die wahren Klima-Chaoten kleben in der Regierung / Klimaschutzgesetz jetzt!“ und den Abbildungen von Bundeskanzler Nehammer, Bundesministerin Gewessler und Staatssekretärin Plakolm auf die Stirnseite der Präsidiumsbank – Abg. Wöginger: Na geh! – Abg. Gödl: Sachbeschädigung!), dass Sie vielleicht nicht vergessen, wer die wahren schwarzen Schafe in der Klimapolitik sind. (Abg. Wöginger: Aber so etwas haben wir auch noch nicht gehabt, Herr Präsident! – Abg. Lopatka: Der Chaot sind Sie selbst!)

Frau Bundesministerin, legen Sie bitte endlich ein Klimaschutzgesetz vor, eine Klimaschutzministerin ohne Klimaschutzgesetz ist wie ein Verkehrsminister ohne Straßenverkehrsordnung. Beenden Sie endlich diesen klimapolitischen Blind­flug! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Michael Hammer: Die eigene Fraktion schämt sich schon! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Schande! Schäm dich! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) – Ist das normal, Herr Präsident? (Abgeordnete der ÖVP – auf das Plakat deutend –: Ist das normal? – Abg. Wöginger: Nein, es ist auch das nicht normal, Herr Kollege Shetty! – Abg. Gödl: Respektlosigkeit! Das ist respektlos!) Ja, Herr Klubobmann Wöginger, wir sollten hier mehr über das Klima­schutzgesetz diskutieren, wir diskutieren hier aber auch den Bericht über klimaschädliche Subventionen, und der ist mindestens genauso beschämend für die Bundesregierung.

Zur Einordnung: Es geht nicht darum, wie wir klimaschädliche Subventionen ab­schaffen oder ökologisieren, es geht schlicht und einfach um eine Liste, um eine umfassende Studie, damit wir wissen, wie viel wir eigentlich für klimaschäd­liches Verhalten ausgeben.

Um diesen Prozess noch einmal in Erinnerung zu rufen, Frau Bundesministerin, damit man sieht, wie absurd das eigentlich ist: Sie haben diese Studie – nur diese Studie – für 2020 versprochen, dann haben Sie sie für das Frühjahr 2021 versprochen, dann für den Sommer 2021, dann für den Sommer 2022, und im Herbst haben Sie diese Studie nicht dem Parlament zugeleitet, sondern haben diese Studie über die Medien an die Öffentlichkeit gespielt. Das ist nicht


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nur inhaltlich erbärmlich, was diese Studie aufzeigt, sondern auch eine Wat­schen für das Parlament. Ich frage mich schon: Was ist aus Ihnen, was ist aus den Grünen eigentlich geworden?

Die Grünen haben versprochen, Sie haben Ihren Wählerinnen und Wählern, den Österreicherinnen und Österreichern versprochen, Sie machen der ÖVP über­all Zugeständnisse, bei den Menschenrechten, bei der Gleichstellung, bei der Transparenz, und dafür bringen Sie beim Thema Klima wirklich etwas weiter. Mit Blick darauf, wie Sie diesen Pakt geschnürt haben, ist die Performance in der Klimapolitik aber einfach eine Katastrophe.

Der Klimaschutz braucht keine Plauscher, der Klimaschutz braucht Macher, und das sind Sie nicht. (Bundesministerin Gewessler: Macherin!) – Nein, Sie sind auch keine Macherin, Frau Ministerin, es scheitert nicht nur am Gendern, son­dern es scheitert tatsächlich an den fehlenden Maßnahmen.

Was sagt denn dieser Bericht inhaltlich? – Dieser Bericht sagt, dass wir ungefähr bis zu 6 Milliarden Euro jährlich für sogenannte klimaschädliche Subven­tionen ausgeben, und dem gegenüber stehen 3,6 Milliarden Euro, die wir in den Klimaschutz investieren. Darunter fällt beispielsweise auch die Klimabo­nusgießkanne. Das heißt, wir schütten 4 Milliarden Euro für den Klimaschutz jährlich aus und stecken 6 Milliarden Euro in klimaschädliche Subventionen. Man braucht keinen Wissenschaftsnobelpreis zu haben, um zu sehen, dass das eine bescheuerte Art der Politik ist. (Rufe bei den Grünen: Hallo!)

Also legen Sie bitte endlich ein Klimaschutzgesetz vor, legen Sie einen Fahrplan zur Abschaffung der umweltschädlichen Subventionen vor und reden Sie weniger über Klimaschutz, sondern handeln Sie endlich schneller, besser und effektiver! (Beifall bei den NEOS.)

21.35



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 475

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke. (Abg. Wöginger – aufzeigend –: Herr Präsident!) – Bitte, zur Geschäftsordnung, Herr Klubobmann Wöginger. (Abg. Loacker: Bist ein bissel empfindlich, Gust?)

*****


21.36.07

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Nein, ich bin nicht empfindlich! – Herr Präsident! Hohes Haus! Mir geht es nur darum: Das hat es so noch nicht gegeben. Wir haben Taferl zugelassen, aber jetzt wird die Wand beklebt. Was ist das Nächste? Kommt einer mit der Sprühdose und sprüht etwas rauf? Das geht so nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich erwarte mir, dass das auch in der nächsten Präsidialkonferenz besprochen wird. Wir sind hier kein Kasperltheater, das ist das Hohe Haus, das ist der Nationalrat, das ist das Parlament (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), und ich fordere ein, dass wir auch so damit umgehen, der Würde des Hauses entsprechend. Und das war es nicht, Herr Kollege Shetty, das ist einmal hundert­prozentig, ja. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gödl: Eine Respektlosigkeit! Ohne Manieren!)

21.36

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir werden das in der Präsidiale thema­tisieren.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.


21.37.07

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoch geschätzte Frau Minister! Also das war wieder der lebende Beweis dafür, dass NEOS mit vielem etwas zu tun haben, nur mit Wirtschaft sicher nicht. Mit Anstand und Moral? – Vielleicht auch noch zu hinterfragen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Wir debattieren hier diesen umfangreichen Bericht betreffend Analyse klimakontraproduktiver Subventionen, der aufgrund des Klimavolksbegehrens und des Entschließungsantrages im Jahr 2021 bestellt wurde und jetzt vor­liegt. 200 Seiten, ausführlich ohne Ende, und auf diesen 200 Seiten wird aufgelistet, was man als klimakontraproduktive Subventionen ansieht. Hauptsächlich betrifft das die Sektoren Verkehr, Landwirtschaft und Energieerzeugung; einiges wurde ja schon dazu gesagt.

Im Bereich Verkehr geht es im Prinzip um die Mineralölsteuervergünstigung für Dieselfahrzeuge, die Befreiung von der motorbezogenen Versicherungs­steuer und der NoVA für Taxis, Mietwagen, Rettungs- und Feuerwehrautos, den Vorsteuerabzug von Fiskal-Lkw, die Mineralölsteuerbefreiung in der Luft­fahrt und bei Schiffen, ungefähr 500 Millionen Euro, und die Pendlerpauschale, eben auch mit 500 Millionen Euro. Bei der Landwirtschaft geht es um die reduzierte Umsatzsteuer, also die 10 Prozent, für tierische Produkte, und bei der Energieerzeugung um die Erzeugung von Plastik aus Öl, dort wird steuerlich eingespart, und natürlich auch beispielsweise plakativ um eine Steuer­erleichterung für das Heizöl, das Heizöl leicht, das ja in Wahrheit auch der Diesel ist, mit dem man auch ein Auto betreiben kann.

Diese Analyse ist sicher hilfreich, natürlich brauchen wir einmal eine grund­legende Darlegung der Situation. Die Transformation wurde auch schon erwähnt, das geht aber natürlich nicht in dieser Geschwindigkeit, Frau Minister, fürchte ich. Die Ziele sind groß – ich hoffe, dass wir das schaffen. Wir brau­chen aber auch Anreize. Auch Preissignale, die die eigentlichen Kosten, auch je­ne für die Umwelt, widerspiegeln, sind notwendig.

Man darf auch den sozialen Aspekt und das Prinzip der Gleichbehandlung und Chancengleichheit nicht vergessen. Die Lebensumstände am Land und in der Stadt sind oft sehr unterschiedlich. Es muss unser Ziel sein, dass alle Öster­reicher und Österreicherinnen unter gleichen Lebensbedingungen, annä­hernd gleichen Bildungs- und Karrierechancen und vor allem im gleichen Wohl­stand leben können.


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Während in unseren Städten und Ballungsräumen, insbesondere in Wien, all diese Standards hoch sind, ein dichtes öffentliches Verkehrsnetz vorhanden ist, hier in Wien sogar eine milliardenschwere U-Bahn – alle werden hier kosten­günstig und komfortabel befördert –, sieht das am Land, in den Tälern, in den Berggebieten anders aus. Dort ist man immer noch auf das Auto angewie­sen, und diese Tatsache setzt uns bei der Abschaffung verschiedener Ver­günstigungen ohne die Benachteiligung der dort lebenden Personen Grenzen. Dasselbe gilt auch in Einzelfällen für Ölheizungen.

Auch der Pendler aus dem südlichen Burgenland oder dem Waldviertel muss erhebliche Kosten auf sich nehmen. Er hat nicht nur das Fahrrisiko, muss die vielen An- und Abreisestunden in Kauf nehmen, sondern er muss auch noch den Aufwand bezahlen – ebenso die berufstätige Mutter aus dem Ötz- oder Zillertal, wenn sie ihren Arbeitsplatz in Hall oder in Innsbruck aufsuchen will.

Taxis und Mietwägen sind berechtigt steuerbegünstigt, denn sie sind Arbeits­mittel. Außerdem transportieren sie die Menschen, nachdem sie im hoch subventionierten öffentlichen Verkehr unterwegs gewesen sind, oft auf der letzten Meile. Dass Einsatzfahrzeuge der Rettung, der Polizei, der Feuer­wehr berechtigt steuerbegünstigt sind, darüber wird man ja wohl nicht zu reden brauchen.

Reduzierte Umsatzsteuer: Da bin ich sogar mit den Ausführungen von Kollegen Schmiedlechner einverstanden. Die Umsatzsteuer auf Fleisch, Milch, Butter zu erhöhen würde ja nur zu höheren Kosten führen. Und eines soll auch einmal festgehalten werden: Unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft ist alles an­dere als klimaschädlich. Eine Kuh aus Argentinien hat einen viermal so hohen CO2-Ausstoß wie eine Kuh bei uns. Unsere Kühe sind kein Schaden fürs Klima, sondern maximal vom Wolf gefährdet, Frau Bundesminister. (Beifall bei der ÖVP.)


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Die Luftfahrt oder sogar die Schifffahrt zu besteuern würde 500 Millionen Euro bringen. Das hätte für mich als Tourismussprecher in Österreich und für Ös­terreichs Tourismus schon einen gewissen Reiz, Frau Bundesminister, aber ein nationaler Alleingang würde nichts bringen, außer dass es unsere Fluglinie und den Flughafen Schwechat schwächt. Es würde auch dem Klima wenig nüt­zen, weil die Flugzeuge natürlich im Ausland aufgetankt würden.

Also insgesamt halte ich fest: In Bezug auf die Abschaffung dieser sogenannten klimakontraproduktiven Subventionen – Herr Shetty, hören Sie zu! – gilt ein Grundsatz, nämlich den Wohlstand, die Lebensbedingungen, die Ausbil­dungs- und Karrierechancen, das soziale Umfeld aller Österreicher und Österreicherinnen, egal ob am Land oder in der Stadt, zu erhalten beziehungs­weise zu verbessern, und dazu braucht es materiellen Ausgleich. – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.


21.41.57

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, die uns zusehen! Ich möchte zuerst auf den Antrag von Kollegen Rauch von der FPÖ eingehen, der härtere Strafen für – ich zitiere – „Klimakleber“ fordert. Da würde ich gerne unseren Kollegen, den Generalsekretär der Wirtschafts­kammer, zitieren: Das sind einfach „ideologiegetriebene Bestrafungsfantasien“, die Sie da haben und die wir natürlich ablehnen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Lieber Kollege Rauch und liebe Kollegen von der FPÖ, die Sie immer und immer wieder die Klimakrise verharmlosen und in Abrede stellen! In 30 Jahren (Abg. Belakowitsch: Ist die Welt untergegangen! Ja, ja!): Wird man uns danach fra­gen, ob wir Klimaaktivist:innen härter bestraft haben oder noch härter


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bestraft haben, oder wird man uns danach fragen, was wir im Kampf gegen die Klimakrise getan haben, ob wir die Forderungen der Klimaschützer:innen, die Forderungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfüllt haben oder nicht?

Ich weiß, auf welcher Seite wir stehen, und ich weiß leider, auf welcher Seite Sie stehen, aber vielleicht denken Sie einfach einmal in aller Ernsthaftigkeit da­rüber nach, was vielleicht auch Ihre Kinder Sie einmal in 20 oder 30 Jahren fra­gen werden.

Nun aber zum Bericht zu klimakontraproduktiven Subventionen: Dieser geht auf einen gemeinsamen Antrag zurück. Ich möchte mich auch ganz herzlich bei den Autorinnen und Autoren für diesen Bericht bedanken. Es geht im Prinzip da­rum, dass dargestellt wird, welche Subventionen negative Klimaeffekte haben. Wir haben in den letzten drei Jahren ein Rekordbudget für den Klima­schutz bereitgestellt. Wir haben sehr, sehr viel dafür getan, dass klima­freundliches Verhalten belohnt und einfacher wird. Das Problem ist, dass es Strukturen gibt, Subventionen, indirekte Subventionen, die in puncto Kli­maschutz in die andere Richtung wirken, und das ist auch volkswirtschaftlich ineffizient. Deswegen haben wir das anschauen lassen.

Es wurde schon erwähnt: 4 bis 5,6 Milliarden Euro macht das im Jahr aus, und wir können uns aus klimaschutzpolitischer Sicht, aber auch aus volkswirt­schaftlicher Sicht nicht leisten, dass wir weiterhin in beide Richtungen arbeiten. Deswegen bin ich der Meinung, wir müssen diese klimakontraproduktiven Subventionen sozial verträglich abschaffen, nach und nach. (Beifall bei den Grünen.)

Wir müssen aber schon bei den Begrifflichkeiten aufpassen. Ich habe hier wirklich Dinge gehört, die sehr fern der Realität sind, fernab dessen, worum es hier eigentlich geht. Ich habe von Kollegin Ecker von der SPÖ gehört, es wären Milliarden an Steuergeldern, mit denen gefördert würde. Kollege Shetty hat genau in die gleiche Richtung argumentiert. Lesen Sie es sich genau


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durch: Der Großteil der klimakontraproduktiven Subventionen sind indirekte Subventionen. Das ist ein Weniger an Steuern, das sind Steuerbefrei­ungen – nicht direkte Förderungen. Das ist ein sehr großer Unterschied. Denken Sie zum Beispiel an das Dieselprivileg: Da geht es nicht darum, dass der Staat etwas fördert, sondern darum, dass Diesel im Vergleich zu Benzin weniger besteuert wird.

Oder: Bei der NoVA kritisieren die Studienautor:innen, dass wir da einige Ausnahmen machen. Wir haben bei der ökosozialen Steuerreform die NoVA an­gepasst und zu einem Klimaschutzinstrument gemacht. Wir haben auch Schlupflöcher gestopft. Wenn man jetzt einen SUV kauft, zahlt man sehr viel Geld. (Abg. Belakowitsch: Das sichert sicher viele Arbeitsplätze!) Ich kann Ihnen ein Beispiel bringen: Früher hat man für einen Dodge Ram – Sie kennen das, das ist so ein großer Pick-up – 0 Euro NoVA beim Kauf gezahlt. Nächstes Jahr zahlt man nicht 0, sondern 26 000 Euro für diese CO2-Schleuder.

Kollege Shetty! Weil Sie sich immer so als Vorkämpfer für die Abschaffung klimakontraproduktiver Subventionen präsentieren: Sie wollen diese NoVA ab­schaffen. Sie wollen auch die motorbezogene Versicherungssteuer abschaf­fen. Sie wollen die Autobahnmaut abschaffen. Sie wollen neue klima­kontraproduktive Subventionen schaffen. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Das ist eine neoliberale Klimapolitik, wie wir sie bei der FDP haben. Sie kommen daher, picken irgendetwas an die Wand, Sie gehen am Freitag mit, gerieren sich da als Klimaschützer. Sie vertreten so wie die FDP in Deutschland eine neoliberale Politik im Sinne der Autoproduzenten, wo es sich lohnt, riesige Dreckschleudern zu kaufen, weil man sich die NoVA er­spart. So viel kann man gar nicht fahren, dass dann die höheren CO2-Preise, die Sie einführen wollen, dafür sorgen würden, dass das während der Lebensdauer dieses Autos jemals wieder hereingebracht wird.

Also: Von Ihnen lassen wir uns sicher nicht erklären, wie Klimaschutz geht. Sie sind weiterhin ein Vertreter der Autoindustrie, so wie Ihre Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Aber nehmen wir diesen Bericht ernst, nehmen wir ihn


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als ernsthafte Grundlage für weitere Diskussionen über die Reform und Abschaffung von klimakontraproduktiven Subventionen! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

21.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte sehr.


21.47.21

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Kollege Hammer, es ist jetzt schon recht billig, einen Konnex zwischen uns als Vertreter der Autoindustrie und irgendeinem von Ihnen erdachten neoli­beralen Programm herzustellen.

Worum geht es bei diesem Tagesordnungspunkt? – Es geht um zwei Punkte. Den einen Punkt hat Kollege Shetty richtigerweise angesprochen: Wir warten seit 800 Tagen auf ein Klimaschutzgesetz. Seit 800 Tagen warten wir auf ein Klimaschutzgesetz, das uns mehrfach versprochen worden ist. Es mag sein, dass es der Ministerin schon wehtut, dass sie es nicht liefern kann, aus welchen Gründen auch immer. (Abg. Lukas Hammer: Seid ihr für die Abschaf­fung der NoVA – ja oder nein?) Herr Kollege Shetty hat sich aus Rücksicht auf unsere Abendplanung nicht hier festgeklebt. Das ist ja schon einmal einen Dank wert. (Hallo-Rufe bei der ÖVP.) Das Wesentlichere ist aber, wir warten auf dieses Klimaschutzgesetz, darüber haben wir diskutiert.

Der zweite Punkt ist, und das betrifft jetzt den Tagesordnungspunkt selbst: Wir reden über klimaschädliche Subventionen. Wir reden davon, dass wir in et­wa 5 Milliarden Euro pro Jahr ausgeben und in weiterer Folge Strafzahlungen, ebenfalls in Milliardenhöhe, riskieren, wenn wir unsere eigenen Klimaziele nicht erreichen. Wir wollen einfach darüber reden, wie wir diese Elemente, die wir eben als Subvention derzeit haben, so ökologisieren können, dass sie in die richtige Richtung gehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 482

Wenn Sie jetzt hergehen und den Diskurs zerstören, indem Sie sagen: Wir sind, anders als Sie, keine ernst zu nehmenden Klimaschützer, dann beschädigen Sie die Sache mehr, als Sie sich vorstellen können. In dem Fall erwarte ich tatsächlich, dass wir an einem Strang ziehen, dass wir schauen, dass wir die Staatsausgaben ökologisieren, dass wir Strafzahlungen abwenden, und dass Sie nicht so einen Unfug erzählen, wie Sie es jetzt gerade gemacht ha­ben. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.48


21.48.54

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, den vorliegenden Bericht III-835 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer das tut, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen der Kennt­nisnahme. – Ich weiß, es ist schon spät, aber jetzt haben wir eine klare Mehrheit, und damit ist der Bericht zur Kenntnis genommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „strengere Strafen für Klimakleber“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes - - (Abg. Krainer: Es wurde eine namentliche Abstimmung verlangt! – Weitere Rufe: Namentliche Abstim­mung! Namentliche!) – Danke für den Hinweis. (Ruf bei der SPÖ: Es ist wirklich schon spät!)

Es ist dazu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstimmung durchzuführen. Daher gehe ich so vor.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 483

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich in Ihren Laden, sie tragen die Bezeichnung „Ja“ beziehungsweise „Nein“. Sie kennen das Prozedere. Für die Abstimmung können ausschließlich diese Stimmzettel verwendet werden.

Gemäß der Geschäftsordnung werden die Abgeordneten namentlich aufgerufen, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen – jene, die dem Ent­schließungsantrag der Abgeordneten Rauch, Kolleginnen und Kollegen zustim­men, die „Ja“-Stimmzettel, und jene, die dagegen stimmen, die „Nein“-Stimmzettel. Bitte achten Sie sorgfältig darauf, nur einen Stimmzettel einzu­werfen.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführerin, Frau Abgeordnete Steinacker, mit dem Namensaufruf zu beginnen; Frau Kollegin Ecker wird sie später wie verein­bart dabei ablösen.

Wir können mit dem Namensaufruf beginnen.

*****

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Steinacker und Ecker werfen die Abgeordneten den Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich darf die damit beauftragten Bediensteten des Hauses bitten, nunmehr unter Aufsicht der Schriftführer die Stimmenzählung vorzunehmen.

Ich unterbreche zu diesem Zweck die Sitzung für einige Minuten.

21.56.31*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 21.56 Uhr unterbrochen und um 22.02 Uhr wieder aufgenommen.)

22.02.33*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 484

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder aufnehmen ich darf Sie ersuchen, wieder Platz zu nehmen – und darf das Abstimmungsergebnis bekannt geben:

Abgegebene Stimmen: 163; davon „Ja“-Stimmen: 25, „Nein“-Stimmen: 138.

Somit ist der Antrag abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Angerer;

Belakowitsch Dagmar, Brückl;

Deimek;

Ecker Rosa;

Fuchs;

Graf Martin;

Hafenecker;

Kainz, Kaniak, Kassegger;

Lausch;

Mühlberghuber;

Ragger, Rauch Walter, Reifenberger, Ries Christian;

Schmiedlechner, Spalt, Schrangl, Stefan, Steger Petra;

Wurm;

Zanger Wolfgang.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 485

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Baumgartner, Bayr, Becher, Berlakovich Nikolaus, Bernhard, Brandstätter Helmut, Brandstötter Henrike, Brandweiner, Bürstmayr;

Deckenbacher, Diesner-Wais, Disoski, Doppelbauer, Drobits;

Ecker Cornelia, Egger Kurt, Einwallner, El-Nagashi, Engelberg, Erasim, Ernst-Dziedzic, Eßl;

Fiedler, Fischer;

Gahr, Gerstl, Gödl, Götze, Graf Tanja, Greiner Karin, Großbauer, Grünberg;

Hamann Sibylle, Hammer Lukas, Hammer Michael, Hanger Andreas, Haubner, Hechenberger, Himmelbauer, Hintner, Höfinger Johann, Hofinger Manfred, Holz­leitner, Holzner, Hörl, Hoyos-Trauttmansdorff;

Jachs, Jeitler-Cincelli;

Kaufmann, Keck, Kirchbaumer, Köchl, Köllner, Kollross, Kopf, Koza, Krainer Kai Jan, Krisper, Kucher Philip, Kugler Gudrun, Kühberger, Künsberg Sarre;

Laimer, Leichtfried, Lercher, Lindinger, Lindner, Litschauer, Loacker, Lopatka;

Marchetti, Margreiter, Matznetter, Maurer, Melchior, Minnich, Muchitsch;

Neßler, Neumann-Hartberger, Niss Maria Theresia, Nussbaum;

Obernosterer, Oberrauner, Ofenauer Friedrich, Ottenschläger, Oxonitsch;

Pfurtscheller, Pöttinger, Prammer, Prinz;

Rausch Bettina, Reimon, Reiter, Rendi-Wagner, Ribo, Rössler;

Salzmann, Saxinger, Schallmeiner, Scharzenberger, Schatz, Scherak, Scheucher-Pichler, Schmidhofer, Schmuckenschlager, Schnabel, Schroll, Schwarz, Shetty, Sieber


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 486

Norbert, Silvan, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Sobotka, Stammler, Stark, Steinacker, Stocker, Stöger Alois, Stögmüller, Strasser;

Tanda, Tanzler, Taschner, Tomaselli, Totter, Troch;

Weber, Weratschnig, Werner, Wimmer Petra, Wimmer Rainer, Wöginger;

Yildirim;

Zarits Christoph, Zopf, Zorba.

*****

22.03.0211. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (1901 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 ge­ändert wird (1938 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist wiederum Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr, Herr Ab­geordneter.


22.03.22

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Wir diskutieren jetzt das Umweltverträglich­keitsprüfungsgesetz Neu, das Sie vonseiten der Bundesregierung hier aufs Tableau gebracht haben, und Sie fordern in Österreich mehr Windkraft, also dass die Verfahren schneller vonstattengehen sollen und dass es in Österreich wesentlich schneller mehr Windräder gibt, und, und, und. Das ist Ihr Ziel. – Gut.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 487

Wo aber möchten Sie diese Windräder? Wenn man das Beispiel in Kärnten hernimmt: In Kärnten allein wollen Sie in den nächsten Jahren 140 Windräder aufstellen. 140! Jetzt ist aber die spannende Frage: Wo sollen diese Windräder genau platziert werden? – Auf den Bergen, auf den Al­men, in unserer geschützten Naturlandschaft. Sie opfern also im Endeffekt alles dem Klimaschutz, ordnen diesem alles unter, sowohl den Naturschutz als auch den Umweltschutz. Das ist der Punkt in dieser Lage: dass Sie hergehen und alles dafür tun, um einzig und allein nur die Windkraft in unserer Naturland­schaft, in unserer Umwelt, das heißt auf den Bergen und auf den Almen, zu platzieren.

Was heißt das genau? – Das heißt im Endeffekt: Ausbau der Straßen. Wie wer­den die Schwertransporter und die Lastenkräne auf die Almen kommen? Wie werden die Schwertransporter und die Lastenkräne auf unsere Berge kom­men? –Das heißt: Ausbau von Straßen. – Erster Punkt.

Der zweite Punkt ist nicht nur der Ausbau der Straßen, sondern es müssen auch Wälder gerodet werden. Es müssen auch Wälder gerodet werden! Das ist also kontraproduktiv, ist genau konträr zu dem, was Sie in allen Bereichen bis jetzt gefordert haben – und das möchten Sie in Kärnten 140 Mal umsetzen. Na gute Nacht, Frau Bundesminister, gute Nacht! (Beifall bei der FPÖ.)

Das soll der einzige wahre Weg sein, dass wir dafür hier ein neues Gesetz ma­chen und dementsprechend hier diese Technologie forcieren?!

Wenn wir bei der Technologie sind, dann ist ja auch Folgendes spannend: Sie verurteilen und kritisieren die Abhängigkeit von russischem Gas. Sie kritisie­ren dieses System, dieses totalitäre System in Russland und dass wir aus die­sem Bereich Gas beziehen. Jetzt frage ich mich aber: Wo kommen die Rohstoffe für diese Windräder her? – Aus China! Und das soll ein besseres System sein? (Abg. Lukas Hammer – erheitert –: Sogar der Wind kommt aus China!) Sie wie­gen das eine gegenüber dem anderen auf, und im Endeffekt begeben Sie sich


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 488

von einer Abhängigkeit in die andere, das ist das Hauptproblem. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lukas Hammer: ... kommt der Wind sogar aus Afrika!)

Das Thema ist: Es fehlt Ihnen in diesem Bereich der Zusammenhang (Heiterkeit der Abgeordneten Lukas Hammer und Schallmeiner), und das ist das Haupt­problem. Es wird natürlich in dieser Art und Weise schwierig, darüber sachlich und auch effizient mit Ihnen zu diskutieren, weil es eine rein ideologisch ge­triebene Diskussion ist (Ruf bei den Grünen: Moskau! Moskau!), und das macht das Ganze natürlich schwierig.

Weil wir aber beim UVP-Verfahren sind – schade, dass Herr Kollege Leichtfried nicht da ist –: Es gibt ja in der Steiermark einen sehr, sehr spannenden Skan­dal betreffend die UVP-Verfahren, und Herr Kollege Leichtfried war ja einmal in der Steiermark als Landesrat für Umwelt zuständig. Er hat sich heute hier am Rednerpult so als Moralapostel aufgestellt, aber er sollte einmal vor seiner eigenen Haustür kehren, denn in diesem Bereich, in dieser Abteilung, wo er einmal als Landesrat zuständig war, haben der nächste Landesrat, der jetzige Landeshauptmannstellvertreter Lang, und jetzt Frau Landesrätin Lackner, alle von der SPÖ-Fraktion, einen massiven Skandal (Abg. Lukas Hammer: Redest du von der Grazer FPÖ, oder?) mit bezahlten UVP-Verfahren, mit einer Ge­schichte, die in der steirischen Landesverwaltung ihresgleichen sucht – das hat es noch nie gegeben, ein Sauhaufen ohne Ende. Ich hoffe, dass auch dort die SPÖ einmal vor ihrer eigenen Haustüre kehrt. (Beifall bei der FPÖ.)

22.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte.


22.07.45

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Das war jetzt zwar nicht viel zum UVP-Gesetz, aber vielleicht kann man das jetzt nachholen. Das tue ich sehr gerne, denn die UVP-Novelle, die heute zur Diskussion steht, knüpft nahtlos an die heutige


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Europastunde an, nämlich insofern, als es darum geht, die Energiewende und einen nachhaltigen und klimaverträglichen Wirtschafts- und Lebensstil rasch voranzubringen. Genau das ist das wesentliche Merkmal dieser wunderbaren UVP-Novelle, die wir heute hier beschließen werden.

Das UVP-Verfahren, die Umweltverträglichkeitsprüfung, ist die Schnittstelle, die wichtigste Schnittstelle zur Umsetzung von größeren Projekten, aber jetzt natürlich ganz klar zur Beschleunigung, zur Umsetzung der Energiewende, vor­rangig für Windprojekte, aber natürlich auch für den wichtigen Bahnausbau und auch für den Netzausbau.

Das wichtige Thema der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Prüfung der Umweltauswirkungen, nämlich der Auswirkungen auf Mensch, Natur, Luft, Wasser und jetzt ganz vorrangig auf das Klima und vor allem auf den Bodenverbrauch, der Gegenstand von einem der zentralen Anliegen dieser Novelle ist.

Das konzentrierte Verfahren wurde in einigen entscheidenden Punkten verbes­sert. Der Vorteil des konzentrierten Verfahrens: Es gibt eine Behördenzu­ständigkeit, in der Regel eine Person, die die Verfahren koordiniert. Für den Pro­jektwerber hat das den Vorteil, dass es nur eine Ansprechperson braucht. Die Verbesserungen, zu denen es hier kommt, sind in erster Linie, dass es zu einem zügigeren Verfahren kommt und es eine qualitätsvolle Vorbereitung gibt. Es geht darum, die Planung und die Vollständigkeit der Unterlagen zu einem frühen Zeitpunkt sicherzustellen, um dann zügig in das Verfahren zu starten, und vor allem auch Doppelprüfungen zu vermeiden.

Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang damit, dass Projekte der Energiewende zügiger, schneller und effizienter im Verfahren durchgebracht werden kön­nen, ist die Annahme des hohen öffentlichen Interesses. Es braucht dafür nicht extra einen Nachweis, sondern dieses wird für eine bestimmte, definierte Art von Projekten von vornherein vorausgesetzt.


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Da zeigt sich der starke Bezug zur Energieraumplanung, und da muss ich noch einmal das von Kollegen Rauch Gesagte in Erinnerung rufen: Das Thema Windkraft löst man natürlich durch eine fachlich fundierte Energieraumplanung und nicht durch beliebige Zahlen, die irgendwo durch die Luft schwirren; das ist das Wesen von Energieraumplanung. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Bernhard. – Zwischenruf des Abg. Angerer.) Da werden natürlich nicht die Almen, die Berge und die Schutzgebiete geopfert. Das hat eine fachliche Basis – vielleicht auch dort, wo der Wind weht, denn das wäre gut, wenn man das bei der Windkraft dazunimmt –, es gibt eine Zonierungsplanung mit Vorrangflä­chen, mit Ausschlusszonen, das wird klug geplant und muss auch gut erreich­bar sein. Und es wird nicht in 3 000 Meter Höhe irgendwo ein Windrad geplant werden. Das lässt sich also lösen, lieber Kollege Rauch. (Abg. Angerer: Aber genau dort werden sie geplant ...!)

Das zentrale Anliegen, das mir besonders wichtig ist, ist, dass der Bodenschutz einen richtig starken Stellenwert in dieser Novelle bekommen hat, weil: Bo­denschutz ist Klimaschutz, Bodenschutz ist Naturschutz, Bodenschutz ist Schutz von landwirtschaftlichen Flächen. Der Bodenschutz ist der Hebel für den Kli­maschutz, und genau dort setzen wir mit dieser wunderbaren Novelle an. Der Bodenschutz wurde richtig aufgewertet, und zwar mit der besonderen Prü­fung von flächenintensiven Projekten, genau dort, wo wir ansetzen müssen: Gewerbeparks, Industrieparks, Einkaufszentren – überall mit diesen Asphaltwüs­ten –, Logistikzentren, Hoteldörfer, Chaletdörfer, flächenintensive Projekte, die so viel wertvollen Boden verschlucken, und Parkplätze ab 1 Hektar. Das ist schon ein ganz großer Wurf geworden.

Teil der Planung und der Einreichunterlagen ist ab jetzt das Bodenschutzkon­zept, bei dem man sich im Detail damit auseinandersetzen muss: Wie viel Versiegelung ist notwendig? Wo kann gespart werden? Wo kann mit einer klugen Bebauung, aber auch mit Ausgleichsmaßnahmen, mit Verbesse­rungsmaßnahmen tatsächlich endlich etwas für den Bodenschutz und gegen den maßlosen Flächenfraß – in Österreich 12 Hektar pro Tag, das ist untragbar! –


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gemacht werden? Das ist ein großer Hebel für den Klimaschutz. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Bernhard.)

Das heißt, wir haben hier eine wunderbare Novelle zum Beschluss vorliegen, sie sorgt für eine Beschleunigung der Verfahren und schreibt die Verpflichtung zum Bodenschutz in all diesen großen Verfahren fest. Ein großer Dank nicht nur an die Frau Bundesministerin, sondern auch an das großartige Team aus der Umweltabteilung – Waltraud Petek ist heute hier, das freut mich beson­ders –, ein Supersuperteam mit so viel Erfahrung und Expertise. Das macht rich­tig Freude, so ein Gesetz heute hier zu beschließen. Großer Dank! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Gewessler. – Bitte sehr.


22.12.30

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, da kann ich wirk­lich gleich nahtlos anschließen. Wir diskutieren in diesem Haus ja regelmäßig Klimaschutzgesetze. Viele haben wir schon beschlossen, manche verhandeln Sie gerade – eine Zweidrittelmehrheit für das Energieeffizienzgesetz, das Erneu­erbare-Wärme-Gesetz –, und es ist jedes Mal ein großer Grund zur Freu­de, wenn ich hier stehen kann und um Ihre Zustimmung werben darf. Heute ist es wirklich auch ein ganz besonderer Grund zur Freude, weil dieses Gesetz ein freudiger Anlass für alle ist, die die Energiewende vorantreiben wollen (Zwi­schenruf bei der SPÖ), und – nicht zu vergessen – für alle, denen der Boden­schutz am Herzen liegt.

Sie haben das von mir schon öfter gehört und gerade im letzten Jahr öfter gehört: Wir haben im vergangenen Jahr auf dramatische Art und Weise erfahren müssen, was es heißt, im Energiesystem, in der Energieversorgung abhängig


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zu sein. Wir sind abhängig, weil wir immer noch viel zu viel an Importen benöti­gen, allen voran Importe von Erdgas aus Russland. Wenn diese Lieferungen ausbleiben, dann sorgt das für Unsicherheit, dann treibt das Preise, dann belastet das die Menschen in unserem Land, die Unternehmen in unserem Land.

Wir können das ändern, indem wir Energie selbst erzeugen, indem wir Sonne, Wind, Wasser, Biomasse in unserem Land nützen und daraus Strom erzeu­gen, weil uns damit niemand erpressen kann. Die Sonne schickt uns keine Rech­nung, der Wind schickt uns keine Rechnung. Wladimir Putin tut das, er schickt uns eine teure Rechnung. (Abg. Erasim: Aber der schickt noch 40 Jahre lang Rechnungen!) Deswegen hat die Energiewende Priorität (neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Erasim) und deswegen müssen wir sie auch so schnell wie mög­lich umsetzen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – auch das ist ein Klima­schutzgesetz, das Sie in diesem Haus beschlossen haben – die Grundlage für die Förderung geschaffen. Mit dieser Novelle des Umweltverträglichkeitsprü­fungsgesetzes machen wir jetzt den nächsten logischen Schritt. Diese Novelle ist die Basis für einen Erneuerbaren-Turbo in Österreich. Wir werden künftig mit guten, aber effizienten Verfahren dafür sorgen, dass man Windparks, aber auch Pumpspeicherkraftwerke, die zugehörige Netzinfrastruktur, also Ener­giewendevorhaben, schneller bauen kann.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung bringt nämlich eine Überholspur für die Energiewende. Das gelingt, weil wir der Energiewende ein hohes öffentliches In­teresse einräumen, ihr im Verfahren einen besonderen Stellenwert geben. Dazu gehört auch eine bessere Struktur im Verfahren, von der alle Beteiligten profitieren, und die Sicherheit gerade auch für Projektwerberinnen und Projektwerber, dass eine Blankobeschwerde nicht mehr automatisch eine auf­schiebende Wirkung hat.

Ich möchte auf ein paar zentrale Punkte der Novelle eingehen. Wir wollen sicherstellen, dass in Zukunft eine fehlende Energieraumplanung in einzelnen


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Bundesländern nicht mehr den Ausbau der Windkraft verzögert, sondern dass man dort Projekte auch dann umsetzen kann, wenn man die Zustimmung der Gemeinde hat, mit der man dann ein Windkraftwerk zur UVP-Genehmigung einreichen kann, auch wenn es keine Energieraumplanung gibt. Wir sorgen dafür, dass es keine mühsamen Doppelprüfungen mehr gibt. Wenn das Land­schaftsbild schon in der Energieraumplanung geprüft wurde, dann müssen wir das im Einzelverfahren nicht noch einmal tun. Das spart Zeit und das spart Ressourcen.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal eines klarstellen: Viele Länder, viele Unternehmen, viele Gemeinden, viele Bürgermeisterinnen und Bür­germeister, viele Menschen in unserem Land arbeiten teilweise seit Jahrzehnten an der Umsetzung der Energiewende, und mit dieser neuen Umweltver­träglichkeitsprüfung, mit dieser Novelle wollen wir genau diese Menschen un­terstützen, ihre Arbeit unterstützen, ihre Arbeit ernst nehmen, denn sie sind wichtige Partnerinnen und Partner in der Energiewende.

Sie sollen und sie können mitreden, aber gerade die Vorreiterinnen und Vor­reiter, egal ob es die Gemeinden sind, ob es die Länder sind, haben es sich verdient, dass nicht ein paar Einzelne die Energiewende blockieren können, denn dafür fehlt ihnen das Verständnis, dafür fehlt mir das Verständnis, dafür fehlt uns allen die Zeit, und mit diesem Gesetz ist das in Zukunft auch nicht mehr möglich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alle, die mitgestalten wollen, alle, die sich konstruktiv einbringen, alle, die an einer erneuerbaren Stromzukunft bauen, profitieren von diesem Gesetz, profitieren von dieser Überholspur. Den einzelnen Wenigen, die das verhindern wollen, nehmen wir die Blockadeinstrumente aus der Hand, denn es geht dabei um uns alle, es geht um den Schutz unseres Klimas, es geht um günstige Energiepreise durch heimischen Ökostrom, es geht um unsere Unabhän­gigkeit, um unseren Wirtschaftsstandort, um unsere Versorgungssicherheit, und genau darum braucht es diese Novelle. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)


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Ich möchte auch noch die Verbesserungen im Bereich Bodenschutz hervorhe­ben, denn es ist tatsächlich so, dass uns in Österreich der Schutz von un­versiegelten Flächen vor riesige Herausforderungen stellt. Es gibt noch immer eine viel zu hohe Flächeninanspruchnahme, damit verschwinden nicht nur wertvolle Grünflächen, sondern im Fall von Versiegelung verschwinden auch Versickerungsflächen als Schutz vor Hochwasserereignissen. Vor allem dienen natürlich auch alle unversiegelten Flächen und Grünflächen der Lebens­mittelproduktion oder als Naherholungsgebiete, einfach als Lebensraum für Menschen, für Tiere, für Pflanzen. Darum wird bei Großprojekten ab sofort auf eine möglichst geringe Versiegelung geachtet. Das wird in den Fokus ge­rückt, und das geschieht eben am besten schon in der Planungsphase – wenn man sich in der Planungsphase von Projekten überlegt, wie man den Bo­denschutz in diesem Projekt wirklich ernst nehmen kann. Deswegen braucht jedes neue Projekt ein Bodenschutzkonzept, das einen möglichst gerin­gen Bodenverbrauch sicherstellt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abgeordnete Rössler hat es schon erwähnt: Wir werden auch Schwellenwerte für besonders flächenintensive Vorhaben entweder erstmals festlegen oder absenken. Es gibt klare und strengere Regeln, wann für Logistikzentren, große Parkplätze oder Hotel- und Chaletdörfer auf der grünen Wiese eine UVP durchgeführt werden muss.

Ich bin der festen Überzeugung, dieses Gesetz ist ein großer und ein wichtiger Schritt für unser Land. Ich möchte mich auch dem Dank anschließen. Dan­ke an alle, die mitgeholfen haben, dass wir dieses Gesetz heute – ich werbe auch hier wieder dafür – mit hoffentlich sehr breiter Zustimmung durch den Na­tionalrat auf den Weg schicken. Danke an die Expertinnen und Experten, die in den Arbeitsgruppen die praktischen Probleme aufgezeigt haben und Vor­schläge eingebracht haben, und Danke vor allem auch an das Team im Ministe­rium – Sektionschefstellvertreterin Waltraud Petek ist heute auch hier –, das diese Novelle mit auf den Weg gebracht hat, ein großes Danke meinerseits.


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Ich hoffe sehr, dass es mit breiter Zustimmung belohnt wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dei­mek. – Bitte.


22.19.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Wir diskutieren die vorgelegte UVP-Gesetzesnovelle. Diese hätte ja ein paar grundsätzlich nicht so schlechte Ansätze. Aufgrund von anhängigen
EU-Vertragsverletzungsverfahren waren die Beschleunigung und die Ver­fahrenseffizienz im Vordergrund und dazu noch, dass Projekte für den Klimaschutz, für erneuerbare Energien schneller ablaufen können. – So weit der gute Wille.

Was dann kam, ist auch das, was bezeichnend für das ganze Ressort ist, was bezeichnend für Ihre Arbeit, Frau Ministerin, ist. Die Frage ist: Alle? Werden alle Erneuerbaren-Energie- und Klimaschutzprojekte beschleunigt oder gibt es auch welche, die im ursprünglichen Ansatz nicht hätten beschleunigt werden sollen? Ich denke dabei zum Beispiel an Verkehrswege, an Schienen­trassen. Da mussten Ihnen eine kleine Salzburger Regionalbahngesell­schaft, konkret die S-Link, und im Nachgang auch noch die ÖBB sagen, dass es eigentlich auch zum Klimaschutz gehört, wenn man statt Straßen öffentli­che Verkehrswege, wenn man Schienenwege baut.

Wie schaut das mit den Stromnetzen aus, wo es bewusst diverse Bürgerinitiati­ven gibt, die die Stromnetze nicht ausgebaut haben wollen? Wie schaut das mit den Speicherkraftwerken aus? – Wir geben auf der einen Seite den Bür­gerinitiativen überall Parteienstellung und sind hinterher überrascht, wenn die Verfahren nicht so schnell ablaufen, wie sie ablaufen sollen. Ganz ehrlich: Die erfreulich straffere Strukturierung der Verfahren wurde mit der Kontrapro-


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duktivität der Erweiterung von Einspruchsmöglichkeiten von Projektgegnern ver­bunden – natürlich in der früheren Phase, aber trotzdem: Ermöglicht ist ermöglicht. Und wie man am Beispiel Molln sieht, werden die das auch ausgiebig nützen, und seien es ein paar grüne Gemeinderäte, die auf die Schnelle eine Organisation gründen.

Genau in diesem Punkt haben Sie auch Kritik bekommen. Ich zitiere zum Beispiel den oberösterreichischen Umweltanwalt. Der hatte betreffend Bundeslän­der Bedenken wegen der Verfassungskonformität und hat Ihnen konkret in sei­ner Stellungnahme Beratungsresistenz vorgeworfen. Das möchte ich auch einmal bei einer Stellungnahme von einem Umweltanwalt haben, dass er der Umweltministerin Beratungsresistenz vorwirft.

Ein Punkt sei schon noch erwähnt: Frau Bundesminister, haben Sie ein Problem mit Gesetzen und der Verfassung? Glauben Sie, dass sich die Bundesländer das gefallen lassen, dass Sie denen vom Bund aus in ihre Bereiche reinregieren, sei es im Umweltschutz, im Naturschutz oder sei es in der Raumplanung, die Sie von oben her overrulen wollen? (Abg. Lukas Hammer: ... ein bisschen mutiger als ihr!) Ich „freue“ mich – unter Anführungszeichen – auf die Verfahren, die da noch auf Ihr Ministerium und auf Sie zukommen. Und ganz ehrlich gesagt: So stellen wir uns Umweltpolitik nicht vor. (Beifall bei der FPÖ.)

Noch ein Wort zur Frau Kollegin Rössler: Nein, auf 3 000 Meter wird jetzt gar nichts gemacht! Ich zeige Ihnen etwas: Kärnten, Lavanttal, 1 450 Meter. (Der Redner hält die vergrößerte Kopie eines Fotos in die Höhe, auf der ein im Bau befindliches Windrad in einem Wald zu sehen ist.) Sehen Sie, wie klein die Menschen, die Autos sind? (Abg. Bernhard: Kannst du es ein bisschen größer ma­chen? Ich sehe nichts!) Interessant auch für Herrn Landeshauptmann Kaiser. Da wird gebaut – mit schweren Eingriffen in die Natur, mit schweren Eingriffen, die irreversibel sind, aber all das natürlich von der Frau Umweltministerin unterstützt.


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Meine Damen und Herren, so stellen wir uns eine Gesetzwerdung nicht vor, so stellen wir uns nicht vor, dass Natur und Umwelt geschützt werden. Wir brauchen schnellere Verfahren, wir brauchen eine vernünftige Umweltpolitik. Wir wollen keine Kleberkrawalle und wir wollen keinen Verfassungsbruch. (Beifall bei der FPÖ.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lai­mer. – Bitte.


22.23.55

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Damen und Herren! Hohes Haus! Ein Umstieg auf erneuerbare Energie ist die Chance, jetzt eine bessere und lebenswertere Welt und eine bessere Zukunft für alle zu schaffen. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen führt zu geo­politischen Konflikten und zu stark schwankenden Energiepreisen, wie wir es in den letzten Monaten auf drastische Art und Weise lernen und erleben mussten. Der Ausbau erneuerbarer Energie soll, muss vorangetrieben werden, auch weil wir als Vertreter dieser Republik dazu gewählt wurden, Refor­men auch durchzusetzen, um die globale Herausforderung Energiewende zu schaffen. Das wird allerdings nur unter Beantwortung der sozialen Frage gelingen. Als Antwort auf die Klima- und Energiekrise ist es somit essenziell, den Ausbau erneuerbarer Energien rasch und effizient voranzutreiben.

Die vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz-Novelle enthält deutliche Fortschritte, gute Ansätze und Absichten, aber leider bleibt sie auf halbem Weg stehen. Obwohl es wie erwähnt gute Absichten gibt, werden einige wichtige Punkte, wie beispielsweise der bundesweite Pool für Sachverstän­dige, auf das angekündigte Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz abge­schoben. Ob und wann es kommt, sei dahingestellt, angekündigt wurde schon sehr viel in dieser doch hochkomplexen Materie.


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Die fehlenden personellen Ressourcen bei den Behörden und fehlende Planungskoordination stellen ein großes Problem für erfolgreiche Projekte dar. Beschleunigungsmaßnahmen können dieses Problem nicht lösen, da eine gründliche Planung von Infrastrukturprojekten zwingend notwendig ist.

Die Bundesregierung muss sich klar zu Klimaschutz und Klimaneutralität 2040 bekennen. So weit, so gut. Die Klima- und Energieziele werden vor allem auf regionaler und lokaler Ebene umgesetzt. Es liegt auch am lokalen Politikwil­len, den Ausbau von erneuerbaren Energien positiv voranzutreiben. Da gibt es Vorbilder, denn Windräder sind die Windmühlen 2.0, und diese stehen bereits seit über 4 000 Jahren auf Mutter Erde.

Beim Thema Windkraft ist in Österreich ein deutliches Ost-West-Gefälle zu be­obachten: im Burgenland 400 Windkraftanlagen, in Niederösterreich 700 Windkraftanlagen. Meine Heimatstadt St. Pölten ist die Windradhauptstadt Österreichs. In Tirol, in Vorarlberg: null Windräder, null, und das trotz grü­ner Beteiligung.

Die vorliegende UVP-Gesetzesnovelle ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Wir werden dabei auf ein verbindliches, effizientes, nachvollziehbares und wir­kungsvolles Klimaschutzgesetz pochen und darauf Wert legen. Das fehlende Kli­maschutzgesetz ist nicht nur ein Wermutstropfen, es ist eine Schande, weil es den ökologischen Fortschritt Österreichs hemmt. Unsere Energiezukunft in die Hand zu nehmen und nachhaltig auszubauen ist jetzt geboten, meine Damen und Herren! Tempo ist wahrlich angesagt, die Klimauhr tickt unerbittlich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.


22.28.03

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Wir beschließen heute


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nach vielen Klimaschutzgesetzen, die wir hier herinnen schon gemeinsam be­schlossen haben, ein weiteres Klimaschutzgesetz in der Form des Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetzes. Es ist auch absolut an der Zeit. Wir haben es vorhin gehört: Am 3.3. gibt es wieder weltweite Klimastreiks, Menschen ge­hen auf die Straße, um auf dieses globale Thema aufmerksam zu machen. Und die nationalen Staaten müssen Antworten finden.

Oft wird kritisiert, dass wir in Österreich kein Klimaschutzgesetz haben. Vorhin haben wir es auch in einer Debatte gehört: Der weltweite Klimastreik findet statt, weil es in Österreich kein Klimaschutzgesetz gibt. Also das ist ein bisschen eine Übertreibung, würde ich fast sagen. Wir sehen ja mit den Einzelmaß­nahmen, die wir umsetzen, wie viel wir machen. Wir haben hier wirklich auch eine Vorreiterrolle innerhalb Europas, aber auch darüber hinaus. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Ich glaube, wir müssen aber auch all diese Themen genau betrachten und uns ansehen: Was steckt dahinter? Wo gehen wir in welche Richtung? Welche Verantwortung haben auch viele Proponenten all dieser Bewegungen? Ich denke da an Greta Thunberg, die in der jüngeren Vergangenheit mit ein paar frag­würdigen Auftritten pro Atom, einer Aktion gegen Windräder und einer sehr me­dienwirksamen, eigenartigen Aktion in Lützerath in Deutschland aufgefallen ist, wozu ich sage, das ist der Sache nicht immer dienlich, denn wir müssen die gesamte Frage des Klimawandels, Reduktion von CO2, hin zu erneuerba­ren Energien absolut technologieoffen diskutieren und dürfen hier wirklich nichts ausschließen, um die Ziele letztendlich zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der hohe Anspruch des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes ist es ja letztendlich, nicht Naturschutz versus Klimaschutz zu sehen, sondern das Ganze zusammenzubringen, wirklich die Interessen zu erkennen, aber letztendlich vor allem auch Rechte zu wahren.

Ich möchte nur eines sagen, weil vorhin das Bild mit den Windrädern – typi­scherweise, komisch, ein Zufall: aus Kärnten – gezeigt wurde und die


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große Angst ist, wie viele Bäume geschlagen wurden, damit da ein Windrad ste­hen kann: Na bitte, dann machen wir das nicht, dann machen wir weiter so, aber dann darf ich Sie recht herzlich einladen, wenn Sie seitens der freiheitlichen Fraktion eine solche Sorge um den Wald haben, kommen Sie ins Waldviertel, schauen Sie sich das Klimaopfer Wald im Waldviertel an, wo wir mit dem Borkenkäfer Kalamitäten aufgrund des Klimawandels, enorme Einbußen in ei­nem gesamten Landstrich haben. Das geht bis ins Mühlviertel hinauf. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Dort sind schon mehr Bäume gefallen, als jemals durch ein Windrad fallen werden, also bitte, bleiben Sie doch realistisch! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie sollten nicht eines gegen das andere ausspielen – und genau das Umwelt­verträglichkeitsprüfungsgesetz macht das: Rechte der verschiedensten Beteiligten zu wahren – das ist ganz, ganz wichtig –, aber trotzdem mit dem großen Ziel der Beschleunigung, um bei Verfahren und vor allem bei den klimarelevanten Maßnahmen schneller unterwegs zu sein.

Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir da das Prinzip der Subsidiarität wahren, dass natürlich vor Ort entschieden wird, dass die volle Parteienstellung weiterhin gegeben ist und dass natürlich auch entsprechend der Flächenwidmung vor­gegangen wird. Wir brauchen Beschleunigung, wir müssen sozusagen den Motor einschalten. Das machen wir mit diesem Gesetz, und ich bin froh, dass das hier viele Fraktionen mittragen.

Es wird oft, wenn die vernünftigeren Kräfte in diesem Parlament gemeinsam etwas beschließen, von Einheitspartei gesprochen. Ich würde es eher umdrehen: Wer meistens dagegen ist, wenn es um die Zukunft geht, ist die Einheitspar­tei der Freiheitlichen (Abg. Angerer: Das haben wir ja bei Corona gesehen!), denn Sie stellen sich gegen den Fortschritt, Sie stellen sich gegen die Bevölkerung, und das ist etwas, wozu ich Ihnen ganz ehrlich sagen muss: Populismus ist immer eine kurzlebige Sache. Freuen Sie sich über den Zuspruch, den Sie jetzt ha­ben, aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Nachhaltig ist diese Politik nicht. (Beifall bei


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der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Angerer: Populismus wird nie aussterben!)

22.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bern­hard. – Bitte sehr.


22.32.29

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Immer wenn man nach Kollegen Schmuckenschlager ans Rednerpult kommt (Ruf bei der ÖVP: Wird’s schwierig!), ist man geneigt, gleich einmal eine kleine Korrektur vorzunehmen. Herr Kollege Schmuckenschlager, wenn Sie jetzt daherkommen und sagen, Sie sind plötzlich der Frontrunner, der Gipfelstürmer des Kli­maschutzes und ganz vorne mit dabei (Abg. Obernosterer: Ja, richtig, so ist es! –weiterer Ruf bei der ÖVP: Ist ja so!), dann muss man das ein bisschen in Re­lation setzen.

Sie haben sich als ÖVP hinsichtlich Klimaschutz jahrzehntelang im Bus ganz hin­ten hingesetzt. Sie waren so weit hinten in der Europäischen Union, als Sie eine neue Koalition eingegangen sind, dass es relativ einfach war, zu beschleunigen – denn hinter Ihnen war einfach niemand mehr. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Wenn man sich das Klimaranking anschaut, das jährlich erhoben wird, was die Maßnahmen, die Ambitionen und die Wirksamkeit der Klimapolitik betrifft: Wissen Sie, wer vor uns ist? – Das ist jetzt kein Shaming von Ländern auf ande­ren Kontinenten, aber: China ist vor uns. Weißrussland ist vor uns. Thailand ist vor uns. Argentinien ist vor uns. Brasilien ist vor uns. Ägypten ist vor uns. Es ist also jetzt nicht so, dass Österreich wirklich so weit vorne ist. Wenn Sie in dem Tempo weitermachen, sind Sie sogar zu langsam, um damit an die Wand zu fahren, muss man ehrlich sagen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Mehr inhaltlich jetzt aber zur Umweltverträglichkeitsprüfung: Frau Ministerin, da gibt es zwei Dinge, die wir dazu sagen wollen: Wir tragen diese Novelle mit, denn sie beinhaltet viele konkrete und gute Verbesserungen, damit Verfahren in Zukunft kürzer sein werden und auch der Bodenverbrauch ein geringerer sein wird. Aus diesem Grund unterstützen wir die Novelle. Es ist aber auch rat­sam, sich sozusagen einen Blick zu gönnen und zu fragen, wie diese denn entstanden ist.

Sie haben den Krieg in der Ukraine, den Angriffskrieg in der Ukraine ange­sprochen. Sie haben angesprochen, dass wir noch immer zu viel Geld nach Russ­land überweisen. 7 Milliarden Euro waren es, die wir seit Ausbruch des Krie­ges weiter nach Russland überwiesen haben. Während andere Staaten entschlossen gehandelt haben, beispielsweise Deutschland – Deutschland hat zwei Monate nach Ausbruch des Krieges ein Paket zur Entbürokratisierung der Erneuerbaren auf den Weg gebracht –, sagen Sie, die entschlosse­ne Geschwindigkeit in Österreich sind zwölf Monate. – Das sind plus zehn Monate im Vergleich zu den deutschen Kollegen. Das schaut nicht sehr entschlossen aus.

Das bedeutet nämlich, dass wir, wenn wir heute diese Novelle beschließen, weitere Monate verlieren, bis es eine Wirksamkeit bei den Projekten gibt. Das bedeutet, über Monate überweisen wir weiterhin Geld nach Russland, weil Sie zu langsam in Ihrer Regierungsarbeit sind. Das geht deutlich besser.

Ein zweiter Punkt, das möchte ich auch gerne anmerken: Es war nicht ganz freiwillig. Es mag sein, dass man mit der ÖVP hart verhandeln musste, aber es war nicht quasi die großartige Regierungsarbeit, die da wirklich mit Ent­schlossenheit vonstattengegangen ist, sondern es war unter anderem ein Brief, der von WWF und Global 2000 an die Bundesregierung gerichtet worden ist, es waren namhafte Unternehmen, die die Regierung endlich zum Handeln auf­gefordert haben. Im Dezember des letzten Jahres haben Rewe, Lidl, DM, die Raiffeisenbank, die Erste Bank und 155 andere Unternehmen die Bundesre­gierung aufgefordert, endlich zu arbeiten, endlich etwas zu machen.


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Während also andere europäische Staaten zehn Monate schneller waren, während die Wirtschaft dringend darauf gewartet hat, dass eine Novelle kommt, damit man besser arbeiten kann, feiern Sie sich mit einer deutlichen Verspä­tung total ab. Das verstehen wir als NEOS wirklich nicht. Es ist schon so spät, sonst hätte ich noch deutlich mehr Energie in das ganze Thema reingelegt, aber: Das, was Sie machen, ist zu spät und angesichts dessen, dass Sie so lange gebraucht haben, auch zu wenig. Und am Ende des Tages ist eines noch immer nicht da: Es fehlen ganz, ganz viele andere Gesetze, auch zu anderen Materien, damit wir am Schluss erneuerbare Energie schneller ausbauen können.

Das heißt, wenn Sie jetzt ordentlich Stoff geben – Gas geben sagt man ja heute nicht mehr – und entsprechend beschleunigen, dann kommen wir endlich wieder ins europäische Mittelfeld. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

22.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeord­neter Litschauer. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


22.36.37

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Dann beginne ich vielleicht bei den Kollegen Rauch und Deimek: Sie haben sehr viele Wün­sche. Sie wünschen sich billiges Gas. Das hat Putin – teurer und weniger – schon vor dem Krieg geliefert. (Abg. Deimek: Habe ich das gesagt? – Abg. Rauch: Wer hat das gesagt?) Sie wünschen sich billigen Strom, aber Sie wollen keine Windrä­der. Sie wollen generell weniger zahlen, aber ja keinen Ökostromausbau. (Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Rauch.) Sie agieren nach der Methode: Badet mich, aber macht mich nicht nass!, und so funktioniert es halt nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn ich nach Kärnten schaue – und Kärnten ist ja heute schon einige Male erwähnt worden –, dann sehe ich, dass da auch einer der Grundsteine dafür gelegt worden ist, dass es diese UVP-Novelle gebraucht hat, denn eine


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Sichtbarkeitsverordnung zu machen oder nicht aufzuheben – das trifft genauso die SPÖ, aber auch die Freiheitlichen –, einfach zu verhindern, dass Windkraftwerke in Kärnten gebaut werden, ist ein Zustand, der nicht tole­riert werden kann, und daher ist es ganz gut, wenn die UVP-Novelle da ein neu­es Tool einführt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Angerer: Ja, drüberfahren!)

Wir haben das ja schon gesehen, als die Novelle voriges Jahr angekündigt worden ist, als klar geworden ist, die Widmungsdurchbrechung wird kommen. (Abg. Deimek: ... Zähne ausbeißen! Verfassungsklage!) Interessanterweise kam plötzlich Bewegung in allen Bundesländern in die Debatte der Raumordnung, in die Debatte der Energieraumplanung. Da sind wir jetzt noch nicht ganz fer­tig, da werden wir noch einiges brauchen, auch was den Netzausbau betrifft, aber die Debatte wurde durchaus beschleunigt, und wir müssen natürlich den Ökostromausbau beschleunigen, um unser Ziel 100 Prozent Ökostrom zu erreichen.

Wenn Sie, Herr Kollege Rauch, sagen, die Windkraftanlagen kommen aus China (Abg. Rauch: Die Rohstoffe!): Ich kann es nicht ganz nachvollziehen. Nach mei­nen Informationen kommen die im Wesentlichen aus Deutschland und aus Dä­nemark, mit Zulieferteilen aus Österreich, und ich kann ehrlicherweise nicht nachvollziehen, warum Sie nicht wollen, dass Österreicher für die Energiewende arbeiten, dass Österreicher Kraftwerke erzeugen und österreichischen Strom möglich machen. Warum wollen Sie das nicht? Das sind österreichische Arbeits­plätze, österreichische Wertschöpfung, und die lehnen Sie ab. (Abg. Deimek: Zuhören! Würden Sie mehr zuhören ...!) Sie haben nur nicht erklärt, warum. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Stattdessen wollen Sie lieber weiter aus Russland Energie importieren. Das ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. (Abg. Deimek: Ich glaube, dass Ihnen vieles nicht ganz klar ist!) Wir brauchen das, und die Widmung müssen wir jetzt natürlich auch nutzen. Die Gemeinden haben sehr viel Mitsprache­recht, das wird auch nach der UVP-Novelle nach wie vor weiter so sein, das ist


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auch ganz wichtig. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.) Aber wir können auch nicht zuschauen, wie solche Projekte ständig durch Sichtbarkeits­verordnungen und andere Themen verhindert werden. Aus meiner Erfah­rung binden die Windkraftbetreiber die Gemeinden sehr gut ein. Sie wollen ja die Projekte schnell umsetzen, und das geht am besten, wenn die Gemein­den eingebunden sind. Das ist auch die Erfahrung, die ich gemacht habe: Es wird im Prinzip nicht gegen den Willen der Gemeinden gearbeitet. (Abg. Angerer: Freistadt!) In diesem Sinne müssen wir weitermachen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. (Ruf: Steht aber nicht in der Rednerliste, außer es gibt noch einen anderen!) – Ragger gibt es nur einen. – Bitte. (Abg. Kollross – davon ausgehend, als Nächster zu reden – begibt sich wieder zu seinem Sitzplatz.)


22.40.04

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Wenn man so viele Vorredner hat, dann muss man ein paar Sachen richtigstellen. Ich glaube auch, man sollte schon auf der sachlichen Ebene bleiben, auch wenn die Zeit ein bisschen fortgeschritten ist.

Kollege Deimek hat es angesprochen: Wir haben heute hier eine UVP-Novelle, mit der wir ein konzentriertes Verfahren auf Bundesebene etablieren und verschiedene Bereiche umsetzen wollen. Unser Kritikpunkt ist: Wir haben einen föderalistischen Ansatz, wir haben eine föderalistische Ausrichtung der Bundesländer und des Bundes haben, und wir werden es nicht zulassen– und das werden wir mit allen verfassungsmäßigen Rechten bekämpfen –, dass man heute hergeht und aufgrund einer UVP-Novelle in ein Gemeindegesetz, nämlich das Kärntner Gemeindeplanungsgesetz, eingreift. (Beifall bei der FPÖ.)


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Eines muss nämlich klargestellt sein: Sie können mit einer UVP-Novelle nicht die landesgesetzlichen Regelungen aushebeln, und das muss auch Ihre Sektions­chefin zur Kenntnis nehmen. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.) Sie wis­sen selbst, dass die Raumplanung eine Querschnittsmaterie ist und dass die Raumplanung aus dem Kärntner Gemeindeplanungsgesetz abgeleitet ist. Die Windkraftstandorträume-Verordnung legt ausschließlich den Wert für die landschaftliche Beurteilung fest. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Doppelbauer.) Das hat in Kärnten bis jetzt immer funktioniert. Deswegen hat man auch das Landschaftsbild im öffentlichen Interesse höher bewertet als die Grundlage dessen, die die Windkrafträder darstellen (Abg. Lukas Hammer: Die Stadt Wien hat mehr Windräder als Kärnten!), und wir wollen keine Windkraft­räder in Kärnten haben (Beifall bei der FPÖ), genauso wenig wie die Salzburger, genauso wenig wie die Tiroler und genauso wenig wie die Vorarlberger!

Da muss man auch eines dazusagen, und da können Sie sich an der eigenen Nase nehmen: Ihr alter Landesrat Holub, der ein grüner Abgeordneter war, hat mit mir zusammen 2013 den Umweltplan umgesetzt. (Zwischenruf des Abg. We­ratschnig.) Und jetzt sage ich Ihnen etwas: Schauen Sie in Ihre Bundesländer, wenn Sie schon so große Töne spucken!, denn wir sind in der Umsetzung anderen Bundesländern meilenweit voraus, wir haben 85 Prozent grüne Energie. Was wollen Sie also von uns?! Sie werden Kärnten nicht dafür bestrafen können, dass Sie in den letzten Jahren in Ihren eigenen Bundesländern säumig waren! (Beifall und Bravo-Rufe bei der FPÖ.)

Daher, bitte: Hören Sie auf mit solchen Reden, wenn Sie nicht wissen, wovon Sie sprechen! (Beifall bei der FPÖ.)

22.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte. (Abg. Schallmeiner: Das 18. Jahrhundert hätte angerufen, sie wol­len ihren Landeshauptmann ... zurück!)



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22.42.31

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Heute fallen Sie mir schon zum zweiten Mal auf, dass Sie mich nicht zum Rednerpult lassen wollen! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Als Bürgermeister einer Gemeinde, die im August 2014 eine Volksbefra­gung gemacht hat, ob Windräder aufgestellt werden oder nicht, und noch im August alle diesbezüglichen Beschlüsse im Gemeinderat gefasst und dann im Herbst 2022 die Windräder wirklich aufgestellt hat, die mit Ende des Jahres erstmalig ans Netz gegangen sind – also nach mehr als acht Jahren –, kann ich einer Beschleunigung des Verfahrens natürlich sehr viel abgewinnen. Ich kann Ihnen sehr viel erzählen, was ich da alles erlebt habe und welche Tiere auf einmal in meiner Gemeinde aufgetaucht sind, die es bisher nicht gegeben hat, die auch noch immer keiner gesehen hat (Abg. Litschauer – erheitert –: Hast du ein Loch Ness?), aber trotzdem das Verfahren ein Stück verzögert haben.

Ich möchte aber schon ein paar kritische Anmerkungen diesbezüglich machen, auch wenn ich prinzipiell der Meinung bin, dass es eine gute Grundlage ist; aber was den Erneuerbaren-Turbo betrifft, von dem Sie gesprochen haben, Frau Ministerin, glaube ich, dass Sie sich täuschen und das am Ende des Tages eine Fehlzündung wird, weil dieses Gesetz zwar gut gemeint, aber leider in manchen Bereichen schlecht gemacht ist. Ich möchte ganz bewusst auf die Gemeindesituation eingehen, weil Kollege Litschauer auch die Gemein­den angesprochen hat. Die Begründung, warum es keine oder nicht genügend Windkraftanlagen gibt, liest sich in diesem Gesetz ja teilweise so: Da gibt es die bösen Bürgermeister, da gibt es die bösen Gemeinden, und die sind letzt­endlich dafür verantwortlich. – Aus meiner Sicht und in meiner Funktion in meiner Gemeinde kann ich Ihnen sagen – und das kann ich auch für viele andere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sagen –, dass das natürlich nicht zutrifft.

Mit diesem Gesetz schaffen Sie jetzt zwei unterschiedliche Kategorien von Gemeinden: Dort, wo es keinen Zonenplan gibt, entscheidet nach wie vor aus­schließlich die Gemeinde über die Anzahl, über den Abstand, über die Höhe und


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so weiter und so fort, darüber, wie Windräder und ob Windräder aufgestellt wer­den. Dort, wo es einen Zonenplan gibt, nehmen Sie den Gemeinden jegliches Recht und greifen massiv in die Gemeindeautonomie ein, denn diese Gemeinden können auf Basis dieser gesetzlichen Vorgabe nicht mehr mitbestimmen. (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das ist ein massiver Eingriff in die Gemeindeautonomie, der in Wirklichkeit abzulehnen ist. Ich gebe Kollegen Deimek recht, ich glaube auch, dass Sie sehr schnell mit einer Verfassungsklage konfrontiert sein werden und der Ver­fassungsgerichtshof das Gesetz auch wieder aufheben wird, weil das nicht funk­tionieren wird, was Sie hier mit der Gemeindeautonomie machen. (Zwischen­ruf der Abg. Rössler.)

Ich möchte aber diesbezüglich noch einen Punkt anfügen, auch aus Sicht meiner Gemeinde. Die Grünen waren ja einmal eine Bürgerrechtsbewegung. Meine Mitbürgerinnen und Mitbürger haben mittels Volksbefragung abgestimmt, wie viele Windräder wo aufgestellt werden. Mit Ihrem Gesetz sagen Sie meinen Bürgern, die vor acht Jahren in einer Volksbefragung abgestimmt haben: Es ist mir wurscht, was ihr abgestimmt habt (Beifall bei der SPÖ), denn nach die­sem Zonenplan, wo ihr drinnen seid, können wir jetzt so viele Windräder aufstel­len, wie wir wollen! – Das muss Ihnen zumindest bewusst sein, dass das Ergeb­nis Ihres Gesetzes ist.

Der zweite Fehler in dieser Betrachtung: Wenn man schon sagt, dort, wo es einen Zonenplan gibt, kann die Gemeinde nicht mehr mitbestimmen, dann muss Ihnen bewusst sein, dass es in Österreich fast nirgends einen Zonenplan gibt, der festlegt, wo Windkraftanlagen aufgestellt werden oder nicht, wenn man jetzt einmal Niederösterreich außen vor lässt, wo ich aber auch schon Gerüchte höre, dass der relativ schnell aufgehoben wird.

Was bedeutet das aus Sicht der Gemeinde? – Es wird sich doch jede Gemeinde mit Händen und Füßen wehren, dass in ihrem Gemeindegebiet ein Zonenplan


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kommt, weil dann Ihr Gesetz zum Tragen kommt, wonach dann die Bürgermeis­ter:innen und der Gemeinderat und die Bürger:innen nicht mehr mitent­scheiden können, wie viele Windräder aufgestellt werden und wo sie aufgestellt werden. Deshalb glaube ich eben, wie ich zuerst gesagt habe, dass dieser Erneuerbaren-Turbo letztendlich zu einer Fehlzündung wird und nicht zu dem, was Sie vorhaben – was ich ja begrüßen würde, nur dass ich nicht falsch verstanden werde. (Beifall bei der SPÖ.)

Einen zweiten Punkt, den ich auch noch aus Sicht der Gemeinden ansprechen möchte: Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es, wenn heute in einem Gemeindegebiet eine Windkraftanlage aufgestellt wird, ja auch sogenannte Abschlagszahlungen. Die werden in der Regel zwischen dem Grundbesitzer und der Gemeinde aufgeteilt. Je nach Verhandlungsgeschick kriegt einmal der eine mehr und einmal der andere mehr. Ich glaube nicht, dass die Summe gerin­ger wird, aber wenn die Gemeinde nicht mehr mitentscheiden kann, gibt es eigentlich keinen Grund mehr, der Gemeinde auch nur einen Cent zu geben. Deshalb wird Kollege Schmuckenschlager vielleicht so erfreut darüber sein, denn das ist jetzt eins zu eins eine Landwirtschaftsförderung, die daraus gemacht wird, denn jetzt braucht nur mehr der Grundeigentümer zuzustimmen, und somit geht das ganze Geld zum Grundeigentümer, die Gemeinde bekommt über­haupt nichts mehr dafür. Das halte ich für falsch, denn mit diesen Finanzmit­teln könnten ja Gemeinden, so wie meine Gemeinde zum Beispiel, auch hergehen und andere Maßnahmen für erneuerbare Energien setzen. Das neh­men Sie diesen Gemeinden aber weg.

Deshalb bringe ich abschließend einen Entschließungsantrag ein und würde Sie bitten, vor allem die Regierungsparteien, noch einmal darüber nachzudenken.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen“


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, eine bundesweit gültige Regelung für einen finanziellen Beitrag der Windkraftanlagenbetreiber in Form einer jährli­chen Gemeindeabgabe zur Gewährleistung der Akzeptanz in den Stand­ortgemeinden zu schaffen oder für eine mit den Bundesländern abgestimmte Lösung in diesem Sinn zu sorgen.“

*****

Ich glaube, dass das notwendig wäre, um die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger und auch der Gemeinden zu bekommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kopf. – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Du unterstellst den Bürgermeistern ja Käuflichkeit!)

22.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Andreas Kollross, Genossinnen und Genossen

betreffend Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen

Mit der Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes sollen Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende gesetzt werden. Unter anderem soll die Errich­tung von Windkraftanlagen erleichtert werden, indem fehlende überörtliche Planung („Eignungszonen des Landes") bzw. Konkretisierung auf der örtlichen Planungs­ebene (Flächenwidmung) kein Ausschlussgrund für die Genehmigung mehr darstellen soll.

Im Rahmen der Flächenwidmung konnten Standortgemeinden in der bisherigen Praxis Vereinbarungen mit den Anlagenbetreibern erwirken, die zu direkten


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Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger geführt haben (z.B. finanzielle Zu­wendungen für Energieeffizienz- und Klimaschutzmaßnahmen in der Gemeinde). Diese Möglichkeit wird für den Fall, dass eine Eignungszone vorhanden ist, erschwert.

Aus Gründen der Akzeptanz erscheint es daher erforderlich, diesen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger der Standortgemeinden aufrecht zu erhalten. Sofern dieser Nutzen nicht auf anderem Weg sichergestellt werden kann, stellen finanzielle Bei­träge in Form einer Gemeindeabgabe eine Möglichkeit der Umsetzung dar.

Als Beispiel könnte das Burgenländische Erneuerbaren-Beschleunigungsgesetz he­rangezogen werden, das eine Abgabe für Windkraftanlagen vorsieht, die jeweils zur Hälfte dem Land und der Standortgemeinde zugutekommt.

Für eine bundesweit abgestimmte Lösung ist aber die Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie erforderlich.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, eine bundesweit gültige Regelung für einen finanziellen Beitrag der Windkraftanlagenbetreiber in Form einer jährlichen Gemeindeabgabe zur Gewährleistung der Akzeptanz in den Standortgemeinden zu schaffen oder für eine mit den Bundesländern abgestimmte Lösung in diesem Sinn zu sorgen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsge­mäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.



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22.49.33

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren im Nationalrat! Liebe Zuseher! Wir diskutieren heute über die UVP-Novelle, denn ein schnelles UVP-Verfahren ist für jeden Projektwerber sehr wichtig. Wir wissen aber, dass oft umstrit­tene Projekte von den Gegnern durch Ausschöpfung aller möglichen
UVP-Rechtsmittel lange blockiert wurden. Wie lange die Genehmigungsverfah­ren gedauert haben, ist nicht nach den fachlichen Einwendungen gegangen, sondern nach der Kampfkraft der Gegnerschaft. Daher freut es mich, dass wir es heute abändern.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns auf Klimaziele geeinigt, und da­her bedarf es natürlich in allen Bereichen großer Anstrengungen, eines Tur­bos, um diese auch erreichen zu können. Es geht einerseits um die aktuellen Ent­wicklungen wie die Energieversorgungssicherheit, aber andererseits auch um die häufigen Katastrophen. Mein Kollege hat es schon angesprochen, gerade das Waldviertel ist ja von einem massiven Borkenkäferproblem betroffen. (Ruf bei der SPÖ: Aber Windradel steht dort keines, im Waldviertel!) Daher ist es wich­tig, dass die Erzeugung erneuerbarer Energie in einem Mix aus Biomasse, Sonne und Wind forciert wird. Es darf dahin gehend keine Verzögerungen mehr geben.

Diese Reform beinhaltet natürlich mehr Klimafreundlichkeit, eine Beschleuni­gung der Energiewende, verminderten Bodenverbrauch und auch Verfah­rensbeschleunigungen. Die Novelle bringt effizientere Verfahren, besser struk­turierte Verfahren, aber auch eine Erleichterung bei den Ausgleichsflä­chen, zudem werden Doppelprüfungen vermieden, was natürlich sehr sinnvoll ist. Weiters haben Beschwerden, die keine Substanz haben, keine aufschie­bende Wirkung. Es gibt auch die Möglichkeit zur Setzung von Fristen, und Ver­handlungen können auch online und hybrid abgehalten werden. Die Bürger haben auch in Zukunft die Möglichkeit, an den Verfahren teilzunehmen.


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Meine Damen und Herren, das sind lauter wichtige und erfreuliche Punkte. In ei­nem Punkt, Frau Minister – wir haben es im Vorfeld schon angesprochen; ge­rade als Niederösterreicherin muss ich es noch einmal ansprechen –, gibt es im Bereich Vorrangzonen noch Handlungs- und Verhandlungsbedarf, denn in einer Gemeinde, wo schon eine Vorrangzone ausgewiesen ist, hat die Gemeinde nicht mehr die Möglichkeit, bei der Flächenwidmung mitzusprechen. Das ist nicht optimal. Ich stimme der Novelle im Großen und Ganzen zu, aber die Raum­ordnung ist eben Gemeindekompetenz und muss in diesem Fall auch Gemein­dekompetenz bleiben. Das darf nicht anders sein. Ich denke, da brauchen wir noch eine Abänderung, und darum würde ich Sie auch bitten.

Zu Herrn Kollegen Kollross möchte ich schon noch etwas anmerken: Wenn Sie sagen, Flächenwidmung ist Gemeindesache, so stimmt das, aber es kann nicht sein, dass sie käuflich ist. Das mit den Zahlungen ist also, glaube ich, nicht ganz der richtige Ansatz. (Ruf bei der FPÖ: Da werden sich die schwarzen Bür­germeister freuen! – Zwischenruf des Abg. Kollross.) Frau Minister, schauen wir, dass wir das mit der Flächenwidmung in den Gemeinden noch hinbekommen, das wäre wirklich eine wichtige Sache! Ansonsten ist das Gesetz gut. (Beifall bei der ÖVP.)

22.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Prinz. – Bitte sehr.


22.53.38

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zur Änderung des Umweltverträglichkeits­prüfungsgesetzes 2000, kurz UVP-G-Novelle, darf ich als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt vielleicht noch kurz ein paar Punkte anführen.

Im Wesentlichen geht es um schnellere Verfahren für Infrastrukturprojekte und da insbesondere um Projekte im Bereich der erneuerbaren Energie. Wenn wir die Klimaziele des Pariser Abkommens ernst nehmen wollen, dann müssen wir in


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Zukunft einfach schneller werden. Es geht darum, dass wir darüber nach­denken: Wie können wir etwas realisieren?, und nicht: Warum geht das nicht?, oder: Wie können wir etwas verhindern? Es geht darum, dass wir für Pro­jekte eintreten und nicht gegen Projekte auftreten.

Wenn wir von Versorgungssicherheit mit heimischer und sauberer Energie re­den, beispielsweise mehr Wertschöpfung in der eigenen Region, Unabhängigkeit von Importen und so weiter, dann ließe sich sicher noch einiges anfügen. Persönlich geht es mir aber darum, und das ist wichtig, dass wir einen Zugang mit Hausverstand haben oder – ich sage es einmal so – dass wir Verände­rungen so gestalten, dass die Mehrheit der Bevölkerung auch mitgehen kann, dass das für diese nachvollziehbar ist. Wir werden auch in Zukunft – das muss uns, glaube ich, bewusst sein, wenn wir zu uns selber ehrlich sind – einen gewissen Anteil an fossiler Energie brauchen, wir müssen aber intensiv daran arbeiten, dass dieser Anteil immer weniger wird und durch erneuerbare Energie ersetzt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nur ein Beispiel bringen: Es passt für mich nicht zusammen, dass wir ganz massiv der Elektromobilität das Wort reden und dann vielleicht Atom­strom dafür einsetzen. Ich nenne jetzt bewusst ein Beispiel für positive Elektromobilität: Ich habe einen guten Bekannten in meiner Heimatgemeinde, der täglich gut 120 Kilometer mit einem Elektroauto pendelt. Er fährt in der Früh in die Arbeit, die Firma hat eine PV-Anlage, dort wird es angesteckt und gela­den, und am Abend fährt er wieder heim. Am nächsten Tag wiederholt sich das Ganze. Das ist perfekt, aber es passt nicht überall, und darum brauchen wir in Wirklichkeit einen Mix, und das gilt auch für diesen Bereich. Es braucht insgesamt einen gesunden Mix im Bereich der erneuerbaren und nachhaltigen Energie, ob das jetzt aus Wasserkraft, aus Biomasse, aus Fotovoltaik oder aus Windkraft ist.

Wir werden als Gesellschaft, glaube ich, in manchen Bereichen auch noch ein bisschen umdenken und unseren Zugang verändern müssen. Für mich geht


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es nicht zusammen, dass wir am Vormittag von sauberer und nachhaltiger Ener­gie reden – und am Nachmittag treten wir vielleicht gegen Projekte auf, wo es genau um solche Sachen geht. Da müssen wir, glaube ich, dort und da noch darüber nachdenken, wie wir selber damit umgehen. Es braucht Kompro­misse in allen Bereichen, damit wir heimische und nachhaltige Produktion zusammenbringen.

Es ist in letzter Zeit gerade im Zusammenhang mit Windkrafträdern auch sehr viel über Flächenwidmung geredet worden. Lieber Kollege Andreas Koll­ross, vielleicht nur ein Gedanke: Ich glaube, dass ich verstanden habe, was du mit dem Aufteilen von Abschlagszahlungen gemeint hast. Wenn man das aber um 180 Grad umdreht, wie du es wahrscheinlich gemeint hast, könnte man auch den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern oder den Gemeinden Käuflich­keit unterstellen. Daher ist das sehr sensibel, und da muss man, denke ich, gut aufpassen, wie wir das interpretieren. Wir können davon ausgehen, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber auch die Mitglieder der Gemein­deräte verantwortungsvoll damit umgehen. Es ist wichtig, dass in Zukunft die Gemeinden bei der Flächenwidmung entsprechend eingebunden sind, wenn es um Windkraftanlagen geht. Es gibt, das ist schon gesagt worden, nur we­nige Gemeinden in Österreich, wo es eine Energieraumplanung gibt. In Oberösterreich kenne ich keine Gemeinde, die betroffen ist, da passt es also.

Abschließend: Die vorliegende UVP-Gesetz-Novelle ist eine gute Grundlage, um wichtige Projekte schneller realisieren zu können. Wer für nachhaltige und saubere Energie eintritt, muss heute auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.57


22.57.23

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1938 der Beilagen.

Ich ersuche die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf die Zustimmung er­teilen, dies zu tun. – Das ist die Mehrheit.

Damit kommen wir sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen, das zu tun. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen“.

Wer dem die Zustimmung erteilt, den darf ich um Zustimmung bitten. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist daher abgelehnt.

22.58.1812. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 2580/A der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz zur Abschaffung der CO2-Bepreisung (Teuerungsstoppgesetz 2022), mit dem das Nationale Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 10/2022, geändert wird (1939 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.



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22.58.46

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Ja, es ist mein Antrag, den wir jetzt diskutieren. Im Endeffekt geht es darum: Was wurde alles teurer?

Teurer wurde die NoVA für die Konsumenten, für die Verbraucher, für die Un­ternehmer, teurer wurde die motorbezogene Versicherungssteuer für die Konsumenten, für die Unternehmer, für die Verbraucher, und als Draufgabe kommt dann noch die legendäre CO2-Steuer, die Strafsteuer auf Diesel und auf Benzin. Das ist die Leistung dieser Bundesregierung. (Präsidentin Bures über­nimmt den Vorsitz.)

Das Spannende an dieser Geschichte ist: Was finanzieren Sie damit, Frau Bun­desminister? Wofür und wie geben Sie diese Mittel aus?

Sie gehen dann her, zahlen den Klimabonus, diese 500 Euro, an Asylwerber und Häfenbrüder – Klammer auf: verurteilte Straftäter, teilweise mit Aufent­haltsverbot, Klammer zu – aus. (Zwischenruf des Abg. Bernhard.) Ich frage Sie: Was ist deren Beitrag oder zumindest Leistung, dass sie überhaupt einen Klimabonus beziehen können oder dürfen? Was ist ihr Mehraufwand? Alle Leis­tungen werden vom Staat erbracht, dementsprechend übernommen, und dann bekommt man dafür, dass man in einer Justizanstalt sitzt, noch 500 Euro als Bonus draufgelegt. Und das sind nicht nur 100 oder vielleicht 500 Häft­linge, sondern wir reden von insgesamt über 10 000 Häftlingen.

Da gibt es dann sogar noch so ein schönes Formular von Ihnen (ein Schriftstück in die Höhe haltend), sehr einfach auszufüllen, das geht an jede Justizanstalt: „In­formation bezüglich Klimabonus“. Dann folgt ein kurzer Text dazu, wohin das geht, weil die Häftlinge ja in der Justizanstalt hauptwohnsitzgemeldet sind, und dann steht: „Überweisung des Klimabonus an mein offizielles Insassen­konto der Justizanstalt“. Das ist ganz einfach auszufüllen, dann setzt man seinen Namen und sein Geburtsdatum ein, und das war es.


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Ich frage mich wirklich: Was ist die Leistung dieser Damen und Herren, die in den Justizanstalten sitzen, um diesen Klimabonus zu erhalten?

Ich bringe nur zwei Beispiele: Ein serbischer Staatsangehöriger, für den es eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gibt und der ein Einreiseverbot für sie­ben Jahre hat, bekommt diesen Klimabonus. – Gut, erstes Beispiel.

Zweites Beispiel: Ein Häftling, der rechtskräftig verurteilt ist und ein Einreisever­bot für zehn Jahre hat, hat, nachdem er im Dezember 2022 bei Ihnen im Kli­maministerium interveniert hat, ebenfalls diesen Klimabonus ausbezahlt bekommen.

Das sind jetzt nur zwei Beispiele von Hunderten, die repräsentativ sind. (Abg. Lukas Hammer: Repräsentativ? Für welche Gruppe?) Sie zeigen, auf diese Art und Weise gehen Sie mit den Steuergeldern derer um, die Sie tagtäglich mit der CO2-Steuer auf der einen Seite und mit der Erhöhung der NoVA auf der anderen Seite abzocken.

Auch in Ihre Richtung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Die NoVA ist ja das beste Beispiel, vor allem bei den Unternehmern, die einen Kleintrans­porter brauchen. Da war die Steigerung von null auf bis zu 10 000, 15 000 Euro pro Kleintransporter. Wo ist da der Aufschrei? Es hat dann vom Wirtschafts­bund eine Petition gegeben, diese NoVA zurückzunehmen. All das geht ins Leere. Im Endeffekt knicken Sie bei all diesen Themen ein und sind Sie Er­füllungsgehilfen der Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

23.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.


23.02.58

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätz­te Frau Ministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Neun Millionen Menschen in Österreich haben den Klimabonus bekommen, und Herr


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Abgeordneter Rauch findet zwei Beispiele, bei denen er das nicht gerecht­fertigt findet. Das sind wahrscheinlich 0,0000001 Prozent. Vielleicht habe ich noch eine Null vergessen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Rauch.Das zeigt eigentlich nur, dass der Klimabonus eine sehr gute Maßnahme für den Klimaschutz war. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die FPÖ beantragt, die CO2-Bepreisung abzuschaffen. Ich möchte jetzt gar nicht den Eindruck erwecken, als wäre ich darüber besonders schockiert. Es ist eine Maßnahme, die vor allem zukünftigen Generationen zugutekommt (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Schrangl), wenn wir unsere Emissionen redu­zieren. Da sich die Emissionen in der Atmosphäre mit Emissionen von woanders vermischen, haben vielleicht sogar Menschen etwas davon, die nicht aus Ös­terreich kommen. Das sind natürlich alles Leute, die die FPÖ nicht einmal theoretisch wählen können. Also für eine, sagen wir einmal, etwas populistisch ausgerichtete Partei ist das natürlich keine besonders interessante Maß­nahme, und darum wundert es mich nicht, dass ihr dagegen seid. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Spannend ist allerdings – und daher etwas schwieriger für Sie in der Argumen­tation –, dass auch Ihre eigene Wählerschaft von dieser CO2-Bepreisung profitiert, weil sie aufkommensneutral ausgestaltet ist. Das ist auch der Grund dafür, dass Sie doch eine gewisse Mühe haben, in Ihrer Antragsbegrün­dung irgendwie den Eindruck herbeizurechnen, dass die Belastung durch die CO2-Bepreisung größer wäre als die Entlastung durch den Klimabonus.

Da muss ich Ihren Antrag auch gleich tatsächlich berichtigen. Das ist nämlich nicht so. (Ruf bei der FPÖ: O ja! O ja!) Die CO2-Bepreisung ist so ausgestaltet, dass die Einnahmen, die aus der CO2-Bepreisung erzielt werden, direkt an die Bür­gerinnen und Bürger zurückgegeben werden, sogar mehr als das. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich kann Ihnen das auch ganz kurz vorrechnen: Es gibt bei einem CO2-Preis von 32,5 Euro pro Tonne, wenn man das mit den 35 Millionen Tonnen CO2, die


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davon betroffen sind, multipliziert, Einnahmen für den Staat von ungefähr 1 Mil­liarde Euro, plus Umsatzsteuer: 1,2 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite steht der Klimabonus mit der Auszahlung – es wird direkt wieder den Bürgerin­nen und Bürgern zurückgegeben – in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Das heißt, in Summe kriegen die Leute mehr zurück, als sie einzahlen, und das ist gut so.

Dass es dann so ist, dass die, die mehr CO2-Emissionen ausstoßen, auch quasi weniger von dieser CO2-Bepreisung haben als die, die wenig CO2 ausstoßen, ist logisch. Das ist ja auch Ziel und Zweck dieser CO2-Bepreisung: Je mehr man an Emissionen einspart, desto mehr spart man auch im Geldtascherl. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Deimek: Wie viel nehmen Sie den Unternehmern ...?)

Ihr Antrag ist vor allem ein Hinweis darauf, dass seriöse Klimapolitik kein Beliebtheitswettbewerb ist. Für wirksame Maßnahmen wie zum Beispiel diesen CO2-Preis kriegt man nicht nur Likes, und trotzdem sind sie sinnvoll, weil sie mittel- und langfristig den Wohlstand in Österreich sichern. Dieser Herausforde­rung, dass das kein Beliebtheitswettbewerb ist, können sich auch die NEOS nicht entziehen.

Darauf muss ich kurz eingehen, weil ihr Verhältnis zum CO2-Preis und auch der Beitrag des Kollegen Shetty gerade vorhin, was die umweltschädlichen Sub­ventionen betrifft, das ja geradezu provozieren: Die NEOS sind nämlich total für den Klimaschutz, außer man muss tatsächlich irgendwelche Maßnahmen dafür setzen, die wirklich irgendetwas in der Welt verändern. (Beifall bei den Grünen.)

Dann ist es nämlich so: Verbote wollen Sie natürlich nicht. Ich kann mich erinnern: Selbst Ultrakurzflüge darf man nicht verbieten, das ist schon zu viel des Guten für den Klimaschutz. Heute in der Früh hat sich die Klubobfrau gegen Förderungen nachhaltiger Mobilität ausgesprochen, aber man ist ja total für die Abschaffung von umweltschädlichen Subventionen – das ist ja auch etwas –, außer man macht wirklich etwas gegen umweltschädliche Subventionen, so rich­tig echt, quasi in der echten Welt. Zum Beispiel haben wir die NoVA auf die


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Pick-ups ausgedehnt. Diese Ausnahme war eine klassische umwelt­schädliche Subvention. Wer hat da dagegengestimmt? – Die NEOS. Wir haben es gerichtet. (Beifall bei den Grünen.)

Die NEOS sind aber für den CO2-Preis. Also wenn wir schon nicht dafür sind, die umweltschädlichen Subventionen abzuschaffen, dann sind wir wenigstens für den CO2-Preis. Nur: Wenn dann jemand auf die Idee käme, den tatsächlich einzuführen, also so richtig echt, mit Wirkung, und die Emissionen würden teurer, dann wird es den NEOS wieder zu heiß, und deshalb haben sie, als wir im Oktober die CO2-Bepreisung eingeführt haben, einem SPÖ-Antrag zuge­stimmt, der die Nichteinführung der CO2-Bepreisung gefordert hat.

Also ich glaube, diese Beispiele zeigen: Seriöse Klimapolitik ist ein hartes Pflas­ter. Deshalb kann man es nicht hoch genug einschätzen, dass es diese Bun­desregierung und Sie, Frau Ministerin, tatsächlich geschafft haben, diese CO2-Bepreisung echt, tatsächlich, in der echten Welt einzuführen. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bern­hard. – Bitte.


23.07.58

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ja, der Vorredner, Kollege Jakob Schwarz von den Grünen, musste, glaube ich, selbst ein bisschen lächeln, während er das vorgetragen hat, weil an den Vorwürfen nicht viel Substanz dran war. Ich möchte gleich darauf eingehen.

Ich finde es ein bisschen verrückt, wenn die beiden Fraktionen, die sich tatsächlich ernsthaft für Klimaschutz einsetzen, sich gegenseitig ein Stück weit vorwerfen, dass sie es nicht tun, weil das eigentlich nicht das Ziel der Politik ist, die wir hier herinnen verfolgen sollten. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Kolle-


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ge Shetty hat eindrucksvoll auf ein fehlendes Klimaschutzgesetz hinge­wiesen, und das kann man ja auch einfach einmal so hinnehmen. (Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer.)

Herr Kollege, ich würde vielleicht zwei, drei Punkte sagen, was die Ernsthaf­tigkeit unserer Beschlüsse beziehungsweise die Vorwürfe, die Sie uns gemacht haben, betrifft. Gehen wir es der Reihe nach durch:

Wir haben, weil der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, gesagt, dass es sinnvoll ist, dass wir die CO2-Besteuerung verschieben. Da ging es um wenige Mona­te. Wir haben gesagt, dass ein Zeitpunkt, zu dem fossile Energie wahnsin­nig teuer wird, die Inflation ansteigt, vielleicht nicht gerade ideal ist, um die CO2-Be­preisung noch weiter anzuheben. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Das, was wir mit dem CO2-Preis erreichen wollten, war ja keine Strafe, sondern es ging darum, dass man Anreize schafft, auf nicht fossile Energie in der Mobilität, beim Heizen umzusteigen. (Zwischenruf des Abg. Schnabel.) Es waren unglaublich viele Anreize da. Wenn plötzlich Öl und Gas so teuer sind, dann braucht man diesen Anreiz nicht.

Das Beispiel mit der NoVA nehme ich aber auch gerne her: Wir haben darauf hingewiesen, dass die Novelle, die von ÖVP und Grünen vorgelegt worden ist, eine Schwachstelle hatte, nämlich diese Plug-ins, die Hybridgeschichte, Ent­schuldigung! Das heißt, wenn man bei den Hybridwagen nur die Möglichkeit hat, auch ein bisschen Strom aufzunehmen, dann ist die NoVA schon deutlich abgeflacht. (Abg. Schwarz: Darum sollte man die Pick-ups nicht besteuern?!) Und wir haben darauf hingewiesen, dass wir es gerne anders machen wollen.

Zum Inhaltlichen: Der wesentliche Punkt, warum wir heute hier stehen, ist ja eigentlich die CO2-Steuer. Wir halten, so wie, glaube ich, die meisten an­deren Fraktionen hier im Haus, die Idee, dass wir jetzt wieder einen Schritt zu­rückgehen und sagen: Ökologisierung des Steuersystems wieder zurück!, ganz grundsätzlich für eine Schnapsidee – und ich glaube, da sind wir uns auch sehr einig.


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Das, was wir aber schon sehen, ist, dass das, was wir bisher gemacht haben, ja nur die eine Hälfte der Miete ist. Wir haben den Klimabonus, glaube ich, ausreichend oft kritisiert, das erspare ich uns heute Abend, was wir aber glau­ben, was in der aktuellen Situation wichtig ist, ist: Ja, wir können über jede Form der Ökologisierung reden, aber nicht zu einem Preis einer weite­ren Belastung.

Das, was wir brauchen, ist, dass die arbeitenden Menschen in Österreich entlas­tet werden. (Abg. Schwarz: ... Einkommensteuertarif ...!) Das ist die Debatte, die wir eigentlich führen sollten, und zwar nicht über einen Bonus und übrigens auch nicht über eine Förderung von Falträdern, die dann irgendwelchen In­nenstadtbewohnern zugutekommen, sondern wir hätten gerne einerseits einen Vollzeitbonus, durch den jeder arbeitende Mensch tatsächlich netto 100 Euro mehr im Börsl hat, und zweitens eine Lohnnebenkostensenkung, damit sich Unternehmer:innen ihre Lkws in Zukunft besser leisten können. (Abg. Schwarz: Wir wollen Klima schützen! Klima schützen!) – Ja, Klimaschutz bedeutet tatsächlich ökologisieren und entlasten, denn sonst gibt es keine Akzeptanz und sonst kann sich auch keiner den Klimaschutz leisten. (Abg. Lukas Hammer: Kal­te Progression abgeschafft, Tarifreform!)

Aus unserer Sicht ist das tatsächlich ein Angebot, bei dem wir eben nicht über das Verbieten und Moralisieren reden, sondern über das Ermöglichen und Chancenergreifen – und darin unterscheiden wir uns tatsächlich! Wir wollen weniger Gesetze, dafür wirksame Gesetze. Wir wollen Gesetze, die ver­sprochen sind, auch wirklich am Tisch haben, und wir wollen die Menschen entlasten. Da sind wir uns einig, da unterscheiden wir uns. – Schönen Abend. (Beifall bei den NEOS.)

23.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.



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23.11.41

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Ich habe ein Déjà-vu, denn über diesen Antrag zur Abschaffung der CO2-Bepreisung – so ist der richtige Terminus – haben wir schon im ver­gangenen Jahr mehrfach diskutiert, vor allem mit der FPÖ; und ich habe noch einmal ein Déjà-vu, nämlich ein Déjà-vu über dreieinhalb Jahre mit der FPÖ, denn wir hören immer nur, warum es mit diesen Maßnahmen, die wir beschließen, nicht geht. Kein einziges Klimaschutzgesetz, das in den letz­ten dreieinhalb Jahren beschlossen wurde, hat die Zustimmung der FPÖ gefun­den. Da kann man sagen: Ja, ist ja gut!, aber wir haben in diesen dreiein­halb Jahren weder im Umweltausschuss noch hier im Hohen Haus jemals einen eigenen Vorschlag der FPÖ zum Thema Klima- und Umweltschutz gehört! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Lukas Hammer und Schwarz.)

Liebe Freiheitliche Partei, Sie sagen nur: Wir brauchen Klimaschutz, der irgend­wie gut passt!, oder noch besser: „Klimaschutz mit Hausverstand“. (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.) Und den Hausverstand, den Sie für den Umweltschutz irgendwo versteckt haben (Abg. Deimek: ... ÖVP ...!) – den werden wir wahr­scheinlich in einer Lebensmittelkette finden –, den finden Sie dort nicht mehr, denn Klimaschutz mit Hausverstand, das, was Sie hier in den letzten drei­einhalb Jahren gemacht haben, gibt es vonseiten der FPÖ nämlich nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich muss lobenswerterweise schon sagen: Die NEOS haben zumindest ein eigenes Programm, und wenn Herr Klebemandatar Shetty im Umweltausschuss immer von seiner 350-Euro-CO2-Bepreisung spricht, dann ist das zumindest ein Modell, über das man diskutieren kann.

Jetzt erkläre ich einmal die Herangehensweise, die wir sehen: Wir haben jetzt einen CO2-Preis von 32,5 Euro pro Tonne – also ein Zehntel oder weniger als ein Zehntel. Die Kombination, die die Partei der NEOS umsetzen will, ist eben diese 350-Euro-CO2-Bepreisung – oder 350 Euro pro Tonne CO2 – mit Abschaf­fung der Pendlerpauschale, mit Abschaffung des Pendlereuros. – Das ist ein


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Stadtprogramm! Sie haben eben Ihre Wählerschicht in den Städten und Sie ver­gessen auf den ländlichen Raum, denn mit diesem System wird nur die Stadt bevorzugt werden, und mit Ihrem Klimaschutzmodell werden wir den ländlichen Raum ausdünnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zur Abschaffung der CO2-Bepreisung: Herr Kollege Schwarz hat schon die Kompensation angesprochen, die wir in vielen Dingen geschaffen haben. Ich möchte auch noch in Erinnerung rufen, dass wir eine 50-prozentige Er­höhung der Pendlerpauschale bis Mitte des Jahres beschlossen haben, eine Vervierfachung des Pendlereuros und dass wir eben in diesem Jahr diese Kompensation auch durchführen. Wovon reden wir? – Wir haben den Preis um 2,5 Euro erhöht, das heißt, bei einer Tankfüllung von 60 Litern sind das 50 Cent, und ich glaube, von jedem Bürger und jeder Bürgerin, die das Auto betanken, kann man verlangen, dass sie 50 Cent mehr für den Klima­schutz in Österreich ausgeben, wo die Herausforderungen doch so groß sind! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Deimek: Das hat der steirische Wirtschaftsbund ...! Der Wirtschaftsbund ist wirklich fair ...!)

In diesem Sinne bleibt nur noch eines zu sagen: ohne Wasserstoff kein Klima­schutz! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.15


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Axel Kassegger zu Wort. – Bitte.


23.15.13

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Kollege Schnabel von der ÖVP! Ohne Wasserstoff kein Klimaschutz – ja, das kann man unterschrei­ben. Dann reden wir einmal über die Mengen Ihrer großartigen Wasserstoffstra­tegie. Da reden wir von 4 Terawattstunden bis 2030! Und dann sage ich Ihnen eine zweite Zahl: Der gesamte Bruttoenergieverbrauch in Österreich be­trägt 400 Terawattstunden.


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Da sind wir schon wieder bei den Märchen beziehungsweise bei den Zehnerpotenzen, wo sich das Ganze eben nicht ausgeht (Beifall bei der FPÖ) und da rede ich noch gar nicht über grünen Wasserstoff oder türkisen Wasserstoff, den gibt’s nämlich auch, Sie wissen das oder die Experten wissen das; er wird im Übrigen mit fossilem Gas hergestellt –, weil Sie mit den Erneuerbaren nicht einmal diese Mengen zusammenbringen.

Sie haben auch erwähnt, wir hätten keine Klimapolitik oder wir würden nichts für den Klimaschutz tun. Das gibt mir die Gelegenheit, klarzustellen: Ja, wir machen (Abg. Strasser: Nichts!) keine Klimapolitik, sondern die Freiheitliche Partei macht Energiepolitik, Standortpolitik und Wirtschaftspolitik. Das haben Sie als ÖVP offensichtlich vollkommen vergessen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Ab­geordneten von ÖVP und FPÖ.) Für uns ist das Thema Klimaschutz kein Thema, dem alles andere unterzuordnen ist (Beifall bei der FPÖ – Zwischenruf des Abg. Lukas Hammer) – das ist nämlich das Begehr des Volksbegehrens, man muss dann aber zu Ende denken, was das heißt –, sondern für uns geht es um Dinge wie – und das ist etwas anderes – Naturschutz, Umweltschutz, Hei­matschutz. Das ist eine andere Sache. (Beifall bei der FPÖ.)

Uns geht es eben nicht darum, dass neben der Jagd nach der Reduktion von CO2-Emissionen alles andere ausgeblendet wird. Für uns Freiheitliche muss eine Energiepolitik, eine Naturschutzpolitik auch eine soziale Komponente berück­sichtigen. Sie reden die ganze Zeit von Klimaschutz – die Welt geht unter, wenn wir dieses und jenes nicht machen –, blenden aber vollkommen die soziale Komponente aus, was wir, die Freiheitliche Partei, als soziale Heimat­partei selbstverständlich nicht machen! Das kann man doch nicht ausblenden und sagen, ich lizitiere mich jetzt hinauf, in der Europäischen Union, in Brüssel, und sage, wir müssen die Treibhausgasemissionen um 20 Prozent sen­ken – ach, das ist zu wenig! –, um 40 Prozent, von der Leyen, um 55 Prozent, ohne mitzudenken, was das in der Konsequenz am Ende dann bedeutet, wer die Folgen zu tragen hat. Das sind nämlich die Bürger, das ist die Wirtschaft, das


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ist die Industrie, und das bedeutet das Risiko des Verlustes von Arbeitsplätzen. – So viel zum Grundsätzlichen.

Ich glaube, das ist ein ziemlich klarer Standpunkt, den die Freiheitliche Partei hat. Das hat nichts damit zu tun, dass wir den Umstieg auf Erneuerbare ablehnen, sondern das Ganze – das sage ich zum hundertsten Mal – muss mit Maß und Ziel erfolgen und gleichzeitig zum einen die Versorgungssicherheit berücksichtigen (Zwischenruf des Abg. Schwarz), Stichwort Netzstabilität, und zum anderen die Wirtschaftlichkeit und Leistbarkeit. Da bin ich auch bei der sozialen Komponen­te. Ich meine mit Leistbarkeit sowohl die Wirtschaftlichkeit und Leistbarkeit für unsere Unternehmen, die sich im globalen Wettbewerb befinden – wo Sie gerade dabei sind, die europäischen Unternehmen, die österreichischen Unternehmen im globalen Wettbewerb schwerstens zu schädigen –, als auch die Leistbarkeit für den Bürger. Und das können Sie mir jetzt nicht erklären, dass da im letzten Jahr keine Irrsinnigkeiten passiert sind: eine Teuerungslawine, und Sie setzen mit einer CO2-Steuer noch eins drauf – Kollege Rauch hat es ja vollkommen zu Recht kritisiert –, NoVA und, und, und; Kostenbelastungen noch und nöcher.

Jetzt komme ich zu meinem Part. Dieser Bereich ist ja Bestandteil des Emissions­zertifikatehandelsgesetzes, darüber haben wir ja noch gar nicht geredet. Mit diesem Emissionszertifikatehandelssystem, das ja überhaupt nicht zu Ende gedacht ist, kommt ja die nächste Kostenlawine auf unsere Unternehmen zu. Einerseits werden energieintensive Industrie-, Luftverkehr- und Stromerzeu­gungsunternehmen über das direkte ETS-System belastet – das ist der Esel Nummer eins, dem Sie da jetzt ein Rucksackerl in Millionenhöhe aufbürden; Nutz­nießer: Finanzminister Brunner. Ich habe mir die Zahlen aufgeschrieben: Da reden wir immerhin von Einnahmen von 300 Millionen Euro. Diese werden dann für den Klimabonus verwendet, dann geht sich die Rechnung auch aus, mit der CO2-Abgabe allein würde es sich nicht ausgehen.


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Das heißt, Sie machen da eine ganz eigenartige Kreislaufwirtschaft, aber nicht in unserem Sinne, Sie verteilen das Geld im Kreis, indem Sie es zuerst den Men­schen und den Unternehmen wegnehmen (Abg. Lausch: Taschenspielertrick!) und dann nach einem völlig ineffizienten Gießkannensystem verteilen. Kollege Rauch hat es schon gesagt: Das kriegt dann jeder Haftinsasse, jeder Asylwerber mit einem Ablehnungsbescheid et cetera. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, dass das der Weisheit letzter Schluss ist. Das ist eine Kreislaufwirt­schaft, eine Umverteilungswirtschaft, die wir nicht haben wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Von den Grünen erwartet man das, das ist deren Zugang, das ist ja absolut okay. Wir haben einen anderen Zugang, und wir bilden uns halt ein, die Dinge auch zu Ende denken zu müssen. Dass die ÖVP, die ehemalige Wirtschaftspartei, bei diesen Dingen mitmacht, das verstehe ich überhaupt nicht.

Da bin ich schon beim zweiten Esel: Alle Unternehmen, die nicht vom ETS-Handel umfasst sind, müssen mit dem sogenannten EU-Lastenteilungsverfahren zur Kasse gebeten werden. Sie wissen, worum es da geht. Da geht es dann um eine große Umverteilung insoweit, als dass Länder mit einem höhe­ren BIP pro Kopf eine stärkere Reduktion, ist gleich stärkere Kostenbelastung, in Kauf nehmen müssen.

Und zweitens – eine ganz großartige Idee –: dass man sich von grundsätzlich un­erlaubtem Verhalten freikaufen kann, indem man als Industrieland Öster­reich dann gestattet bekommt, von anderen Staaten Zertifikate zu kaufen. Am Ende werden da Hunderte Millionen ausgegeben – müssen ausgegeben werden! –, die unsere Industrieunternehmen – und da rede ich von der Eisen- und Stahlindustrie, von der mineralischen Industrie, von der Holzstoffin­dustrie und der Papierindustrie – zu tragen haben. Wer zahlt denn das am Ende, wenn diese Unternehmen nicht sowieso entweder in Konkurs gehen oder den Standort wechseln, das heißt Europa und Österreich verlassen? (Beifall bei der FPÖ.)


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Also das ist eine Politik, die mir Sorgen bereitet, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und Industrie schädigt. Ich hoffe nicht, dass das Sprichwort zum Tragen kommt: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Das hoffe ich nicht, aber wenn Sie so weitertun, vielleicht doch. Ich will jetzt keine Angstmacherei betreiben (Abg. Lukas Hammer: Nein!), sondern ich glaube, dass das eine ziemlich realistische Einschätzung bezüglich der Belas­tungen ist, die Sie da der Wirtschaft und den Menschen aufbürden. Das Ganze wird dann noch viel, viel unangenehmer werden, und das wollen wir nicht.

Wie gesagt: Wir wollen eine ausgewogene Energiepolitik, eine Standortpolitik, die auch die Interessen der Wirtschaft und der Menschen und die soziale Komponente berücksichtigt und nicht alles vollkommen dem Klimaschutz un­terordnet – nicht mehr und nicht weniger wollen wir Freiheitliche. (Beifall bei der FPÖ.)

23.22


23.22.54

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, seinen Bericht 1939 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Der Bericht ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

23.23.2113. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3086/A der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Joachim Schnabel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) ge­ändert wird (1942 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 13. Punkt unserer heutigen Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist wieder Herr Abgeordneter Axel Kassegger. –Bitte.


23.23.53

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Ich habe mir hier aufge­schrieben: Als Energiesprecher hat man in Zeiten wie diesen viel zu tun. – Ich bin schon wieder da.

Wir haben beim vorigen Tagesordnungspunkt das Thema verfehlte Klimapolitik zur Sprache gebracht. Bei diesem Tagesordnungspunkt möchte ich etwas weiter ausholen. Es ist an sich ein relativ kleineres Gesetzesvorhaben zum Gas­wirtschaftsgesetz, aber in Wirklichkeit geht es da auch um einen Ausfluss einer vollkommen verfehlten Sanktionspolitik. In Wahrheit geht es da auch um Auswirkungen des Wirtschaftskrieges, in den sich die Europäische Union mit Russland eingelassen hat – aus meiner Sicht in einem Ausfluss totaler Selbst­überschätzung, wenn es darum geht, das zu beurteilen. Abgesehen davon ist grundsätzlich ein Wettbewerb, wer schneller kaputt ist, wirtschaftlich kaputt ist, auf welche Art und Weise auch immer, meines Erachtens nicht sehr men­schenfreundlich. Wir haben auch keinen Spaß oder keine Freude daran, wenn es jetzt der russischen Bevölkerung – das sind 150 Millionen Menschen – schneller dreckiger geht als uns.

Abgesehen davon ist dieser ganze Wirtschaftskrieg, Sanktionsmechanismus wie gesagt von einer vollkommenen Selbstüberschätzung gekennzeichnet, die sich darin äußert, dass jetzt energiepolitisch Chaos ausbricht, und zwar vollkommenes Chaos. Bei dieser Maßnahme hinsichtlich des Gaswirtschaftsge­setzes geht es zum einen um Zertifizierungen von Speicheranlagen und zum anderen um die Ausweitung des geschützten Kundenkreises für Fernwär­meanlagen. Das ist grundsätzlich gut, aber wir haben auf der anderen Seite


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den sogenannten Europäischen Solidaritätsmechanismus, bei dem es genau da­rum geht, wenn in ganz Europa sozusagen das Gas knapp wird, wer dann wem helfen muss.

In diesem Fall geht es darum, dass österreichische Fernwärmeanlagen geschützt sind, also dass wir das nicht an andere Länder abliefern müssen, was aber meines Erachtens in weiterer Folge, wenn man die Sache zu Ende denkt, dazu führt, dass der Pool der Geschützten größer wird und die Industrieunter­nehmen dann noch eher vom Gas abgeschaltet werden.

Das Motiv dieser ganzen Verordnung, dieser EU-Verordnung, die den einzelnen Ländern eben das Recht gibt, den Kreis der Geschützten zu erweitern, was hier in diesem Gesetz um den Bereich der Fernwärmeversorgungen getan wird, das, worum es geht, sieht man in der EU-Verordnung: Einleitung: „Der grund­lose und ungerechtfertigte Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine und die beispiellose Reduzierung der Erdgaslieferungen aus der Russischen Föderation in die Mitgliedstaaten gefährden die Versorgungssicher­heit“ – no na – „der Union und ihrer Mitgliedstaaten. Gleichzeitig haben der Einsatz der Gasversorgung als Waffe und die Manipulation“ und so weiter. – Also man wundert sich, dass jemand, der jetzt zum zehnten Mal sanktioniert wird, die Gasversorgung als Waffe einsetzt; was die Russen im Übrigen nicht in diesem Ausmaß tun.

Auch betreffend die Abhängigkeit von der russischen Gasversorgung, zu der Bundeskanzler Nehammer gesagt hat, dass diese jetzt bei 20 Prozent angelangt ist: Das ist ein Blödsinn! Im Dezember haben wir 70 Prozent russisches Gas bezogen.

Es geht auch darum, Gaseinkäufe bei externen Lieferanten besser zu koor­dinieren. Ein Schelm, der jetzt denkt, dass das In-die-Luft-Sprengen von Nord Stream 2 irgendetwas damit zu tun hat, dass jetzt plötzlich die USA und Norwegen exorbitant mehr Gas in die Europäische Union liefern als zuvor.


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Dem Grunde nach stimmen wir diesem Gesetzentwurf nicht zu, weil er wiederum eine Symptombekämpfung ist und das ganze Problem nicht an der Wurzel packt (Abg. Lukas Hammer: Was wäre denn die Wurzel, Herr Kasseg­ger? Was ist die Wurzel des Problems?) und im Übrigen auch sündteuer ist. Auf Nachfrage: Die Errichtungskosten sind 100 Millionen Euro und die zusätzlichen Kosten dann 10 Millionen Euro. Das Geld ist also sozusagen abgeschafft.

Kümmern Sie sich bitte um die Lösung der Probleme an der Wurzel und beenden Sie diese permanente sündteure, chaotische Symptombekämpfung! Deswegen werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

23.28


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


23.28.28

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Ge­schätzter Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich muss sagen, ich bin jetzt wirklich ganz erstaunt ob des Redebeitrags des Kollegen der FPÖ, von Herrn Kassegger. Einerseits steht die FPÖ immer da und sagt: Wir müssen auf den Haushalt schauen, der Haushalt ist so wichtig und die Menschen in Ös­terreich sind so wichtig. Jetzt geht es hier um ein Thema, das die Versorgungssi­cherheit für Österreich darstellen soll, bei dem wir einen Schritt weiter in den geschützten Bereich gehen, und Sie stehen da und sagen: Das hat etwas mit den Sanktionen zu tun, das hat etwas mit Russland zu tun! (Abg. Kassegger: Ja natürlich!) Also ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass Sie pro Russland sind und hier nicht für die Versorgungssicherheit Österreichs mitstimmen wollen. Es ist so wie gesagt: Sie drehen sich um 180 Grad, wie Sie es halt gerade brauchen. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Wir sehen darin schon, dass wir das Gaswirtschaftsgesetz mit zwei wesentlichen Maßnahmen versorgen, und daher beschließen wir das auch. Es hat etwas mit der EU-Verordnung zu tun. Derzeit gibt es in Österreich die Situation, dass


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wir die Speicheranlage an sich zertifizieren. Wir gehen jetzt aufgrund der Verordnung einen Schritt weiter, und zwar, dass wir den Speicherbetreiber oder den Speicherunternehmer zertifizieren lassen wollen. Und das wird durch eine Regulierungsbehörde passieren.

Warum machen wir das? – Weil die Versorgungssicherheit und die Sicherheit der Gasanlage im Vordergrund stehen soll, und es soll niemand auf diesen Betreiber Einfluss nehmen. Darum geht es uns hier. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Doppelbauer.)

Die zweite Maßnahme, die wir treffen, ist eben, dass wir den geschützten Kun­denkreis des Haushalts erweitern, und zwar um den Fernwärmebereich. Warum machen wir das? – Es gibt Solidaritätsabkommen mit Ländern, die die Fernwärmekunden bereits abgesichert haben, in Österreich ist die Lage so, dass unsere Gasanlagen unter anderen nicht immer direkt sind, sondern auch KWK-Anlagen, und die EU hat jetzt eben gesagt, dass wir ursprünglich nur den Strombereich abgedeckt haben, und jetzt werden wir auch den Wärmebe­reich abdecken. Daher werden wir die Fernwärmekunden miteinbeziehen und werden diese in den geschützten Kundenkreis aufnehmen, was wichtig und richtig ist, weil das eine Lücke war, nämlich von Haushalten, die wir nicht geschützt haben – das muss uns auch bewusst sein. Diese Lücke werden wir da­mit schließen, das ist wichtig für uns, für Österreich, und da bitte ich auch um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ein wichtiger Bereich ist aber auch, dass wir ein freiwilliges Abkommen, eine freiwillige Vereinbarung treffen konnten. Da möchte ich mich insbesondere beim Fachverband Gas und Wärme bedanken, bei Herrn Michael Mock. Es gibt eine freiwillige Vereinbarung dahin gehend, dass gerade jetzt, da auch die Gas­rechnungen ins Haus trudeln, für Haushalte, aber auch für kleinere Unter­nehmen die Möglichkeit geschaffen wird, diese Rechnungen mit Ratenzahlung in 18 Monaten zu begleichen, damit eben nicht gleich die volle Leistung zu zah­len ist – dafür möchte ich mich besonders bedanken. Ich bitte schon auch in Richtung unserer Versorgungssicherheit und auch in Richtung unserer


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Haushalte um Ihre breite Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

23.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte.


23.31.45

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die tragischen Ereignisse in der Ukraine erfordern neben anhaltender humanitärer Hilfe auch eine An­passung unserer energiepolitischen und unserer energiewirtschaftlichen Vorkeh­rungen. Ich glaube, man kann sagen, dass wir dabei auch schon wirklich viel erreicht haben, nämlich durch unterschiedlichste Maßnahmen, wie die strategi­sche Gasreserve, die durch die SPÖ die notwendige Zweidrittelmehrheit erhalten hat. Vor allem durch die individuellen Anstrengungen aller Österreiche­rinnen und Österreicher sowie unserer Betriebe, KMU-Betriebe, haben wir es auch geschafft, diese erste Heizperiode nach Kriegsbeginn und umfassende Lieferreduktionen aus Russland unbeschadet zu überstehen.

Wir sollten uns aber nichts vormachen, die Situation auf den Energiemärkten ist nach wie vor sehr angespannt, und vor allem die allgemeine Teuerung stellt unsere Bevölkerung nach wie vor vor enorme Herausforderungen. Was es jetzt braucht, sind konkrete Maßnahmen, um die Kostenlawine am Energiemarkt zu bremsen und natürlich auch um die Belastungen für die Menschen wesentlich zu drosseln. Insofern war es mir ein wichtiges Anliegen, die Novelle des GWGs für eine Entlastung der österreichischen Bürger:innen zu nutzen.

Das Anrecht, seine Stromrechnung in Raten zu zahlen – Kollegin Graf hat es schon angesprochen –, konnten wir als SPÖ damals auch schon im Strombereich erfolgreich umsetzen. Daher war es mir jetzt bei diesen Verhandlungen enorm wichtig, dass diese Möglichkeit auch im Gas- und im Fernwärmebereich be­stehen soll und muss. Es ist für die Österreicher nämlich unerheblich,


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von welchen Energieträgern die Kostenbelastungen kommen. Die Regierung ist im Rahmen der harten, aber fairen Verhandlungen meinen diesbezüglichen Forderungen nachgekommen, und so konnten wir als SPÖ mit Blick auf das Ge­samtpaket dieser Novelle zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben gesehen, dass die österreichischen Gasspeicher eine wichtige Rolle in der Sicherstellung der österreichischen wie auch der europäischen Energie­versorgung spielen. Die aktuellen Herausforderungen, dass die entsprechenden Regelungen für Gasspeicherbetreiber und Speicherunternehmen in Zeiten wie diesen auf dem letzten Stand sein müssen, sind meiner Meinung unumstrit­ten. Die vorliegende Novelle des GWGs stellt dies auch sicher.

Abschließend möchte ich zu der durch das GWG hinsichtlich Versorgungssicher­heit neu geregelten Fernwärme kommen. Fernwärme ist vor allem im urba­nen Bereich für die Wärmeversorgung von Österreichs Haushalten zentral. Bei der Dekarbonisierung unserer Wärmeversorgung sehen Experten hohes Potenzial in der Nutzung von Fernwärme. Fernwärme wird in Zukunft durch CO2-freie Technologien, wie Geothermie, Großwärmepumpen und die Nutzung erneuerbarer Gase, bereitgestellt werden. (Ruf bei der ÖVP: Fracking!)

Die Versorgungssicherheit der Kundinnen und Kunden von Fernwärme ist mir ein großes Anliegen und daher unterstütze ich, nunmehr im GWG umgesetzt, die Ausweitung der durch Solidarität geschützten Kunden auf dieses Segment.

Alles in allem handelt es sich bei der vorliegenden GWG-Novelle durch die sozialdemokratischen Verhandlungserfolge um eine überzeugende Anpassung ganz im Sinne aller Österreicherinnen und Österreicher. Daher erhält sie von unserer Fraktion die Zustimmung. (Bravoruf und Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe hierzu folgenden Antrag ein:


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Schroll, Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3086/A der Abgeordneten Martin Litschauer, Joachim Schnabel, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsge­setz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1942 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberich­tes 1942 d. B. wird wie folgt geändert:

„Die Verpflichtung ist hinsichtlich der Vorgabe gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) 2017/1938 durch Vorlage von Speichernutzungsver­trägen sowie dem Nachweis der Befüllung der Speicher gegenüber der Regulie­rungsbehörde zu erfüllen. Der Nachweis kann auch durch den jeweiligen Vorlieferanten erbracht werden. Betreiber von Fernwärmeanlagen haben die zur Berechnung des vom Versorger einzuhaltenden Versorgungsstandards notwendigen Daten an diesen auf Anfrage zu übermitteln. Betreiber von Fern­wärmenetzen können die Berechnungen auf Ebene des Gesamtnetzes an­stellen und die benötigte Wärmemenge für den Versorgungsstandard den Fern­wärmeanlagen zuteilen. Die Regulierungsbehörde kann durch Verordnung nähere Bestimmungen zur Durchführung der Überprüfung, zu den Erhebungs­modalitäten und zur Art der erforderlichen Nachweise erlassen.“

*****

Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Lukas Hammer und Rössler.)

23.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Schroll, Lukas Hammer, Tanja Graf

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3086/A der Abgeordneten Martin Litschauer, Joachim Schnabel, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) geändert wird (1942 d.B.) (Top 13)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberich­tes 1942 d. B. wird wie folgt geändert:

1. Z 7 lautet:

„7. Dem § 121 Abs. 5 werden folgende Sätze angefügt:

„Die Verpflichtung ist hinsichtlich der Vorgabe gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) 2017/1938 durch Vorlage von Speichernutzungsverträgen sowie dem Nachweis der Befüllung der Speicher gegenüber der Regulierungsbehörde zu erfüllen. Der Nachweis kann auch durch den jeweiligen Vorlieferanten erbracht werden. Betreiber von Fernwärmeanlagen haben die zur Berechnung des vom Versorger einzuhaltenden Versorgungsstandards notwendigen Daten an diesen auf Anfrage zu übermitteln. Betreiber von Fernwärmenetzen können die Berech­nungen auf Ebene des Gesamtnetzes anstellen und die benötigte Wärmemenge für den Versorgungsstandard den Fernwärmeanlagen zuteilen. Die Regulierungsbe­hörde kann durch Verordnung nähere Bestimmungen zur Durchführung der Überprü­fung, zu den Erhebungsmodalitäten und zur Art der erforderlichen Nachweise erlassen.““


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 538

Begründung

Zu Z 1 (§ 121 Abs. 5):

Die Ausweitung des geschützten Kundenkreises hat Auswirkungen auf den Umfang des nachzuweisenden Versorgungsstandards gemäß Artikel 6 der Verord­nung (EU) 2017/1938 bzw. § 121 Abs. 5 GWG 2011.

Aktuell ist für einen Zeitraum von 30 Tagen bei Ausfall der größten einzelnen Gas­infrastruktur unter durchschnittlichen Winterbedingungen der Versorgungsstandard ausschließlich per Nachweis über entsprechende Speichervorhaltung (Speicher­verträge und monatlich zu erfüllende Speicherfüllstände) zulässig und zu erbringen. Dieser Nachweis kann auch durch den jeweiligen Vorlieferanten erbracht werden. Um die Befüllung der Erdgasspeicher auch für die kommenden Heizsaisonen abzusi­chern, ist ein größerer Umfang des nachzuweisenden Versorgungsstandards durch die Ausweitung des geschützten Kundenkreises erforderlich.

Die Erfüllung des Versorgungstandards ist durch Vorlage von Speichernutzungsver­trägen sowie dem Nachweis der Befüllung der Speicher gegenüber der Regulie­rungsbehörde vorgesehen.

Um zu gewährleisten, dass verpflichtete Versorger ihrer Nachweispflicht gegenüber der Regulierungsbehörde nachkommen können, ist festgelegt, dass Betreiber von Fernwärmeanlagen dazu verpflichtet sind, die zur Berechnung des vom Versorger einzuhaltenden Versorgungsstandards notwendigen Daten an diesen auf Anfrage zu übermitteln. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Versorger etwa Substi­tutionsmöglichkeiten des Betreibers einer Fernwärmeanlage (siehe dazu die Begriffs­bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 20a, welche sich auch auf einen möglichen Brenn­stoffwechsel bezieht) entsprechend berücksichtigen kann. Fernwärmeanlage bezieht sich dabei auf die Anlage, die Wärme bereitstellt. Um die benötigte Wärmemen­ge im Versorgungsstandard feststellen zu können und die möglichen Substitutions­möglichkeiten durch andere Fernwärmeanlagen zu berücksichtigen, arbeiten alle Betreiber der Fernwärmeanlage auf Ebene des Fernwärmenetzes zusammen. Der


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Betreiber des Fernwärmenetzes teilt die im Versorgungsfall notwendige Wär­memengen den Anlagen zu. Dies dient dem Fernwärmeanlagenbetreiber als Basis für die Berechnung. Die Gasmenge für durch Kraft-Wärme-Kopplung erzeugte Wär­me ist nach einer Methode, die den Regeln der Technik entspricht, vom Anla­genbetreiber zu berechnen.

Um sicherzustellen, dass die Regulierungsbehörde die Modalitäten und die Art der erforderlichen Nachweise festlegen kann, wird sie als zuständige Behörde für die Überwachung der Einhaltung des Versorgungsstandards ermächtigt, nähere Bestimmungen zur Durchführung der Überprüfung, zu den Erhebungsmoda­litäten und der Art der erforderlichen Nachweise durch Verordnung zu erlassen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Ich werde jetzt noch ergänzen, wo sich diese folgenden Sätze, die Sie, Herr Abgeordneter, verlesen haben, wiederfinden. Nämlich:

„1. Z 7 lautet:

,7. Dem § 121 Abs. 5 werden folgende Sätze angefügt: [...]“

Dies nur, damit wir das auch so im Protokoll haben und ich jetzt sagen kann: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Ver­handlung. (Ruf bei der SPÖ: Bravo, Frau Präsidentin! – Abg. Rauch: Es geht nichts über eine gute Vorsitzführung!)

Herr Abgeordneter Lukas Hammer, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


23.36.57

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Inhalt der vorliegenden Novelle hat vor allem Kollegin Graf eigent­lich schon alles gesagt. Es geht um die Ausweitung der solidaritätsgeschützten Kund:innen und um die Zertifizierung von Speicherunternehmen.


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Diese Novelle ist eine der vielen Änderungen, die aufgrund der Energiekrise, die wir seit über einem Jahr haben, notwendig geworden sind. Kollege Kassegger hat es angesprochen, es sind sicherlich harte Zeiten für einen Energiesprecher oder für eine Energiesprecherin.

Ich möchte auch noch ein bisschen in Erinnerung rufen, was im letzten Jahr war und auch, was für eine Situation wir vorgefunden haben und warum wir all diese Maßnahmen im Eiltempo auch so erarbeiten und beschließen mussten. Wir hatten bei der Versorgungssicherheit die Situation, dass wir als Republik keine Möglichkeit hatten, selbst Gas einzukaufen und eine staatliche Gasreserve zu haben, so wie wir das beim Öl schon lange haben. Wir hatten nicht einmal die Möglichkeit, Informationen darüber zu bekommen, wer wie viel in österrei­chischen Gasspeichern eingespeichert hat. Wir haben relativ wenige Möglichkei­ten gehabt und wir haben auch nicht die Möglichkeit gehabt, Unternehmen, die in Österreich Gasspeicher betreiben, vorzuschreiben, dass sie diese auch zu befüllen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, manchmal frage ich mich, ob ihr die Dinge, die ihr hier so erzählt, wirklich glaubt. (Abg. Rauch: Ja, das glauben wir!) Wir haben erlebt, wie die Gazprom – eure Freunde aus Russland –, die der Betreiber des zweitgrößten Gasspeichers in Österreich, nämlich Haidach, war, vor dem Krieg, bevor es europäische Sanktionen gab, nicht nur weniger Gas nach Europa geliefert hat, sondern auch aufgehört hat – als Kriegsvorberei­tung –, den zweitgrößten Gasspeicher, nämlich Haidach, zu befüllen – vor dem Krieg, vor den Sanktionen! Hört auf, diese russische Propaganda hier im ös­terreichischen Parlament zu verbreiten, dass das irgendetwas mit den euro­päischen Sanktionen zu tun hätte! (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Man muss sich schon fragen: Glaubt ihr das wirklich oder steckt da mehr dahin­ter? (Abg. Kassegger: Wir glauben es wirklich!) Ich weiß nicht, ob ihr Geld be­kommt, ob ihr Kaviar bekommt, ob ihr irgendwelche Goldbarren bekommt, die ihr dann in Osttirol verstaut, ich weiß es nicht (Abg. Kassegger: Hör auf mit


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dem Scheiß!), es ist auf jeden Fall falsch. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kassegger: Es ist nicht alles ein Traum, hör auf mit dem Blödsinn!)

Wir haben auch schon vorher Gesetze hier im Hohen Haus beschlossen: Use it or lose it – die Gazprom hat die Verfügungsgewalt über Haidach verloren und so konnten wir unsere Gasspeicher füllen; wir sind gut über den Winter gekommen. Wir haben ein Gasdiversifizierungsgesetz beschlossen, sodass auch nicht russisches Gas eingekauft werden konnte.

Jetzt haben wir wieder eine neue Maßnahme, die wieder dem Ziel dient, die Versorgungssicherheit sicherzustellen. (Abg. Deimek: Ist das jetzt mora­lisch besser?) Kollegin Graf und Kollege Schroll haben es schon erwähnt: eine freiwillige Vereinbarung, die auch deswegen notwendig wird, weil Menschen, die Gas und Fernwärme beziehen, in Zahlungsverzug sind. Die haben jetzt die Möglichkeit bekommen, die Rechnung auch in Ratenzahlungen zu begleichen.

Aber weil auch immer wieder erwähnt wird, dass Menschen auch mittels Raten­zahlung nicht die Möglichkeit haben, ihre Energierechnungen zu bezahlen – und ja, diese Menschen gibt es, Menschen mit sehr hohen Energierechnungen und sehr wenig Einkommen –, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir einen Wohnschirm haben, der sehr gut befüllt ist. Die Menschen können sich unter wohnschirm.at registrieren, bekommen eine Beratung, und wenn sie ein niedriges Einkommen haben und in Zahlungsverzug sind, wird die Energie­rechnung auch bezahlt. Ein Haushalt mit vier Personen bekommt bis zu 1 620 Euro für die Zahlung der Energierechnung.

Das ist eine wenig beachtete Maßnahme, und ich würde alle Kolleginnen und Kollegen hier bitten, das zu erwähnen. Wir erzählen uns immer, dass sich Leute an uns wenden, die verzweifelt sind. Hören wir auf, den Menschen einfach nur Angst zu machen, sondern erzählen wir ihnen von den Möglichkeiten, die wir bieten! Der Wohnschirm ist so eine Möglichkeit, dass Menschen, die in Not sind, Menschen, die ihre Energierechnung nicht mehr begleichen können, aber auch kleinen Unternehmen rasch und unbürokratisch, inklusive Beratung,


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geholfen werden kann. In Österreich muss niemand frieren, und das ist gut so. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rauch: Musst emotionaler werden, Lukas, das glaubt ja keiner mehr!)

23.41


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppel­bauer. – Bitte.


23.41.57

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Zu dieser späten Stunde: Wir haben über die Novelle gesprochen, wir haben darüber gesprochen, warum sie notwendig ge­worden ist. Es ist wichtig, sinnvolle Infrastruktur und strategisch wichtige Infrastruktur in Österreich transparent und vor allem auch vertrauenswürdig zu verwalten. Wir haben ja gesehen, was tatsächlich passieren kann, wenn es eben willfährige Politiker:innen, willfährige Manager gibt: dass eben Gasinfra­struktur in den letzten zehn Jahren an Russland verhökert worden ist. Das wissen wir alle, deswegen unterstützen wir NEOS diese Novelle.

Ich glaube, man kann auch einen Schritt weitergehen und generell darüber diskutieren, was wir mit strategisch wichtiger Infrastruktur generell in Europa planen. Es gibt da mehrere Themen. Ich sage nur: Häfen, die verkauft wer­den, China, das ganz offensiv vorgeht, um Infrastruktur außerhalb von China sozusagen einzukaufen.

Aber zurück zum Gas: Es ist jetzt einige Male diese freiwillige Vereinbarung zur Ratenzahlung, wenn man als Haushalt tatsächlich in Probleme schlittert, erwähnt und vor allem auch gelobt worden. Das finden wir auch gut, aber ich möchte schon auch sagen, dass sich die Großhandelspreise beim Gas wieder sehr redu­ziert haben. Wir sind jetzt bei einem Preis, der zwar immer noch doppelt so hoch wie vor der Krise ist, aber er liegt jetzt ungefähr bei 50 Euro pro Megawatt­stunde in dieser Woche, und das ist nicht die erste Woche. Das heißt, wir haben schon seit mehreren Wochen einen sinkenden Gaspreis, aber für die Haus­halte sind die Preise nach wie vor drei- bis viermal so hoch. Das muss man sich


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schon anschauen, dass hier eine ganz, ganz starke Imbalance besteht, die aufgehoben werden muss und kann.

Sie haben, vom Klimaministerium eingesetzt, eine Kommission, bestehend aus Vertretern der Bundeswettbewerbsbehörde und der E-Control, und da fra­gen wir als NEOS uns jetzt schon, warum die nicht endlich tätig wird. Das Ein­zige, das man von der E-Control im Augenblick hört, ist, dass es keinen Blackout geben wird. Das ist schön, das finden wir auch großartig, aber tatsäch­lich hätte die E-Control ja auch noch eine andere Aufgabe, nämlich ganz, ganz stark zu kontrollieren. Wir haben das im ElWOG auch festgehalten, dass keine unmäßigen Erhöhungen der Preise erfolgen dürfen. Und es geht nicht nur um die Erhöhung der Preise, es geht tatsächlich auch darum, dass, wenn der Marktpreis wieder nach unten geht, diese Preise auch raschest wieder an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden. Dann braucht es auch keine Ratenzahlungen, wenn die Preise wieder dort sind, wo sie hingehören. (Beifall bei den NEOS.)

Noch einmal: Wir finden die Novelle gut, wir werden sie unterstützen, aber wir werden ein sehr, sehr scharfes Auge darauf haben, dass auch in diesem Be­reich endlich etwas passiert, und da auch auf Maßnahmen drängen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Haubner: Also dafür! Sind wir einmal dafür, gell?)

23.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Laurenz Pöttin­ger. – Bitte.


23.45.05

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Gesetzesnovelle hat gerade aufgrund der schwierigen Situation in der Beschaffung doch eine große Bedeutung. Mit der Unterstützung dieses Antrages stärken wir die Versorgungssicherheit in


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 544

unserem Land erheblich. Deshalb ist für mich auch völlig unverständlich, warum die FPÖ-Fraktion hier nicht mitstimmen beziehungsweise dagegen sein wird.

Aufgrund einer EU-Verordnung ist es notwendig, dass eine Zertifizierung der Gasspeicher und der Anlagenbetreiber erfolgt. Diese Zertifizierungspflicht betrifft all jene Speicherunternehmen, deren Gasspeicherkapazität über 3,5 Te­rawattstunden aufweist.

Weiters gibt es im Gaswirtschaftsgesetz den Begriff des geschützten Kundenkreises. Dies bedeutet, dass dieser Kundenkreis im Krisenfall prioritär versorgt wird. Zu diesem Kundenkreis zählen zum Beispiel Spitäler und auch private Haushalte.

Mit diesem Beschluss erweitern wir die Versorgungssicherheit auf die Fernwär­mekunden. Bisher wurden all jene Kunden, die direkt ans Erdgasverteiler­netz angeschlossen waren, berücksichtigt, nicht aber die Fernwärmekunden; aus meiner Sicht eine absolute Notwendigkeit, diese Gruppe ebenfalls abzusi­chern. Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Unterstützung bei der Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt. Damit tragen wir wesentlich zu einer sicheren Versorgung insbesondere auch unserer Haushalts­kunden bei. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Schallmeiner.)

Da wir bei diesem Tagesordnungspunkt über die Gasversorgung sprechen, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass in Zukunft sehr wohl auch grünes Gas, also Biogas, aus heimischer Produktion mit Sicherheit eine wesentliche Rolle in der Energieversorgung spielen wird.

Und noch einmal sei erwähnt: Mir ist wirklich unerklärlich, warum dieser Sicher­heit, die wir mit diesem Beschluss speziell den Haushalten geben, eine Frak­tion hier, in dem Fall die FPÖ, nicht zustimmen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

23.48



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 545

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


23.48.05

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ob der fortgeschrittenen Zeit möchte ich mich sehr kurz halten, aber trotzdem zu der Debatte über das Gaswirtschaftsgesetz noch drei Punkte kurz ergänzen.

Wir haben seit Beginn dieser Krise im Energiebereich eine Reihe von Gesetzen auf den Weg gebracht und viele Maßnahmen getroffen, dass wir die Unter­nehmen, dass wir die Menschen in Österreich zuverlässig mit Gas versorgen können. Die Gasspeicher sind nach wie vor gut gefüllt, Versorgungs­engpässe sind in diesem Winter nicht zu erwarten, aber es ist klar: Die Situation bleibt angespannt – in ganz Europa, weltweit. Daher liegt der Fokus dieser Novelle auf den Speichern. Sie wissen, es war von Anfang an unser Zu­gang: Speicher füllen, Speicher füllen, Speicher füllen. Unser zentraler Sicher­heitspuffer ist sehr wichtig. Die Zertifizierung ist schon angesprochen worden.

Ich möchte in diesem Zusammenhang einen weiteren Punkt erwähnen, der hier noch einmal novelliert wird. In dieser mittlerweile vierten Novelle ist die verpflichtende Anbindung von Speicheranlagen an die Netzebene 1 festge­schrieben. Auch das ist noch einmal eine zusätzliche Sicherheit hinsichtlich des Verteilernetzes, insbesondere für den schon angesprochenen Speicher Haidach, dass man im Bedarfsfall wirklich rasch über mehrere Kanäle Gasmen­gen ausspeichern kann.

Der zweite Punkt, auf den ich noch gerne hinweisen würde, ist die Ausweitung des Kreises der geschützten Kundinnen und Kunden oder der durch Solida­rität geschützten Kundinnen und Kunden auf Fernwärme. Ich bin auch überzeugt, dass wir hier eine Lücke schließen, wie Frau Abgeordnete Graf vorhin auch schon gesagt hat. Wir schließen hier eine wichtige Lücke, die viele


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 546

Haushalte gerade in den Städten in Österreich im Fall einer Gasmangellage absichert.

Wir erreichen damit aber auch etwas Zweites, nämlich dass in Zukunft noch deutlich mehr Gas physisch in den österreichischen Speichern durch die Versorger eingespeichert werden wird. Denn mit der Erhöhung des Versor­gungsstandards ändern wir auch den Nachweis des Standards – durch die Vorlage von Speichernutzungsverträgen sowie den Nachweis auch der tatsächlichen Befüllung der Gasspeicher durch die Versorger – und das führt dazu, dass auch die Energieversorger deutlich mehr Gas vorhalten müssen. Auch das ist ein wichtiger Aspekt in der Debatte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Schluss darf auch ich mich noch bedanken. Ich erinnere an die freiwillige Vereinbarung zwischen dem Fachverband der Gas- und Fernwärmeunter­nehmungen und mir als Energieministerin, die abzuschließen gelungen ist, an die schon angesprochene Ratenzahlung, die für die Dauer von bis zu 18 Mona­ten eingeräumt wird. Wir haben schon eine Vielzahl von Maßnahmen beschlos­sen, dazu gehört die Stromkostenbremse, dazu gehören die gesteigerten Mittel für den Heizkostenzuschuss und dazu gehören auch – auf die Frage von Frau Abgeordneter Doppelbauer – die zwei unabhängigen Regulierungsbe­hörden, also E-Control sowie die Bundeswettbewerbsbehörde, die diese Markt­überwachung durchführen, die sich genau diese Themen anschauen: Wie entwickeln sich die Preise? Wie wird was am Markt weitergegeben? Und das selbstverständlich in beide Richtungen. Wir müssen aber auch sehen: Gas, das wir jetzt verbrennen, ist zu einer Hochpreisphase eingekauft worden, aber genau deswegen begrüße ich es wirklich ausdrücklich, dass sich die Bun­deswettbewerbsbehörde und die E-Control das genau anschauen.

Das bringt mich aber jetzt wieder zurück zum Dank an den Fachverband und dem Dank auch an die Energiesprecher und -sprecherinnen, die nicht nur diese Novelle, sondern auch die Verhandlungen zu der freiwilligen Vereinbarung mit begleitet haben. Ich glaube, das ist eine wichtige Unterstützung für


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die Haushalte in unserem Land und eine schöne Ergänzung zu dieser Novelle. Ich darf auch um breite Zustimmung zu dieser Novelle bitten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

23.52


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Klaus Lindinger zu Wort. – Bitte.


23.52.31

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Frau Bundesministerin hat es ja kurz zusammengefasst und die Punkte schon entsprechend ausführlich erklärt.

In aller Deutlichkeit: Wir stärken die Versorgungssicherheit von Österreich, dazu stehen wir. Es wird der geschützte Kundenkreis erweitert, in dem die Spitäler und privaten Haushalte drinnen sind, es gibt auch die Ausweitung auf Fern­wärmekunden. Damit schaffen wir es, dass wir in Österreich unabhängiger von fossiler Energie werden, unabhängiger von Russland werden. Das freut mich, und ich darf alle sehr herzlich einladen, dazu ihre breite Zustimmung zu geben, beziehungsweise wäre es wünschenswert, zu dieser Novelle ein­stimmige Zustimmung zu bekommen, denn Versorgungssicherheit – das haben uns die letzten Jahre bewiesen – ist wichtiger denn je, aber nicht nur Versorgungssicherheit, was den Gasbereich betrifft, sondern auch Versorgungs­sicherheit bei Lebensmitteln; darauf möchte ich auch hinweisen.

Das war ein wichtiger Punkt, und es sind viele Kolleginnen und Kollegen hier gestanden, auch Ministerinnen und Minister, die darauf hingewiesen haben, dass die Versorgungssicherheit in Österreich vor allem auch im Hinblick auf die Lebensmittel gewährleistet werden muss. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.) Die Bäuerinnen und Bauern in Österreich haben es ge­schafft, diese sicherzustellen.


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Ich möchte nur auf drei Punkte hinweisen, die mir in den letzten Wochen und Monaten schon zu denken gegeben haben. Das sind manche Aussagen von Abgeordneten zum Europäischen Parlament und auch Vorschläge der Europäi­schen Kommission, die oftmals vor der Krisensituation gemacht worden sind. Ich spreche hier vom Green Deal, von Aussagen von der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln bis hin zum Nature Restoration Law, zur Wieder­herstellung der Natur. Da kommt es halt darauf an: Was stellen wir uns darunter vor? Ich kann es mir nicht vorstellen, dass wir wieder Richtung Fünfzigerjahre zurückgehen und wieder mit den Rössern ackern und Felder bewirtschaften. Un­sere Vorgängerinnen und Vorgänger haben das aufgebaut, haben Produkti­vitätssteigerungen geschaffen, wir wirtschaften nachhaltig und produzieren dem­entsprechende Lebensmittel. Wir können über alles reden, denn wir haben in der Vergangenheit im Bereich des Tierschutzes schon viel getan und wir haben im Bereich der pflanzlichen Produktion schon viel getan.

Mir wäre es auch recht, wenn ich einen Punkt noch ansprechen darf, der in der Bauernschaft draußen groß diskutiert wird: das Ende der Notfallzulassung für Neonics beim Zuckerrübensaatgut. Damit haben wir massivste Probleme vor allem im Osten Österreichs, das gefährdet den Zuckerstandort und die Zuckerproduktion in Österreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ich auf den Punkt komme: Wenn wir so weitertun und die Produktion in Österreich nicht unterstützen, die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Bäuerinnen und Bauern nicht stär­ken, dann müssen wir diese Produktion zwangsläufig ins Ausland verlagern, dann werden wir die im Ausland produzierten Lebensmittel – mit einem großen CO2-Fußabdruck vor dem Hintergrund des Klimawandels – importieren. Dort wird es unter niedrigen Standards hergestellt, dort haben wir eine geringere Produktqualität. Das heißt: Ich bitte euch alle nach euren Möglichkeiten, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Die österreichischen Bäuerinnen und


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Bauern nehmen die Versorgungssicherheit ernst und sie können auch ent­sprechend arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen passen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

In diesem Sinne: Unterstützen wir die Landwirtschaft in Österreich, unterstützen wir die Gewährleistung der Versorgungssicherheit nicht nur bei Lebens­mitteln, sondern auch beim Gas! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

23.56


23.56.06

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1942 der Bei­lagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Alois Schroll, Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolle­ginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über die von diesem Abänderungsantrag betroffenen Teile des Gesetzentwurfes und schließlich über die restlichen, noch nicht ab­gestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Ab­stimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen An­zahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Alois Schroll, Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 7 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht ab­gestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer spricht sich dafür aus? – Der Gesetzentwurf ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wieder die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehrheit fest. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung beschlossen.

23.57.5714. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1928 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Transparenzdatenbankgesetz 2012 geändert wird (1941 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.


23.58.22

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuhören und zusehen wird uns ja wahrscheinlich niemand mehr. Ich möchte angesichts der vorgeschrittenen Stunde versuchen, mich auch etwas knapper zu


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halten. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Haubner: Bravo! – Ruf bei der ÖVP: Danke!)

Das Thema wäre an sich spannend. Die Transparenzdatenbank sollte etwas sein, bei dem man normalerweise auf die Finger schauen kann, dass die Gelder der öffentlichen Hand nicht irgendwo versickern, wo sie nicht hingehören. Un­sere Erfahrungen nach den drei Coronajahren waren aber andere. Nur die Euro­päische Union hat es uns möglich gemacht, zu sehen, in welchem Ausmaß diese Milliarden in die falschen Hände und in die falschen Taschen gekommen sind – und genau das leistet diese Transparenzdatenbank nicht. Wesentli­che Teile fehlen.

Ich erinnere zum Beispiel nur an die Gruppenbesteuerung, die unsäglicherweise unter Karl-Heinz Grasser eingeführt wurde: Da gibt es keine Auflistung, welchen Profit einzelne Konzerne daraus ziehen können, all das fehlt. Andere Teile fehlen, weil bestimmte Gebietskörperschaften nicht dabei sind. Ich weiß nicht, Frau Präsidentin, ob ich das sagen darf: Das ist ein Murks!, und daher kann man dem auch nicht zustimmen.

Besser wäre: Machen Sie einmal das Transparenzgesetz, zu dem sich die Regierung verpflichtet hat! Schaffen Sie die Auskunftsmöglichkeit, und schauen Sie, dass jede Bürgerin und jeder Bürger nachschauen kann, wer wie viel kas­siert hat! Dann würden wir nämlich solche Dinge wie den Cofag-Unsinn in Zukunft vermeiden. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

0.00


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Christoph Zarits zu Wort. – Bitte.


0.00.19

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Kehren wir nach der Märchenstunde von Kollegen Matznetter zu den Fakten zurück! (Abg. Krai­ner: Hallo! – Ruf bei der ÖVP: Na, stimmt ja!)


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Wenn es um Fördergelder geht, wenn es darum geht, Ausgleichszahlungen auch an Betriebe beziehungsweise auch an landwirtschaftliche Betriebe zu über­weisen, dann geht es auch um Steuergeld. Ich denke, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler unbedingt die Möglichkeit haben müssen, die Wege, die das Steuergeld geht, nachzuvollziehen. (Abg. Kollross: Das haben wir eh bei der Co­fag gesehen!) Es geht auch darum, dass die Steuergelder effizient eingesetzt werden. Darum geht es, und darum wurde im Jahr 2012 die Transparenzdaten­bank ins Leben gerufen. Jetzt geht es darum, mit dieser Novelle diese Struk­tur zu modernisieren und zukunftsfit zu machen.

Worum geht es heute? – Es geht im Wesentlichen um vier Punkte. Es geht da­rum, dass der Energiekostenzuschuss auch in der Transparenzdatenbank veröffentlicht wird. Zweitens geht es darum, dass diese Dinge, die vom Rech­nungshof bemängelt beziehungsweise beanstandet wurden, eingearbeitet werden. Es geht drittens darum, dass wir eine bessere Möglichkeit bekommen, auf die Transparenzdatenbank zuzugreifen, und natürlich auch um eine bes­sere Qualität der Daten. Viertens geht es darum, dass alle Gemeinden unter 20 000 Einwohnern freiwillig in die Transparenzdatenbank einmelden können. Wir wollen, dass jene Gemeinden unter 20 000 Einwohnern die­se Möglichkeit haben und diese Daten leichter einmelden können.

Ich habe hier ein Beispiel von einer Gemeinde mit (ein Exemplar des „Transparenz­bericht 2021 der Landeshauptstadt Freistadt Eisenstadt“ in die Höhe haltend), die in vielerlei Hinsicht Vorreiter ist, beispielsweise in der Infrastruktur, in der Kinderbetreuung, aber auch, was die Transparenz betrifft, nämlich das Bei­spiel der Landeshauptstadt Eisenstadt, die seit 2018 jedes Jahr einen Transpa­renzbericht veröffentlicht, der dann allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung steht. Da sind alle Förderungen abgebildet, da sind Budgetübersich­ten abgebildet. Ich glaube, das ist der richtige Weg. An der Landeshaupt­stadt Eisenstadt mit Bürgermeister Steiner könnten sich sicherlich viele Gemein­den abschauen, Transparenz genauso zu leben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Abschließend möchte ich sagen: Ich bitte um Zustimmung zu dieser Novelle. Wir wollen moderne und zukunftsfitte Strukturen. Wir wollen, dass das Steuer­geld effizient eingesetzt wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

0.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


0.02.55

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Zur späten Stunde: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Allem vorweg: Ich glaube, wir haben seit 2 Minuten ein Geburtstagskind. Wir wollen Barbara gratulie­ren (in Richtung Abg. Neßler), unserem Nesthäkchen im Nationalrat. (Allgemeiner Beifall. – Abg. Schallmeiner – auf Abg. Doppelbauer deutend –: Zwei haben wir! Zwei!) – Ach so, es gibt ein zweites auch noch! Ich gratuliere. Also gibt es zwei Geburtstagskinder. Dementsprechend sollte man das vom Rednerpult aus auch machen. (Allgemeiner Beifall.) – So viel zur Transparenz: Seht ihr, wir wissen alle, wie alt ihr seid.

Zur Transparenzdatenbank: Als ich damals, 2013, Soziallandesrat war, war unter dem mittlerweile verstorbenen Sozialminister eines der wichtigsten Anliegen die Etablierung einer Transparenzdatenbank, nämlich im Sozialbereich. Wir haben das heute auf der einen Seite, auf der wirtschaftlichen Ebene, zu einem großen Teil zusammengebracht, haben erste Ansätze gefunden, was auch durchaus positiv ist. Wir sehen an dieser Novelle auch, dass es natürlich Zeit, aber auch Bewegung braucht, um diese Transparenz in einzelnen Umsetzungen weiter voranschreiten zu lassen.

Was mir auch wichtig ist, sind die erstmaligen Abfederungen der Preissteige­rungen im Energiebereich für Unternehmen, die wir jetzt ausgewiesen ha­ben, aber auch – und das ist das Wesentliche, was der Kollege als Vorredner


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schon erwähnt hat –, dass es für die kleinen Gemeinden eine ganz klare Durchsichtigkeit und Darstellung im Bereich dieser Novellierung gibt.

In Summe waren, glaube ich, alle im Haus davon überzeugt, dass das eine weitere Optimierung und Vereinfachung ist, und daher wird auch von unserer Seite die Zustimmung erteilt werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

0.04


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.


0.04.44

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde jetzt schon einiges über die Transparenzdatenbank gesagt, und ich möchte es angesichts der späten Stunde und der zwei Geburtstagskinder relativ kurz machen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Demonstrativer Beifall des Abg. Hörl.) – Herr Hörl verlängert schon meine Rede mit diesem Applaus, aber gut.

Es geht um Transparenz von Förderungen. Wir fördern ja recht viel. Es gibt beispielsweise Energiekostenzuschüsse, Studienbeihilfe, Beiträge zu Kurskosten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Schulveranstaltungen werden ge­fördert, es gibt KMU digital und so weiter und so weiter. Um da Transparenz hi­neinzubringen, gibt es die Transparenzdatenbank. Die funktioniert seit 2013 ganz gut, aber der Rechnungshof hat doch einiges an Verbesserungsvorschlägen. Das setzen wir jetzt um. Vier Punkte sind es insgesamt, zwei Punkte sind mir besonders wichtig.

Der eine ist, dass wir es den Gemeinden erleichtern, dass sie einmelden können. Derzeit melden nur drei Gemeinden in Österreich ein, das sind Graz, Villach und Gratkorn – diese Auswahl finde ich sehr spannend. Da sieht man wirklich, was diese Gemeinden alles an Förderungen für ihre Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger leisten. Die anderen tun es nicht, weil es doch aufwendig


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ist. Wir wollen das in Zukunft durch sogenannte Förderschienen erleich­tern, sodass es viel einfacher für die Gemeinden wird, das einzumelden.

Zweitens geht es auch dahin gehend um mehr Transparenz, dass öffentlich einsehbar ist, welche Betriebe Förderungen bekommen, und zwar ab der Grenze von 10 000 Euro, weil diese Förderungen ja auch an Personen, die dahin­terstecken, geknüpft sind. Aus Datenschutzgründen – weil auch diskutiert wur­de: warum nicht niedriger? – oder Persönlichkeitsschutzgründen gab es die Empfehlung, nicht unter diesen Betrag zu gehen. Das gilt für die Energiekos­tenzuschüsse, beim Non-Profit-Fonds zum Beispiel hatten wir den Betrag von 1 500 Euro, weil da keine Personen dahinterstecken. Also insofern gibt es diese Unterscheidung.

Ich bitte um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppel­bauer. – Bitte.


0.07.27

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Wir haben schon gehört (die Abgeordneten Fischer und Schall­meiner – erheitert –: Ich habe heute Geburtstag!), es geht um die Transpa­renzdatenbank, und natürlich sind auch wir große Fans davon, dass es jetzt auch tatsächlich zu einigen Verbesserungen bei der Transparenzdatenbank kommt. Deswegen begrüßen wir auch diese Änderung, diese Vorlage und wer­den da auch mitgehen.

Nichtsdestotrotz würden wir als NEOS natürlich einen Schritt weiter gehen. Es ist so, dass einiges erreicht wurde, aber noch ganz viele Dinge in diesem Transparenzdatenbankgesetz fehlen. Es gibt nach wie vor kein vollständiges Bild


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der Förderlandschaft und es gibt zum Beispiel auch keine Einsichtsmög­lichkeiten für den Nationalrat oder für die Bürgerinnen und Bürger, deren Steu­ergeld da ja tatsächlich ausgegeben wird.

Das ist auch deswegen ein Drama, weil Österreich unglaublich viel Geld für Förderungen ausgibt. Gerade seit 2019 hat sich die Zahl der Förderungen und Subventionen verdreifacht. Wir sprechen da wirklich von Milliardenbeträgen, die sich leider gerade auf einem sehr, sehr hohen Niveau, auf einem absurd hohen Niveau, wie wir finden, einpendeln. Deswegen möchten wir, wenn man schon Steuergelder in Milliardenhöhe in Hunderte von Förderprogrammen steckt, das Mindeste machen, und das Mindeste aus unserer Sicht ist volle Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger, damit eingesehen werden kann, wofür diese Gelder ausgegeben werden.

Aus diesem Grund bringe ich an diesem wunderschönen Tag noch einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Transparenz für die Transparenzdatenbank 2.0“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, für eine größere Transparenz der Transparenzdatenbank zu sorgen, zum Beispiel indem der Kreis der Einsichtsberechtigten deutlich erweitert wird (unter anderem auch auf den österreichischen National­rat). Förderungen an Unternehmen und Vereine müssen bereits ab einer För­dersumme von 2.000 Euro öffentlich einsehbar gemacht werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

0.09


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Mehr Transparenz für die Transparenzdatenbank 2.0

eingebracht im Zuge der Debatte in der 202. Sitzung des Nationalrats über – TOP 14

In der österreichischen Transparenzdatenbank wird derzeit ein großer Teil der Förderungen von Bund, Ländern und Gemeinden erfasst. Sie verfehlt jedoch nach wie vor ihr Ziel, einen vollständigen Überblick über das staatliche Förderungsangebot zu bie­ten und zur Steuerung und Kontrolle dieser Förderungen beizutragen. Darüber hinaus ist auch die Transparenz bei der Transparenzdatenbank nicht ausreichend gewährleistet.

Der Österreichische Rechnungshof (Prüfbericht 2021 zur Transparenzdatenbank; https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/home_7/Transparenzdatenbank.pdf) und der Budgetdienst des Parlaments (https://www.parlament.gv.at/PAKT/BUDG/BUDGETBERICHTE/FOERDERUNGEN/index.shtml) identifizieren folgende Defizite bei der Transparenzdatenbank:

•       Förderzahlungen werden nur unvollständig von den abwickelnden Stellen einge­meldet.

•       Indirekte Förderungen werden nur teilweise in der Transparenzdatenbank berücksichtigt.

•       Kein Gesamtkonzept, wie die Daten der Transparenzdatenbank zu Steuerungs­zwecken genutzt werden könnten.

•       Leistungsgeber und Abwicklungsstellen sind nur unzureichend mit den (technischen) Einsatzmöglichkeiten der Transparenzdatenbank vertraut.

Es ist generell unverständlich, warum bei der Transparenzdatenbank der Kreis der Einsichtsberechtigten so klein gehalten wird und zum Beispiel der österreichische Natio­nalrat (Abgeordnete und Budgetdienst) als parlamentarisches Kontrollorgan nach


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wie vor keinerlei Einsichtsrechte besitzt. Hier wäre dringend für eine entsprechende Kon­kretisierung der bestehende gesetzlichen Regelungen in Bezug auf die einsichtsbe­rechtigten Institutionen zu sorgen.

Was den Zugang der Öffentlichkeit zu den Informationen in der Transparenzdatenbank betrifft, so beschränkt sich dieser derzeit in erster Linie auf die Möglichkeit zum Auf­ruf eines Leistungsangebots am Transparenzportal (inkl. entsprechende Auszahlungssum­men pro Jahr). Zudem können Auswertungen zu den jährlichen Auszahlungssummen je Leistungsangebot abgerufen werden und Förderungsbezieher:innen können ihre bezo­genen Förderleistungen abfragen.

Seit kurzem sind zudem personenbezogene öffentliche Abfragen der Cofag-Wirt­schaftshilfen (ab einer Förderhöhe von 10.000 Euro) und der Auszahlungen aus dem NPO-Fonds (ab einer Förderung von 1.500 Euro) möglich. Aktuell ist auch die Ver­öffentlichung von Unternehmens-Energiekostenzuschüssen (ab einer Förderung von 10.000 Euro) und eines Teils der Förderungen im Zusammenhang mit der Aufbau- und Resilienzfazilität geplant. Im Sinne einer höheren Transparenz und eines sorgsamen Umgangs mit Fördermitteln sollten jedoch in der Transparenzdatenbank des Bundes - der elektronische Förderbericht in Oberösterreich zeigt, dass es möglich ist - ALLE För­derungen an Unternehmen und Vereine ab einer Fördersumme von 2.000 Euro veröf­fentlicht und personenbezogen abgefragt werden können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, für eine größere Transparenz der Transparenzdatenbank zu sorgen, zum Beispiel indem der Kreis der Einsichtsberechtigten deutlich erweitert wird (unter anderem auch auf den österreichischen Nationalrat). Förderungen an Unternehmen und Vereine müssen bereits ab einer Fördersumme von 2.000 Euro öffentlich einsehbar gemacht werden."

*****



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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maria Smodics-Neumann. – Bitte.


0.09.39

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Staatssekretär! Schönen guten Morgen, meine Damen und Herren! Vier Punkte sind in der Novelle des Transparenzdatenbankgesetzes abgebil­det. Ich darf sie kurz zusammenfassen.

All jene Unternehmen, die Energiekostenförderung bekommen, sollen in der Da­tenbank oder im Portal erfasst werden. Mit dieser Novelle schaffen wir die Rechtsgrundlage dafür. Die Rechnungshofempfehlungen zur Verbesserung der Datenqualität und auch der Verfügbarkeit werden damit umgesetzt.

Von Kolleginnen und Kollegen wurde auch schon das steigende Interesse der Gemeinden, daran teilzunehmen, erwähnt. Dafür schaffen wir Verwaltungs­vereinfachungen. Außerdem ist auch noch die Forderung der Europäi­schen Kommission, der wir nachkommen, enthalten, die Top-100-Endempfänger von Mitteln aus der europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität zu veröffent­lichen.

Lassen Sie mich vielleicht noch einen Satz dazu sagen: Warum fördern wir Un­ternehmen? Warum macht es Sinn, dass wir diese Förderungen ausschüt­ten? – Ich glaube, das Wichtigste für Unternehmen in harten Zeiten ist, dass sie die Liquidität erhalten können, damit sie ihre Aufträge, die sie schon haben, ausführen können, damit sie wettbewerbsfähig bleiben, damit die zukünftigen Aufträge nicht irgendwo ins ganz ferne Ausland abwandern und damit für immer verloren sind.

Das Ganze hilft, Arbeitsplätze zu erhalten, im besten Fall, neue zu schaffen, und das Ganze hilft auch, die so notwendigen Ausbildungsplätze für unsere Jun­gen zu erhalten und zu schaffen. Diese Mitarbeiter erhalten gemeinsam mit ihren


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Unternehmen die Wertschöpfung in Österreich, die dann über die Steuer­einnahmen auch wieder zu den Steuerzahlern zurückkommt.

Deswegen, glaube ich, ist es durchaus gut, wenn wir Unternehmen fördern. Viel­leicht kann sich der eine oder andere Abgeordnete davon verabschieden, Unternehmen unter Generalverdacht zu stellen, wenn es um Förderungen geht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

0.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


0.12.01

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Geschätzte Zuseher:innen! Wir fordern zu Recht Transparenz, weil es immer darum geht, dass aus öffentlichen Steuermitteln Private gefördert werden. Ganz egal ob im Energie­sektor, bei den Wirtschaftsunternehmungen oder im Kulturbereich, es flie­ßen immer Steuermittel aus dem Staatssäckel hin zu den Privaten. Es ist also Grund genug, da Transparenz walten zu lassen, weil – das, glaube ich, sollten wir oben drüberschreiben – Transparenz eine gute Grundlage für Vertrauen ist. Die Politik braucht mehr denn je dieses Vertrauen, und mehr denn je ist es auch gut, diese Transparenzdatenbankgesetzesnovelle heute zu beschließen.

Ich möchte die Zeit auch nutzen, um meinen Bürgermeisterkolleginnen und -kol­legen Mut zuzusprechen, nämlich dazu, diese Transparenzdatenbank zu nut­zen. Wir wissen, bis jetzt waren die Gemeinden über 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern dazu verpflichtet, nun wird diese Transparenzdatenbank auch für die Gemeinden mit weniger Einwohnerinnen und Einwohnern geöffnet. Das geschieht aber mit einer klaren Erleichterung, weil es nämlich klare Re­geln gibt, wie diese Datenbank zu befüllen ist, weil es klare Szenarien gibt, die man verwenden kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 561

Es ist also Grund genug, um sich diesem Transparenzgedanken zu verschreiben und auch in Zukunft dafür zu sorgen, dass wir alle nachvollziehen können, wohin öffentliche Mittel fließen, nämlich öffentliche Mittel von Bund, Land und Gemeinden hin zu Privaten, hin zu Kulturträgern, hin zu Vereinen, hin zu Unternehmungen.

Mein Appell an Sie: Stimmen Sie zu!, mein Appell an alle: Transparenz schafft Vertrauen, das wir ganz, ganz dringend brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

0.13


00.13.56

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1941 der Bei­lagen:

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Le­sung mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Transparenz für die Transparenzdatenbank 2.0“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 562

00.14.4615. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3117/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzlich verpflichtende Wirkungsfolgenabschätzung von Gesetzesvorhaben auf die von Österreich umzusetzenden nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (1943 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die erste Rednerin steht schon am Pult: Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte.


0.15.19

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir wollen heute mit Tempo durchziehen. Der Titel ist sehr sperrig, aber es geht um etwas Großartiges, um etwas, das wir nämlich gemeinsam geschafft ha­ben, zu etablieren.

Ihr habt heute wieder diese Infozettel auf euren Tischen gehabt. Ganz viele wussten es vor ein paar Monaten noch nicht, aber ihr wisst mittlerweile, worum es bei dieser Agenda 2030 geht. Ich möchte mich bei Uninetz bedanken, die auch heute – eigentlich gestern, es ist schon wieder 15 Stunden her – bereit wa­ren, wieder einen Infostand zu machen, damit wir alle mit diesen wichtigen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen in Berührung kommen können.

Warum machen wir das? – Wir wollen, dass es Klarheit gibt, dass die Menschen wissen – das beginnt bei uns –, worum es geht. Es ist ein Weltzukunftsvertrag. Mit diesem Vertrag verpflichtet sich die internationale Staatengemeinschaft, die Vereinten Nationen, dazu, allen Menschen bis 2030 ein Leben in Würde zu sichern, unseren Kindern, unseren Enkelkindern eine Welt zu hinterlassen, in der jeder Mensch in Würde leben kann. Das ist ein hohes Ziel, ein wichtiges Ziel.


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Es ist in Österreich bereits sehr viel erreicht worden. Wir haben damals die interministerielle Arbeitsgruppe installiert, es gibt eine Steuerungsgruppe, es gibt den nationalen Fortschrittsbericht. Verschiedene Dinge sind passiert. Wir ha­ben uns weltweit zu den Topplayern hinaufentwickelt. Wir sind quasi auf Platz fünf von 163 geprüften Ländern – wir haben uns da verbessert. Ich glaube, dass es auch an uns allen liegt, weil wir auch wirklich miteinander Energie hineininvestiert haben.

Ein ganz spezieller Dank geht heute wieder an Penny Bayr – ich glaube, steter Tropfen höhlt den Stein, kann man sagen –, die ganz, ganz lange dahinter war. Oft braucht es einfach ein breiteres Feld, mehr Menschen, die das dann in die Breite tragen, und irgendwann ist es so weit. Ein Dank geht auch an Astrid Rössler, an Yannick Shetty, die das so intensiv mit uns gemeinsam gelebt haben, und an alle, die sich da einbringen, ganz speziell an Josef Smolle – danke, Josef! Ein Applaus vielleicht für Josef (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abge­ordneten von Grünen und FPÖ), der sich wirklich engagiert hat und das Dreier-SDG, das Thema Gesundheit, letztes Mal mit der Gruppe gemeinsam unglaublich toll vorbereitet hat. Man konnte Untersuchungen machen, es war also erlebbar, worum es dabei geht. Genau darum geht es auch in Zukunft. Die Einladung steht: Bitte bringt euch alle auch bei den Themen ein, wir werden von Uninetz super unterstützt!

Ein ganz wesentliches Thema ist der Antrag von heute. Worum geht es eigent­lich zusammengefasst – weil es recht sperrig klingt –: Es ist ein präventives Messinstrument für alle Dinge, die wir hier entscheiden. Wir haben ja seit dem Bericht über die wirkungsorientierte Folgenabschätzung Zusammenhänge zwischen den SDGs und jeglichen Regelvorhaben hergestellt. Jetzt gehen wir damit quasi einen Schritt weiter und wollen die Umsetzung der Nachhal­tigkeitsziele bereits in den Gesetzwerdungsvorgang hineinbringen, das als in­tegralen Bestandteil verankern.

Im Budgetausschuss wurde – das ist toll – dieser Antrag von allen Fraktionen mit Ausnahme der FPÖ angenommen. Jetzt noch einmal mein Appell und auch


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eine Einladung: Ich habe damals mit Norbert Hofer gesprochen, das war ein ganz, ganz positives Gespräch. Er hat uns unglaublich unterstützt und gemeint, er findet es toll, dass wir das machen. Dann kam Kickl, dann kam also der Wechsel innerhalb der FPÖ, und plötzlich war das Thema vom Tisch.

Ich habe mich am Anfang wirklich redlich bemüht, als ich diese Gruppe initiiert habe, und war dann bei Ihrem Herrn Klubdirektor Nemeth. Der hat mir ge­sagt, es ist zwar nett und schön, dass wir das machen, aber er hat unmissver­ständlich klargemacht, dass die FPÖ in der neuen Linie überhaupt gar kein Interesse daran hat, irgendetwas zu tun, was sich auf ein Projekt der Vereinten Nationen bezieht.

Dazu muss ich jetzt eines sagen: Ein gesunder Patriotismus ist in Ordnung, den finde ich gut, aber das ist meiner Meinung einfach blinder Nationalismus, was Sie da machen: Alles, was von den Vereinten Nationen kommt, ist schlecht! (Abg. Kassegger: So hat er es sicher nicht gesagt!) – Ich meine, wir leben heutzutage in einer gemeinsamen Welt, wir sind nicht mehr allein da. Wissen Sie, Herr Kassegger, ich glaube, das wäre eine Einladung. Vielleicht gibt es doch den einen oder die andere, der oder die sich doch einbringen möchte, um bei einem Ziel mitzuarbeiten. Die Einladung steht.

Wir anderen übernehmen heute gemeinsam Verantwortung und arbeiten mit­einander an der Erfüllung dieses Weltzukunftsvertrages. Danke vielmals an alle, die zustimmen. Alle Fraktionen außer der FPÖ unterstützen diese Nachhal­tigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Das, was Sie nachhaltig tun, ist, einfach populistisch dagegen zu sein – das können Sie. Vielleicht machen Sie doch mit (Abg. Kassegger: Sicher nicht! Ich werde es Ihnen dann erklären, warum!), ich lade Sie ein, ich würde mich wirklich freuen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grü­nen und NEOS.)

0.20



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 565

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte.


0.20.15

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! „Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ – im Fall der Wirkungsfolgenabschätzung unserer Gesetzesarbeit, die wir hier leisten, auf die SDGs war die Zeit ziemlich lang.

Ich gehe mit der Idee seit 2015 hausieren. Am Anfang hat es da auch relativ viel Euphorie gegeben, nach dem Motto: Das könnte ja echt einmal eine innova­tive Geschichte sein, die man auch gut in unsere Voluntary National Reviews, die damals gerade etabliert worden sind, schreiben könnte, da könnte man als Österreich wirklich vorangehen, denn das haben wenige andere Länder! – Als dann klar geworden ist, dass so ein Impactassessment für 169 Ziele eine relativ komplexe Geschichte ist, sind einige Ressorts sehr schnell auch wieder zurückgerudert, und es kam dann nicht.

Wir machen jetzt aber wirklich – mit dem Beschluss heute ehrlich gesagt noch nicht; erst dann, wenn wir die Novelle des Bundeshaushaltsgesetzes be­schließen, wo das dann drinnen stehen wird – einen sehr großen Schritt und bringen zum Beispiel auch den Ministerratsbeschluss vom Jänner 2016, mit dem beschlossen worden ist – so wie das, by the way, auch die EU macht –, in Österreich die nachhaltigen Entwicklungsziele im Sinne eines Mainstreamings zu verfolgen, zur Umsetzung.

Jetzt macht das dann auch Sinn, denn 169 Ziele zu mainstreamen ist nicht ganz so leicht. Jetzt haben wir ein Instrument dazu, sodass wir wirklich in jedes Vorblatt eines jeden Gesetzes schauen können werden, was für konkrete Aus­wirkungen ein Gesetzesvorhaben im Positiven, befördernden, wie auch im Negativen, hindernden, Sinne auf diese infrage kommenden – natürlich niemals alle – 169 Ziele haben wird. Das ist insofern ein wirklich innovativer und wirk­lich wichtiger Schritt, weil es eine Ex-ante-Herangehensweise an die Umsetzung


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der SDGs ist. Der Budgetdienst zum Beispiel hat ja jetzt auch schon ex post geschaut: Wie wirken sich die Indikatoren der Wirkungsziele auf die SDGs posi­tiv oder negativ aus?

Wenn wir sowohl dieses Impactassessment, diese Wirkungsfolgenabschätzung, als auch – was auch im Antrag drinnen steht, und das sollte man nicht unter­schätzen – eine regelmäßige Berichterstattung ans Parlament haben – und ich verstehe darunter nicht nur eine retrospektive Berichterstattung; ich ver­stehe darunter auch Vorhabensberichte, was denn Ressorts konkret im nächsten Jahr zum Beispiel vorhaben, um dieses oder jenes SDG zu erfüllen oder näher daran heranzukommen –, dann geben diese zwei Instrumente gemeinsam uns hier im Parlament ein Handwerkszeug zur Seite, mit dem wir seriös daran arbeiten können, diese Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, die für uns genauso wie für den Rest der Welt gelten, wirklich effektiv umzusetzen. Ich hoffe, dass die entsprechende Novelle des Bundehaushaltsgesetzes sehr bald kommen wird, dass wir die sehr bald hier diskutieren können.

Summa summarum freue ich mich sehr. Ich habe mich auch sehr gefreut, weil es ja nicht alle Tage vorkommt, dass ein Antrag einer Oppositionsabgeordneten einfach ohne viel Trara rundherum oder vorher angenommen wird. So gesehen freue ich mich also sehr und glaube, dass wir einen echt relevanten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und damit auch in Richtung Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, unseres Landes, unserer Erde machen. – Vielen lieben Dank für die Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, Grünen und NEOS.)

0.23


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Astrid Rössler. – Bitte.


0.24.00

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne) (eine Tafel auf das Redner:innenpult stellend, auf der unter der Überschrift „Ziele“ die Logos der 17 SDGs abgebildet sind):


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 567

Zu fortgeschrittener Stunde auch noch einmal ein Bezug zwischen den Sustainable Development Goals und der heute schon besprochenen Novelle zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz: Wenn wir den Begriff der Nach­haltigkeit verwenden, dann bewegen wir uns in Wahrheit in zunehmend komple­xen Strukturen und leider auch in komplexen Krisenlagen, die wir auch nur mit einer gesamtheitlichen Sicht lösen – beziehungsweise uns ihnen annähern – können.

Schon an diesen beiden Redebeiträgen von Kollegin Carmen und von dir, Penny, sieht man, wie unterschiedlich auch der persönliche Zugang jeweils ist. Mei­ner ist natürlich ganz stark umwelt- und nachhaltigkeitsgetrieben, und für mich zeigt sich genau anhand dieser 17 Ziele – (auf die vor ihr stehende Tafel wei­send) darum habe ich sie auch aufgestellt –, wie komplex, aber auch wie wider­sprüchlich sie sind. Es gibt einfach viele Zielkonflikte, die uns bewusst sein müssen und die da sichtbar werden. Darin sehe ich auch die Chance bei diesem Instrument: dass wir, wenn wir uns der Budgetierung von dieser Seite nä­hern, auch einen anderen Zugang bekommen, betreffend die Frage, was wir da­mit bewirken.

Dieser Beschluss, der mich wirklich sehr freut – und danke, Penny, auch für dei­ne Ausdauer, immer wieder mit solchen Ideen in die Debatte zu gehen –, bringt uns wieder ein Stück näher dazu, zu fragen: Was bewirken wir mit den Mitteln, die wir einsetzen, und wie können wir uns diesen Fragen, wo wir Prio­ritäten setzen und wie wir Zielkonflikte entscheiden, auch schon im Vor­hinein widmen?

Wir werden uns in Richtung Priorisierungen entwickeln müssen. Wir werden entscheiden müssen: Welchen Stellenwert bekommen Hochwasservor­sorge, Dürrevorsorge als Zeichen des Klimawandels und der Klimawandelanpas­sung, mit denen wir viel stärker konfrontiert sein werden? Wie gehen wir mit den Grundbedürfnissen, die hier abgebildet sind, um? Es geht aber auch um Fragen wie: Wie definieren wir Wohlstand? Wie definieren wir Wirtschaft,


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nachhaltige Wirtschaft und was müssen wir dem gegenüberstellen – die Sozial­verträglichkeit, die Umweltverträglichkeit? Wie schaut Wirtschaft vor dem Hintergrund dieser 17 Ziele aus? Und was heißt das in Zeiten eines Ukrainekriegs, was bedeuten Frieden und Zusammenarbeit und Zusammenleben für uns?

Daher: Es ist sehr schön, dass wir da einen Schritt weiter gekommen sind. Morgen trifft sich die Imag, wir haben morgen den nächsten Folgetermin, um auch schon ein bisschen zu brainstormen, wie dieser nächste Schritt der Umsetzung aussehen kann. Auch da gibt es schon Ideen, und ich freue mich über alle, die sich in diesen Prozess einklinken. Die Einladung an die Kollegen von der Freiheitlichen Partei steht natürlich nach wie vor, sich mit diesen 17 Zielen auseinanderzusetzen. – Danke für die Zustimmung heute zu diesem sehr, sehr schönen Antrag. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

0.27


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brand­stötter. – Bitte.


0.27.15

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Wenn dieses Hohe Haus Gesetze verabschiedet, an die sich dann auch alle Menschen in Österreich halten sollen, dann tun wir das, so hoffe ich zumindest, auch aus einem guten Grund. Wir haben eine Vorstellung davon, welche Auswirkungen diese Regeln auf die Wirtschaft, auf Familien, auf das Sozialleben haben, und wir schlagen ja diese Regeln auch vor, weil wir davon ausgehen, dass sie sich in der Folge in Summe dann auch positiv auswirken.

Natürlich haben wir nicht immer alle die gleichen Ansichten. Wir NEOS glauben sicher nicht, dass die bestgemeinten Gesetzesvorschläge auch genau die Effekte erzielen werden, die sich eine Regierung vorstellt – aber genau darin liegt ja auch die Stärke der Demokratie: eine offene und manchmal viel­leicht auch lautstarke Debatte über Daten und Fakten.


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Eine Wirkungsfolgenabschätzung kann also wirklich eine gute Grundlage dafür sein, eine Debatte zu führen – aber halt nur dann, wenn sie auch ernst ge­nommen wird. Daher sind wir für diesen Antrag, aber gleichzeitig möchte ich in dieser Debatte auch etwas einfordern, nämlich dass eine Wirkungsfolgen­abschätzung nicht als eine lästige Verpflichtung wahrgenommen wird, eine Ver­pflichtung durch die OSZE oder durch eine streitsüchtige Oppositionspartei, sondern dass wir sie ernst nehmen und auch als Beginn einer parlamentarischen Debatte betrachten.

Wir NEOS – und natürlich auch die anderen Oppositionsparteien – beschweren uns zu Budgetzeiten ja ganz gerne, dass die Wirkungsziele schwammig und auch nicht ausreichend operationalisierbar sind. – Gut, manchmal ist es auch tat­sächlich schwierig, das Ziel eines Gesetzes in Zahlen zu gießen. Wenn man aber mit einem Gesetz tatsächlich ein Ziel verfolgt, dann muss man das auch auf die eine oder andere Weise erklären können. Wir würden uns deshalb freuen, wenn dieser Antrag heute auch angenommen wird.

Wir würden uns aber auch darüber freuen, wenn die Regierung bei der Fol­genabschätzung in Zukunft einen Tick seriöser werden würde – man verliert ja auch nichts dabei. Wir debattieren eine schwammige Folgenabschätzung genauso wie eine konkrete, vielleicht sogar noch lebhafter, und am Ende hat die Regierung dann ohnehin die Mehrheit, ein Gesetz zu beschließen.

Wenn die Regierung dann auch noch Expertenmeinung in diese Folgenab­schätzung einfließen lässt und die Debatte damit auch ruhiger und sachlicher wird, dann können wir vielleicht auch das Ansehen der Politik insgesamt ein klein wenig verbessern.

Also: Eine gute Erklärung einer Gesetzesvorlage kann den Ton in diesem Haus durchaus verbessern, auch zur Aufwertung beitragen. Daran sollten ja auch die Regierungsparteien Interesse haben, weil ja jeder irgendwann einmal in Op­position sein kann. (Beifall bei den NEOS.)

0.30



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 570

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Angela Baum­gartner. – Bitte. (Beifall des Abg. Eßl.)


0.30.10

Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Natio­nen, kurz SDGs genannt, sind in der Tat ein wichtiger Faktor im Gesetzge­bungsprozess, und zwar nicht erst, seit sie 2015 beschlossen wurden, nur haben wir jetzt einen internationalen Standard, der Maßnahmen vergleichbar und überprüfbar macht.

Diese 17 Nachhaltigkeitsziele, zum Beispiel Maßnahmen zu Klimaschutz, Ge­sundheit und Wohlergehen, Leben am Land, spielen bei der Bewertung und Überprüfung von Gesetzen und deren Wirkung eine wichtige Rolle. (Ruf bei der ÖVP: Meine Worte!) Wir brauchen uns da nicht zu verstecken – meine Kollegin Carmen Jeitler-Cincelli hat es schon gesagt –, im internationalen Ver­gleich liegt Österreich im Jahr 2022 bei der Umsetzung der Agenda 2030 weltweit an fünfter Stelle von insgesamt 163 geprüften Ländern. Auch sind wir eines der wenigen Länder, das die SDGs im Budget anführt. Unser Budget­dienst im Parlament, der hervorragende Unterlagen erarbeitet, stellt seit dem Bundesvoranschlag 2021 SDG-Landkarten des Budgets zur Verfügung, in denen die Wirkungsziele der einzelnen Budgetuntergliederungen den SDGs zu­geordnet werden. Da kann wirklich einfach und transparent abgelesen werden, welche Entwicklung die einzelnen Ziele nehmen.

Das System zur Berücksichtigung der SDGs soll weiter verbessert werden, das ist ganz klar. Es ist aber meines Erachtens nicht notwendig, eine reine SDG-Novelle des Bundeshaushaltsgesetzes zu machen, denn eine umfassende BHG-Novelle zur Optimierung und Steigerung der Effektivität steht an, und dort sollte dann auch die gesetzliche Anpassung und systematische Eingliederung der Nachhaltigkeitsziele erfolgen. Nur so kann ein sinnvolles Gesamtbild entste­hen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

0.32



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 571

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Abgeordneter Axel Kassegger zu Wort gemel­det. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Axel, mach’s kurz!)


0.32.32

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Kurz! Kurz, kurz, kurz – ich wollte mich ursprünglich nicht zu Wort melden (Abg. Höfinger – auf die lee­ren vorderen Bankreihen der FPÖ deutend –: Du bist heute ein Solist bei dieser Par­tie! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP), aber: Parlament – parlare! Wir ha­ben noch genug Restredezeit und ich ersuche darum, dass wir diese als Opposi­tionspartei auch allfällig ausnutzen dürfen. (Abg. Höfinger: Natürlich!)

Ich möchte kurz auf das replizieren, was Kollegin Jeitler-Cincelli gesagt hat. Zum einen bezweifle ich jetzt einmal grundsätzlich – aber wir können ihn persön­lich fragen –, dass unser Klubdirektor Norbert Nemeth etwas so Undifferenzier­tes gesagt hat, wie: Alles, was von der UNO kommt, lehnen wir ab! – Das können wir aber ja vielleicht im trilateralen Gespräch klären.

Ich bin auch nicht der Meinung – und da zitiere ich Sie jetzt –, dass die FPÖ blinden Nationalismus verfolgt, sondern es ist gesunder Patriotismus. Darüber kann man aber natürlich streiten, Sie bezeichnen das so, wir bezeichnen es eben als gesunden Patriotismus.

Worum geht es? – Es geht dem Grunde nach – und es ist traurig oder bedau­ernswert, dass wir darüber um 0.30 Uhr diskutieren – um eine ganz wich­tige Sache, bei der wir durchaus unterschiedliche Standpunkte vertreten. Es geht da an die Substanz, nämlich im Sinne von: Wer bestimmt die Regeln, an die sich jeder Einzelne von uns in der Republik Österreich zu halten hat? Unser grundsätzlicher Zugang ist der: Demokratie, griechisch demos kratein, das Recht geht vom Volk aus, im Wege einer direkten Demokratie bezie­hungsweise einer repräsentativen Demokratie durch die Volksvertreter im Par­lament, natürlich eingebettet in völkerrechtliche Bestimmungen.

Ich höre jetzt von Ihnen, es gehe da um einen Weltzukunftsvertrag – Agenda 2030, SDGs. Ich glaube, dass viele gar nicht wissen, was das heißt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 572

Sustainable Development Goals, auf Deutsch übersetzt nachhaltige Ent­wicklungsziele, die ursprünglich ja aus den Millennium Development Goals entstanden sind, die für Entwicklungsländer gedacht waren und dann auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2015 in New York auf diese 17 SDGs erweitert wurden. Die Staatengemeinschaft, wie Sie es nennen, verpflichtet sich zu was auch immer, dazu, diese SDGs einzuhalten – und da wä­re ich schon ein bisschen vorsichtig mit verpflichtet beziehungsweise Staa­tengemeinschaft. Wer hat da, zum einen, für neun Millionen Österrei­cher in New York abgestimmt?

Dann: Sie sagen, Sie seien ganz stolz darauf, dass wir jetzt unter den geprüften Ländern Platz fünf einnehmen. – Also worum geht es? – Es geht um die Verbindlichkeit solcher Regeln. Für mich sind die Gesetze verbindlich, die wir als Volksvertreter der Republik Österreich hier im Parlament beschließen –grundsätzlich einmal (Beifall bei der FPÖ) , und das geht uns schon zu sehr in eine Richtung von Recht und Verbindlichkeit, die wir ablehnen. Da gibt es dann verschiedene Ausdrücke – das ist eine Resolution. Kollege Graf hat an Mi­nisterin Edtstadler entsprechende Anfragen gestellt. Er fragt: Sind diese SDGs völkerrechtlich verbindlich?, Sind das Gesetze?, Sind sie dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegt worden? Es sind ja 17 Überschriften, man muss sich das auch im Detail anschauen. (Abg. Höfinger: Kriegst du heute nach Minuten bezahlt?) – Bitte? – Nein, leider nicht! Der Kollege hat gefragt, ob ich nach Minuten bezahlt bekomme – leider nicht, sondern pauschal.

Jetzt hast du mich durcheinandergebracht. (Abg. Leichtfried: Es ist eh schon alles gesagt!) – Nein! (Ruf bei den Grünen: Jetzt musst du wieder von vorne anfan­gen!) Noch einmal: Ich betone, dass das ein wichtiges Thema ist, und ich bedauere es, dass es um 0.30 Uhr besprochen wird. Wir werden uns das ganz genau anschauen. Ich kann das jetzt abkürzen, indem ich - - (Ah-Rufe bei der ÖVP.) – Also wenn das so ist, dann rede ich jetzt noch 10 Minuten extra! (Zwi­schenruf der Abg. Kirchbaumer.)


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Nein, ich kann es abkürzen: Wir schauen uns das genau an. Das geht in eine Richtung – und das hat bitte nichts mit blindem Nationalismus zu tun –, zu der wir, Demokratie wörtlich genommen, sagen: Wer bestimmt? Wer macht die Regeln? Und da gibt es viele unbestimmte Begriffe wie Resolution, auch die Begriffe Regeln und Gesetze sind gefallen. – Was ist da der Unterschied?

Was wir nicht wollen, ist, dass ein paar Leute in New York Regeln festlegen, die wir dann alle einzuhalten haben, insbesondere wenn man sich dann die Ziele anschaut. SDG 10: die Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern! – Also da habe ich schon einmal ein Problem mit diesem SDG 10. Was heißt das? Komplette Gleichmacherei, oder was? (Abg. Michael Hammer: Dass die Steiermark und Niederösterreich gleich sind!) Darüber sollten wir reden.

Im Übrigen brauchen wir meines Erachtens keine eigenen SDG-Sprecher. Wir sind der Meinung, dass alle Fachbereiche von den Fachbereichssprechern – und das war wahrscheinlich auch Inhalt des Gesprächs mit Klubdirektor Ne­meth – abgedeckt sind, da brauchen wir keine Parallelstrukturen mit SDG-Spre­chern. (Beifall bei der FPÖ.)

0.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Selma Yildirim. – Bitte.


0.38.04

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! In einem kann ich meinem Vorred­ner recht geben: Ich finde es auch sehr schade, dass wir über ein so wichtiges Thema nach Mitternacht diskutieren. Viel lieber wäre mir, wenn wir den zweiten Tag genützt hätten und hier in aller Ruhe darüber geredet hätten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Michael Hammer: Es war aber in der Präsidiale einstimmig!) Dann wären Sie nicht so genervt, weil ich nach Mitternacht noch eine Rede halte, die 3 Minuten dauert, sondern hätten vielleicht mehr Interesse für ein Thema gezeigt, das ich für wirklich wichtig halte.


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Das ist aber wirklich der einzige Punkt, in dem ich meinem Vorredner recht gebe. Zu allem anderen muss ich sagen: Es gab genug Gelegenheit, in Wahrheit mehr als acht Jahre, sich anzuschauen, was denn mit diesen nachhaltigen Ent­wicklungszielen der UNO gemeint ist.

Ich kann bestätigen, dass wir als Republik Österreich in vielen Belangen schon sehr, sehr weit sind, und das ist ein Riesenkompliment auch für die Arbeit hier im Hohen Haus.

Ich stimme meinem Vorredner nicht zu – noch einmal–, wenn es um diese Skepsis geht, dass es Weltzukunftsvertrag genannt wird. An und für sich ist das ein sehr schönes, visionäres Wort. Was spricht dagegen? Wir haben ja auch die universellen Menschenrechte aus diesen Ideen heraus entwickelt und es schadet ja nicht, in einem Land zu leben, in dem Menschenrechte doch hochgehalten werden und einen hohen Standard haben.

Es geht natürlich um die Förderung von Frieden – ganz wichtig, gerade in diesen Zeiten –, von Frieden und Wohlstand, um den Schutz unseres Planeten.

Es geht aber auch um Gerechtigkeit und darum, niemanden zurückzulassen. Dabei denke ich insbesondere an SDG 5, weil wir uns im Monat März befinden, in dem Monat, in dem wir Frauenrechte aufgrund des Internationalen Frau­entages am 8. März stärker thematisieren. Da, glaube ich, haben wir tatsächlich Aufholbedarf. Wir sind gefordert, mehr Geschlechtergerechtigkeit zu errei­chen, egal, ob das jetzt beim Einkommen ist. Ich darf das genau zitieren: „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“. – Wenn, dann haben wir da noch Haus­aufgaben zu erledigen, und natürlich auch beim ökologischen und kli­maschonenden Umgang mit Ressourcen.

In diesem Sinne freut es mich, dass der Antrag meiner Kollegin, der Abge­ordneten Petra Bayr, breite Zustimmung erfährt. Ich glaube, es liegt an uns, dies


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mit Leben zu befüllen. – In diesem Sinne bedanke ich mich und wünsche Ihnen noch eine gute Nacht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

0.41


00.41.16

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1943 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „gesetzlich verpflich­tende Wirkungsfolgenabschätzung von Gesetzesvorhaben auf die von Ös­terreich umzusetzenden nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen“.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (307/E)

00.41.5116. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3121/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spending Reviews im Bundhaushaltsgesetz verankern (1944 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 3133/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spending Review Schulgesundheit (1945 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Nun kommen wir zu den Punkten 16 und 17 der Ta­gesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Herr Abgeordneter Lindinger, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.



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0.42.31

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! In aller Kürze: Krisen bringen hohe Staatsausgaben, wie es jetzt im Bereich Corona oder auch im Bereich Teuerungen gemacht wurde, mit sich. Dazu braucht es auch wieder Zeit der budgetären Konsolidierung.

Was heißt das? – Dass wir dementsprechend auch wieder sparen. Es freut mich daher, dass wir im Ausschuss über die Spending Reviews diskutiert haben, die eine gute Möglichkeit sind, um fundierte Analysen und Empfehlungen in Be­reichen, in denen man bei den Beschlüssen besser hätte einsparen können, zu bekommen und damit auch für die Zukunft zu lernen.

In diesem Sinne bitte ich alle um Zustimmung, damit wir in Zukunft gemeinsam Entscheidungen besser und zielgerichteter treffen können. Das ist ein gutes System, und es ist ein guter Vorschlag, bei dem wir alle dafür sein können. – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

0.43


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holz­leitner. – Bitte.


0.43.36

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Die ÖVP träumt schon von Austeritätspolitik – das hat uns auch Minister Kocher schon gezeigt. (Abg. Strasser: Na geh!) Ich glaube, es gebührt, auch um diese Uhrzeit jeden Antrag mit vollem Ernst und auch der Würde des Hohen Hauses entsprechend zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ. – Ah-Rufe bei der ÖVP.)

Deshalb: Die Anträge der NEOS, von Kollegin Fiedler und Kollegin Doppelbauer, zu den Spending Reviews sind zwei Anträge, die wir auch vollinhaltlich un­terstützen – Spending Reviews, Analysen des Haushaltes, des Budgets, dass man schaut, wie effizient und effektiv Mittel eingesetzt werden, Geld, um gewisse Ziele zu erfüllen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 577

Das klingt ja so weit vernünftig. Bei dem einen Antrag geht es um das Thema Schulgesundheit, ein sehr wichtiges Thema, nicht nur in Pandemiezeiten, in denen es natürlich auch um Impfprogramme für Kinder und Jugend­liche, Schulhygiene, Schulärzt:innen geht, sondern auch vieles mehr. Die Spending Review leitet dann Handlungsempfehlungen ab, wie man die Mittel eben besser einsetzen kann, gerade aufseiten des Bundes.

Diese Spending Review zum Thema Schulgesundheit wurde bei der Antrags­erstellung auf der Homepage des Finanzministeriums noch nicht öffent­lich gestellt, aber der Vorarlberger Landtag hat zum Beispiel schon darüber diskutiert. Wir glauben, dass, wenn es solche Spending Reviews gibt, alle Empfehlungen gleichermaßen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen müssen. Das ist ganz klar. Deshalb haben wir diesen Antrag unterstützt, genauso wie den zweiten Antrag von Kollegin Doppelbauer, der ein größeres, weiteres Thema formuliert, nämlich dass Spending Reviews dem Budgetausschuss zugeleitet werden sollen, damit wir über die Analysen, die Berichte, die im Sinne der Öffentlichkeit erstellt werden, auch diskutieren können.

Warum ist das wichtig? – In den vergangenen Jahren haben wir immer schon läuten gehört, dass es möglicherweise eine Zensur geben soll, dass politi­sche Korrekturen von derartigen öffentlichen Publikationen vorgenommen wer­den sollen, dass Publikationen der Statistik Austria über das Kanzleramt gehen müssen, bevor sie veröffentlicht werden dürfen. Derartige politische Kor­rekturen, derartige Zensurbegehren müssen vom Hohen Haus immer auf das Schärfste zurückgewiesen werden, ohne Wenn und Aber. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Deshalb unterstützen wir beide Anträge auf jeden Fall, wir finden sie super und freuen uns, wenn wir im Budgetausschuss dann Spending Reviews diskutie­ren können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

0.46



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 578

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jakob Schwarz. – Bitte.


0.46.14

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Frau Präsidentin! Liebes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Politik wird oft nachgesagt, es gehe allen immer nur um Posten und Budget. Ich finde, die vorliegenden Anträge zur Stärkung von Spending Reviews sind ein gutes, fraktionsübergrei­fendes Zeichen dafür, dass es in der Politik vor allem auch um etwas ande­res geht, nämlich darum, politische Maßnahmen zu setzen, und um die Wirkung, die diese politischen Maßnahmen erzeugen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es geht auch oft um Budgets. Das ist auch okay so, weil Budget quasi in Zahlen gegossene Politik ist. Wohin das Geld fließt, zeigt, wo politische Akzente ge­setzt werden. Uns Grünen ist es beispielsweise wichtig, dass wir im Bereich Kli­maschutz Akzente setzen und dort etwas verändern. Entsprechend setzen wir uns dafür ein, dass es viel Geld für den Klimaschutz gibt: für die Sanierung von Gebäuden, für den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und so weiter.

Viel wichtiger aber als die Frage, wohin das Geld fließt, ist ja, welche Wirkung mit diesem Geld erzielt wird. Das ist in unserem Fall dann eben, dass man die Klimaziele erreicht: dass man öffentliche Verkehrsmittel so stark ausbaut, dass man so viele Gebäude saniert, wie eben notwendig ist, um diese Ziele zu erreichen.

Die Stärkung dieser wirkungs- und outputorientierten Politik erfolgt jetzt durch die Zustimmung zu diesen beiden Anträgen, die die NEOS eingebracht haben und die im Ausschuss schon eine breite Mehrheit gefunden haben.

Ich möchte nur noch einen Punkt betonen, nämlich dass es insbesondere für Querschnittsthemen wie zum Beispiel Klimaschutz, Digitalisierung oder auch Gleichstellungspolitik besonders wichtig ist, weil viele Institutionen – viele Ministerien, Gebietskörperschaften – involviert sind und es oft sehr


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schwierig nachzuvollziehen ist, wie wirksam gewisse Maßnahmen, die ge­setzt werden, tatsächlich sind. Insofern ist das, glaube ich, ein sehr gu­tes Instrument. Ich bitte um breite Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

0.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


0.48.13

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Spending Reviews überprüfen die Wirksamkeit und die Zielgenauigkeit von öffentlichen Geldflüssen. Es geht darum, effiziente und effektive Mittelverwendung sicherzustellen, die Fragen: Was haben wir bisher gemacht?, Was sollen wir weiter machen?, Was können wir besser machen?, zu stellen und das systematisch zu analysieren.

Solche Spending Reviews haben wir in der Republik Österreich schon gemacht, aber sie zum Teil nicht öffentlich gemacht. Wenn dieser Antrag jetzt ange­nommen wird – Danke an die Mehrheitsparteien, die es möglich machen, unsere Anträge hier anzunehmen –, dann geht es auch darum, sichtbar zu machen, wo Verflechtungen von Zuständigkeiten sind.

Beispielsweise bei der Schulgesundheit: Da geht es um Landesschulen, Bundes­schulen, da geht es um das Gesundheitsressort, das Bildungsressort. Da fließt Geld aus vielen Kanälen in viele Richtungen, und wir müssen uns anschau­en, was von dem Geld etwas bewirkt und was nicht. Das soll künftig öffent­lich gemacht werden, und dafür stehen wir von den NEOS: für faktenbasierte Politik, für das Verstehen, wie die Dinge funktionieren. Wenn das im Sin­ne der Steuerzahler auf breiter Front gemacht wird, dann haben wir alle etwas davon, denn dann bleibt am Schluss mehr Geld für die Steuerzahler übrig. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

0.49


00.49.40


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 580

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16, die dem Aus­schussbericht 1944 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Spending Reviews im Bundhaushaltsgesetz verankern“.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen. (308/E)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17, die dem Aus­schussbericht 1945 der Beilagen angeschlossene Entschließung betref­fend „Spending Review Schulgesundheit“.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen. (309/E)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

00.50.37Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Holzleitner, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 3146/A eine Frist bis zum 28. März 2023 zu setzen.

Wer ist für diesen Fristsetzungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 581

Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Lindner, Kolleginnen und Kollegen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1523/A eine Frist bis zum 1. Juni 2023 zu setzen.

Wer ist für diesen Fristsetzungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3090/A eine Frist bis zum 3. März 2023 zu setzen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Stefan, Kolleginnen und Kollegen dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 293/A eine Frist bis zum 28. März 2023 zu setzen.

Wer ist dafür? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kaniak, Kolleginnen und Kollegen, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 3104/A eine Frist bis zum 2. März 2023 zu setzen.

Wer ist für diesen Fristsetzungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

00.52.18Zuweisung eines Antrages auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses


Präsidentin Doris Bures: Gemäß § 33 Abs. 6 der Geschäftsordnung weise ich den Antrag 5/US der Abgeordneten Christian Hafenecker, Kolleginnen und Kollegen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „zur Untersu­chung der politischen Verantwortung im Zusammenhang mit sämtlichen Corona-Maßnahmen zur tatsächlichen oder vorgeblichen Bekämpfung der Covid-19-Pandemie im Zeitraum vom 7. Jänner 2020 bis zum 28. Juni 2022“ dem Geschäftsordnungsausschuss zu.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll202. Sitzung, 202. Sitzung des Nationalrats vom 1. und 2. März 2023 / Seite 582

00.52.52Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 3171/A bis 3257/A eingebracht worden sind.

00.53.01Verlangen im Sinne des § 99 Abs. 2 GOG-NR


Präsidentin Doris Bures: Weiters gebe ich bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Selbständigen Antrag 3239/A auf Durchführung eines besonderen Aktes der Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof betreffend „Eigen­veranlagungen der Österreichischen Nationalbank (OeNB) in den Finanz­jahren 2019, 2020, 2021 und 2022“ ein Verlangen von 20 Abgeordneten im Sinne des § 99 Abs. 2 der Geschäftsordnung gestellt wurde.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist diese Gebarungsüberprü­fung auch ohne Beschluss des Nationalrates durchzuführen.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mittei­lungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 0.54 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

00.54.02Schluss der Sitzung: 0.54 Uhr

 

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