Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

49. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 21. November 2018

 


Stenographisches Protokoll

49. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode       Mittwoch, 21. November 2018

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 21. November 2018: 9.05 – 20.57 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bericht über den Antrag 447/A der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über er­gänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwandlung der Tiroler Zukunftsstif­tung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung

2. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22

3. Punkt: Bericht über den Antrag 454/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vog­tenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend eines bundeseinheitlichen Quali­tätsrahmens im Bereich der Elementarpädagogik

4. Punkt: Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft 2016 und 2017, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend

5. Punkt: Bericht über den Antrag 413/A(E) der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erarbeitung von Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornographie und Gewalt im Internet

6. Punkt: Bericht über den Antrag 449/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleit­ner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lootboxen – Versteckte Gefahr und Sucht­potential in Computerspielen

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Pensionsrecht der Bediensteten der ÖBB; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/27

8. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichische Breitbandstrate­gie 2020 (Breitbandmilliarde) – Reihe BUND 2018/46

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesanstalt für Verkehr – Reihe BUND 2018/48

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Zivile Flugsicherung – Reihe BUND 2017/58

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Passagier- und Fahrgastrechte – Reihe BUND 2017/48

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Gewinnausschüttungen – Ziele und Vorgaben des Bundes – Reihe BUND 2017/21


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 2

13. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Scanpoint GmbH – Reihe BUND 2018/55

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Öffentliche Pädagogische Hoch­schulen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/50

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichischer Verkehrssicher­heitsfonds; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/42

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungs­gesetz um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird (310/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsruf ................................................................................................................. 145

Geschäftsbehandlung

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka hinsichtlich der Aktion Orange the World           ............................................................................................................................... 13

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    66

Wortmeldungen betreffend Überprüfung des Stenografischen Protokolls und Er­teilung von Ordnungsrufen

Dr. Walter Rosenkranz .....................................................................................  127, 135

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .......................................................................................... 134

Stellungnahme des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka ...................................... 145

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 154

Aktuelle Stunde (12.)

Thema: „Nach Nein zu Migrationspakt – Bundeskanzler Kurz verspielt Ös­terreichs diplomatische Rolle und Ansehen in der Welt“ ................................................................................. 14

RednerInnen:

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 14

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 17

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ..................................................................................... 20

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 21

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................ 22

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 24

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 26

Karl Nehammer, MSc ................................................................................................... 27

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 29

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ......................................................................... 30

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ................................................................................. 32

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ..... 34


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 3

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................... 36

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann .................................................................................. 37

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 38

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (13.)

Thema: „Inszenierung statt Inhalt: Ratsvorsitz mit verpasster Chance für Österreich und die EU“         ............................................................................................................................... 40

RednerInnen:

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................... 40

Bundeskanzler Sebastian Kurz .................................................................................. 42

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 45

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 47

MEP Harald Vilimsky .................................................................................................... 48

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES .............................................................................. 50

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 51

Dr. Angelika Winzig ..................................................................................................... 53

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 54

Hannes Amesbauer, BA .............................................................................................. 55

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 57

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 59

MEP Dr. Othmar Karas, MBL-HSG ............................................................................. 60

MEP Karin Ingeborg Kadenbach ................................................................................ 61

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 62

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann .................................................................................. 64

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................  65, 168, 204

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Inneres betreffend „,verlässliche‘ Neonazis“ (2310/J) ................................................................................ 118

Begründung: Dr. Peter Pilz ......................................................................................... 122

Bundesminister Herbert Kickl .................................................................................. 127

Debatte:

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 135

Werner Amon, MBA ................................................................................................... 137

Kai Jan Krainer ........................................................................................................... 138

Hans-Jörg Jenewein, MA .......................................................................................... 139

Dr. Nikolaus Scherak, MA ......................................................................................... 141

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 143

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 145

Sabine Schatz ............................................................................................................. 146

Angela Lueger ............................................................................................................ 147

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 148

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 149

Dr. Peter Pilz ............................................................................................................... 150

Werner Amon, MBA (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 152

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 152


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 4

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 447/A der Ab­geordneten Mag. Josef Lettenbichler, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz über ergänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwandlung der Tiroler Zukunftsstiftung in eine Gesellschaft mit be­schränkter Haftung (354 d.B.) ........................................................................................ 67

RednerInnen:

Mag. Josef Lettenbichler ............................................................................................. 67

Dr. Peter Wittmann ....................................................................................................... 68

August Wöginger (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 69

Mag. Harald Stefan ....................................................................................................... 69

Josef Schellhorn .......................................................................................................... 70

Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 71

Mag. Gerald Hauser ..................................................................................................... 72

Annahme des Gesetzentwurfes in 354 d.B. ................................................................... 73

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungs­vorlage (331 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 (355 d.B.) ................................................... 73

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 454/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens im Be­reich der Elementarpädagogik (356 d.B.) ............................... 73

RednerInnen:

Birgit Silvia Sandler ..................................................................................................... 73

Norbert Sieber .............................................................................................................. 74

Michael Bernhard ......................................................................................................... 75

Edith Mühlberghuber ................................................................................................... 78

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ......................................................................... 79

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ..........................................  82, 95

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................... 84

Christian Kovacevic ..................................................................................................... 85

Peter Schmiedlechner ................................................................................................. 86

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................... 86

Nikolaus Prinz .............................................................................................................. 87

Ricarda Berger ............................................................................................................. 88

Angelika Kuss-Bergner, BEd ...................................................................................... 90

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 91

Angela Fichtinger ......................................................................................................... 92

Martina Kaufmann, MMSc BA ..................................................................................... 93

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 94

Entschließungsantrag der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Planungssicherheit beim Ausbau elementarer Kinder­bildungs- und -betreuungseinrichtungen“ – Ablehnung       76, 96

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausfinanzierung und bundeseinheitlicher Qualitätsrahmen im Bereich der Elementarpädagogik“ – Ablehnung ................................................................................................................  81, 96

Genehmigung der Vereinbarung in 355 d.B. .................................................................. 96

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 356 d.B. ........................................................ 97


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 5

4. Punkt: Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gleichbehand­lungsbericht für die Privatwirtschaft 2016 und 2017, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-207/336 d.B.) .................................................................................................................. 97

RednerInnen:

Barbara Krenn .............................................................................................................. 97

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 98

Carmen Schimanek ...................................................................................................... 99

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 100

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 101

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ............................................... 103

Angelika Kuss-Bergner, BEd .................................................................................... 104

Mario Lindner .............................................................................................................. 105

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................... 107

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 107

Sabine Schatz ............................................................................................................. 108

Sandra Wassermann .................................................................................................. 109

Irene Hochstetter-Lackner (tatsächliche Berichtigung) ............................................ 110

Maria Großbauer ........................................................................................................ 110

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 111

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................... 112

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 113

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA ............................................................................. 114

Mario Lindner (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 115

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ................................................................................ 115

Kenntnisnahme des Berichtes III-207 d.B. ................................................................... 116

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 413/A(E) der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Erarbeitung von Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornographie und Gewalt im Internet (357 d.B.) .......... 117

RednerInnen:

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 117

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 155

Irene Hochstetter-Lackner ........................................................................................ 156

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 157

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 157

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................... 159

Carmen Schimanek .................................................................................................... 160

Ricarda Berger ........................................................................................................... 161

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 357 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Erarbeitung von Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornographie und Gewalt im Internet“ (E 36)    ............................................................................................................................. 162

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den An­trag 449/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lootboxen – Versteckte Gefahr und Suchtpotential in Com­puterspielen (358 d.B.) .............................................................. 162

RednerInnen:

Martina Kaufmann, MMSc BA ................................................................................... 162

Eva Maria Holzleitner, BSc ........................................................................................ 163

Ricarda Berger ........................................................................................................... 164

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 165

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 165


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 6

Nico Marchetti ............................................................................................................. 166

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 167

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 358 d.B. ...................................................... 168

Zuweisung des Antrages 449/A(E) an den Finanzausschuss ...................................... 168

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Pensionsrecht der Bediensteten der ÖBB; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/27 (III-138/339 d.B.)   ............................................................................................................................. 168

8. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Österreichische Breitbandstrategie 2020 (Breitbandmilliar­de) – Reihe BUND 2018/46 (III-187/340 d.B.)              ............................................................................................................................. 168

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Bundesanstalt für Verkehr – Reihe BUND 2018/48 (III-189/341 d.B.) ........................ 168

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Zivile Flugsicherung – Reihe BUND 2017/58 (III-61/342 d.B.)                                                           168

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 168

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 169

Alois Kainz .................................................................................................................. 170

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 171

Stephanie Cox, BA ..................................................................................................... 172

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 174

Wolfgang Knes ........................................................................................................... 174

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 175

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................. 177

Mag. Andreas Hanger ................................................................................................ 178

Philip Kucher .............................................................................................................. 179

Christian Lausch ........................................................................................................ 180

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................... 182

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 183

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 184

Franz Hörl ................................................................................................................... 185

Andreas Kollross ....................................................................................................... 186

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 187

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 187

Kenntnisnahme der vier Berichte III-138, III-187, III-189 und III-61 d.B. ..................... 190

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Passagier- und Fahrgastrechte – Reihe BUND 2017/48 (III-48/343 d.B.) ................... 191

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Gewinnausschüttungen – Ziele und Vorgaben des Bun­des – Reihe BUND 2017/21 (III-24/344 d.B.)      ............................................................................................................................. 19


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 7

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13. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Scanpoint GmbH – Reihe BUND 2018/55 (III-201/345 d.B.)                                                 191

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Öffentliche Pädagogische Hochschulen; Follow-up-Über­prüfung – Reihe BUND 2018/50 (III-192/346 d.B.)     ............................................................................................................................. 191

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Österreichischer Verkehrssicherheitsfonds; Follow-up-Über­prüfung – Reihe BUND 2018/42 (III-174/347 d.B.) ....................................................................................................................................... 191

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 191

Rudolf Plessl ............................................................................................................... 192

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 193

Angela Fichtinger ....................................................................................................... 194

Erwin Preiner .............................................................................................................. 195

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 196

Johann Singer ............................................................................................................ 196

Peter Gerstner ............................................................................................................ 197

Kenntnisnahme der fünf Berichte III-48, III-24, III-201, III-192 und III-174 d.B. ........... 198

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundes­staatsanwalt ergänzt wird (310/A) ........................................... 198

RednerInnen:

Dr. Irmgard Griss ....................................................................................................... 199

Mag. Michaela Steinacker .......................................................................................... 199

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................. 201

Ing. Mag. Volker Reifenberger .................................................................................. 202

Dr. Alfred J. Noll ......................................................................................................... 203

Zuweisung des Antrages 310/A an den Verfassungsausschuss ................................. 204

Eingebracht wurden

Berichte ......................................................................................................................... 65

III-214: Bericht betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60; Rechnungshof

III-218: Bericht betreffend Stand der Umsetzung des Bundes-Energieeffizienzge­setzes (EEffG) in Österreich für das Jahr 2017 gemäß § 30 Abs. 1 und Abs. 3 EEffG; BM f. Nachhaltigkeit und Tourismus

III-219: Bericht betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Er­mittlungsmaßnahmen im Jahr 2017; BM f. Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

Anträge der Abgeordneten

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen betreffend breite Beteiligung statt Arbeit im stillen Kämmerchen bei der Erstellung des Nationalen Energie- und Klimaplans (461/A)(E)

Mag. Muna Duzdar, Kolleginnen und Kollegen betreffend breite Beteiligung statt Arbeit im stillen Kämmerchen bei der Erstellung des Nationalen Energie- und Klimaplans (462/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 8

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Haftung der Gebietskörperschaften und der sonstigen Kör­perschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts für in Vollziehung der Gesetze zu­gefügte Schäden (Amtshaftungsgesetz – AHG) geändert wird (463/A)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien geändert wird (464/A)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme von Ka­renzen und Karenzdauern in den Gleichbehandlungsbericht des Bundes (465/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Lösung des Ket­tenvertragsproblems an den österreichischen Universitäten (466/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer einheitlichen Digitalen Identität im öffentlichen Sektor (467/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sachbezug konsistent gestal­ten (468/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umstellung der Förderungen für die Modernisierung von Heizungsanlagen (469/A)(E)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend Steuerautonomie der Länder und Gemeinden (470/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend personelle Aufstockung der Gleichbehandlungsanwaltschaft (471/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kulturscheck (472/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Chairs Of Excel­lence (473/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines bundesgesetzlichen Rahmens für eine stressfreie Schlachtung im gewohnten Lebens­umfeld der Tiere (474/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsatz von min­destens 50 Prozent der Fördermittel in der Landwirtschaft zur Honorierung der Leis­tungen der Bäuerinnen und Bauern für die Gesellschaft (gemeinwirtschaftliche Leis­tung) (475/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesmuseum Leo­pold (476/A)(E)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Mehr Hunger auf Kunst & Kultur“ (477/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausarbeitung eines Gesetzes­entwurfes zur Haftung von Politiker_innen (478/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Überarbeitung des Lehrplans ist in ein Gesamtkonzept einzubinden (479/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zusammenführung der Mindestsicherung und Leistungen der Arbeitslosenversicherung bei langen Bezugs­dauern (480/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 9

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbindung der Länder und Gemeinden bei der Entscheidung über humanitäres Bleiberecht (481/A)(E)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitritt Öster­reichs zum Migrationspakt der Vereinten Nationen (482/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sammelklage (483/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend breit an­gelegte wissenschaftliche Studie zum Personalbedarf in der Pflege (484/A)(E)

Mag. Dr. Rudolf Taschner, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz geän­dert wird (485/A)

Petra Steger, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterstützung ehren­amtlicher Tätigkeit im Sport (486/A)(E)

Tanja Graf, Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von ausreichend Sport und Bewegung an unseren Schulen (487/A)(E)

Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Philip Kucher, Christian Hafenecker, MA, Claudia Gamon, MSc (WU), Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Luft- und Raumfahrt (488/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend verteilungsgerechte Budget­politik (489/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der ORF-Ange­bote für Gehörlose (490/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Digitalisierungsstrategie für den ORF (491/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird (492/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Meinungs- und Pres­sefreiheit im Internet in Gefahr (493/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Demonstrationen zum EU-Gipfel in Salzburg (2286/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Kontakte und Beauftragungen des ehemaligen Staatsministers Bernd Schmidbauer im Zusammenhang mit der Causa BVT“ (2287/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung betreffend „Kontakte und Beauftragungen des ehemaligen Staatsministers Bernd Schmidbauer im Zusammenhang mit der Causa BVT“ (2288/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integra­tion und Äußeres betreffend „Kontakte und Beauftragungen des ehemaligen Staatsmi­nisters Bernd Schmidbauer im Zusammenhang mit der Causa BVT“ (2289/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend „Vorgehen des AUVA-Obmannes An­ton Ofner gegen Mitglieder des Vorstandes und des Betriebsrates der AUVA“ (2290/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 10

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, So­ziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend einen unentgeltlichen Zugang zum eigenen Bargeld in Österreich (2291/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend einen unentgeltlichen Zugang zum eigenen Bargeld in Österreich (2292/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ausständige Anfragebeantwortung zum Ausbau ganztägige Schulformen (2293/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Cyberkriminalität (2294/J)

Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend Cyberkriminalität (2295/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend die „Schließung der ale­vitischen Vereine (AABF) im Rahmen des Islamgesetzes“ (2296/J)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Unterhaltsanspruch von Kindern gegenüber Eltern bei Gewährung von Ausgleichszulage (2297/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Evaluierung des Telekommunikations­gesetzes (2298/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend London Challenge (2299/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend die Ermittlungsergebnisse im Fall des rechtsextremen Liederabends in der Bur­schenschaft Germania zu Ried (2300/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz betreffend die Haft von Gerhard S. und Kontakte zum Objekt-21-Netzwerk (2301/J)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend „Stabstelle Safety Management und Flug­sicherung“ (2302/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Entbindung von der Amtsver­schwiegenheit in Causa BVT (2303/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Entbindung von Amtsverschwiegenheit in Causa BVT (2304/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Vereinbarkeit BMASGK und Aufsichtsratstätigkeit (2305/J)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Inanspruch­nahme von Pflegekarenz und Pflegeteilzeit (2306/J)


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Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Anzeichen einer Immobilienblase (2307/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Anzeichen einer Immobilienblase (2308/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Umgang von BMI-MitarbeiterInnen mit ZeugInnen in der Causa BVT (II) (2309/J)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „verlässliche“ Neonazis (2310/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen (1703/AB zu 1701/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen (1704/AB zu 1690/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (1705/AB zu 1684/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen (1706/AB zu 1711/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen (1707/AB zu 1686/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen (1708/AB zu 1699/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Hermann Krist, Kolleginnen und Kollegen (1709/AB zu 1749/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien im EU, Kunst, Kultur und Me­dien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (1710/AB zu 1702/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien im EU, Kunst, Kultur und Me­dien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (1711/AB zu 1703/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1712/AB zu 1704/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1713/AB zu 1705/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen (1714/AB zu 1706/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1715/AB zu 1714/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (1716/AB zu 1712/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 12

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schell­horn, Kolleginnen und Kollegen (1717/AB zu 1713/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (1718/AB zu 1710/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1719/AB zu 1719/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der Abgeordneten Robert Laimer, Kolleginnen und Kollegen (1720/AB zu 1708/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen (1721/AB zu 1715/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen (1722/AB zu 1716/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leicht­fried, Kolleginnen und Kollegen (1723/AB zu 1707/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordne­ten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1724/AB zu 1720/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen (1725/AB zu 1709/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (1726/AB zu 1723/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien im EU, Kunst, Kultur und Me­dien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (1727/AB zu 1718/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Ab­geordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen (1728/AB zu 1722/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (1729/AB zu 1721/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen (15/ABPR zu 14/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen (16/ABPR zu 15/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolf­gang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (17/ABPR zu 17/JPR)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 13

09.05.24Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Abgeordnete! Ich darf die 49. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären.

Ich darf Sie alle herzlich willkommen heißen, die Abgeordneten hier im Plenum, unsere Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und die Damen und Herren vor den Fern­sehgeräten zu Hause.

Die Amtlichen Protokolle der 47. und der 48. Sitzung vom 16. November 2018 sind auf­gelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Kira Grünberg, Dipl.-Kffr. (FH) Eli­sabeth Pfurtscheller, Walter Bacher, Renate Gruber, Mag. Roman Haider und Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer.

09.06.03Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mittei­lung gemacht:

Die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger wird durch die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß vertreten.

Ich darf bekannt geben, dass die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, wel­che sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt mitgeteilt wurde:

Bundeskanzler Sebastian Kurz wird am Nachmittag durch den Bundesminister für Eu­ropäische Union, Kunst, Kultur und Medien Mag. Gernot Blümel

und die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl wird durch den Bundesminister für Landesverteidigung Mario Kunasek vertreten.

*****

Ich darf weiters bekannt geben, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III wie üblich in voller Länge übertragen wird.

Heute wird wiederum ein Fotograf unterwegs sein, um Bilder im Auftrag der Parla­mentsdirektion zu machen.

09.06.59Mitteilung des Präsidenten hinsichtlich der Aktion Orange the World


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor wir mit der Aktuellen Stunde beginnen, darf ich einführend Folgendes zur UN-Women-Aktion bekannt geben:

Wir werden die Sitzung am Nachmittag unterbrechen, um ein gemeinsames Foto dazu zu machen.


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Sie wissen, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur auf Zonen, in denen es Konflikte und Krisenherde gibt, begrenzt ist. Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist leider allgegen­wärtig, egal welches Alter, egal welcher soziale Stand, egal, welche Ausbildung und Bildung die Menschen haben. Letzten Endes ist sie im privaten wie im öffentlichen Raum gegenwärtig. Deshalb macht die Organisation UN Women mit Orange the World darauf aufmerksam, dass Gewalt gegen Frauen nicht toleriert werden darf. Auch das österreichische Parlament möchte mit der Einfärbung unseres Hauses am Josefsplatz ein deutliches Zeichen setzen. Diese Aktion läuft zwischen 25. November und 10. De­zember. Der 25. November, an dem diese Aktion beginnt, ist der Tag gegen Gewalt an Frauen, und der 10. Dezember, an dem die Aktion endet, ist der Tag der Menschen­rechte.

Ich darf Sie auch ersuchen, dass Sie sich dann dieses sichtbare Zeichen (auf den orangen Anstecker, auf dem eine blaue Hand sowie die Aufschrift „Stoppt Gewalt an Frauen“ zu sehen ist, den er am Sakko trägt, weisend) anstecken. (Jene Abgeordne­ten, die den angesprochenen Anstecker noch nicht angesteckt hatten, bringen nun die­sen an ihrer Kleidung an.)

Ich denke, es ist notwendig, dass wir dahin gehend Geschlossenheit demonstrieren. Wir haben das auch in der Präsidiale besprochen und uns auch darauf verständigt, dass wir das als gemeinsames Zeichen sehr deutlich nach außen tragen werden, ge­rade im internationalen Konnex und zum Jubiläum 100 Jahre Republik.

09.08.56Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Nach Nein zu Migrationspakt – Bundeskanzler Kurz verspielt Österreichs diplomatische Rolle und Ansehen in der Welt“

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger. – Ich darf Sie darauf aufmerk­sam machen, dass Ihre Redezeit für die einleitende Stellungnahme 10 Minuten beträgt. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.


9.09.22

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich freue mich sehr, dass wir – endlich, möchte ich sagen – dieses Thema UN-Migrationspakt auch hier im Parlament diskutie­ren.

Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass wir es als selbstbewusstes Parlament bei einer so wesentlichen Frage, nämlich bei der Frage einer internationalen, einer multila­teralen Zusammenarbeit zu einer solchen Schicksalsfrage für die gesamte Weltge­meinschaft, nicht einfach hinnehmen, dass eine Entscheidung, quasi ein Diktat der Bundesregierung, auch in Richtung Parlament, veröffentlicht wird, ohne dass hier eine breite Debatte darüber stattfindet.

Insofern freut es mich, dass auch der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler den Weg hierher gefunden haben und dass wir das heute hoffentlich wirklich breit de­battieren werden.

Wir haben heute später auch noch eine Aktuelle Europastunde zum Thema Ratspräsi­dentschaft, und ich möchte das schon in einem Zusammenhang sehen. Die Republik Österreich, unser Land, hat im Rahmen der Ratspräsidentschaft eine Verantwortung


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bezüglich der Weiterentwicklung Europas, eine Verantwortung für ganz Europa über­nommen. Wir wissen, dass die Zukunft dieser Welt ganz massiv und ganz entschei­dend davon abhängen wird, ob es uns gelingt, in den wesentlichen Fragen ein hand­lungsfähiges Europa auf den Weg zu bringen, ein handlungsfähiges Europa, das auch in der Lage ist, bei diesen wesentlichen Zukunftsfragen mit einer Stimme zu sprechen.

Herr Bundeskanzler und Herr Vizekanzler, mit Ihrem einseitigen Nein zum UN-Mi­grationspakt haben Sie das konterkariert. Sie haben das in einer Weise getan, die die Ratspräsidentschaft meiner Meinung nach in kein gutes Licht rückt. Sie haben es in einer Weise getan, die eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, dieses Spre­chen mit einer Stimme, gerade auch in Angelegenheiten der Außenpolitik, konterka­riert. Und Sie haben es in einer Weise getan – und darauf komme ich noch zurück –, die meiner Meinung nach dem Populismus und dem Haschen nach dem Applaus des Stammtischs in unserem Land Vorschub leistet. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Der Migrationspakt der Vereinten Nationen ist ein erster Schritt – und ich betone, es ist ein erster Schritt –, um dieses Thema, von dem alle Menschen wissen, dass es ein Land alleine nicht lösen kann, dass es eine globale Herausforderung ist, auf interna­tionaler Ebene zu lösen.

Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, es kann sein, dass man nicht mit allem einver­standen ist. Welche Blamage ist es aber eigentlich für das Außenministerium, welche Blamage ist es eigentlich für die Beamtinnen und Beamten, die jahrelang bei den Ver­handlungen gewesen sind, die dort gesessen sind und keine Widersprüche geäußert haben, Zustimmung signalisiert haben, wenn dann ausgerichtet wird: Nein, wir werden dem nicht beitreten, weil das alles völlig schwachsinnig ist, was da drinnen steht!? – Das ist keine verantwortungsvolle Politik und ruiniert meines Erachtens den Ruf Öster­reichs am diplomatischen Parkett wirklich massiv! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeord­neten der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Sie hätten jederzeit auch den Weg gehen können, Vorbehalte zu einzelnen Punkten zu formulieren. Ich würde gerne auch auf die Inhalte zu sprechen kommen, denn ich habe da so Abenteuerliches und Abstruses gelesen, vor allem in rechtsextremen Medien. Das hat dann offensichtlich auch Eingang in das Narrativ der Mainstreammedien oder auch in Begründungen dieser Bundesregierung, warum man diesem UN-Migrations­pakt nicht beitritt, gefunden; und das ist einfach haarsträubend. (Abg. Wurm: Kollegin, lesen Sie es einmal! – Ruf bei der FPÖ: ... sind haarsträubend! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie lassen es zu, dass Vorbehalte, Ressentiments und Falschaussa­gen – ja, es sind Falschaussagen und ehrlich gesagt auch Lügen, die da verbreitet wurden (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) – zu diesem Migrationspakt letztlich auf einmal in der Debatte salonfähig gemacht wurden. Das ist dieses Hauses nicht würdig, das ist dieser Regierung nicht würdig, und das ist unseres Landes nicht würdig! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Sie stellen damit Teile des Multilateralismus wirklich gänzlich in Frage, und, Herr Bun­deskanzler, offensichtlich tut Ihnen das ja auch weh, denn gestern habe ich Ihr Posting gesehen: Sie waren in der Schweiz und haben ein Bekenntnis zum Multilateralismus abgegeben. – Da habe ich mir gedacht: Schau, schau (Zwischenbemerkung von Bun­deskanzler Kurz), offensichtlich gibt es kritische Stimmen, die Sie immer wieder darauf hinweisen, dass es einfach ein schlechtes Symbol ist, dass sich Österreich derart, mit einer solchen Argumentation vom multilateralen Parkett zurückzieht. (Abg. Höbart: ... Australien! Es werden immer mehr!)

Ich weiß, dass es auch unter Anhängern Ihrer Partei kritische Stimmen gibt, und ich möchte Ihnen dazu kurz aus einem Brief, den Sie bekommen haben, vorlesen:

Endlich trifft die UNO zusammen, um über einen gemeinsamen, weltweiten Migrations­pakt zu verhandeln (Abg. Neubauer: Lesen Sie doch mal, was drinsteht!), bei dem Sie


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selber mit abgestimmt haben, um weltweit, außer Trump und Orbán, gemeinsam über das gemeinsame derzeitige Flüchtlings- und Migrationsproblem zu sprechen und zu Ergebnissen zu kommen. Und nun stellen Sie sich absolut dagegen, hören auf Ihren blauen Koalitionspartner, lassen sich von ihm einschüchtern, haben nicht den Mut, ihm zu widersprechen und Ihr eigenes Programm weiterzuverfolgen. (Ruf bei der FPÖ: Haben Sie den selber geschrieben? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Mit diesem Ja – also mit diesem Ja zum Nein – schaden Sie nicht nur Ihrer Partei und sich selber ganz enorm, sondern Sie schaden Ihrem eigenen Vaterland, vielen Österreicherinnen und Österreichern und Menschen - - (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, wenn Sie sich lustig machen über einen Brief (Abg. Rädler: Das ist nicht Lustigmachen! – weitere Zwischenrufe der Abgeord­neten Lopatka, Steinacker und Wöginger), den nachweislich eine Wählerin Ihrer Fraktion geschrieben hat (Abg. Winzig: Wer lacht denn? – Abg. Rosenkranz: Woher wissen Sie das „nachweislich“?), finde ich das auch ein wenig bezeichnend. (Abg. Schwarz: Sie lesen ihn grinsend!)

Ich zitiere weiter:

... indem Sie sich an den rechten Rand mit Trump und Orbán stellen gegen 190 Staa­ten weltweit, die endlich einmal vielleicht gemeinsam ein gutes Programm für gemein­same Sorgen und Probleme finden könnten. – Zitatende. (Abg. Rädler: Strolz-Ab­klatsch! – Ruf bei der ÖVP: Der Strolz war schon besser!)

Ich habe von den roten Linien zum Populismus gesprochen, die ich für ganz notwendig erachte, insbesondere, wenn man nicht mehr – das in Richtung des Vizekanzlers – in der Opposition, sondern in der Regierung ist und Verantwortung für ein Land trägt.

Ich finde, derzeit lohnt sich ein Blick nach Deutschland wirklich: Der Kandidat für die CDU-Nachfolge von Angela Merkel, Jens Spahn, hat ja am Wochenende auch ge­meint, man könnte sich überlegen, erst später beizutreten, vielleicht noch einmal zu de­battieren. (Ruf bei der ÖVP: Die Schweiz zum Beispiel! – Zwischenruf der Abg. Stein­acker.) Unmittelbar danach ist eine eindeutige Reaktion aus seinen eigenen Reihen erfolgt, so hat beispielsweise der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, erklärt: „Die Unterzeichnung des Migrationspaktes notfalls zu verschieben, wäre eine doppelte Führungsschwäche, die sich Deutschland nicht erlauben darf.“ Der Pakt sei auch „ein enorm wichtiger erster Schritt der internationalen Gemeinschaft, Mi­gration zu steuern“.

Genau darum geht es ja: Wir wollen klare Regeln festlegen, um Migration zu steuern. – Und Sie konterkarieren das.

Oder: Der deutsche Wirtschaftsminister Altmaier – und das finde ich eigentlich noch bezeichnender – sagt: Nach einer dreistündigen Diskussion unter den Unions-Bundes­tagsabgeordneten gab es eine „breite Mehrheit, dass wir uns hier von populistischen Kräften nicht ins Bockshorn jagen lassen“. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Da stellen sich für mich zwei Fragen, nämlich erstens: Wie lang haben eigentlich Sie ÖVP-Abgeordnete als selbstbewusste Parlamentarier unter sich über diesen UN-Mi­grationspakt diskutiert? (Abg. Wöginger: Das war gleich erledigt! – Zwischenrufe der Abgeordneten Steinacker und Winzig.) Haben Sie eigentlich auch innerhalb der Frak­tion eine Entscheidung getroffen? (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

Die zweite Frage, die ich mir stelle, ist: Warum übernimmt die CDU ganz offensichtlich Verantwortung für ein Land, während Sie sich wirklich vom Populismus treiben lassen und das Narrativ rechtsextremer Medien übernehmen? Das ist unhaltbar! Ich möchte nicht, dass so Politik in diesem Land gemacht wird! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)


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Ich appelliere an Sie: Prüfen Sie den Inhalt noch einmal Punkt für Punkt (Abg. Wögin­ger: Aber die Klubsitzung dürfen wir schon noch selber machen!), formulieren Sie von mir aus da oder dort einen Vorbehalt! (Ruf bei der FPÖ: Das ist ja ... Populismus!) Ich habe auch mit dem Herrn Vizekanzler darüber gesprochen, dass ich die Punkte, die er da angeführt hat, einfach nicht sehe. Ich habe den Pakt mehrfach gelesen (Abg. Win­zig: Sinnerfassend lesen! – Abg. Wöginger: Ich habe einen Leuchtstift, sollen wir’s an­streichen?), aber diese Horrorszenarien, die da verbreitet werden, finden sich nicht.

Es ist ein erster, wichtiger Schritt, dass wir als Staatengemeinschaft sagen, wir müssen gemeinsam etwas tun (Zwischenruf des Abg. Neubauer), um die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen, also die Migrationsgründe einzudämmen; wir müssen gemeinsam legale von illegaler Migration trennen; wir müssen uns in der Staa­tengemeinschaft darüber verständigen, dass das ein wesentlicher Bereich ist, in dem wir nur auf internationalem, auf multilateralem Parkett weiterkommen.

Das verspielt die gute Rolle Österreichs als Brückenbauer, als verlässlicher Partner in einem multilateralen und internationalen Umfeld, die sich Österreich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Ich appelliere noch einmal an Sie, und wir werden dazu heute auch einen Antrag einbringen: Treten Sie diesem Migrationspakt bei und leisten Sie nicht diesem Populismus und dem Nationalismus Vorschub! – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

9.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Bundeskanzler und auch den Herrn Vizekanzler im Hohen Haus recht herzlich willkommen heißen und dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteilen. – Bitte.


9.18.43

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank für die Möglichkeit, heute hier bei der Aktuellen Stunde bei Ihnen sein zu dürfen (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Die gibt es öfter, musst nur kommen!) und zum Thema UNO-Migrationspakt Stel­lung zu nehmen.

Ich darf vielleicht mit einer etwas allgemeineren Stellungnahme zum Thema Multilate­ralismus beginnen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Was ist das für ein Tumult?)  Ich habe eigentlich noch gar nicht begonnen, es gibt also noch keinen Grund zur Aufregung. (Abg. Drozda: Wir sind nicht aufgeregt, wir freuen uns ...! – Abg. Wöginger – in Richtung SPÖ –: Der Parteitag wird schon drübergehen! – Heiterkeit des Redners sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Ich darf vielleicht mit einer allgemeinen Stellungnahme zum Multilateralismus begin­nen: Da ich doch einige Jahre als Außenminister tätig sein durfte und wir uns als Repu­blik Österreich sehr stark international engagieren, möchte ich nur schnell festhalten, dass es meiner Meinung nach nicht ganz redlich ist, so zu tun, als würde man sich vom Multilateralismus verabschieden, wenn man als souveräner Staat die Möglichkeit wahrnimmt, bei einer multilateralen Entscheidung mit Ja, Nein oder Enthaltung zu stim­men. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe mich als Außenminister für zahlreiche Themenbereiche engagiert, insbeson­dere, was den Kampf gegen Atomwaffen, was internationale Abrüstung oder viele an­dere Themen betrifft. Wissen Sie, was den Multilateralismus ausmacht? – Dass man sich bemüht, seine Themen, seine Anliegen gemeinsam voranzutreiben, andere zu überzeugen, aber natürlich am Ende des Tages immer zu akzeptieren, dass es inter­national unterschiedliche Meinungen gibt.

Ich habe mich jahrelang für ein Ächten der Atomwaffen ausgesprochen. Wissen Sie, was passiert ist? – Wir haben immer mehr Staaten gefunden, die uns unterstützt ha-


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ben, aber die Atommächte haben sich nie breitschlagen lassen, uns zu folgen. Wäre es jetzt der richtige Ansatz, so zu tun, als hätten diese all ihr Kapital verspielt, als würden sie keine multilaterale Zusammenarbeit wollen? Nein, natürlich nicht, sondern sie ha­ben schlicht und ergreifend in dieser Sachfrage, nicht überraschend, eine andere Mei­nung.

Multilateralismus macht nicht aus, dass alle einer Meinung sind, sondern Multilatera­lismus macht aus, dass man diskutiert (Abg. Schieder: Was ist denn das jetzt für eine triviale ...? Abg. Meinl-Reisinger: Sechs Jahre lang verhandelt!), dass man versucht, sich gegenseitig zu überzeugen, dass man Kompromisse sucht und dass am Ende jeder Staat entscheidet, wie er bei der UNO abstimmt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt, sehr geehrte Damen und Herren, zum konkreten Fall des Migrationspakts: Was mich ein bisschen stört, ist die Aufregungskultur, die wir im 21. Jahrhundert anschei­nend haben (Oh-Rufe bei der SPÖ), auf der einen Seite so zu tun, als würde die Welt untergehen, wenn es zu etwas eine Zustimmung gäbe, obwohl die Welt dann auch noch bestehen würde, und auf der anderen Seite so zu tun, als würde eine Enthaltung dazu führen, dass Österreich sein Image in der Welt verliert. Ich möchte Ihnen nur sa­gen, wenn Sie stets den Versuch unternehmen, so zu tun, als wären wir da mit Staaten beisammen, mit denen man nicht in einem Boot sitzen möchte, als wäre es undenkbar, da dagegenzustimmen (Abg. Schieder: AfD!): Ich glaube, es sollte für Sie nicht der Grund sein, dafür zu sein, nur weil Sie nicht mit den Amerikanern oder den Ungarn in einem Boot sitzen wollen in einer einzelnen Sachfrage! (Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe auch den Inhalt gelesen, Herr Bundeskanzler!) , sondern Sie sollten sich auch der Realität stellen, dass viele Staaten, die Sie hoffentlich nicht herabwürdigen, da ge­nau so abstimmen wie wir: Israel, Australien, die USA und auch andere, europäische Staaten, sogar in unserer eigenen Nachbarschaft, gehen da einen ähnlichen Weg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Alle, die sagen, dass dieses Dokument nicht rechtsverbindlich ist, haben vollkommen recht. (Abg. Meinl-Reisinger: Habe ich nicht gesagt! Falsche Rede!) Natürlich ist es nicht verbindlich, aber es ist eine Selbstverpflichtung. (Ui-Rufe bei der SPÖ.) Es kommt in diesem Dokument 80 Mal allein das Wort Verpflichtung vor. (Abg. Schieder: Hat das der Taschner ausgerechnet? Abg. Meinl-Reisinger: Reden Sie über den Inhalt!) Ich glaube, es ist durchaus legitim, den Ansatz zu wählen, dass man sagt, man möchte eine Selbstverpflichtung nur eingehen, wenn man es auch wirklich ernst damit meint. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Meinl-Reisinger: Ich habe nichts zum Thema Selbstverpflichtung gesagt! Abg. Gudenus: Das ist doch egal, was Sie gesagt ha­ben, oder?)

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich respektiere alle Staaten, die zustimmen, ich respektiere auch die Staaten, die dagegenstimmen, und ich bitte Sie, zu respektieren, dass wir uns enthalten. Ich glaube, dass es unterschiedliche Zugänge gibt, wie ernst man eine Selbstverpflichtung nimmt. Ich gebe Ihnen heute die Garantie, dass viele der Staaten, die jetzt sang- und klanglos zustimmen und sich damit diesem Dokument verpflichten, viele der angeführten Punkte nicht umsetzen wollen und auch nicht umsetzen werden. Treffen wir uns in drei Jahren hier wieder (Abg. Leichtfried: Was, in drei Jahren kom­men Sie erst wieder?) und machen wir eine Bestandsaufnahme, wie viele Staaten den Inhalt des Dokuments ehrlich umgesetzt haben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es hat in der medialen Debatte viele Argumente gegeben, die ich nachvollziehen kann. Es hat zu diesem Migrationspakt auch viele Argumente gegeben, die ich nicht teile. Ich möchte ein Argument herausgreifen, das mir besonders wesentlich erscheint: Ich habe mich, seit ich Staatssekretär für Integration war, immer dafür eingesetzt, dass wir eine klare Trennung zwischen Suche nach Schutz und Arbeitsmigration machen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass wir Migration und Asyl nicht vermischen. Ich habe


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mich immer dafür eingesetzt, dass wir im Fall der Migration selbst entscheiden müs­sen, wen wir wollen, wen wir als Republik brauchen (Zwischenruf des Abg. Loacker), und dass die Suche nach Schutz etwas vollkommen anderes ist.

Die Vermischung hat uns niemals gutgetan. Schon im Jahr 2015 sind nicht nur Kriegs­flüchtlinge zu uns gekommen, sondern viele sind eigentlich unter dem Vorwand des Asyls nach Österreich gekommen, um hier ein besseres Leben zu suchen – mensch­lich vollkommen verständlich, für unsere Systeme, für unsere Asylentscheidungen, für die Integrationsnotwendigkeit eine große Herausforderung.

Der Grund dafür, dass ich diesen Pakt kritisch sehe neben positiven Aspekten, die er auch beinhaltet –, ist die Vermischung von Suche nach Schutz und Arbeitsmigration (Beifall bei ÖVP und FPÖ), ist die Schaffung eines neuen Begriffs der Migration, des Migranten (Ruf bei der SPÖ: Sehr neu!) und einer sehr ungenauen rechtlichen Abgren­zung zwischen zwei ganz anders lautenden und eigentlich unterschiedlichen Berei­chen. (Abg. Höbart: Das würde der SPÖ sehr gefallen! Weiterer Ruf bei der FPÖ: Scheunentore öffnen!)

Ich sage Ihnen etwas zur Migrationsfrage: Ich habe es schon oft erlebt, am Anfang in der Minderheit gewesen zu sein und am Ende doch eigentlich Recht behalten zu ha­ben. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie sind nicht in der Minderheit! Sie haben die Mehrheit!) All die Positionen, die wir im Jahr 2015 artikuliert haben, haben sich heute auf europäi­scher Ebene durchgesetzt. Damals bin ich dafür noch geächtet worden.

In der Frage der Migration – glauben Sie mir! werden wir am Ende nur erfolgreich sein, wenn wir zwischen der Suche nach Schutz und der Suche nach Arbeit unter­scheiden. (Abg. Meinl-Reisinger: Ein schönes Märchen! Da steht das drinnen! Lesen Sie den Pakt!) Alles andere mag gut klingen, die Richtung ist aber eine falsche. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bitte Sie daher, zu respektieren, dass jeder Staat für sich sein souveränes Recht wahrnimmt, zu entscheiden, wie er abstimmt. Wir werden uns als Republik Österreich bei dieser Abstimmung der Stimme enthalten und somit nicht sagen, dass wir alles an diesem Pakt schlecht finden, denn es gibt positive Aspekte, aber festhalten, dass wir uns nicht zu etwas verpflichten, was wir nicht zu hundert Prozent als richtig empfinden. Ich bitte Sie schon um Verständnis, dass wir damit nicht alleine sind: Auch Israel, Aus­tralien, andere, europäische Staaten, Staaten in unserer Nachbarschaft, über Partei­grenzen hinweg, werden ähnlich vorgehen.

Gerade an die NEOS gerichtet: Sie empören sich fürchterlich über das Abstimmungs­verhalten Österreichs und reden nicht darüber (Abg. Meinl-Reisinger: Doch! Keine Sorge!), dass auch Mitglieder Ihrer eigenen Fraktion, zum Beispiel der tschechische Premier Babiš, da eine ganz andere Haltung einnehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Meinl-Reisinger: Im Gegensatz zu Ihnen sage ich was zu Babiš! Und Sie sagen nichts zu Orbán!)

Wenn der Entschluss der österreichischen Bundesregierung etwas so Furchtbares ist, dann frage ich mich schon, wie Sie mit Premierminister Babiš und seiner Partei auf europäischer Ebene in einer Fraktion sein können und ob es nicht besser wäre, wenn er Ihre Fraktion verlässt. (Abg. Meinl-Reisinger: Ich bin nicht seiner Meinung und ha­be das mehrfach gesagt! Und was sagen Sie zu Orbán? Abg. Scherak: Der wäre eh besser bei Ihnen aufgehoben! Abg. Meinl-Reisinger: Machen Sie ihm ein Angebot!) Insofern würde ich Sie bitten, da nicht mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen. Respektieren Sie bitte die souveräne Entscheidung eines jeden Landes! (Abg. Meinl-Reisinger: Sie werfen mir mangelnden Respekt vor?)

Man kann alles diskutieren. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie werfen mir mangelnden Re­spekt vor?) Ich glaube, es braucht weder auf der einen noch auf der anderen Seite Pa-


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nikmache. Es ist in Ordnung, eine Entscheidung zu treffen, und es ist nicht die Abkehr vom Multilateralismus, nur weil die NEOS eine andere Position haben als wir. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir steigen in die Diskussion ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Himmelbauer. Ab sofort: 5 Minuten Redezeit. – Bitte.


9.29.10

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin eigentlich sehr froh, dass wir heute über das Thema Migration, über den Migrationspakt sprechen. Ich hoffe auch, dass es in der weiteren Diskussion ebenso sachlich weitergehen kann. (Abg. Schieder: Was war denn sachlich?) Ich muss vorwegschicken: Ich gebe zu, dass vie­les, was wir im Internet lesen, gerade in diversen Foren oder Ähnlichem, reine Ver­schwörungstheorien sind (Abg. Meinl-Reisinger: Schade, dass Sie da mitmachen!), dass viele da auch bewusst Angst schüren, in verschiedensten Richtungen. Nichtsdes­totrotz gibt es aber, wenn wir über diesen UN-Migrationspakt reden, viele Bedenken, die auch in die Entscheidung der Bundesregierung eingeflossen sind und am Ende auch die Enthaltung bewirkt haben.

Einige der Punkte im Pakt selbst sind eigentlich gute Punkte: Es geht um die Erhebung und Nutzung von Daten als Grundlage für politische Entscheidungen – absolut zustim­mungswürdig. Es geht darin auch um die Bekämpfung von Armut, um fehlende Ge­sundheitsvorsorge, fehlende Berufsaussichten und fehlende Bildungsmöglichkeiten und auch darum, diese Faktoren für jene Menschen, die aufgrund dieser Situation ihre Heimat verlassen, zu bekämpfen.

Es geht um ein sicheres und koordiniertes Grenzmanagement und auch um die Be­kämpfung von Menschenhandel und Schleppern. All diese genannten Punkte sind ab­solut unterstützenswerte Ziele und sicherlich von der Intention her auch durchaus rich­tig. Wieso stimmt also die Bundesregierung diesem Pakt nicht zu, wieso enthält sie sich? Weil diese genannten Überschriften nur einige wenige von insgesamt 23 sind. Wenn wir uns alleine die Einleitung anschauen, sehen wir, dass da zwar festgelegt wird, dass es nicht um Asyl geht, sondern rein um Migration, wer sich den Text aber weiter durchliest, merkt, dass sich da Asyl und Migration oft vermischen, dass keine genaue Trennung zwischen illegaler und legaler Migration gemacht wird, dass verwäs­sert wird und dass den unterzeichnenden Ländern Maßnahmen auferlegt werden, die auch über die derzeit in Österreich geltende Rechtslage hinausgehen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr kriegt ja alle die gleichen Informationen!)

Gehen wir nur von der legalen Migration aus: Österreich hat mit der Rot-Weiß-Rot-Kar­te ein Zuwanderungssystem, das klare Kriterien und klare Bedingungen vorgibt, wie man nach Österreich einwandern kann. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber das hat nicht funktioniert!) Klar ist, dass wir Migration brauchen; das bestreite ich keineswegs. Gera­de Fachkräfte in unterschiedlichen Bereichen und Branchen werden händeringend ge­sucht, und wir stehen da immer auch in einem Wettbewerb mit anderen Ländern. Neh­men wir nur die Gastronomie, den Tourismus, die Informatik her: Überall da brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte. Wir sind da auch gefordert, unser Zuwanderungssys­tem immer wieder anzupassen, an die Nachfrage, an regionale Spezifika.

Nichtsdestotrotz entscheidet Österreich selbst, entscheidet Österreich souverän, nach welchen Kriterien und unter welchen Bedingungen man nach Österreich einwandern darf. (Abg. Meinl-Reisinger: Lesen Sie doch bitte den Pakt! Lesen Sie doch einmal


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den Pakt!) Da geht es um die Souveränität Österreichs in der Migrationspolitik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

In den letzten Wochen wurde auch sehr intensiv darüber diskutiert, inwieweit dieser Pakt Verbindlichkeit hat. Eine Unterzeichnung bedeutet auch eine Bindung (Zwischen­ruf der Abg. Meinl-Reisinger), absolut, ja. Es wird über 80 Mal in diesem Dokument von Verpflichtung gesprochen, davon, dass man sich zu etwas verpflichtet, und es gibt auch einen Überprüfungsmechanismus, der festgeschrieben ist, um sicherzustellen, dass die geschriebenen Worte auch in die Tat umgesetzt werden. Das ist in meinen Augen bereits eine sehr weitgehende Formulierung.

Auch einige Experten sind der Ansicht, dass dieser Pakt in zukünftige Gerichtsurteile einfließen kann, dass der Pakt zu Völkergewohnheitsrecht werden kann oder im Wege von Soft Law rechtliche Wirkung entfalten kann.

Österreich ist keineswegs das einzige Land, das diese Bedenken zum Migrationspakt hat. Wir haben schon gehört, dies gilt auch für die USA, Israel, Tschechien, Estland und, wie vor Kurzem auch angeklungen, Australien. Andere Länder überprüfen den Mi­grationspakt auch, weil sie ähnliche Bedenken haben.

Ich möchte noch festhalten, dass das keineswegs eine Rechts-Links-Debatte ist. Das sieht man in den vielen Diskussionen und aktuellen Debatten in anderen Ländern, bei­spielsweise in Deutschland. Oberbürgermeister Boris Palmer, selbst Grünpolitiker, hat auf Facebook eine sehr umfangreiche Stellungnahme abgegeben, hat die angespro­chenen Bedenken ebenso geäußert und davon abgeraten, diesen Pakt allein mit: Au­gen zu und durch!, zu unterschreiben. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie meinen eher: Augen auf und lesen!)

Die Intention des Pakts ist sicherlich eine gut gemeinte, aber der Pakt ist in der End­fassung noch mit vielen Unklarheiten behaftet.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (fortsetzend): Wir müssen zwischen je­nen, die Schutz suchen, und jenen, die einfach auf ein besseres Leben hoffen, unter­scheiden. Unsere Aufgabe, unsere Pflicht ist es, die Kriterien und Bedingungen souve­rän festzulegen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

9.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf recht herzlich die Lehrlinge der Berufs­schule für Rauchfangkehrer in Wien begrüßen. – Herzlich willkommen im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Schieder zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.35.14

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und vor den Fernsehschirmen! Was wir heute dis­kutieren, ist einerseits die inhaltliche Frage, wie Österreich mit dem Migrationspakt der Vereinten Nationen umgeht. Was aber dahintersteht, ist die grundsätzliche Frage, wie diese Regierung eigentlich Außenpolitik versteht. Da ist eine totale Abkehr von der al­ten, erfolgreichen Tradition Österreichs erkennbar.

Österreich als kleines Land hat sich immer als Vermittler und als eines jener Länder verstanden, das gewusst hat, dass nur mit anderen Staaten gemeinsam Lösungen vo­rangebracht werden können. Österreich ist keine Superpower, die anderen Vorschrif­ten machen oder Weltpolitik durch militärische Kraft gestalten kann, sondern Österreich war eine politische Kraft, die Weltpolitik auf dem Verhandlungsweg gestaltet hat. Ge-


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nau deshalb ist Österreich ja auch in den Siebzigerjahren als Sitz der Vereinten Na­tionen ausgesucht worden. Das schafft schon noch eine zusätzliche Verpflichtung, dass man die Arbeit der Vereinten Nationen ernst nimmt. Das ist das, was unter dem Titel Multilateralismus geführt wird.

Das, was uns der Herr Bundeskanzler heute erzählt hat, ist weit weg von Außenpolitik (Beifall bei der SPÖ), denn jeder kennt diese Binsenweisheiten. Natürlich entscheidet jedes Land selbst, was es von einzelnen politischen Schritten hält, natürlich entschei­det jedes Land selbst, wie es zu verschiedenen politischen Fragen steht, aber die Ver­einten Nationen sind genau jene Plattform, wo man dann gemeinsam versucht, einen Weg zu finden.

Jetzt muss man fragen: War das, was uns Sebastian Kurz heute hier erzählt hat, im­mer schon seine Meinung? (Ruf bei der ÖVP: Ja!) – Nein! Ich habe nachgeschaut: Vo­riges Jahr, am 20. November 2017 – wir feiern eigentlich den Jahrestag einer erkennt­nisreichen Rede des Sebastian Kurz vor der Vollversammlung der Vereinten Natio­nen –, sagte Sebastian Kurz, ich habe es sinngemäß von Englisch auf Deutsch über­setzt (Abg. Steinacker: Na, die Übersetzung ...!): Ich begrüße es, dass die Vereinten Nationen einen Migrationspakt und einen Flüchtlingspakt entwickeln. Diese stellen sicher, dass es einen koordinierten internationalen Zugang zu diesen Herausforderun­gen gibt. – Zitatende. (Abg. Gudenus: Das Ergebnis wiegt! Zwischenrufe der Abge­ordneten Strasser und Neubauer.)

So, und was tut er jetzt ein Jahr später? – Er kriegt in der Regierung die Information, dass die FPÖ diesen Verschwörungstheorien, die im Netz über den Migrationspakt kur­sieren, eigentlich Glauben schenkt und es daher für den Koalitionsfrieden besser sei, Österreich würde aussteigen.

Gut, für den Koalitionsfrieden ist das gut, für das österreichische Ansehen in der Welt ist es jedoch denkbar schlecht, denn es ist doch unredlich und unsauber, gerade als Vorsitzland der Europäischen Union innerhalb der Vereinten Nationen Verhandlungen zu führen, um dann am Schluss zu sagen: Und übrigens, jetzt am Ende der Verhand­lungen sind wir draufgekommen, es ist eigentlich von Anfang an alles eine schlechte Idee gewesen. – Das ist nicht fair, das ist auch nicht Multilateralismus, und das ist auch nicht Außenpolitik, die den Namen verdient.

Weil sich Frau Abgeordnete Himmelbauer eine sachliche Debatte gewünscht hat: Le­sen Sie bitte einmal den Migrationspakt, und zählen Sie nicht nur die Wörter darin ab! Nehmen Sie nicht nur Word her, um zählen zu lassen, wie oft irgendetwas vorkommt, sondern sehen Sie sich einmal den Inhalt an, lesen Sie, was da zum Thema Ver­pflichtungen steht (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS), und erken­nen Sie doch einmal, dass Migration ein weltweites Problem ist und dass sich die Welt daher überlegen muss, wie wir in diesem Bereich vorgehen!

Ich will, dass die negativen Auswirkungen der Migration in Österreich nicht ankommen, deswegen will ich, dass die Vereinten Nationen aktiv werden. Sie tun mit Ihrer feigen Außenpolitik das Gegenteil. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller. – Abg. Neubauer: Solche Leute schickt die SPÖ in die EU!)

9.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosen­kranz. – Bitte.


9.39.41

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Schon spannend: Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei den NEOS, denn normalerweise ist gerade das Momentum einer Dringlichen An-


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frage, Aktuellen Stunde, Aktuellen Europastunde, was auch immer, das Momentum, wo eine Oppositionspartei versucht, die Arbeit der Regierung schlechtzumachen. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass wir die Möglichkeit haben, genau dieses The­ma für alle Österreicherinnen und Österreicher heute klarzustellen.  Danke, denn es ist notwendig! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eines zu Beginn, Frau Kollegin Reinl-Meisinger (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS – Abg. Knes: Lernen Sie den Namen, Herr Rosenkranz!): Sie haben zuerst aus einem Brief zitiert, von dem Sie gesagt haben, dieser Brief stamme von einer nachweislichen ÖVP-Wählerin. – Ich war bis zu Ihrer Rede eigentlich der Meinung, dass wir in Öster­reich ein geheimes Wahlrecht haben, aber vielleicht haben Sie bessere Kontakte, viel­leicht haben Sie die Wahlkarte ausgefüllt oder die Hand in der Wahlzelle geführt, was auch immer – sehr eigenartig. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Jetzt generell zu dem, was hier gesagt wurde, von Ihnen, aber auch vom Kollegen Schieder wurde es erwähnt: Lesen Sie den Pakt! (Abg. Schieder: Machen Sie ein­mal ...!) – Ja, wir haben diesen Pakt gelesen, aber wissen Sie, was vor allem bei den Bildungsdebatten auch von Ihrem Kollegen Strolz immer angeführt wird? – Es geht nicht nur um das Lesen, sondern es geht in erster Linie um das sinnerfassende Lesen, und da ist eindeutig Luft nach oben (Beifall bei FPÖ und ÖVP), wenn Sie das tatsäch­lich lesen, vor allem übersetzt in das, was es völkerrechtlich und verfassungsrechtlich bedeuten kann.

Herr Kollege Schieder, Sie haben gesagt: Ja, in den 1970er-Jahren, da war doch die Außenpolitik so in Ordnung, die Österreich betrieben hat! (Abg. Höbart: Da ist er ste­cken geblieben in den Siebzigerjahren!) Jetzt kenne ich das Geheimnis Ihrer SPÖ ganz genau und weiß, warum Sie derartig erfolglos sind: weil Sie in der Politik der Siebziger­jahre und in deren Glorifizierung stecken geblieben sind! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Höbart: Richtig!)

Ist es für Sie nicht etwas Besonderes, wenn man auf einmal merkt, dass österreichi­sche Außenpolitik ernst genommen wird (Abg. Schieder: ... ernst!), wenn Österreich einen Schritt macht und bei diesem Pakt, der von seiner Grundintention ja richtig ist, weil Migration ein weltweites Thema ist, aber am Ende eines Beamtenverhandlungs­prozesses Punkte drinnen sind, die wir einfach nicht mittragen können, sagt: Wir schauen es uns genau an? (Abg. Schieder: ... nicht mit Beamten?) Wir haben Gut­achten, die können Sie auch nachlesen. Schauen Sie vielleicht auf die Gutachten, die wir zum Beispiel in den Ministerien auf die Homepage gestellt haben, lesen Sie halt nicht nur rechtsextreme Seiten, sondern lesen Sie das, was diese Bundesregierung liest, um zu Entscheidungen zu kommen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Diese Bundesregierung ist jetzt das, was man einen Trendsetter nennen kann, Öster­reich übernimmt mit dem Schritt, zu sagen: Wir treten nicht bei!, eine Vorreiterrolle. Auf einmal fangen andere Länder, andere Politiker an, nachzudenken – und siehe da: in Australien, Israel, Bulgarien, Estland, Polen, Tschechien, Ungarn, den Vereinigten Staaten – die haben das allerdings schon vorher gemacht –, aber auch in Kroatien, der Schweiz, der Slowakei, Slowenien (Abg. Meinl-Reisinger: Slowenien wird zustimmen! Schweiz wird zustimmen! Sie wollen das ja ...!), überall gibt es Diskussionsprozesse, sogar in der Bundesrepublik Deutschland, in der CDU/CSU gibt es eine Diskussion. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben eine Diskussion ...!)

Ich sage Ihnen zur Außenpolitik eines: Es gibt da ein Zitat, das Angela Merkel zuge­schrieben wird. Sie hat gesagt: Ja, bei uns, bei den europäischen Treffen ist es so, Bundeskanzler Faymann kommt ohne Meinung und fährt mit meiner heim! (Zwischen­ruf der Abg. Greiner.) – Jetzt ist es umgekehrt: Unser Bundeskanzler, unser Vizekanz­ler machen Politik, und auf einmal hören die anderen bei uns zu – und das ist eigent-


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lich für ein selbstbewusstes Österreich ein ganz bedeutender Moment. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ganz etwas anderes: Der Herr Bundeskanzler hat angesprochen, dass 2015 mit dieser unkontrollierten Zuwanderung nach Österreich etwas passiert ist, und hat gemeint: Das wird jetzt auf jeden Fall so nicht mehr passieren, wir haben daraus gelernt! – Sinnge­mäß haben Sie gesagt, das sei ein Märchen.

Frau Reinl-Meisinger, das ist kein Märchen, sondern - - (Rufe: Meinl-Reisinger!) – Frau Meinl-Reisinger?! – Entschuldigung, ja. (Abg. Meinl-Reisinger: Er kann es halt nicht! Macht ja nichts!) – So, Sie haben eines - - (Abg. Knes: Rosenkranz!) – Geht es wie­der? Geht es auch wieder? (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) Aufmerk­samkeit, danke!

Das Interessante dabei ist: Frau Meinl-Reisinger, Sie haben von einem Märchen ge­sprochen, in Wirklichkeit war es ein Albtraum, der damals passiert ist, und das, was jetzt passiert, ist verantwortungsvolle Regierungspolitik, und darum lassen wir, wenn es um die Inhalte geht, nicht zu, dass in diesem Migrationspaket in irgendeiner Form et­was in die österreichische Souveränität hineinspielt, dass reguläre und irreguläre Mi­gration vermischt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Das wird auch nicht! Das ist falsch, was Sie sagen!) Das sind die Punkte, wo es um Grundversorgung, um Klimaflüchtlinge (Abg. Meinl-Reisinger: Das stimmt nicht!), um Täterprofile geht, das sind all die Detailpunkte, die noch kommen werden. (Abg. Scherak: Das stimmt nicht! Lesen Sie es! Abg. Meinl-Reisinger: Lesen Sie es!) – Wenn Sie sagen, das stimmt nicht, dann lesen Sie die Gutachten – und vor allem nicht nur lesen, sondern sinnerfassend lesen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Welche Gutachten?)

9.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kris­per. – Bitte.


9.45.36

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir haben von der Bundesregierung eine Angstliste geliefert bekommen, eine Angstliste an Punkten (Abg. Wöginger: Jessas Maria! Fürchtet euch nicht!), die uns angeblich daran hindern, diesem Pakt zuzustim­men, den mehr als 180 Staaten unterzeichnen werden und der sich für eine Eindäm­mung von illegaler, chaotischer und lebensgefährlicher Migration einsetzen will. (Beifall bei den NEOS.)

Dieser Pakt hat nichts – wie Sie es behauptet haben, Herr Bundeskanzler – mit Flücht­lingen zu tun. Dafür gibt es, wie Sie genau wissen, einen zweiten Pakt, den Flücht­lingspakt. Dieser Pakt soll dazu beitragen, dass Menschen dort, wo sie leben, ein Recht auf gewisse Mindeststandards haben, die es ihnen erlauben, in Menschenwürde zu leben. Es sind Mindeststandards, die gewährleisten sollen, dass sie nicht wie Tiere leben müssen, sondern wie menschliche Lebewesen leben können. Es sind Standards, die ermöglichen sollen, dass sie in ihrer Heimatregion bleiben, dass sie nämlich in den Nachbarländern ihrer Heimatstaaten in ihrer Migration bleiben können (Abg. Rosen­kranz: „In ihrer Migration bleiben“! Sie möchten in ihrer Migration bleiben!), anstatt die lebensgefährliche Reise zu uns anzutreten, anstatt im Mittelmeer zu ertrinken oder an unseren Toren zu stehen.

Ich muss schon sagen, Herr Kollege – Ralter Wosenkranz sage ich nicht, das wäre mir zu tief (Abg. Rosenkranz: Macht aber nichts!) –, wenn man die Verpflichtungen in die­sem Pakt zählt, dann gehen gerade die Heimatländer sehr viele Verpflichtungen ein


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und nicht nur wir als europäische Staaten. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Za­dić. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Der UN-Migrationspakt ist Teil internationaler Zusammenarbeit, die gerade verhindern soll, dass wir in Österreich wieder ein 2015 erleben, eine Situation, mit der wir offen­sichtlich überfordert waren – und jetzt präsentieren Sie als Bundesregierung hier eben eine Angstliste an fadenscheinigsten Gründen, warum wir diesem sinnvollen Unterfan­gen nicht zustimmen sollen. (Abg. Deimek: Wie schaut das mit ... aus? Ist das dort auch alles so ...? Sind Sie jetzt antizionistisch, oder wie?)

Ich kann nur sagen, der Pakt erwähnt dezidiert die Wahrung der Souveränität der Staa­ten, um die Sie vermeintlich so viel Angst haben. Es entsteht nicht, Herr Bundeskanz­ler, ein Völkergewohnheitsrecht, das wissen Sie genau. (Ruf bei der FPÖ: Das weiß man jetzt schon, dass es kein Völkergewohnheitsrecht gibt!) Inhaltlich kann man sa­gen, der Pakt schafft kein Menschenrecht auf Migration – was immer das auch sein soll.

In Ihrer weiteren Liste von Gründen, warum wir diesem Pakt für eben weniger illegale Migration – was eigentlich in Ihrem Interesse ist, in unser aller Interesse ist – nicht beitreten sollen, sind lauter Punkte umfasst, die wir ohnehin schon aufgrund geltenden österreichischen Rechts, aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen einhalten müssen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Martin Graf.) Ein Punkt ist zum Beispiel das Verbot von Sammelabschiebungen. Diese nicht vorzunehmen, dazu sind wir oh­nehin schon aufgrund des Artikels 3 der Menschenrechtskonvention verpflichtet, die im Verfassungsrang steht. (Abg. Gudenus: Wir brauchen es eh nicht!) Was ist also das Problem mit diesem Punkt, Herr Kanzler?

Die weitere Liste der Punkte, die Ihnen und dieser Bundesregierung laut Begründung nicht passen, liest sich auch, als habe sie eher ein antiker Grausamkeitsgott höchst­persönlich abgeliefert. Sie sprechen nämlich davon, dass Ihnen die Information von Mi­granten über ihre rechtlichen Möglichkeiten als Opfer von Hassverbrechen anschei­nend nicht wichtig wäre, dagegen wären Sie. Sie sind gegen eine weitere Erleichterung von Integration und gegen den Zugang zu Schulen.

Gerade Sie alle von ÖVP und FPÖ, die Sie draußen immer predigen, dass sich die Ausländer doch integrieren sollen: Hier hätten Sie die Möglichkeit, diese Integration vo­ranzutreiben und zu ermöglichen! Was tun Sie aber? – Sie schaffen ein Sicherheits­risiko. (Ruf: Hallo?!) Schauen Sie sich doch bitte in Europa um (Abg. Deimek: Nicht verstanden! Integration ist eine Bringschuld und endet mit vollständiger Assimilation! Alles andere ist Theater!) und schauen Sie sich an, wie es in Städten aussieht, wo In­tegration nicht ermöglicht wird, wo Leute keine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe haben, wo sie keine Jobs haben, wo sie nicht die Sprache des Landes beherrschen können und nicht den Zugang haben, um diese zu lernen!

Dort entstehen die Gefahren, die Sie hier schüren wollen. Sie schüren das Feuer selbst, das Sie vorgeben, löschen zu wollen. Sie nähren ein Feindbild und damit Ihre Existenzgrundlage, nehmen aber diesen Menschen Chancen – und das geht auf Kos­ten der Sicherheitslage in Österreich.

Darum appelliere ich heute an Sie, Herr Bundeskanzler: Überlegen Sie sich noch einmal, ob Sie wirklich Angst haben und in den Fußfesseln der FPÖ stecken, ob Sie Fakten vorsätzlich manipulieren oder Ihnen die Scheinargumentation hilft, Ihr Gesicht zu wahren, ob Sie ein Kanzler mit Haltung für die Menschen in diesem Land sind oder einer, der mit der FPÖ spaltet! (Abg. Neubauer: Jetzt ist es Zeit! – Ruf bei der ÖVP: Schlusswort!)

Ich appelliere an Sie: Wirken Sie mit, machen Sie mit bei diesem Pakt gegen illegale und gefährliche Migration, für ein System mit Regeln, die für alle gleich sind, die trans­parent sind, die dafür sorgen, dass Menschen nicht ertrinken müssen und auch dafür,


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dass sie nicht in Traiskirchen im Freien schlafen, weil so viele von ihnen gleichzeitig nach Österreich kommen! Schmeißen Sie Ihre Angstliste weg! Seien Sie ehrlich, sehen Sie Migration als Herausforderung, die man aber nicht als Problem hochhalten, son­dern als Chance nützen soll! Das erwarte ich von Ihnen, das wäre der verantwortungs­volle, ehrliche Weg.

Um mit Warren Bennis zu sprechen, Herr Kanzler: „Die Kernkompetenz von Führung ist Charakter!“ (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Wö­ginger: Der Kern ist nicht mehr da! Politik im Blindflug ist das! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: „Kern“kompetenz?! In der Witzkiste ge­schlafen?!)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ross­mann. – Bitte.


9.51.14

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Die Staatengemeinschaft steht in diesem Jahrhundert vor drei großen Herausforderungen: dem Klimawandel, der sozialen Frage und der Migration; und es ist gerade die Migration, die auf das Allerengste mit dem Kli­mawandel und der sozialen Frage zusammenhängt.

Der Klimawandel wird, so er nicht einer Lösung zugeführt wird – und eine solche zeich­net sich nicht ab –, zu Klimaflüchtlingen führen, in einem Ausmaß, das wir bisher nicht gesehen haben. Auch die Ignoranz gegenüber der Lösung der sozialen Frage wird aber die Flucht vom Süden in den Norden begünstigen und erhöhen. Die Kluft zwi­schen Arm und Reich geht auseinander, ein rücksichtsloses Gewinnstreben einer aus­schließlich auf Gewinn ausgerichteten Handelspolitik zerstört die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort.

Die Ratspräsidentschaft wird nicht genützt, um die Fragen des Klimawandels, der Kli­makrise zu lösen. – Nein, Sie schauen da zu. Die Ratspräsidentschaft wird aber auch nicht dazu genützt, um die soziale Frage, die Frage der Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen der Ersten und der Dritten Welt zu lösen.

Ich halte es daher vor diesem Hintergrund für kurzsichtig, diesen UN-Migrationspakt abzulehnen. Migration muss gestaltet werden, und der Migrationspakt ist ein Versuch dieser Gestaltung.

Migration sollte niemals ein Akt der Verzweiflung sein, und auch Lösungswege dahin sollten niemals ein Akt der Verzweiflung sein, sondern sie brauchen ein Regelwerk. Ein solches Regelwerk liegt nun vor. Österreich hat an diesem Regelwerk mitverhandelt, distanziert sich aber nun unverständlicherweise von diesem Regelwerk und sitzt in einem Boot, agiert gemeinsam mit illustren politischen Figuren wie Donald Trump und Viktor Orbán.

Sie, Herr Kanzler, agieren aber nicht nur verantwortungslos in diesem Sinne, sondern Sie ruinieren damit auch den guten Ruf Österreichs als zuverlässigen Partner in der Staatengemeinschaft. Sie betonen im Zuge des Ratsvorsitzes immer wieder, dass Sie Brückenbauer sein wollen. – Sie sind aber nicht Brückenbauer, Sie nehmen diese Rol­le in Europa nicht wahr! (Beifall bei JETZT.)

Ganz im Gegenteil: Sie betreiben mit Ihrer Angst- und Panikmache eine Politik der Spaltung – gemeinsam mit Viktor Orbán, gemeinsam mit Horst Seehofer, gemeinsam mit Matteo Salvini und anderen. Sie lassen sich in dieser Frage, Herr Bundeskanzler, von der FPÖ vor sich hertreiben – leichtfertig, würde ich meinen, und aus einem innen­politischen Opportunismus heraus. Sie spielen die Klaviatur der Angst- und Panikma-


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che und wollen dabei politisches Kleingeld mit einer Sündenbockpolitik machen. (Abg. Deimek: Es ist ja schön, dass das die Arbeiterkammer nicht macht in den ... Arbeits­kämpfen!) Ich halte das für falsch.

Wenn ich gesagt habe, Sie lassen sich von der FPÖ vor sich hertreiben, dann meine ich das auch so und dann habe ich absolut kein Verständnis dafür, dass da mit fal­schen Argumenten und wiederum mit Panikmache vorgegangen wird: Der Pakt würde ein Menschenrecht auf Migration schaffen. – Sie wissen genau, Herr Bundeskanzler, dass das nicht so ist. Es gibt sehr viele Völkerrechtler, darunter der renommierte Völ­kerrechtsexperte Manfred Nowak, die sagen: Das ist nicht der Fall! (Abg. Gudenus: Der ist überhaupt der Beste!) Es ist auch bekannt, dass es viele andere Völker­rechtsexperten gibt, die sagen, dass andere Auslegungen höchst strittig sind.

Sie schweigen aber auch zu Inseraten der FPÖ, heute vor eine Woche in „Heute“, wo ungeniert behauptet wird – nämlich mit Bildern von Vizekanzler Strache und Ihnen, Herr Gudenus (die entsprechende Zeitungsseite zeigend) –: „Der Inhalt des UNO-Pak­tes besagt, dass Zuwanderung ein Menschenrecht werden soll.“ – Das ist schlicht falsch. (Abg. Rosenkranz: Das steht drin!) „Die Grenzen zwischen legaler und illegaler Migration sollen damit vermischt werden. Nicht mit uns!“, heißt es dann weiter. (Wei­tere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Ihre Schwesterpartei CDU toleriert das nicht, würde das niemals tolerieren, denn sie hat eine Haltung in dieser Frage eingenommen, die folgenderma­ßen lautet: Wir klären auf – mit richtigen Argumenten, nicht mit falschen Argumenten. (Beifall bei JETZT. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Herr Bundeskanzler, für mich ist dieser Pakt eine humanitäre Verpflichtung. Überden­ken Sie Ihre Entscheidung, enthalten Sie sich nicht Ihrer Stimme in Marokko, wenn es darum geht, diesem Pakt zuzustimmen! – Danke sehr. (Beifall bei JETZT und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

9.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Neham­mer. – Bitte.


9.56.54

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Die­se Bundesregierung bekennt sich ganz offen zum Multilatera - - (Abg. Leichtfried: Ein Freud’scher Versprecher!), zum Multilateralismus, zu internationalen Verträgen, ja.

Es wurde aber auch gesagt, der Inhalt muss stimmen, und der Inhalt in dem Migra­tionspakt stimmt nicht, auch das ständige Wiederholen macht ihn nicht richtiger. Weil gesagt wurde, wir sollen uns inhaltlich damit auseinandersetzen: Ich lade Sie ein, das auch zu tun! Wenn davon gesprochen wird, dass es ja kein verbindlicher Pakt sei, so ist das nun formal vordergründig richtig. Es gibt aber genug Völkerrechtler, die sagen, es gibt auch Völkergewohnheitsrecht, das dann sehr wohl bindend werden kann.

Der Pakt sagt selbst: „Wir verpflichten uns, den multilateralen Dialog im Rahmen der Vereinten Nationen durch einen periodischen und wirksamen Folge- und Überprü­fungsmechanismus fortzusetzen, der sicherstellt, dass die in diesem Dokument enthal­tenen Worte in konkrete Taten zum Nutzen [...] umgesetzt werden“ müssen. „Wir ver­pflichten uns, die im Globalen Pakt niedergelegten Ziele und Verpflichtungen [...] zu er­füllen.“ – Das Wort Verpflichtung kommt 80 Mal in diesem Pakt vor.

Es geht dann ja noch weiter – wir haben hier zu Recht kritisiert, dass es eine Vermi­schung von legaler Migration, illegaler Migration und Asyl gibt –: „Wir werden [...] zu-


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gängliche und zweckdienliche Verfahren entwickeln, die den Übergang von einem Sta­tus zum anderen erleichtern“. – Das steht in diesem Pakt. Reden wir über Inhalte!

Eingriff in die souveräne Arbeitsmarkt- und Migrationspolitik der Staaten: „Wir wer­den [...] Prozesse [...] entwickeln und verstärken, die es Migranten ermöglichen, mit mi­nimalem Verwaltungsaufwand den Arbeitgeber zu wechseln“, „kurz-, mittel- und lang­fristige Politikziele zur gesellschaftlichen Inklusion von Migranten entwickeln“ und vie­les mehr.

Eingriff in die souveräne Sozialpolitik der Staaten: „Wir verpflichten uns, Arbeitsmigran­ten [...] Zugang zu Sozialschutz“ schnell und einfach zu ermöglichen. „Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Men­schenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können.“ (Abg. Scherak: Und da sind Sie dagegen, oder wie? – Abg. Hauser: Das sind Ver­pflichtungen! Was Sie immer bestreiten!)

Druck auf einen weiteren Ausbau legaler Migration - - Nein, Kollege Scherak, das Ent­scheidende ist, dass wir in Österreich in der Hand haben sollten, wer zu uns kommt (Beifall bei ÖVP und FPÖ), dass Maßnahmen wie die Rot-Weiß-Rot-Karte dazu ge­eignet sind, geordnete Zuwanderung zu ermöglichen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Daran wird gearbeitet, aber mit so einer Verpflichtung in so einem Pakt schafft man mehr Verwirrung als Lösung.

Und dann gibt es schon noch einige seltsame Passagen wie: Druck auf Medien, mi­grationsfreundlich zu berichten. – Das kann es nicht sein. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Meinl-Reisinger und Deimek.) Man muss immer in der Lage sein, objektiv zu berichten, über alle Migrationsbewegungen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ja, diese Bundesregierung hat die Interessen Österreichs im Fokus und kann nicht ein­fach einen Pakt unterzeichnen, in dem steht – undifferenziert –, Migration sei eine Quelle des Wohlstands. Ich glaube nicht, dass das die österreichische Bevölkerung einfach eins zu eins übernehmen würde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dass wir nicht allein sind, zeigt der Prozess, der gerade stattfindet. Der Bundeskanzler hat die Länder schon aufgezählt: Australien, Israel, Bulgarien, Tschechien, Estland – weitere folgen. In der Bundesrepublik Deutschland beginnt die Diskussion gerade erst.

Gestatten Sie mir, Folgendes zu sagen: So wie diese Aktuelle Stunde gerade abläuft, von den NEOS initiiert, so drängt sich mir schon der Gedanke auf, dass die Opposition auf einer permanenten Sinnsuche, auf der Suche nach ihrer Legitimation ist. (Ruf: Nichts anderes! – Abg. Meinl-Reisinger: Machen Sie sich keine Sorgen!) Mir fällt die Schubertmesse ein – ich weiß, da tun sich die NEOS dann wieder schwer, weil es ein religiöser Bezug ist –, da heißt es: „Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken?“ (Abg. Loacker: „Wem künd ich mein Entzücken, wenn freu­dig pocht mein Herz?“ – Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.)

Da wird verzweifelt versucht, Themen zu inszenieren, die keine sind. Die SPÖ hat noch vor Kurzem ein Positionspapier erarbeitet, in dem ganz klar dokumentiert worden
ist, dass eine Trennung zwischen Asyl und Migration wichtig ist, und die Liste Pilz, die jetzt heißt, hat überhaupt erst eine moralische Legitimation, sich moralisch zu em­pören, wie Kollege Rossmann (Abg. Meinl-Reisinger: Warum sachlich, wenn’s auch persönlich geht?!), wenn Kollege Pilz nicht mehr Mitglied der Liste Jetzt ist. Das ist aus meiner Sicht das Thema dieser Stunde. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Abschließend, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, ein offenes Wort: Ich bin dank­bar, dass Sie Verantwortung für diese Republik tragen. Ich bin dankbar, dass Sie auch bei einer kritischen Frage Haltung zeigen und nicht tagespolitisches Kleingeld auf dem


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Rücken der Interessen der Österreicherinnen und Österreicher (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), wie es die Opposition heute tut, wechseln. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Dönmez. – Zwischenruf des Abg. Loacker. – Ruf: Sehr schwach, sehr schwach!)

10.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.


10.02.16

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Es kommt eigentlich ganz, ganz selten vor, dass es ein UN-Dokument auch in deutscher Sprache gibt. Der UN-Migrationspakt ist ein solches, er heißt in der offiziellen UN-Über­setzung: „Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“. Es ist schon allerhand, dass es für diese Regierung offensichtlich notwendig ist, eine deut­sche Übersetzung dieses deutschen Titels anzufertigen, denn in der Ministerratsvorla­ge hieß dieser Pakt: „Globaler Pakt für sichere, geregelte und planmäßige Migration“. (Zwischenruf des Abg. Lugar.)

Mit dem Wort planmäßig hat die Regierung ein Wort übernommen, das üblicherweise von Rechtsradikalen im Kontext von Migration verwendet wird, und das halte ich für ziemlich beunruhigend. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Also die Planwirt­schaft kommt eher von Ihnen! Planwirtschaft kommt von Ihnen!) – Planmäßig! Lesen Sie es nach, wenn Sie wollen! Lesen Sie es bei den Identitären nach, lesen Sie es auf irgendwelchen rechten Seiten nach! (Abg. Rosenkranz: Nein, das schau ich mir gar nicht an, das lese ich nicht! Das ist Ihre Lektüre!) Es ist eine rechtsradikale Diktion, die da übernommen wird.

Es ist eine unheilige Allianz, die Sie da gerade eingehen. Die ÖVP trägt die fremden­feindliche Symbolpolitik der FPÖ mit, und die FPÖ trägt im Gegenzug die arbeitneh­merfeindliche und großkapitalhofierende Politik der ÖVP mit (Beifall bei der SPÖ) – wunderbar, wo wir da gelandet sind, hervorragend! Was in Summe bei dieser Politik herauskommt, ist eine absolute Melange der sozialen Kälte.

Es ist schlecht für Österreich, was dabei herauskommt, wenn die Sozialversicherung zerschlagen wird, wenn die Notstandshilfe für die Menschen verschlechtert wird, wenn Arbeitszeit ausgeweitet wird und die Arbeitnehmermitbestimmung mehr und mehr be­schränkt wird. Und auch das Abgehen von diesem Migrationspakt ist schlicht und er­greifend schlecht für die Republik Österreich (Abg. Wöginger: Ja, genau!), weil Ös­terreich multilateral bislang einen sehr guten Ruf hatte, einen sehr guten Ruf in der UN hatte, Wien auch ein UN-Sitz ist und wir bei allen möglichen Gelegenheiten dafür kämpfen, dass mehr UN-Einrichtungen nach Wien kommen. – Mit einer solchen Politik konterkarieren Sie das natürlich. (Abg. Rosenkranz: In letzter Zeit haben wir ... viele neue gekriegt!)

Es ist auch eine Chance, die wir vergeben haben – die Sie vergeben haben, um kon­kret zu sein –, dass Österreich mit dabei ist, Migration global zu managen, denn zu glauben, man könne einfach irgendwelche Routen schließen und damit finde Migration nicht mehr statt, ist ein Irrtum. Das funktioniert so einfach nicht. (Beifall bei der SPÖ so­wie der Abgeordneten Bißmann und Zadić. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wirklich ganz besonders unglaublich ist, dass Österreich in seiner Rolle im Rahmen der EU-Präsidentschaft diesen Pakt verhandelt hat, bis zum Schluss federführend ver­handelt hat – ich hatte die Möglichkeit, mich noch im Juli in der Mission in New York briefen zu lassen, wie der Stand der Dinge ist –, um dann als EU-Ratsvorsitzland mit­ten im Manöver auszusteigen. – Was ist denn das für eine Symbolik?


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Wir hatten im Frühjahr im Rahmen der Interparlamentarischen Union in New York die Möglichkeit, bei einem Hearing zum Migrationspakt dabei zu sein, alle fünf Fraktionen waren dort. Wir haben alle Informationen bekommen, die wir nur bekommen konnten; der Text, wie er bis zu diesem Zeitpunkt verhandelt war, weicht nicht sehr von dem Text, wie er letztendlich beschlossen worden ist, ab – und es hat von den Vertretern der beiden Regierungsparteien dort kein Muh und kein Mäh und kein Wäh gegeben. Warum haben Sie sich nicht eingebracht? Warum hat nicht irgendjemand gesagt,
was nicht passt? Jetzt so zu tun, als wäre das alles ein riesengroßes Problem, was
da drinnen steht, ist vollkommen verrückt, finde ich. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Die Argumente, mit denen Sie sagen, dass der Pakt für uns nicht tragbar ist, sind ge­nauso hanebüchen. Völkergewohnheitsrecht entsteht nicht aufgrund dessen, dass ir­gendjemand einen rechtsunverbindlichen Pakt mitunterschreibt oder nicht, sondern durch gleichförmige Anwendung. (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) – Hahaha! Lernen Sie halt Völkerrecht! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.)

Es gibt einen eigenen Absatz in diesem Pakt, dass staatliche Souveränität durch die­sen Pakt in keiner Weise berührt wird (Abg. Rosenkranz: Da sieht man’s: keine Ah­nung! – Zwischenruf des Abg. Rädler) und dass es natürlich jedem Nationalstaat frei­gestellt wird, wen er einreisen lässt und wen nicht. (Abg. Rosenkranz: Keine Ah­nung! – Abg. Wöginger: Realitätsverweigerung! – Abg. Rosenkranz: Nein, ich glaube, das ist es nicht! Ich glaube ...!)

Sie sagen, in diesem Pakt würden Flüchtlinge und migrationswillige Menschen ver­mischt: Nein, es wurden zwei Pakte verhandelt, in Genf einer betreffend Flüchtlinge, in New York einer betreffend Migration. Es ist gar nicht möglich, das zu vermischen, weil es zwei Pakte gibt, verdammt noch einmal! Also das ist einfach nicht richtig! (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie der Abg. Zadić. – Hallo-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Wöginger: Ausbruch von Linksradikalismus!)

Migration, wenn Menschen sich aufgrund von Kriegen, Hunger, Verfolgung auf den Weg machen, in Bewegung setzen, wird kein Pakt der Erde stoppen, wir können das nur gemeinsam managen.

Diese Regierung betreibt einfach eine Politik der fremdenfeindlichen Nebelgranaten (Zwischenruf des Abg. Rädler): Wenn es um Notstandshilfe geht, wenn diese ver­ringert werden soll, dann diskutieren Sie über Kopftücher (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler); wenn es um den 12-Stunden-Tag, um die 60-Stunden-Woche geht, dann schließen Sie zum 23. Mal die Balkanroute (Zwischenruf der Abg. Winzig); wenn die Sozialversicherung zerschlagen werden soll, dann kündigen Sie den Migrationspakt auf. – Das ist absolut durchsichtig, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf recht herzlich die Schülerinnen und Schü­ler der Neuen Mittelschule Persenbeug bei uns im Hohen Haus willkommen heißen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. – Bitte.


10.08.15

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie, im Hohen Haus! Ich glaube, eines ist entscheidend und das sollten wir eigentlich außer Streit stellen – aber es macht nicht den Eindruck,


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wenn man den Worten der Opposition zuhört –: Migration ist grundsätzlich kein Men­schenrecht und soll auch keines werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es kann nicht sein, dass jemand aus individuellen Gründen, aus Klimagründen, aus so­zialpolitischen Gründen, aus wie auch immer gelagerten Gründen sagt: Ich breche auf und suche mir irgendeine Wunschdestination aus, wo ich hinreisen will und wo ich leben will! – Das kann nicht funktionieren, und das sollten wir außer Streit stellen. In Ihrer Diktion, auch in der letzten Wortspende von Frau Abgeordneter Bayr, hört sich das anders an, denn da reden Sie davon, das zu managen, und da reden Sie davon, diese Wünsche der Menschen zu managen, damit sie sich eine Wunschdestination aussuchen können. – Das funktioniert nicht, das kann auch nicht funktionieren, und da geht es um die wesentlichen Souveränitätsrechte, die wir für Österreich auch in Zu­kunft sichergestellt haben. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Ich bin dem Bundeskanzler dankbar dafür, dass wir die Inhalte des Paktes in einer sehr verantwortungsbewussten Art und Weise bewertet haben. Es sind 23 Punkte, 23 in­haltliche Forderungen, von denen einige Punkte, nämlich konkret sechs Punkte, durch­aus auch sehr positive Inhalte umfassen.

17 Punkte stehen aber unserem Regierungsprogramm negativ diametral gegenüber (Abg. Meinl-Reisinger: Welche?), und ganz konkret beginnt jeder Absatz dieser abzu­lehnenden Inhalte wortwörtlich – und das gilt für alle Staaten, die das unterstützen und unterschreiben werden – mit: „Wir verpflichten uns“. Bei 23 Punkten steht wortwörtlich: „Wir verpflichten uns“, diese Inhalte umzusetzen und die nationalstaatlichen Gesetze zu ändern, zu adaptieren, damit die Inhalte umgesetzt werden können. (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das ist falsch! Das ist falsch! ... politische Verpflichtung! – Abg. Schieder: Das ist falsch!) Diese Selbstverpflichtung steht in jedem Absatz drinnen, le­sen Sie den Pakt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Sie grölen permanent herein, behaupten, den Pakt gelesen zu haben, und verneinen die Realität, dass jeder dieser 23 Punkte mit: „Wir verpflichten uns“ (Abg. Meinl-Rei­singer: Das ist gut so ...!), diese Inhalte umzusetzen und die nationalstaatlichen Ge­setze zu adaptieren, beginnt. Das ist Realität – Sie verweigern sie! Das ist zumindest eine Selbstverpflichtung, und ein mündiger Bürger, der sich ernst nimmt, würde nie­mals einen Vertrag unterschreiben, den er inhaltlich ablehnt – außer Sie vielleicht, wie Sie heute dargelegt haben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

Aber: Das ist ja nicht logisch. Wenn man sich selbst ernst nimmt, dann muss man auch zu Inhalten, die man ablehnt, Stellung und Position beziehen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das tun wir, wir beziehen ganz klar und deutlich Position und sagen: Diese Inhalte wollen wir nicht umsetzen. Wir wollen keine Selbstverpflichtung, wir wollen kei­ne moralische Verpflichtung, abzulehnende Inhalte umsetzen zu müssen, wir wollen keine politische Verpflichtung daraus ableiten. Wir wollen nicht, dass ein Soft-Law-Prinzip entstehen kann (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), wir wollen nicht, dass vielleicht doch – wie auch Völkerrechtsexperten eingestehen – auf Dauer, nämlich über viele Jahre hinweg, ein Völkergewohnheitsrecht entstehen kann. Das wollen wir nicht, und wir handeln hier sehr verantwortungsvoll im Sinne der österreichischen Bevölke­rung und Souveränität. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und dann stellt sich der eine oder andere aus der Opposition heraus und spricht – in dieser Abschätzigkeit – davon, dass es da ein paar „illustre politische Figuren“ gebe. – Ich meine, die Vereinigten Staaten haben schon vorher festgestellt, diesen UN-Migra­tionspakt inhaltlich abzulehnen, dann auch Ungarn (Zwischenruf des Abg. Rossmann), dann auch Österreich – in einer selbstbewussten Entscheidung –, und das ist auch not­wendig; aber dass viele Staaten erst danach in einen Diskussionsprozess getreten


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sind, ist ja evident. Heute haben bereits Tschechien, Bulgarien, Estland und Polen ent­schieden, nicht einzusteigen; Israel hat entschieden, nicht einzusteigen. Italien disku­tiert darüber, nicht einzusteigen, Slowenien diskutiert darüber, nicht einzusteigen, auch Belgien, Kroatien, Serbien, Japan. Auch die Schweiz hat im Ausschuss jetzt mehrheit­lich beschlossen, das an den Bundesrat zurückzuschicken und noch einmal zu be­handeln, weil man das mehrheitlich nicht annehmen will.

Das sind Entwicklungen, da können Sie ja nicht in dieser abschätzigen Art und Weise von „illustren [...] Figuren“ sprechen. Das sind berechtigte Positionen, die Sie teilen können oder auch nicht; aber genau darum geht es. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um den Schlusssatz, Herr Vizekanzler.


Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache (fortsetzend): Ich sage Ihnen daher: Hören Sie auf, Andersdenkende mit Ihren Positionen (Heiterkeit bei Abgeordneten von JETZT – Abg. Rossmann: Das sagen Sie!) permanent in dieser Art und Weise abzukanzeln! Wir vertreten die Souveränitäts­rechte der österreichischen Bevölkerung, und darauf, kann ich sagen, sind wir stolz, darauf kann sich die Bevölkerung verlassen. Das war der Wahlauftrag, und das ist das Vertrauen, das wir erfüllen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez.)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gude­nus. – Bitte.


10.14.03

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Danke für die Ausführungen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurz eingehend auf ein paar Vorredner seitens der Opposition, weil ja im­mer davon gesprochen wurde, einige Handlungen der Regierung seien beunruhigend: Ich finde es schlichtweg beunruhigend, dass die Opposition anscheinend so oft auf rechtsradikalen Seiten stöbert (Heiterkeit und Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger) und nichts anderes zu tun hat, als zu schauen, was rechtsradikale Seiten schreiben, anstatt sich mit den ernsthaften Ausführungen der Bundesregierung dazu, warum wir diesem Migrationspakt nicht zustimmen, auseinanderzusetzen. Das ist beunruhigend, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Würden Sie den Ausführungen folgen, so würden Sie merken, dass die Bundesregie­rung die österreichische Souveränität sehr ernst nimmt, dann würden Sie merken, dass die Bundesregierung Österreich als Völkerrechtssubjekt natürlich eine Ernsthaftigkeit zukommen lässt (Abg. Schieder: Da redet der Richtige! Ihr zweiter Vorname ist Ernst­haft!) – genau das, was Sie von der SPÖ in den letzten Jahren wahrscheinlich verab­säumt haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Schieder vor allem!

Und Frau Rendi-Wagner glänzt schon wieder durch Abwesenheit, auch sehr interes­sant! (Rufe bei der FPÖ: Unerhört!) – Ja, das ist unerhört, das ist beunruhigend (Abg. Schieder: Kurz war nur kurz da!), dass sich eine Parteiobfrau, die sich gemeldet hat (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), wieder streichen lässt und dann so getan wird, als wäre das ein wichtiger Punkt in der Politik der SPÖ. Sie sollten wirklich einmal in den Spiegel schauen, ob Sie noch ernst zu nehmen sind, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch sehr interessant ist das Argument, dass Wien, Österreich, UN-Sitz ist und das in Gefahr gebracht wird, weil wir aufgrund reiflicher und vernünftiger Überlegungen die­sem Pakt nicht zustimmen. Die USA stimmen diesem Pakt auch nicht zu, New York ist


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UN-Hauptsitz. – Ich glaube nicht, dass der Hauptsitz in New York irgendwie in Gefahr ist, weil die USA dem Pakt nicht zustimmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich glaube auch nicht, dass der Genfer UN-Sitz in Gefahr ist, wenn sich die Schweiz letztendlich entscheidet, diesem Pakt nicht zuzustimmen. Wir sind da in bester Gesell­schaft, und es gibt immer mehr Staaten, die sich entscheiden, diesem Pakt nicht zuzu­stimmen, weil sie eben nicht wollen, dass die nationale Souveränität ausgehöhlt wird – und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es war auch sehr interessant, eingangs die Rede von Frau Kollegin Meinl-Reisinger zu hören, die insgesamt dafür geworben hat, diesen Pakt zu unterschreiben, aber kein einziges Argument dafür gebracht hat, die Unterschrift zu tätigen oder dafürzustimmen. Kein Argument! Sie haben sich nur darüber ausgelassen, wie es sein kann, dass die Bundesregierung im Endeffekt eine Nichtzustimmung beschlossen hat; das haben Sie gemacht. Ich kann Ihnen aber viele Gründe nennen, Frau Meinl-Reisinger (Abg. Meinl-Reisinger: Tun Sie’s!), die wir vorbringen, dass wir nicht zustimmen.

Wenn der Völkerrechtsexperte Herr Obwexer im „Kurier“ vor einigen Wochen gesagt hat, dass da eben „nicht klar unterschieden“ werden kann „zwischen (Arbeits-)Migran­ten und Flüchtlingen – was langfristig Auswirkungen auf den Zugang zum Sozialsystem und zum Arbeitsmarkt haben könnte“ –, dann ist das ein wirklich ernst zu nehmendes Argument, Frau Meinl-Reisinger.

Wenn jeder der 23 Punkte – wie heute schon öfters zitiert – mit dem Satz „Wir ver­pflichten uns“ beginnt und Sie jetzt sagen, na und – das ist ja schon vielsagend –, und mehrmals durch Zwischenrufe bestätigt haben, das sei ja nur eine politische Verpflich­tung (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist eine politische Verpflichtung! Lesen Sie es sich durch! Ich nehme das ernst, im Gegensatz zu Ihnen! Ich halte es für wichtig, dass ... Staatengemeinschaft verpflichten! Welche Werte ...?): Frau Meinl-Reisinger, wir sind Politiker, wir sorgen dafür, dass die Rechtsordnung geschaffen und geändert wird, wir sorgen dafür, dass völkerrechtlichen Verträgen zugestimmt wird, diese abgelehnt wer­den oder ihnen nicht beigetreten wird. (Abg. Höbart: Linksliberale Beliebigkeit!) Das ist unsere Verpflichtung als Politiker, das ist eine politische Verpflichtung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Dönmez. – Ruf: So funktioniert ...!) – So funktioniert internationale Politik, genau! (Abg. Meinl-Rei­singer: Die Werte sind die Werte der Aufklärung und des Humanismus! – Abg. Hö­bart: Am Rücken des Humanismus lassen wir alles bei uns hinein! Vor lauter Huma­nismus vergessen wir auf die eigenen Leute!)

Das ist genau die Sackgasse, in der wir uns in den letzten Jahren befunden haben. In­ternationale Politik funktioniert nämlich so, dass jedes Mitgliedsland der UNO ein Völ­kerrechtssubjekt ist, mit eigener Souveränität, und jedes Land gemäß der Mehrheit der Bevölkerung entscheidet, was es tun will oder lassen will – und genau das tut unsere Bundesregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Völkerrechtssub­jekt entscheiden das. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Lassen Sie mich nur ein paar Punkte zitieren, die eben mit dem Passus „Wir verpflich­ten uns“ beginnen: „Erleichterung des Statuswechsels regulärer-irregulärer Migrant“ – genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen eben die Vermischung zwischen illegaler und legaler Zuwanderung nicht (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), wir wollen die Vermischung zwischen Asyl und Migration nicht. Das wollen wir nicht.

Seien Sie ehrlich, verehrte Damen und Herren von der Opposition: Sie hätten das auch unterschrieben, wenn nur das Wort Migration dort gestanden wäre, ohne weitere Er­läuterungen (Abg. Meinl-Reisinger: Hören Sie auf mit der Polemik! Argumentieren Sie sachlich ...!), denn Sie sind Zuwanderungsfetischisten. Die Mehrheit der Bevölkerung


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in Österreich lehnt das ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Höbart: Die NEOS wollen die Grünen ersetzen! – Ruf: „Zuwande­rungsfetischisten“!)

10.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sche­rak. – Bitte.


10.19.35

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanz­ler! Herr Vizekanzler! Eines vorweg, Herr Kollege Nehammer: Ihre Obsession mit der Opposition kann ich Ihnen nicht nehmen, aber was ich keinesfalls akzeptiere, ist, wenn Sie sich hier herstellen und sagen, wir haben nur versucht, tagespolitisches Kleingeld zu wechseln.

Ich darf Sie an die Geschäftsordnung des Nationalrates, § 97a, Aktuelle Stunde, er­innern: „Die Plenarberatungen einer Sitzungswoche werden mit einer Aktuellen Stunde eingeleitet, wenn dies von fünf Abgeordneten schriftlich [...] verlangt wird.“ Ich halte es für mein Recht als Parlamentarier, dass ich zu einem Thema, das eine ernst zu neh­mende Debatte braucht, nämlich zum UN-Migrationspakt, eine Aktuelle Stunde verlan­ge, in der debattiert wird. (Abg. Hauser: Er hat sich eh schon bedankt! – Abg. Rosen­kranz: Ja, und ich habe mich auch schon bei Ihnen bedankt, weil es so gut ist!) – Ja, das ist eh schön, dass Sie sich bedanken. Wieso die Tatsache, dass man über The­men, die gerade tagesaktuell sind, diskutiert – was für ein selbstbewusstes Parlament ganz normal ist –, in irgendeiner Art und Weise ein Wechseln von politischem Kleingeld sein sollte, müssen Sie dann auch Ihren Wählern erklären. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Ich glaube, wir sind uns grundsätzlich einig, dass Österreich – wir haben seit einem halben Jahr den EU-Vorsitz inne – in dieser Situation, glaube ich, Herr Bundeskanzler, eine Vorbildfunktion innehat. Ich halte es für richtig, wenn man in dieser Vorbildfunktion Verantwortung für das große Ganze übernimmt und versucht, etwas weiterzubringen. Das, was Österreich gemacht hat, und das, was Sie hier an den Tag legen, das ist das, was ich am wenigsten verstehe. Man kann zum Migrationspakt geteilter Meinung sein, man kann das inhaltlich diskutieren. Dass man aber am Schluss stolz darauf ist, ein in­ternationales Abkommen zu torpedieren, das verstehe ich nicht. Das ist nämlich genau das, was Sie machen, wenn Sie ein Land nach dem anderen aufzählen, das Ihnen ge­folgt ist. Ja selbstverständlich, es sind Ihnen andere Länder gefolgt, weil Österreich begonnen hat, dieses Abkommen ganz absichtlich zu torpedieren! (Abg. Gudenus: Nach uns machen sie es! Wir sind Vorreiter!)

Der zweite Punkt, der mir in dem Zusammenhang immer wieder negativ aufstößt, ist die Situation dieses Aufzählens. Ich habe das mit Bundesminister Blümel beim letzten Mal schon diskutiert. Meine Mutter hat mich immer gefragt, ob ich nachspringe, wenn einer irgendwo runterspringt. (Ruf bei der FPÖ: Was ist denn das für eine Polemik? – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das Hauptargument, das ich die meiste Zeit höre, ist: Na ja, die anderen machen es ja auch; also Israel macht es, die USA machen es, Tschechien macht es und so weiter und so fort! – Ich halte das für ein absurdes Argu­ment, dass man aufzählt, wer sonst noch etwas macht.

Herr Bundeskanzler, weil Sie Premierminister Babiš angesprochen haben und auch Generalsekretär Nehammer ja immer wieder Aussendungen dazu schickt – aus wel­chen Gründen auch immer –, sage ich Ihnen ganz ehrlich: Sie können Babiš gerne in Ihre Fraktion aufnehmen, ich brauche ihn nicht bei mir. Sie haben Orbán, der passt zu Ihnen, es passt auch Babiš zu Ihnen. Ich brauche solche Leute nicht in meiner Frak­tion. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rädler: Das ist der Punkt, wir entscheiden! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


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Die Distanzierung meinerseits ist ganz unproblematisch. Das ist das, was ich mir von Ihnen erwarten würde. (Abg. Lopatka: Tun Sie etwas, Kollege Scherak! Werden Sie aktiv! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ja, schauen Sie, ich weiß nicht, im Gegensatz zu Ihnen diskutieren wir solche Themen ernsthaft intern in der Fraktion. (Abg. Rädler: Schreiben Sie einen Brief an Babiš! – Zwischenruf des Abg. Gerstl.) Wir waren beim Alde-Kongress in Madrid, Herr Kollege Lopatka. Wir diskutieren das. Sie sind die Fraktion, die Viktor Orbán seit Ewigkeiten den Rücken stärkt und nicht ernst­haft darüber diskutiert, ob Viktor Orbán Platz in der Europäischen Volkspartei hat. (Bei­fall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rädler: ... Bedeutungs­losigkeit!)

Zum Inhalt des Migrationspaktes: Es gibt da ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Kollege Haider, der heute leider nicht da ist, glaubt ja, dass es das Hauptziel dieses Paktes und das Hauptziel von António Guterres ist, Migration zu fördern, und dass man das damit macht. Er hat in einer Aussendung geschrieben, Guterres habe das in seiner Rede sogar betont, dass man das entsprechend macht. Ich weiß jetzt nicht, ob es auf FPÖ TV eine andere Version der Rede gibt, aber in der Rede, die ich gesehen habe, sagt António Guterres nichts davon, dass Migration gefördert werden soll.

Was er sagt, und das ist das, was der Pakt im Grunde genommen will, ist, dass wir Mi­gration gemeinsam dadurch lösen, dass wir genau das, was auch der Bundeskanzler immer wieder angesprochen hat, endlich machen, nämlich dass, wie es der Bundes­kanzler immer gefordert hat, wir und nicht die Schlepper entscheiden, wer zu uns kommt, dass wir die Ärmsten und die Schwächsten schützen, und dass wir absolute Schlüsselarbeitskräfte nach Österreich bekommen, das entsprechende Know-how und die entsprechenden Talente. (Abg. Höbart: Das machen wir sowieso! – Abg. Gude­nus: Das schaffen wir auch ohne Pakt, keine Sorge! – Ruf bei der FPÖ: ... nationales Recht!)

Da die Rot-Weiß-Rot-Karte, die ja angeblich dazu beitragen soll, schon erwähnt wurde: Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist leider Gottes der ultimativste Rohrkrepierer, den wir in Ös­terreich haben. (Abg. Winzig: Die ist gerade in Arbeit, Herr Scherak!) Mit ihr hat man es nie geschafft, die wichtigen Schlüsselarbeitskräfte, die wir in Österreich brauchen, herzubringen. Das braucht schon längst eine Reform, und das ist das, was die an­gebliche Wirtschaftspartei ÖVP leider nie zustande gebracht hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Vizekanzler, ich fand einen Satz von Ihnen sehr amüsant – ich habe Sie so ver­standen –, Sie haben vorher gesagt: Kein vernünftiger Mensch würde einen Vertrag unterschreiben, den er so nicht haben will. Das haben Sie ungefähr so gesagt. (Vize­kanzler Strache: Den er nicht mitträgt!) – Genau, den er nicht mitträgt. Das ist bei je­mandem, der immer gegen Ceta war und dann Ceta plötzlich mitträgt, zumindest eini­germaßen schwierig nachzuvollziehen. Ich halte Sie an und für sich für einen vernünf­tigen Menschen, aber da tue ich mir einigermaßen schwer, das so zu bringen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wissen Sie, was ich an der ganzen Sache so fatal finde: Es wird hier suggeriert, insbe­sondere von der FPÖ, dass wir mit diesem Nein zum Migrationspakt in irgendeiner Art und Weise Migration stoppen werden, und das ist der große Fehler. (Abg. Hauser: Die Verpflichtung ...! Tun Sie die Leute richtig informieren!) Man kann über einzelne Dinge, die da drinstehen, geteilter Meinung sein; das ist gar nicht der Punkt. Wenn man aber im Hinblick auf die außenpolitische Tradition Österreichs aufhört, auf internationaler Ebene solche Dinge ernsthaft zu verhandeln beziehungsweise – so wie wir es jetzt ge­macht haben – das über Jahre und Monate ernsthaft verhandelt, und dann am Schluss vor dem Populismus einknickt, halte ich das für den falschen Weg. (Abg. Deimek: Das Volk wird es uns danken, euch vielleicht nicht!)


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Wir können das Thema Migration nur gemeinsam lösen. Wir können es nur weltweit lö­sen. Das schaffen wir mit diesem populistischen Schritt, einfach zu sagen: Nein, wir halten uns da jetzt raus, und damit ist alles gut!, und damit der Bevölkerung zu sug­gerieren, dass damit alle Probleme gelöst sind, sicher nicht. So wird es garantiert nicht funktionieren. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte.


10.24.58

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­deskanzler! Geschätzter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! In den letzten Jahrzehnten hat sich Österreich zu einem zuverlässigen und glaubwürdigen Partner in der internatio­nalen Staatengemeinschaft entwickelt. Genau diesen Ruf wollen Sie, liebe Bundesre­gierung, mit Ihrer unverantwortlichen Außenpolitik schädigen.

Viele der wichtigen Fragen der letzten Jahrzehnte haben wir versucht, international zu lösen. Da geht es um Menschenrechte, um die Abschaffung der Todesstrafe, um das Atomwaffenabkommen, aber auch um den Klimaschutz. Die nächste Herausforderung, die vor uns steht, ist die Herausforderung der Migration. Auch das Thema Migration müssen wir gemeinsam mit allen Staaten dieser Welt lösen, und dazu gehören die Her­kunftsländer, die Transitländer und die Zielländer.

Migration ist aber kein Phänomen, das wir alleine angehen können. Es gibt keine Ar­mee dieser Welt, die es schafft, Grenzen so abzusichern, dass niemand reinkommt. Wenn man sich ansieht, wie das EU-Budget für den EU-Außengrenzschutz ausschaut, ist es illusorisch, zu glauben, dass diese Grenzen Europa hermetisch abkapseln kön­nen (Abg. Rosenkranz: Darum müssen wir das in Österreich machen!); daher brau­chen wir einen gemeinsamen, einen multilateralen Plan.

Die Initiative für diesen Plan, meine Damen und Herren, ging im Jahr 2015 von Europa aus, weil Europa festgestellt hat, dass es die Migrationsströme – diese Ströme, die un­geordnet und chaotisch waren – alleine nicht bewältigen kann. Daher hat Europa die UN gefragt, ob wir uns nicht mit allen Staaten an einen Tisch setzen wollen, um ge­meinsam einen Vertrag auszuhandeln. 190 Staaten haben sich an einen Tisch gesetzt, 190 Staaten haben gemeinsam Lösungswege vorgeschlagen und gemeinsam Chan­cen erarbeitet.

Dieser Pakt will auch diese internationale Zusammenarbeit fördern, die Fluchtursachen bekämpfen und Migration regeln und ordnen. All dem erteilen Sie eine Absage. All dem, was in der heutigen Zeit so wichtig wäre, erteilen Sie eine Absage. Dieser politi­sche Diskurs darf nicht populistisch und polemisch geführt werden. Der politische Dis­kurs muss in diesen wichtigen Fragen der Zukunft gemeinsam erfolgen. (Beifall bei JETZT.)

Lassen Sie mich mit einigen dieser haarsträubenden Argumente, die auch in der heuti­gen Diskussion gefallen sind, aufräumen: Es geht um die Vermischung von Migration und Flucht. – Dieser Vertrag vermischt Migration nicht mit Asyl. Es gibt zwei Pakte, der eine regelt Migration und der andere regelt Asyl.

Es geht um das Thema Völkergewohnheitsrecht. – Es zeugt von völliger Ahnungslosig­keit der Regierung, uns zu erklären, dass durch diesen Pakt Völkergewohnheitsrecht entstehen könnte. Es ist eingangs ganz klar festgehalten, dass dieser Pakt nicht bindend ist. (Abg. Gudenus: Wozu unterschreiben wir ihn dann? – Abg. Höbart: Des­halb regelt er Migration, weil er nicht bindend ist! – Abg. Hauser: Wir verpflichten uns!)


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Auch wenn im Vertragstext die Wörter „Wir verpflichten uns“ enthalten sind (Abg. Ro­senkranz: Wir verpflichten uns! Das ist unglaublich!), heißt das nicht, dass das ver­pflichtend ist, weil eingangs klar festgehalten ist, dass dieser Vertrag nicht bindend ist.

Außerdem möchte ich hier mit einer weiteren Unwahrheit aufräumen: Es handelt sich hierbei nicht um einen Vertrag, es ist lediglich eine Absichtserklärung, die nicht einmal unterzeichnet wird. (Abg. Rosenkranz: Es ist keine Verpflichtung, nein!)

Ein Punkt, der mir ganz besonders wichtig ist – weil das immer wieder vorkommt –: Immer wieder wird erwähnt, dass die Migranten ja nicht in unser Sozialsystem zuwan­dern sollen und unser Sozialsystem nicht von Arbeitsmigranten unterwandert werden soll. Eine Sache möchte ich schon festhalten: Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass unsere europäischen und menschenrechtlichen Standards sehr wohl Mindest­standards für arbeitende Drittstaatsangehörige und auch Diskriminierungsverbote vor­sehen. (Abg. Deimek: Ja, genau! Aber unser Sozialsystem ist ein bisschen besser als das von Burkina Faso! Das ist der Unterschied! – Abg. Höbart: Somalia wäre zu empfehlen! Ich empfehle Ihnen das von Somalia! – Abg. Deimek: Ich empfehle Ihnen das saudische Sozialsystem, inklusive der saudischen Frauenrechte!) Das heißt: All das, was in diesem Vertrag festgehalten wird, haben wir in Europa großteils schon. Das, was dieser Vertrag aber vorsieht, ist, dass andere Staaten sich auch zu diesen Mindeststandards bekennen. Wenn sich andere Staaten zu diesen Mindeststandards bekennen, fällt der Druck, nämlich der Migrationsdruck, von Österreich, fällt der Druck von anderen europäischen Staaten. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wer gegen den internationalen UN-Migrationspakt stimmt, handelt gegen die nationa­len Interessen Österreichs, und das muss einmal gesagt werden. – Vielen Dank. (Bei­fall bei JETZT.)

10.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Biß­mann. – Bitte.


10.30.29

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie und zu Hause vor den Bild­schirmen! Kein Mensch dieser Welt kann sich ein Leben lang sicher sein, seine Heimat nicht zu verlieren. Die Feierlichkeiten dieser Tage erinnern uns Österreicherinnen und Österreicher daran, dass wir innerhalb der letzten 100 Jahre wiederholt gezwungen waren, unsere Heimat zu verlassen, zu migrieren und im besten Fall später traumati­siert in die alte Heimat zurückzukehren.

Geschätzter Herr Kanzler, in Zeiten des Wandels, im Übergang von der Monarchie zur Republik, von der Republik zur Diktatur, von der Diktatur zur Republik war der Migra­tionsdruck in Österreich immer besonders hoch. Heute ist es der Klimawandel, der die Menschen weltweit zur Migration zwingt. Der UN-Migrationspakt ist ein erster Schritt, oder besser gesagt, wäre ein erster Schritt gewesen, um notwendige Maßnahmen für das fast schon Unausweichliche einzuleiten. Herr Bundeskanzler, da stimme ich mit Ihnen überein: Es ist legitim, sich gegen einen derartigen Pakt zu entscheiden. Eine Sache allerdings: Bei internationalen Initiativen dieses Ausmaßes sollten Sie sich rechtzeitig überlegen, was spricht dafür, was spricht dagegen?! (Abg. Höbart: Das ha­ben wir getan!)

Sie hätten die Gegenargumente schon vor zwei Jahren geltend machen sollen und nicht heute ein fatales Signal in die Welt aussenden, das einen unkontrollierten Domi­noeffekt auslöst. Anstelle von Gemeinsamkeit – dem vielzitierten und absolut wichtigen


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Multilateralismus – haben wir nun nationale Alleingänge provoziert. Genau so ein Klima brauchen wir in einer globalisierten Welt, die sich im Wandel befindet, nicht.

Romana Sommerer aus meiner Heimatstadt Graz sieht das folgendermaßen: Ich bin glücklich, in einem Land leben zu dürfen, dessen demokratische Grundwerte mir Si­cherheit und Stabilität vermitteln – bis jetzt. Durch den Ausstieg aus dem UN-Migra­tionspakt verliert meine Heimat Österreich für mich an Ansehen, Glaubwürdigkeit und Mitgestaltungsmöglichkeit an Lösungen für das globale Migrationsproblem. Wir alle wissen, das Thema Migration wird nicht nur meine Zukunft und die meiner Familie be­treffen, sondern auch alle anderen Menschen auf unserem Planeten. – Zitatende.

Ja, jedes einzelne Land dieser Welt ist von Migrationsbewegungen und vom Klima­wandel betroffen. Zukünftig wird er die stärkste Ursache für Flucht und Krieg sein. Eine schwere Dürre und eine darauffolgende Hungersnot hat in Syrien ziemlich sicher zum Ausbruch des Krieges beigetragen. Am meisten Leid tragen von dieser Entwicklung Mädchen und Frauen davon, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern, wie etwa in Indien, wo der klimawandelbedingte Verlust von Nahrungsquellen, die Ver­schiebung der Regenzeiten oder längere Dürren es bäuerlichen Familien unmöglich machen, von ihrer Ernte zu leben. Er zwingt sie, in die Städte zu ziehen, wie etwa jene, deren Land in den Flussdeltas von Ganges und Brahmaputra untergeht.

An dieser Stelle möchte ich eine Wortmeldung aus Indien verlesen, die mich gestern erreicht hat: Women are the first sufferers in Asia of climate change. They are the ones who get water, and as it grows scarcer, they walk more. They are fed last. And if there is not enough food they get the least. They sow the seeds and harvest the crop. And they are the first to suffer when it rains too much out of season or doesn’t rain at all. Is it fair to women that we don’t do enough to stop climate chance? – Zitatende. Maneka Sanjay Gandhi, die amtierende Frauenministerin Indiens, hat mir dieses Zitat zur Ver­fügung gestellt.

Geschätzte Regierung! Wir alle sind gefordert, diese Themen nicht auszusitzen und auf kommende Generationen zu verschieben. Der Klimawandel betrifft alle. Es gibt aber noch Hoffnung, die Klimaziele sind noch erreichbar, sowohl finanzierbar als auch technisch machbar, wie ein kürzlich erschienener Bericht der Boston Consulting Group zeigt.

Darum lade ich Sie, geschätzte Regierung, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesminister, Hohes Haus, ein, dieses Problem gemeinsam zu lösen, denn nur gemeinsam sind wir stark. Ich appelliere eindringlichst an Sie, Herr Bundeskanzler dieser Republik: Neh­men Sie das Wort Klimawandel endlich in Ihren Wortschatz auf!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Ich bin überzeugt: Wä­ren Sie sich der Gefahren des Klimawandels und der Auswirkungen des Klimawandels auf den Migrationsdruck bewusst, würden Sie dieses Bewusstsein in Ihre Politik ein­fließen lassen; dann könnten Sie nicht mehr so leichtfertig aus einem UN-Pakt aus­steigen. (Beifall bei JETZT sowie der Abg. Friedl.)

10.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Besuchergruppe aus Eferding, die auf Einladung von Frau Abgeordneter Plakolm da ist, recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. – Herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Efgani Dönmez. – Bitte.


10.36.13

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrter Herr Bundekanzler! Sehr geehrter Herr Minister!


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Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Der UN-Migrationspakt schadet den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in den Herkunftsländern und auch in den Zielländern (Zwischenruf bei den NEOS), Nutznießer dieses Übereinkommens sind die Kapitalbesitzer und die Unternehmen in den Industrieländern; daher ist es ehrlich gesagt für mich überhaupt nicht nachvollziehbar und verständlich, warum sich gerade die linken Parteien, und da insbesondere die SPÖ, so vehement für diesen UN-Migrationspakt einsetzen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Linke Parteien, die diesen Pakt unterschreiben und unterstützen, sind zu Recht dem Untergang geweiht. (Abg. Knes: Was bist denn du?) Jetzt können Sie sagen: Was redet der Dönmez da für einen Blödsinn? – Das ist Ihnen unbenommen, das ist Ihre Meinung. Ich sage Ihnen eines: Wifo-Erhebung, 15. September 2018. Aus dieser Stu­die geht hervor, ich zitiere: „Die Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes in den Jah­ren 2011 und 2014 beschleunigte die Arbeitsimmigration drastisch. Das führte zu Ver­drängungseffekten: Von zehn neuen Arbeitslosen in dieser Zeit waren vier bis acht ei­ne Folge der Zuwanderung.“

Gerade da sollten bei der Sozialdemokratie, die sich für die Arbeitnehmer und Arbeit­nehmerrechte einsetzt, eigentlich die Alarmglocken schrillen. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Früher einmal, früher war das! Das tut sie ja nicht mehr!)

Und das ist nicht das, was der Dönmez sagt, das habe ich mir nicht aus dem Daumen gesogen, sondern das ist eine Erhebung des österreichischen Wirtschaftsforschungs­institutes Wifo.

Der UN-Migrationspakt, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, wurde, wenn man es aufrichtig betrachtet, durch die Brille der Industrieländer erarbeitet, denn über die Effekte, die dieser UN-Migrationspakt nach sich zieht, hat hier niemand gesprochen; und zwar ist das der massive Braindrain. Was heißt das? – Dass die Menschen in den Herkunftsländern ausgebildet werden sollen, und wenn diese dann migrieren – mehr als 50 Prozent in die westlichen Länder, in die Industriestaa­ten –, so fehlen sie in den Herkunftsländern. (Abg. Plessl: Zahlen ...!) Wer soll dann dort das Gesundheitssystem aufrechterhalten? Wer soll dann dort für die Weiterent­wicklung und für die Arbeitsplatzschaffung sorgen, wenn diese Menschen abgeworben und aufgesaugt werden? (Abg. Höbart: Da legen sie schon wieder die Ohren an, die Sozialdemokraten!)

Was passiert dadurch? Die Kluft zwischen arm und reich, die Kluft zwischen entwi­ckelten und unterentwickelten Ländern wir immer größer. Das befürworten Sie als So­zialdemokratie? (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Entweder haben Sie den UN-Mi­grationspakt nicht gelesen oder nicht verstanden. Wenn jemand, der sich als links be­zeichnet, so etwas unterstützt, ist das wirklich nicht nachvollziehbar. (Abg Lausch: Sehr gute Rede, hört zu! – Abg. Höbart: Ihr habt keine politische Agenda mehr!)

In der Bevölkerung in den südlichen Staaten des afrikanischen Kontinents gibt es nur 4 Prozent Akademiker, und von diesen 4 Prozent verlassen mehr als 60 Prozent ihre Herkunftsländer. Was heißt denn das für diese Länder? – Sie werden nie aus der Ab­hängigkeit, aus der Armut und aus der Unterentwicklung herauskommen, insbesondere auch nicht angesichts der Transferleistungen, die diese Migranten dann in ihre Her­kunftsländer tätigen. Welchen Anreiz hat denn jemand, wenn er im Monat 50 bis 100 Euro von seinem Familienmitglied in sein Herkunftsland überwiesen bekommt, dass er daheim überhaupt noch arbeiten geht – sofern er eine Arbeit findet? Dort be­trägt der Verdienst nämlich maximal zwischen 50 und 150 Euro im Monat, und wenn so jemand 150, 200 Euro im Monat überwiesen bekommt, welchen Anreiz hat er – falls er überhaupt einen Arbeitsplatz hat –, arbeiten zu gehen?


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Also all das sind Entwicklungen, die sehr einseitig sind und nur aus der Perspektive der Industrieländer betrachtet worden sind. Dieser Migrationspakt ist schon alleine deshalb abzulehnen, weil er die Kluft zwischen Arm und Reich noch vergrößert, weil er die Ab­hängigkeit zwischen den westlichen, den weiter entwickelten Ländern und den ärmeren Ländern noch weiter vergrößert – und dass die Linke, die Sozialdemokratie (Ruf bei der SPÖ: ... NEOS!) hier so etwas unterstützt, ist für mich ehrlich gesagt nicht nachvoll­ziehbar. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Gehen Sie in sich und argumentieren Sie das gegenüber Ihren Arbeitnehmern und Ar­beitnehmerinnen, denn die werden Ihnen ein Lied davon singen, was das am Arbeits­markt, auf der Baustelle, in der Gastronomie und so weiter bedeutet, wenn sie da unter Druck gesetzt werden! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

10.41.44Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Inszenierung statt Inhalt: Ratsvorsitz mit verpasster Chance für Österreich und die EU“

Folgende Mitglieder des Europäischen Parlaments wurden für die Teilnahme an der Europastunde nominiert: Ich begrüße Herrn Abgeordneten Karas, Frau Abgeordnete Kadenbach und Herrn Abgeordneten Vilimsky recht herzlich in unserer Mitte. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Ich darf Sie darauf auf­merksam machen, dass Sie als Begründerin 10 Minuten Redezeit haben. Bitte.


10.42.15

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­deskanzler! Geschätzter Herr Minister Blümel! (Abg. Leichtfried: Sehr gute Rede!) Wir wollen uns heute in der Aktuellen Europastunde mit der österreichischen Ratspräsi­dentschaft beschäftigen, und das insbesondere deswegen, weil wir noch einen Monat bis zum Ende dieser Ratspräsidentschaft haben. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Wir haben in den letzten Monaten festgestellt, dass da einiges nicht so läuft, wie wir uns das als glühende Europäer vorgestellt oder erhofft haben. (Abg. Leichtfried: Das sehen wir auch so!) Wir wollen durch diese Aktuelle Europastunde auch eine breite Diskussion im Parlament starten und hoffen, dass diese Chance des einen Monats nicht ungenutzt verstreichen wird. Wir möchten auf bestimmte Punkte aufmerksam ma­chen, daher ist insbesondere sehr positiv anzumerken, dass Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, Herr Minister Blümel, heute hier sind, damit wir gemeinsam über Europa und die österreichische Ratspräsidentschaft diskutieren können.

Wir müssen wachsam sein! Wir haben in den letzten paar Tagen insbesondere die ausländischen Tageszeitungen gelesen und zu unserem Entsetzen festgestellt, dass sie nicht alle so positiv über unsere österreichische Ratspräsidentschaft berichten. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Eine spanische Tageszeitung hat Österreich eine restriktive, unsolidarische und antieuropäische Sichtweise der Migrationspolitik attes­tiert. In Brüssel und sogar in der Europäischen Volkspartei sei man zutiefst besorgt, heißt es. (Abg. Leichtfried: Ja, zu Recht besorgt!)


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Kritisch zum österreichischen Ratsvorsitz äußerte sich auch die „Neue Zürcher Zei­tung“. In einem Kommentar mit dem Titel „Wien schützt sich selbst“ bezweifelt das Schweizer Blatt die Uneigennützigkeit des österreichischen Ratsvorsitzes in den zen­tralen Bereichen Migration und Finanzen. Ebenso wird befürchtet, dass Wiens Klein­lichkeiten den europäischen Binnenmarkt unterwandern.

Die Regierung hat sich ja vieles vorgenommen, insbesondere das Motto: ein Europa, das schützt, uns ist aber sehr bald klar geworden, dass es dabei nicht um einen sehr wichtigen Schutz Europas geht: Es geht nicht um den sozialen Schutz und auch nicht um den Schutz der ArbeitnehmerInnen, auch nicht um den Schutz vor steigenden Preisen und auch nicht um den Schutz vor sinkender Kaufkraft (Abg. Deimek: ... den Schutz der Bürger; da vertraue ich lieber dem Herrn Bundeskanzler!) – aber das ist wichtig, weil das letzte Eurobarometerstudie gezeigt hat, dass die Bevölkerung Euro­pas genau diese Themen beschäftigen. Es sind die steigenden Preise, die Gesundheit, die soziale Sicherheit, die finanzielle Situation sowie die Pensionen. (Abg. Leichtfried: Ja, aber das ist der Ratspräsidentschaft wurscht!)

Die Eurobarometerumfrage betreffend die Zukunft hat gezeigt, dass Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit die größten Herausforderungen für die EU sein werden. Ich stelle mir die Frage: Welche Akzente hat die österreichische Ratspräsidentschaft ge­setzt, um uns vor diesen Themen zu schützen?

Die Menschen, meine Damen und Herren, haben die Sicherheit verloren, dass es ih­nen morgen besser gehen wird, sie haben die Sicherheit verloren, dass es ihren Kin­dern morgen besser gehen wird. – Welche Antworten hat der österreichische Ratsvor­sitz? (Abg. Leichtfried: Keine!) – Genau diesen Themen hat der österreichische Rats­vorsitz leider eine Absage erteilt. Mit der Absage des SozialministerInnenrates Anfang Oktober ist eine Bremse bei genau diesen den Menschen wichtigen sozialen Themen erkennbar. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Beispielsweise geht es da um die Arbeitsagentur, die die Rechte der ArbeitnehmerIn­nen schützen soll. Diese wurde ja gestern im Ausschuss verabschiedet und muss jetzt diskutiert werden. Es geht auch um die Richtlinie zur Work-Life-Balance, die europa­weite Mindeststandards für die Urlaubsansprüche von Eltern und pflegenden Angehö­rigen festhält. – Das sind kleine Schritte, meine Damen und Herren, aber es sind wich­tige Schritte für ein starkes und soziales Fundament in Europa. (Beifall bei JETZT so­wie des Abg. Leichtfried.)

Bezüglich der Arbeiten an dieser geplanten europäischen Agentur haben die Amtskol­legInnen unserer Sozialministerin vorgeworfen, dass sie diese Arbeiten an der europäi­schen Arbeitsagentur verschleppt. Sie bedauern auch die Absage des Ratstreffens, weil sie keine Gelegenheit hatten, diese wichtigen Sozialdossiers zu besprechen. – Sie haben jetzt aber noch einen Monat Zeit, um genau diese Themen zu behandeln. Star­ten Sie jetzt!

Ich möchte aber kurz auch ein anderes Thema beleuchten, weil es mir schon ein An­liegen ist und weil Sie sich das auch immer auf Ihre Fahnen geheftet haben, und das ist die globale Herausforderung der Migration und auch des Außengrenzschutzes.

Der Außengrenzschutz war von Beginn an ein Kernanliegen der österreichischen Rats­präsidentschaft. (Abg. Hauser: Gott sei Dank!) Noch im September haben Sie die Hoff­nung gehabt, dass die Frontex-Aufstockung bis Jahresende gelingen wird, allerdings haben wir jetzt festgestellt, dass dem einige Länder wegen Souveränitätsbedenken ei­ne Absage erteilt haben. Auch der Vorschlag der Ausschiffungsplattformen, der laut Präsident Juncker ja (in Richtung Bundeskanzler Kurz) Ihr Vorschlag war, hat keinen Anklang gefunden, insbesondere auch deswegen, weil sich kein Drittland dafür gefun­den hat, solche Plattformen zu errichten.


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Diese wichtige Aufstockung von Frontex ist nicht zustande gekommen, und unter dem österreichischen EU-Vorsitz zeichnet sich auch keine Einigung der EU-Staaten über eine geplante Aufstockung des EU-Grenzschutzes mehr ab. Der EU-Vorsitz sieht für Dezember auch keine formale Einigung der EU-Innenminister vor.

Meine Damen und Herren, ich möchte spekulieren, warum das unter anderem sein könnte. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ein Zusammenleben immer ein Geben und ein Nehmen ist: Wenn wir vorankommen wollen, dann müssen wir das europäi­sche Familienleben ernst nehmen. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

Wenn die Regierung nur nationale Interessen verfolgt, dann werden die anderen Staa­ten dann auch nicht zustimmen, wenn es uns wichtig ist. Die Politik ist von nationalen Interessen geleitet und erfolgt nicht zum Wohle der EU. Da möchte ich insbesondere noch eine Sache hervorheben, die besonders wichtig ist und leider auch die europäi­schen Werte unterwandert, und zwar die Indexierung der Familienbeihilfe. (Abg. Hö­bart: Die europäischen Werte werden von anderen Umständen unterwandert! ... Mas­senzuwanderung!)

Die Regierung kürzt das Kindergeld für Pendler aus Osteuropa, und selbstverständlich fühlen sich osteuropäische Länder unfair behandelt. Das zeugt nicht von europäischer Solidarität. Wenn die Regierung die Änderung bei der Familienbeihilfe durchboxt,
ist diese Politik klar europarechtswidrig und widerspricht dem Gedanken der euro­päischen Familie und den europäischen Grundwerten. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

Daher wünsche ich mir für das nächste Monat der österreichischen Ratspräsident­schaft mehr Solidarität ein, Wegkommen von nationalen Interessen, ein neuerliches Zusammenwachsen der Europäischen Union und mehr Brücken für die Europäische Union. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried.)

10.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte.


10.50.41

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich muss meinen Plan für diese Europastunde jetzt ein bisschen verwerfen: Ich hätte eigentlich eine Rede zu den Schwerpunkten des Ratsvorsitzes – zu dem Erreichten, zu dem noch Anstehenden – vorbereitet gehabt, aber nach dieser Rede muss ich ein Stück weit versuchen, wieder ein bisschen Ordnung in die Unordnung, die da aus meiner Sicht entstanden ist, zu bringen.

Das waren jetzt recht wahllose Anschuldigungen, Anpatzversuche, Vorwürfe, die teil­weise sehr viel mit Ihrer politischen Haltung zu tun haben (Abg. Meinl-Reisinger: Geh, bitte! – Abg. Leichtfried: Was ist da anpatzen, wenn man die Wahrheit sagt?), die eine andere ist als meine, das stimmt, das tut aber relativ wenig zur Sache, was den ös­terreichischen Ratsvorsitz betrifft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte einmal mit ein paar Punkten beginnen, die Sie angesprochen haben. Kein uneigennütziges Vorgehen in Asylfragen: Na ja, natürlich nicht, aber bitte, das ist ja selbstverständlich, dass wir in der Migrationsfrage auf europäischer Ebene eine Hal­tung vertreten, die auch der unsrigen entspricht, die gut für Österreich und somit auch für Europa ist.

Sie haben gesagt, Sie wünschen sich mehr europäischen Geist und weniger Blick auf die Nationalstaaten: Was gut für die Mitgliedstaaten ist, ist auch gut für Europa, und


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umgekehrt. Das ist kein Widerspruch! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Zinggl: Das ist aber wirklich ein Unsinn!)

Ein weiterer ganz wesentlicher Punkt gleich zu Beginn: Was tun wir bei Pensionen und Arbeitslosigkeit? – Also bitte, wir als Bundesregierung tun sehr viel, und ich würde mir wünschen, dass andere Bundesregierungen in Europa so erfolgreich unterwegs wären wie wir. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben in Österreich ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent, eine massiv sinkende Arbeitslosigkeit, und das ist ein guter, vorbildhafter Weg (Zwischenruf des Abg. Ross­mann), der hoffentlich in anderen Mitgliedstaaten auch so gelingt, aber bitte machen Sie doch nicht die Europäische Union dafür verantwortlich, dass in manchen Mitglied­staaten die Pensionen niedrig sind oder die Arbeitslosigkeit hoch ist! Wenn jemand nicht daran schuld ist, dann ist das die Europäische Union! Die Europäische Union wird das auch nicht alleine lösen können – diese Verantwortung sollte man der Europäi­schen Union gar nicht erst umhängen wollen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum österreichischen Ratsvorsitz: Ich möchte mit einem großen Danke an alle Verant­wortlichen beginnen und möchte da zuallererst die Beamtinnen und Beamten hervor­heben. Die Politiker leisten während des Ratsvorsitzes viel, es ist intensiv, es ist an­strengend, aber die Politikerinnen und Politiker haben auch den Vorteil, in der Öffent­lichkeit zu stehen, die Lorbeeren dafür zu ernten. Ich möchte ein großes Danke an die österreichische Beamtenschaft richten, und zwar sowohl in Wien und auch bei der Ständigen Vertretung in Brüssel, an Alexander Schallenberg als Sektionschef im Bun­deskanzleramt, aber auch an alle anderen, die da eine großartige Arbeit leisten. Es ist eine sehr intensive Tätigkeit, wir werden auf Brüsseler Ebene dafür gelobt, mit welcher Professionalität da vorgegangen wird – Kommissionspräsident Juncker hat sich explizit auch für die Verhandlungsführung in vielen Ratsarbeitsgruppen bedankt. Vielen Dank an alle österreichischen Beamtinnen und Beamten, die da eine ausgezeichnete Arbeit leisten! (Allgemeiner Beifall.)

Um Ihnen ein paar Zahlen zu nennen: 1 200 Sitzungen, Vorbereitungstermine ver­schiedener Ratsarbeitsgruppen, 80 Trilogverhandlungen, 23 Ratstagungen, unzählige Gespräche, Vorbesprechungen zum Brexit, allein 250 Veranstaltungen in Österreich, 13 informelle Ministertreffen, der informelle Gipfel in Salzburg, die Subsidiaritätskonfe­renz in Vorarlberg, und darüber hinaus noch Themen, die wir nicht behandeln müssten, die uns aber wichtig erscheinen, wie zum Beispiel die heute stattfindende Antisemi­tismuskonferenz oder das EU-Afrika-Wirtschaftsforum. Wir leisten als Ratsvorsitz eine beachtliche Arbeit – ein großes Danke an das Regierungsteam, an die Beamtinnen und Beamten und an alle, die das möglich machen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein paar inhaltliche Punkte, warum aus meiner Sicht ein Fokus darauf gelegt werden sollte: Der Brexit ist mit Abstand das größte Thema unseres Ratsvorsitzes. Bitte ver­zeihen Sie, wenn ich nicht auf alle Themen eingehe, die Sie angesprochen haben, aber ich bin mir in einer Frage ganz sicher: Wenn die Brexitverhandlungen nicht ge­lingen, wenn es zu einem Hard Brexit kommt, dann ist das nicht nur ein großer Scha­den für Großbritannien, sondern auch für die Europäische Union, und dann sind wirk­lich Arbeitsplätze in Gefahr.

Daher ist der Schwerpunkt des österreichischen Ratsvorsitzes, das, worin wir am meis­ten Zeit investieren, dass wir die Einheit der EU‑27 während der Brexitverhandlungen wahren, dass wir Michel Barnier bestmöglich unterstützen. Ich darf mich bei Gernot Blümel bedanken, der erst am Montag eine Sitzung des Allgemeinen Rates einberufen hat; wir werden am Sonntag mit den Staats- und Regierungschefs zusammentreffen. Ich darf morgen noch einmal Theresa May treffen, um alles zu tun, damit die Einheit der EU‑27 gewahrt bleibt, damit wir als Europäische Union ein ordentlicher Verhand-


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lungspartner sind und damit hoffentlich am Ende auch eine Mehrheit im britischen Parlament gefunden werden kann. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um einen Hard Brexit zu vermeiden, und zwar nicht nur im Interesse von Großbri­tannien, sondern auch im Interesse der Europäischen Union. Das ist der Schwerpunkt unseres Ratsvorsitzes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Darüber hinaus hat man als Ratsvorsitz die Möglichkeit, manche Themen ganz beson­ders weit oben auf die Agenda zu setzen, und wir haben das getan. Unter dem Motto: ein Europa, das schützt, haben wir drei Bereiche ausgewählt, die uns ganz besonders wesentlich erscheinen: erstens die Migration, zum Zweiten die Vollendung des digitalen Binnenmarkts, um Wohlstand in Europa abzusichern, und zum Dritten den Einsatz auch außerhalb unserer Grenzen, denn ein Europa, das schützt, muss Sta­bilität und Sicherheit exportieren und nicht Unsicherheit importieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir setzen daher auch einen Schwerpunkt auf Regionen außerhalb unserer Grenzen mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika im Rahmen des Afrikaforums, aber vor allem auch auf dem Westbalkan.

Ein paar Worte zu all diesen Themen: Bei der Migration bin ich wirklich dankbar für die Trendwende, die uns gelungen ist. Ich habe das Jahr 2015 auf europäischer Ebene miterlebt. Im Unterschied (in Richtung Abg. Zadić) zu Ihnen habe ich schon zahlreiche Sitzungen in Brüssel miterlebt (Abg. Meinl-Reisinger: Das war arrogant!) und weiß, glaube ich, einzuschätzen, wie die Entscheidungsfindung dort stattfindet, wie mühsam es manchmal ist, etwas in die richtige Richtung zu bewegen, dass man sich manchmal auch mit Zwischenschritten und kleinen Schritten zufriedengeben muss – weil es wich­tig ist, dass die Richtung stimmt –, was ich erkenne, wenn ich die Zielsetzung 2015, nämlich illegale Migration zu organisieren und zuzulassen, dass Menschen ungeordnet nach Europa kommen, wenn sie einen Schlepper bezahlen, mit dem vergleiche, was wir jetzt erleben, nämlich den Versuch, das System endlich in Ordnung zu bringen, il­legale Migration zu verhindern und die Menschen vor Ort zu unterstützen.

Ich bin froh, dass wir diesen Systemwechsel eingeleitet haben, ich bin froh, dass es Verhandlungen mit den nordafrikanischen Staaten gibt. Was Frontex betrifft, so unter­stützen wir zu 100 Prozent den Vorschlag der Europäischen Kommission. Ich bin auch überzeugt davon, dass es da am Ende des Tages eine Einigung geben wird, wenn alle Seiten – die Bedenkenträger genauso wie auch die Kommission – bereit sind, sich ein Stück weit zu bewegen.

Der Zustrom von Menschen nach Europa ist im Vergleich zum Jahr 2015 um 95 Pro­zent zurückgegangen. Es gibt noch immer zu viele Tote im Mittelmeer, aber es sind wesentlich weniger als im Jahr 2015 und folgende. Die Richtung, in die wir unterwegs sind, stimmt, und ich behaupte einmal, dass diese Bundesregierung sehr viel dazu bei­getragen hat, dass das so der Fall ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu dem zweiten Schwerpunkt, den wir gewählt haben, dem digitalen Binnenmarkt: Ich bin froh, dass wir Regelungen zum Verkehr von nicht personenbezogenen Daten, er­mäßigte Steuersätze für E-Books, die Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs, und – diesbezüglich möchte ich dem Finanzminister ganz herzlich danken – auch eine An­näherung zur digitalen Besteuerung vereinbaren konnten, damit es ein gerechteres System gibt, also nicht nur kleine und mittelständische Unternehmen ihre Steuern be­zahlen, sondern am Ende des Tages auch die Digitalkonzerne dieser Welt ordentlich in Europa besteuert werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dann zum dritten Thema, zum Westbalkan: Sie haben wahrscheinlich mitverfolgt – und das ist nicht unser Verdienst, aber ich freue mich trotzdem –, dass es eine Lösung im Namensstreit in Mazedonien, eine positive Entwicklung, was die Annäherung der


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Westbalkanstaaten an die Europäische Union betrifft, Kapiteleröffnungen mit Serbien und Montenegro und einen intensivierten Dialog zwischen Belgrad und Pristina gege­ben hat. Erst diese Woche konnte ich Vertreter der sechs Westbalkanstaaten in Wien empfangen, die sich alle unisono dafür bedankt haben, wie wir den österreichischen Ratsvorsitz anlegen und dass wir der Region des Westbalkans auf europäischer Ebene endlich wieder jenen Stellenwert verschafft haben, den diese Region verdient.

In diesem Sinne ein großes Danke an die Frau Außenministerin und an alle, die sich bemühen, dass eine Region, die uns am Herzen liegt, während unseres Ratsvorsitzes einen deutlichen Schritt in Richtung Annäherung an die Europäische Union machen kann! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Darüber hinaus werden natürlich die Themen behandelt, die anstehen, es gibt Triloge, die abzuarbeiten sind und Verhandlungen, die zu führen sind, auch wenn es schwierig ist. Der Mehrjährige Finanzrahmen zum Beispiel ist etwas, bei dem ich sehr kritisch und skeptisch war, dass es möglich ist, da einen Erfolg zu erzielen. Ich bin sehr positiv überrascht worden, denn das Verhandlungstempo war deutlich höher, als ich mir es erwartet hätte. So werden wir im Dezember den Staats- und Regierungschefs eine vollständige Verhandlungsbox vorlegen können. Es ist da deutlich mehr gelungen, als wir uns vorher erwartet hätten.

Weitere Fortschritte gibt es zum Beispiel bei Erasmus+, beim Europäischen Solidari­tätskorps, bei der Initiative Digital Europe oder beim Binnenmarktprogramm.

Darüber hinaus könnte ich Ihnen viele andere Themen aufzählen, wie zum Beispiel im Umweltbereich die Reduzierung der CO2-Emissionen von neuen Pkws oder auch das Verbot von bestimmten Einwegkunststoffartikeln.

Ich glaube, ich muss nicht die ganze Liste der Fortschritte in allen Ministerien aufzäh­len, um sagen zu können, dass sich nicht nur die österreichische Beamtenschaft, son­dern auch die Politik redlich bemüht, Erfolge beim österreichischen Ratsvorsitz zu­stande zu bringen. Auf europäischer Ebene ist es oft ein Bohren harter Bretter. Es braucht oft viel Durchhaltevermögen, es ist sehr intensiv. Ich bin aber froh darüber, dass wir diese Aufgabe innehaben. Ich bin dankbar dafür, dass sie von allen Betei­ligten so gut gehandelt wird. Ich denke, dass uns die positiven Kommentare, die es in Europa gibt, auch wenn sie nicht immer in die österreichische Medienlandschaft Einzug finden, eigentlich recht geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf darauf aufmerksam machen: Die Re­dezeit beträgt ab nun 5 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. – Bitte.


11.03.13

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Wer Bundeskanzler Sebastian Kurz jetzt zugehört hat, der hat ge­spürt, mit welchem Herzblut und Einsatz er und das Regierungsteam hier am Werk sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn Sie von der Liste Pilz jetzt von einer verpassten Chance sprechen, dann sage ich Ihnen schon: Gestern und vorgestern hat die größte parlamentarische Veranstal­tung im Rahmen unserer EU-Ratspräsidentschaft stattgefunden, nämlich das Treffen der Europaausschüsse. Es sind 200 Abgeordnete aus 40 nationalen Parlamenten, auch aus dem Europaparlament, zusammengekommen. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)


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Sie waren dort auch eingeladen, mitzuarbeiten, das Wort zu ergreifen – auch die SPÖ. Sie haben die Chance verpasst, dort Ihren Standpunkt zu äußern. Die SPÖ hat es überhaupt verpasst, an dieser Konferenz teilzunehmen. Abgeordneter Leichtfried wird mir nachher in seinem Redebeitrag noch erklären, warum er auf europäischer Ebene die Mitarbeit verweigert. So schaut es aus! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dort, wo Sie die Chance haben, als Opposition mitzuarbeiten, tun Sie es nicht, und der Regierung, die arbeitet, werfen Sie vor, dass sie eine Chance verpasst. Da passt etwas nicht zusammen, Kollegin Zadić! Das muss ich Ihnen schon von dieser Stelle aus sa­gen.

Was haben wir bei dieser Konferenz erlebt? – Die ganz große Zahl der 27 Delega­tionen hat sich ausdrücklich für die Arbeit der Ratspräsidentschaft bedankt. Sie können das nachhören und nachsehen. Auf der Homepage des Parlaments ist dieser Beitrag noch abrufbar. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es hat dort mehr als 150 Redebeiträge von Parlamentariern gegeben. In der Schluss­erklärung werden genau die Schwerpunkte, die unsere Ratspräsidentschaft gesetzt hat, auch positiv bewertet und unterstützt.

Während wir hier im Parlament sitzen, findet eine weitere wichtige Konferenz statt. Es gibt viele Bedrohungen in Europa. Eine davon ist der zunehmende Antisemitismus. Ich darf mich ausdrücklich bei Sebastian Kurz dafür bedanken, dass diese Konferenz ge­gen Antisemitismus in Wien stattfindet. Dass ich danke, das werden Sie verstehen, das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Sebastian Kurz, Bundeskanzler Kurz, gestern von der jüdischen Gemeinschaft mit einer ganz ho­hen Auszeichnung bedacht worden ist, nämlich mit dem Jerusalem Navigator. Ich darf herzlich dazu gratulieren. Das ist auch eine Anerkennung dieser Arbeit, die von der Bundesregierung und vom Bundeskanzler geleistet wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Uns, denen das Projekt Europäische Union wichtig ist – und das ist ein einzigartiges Projekt, das alternativlos ist –, muss bewusst sein, diese Europäische Union wird nur dann gut funktionieren, wenn der Subsidiaritätsgedanke funktioniert, das heißt, dass wir die Europäische Union bürgernah gestalten. Das wird nur dann gelingen, wenn wir die lokale Ebene, die regionale Ebene und auch die nationalstaatliche Ebene entspre­chend miteinbinden, wenn die Parlamente in diesem Bereich gehört werden. Daher war die Subsidiaritätskonferenz in Bregenz so wichtig, es war wichtig, dass es dieser Ratspräsidentschaft gelungen ist, dass sich die Kommission wieder auf das besonnen hat, was die Gründerväter im Blickpunkt hatten, nämlich diese Subsidiarität zu einem Kernpunkt des Fundaments der Europäischen Union zu machen. Das ist dort zwar so festgeschrieben, aber in den letzten Jahren hat man zunehmend vergessen, die natio­nalstaatlichen Parlamente miteinzubinden.

Meine Damen und Herren! Es werden immer mehr delegierte Rechtsakte verabschie­det, wo das Frühwarnsystem ausgeschlossen ist und wir nicht mitreden können; diese Zahl ist von 38 im Jahr 2012 auf 132 im Jahr 2017 gestiegen. Dass die Kommission mehr Richtlinien und weniger Verordnungen erlässt, wäre das Ziel! Jetzt haben wir aber immer mehr Verordnungen, da haben wir keinen Gestaltungsspielraum. Diese Zahl hat sich vervielfacht, die Zahl der Richtlinien, bei denen wir mitgestalten können, ist stark zurückgegangen. Da eine Trendwende zu erreichen, haben wir anzustoßen versucht. Ich hoffe, dass die nächste Kommission und auch das nächste Europa­parlament das einsehen werden. Sie müssen die Nationalstaaten mitnehmen und nicht nur an jene denken, die ganz vorne stehen, wenn es um dieses gemeinsame Europa geht. Wir brauchen auch jene, die hintennach marschieren. Sie dürfen den Anschluss nicht verlieren. Auch das verstehe ich unter Solidarität innerhalb der Europäischen Ge­meinschaft. Diese Brücke wollten auch wir mit dieser Präsidentschaft bauen.


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Daher zum Schluss kommend: Wir haben unsere Schwerpunkte gesetzt: Sicherheit und Migration, Kampf gegen die illegale Migration, den Wirtschaftsstandort sichern – Digitalisierung war ein ganz wichtiger Schwerpunkt –; diesbezüglich sind Fortschritte gelungen. (Abg. Rossmann: Wir sprechen aber von nationalen Projekten!)

Kanzler Kurz hat schon den Westbalkan angesprochen. Da haben sich alle, auch ges­tern bei der Cosac-Konferenz, bedankt. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Letzter Punkt: Herr Bundeskanzler! Ich wünsche dir alles, alles Gute bei dem Gespräch mit Theresa May morgen. Ein Hard Brexit wäre sehr schlecht.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen nun zum Schlusssatz kom­men!


Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (fortsetzend): Danke und alles Gute morgen in Großbritannien! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Haubner: Bravo! Gute Rede!)

11.08


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. An­dreas Schieder. – Bitte.


11.08.48

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Regierungsbank und im Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Die Debatte läuft ja immer relativ typisch ab: Es kommen die Regie­rungsvertreter, die ihre Redebeiträge sehr gerne auf die Einleitungssätze beschränken: Danke. – Dann folgt oft gleich die Kritik an der Opposition, anstatt dass man über die politische Arbeit redet.

Ich möchte jetzt schon versuchen, auch einmal auf die Präsidentschaft insofern näher einzugehen, weil ja groß und stolz angekündigt worden ist, Österreich werde ein hal­bes Jahr ein Land sein, das ehrlich versucht, Europa weiterzubringen – der Herr Euro­paminister hat sogar gesagt, Österreich werde ein honest broker sein. Ich habe mir ge­dacht, das ist der Moment, wo der Widerspruch zwischen Regierung und Opposition aufzulösen ist, wo man gemeinsam für die europäische Sache arbeitet und den Kom­promiss sucht.

Viele große Fragen sind in unserer Präsidentschaft am Tisch gelegen: der Brexit; das EU-Budget; die Frage, wie man Steuergerechtigkeit in Europa herstellen kann, wie man mit dieser eklatanten Ungerechtigkeit umgeht, dass große globale Konzerne – sehr oft auch im Internet – nicht die Steuern zahlen, wie sie jeder kleine Würstelstand in unserem Land zu zahlen hat; die Frage, wie man soziale Gerechtigkeit in Europa besser herstellen kann, dass nämlich für die gleiche Arbeit am gleichen Ort alle Men­schen auch dasselbe Gehalt bezahlt bekommen und es keine Schlupflöcher, wodurch immer wieder auch Sozialbetrug begangen wird, gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Wenn ich mir jetzt Ihre Liste, die Sie uns vorgelesen haben, die ein Bild von viel bürokratischer Arbeit während der Präsidentschaft zeigt, noch einmal vor Augen führe, dann muss ich sagen: Nichts von diesen großen Fragen ist da dabei.

Was ist denn das Bild, das wir in Europa erzeugt haben? – Es hat im Sommer mit ei­nem Kniefall vor dem russischen Präsidenten Putin begonnen. Ganz Europa hat den Kopf geschüttelt und sich gefragt: Oje, wer führt denn jetzt den Vorsitz in der Euro­päischen Union?

Es ist mit diesem skurrilen Kurs weitergegangen, indem man einseitig den UN-Pakt ab­sagt, obwohl man ihn vorher verhandelt hat.

Man hat die Südtiroler und die Italiener gleichermaßen verstört, indem man ein Doppel­passprojekt begonnen hat.


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Man hat in Sachen Digitalsteuer nicht einmal ansatzweise etwas weitergebracht, son­dern der Finanzminister hat diese gleich gemeinsam mit der Finanztransaktionssteuer abgesagt, obwohl es Sepp Pröll und Willi Molterer waren, die ursprünglich den Anstoß zu diesem Thema gegeben haben.

Bezüglich Frontex ist auch nichts passiert.

Gerade heute hat auch der Europäische Gerichtshof dieser Regierung noch einmal deutlich vor Augen geführt, was er von ihrer Politik hält. Die Mindestsicherungsrege­lung in Oberösterreich ist gekippt worden, nämlich die Kürzung der Mindestsicherung, die ja eines Ihrer zentralen Projekte ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Na gut, diese Regierung und diese Präsidentschaft ist europäisch gar nicht sehr erfolg­reich! Die zwei großen Themen sind: Was machen wir gegen die Steuerschlupflöcher? 1 000 Milliarden Euro entgehen dem Steuerzahler, und das ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit im Wirtschaftssystem. Ich verstehe auch Sie nicht, Frau Abgeordnete Winzig, dass Sie nicht mehr Druck auf den Finanzminister machen und sagen: Tu weiter, wir brauchen da Regelungen! – Er schafft im Gegenteil alles ab. Die Liste der Steuersünderländer und Steueroasen wird immer kürzer, es werden immer mehr Schlupflöcher aufgemacht. So kann man nicht europäische Politik machen! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Im Arbeits- und Sozialbereich genau das Gleiche; wie ich vorhin gesagt habe: Selbst wenn kontrolliert wird und selbst wenn die Sünder, die schwarzen Schafe unter den Unternehmern erwischt werden, die Strafe, die ihnen aufgebrummt wird, wird nicht ge­zahlt. Das heißt, es zeigt sich auch, Europa hat da ein großes Problem. Was ist denn die Antwort? – Die Europäische Arbeitsbehörde ist die Antwort darauf. Da sagt aber der Bundeskanzler: Das ist ein Bürokratiemonster, das können wir nicht zulassen.

Ist das die Antwort – nämlich dass Sie sagen, das sei ein Bürokratiemonster –, die Sie den österreichischen Arbeitnehmern geben, die sagen, ich will Lohngerechtigkeit? Ich glaube, das ist eine zynische Antwort, die Sie da geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Zynismus wird ja noch ärger. Der Arbeits- und Sozialministerrat ist abgesagt wor­den – einfach abgesagt! –, denn man will nicht über soziale Themen in Europa reden. Das ist der Kurs dieser Regierung – und das ist ein schlechter Kurs. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Selbstinszenierung der Bundesregierung hat 120 Millionen Euro gekostet: keine Inhalte, keine großen Themen. Die Kritik in Europa ist größer geworden, die anderen europäischen Länder sehen Österreich und die Regierung Kurz als Bremser. Das ist eine schlechte Bilanz für die Präsidentschaft. Wir laufen Gefahr, dass am Schluss nur übrigbleibt: Außer Spesen nichts gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Euro­päischen Parlaments Harald Vilimsky. – Bitte. (Abg. Muchitsch: Viele Beispiele!)


11.13.49

Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky (FPÖ): Ich darf zunächst für die Möglichkeit danken, hier wieder das Wort ergreifen zu dürfen, und möchte auch meiner Enttäuschung Ausdruck verleihen, denn nicht einmal anlässlich eines Punktes wie der österreichischen Ratspräsidentschaft schaffen es hier alle Fraktionen, einen rot-weiß-roten Konsens zu bewahren. Für Sie ist selbst eine hervorragende österrei­chische Ratspräsidentschaft Anlass genug, um mit Schmutz zu werfen, um aus dem rot-weiß-roten Konsens auszuscheren, um Haare in der Suppe zu suchen, die es nicht gibt. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sind beseelt von negativer Energie, von Destruktion, und


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das ist auch der Grund dafür, dass es mit den Wählern bei Ihnen nicht mehr klappt. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Nennen Sie Beispiele!)

Wenn Sie mich fragen, ob diese Ratspräsidentschaft Österreichs gut oder schlecht war, dann sage ich weder-noch – sie war hervorragend. Sie war ein Best-Practice-Mo­dell dafür, wie man Derartiges abwickeln kann. Wenn selbst massive Kritiker – und ich bin wahrscheinlich der Allerletzte, der im Verdacht steht, auf der Seite von Tusk oder Juncker zu stehen –, wenn selbst diese Personen sagen, sie seien stolz auf Öster­reich, dann muss man das zur Kenntnis nehmen. Wer das nicht sagen kann, sind Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie – politische Schan­de über Sie, in solch einem Moment gegen Rot-Weiß-Rot zu agieren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Nicht einmal die ÖVP klatscht!)

Meine Damen und Herren! Wir haben EU-weit eine gegenläufige Entwicklung. Wir ha­ben auf der einen Seite ein System Merkel, das sich jetzt dem Ende zuneigt, wir haben in Frankreich eine Situation, wo Macron nach einem Steigflug nun mittlerweile im Sink­flug, vielleicht sogar im Sturzflug begriffen ist, die Briten verabschieden sich aus der Europäischen Union. Auf der anderen Seite ordnet sich das kontinentale Europa poli­tisch neu, und das ist einmal gut so.

Der österreichische Ratsvorsitz hat den Vorteil, dass er Katalysator einer Entwicklung ist, die in Europa eigentlich mehr und mehr an Zustimmung gewinnt. Das ist natürlich der Bereich Migration, das ist auch der Bereich Asyl. Die Auswahl des Mottos: ein Eu­ropa, das schützt, war in dieser Phase goldrichtig. Ein Europa, das schützt, das bedeu­tet auch, dass der Grenzschutz entsprechend vorzunehmen ist, bedeutet, nicht den Kopf in den Sand zu stecken (Abg. Schieder: Was ist mit Frontex?) und nicht noch mehr, noch noch mehr an Zuwanderern, an Migranten und an Wirtschaftsflüchtlingen zu rufen, sondern unseren Kontinent und damit unsere Republik Österreich zu schüt­zen, Herr Schieder. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Die ÖVP klatscht schon wieder nicht!)

Ein Wort noch dazu, weil das auch sehr prägend war: Das war die Enthaltung bei der Frage des UN-Migrationspakts, in dem über 40 Mal Verpflichtungen drinnen sind. Da war Österreich auch ein Wegbegleiter, ein Impulsgeber dafür, dass andere Länder in Europa ebenfalls diesem Vorbild gefolgt sind. Das war Tschechien, das war Polen, das war Slowenien, Bulgarien, Estland - - (Abg. Meinl-Reisinger: Nein! Slowenien nicht!) – Bitte? (Abg. Meinl-Reisinger: Nein! Slowenien meines Wissens nicht!) – Es war eine große Diskussion in Slowenien, jedenfalls bewegt es sich in diese Richtung. Das ist et­was Gutes, weil immer mehr Länder in diesem wundervollen Europa für sich auch in der Frage der Migration die Entscheidungshoheit in ihrem Land behalten wollen.

Ein zweiter Punkt, der in dieser Ratspräsidentschaft aus meiner Sicht hervorragend vo­rangetrieben wurde, ist die Subsidiarität. Sie alle wissen, dass nach dem Brexitreferen­dum ein Schock durch Europa ging. Nach diesem Schock hat die Europäische Kom­mission fünf mögliche Szenarien für die zukünftige Entwicklung der EU vorgelegt. Ös­terreich hat hier eine klare Festlegung in seinem Regierungsübereinkommen ge­macht – eine Festlegung, die die europäischen Institutionen noch nicht gemacht ha­ben. Es ist das Szenario 4, das heißt: weniger an Kooperation, dafür soll dort, wo ko­operiert wird, besser und effizienter kooperiert werden. Das ist genau die Entwicklung, die europaweit eigentlich mehr und mehr Zustimmung erhält.

Herr Leichtfried, weil Sie immer wieder die Gelegenheit nutzen, hier mit zynischer Zun­ge in meine Richtung auffällig zu werden, sage ich Ihnen eines: Sie wissen, wer die nächste Ratspräsidentschaft ausüben wird, es sind die Rumänen. Sie wissen auch, wer in Rumänien am Ruder sitzt. Das sind Ihre Freunde, die in Ihrer Fraktion sitzen, die rumänischen Sozialisten. (Abg. Leichtfried: Meine Freunde ...!) Es ist wohl Ihrer Auf­merksamkeit nicht entgangen, dass im vergangenen Sommer Tausende in Rumänien


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auf die Straße gegangen sind, gegen das dortige korrupte Regime demonstriert haben und es dann von der Regierung das grüne Licht dafür gab, dass über 400 Menschen im Spital gelandet sind. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Sie wissen, welche Worte dort gefallen sind: Man müsse sie zusammentreten. (Abg. Leichtfried: Wollen Sie mir unterstellen, dass ich das gutheiße? Dann sagen Sie es!) Es haben Mandatare Ihrer Fraktion und Ihrer politischen Familie davon gesprochen, diese Menschen zu verletzen. Es sind Ihre Freunde - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schlusssatz kommen!


Mitglied des Europäischen Parlaments Harald Vilimsky (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz: Dieser österreichische Ratsvorsitz ist perfekt gelaufen. Danke an Bundeskanzler Sebastian Kurz! Danke an Vizekanzler Heinz-Christian Strache! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.19


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Klubvorsitzende Mag.a Meinl-Rei­singer zu Wort. – Bitte.


11.19.50

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Kanzler! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Abgeordnete des Euro­päischen Parlaments! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Herr Kollege Vilimsky, Sie haben hier schon etwas Bemerkenswertes ge­sagt, und zwar, es wäre bedauerlich – ich glaube, Sie haben es etwas schärfer, in Richtung eines Angriffs ausgedrückt –, dass man einen rot-weiß-roten Konsens verlas­sen würde, indem man sachliche Kritik an der Ratspräsidentschaft üben würde. Sie ha­ben damit eigentlich jedem, der Kritik sachlicher Natur an dieser Ratspräsidentschaft, an der Ausrichtung der Ratspräsidentschaft übt (Abg. Lopatka: Eine faire Bewertung wollte er!) – lassen Sie mich vielleicht ausführen, Herr Kollege, bevor Sie wieder hi­neinschreien –, unterstellt, er würde antipatriotisch agieren. Ich fordere Sie auf, das zu­rückzunehmen! (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Lugar.) Das ist eine Missachtung des Parlamentarismus! Das ist eine Missachtung der Opposition, und das lasse ich mir von Ihnen sicherlich nicht unterstellen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Abg. Gudenus: Sie beweisen es ja jeden Tag!)

Es zeigt aber den Geist, der da vorherrscht, weil ja auch der Herr Bundeskanzler in seiner ersten Stellungnahme erklärt hat, er wurde hier angepatzt. (Ruf bei der ÖVP: Na sicher!) Verzeihen Sie, Herr Kanzler, aber wenn Sie so ein Glaskinn haben, dass Sie sachliche Argumente der Opposition als Anpatzen bezeichnen, dann verstehe ich, dass Sie nicht öfters herkommen, weil Sie es offensichtlich nicht aushalten. Sie müs­sen es aber aushalten, es ist das Recht der Opposition, sachlich Kritik zu üben. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

Man kann jetzt darüber diskutieren, welchen Einfluss eine Ratspräsidentschaft über­haupt insgesamt auf die Entwicklung in Europa hat. Darüber kann man wirklich trefflich diskutieren: Kann man sozusagen Wunder erwarten oder was ist überhaupt die Rolle einer Ratspräsidentschaft?

Ich finde es übrigens auch ganz bemerkenswert, was immer auf Ebene der Beamtin­nen und Beamten geleistet wird. Die sind ja schon Jahre und Monate davor in der Vor­bereitung und arbeiten wirklich sehr fleißig und sauber ein Programm ab. Die Beam­tenebene, die ja wirklich hervorragend funktioniert, ist aber unabhängig von der politi­schen Ebene zu sehen. Die politische Bilanz der Ratspräsidentschaft darin zu sehen, wie viele Ratsarbeitsgruppen und wie viele Treffen auf Beamtenebene stattgefunden haben – quasi Ihr Leistungsausweis –, erschließt sich mir halt noch nicht ganz.


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Davon unabhängig gibt es aber eine politische Ebene, auf der es für ein Vorsitzland schon die Möglichkeit gibt, indem man zum Beispiel ein Motto ausruft, klare Leitlinien auszurufen, klare Richtungen vorzugeben, zu sagen: Ja, in diesem Bereich wollen wir gestalten und wollen eigentlich auch ganz bewusst Zeichen setzen! (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Wenn man sich diese politische Ebene anschaut, dann muss man sagen, es ist defensiv, wie die Ratspräsidentschaft gelaufen ist, es ist unambitioniert, wie die österreichische Ratspräsidentschaft gelaufen ist, sie ist meiner Meinung nach in einer gewissen Weise auch überfordert gewesen. Es gab ja auch ein Interview mit Herrn Minister Blümel, der gesagt hat: Gott sei Dank ist es bald zu Ende, denn wir sind eigentlich so gefordert.

Und es ist nationalistisch! Herr Vilimsky, Sie haben das gesagt, Sie haben das hier ei­gentlich ganz gut entlarvt. Sie haben gesagt, Sie sind froh, dass die österreichische Ratspräsidentschaft ein Katalysator einer neuen politischen Entwicklung, einer Neuord­nung der kontinentalen Politik ist, sozusagen nach dieser Ära Merkel. Sie sehen ja jetzt schon den Abgesang von Emmanuel Macron. – Ich finde, das ist sehr entlarvend. Das zeigt nämlich, was eigentlich die Geisteshaltung dahinter ist, auch hinter dem Europa, das schützt, und hinter einer Subsidiaritätskonferenz, die – ich bin sicher, meine Kolle­gin Claudia Gamon wird darauf eingehen –, ehrlich gesagt, nichts gebracht hat – und sie hat gezeigt, dass man eben besser nichts mehr auf der nationalen Ebene zurück­lässt –, nämlich dass man ganz klar sagt: Wir verabschieden uns eigentlich vom euro­päischen Gedanken.

Ich würde sagen, es gibt in Europa nationale Politiker, die man in zwei Kategorien tei­len kann (Abg. Deimek: Das ist Peinlichkeitspolitik, was Sie betreiben!): Die einen sa­gen: Europapolitik ist für mich auch Innenpolitik!, und die anderen sagen: Ich mache In­nenpolitik sozusagen auf europäischer Ebene! – Ich glaube, man kann dieser Ratsprä­sidentschaft tatsächlich konstatieren – in den ganzen Shows, in den Hochglanzinsze­nierungen, aber vor allem auch in diesem Türaufmachen für die Nationalisten und Po­pulisten –, dass Sie vor allem eines gemacht hat: Sie haben nationale Wahlkämpfe, Ihre nationale Politik auf europäische Ebene gehoben. – Das ist schade und sehr be­dauerlich. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT. – Ruf bei der ÖVP: Was hat der Herr Bundeskanzler gemacht? Peinlich!)

Ein Letztes, weil Sie sich gerne vergleichen: 2006 hat Österreich die Ratspräsident­schaft unter das Motto gestellt: Europa neuen Schwung geben. Das ist aktiv, nicht de­fensiv. Das wäre die Möglichkeit gewesen, zu fragen, was neben Migration – wo be­dauerlicherweise nichts weitergegangen ist, auch bei Frontex nicht – die großen Fra­gen sind.

Was sind die weiteren großen Fragen? – Klimawandel, Steuergerechtigkeit, Wettbe­werbsfähigkeit, Sicherheit und Verteidigung, das sind wesentliche Fragen für unseren Kontinent, Schicksalsfragen für die nächste Generation, bei denen man aktiv in die Gestaltung hätte gehen können. Da habe ich nichts, aber gar nichts gesehen, und das ist sehr schade. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und JETZT.)

11.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Bru­no Rossmann. – Bitte.


11.25.27

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Bundeskanzler, Ihre einleiten­den Worte, Sie möchten zunächst einmal Ordnung in das bringen, was meine Kollegin Alma Zadić gesagt hat, empfinde ich als äußerst respektlos. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ist ja notwendig!) Ich würde Sie er-


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suchen, Äußerungen dieser Art zu unterlassen, sie zeugen nur von Arroganz. (Abg. Ham­mer: Geh bitte! Jetzt reicht es aber! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben sich ja redlich bemüht, den Ratsvorsitz in Ihrem Rede­beitrag im besten Licht darzustellen. Es ist Ihnen aber nicht gelungen, es kann Ihnen auch nicht gelingen, denn die Bilanz kann sich eben nicht sehen lassen, weil Sie von den wichtigen Projekten, nämlich auch von den eigenen wichtigen Projekten, kein ein­ziges durchgebracht haben. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwi­schenruf bei der ÖVP.)

Auch den Systemwechsel in der Migrationsfrage, den Sie dem Gipfel in Salzburg zu­schreiben, hat es ja nicht gegeben. Sorry, Herr Bundeskanzler, wo ist er denn? Da müssen Sie einmal erklären, worin dieser Systemwechsel besteht! Ein echter System­wechsel wären im Übrigen nicht ein Europa, das schützt, und der Schutz der Außen­grenzen, sondern ein echter Systemwechsel in der Frage der Migration würde wohl darin bestehen, die Frage gemeinsam in Europa und solidarisch zu lösen. Davon kann aber keine Rede sein. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Zweites, Herr Bundeskanzler: Themen, die unter den Nägeln brennen, werden nicht wahrgenommen, sind nicht auf der Agenda dieses Ratsvorsitzes. Da möchte ich die Themen hernehmen, die die Frau Sozialministerin betreffen, etwa Gesundheit und Soziales: Wo ist denn der Einstieg in eine Sozialunion? Wo ist denn das Europa, das schützt, in den sozialen Fragen? – Da hat es von der Sozialministerin überhaupt gar nichts gegeben, null – ganz im Gegenteil, in der Frage der Schaffung der europäischen Arbeitsagentur zur Bekämpfung des Lohndumpings hat sie sich ja überhaupt gedrückt, indem sie den Sozialministerrat erst gar nicht einberufen hat. Sie hat dafür harsche Kritik von anderen Ministern und Kommissaren bekommen – zu Recht, diese Kritik be­stand wirklich zu Recht!

Sie haben Ihre Nachhaltigkeitsministerin Köstinger erwähnt. Ja, wo bleibt denn der Ein­stieg in eine Klimaunion? Was hat denn Ministerin Köstinger auf dieser Ebene wei­tergebracht? – Im Wesentlichen hat sie für Lobbys agiert, als es um die Frage ging, die Grenzwerte für CO2-Emissionen von Pkws zu senken. Das ist die Politik, die Sie betreiben, aber kein Fortschritt in dieser Hinsicht, kein Fortschritt in der Frage der Be­kämpfung des Klimawandels, der Klimakrise, der auf europäischer Ebene so sehr not­wendig ist.

Wo bleiben denn die Initiativen von Finanzminister Löger in relevanten Fragen, in Fra­gen der Steuergerechtigkeit? Wo werden denn die Steuerfluchtrouten geschlossen? – Sie reden immer nur von den Fluchtrouten im Zusammenhang mit der Migration, aber reden wir auch einmal über die Steuerfluchtrouten! Da hat der Herr Finanzminister gar nichts weitergebracht. (Abg. Winzig: Das sind 27 Länder, Herr Rossmann!)

In der Frage der Digitalbesteuerung erwarte ich mir am 4. Dezember keine Lösung. Es wird sie nicht geben, weil der deutsche Finanzminister Olaf Scholz dem Finanzminister kräftig in die Parade gefahren ist. In der Frage der Finanztransaktionssteuer wird Fi­nanzminister Löger derjenige sein, der diese Steuer endgültig zu Grabe getragen ha­ben wird. Er redete zwar im Ausschuss davon, dass es notwendig wäre, eine breitere Bemessungsgrundlage zu haben, er wartet aber, bis Deutschland und Frankreich ihren Vorschlag zur Einführung einer Aktienbesteuerung vortragen werden. Das, Herr Bun­deskanzler, ist definitiv das Ende der Finanztransaktionssteuer. Agiert daher nicht der Herr Finanzminister als Lobbyist für die Versicherungen, von denen er ja kommt? – Ich denke, ja! (Abg. Winzig: Das ist so, wenn man nur im geschützten Bereich arbeitet!)

Sie haben den Brexit angesprochen, Herr Bundeskanzler: Michel Barnier war derjeni­ge, der verhandelt hat. Sie haben immer nur gesagt, Sie hoffen auf einen Deal, haben sich aber auf österreichischer Ebene überhaupt nicht darauf vorbereitet, dass es auch


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einen No Deal geben könnte. Ich wünsche Ihnen natürlich viel Glück in dem Gespräch mit Theresa May, aber es wird nicht von Ihnen abhängen, ob das britische Parlament diesem Deal zustimmen wird oder nicht. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Ich fasse zusammen: Dieser Vorsitz hat sich wenig mit inhaltlichen Fragen beschäftigt, und nicht umsonst kursiert ja in Brüssel der Begriff Rastvorsitz, der zum Ausdruck brin­gen soll, dass hier eigentlich nichts passiert ist.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, den Schlusssatz bitte! (Abg. Stein­acker: Jetzt reicht es aber!)


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (fortsetzend): Äußeres Zeichen: Edtstadler hat es versäumt, rechtzeitig zu Ihrer Rede im Parlament zu erscheinen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.31


Präsidentin Doris Bures: Ich habe gehört, dass eine Delegation des Pensionisten­verbandes Österreichs auf der Galerie ist. – Ich begrüße Sie alle recht herzlich im ös­terreichischen Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr.in Angelika Winzig. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)


11.31.31

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Herr Kanzleramtsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an die Liste Pilz für die wichtige Europastunde zur erfolg­reichen österreichischen Ratspräsidentschaft. Ich gratuliere auch zum neuen Klubna­men JETZT, denn jetzt geht es los, wie Herr Pilz medial argumentiert hat. Ich habe mich nur gefragt, was Herr Pilz in den letzten 13 Monaten gemacht hat. War er im Klub der mächtigen alten Männer, wie er sich ja gerne selber bezeichnet? Es ist aber erfreu­lich, dass Sie heute Europa entdeckt haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Fakt ist, unsere Bundesregierung hat hervorragende Arbeit geleistet. Was mich per­sönlich besonders freut, ist, dass sie die Europäische Union zu den Bürgerinnen und Bürgern in die Bundesländer vor Ort gebracht hat – mit 300 Vorsitzveranstaltungen in Österreich, mit 13 informellen Ministerräten in Österreich und natürlich auch mit dem großen Gipfel in Salzburg.

Österreich hat mit dem Brexit wahrscheinlich eine der schwierigsten Ratsvorsitze in der Geschichte der Europäischen Union und zeichnet sich durch Leadership, aber auch durch Vermittlung und Brückenbauen aus. Das wurde uns nicht nur von den anderen Ländern bestätigt, sondern wir haben das auch von den Journalisten, die wir in Helsinki getroffen haben, bestätigt bekommen.

Ein Europa, das schützt, das ist unser Ziel, weil es vor allem der Wunsch der Bevölke­rung angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen, angesichts der internationalen Si­tuation ist. Man hat zurzeit nicht den Eindruck, dass die politischen Alphawölfe dieser Welt, von Putin bis Trump, von Kim Jong-un bis Xi Jinping, für den Weltfrieden arbeiten und an der Stabilisierung Europas interessiert sind.

Wie kann nun Europa schützen? – Durch Sicherheit, durch Kampf gegen illegale Mi­gration mit dem Fokus auf den wirksamen Außengrenzschutz, mit der Eindämmung des Milliardengeschäfts der Schlepper und mit der Neuaufstellung der Hilfe vor Ort. Ei­nige von Ihnen waren ja bei der Veranstaltung von Präsident Juncker hier im Hohen Haus, bei der er einen europäischen Fonds für strategische Entwicklung in Afrika vor­gestellt hat. Hilfe auf Augenhöhe mit Investitionen von europäischen Unternehmen ist


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der richtige Weg, den wir beschreiten wollen – Investitionen auch in Ausbildungs- und Arbeitsplätze und nicht das chinesische Kolonialmodell.

Diese Themenfelder wurden unter unserem Vorsitz in den letzten Monaten intensiv be­raten, und am 18. Dezember findet hier in Wien ein hochkarätiges EU-Afrika-Forum statt, um Brücken zwischen diesen beiden Kontinenten zu bauen und eine starke Zu­sammenarbeit zu fördern.

Ein weiteres wichtiges Thema unserer Ratspräsidentschaft ist die Sicherung von Wohl­stand unter der Vollendung des digitalen Binnenmarktes. Wohlstand kann nur durch Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union entstehen und diese ist natürlich von Reformen und Digitalisierung abhängig. Auch da sind wir auf einem guten Weg.

Wichtige Akzente wurden auch von unserem Finanzminister gesetzt, etwa der Start von Verhandlungen bezüglich fairer Besteuerung von Onlinekonzernen. Ja, Herr Kolle­ge Rossmann, Sie sind gerade nicht anwesend (Abg. Rossmann: O ja!) – ja, doch –, dazu benötigt er aber auch 27 Länder, die mitmachen. Man muss einmal einen Start­punkt setzen, und das haben wir gemacht, genauso wie beim Mehrwertsteuerdossier. Darüber hinaus verhandelt unser Finanzminister den Mehrjährigen Finanzrahmen auch sehr erfolgreich. (Abg. Rossmann: Ohne Erfolg bislang!)

Der Herr Bundeskanzler hat bereits die Stabilität am Westbalkan angesprochen, das ist ihm schon seit vielen Jahren ein Herzensthema, denn Friede in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ist auch für uns und für die positive Entwicklung in der Europäischen Union wichtig.

Die Subsidiarität wurde angeschnitten, sie ist ein wichtiges Prinzip für Österreich.

Wir wollen ein Europa, das sich auf die großen Themen wie Klimaschutz, Migration und Sicherheit konzentriert und die Detailverliebtheit wie etwa bei der Geschichte mit den Allergenen reduziert, denn nur so gelingt es, dass sich die Europäische Union in die Herzen der Bürgerinnen und Bürger integriert. Wir werden weiter an diesem Projekt arbeiten.

Egal, Herr Pilz, ich glaube nicht, dass es wichtig ist, ob Ihnen die Ratspräsidentschaft gefällt oder nicht. Das Einzige, was den Frauen in dieser Republik aber wichtig ist, ist: Wann reagieren Sie endlich auf die Vorwürfe bezüglich sexueller Übergriffe und wann ziehen Sie die Konsequenzen? Strafrecht kann nicht die moralische Instanz für einen Abgeordneten sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Das war eine sehr lieb­lose Rede! – Ruf bei der ÖVP: Eine mutige! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Zyniker!)

11.36


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leicht­fried. – Bitte.


11.36.47

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer! JETZT stellt die Frage in der Europastunde: „Inszenierung statt Inhalt“? – Ich würde sagen: Ja, das kann man mit Ja beantworten. Verpasste Chance für Österreich und Europa? – Da würde ich auch sagen: Ja, es ist eine verpasste Chance. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ich möchte das aber auch gerne begründen und zur Begründung das ursprüngliche Motto dieser Ratspräsidentschaft herannehmen, nämlich: ein Europa, das schützt. Ist dieses Schützen wirklich gelungen? – Ich würde meinen, es ist zum Teil gelungen. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Das Dumme dabei ist, dass nur einige wenige von dieser Ratspräsidentschaft geschützt werden. Sie schützen jene, die illegal oder halb-


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legal Steuerbetrug in ganz Europa betreiben, jene Großkonzerne, die höchst erfolg­reich die unterschiedlichen Steuersysteme ausnutzen und so für einen Milliardenscha­den in diesem Europa sorgen. Was ist mit der Finanztransaktionssteuer? Was ist mit der Digitalsteuer? Was ist mit der Vereinheitlichung der Steuerbemessungsgrundlagen für Großkonzerne, geschätzte Damen und Herren? (Abg. Winzig: Das sind 27 Län­der!) – Darum kümmern Sie sich nicht, und so schützen Sie ausschließlich die Milliar­denspekulanten auf diesem Kontinent, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Steinacker: Jahr für Jahr!)

Wen schützen Sie noch? (Abg. Rädler: Das interessiert Ihre Parteivorsitzende gar nicht!) – Sie schützen jene, die Rechtslücken ausnützen und Lohn- und Sozialdumping in ganz Europa betreiben, geschätzte Damen und Herren. Gerade im Baugewerbe – Kollege Muchitsch weiß das ganz genau –, aber auch in anderen Bereichen ist es gang und gäbe, dass durch Scheinfirmen, Scheinselbstständigkeiten und Scheingründungen überall an unseren Grenzen Lohn- und Sozialdumping betrieben wird. Das schützen Sie auch.

Was ist mit der Arbeitsagentur? Warum haben Sie das nicht vorangetrieben? – Es ist Ihnen in Wahrheit recht, dass das geschieht, geschätzte Damen und Herren. Sie schüt­zen diese Betrüger. Das tun Sie auch mit Ihrer Politik, und das schadet der EU und das schadet Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie schützen die Großagrarindustrie. Bei den Verhandlungen zum europäischen Bud­get haben Sie keinerlei Ambitionen gezeigt, in diesem riesigen Agrarbereich einzuspa­ren, und zwar nicht bei den kleinen Bauern, nicht bei den Bergbauern, nicht bei den Biobauern, nein, bei den ganz großen. Eine einfache Obergrenze hätte genügt. Das wollen Sie aber nicht, weil Sie auch da die Großen schützen und dafür sorgen, dass diese weiter abkassieren können, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Gegensatz zu den wenigen, die Sie schützen – das sind die, die ihr Geld für sich ar­beiten lassen können –, tun Sie nichts für die, die jeden Tag in der Früh aufstehen und hart für ihr Geld arbeiten müssen, geschätzte Damen und Herren. (Abg. Steinacker: Erlauben Sie, dass wir lachen, wenn Sie das sagen!) Nichts ist es mit der Arbeits­schutzbehörde geworden, nichts ist es mit dem Kampf gegen Lohn- und Sozialdum­ping geworden, nichts ist es mit gerechter Verteilung geworden! Das Einzige, was Sie tun, ist, dafür zu sorgen, dass die, die jetzt schon abkassieren, weiter groß abkassieren können. Das ist Ihr Schutz und nichts anderes! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Ei­ne Abrechnung mit Kern ist das!)

Ich muss Ihnen sagen, ich bin froh, dass diese Ratspräsidentschaft bald vorbei ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), denn statt Brücken zu bauen, haben Sie Gräben aufgerissen (Rufe bei der FPÖ: Wo? Wo?), statt Renommee für Österreich zu gewinnen, haben Sie einen Eklat nach dem anderen produziert, und statt europäische Solidarität und Verantwortung zu leben, haben Sie sich an zweifelhafte Zeitgenossen angebiedert, die Europa zerstören möchten. Das ist keine Europapolitik, wie wir sie uns vorstellen, geschätzte Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT. – Abg. Lausch: Eine leicht unfriedliche Rede war das! – Abg. Rossmann: Kritik seid ihr halt nicht gewöhnt!)

11.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hannes Amesbau­er zu Wort. – Bitte.


11.40.50

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Na ja, die Rede von


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Herrn Leichtfried muss man erst ein bisschen verarbeiten, bevor man einmal ordentlich darauf replizieren kann, aber so ernst zu nehmen ist das ja ohnehin nicht, was du da jetzt von dir gegeben hast, sehr geehrter Herr Kollege.

Meine Damen und Herren, es wurde ja mehrmals angesprochen: Österreich, die öster­reichische Bundesregierung hat als Motto für den Ratsvorsitz gewählt: „Ein Europa, das schützt“, und dabei drei Schwerpunkte in den Vordergrund gerückt. Der erste die­ser Schwerpunkte sind die Sicherheit und der Kampf gegen die illegale Migration.

Frau Kollegin Meinl-Reisinger, weil Sie das hier ein bisschen ins Lächerliche gezogen und gesagt haben, es wird immer nur von der Sicherheit geredet: Sehr geehrte Frau Kollegin, Sicherheit ist ein Grundbedürfnis der Bürger in Österreich und in Europa. Was sonst sollte die Aufgabe einer Regierung sein, wenn nicht für die Sicherheit der Bürger zu sorgen, meine sehr geehrten Damen und Herren? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gibt aber auch weitere Schwerpunkte, wie eben die Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung, wie bereits angesprochen wurde, und die Stabilität in der unmittelbaren Nachbarschaft, die Heranführung des Westbalkans beziehungsweise Südosteuropas an die Europäische Union. Das sind nur die drei Schwerpunkte dieses Ratsvorsitzes. Es gibt eine ganze Reihe an weiteren Themen, die Österreich aufbereitet, vorangetrieben und unterstützt hat.

Was Sie, alle bisherigen Debattenredner der Opposition, aber missverstehen, ist die Rolle Österreichs insgesamt. Die Rolle Österreichs ist jene, ein Vorsitzland zu sein, das sich in der Rolle eines neutralen Vermittlers sieht, und das ist auch die außenpoli­tische Tradition des neutralen Österreich. Das ist in Ihre Köpfe noch nicht hineingegan­gen. Gerade Sie von der Liste Pilz, die jetzt heißt, haben ja immer dieses Oberlehrer­hafte. – Nein, wir als österreichisches Ratsvorsitzland sind nicht die Oberlehrer Euro­pas, wir sind neutrale Vermittler und wir sind Brückenbauer. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Neben den inhaltlichen Schwerpunkten und Thematiken ist das Ganze ja nicht eine Gaudiveranstaltung, sondern eine Aufgabe, die mit großen organisatorischen und lo­gistischen Leistungen verbunden ist. Allein bis Oktober haben der Europäische Rat, der informelle Gipfel in Salzburg, der viel beachtet und sehr erfolgreich war, 14 formelle Räte in Brüssel und Luxemburg, 13 informelle Ministertreffen, über 800 Sitzungen in Vorbereitungsgremien stattgefunden. Und dann stellt sich Herr Schieder hier ernsthaft her und kritisiert, dass sich Abgeordnete der Regierungsparteien bedanken und die Ar­beit auch loben! – Na selbstverständlich! Ich bedanke mich einerseits bei den Regie­rungsmitgliedern, aber vor allem auch bei den österreichischen Beamten und Mitarbei­tern, die diese großartige Leistung möglich machen, die da vollbracht wird. Danke all jenen, die daran beteiligt sind! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da wird ja immer so getan, also ob es da um gar nichts gehen würde, meine Damen und Herren. Es geht jetzt gerade um die Schlussphase der Brexitverhandlungen! Das ist ja nicht nichts, Herr Schieder, oder? Sie nicken da so selbstherrlich. (Abg. Schie­der: Nichts weitergebracht haben Sie! Nichts zusammengebracht!) – Ah, wir haben nichts weitergebracht? Ich bin froh, dass der Bundeskanzler und alle Regierungsmit­glieder dahinter sind, dass es eine Lösung gibt, die am Ende für die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten eine gute ist, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schie­der: Gar nichts zusammengebracht!) – Ja, ja, Herr Schieder, ist schon in Ordnung!

Noch einmal kurz zur Liste Pilz, die jetzt heißt: Sie haben im Titel – und das stört mich besonders bei dieser Veranstaltung hier – der Aktuellen Europastunde „Inszenierung“ in den Vordergrund gerückt. – Na bitte, wer betreibt denn hier die Inszenierung, wenn nicht gerade Sie? Wir als Vorsitzland bekommen Lob von allen Seiten, und das ist die Wahrheit, ich habe das in den vergangenen Tagen selbst erlebt, wir stärken die Rolle


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Österreichs in Europa. Sie vom Klub JETZT und Sie von der SPÖ stellen sich hier hin und patzen Österreich an, machen Österreich im In- und Ausland schlecht. Es ist in Wahrheit schwerstens verwerflich und schwerstens schädlich für unser Land, was Sie hier betreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wurde vom Kollegen Lopatka schon angesprochen: Da geht es ja nicht nur um das, was die Regierung macht, das Ratsvorsitzland hat ja auch eine parlamentarische Ver­anstaltung auszurichten, die Cosac-Konferenz, die in den letzten Tagen hier in Wien stattgefunden hat. Die Cosac ist, vielleicht auch zur Erklärung für die Zuseher (Präsi­dentin Bures gibt das Glockenzeichen) – ich komme zum Schluss –, ein interparla­mentarisches Gremium auf EU-Ebene, in dem die EU-Mitgliedstaaten, aber auch jene Länder mit Beitrittsstatus und Nicht-EU-Staaten wie eben die Schweiz und Norwegen, vertreten sind. Insgesamt 39 Länder haben teilgenommen, 23 Stunden Debatten mit 150 Wortmeldungen wurden dort abgehalten.


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen nun den Schlusssatz formulieren. – Bitte.


Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Herr Leichtfried war zwar ange­meldet, war aber nicht dort. Herr Schieder, der große EU-Kandidat, war auch nicht dort. Schämen Sie sich! Arbeiten Sie endlich einmal konstruktiv mit und machen Sie Österreich in der Welt nicht immer schlecht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.46


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Gamon. – Bitte.


11.46.43

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir haben ja schon gehört, dass sich Minister Blümel auch schon darauf freut, wenn es endlich vorbei ist. Ministerin Köstinger hat, als sie in Brüssel war, auf Instagram gepostet, dass die Ratspräsidentschaft wie Achterbahnfahren ist: „Die ganze Fahrt über schreit man wie verrückt und man weiß nicht, ob man die Augen offen lassen oder doch besser zu­drücken soll.“ – Ich glaube, das ist eine gute Beschreibung und Analyse des Zustands und Erfolgs der bisherigen Ratspräsidentschaft.

Warum ist es denn so zum Schreien und zum Augenzudrücken und zum Wegschauen und zum Gar-nicht-mehr-zuhören-Wollen? – Offiziell hatten wir ja eigentlich recht ambi­tionierte Ziele, die jetzt ein paar Mal aufgezählt worden sind: die Migrationsproblematik lösen, den Westbalkan stabilisieren, die Subsidiarität stärken, das EU-Budget so refor­mieren, dass wir nach dem Brexit nicht mehr zahlen müssen, aber gleich viel he­rauskriegen. – Das waren alles Ziele, die man sich ursprünglich einmal gesteckt hat. Die Ambition ist ja sehr nett, aber es zeigt sich, dass diese Art, Politik zu machen, mit einer Wolke an PR-Begriffen, letztendlich auf europäischer Ebene nicht funktioniert hat. Es attestieren uns ja auch Experten und Kommentatoren relativ durch die Bank, dass das Ganze nicht so gut funktioniert hat – und jetzt ist das Budget auch noch verunfallt. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) – Da kann man schon klatschen, ja.

Wir können es aber auch Punkt für Punkt durchgehen. Migrationspolitik: Reden wir da­rüber! Ich kann dazu auch aus dem Programm dieser Ratspräsidentschaft – da hat es auch einmal ein Programm gegeben – vorlesen: „Die Auswirkungen der größten Mi­grationskrise seit dem 2. Weltkrieg in Europa und die Sorgen der Menschen vor weiteren unkontrollierten Migrationsbewegungen machen deutlich, wie wichtig es ist, gemeinsam gegen illegale Migration vorzugehen [...]“.

Jetzt haben wir aber gerade vorher eineinhalb Stunden lang darüber diskutiert, dass man nicht gemeinsam international vorgehen möchte, dem UN-Migrationspakt nicht


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beitreten möchte und keine gemeinsame weltweite, globale Debatte darüber führen möchte. Wie passt das zusammen, wenn man sich das Ziel gesetzt hat, gemeinsam in Europa zu einer Lösung der Migrationsproblematik zu kommen? (Beifall bei den NEOS.)

Wir kriegen hier ausschließlich Antworten darüber, was die rot-weiß-rote Perspektive ist. Ich glaube aber, es gibt kaum ein anderes Thema, wo wir noch viel deutlicher se­hen können, dass wir das alleine nicht lösen können und dass wir davon abhängig sind, mit anderen Staaten gemeinsam Lösungen zu finden und zusammenzuarbeiten. Da haben sich jetzt 190 Staaten zusammengefunden, um sich Lösungen zu überlegen, wie man illegale Migration reduzieren kann, um das Problem global zu betrachten. Allein schon deshalb, weil das Wort Migration vorkommt, haben Sie gesagt, da möchte man einen billigen PR-Punkt machen und da tun Sie nicht mehr mit. Ich glaube, genau das kann man auch im Zusammenhang mit der Ratspräsidentschaft sehen, wenn das eigentlich ein Ziel gewesen wäre.

Es ist auch relativ viel vom Westbalkan gesprochen worden, und im Programm ist die Rede von der Stärkung der EU-Perspektive aller Staaten des Westbalkans. Sie spre­chen hier immer ausschließlich im Zusammenhang mit Sicherheits- und Migrationspoli­tik vom Westbalkan.

Ich halte das wirklich für gefährlich, weil eines der größten Probleme dort, im Übrigen auch eines der größten Sicherheitsprobleme in dieser Region, ist die Jugendarbeitslo­sigkeit – Bosnien: 54 Prozent, Kosovo: 52 Prozent, Mazedonien: 46 Prozent. Das sind wirklich verheerende Zahlen. Darüber reden wir nicht. Wir reden nicht darüber, wie wir am Westbalkan in die Infrastruktur investieren können, damit die Menschen dort eine Perspektive haben und damit sie nach Europa schauen und nicht woandershin, was wir vielleicht nicht wollen. Was machen Sie stattdessen – apropos Brückenbauer, was vorher gesagt worden ist? – Man gießt vollkommen ohne Not Öl ins Feuer und spricht sich für den Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo aus. (Beifall bei den NEOS.)

Ich weiß nicht, ob Sie in der Zeitung darüber gelesen haben, was Experten dazu sa­gen, was das für Konsequenzen haben kann, vor allem, wenn man sich ohne Not voll in die Debatte reinwirft. Ich glaube, dass wir davon in Zukunft noch mehr hören werden und dass unsere Rolle in dieser Frage im Nachhinein wahrscheinlich wirklich sehr be­reuenswert sein wird – für das ganze Land und im Übrigen auch für den ganzen rot-weiß-roten Konsens, von dem jetzt gesprochen worden ist.

Zur Subsidiarität soll noch kurz gesagt sein: Man hört jetzt seit Monaten diese pseudo­konstruktive Kritik an der Bauart der Europäischen Union, dass es ein „Weniger, aber effizienter“ braucht, und seit Monaten fragen wir nach: Wo, bitte? Wo weniger, wo effi­zienter, wo genau? Genau das ist aber das Problem an dieser Regierung, und das war auch lange das Problem an der Ratspräsidentschaft: Man wird nicht konkret, man will nicht konkret werden, denn sobald man konkret wird, wird klar, dass da nicht viel da­hinter ist. Das war auch das Thema mit der Subsidiaritäts-Taskforce; die ganze Task­force ist sich zum Schluss einig gewesen: Wir finden nichts an Kompetenzen, was wir wieder an die Mitgliedstaaten zurückgeben wollen.

Wir haben es jetzt schwarz auf weiß, dass von einer Taskforce, bei der ja auch ein ös­terreichischer Abgeordneter mitgearbeitet hat, zum Schluss das Fazit gefällt worden ist: Wir finden nichts, weil die Europäische Union in ihrer derzeitigen Bauart einen Mehrwert für alle Mitgliedstaaten hat. (Ruf bei der FPÖ: Natürlich!)

Deshalb müssen wir endlich anfangen, konstruktiv und auch mit Inhalten darüber zu diskutieren und Antworten darauf zu liefern, was Sie eigentlich genau wollen. (Beifall bei den NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Jetzt kommt Pilz! – Abg. Höbart: Ah, der Herr Alp­bach! Wie geht es?)

11.52



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 59

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte.


11.52.39

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Jetzt möchte ich Ihnen nur ein bisschen etwas zur Ratspräsidentschaft sagen: Stellen Sie sich einmal vor, wir sitzen in zwei Monaten zusammen und versuchen uns gemeinsam zu erinnern, was von der österreichischen Ratspräsidentschaft geblieben ist. – Das ist immer die entscheidende Frage, denn dann weiß man – das wissen wir alle –, was bewegt worden ist und wo nichts passiert ist. (Abg. Hafenecker: Versuchen Sie einmal, sich an Alpbach zu erinnern!)

Wenn ich versuche – und das ist nicht so schwierig –, zwei Monate in die Zukunft zu schauen, dann wird wahrscheinlich nur zweierlei bleiben. Erstens: Während der öster­reichischen Ratspräsidentschaft sind wir fast aus dem Berner Club geflogen, einem Gremium zur Zusammenarbeit der Inlandsgeheimdienste im Kampf gegen Terrorismus und Dschihadismus. – Na, das ist eine ganz erstaunliche Leistung! Ich habe mir nicht vorstellen können, dass es eine Sicherheitsregierung gibt, die es fast schafft, aus der europäischen Sicherheitsfamilie ausgeschlossen zu werden. Das ist das Erste, und da­ran werden nicht nur wir uns erinnern.

Und das Zweite ist: Wir alle wissen – und da muss man jetzt schon die FPÖ komplett und einen großen Teil der ÖVP leider auch abziehen –, große Fragen können nur ge­meinsam gelöst werden, und die erste europäische Ansage der österreichischen Rats­präsidentschaft war: Wir pfeifen auf jeden Versuch, gemeinsam Flüchtlings- und Wan­derungsprobleme zu lösen. – Das ist wirklich außergewöhnlich! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da gibt es eine globale Initiative, die von Österreich mitentwickelt und mitgetragen wor­den ist, und dann gibt es zwei Herren, nämlich Herrn Kurz und Herrn Strache, die sich im Regierungshinterzimmer zusammensetzen und sagen: Pass auf, ich gebe dir den 12-Stunden-Tag und du gibst mir dafür die Flüchtlinge! – Dann fällt die Freiheitliche Partei beim 12-Stunden-Tag um (Abg. Strasser: Jetzt reicht’s!), und die Österreichi­sche Volkspartei kündigt plötzlich einen UN-Pakt, an dem Österreich selbst intensiv mitgearbeitet hat. Sie haben die UN-Flüchtlingspolitik und eine gemeinsame europäi­sche Flüchtlingspolitik einem Hinterzimmerdeal der österreichischen Bundesregierung geopfert. Das ist wirklich außergewöhnlich. (Abg. Neubauer: Gehen Sie lieber zum Gericht! Ich gebe Ihnen Pulver gegen Magenschmerzen!)

Was bleibt sonst noch? – Nichts! Nichts! Das ist die erste Ratspräsidentschaft, an de­ren Ende ein Bundeskanzler nicht sagen kann, wir haben zumindest ein großes Projekt auf den Weg gebracht. Nichts! Gerechtigkeit: nichts! Klimapolitik: nichts! Stärkung der europäischen Demokratie: nichts! Eine große Null! (Abg. Steinacker: Eine selektive Wahrnehmung, Herr Pilz! Sehr selektiv!)

Es ist nur ein Einziges gelungen: In einer Situation, in der Europa gefährdet ist, in der die Europäische Union mit zahlreichen, nicht nur politischen Krisen konfrontiert ist, hat es eine große Hoffnung in Europa gegeben, nämlich dass die österreichische Ratsprä­sidentschaft so etwas wie die europäische Feuerwehr sein könnte, wie es vorher schon passiert ist und wie es hoffentlich nach der Kurz-Präsidentschaft wieder passieren wird. Wir stellen angesichts dieser vorläufigen Bilanz fest: Sebastian Kurz und H.-C. Strache waren nicht die Feuerwehrleute, sondern die Brandbeschleuniger der europäischen Krise (Beifall bei JETZT), und das ist ein Maß an politischer Verantwortungslosigkeit, für das Sie sich selbst noch verantworten müssen. (Abg. Neubauer: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung! Gehen Sie vor Gericht und stellen Sie sich! Immunitätsflüchtling!)

Meine zentrale Frage – und das ist das, was ich in über 30 Jahren gelernt habe – ist aber: Wie schaffen wir in Österreich Sicherheit? – Ganz einfache Antwort: indem wir in Europa Sicherheit schaffen. Wenn wir in Österreich und in Europa Sicherheit schaffen


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wollen, dann müssen wir eine gemeinsame Sicherheitspolitik gegen Extremismus, ge­gen Dschihadismus schaffen.

Wissen Sie, was das für unsere Beamtinnen und Beamten von der Polizei, für unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die wirklich alles im Kampf gegen die organisier­te politische Kriminalität geben, bedeutet? (Abg. Hafenecker: Das können Sie nicht wissen, weil Sie immer die Gerichtstermine sausen lassen!) – Sie haben sie im Stich gelassen, Sie haben riskiert, dass unsere Polizeibeamten mit ihren Kollegen in der Eu­ropäischen Union nicht mehr vertrauensvoll zusammenarbeiten können.

Wissen Sie, was auf internationalen Polizeikonferenzen passiert? – Wir dürfen den Ös­terreichern nichts mehr sagen, weil wir nicht wissen, ob das am nächsten Tag nicht Freiheitliche an russische Dienste weitergeben! – So weit ist es in Österreich gekom­men! So weit ist es gekommen! (Beifall bei JETZT. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Da haben wir eine Partei, die russische Interessen über österreichische und europäi­sche stellt, und eine zweite Partei, der das leider inzwischen vollkommen wurscht ist! (Abg. Hafenecker: Eine Lüge im Schutze der Immunität!)

Das ist eine Ratspräsidentschaft, die wir leider abhaken müssen. Es war keine euro­päische, keine österreichische, sondern wenn es überhaupt irgendetwas war, ...


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen zum Schluss kommen!


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): ... dann war es eine Visegrád-Ratspräsi­dentschaft. Und eine Visegrád-Ratspräsidentschaft unter Kurz und Strache ist das Letzte, was Österreich und Europa vertragen! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt das Mitglied des Europäischen Parla­ments Dr. Othmar Karas zu Wort. – Bitte.


11.58.24

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren Zuseherinnen und Zuhörer! Ich bin ja nicht unbekannt als jemand, der bereit zur differenzierten Auseinandersetzung, zur differenzierten Bewertung und Stellungnahme ist. Ich muss Ihnen aber sagen, ich verstehe die Art und Weise der Debatte im Moment nicht. Im Europäischen Parlament werden wir im Jänner mit dem Ratspräsidenten und Bundeskanzler Kurz über die Bilanz der österreichischen Ratspräsidentschaft debattie­ren. Warum im Jänner? – Weil die Ratspräsidentschaft jetzt noch andauert, weil die Ratspräsidentschaft nicht fertig ist, weil es für eine Bilanz über die Ratspräsidentschaft Österreichs noch viel zu früh ist.

Ich selbst werde von hier nach Brüssel fahren, um heute Nachmittag in der siebenten Debatte über die neue Finanzmarktregulierung in der Europäischen Union zu beraten. Wir werden morgen Vormittag mit der österreichischen Ratspräsidentschaft den achten Trilog abhalten, um das Bankenpaket – die Proportionalität, die Unterscheidung zwi­schen Groß und Klein im Sinne des Subsidiaritätsprinzips – abzuhandeln, und wir wer­den hoffentlich am 4. oder am 5. Dezember mit der österreichischen Ratspräsident­schaft das gesamte Bankenpaket, die Proportionalität, abschließen. Wir werden am 13. Dezember mit der österreichischen und der rumänischen Ratspräsidentschaft den Trilog beenden und die Debatte darüber im Jänner abhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was ich sagen will, ist: Ich habe hier (eine Kopie in die Höhe haltend) eine Punktation der 26 Trilogverhandlungen zwischen Österreich und dem Europäischen Parlament,


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die wir in den nächsten 35 Arbeitstagen der Verhandlungen mit der österreichischen Ratspräsidentschaft und dem Europäischen Parlament noch abschließen wollen. Da­her ist es für eine endgültige Bilanz heute zu früh. Die Situation ist, dass wir natürlich auch in der Debatte noch viel zu wenig über die Frage der 367 Entscheidungen, der 30 Einigungen zu den Rechtsakten, der Verhandlungsergebnisse mit dem EP, der acht Trilogverhandlungen berichten können. Ein Teil ist fertig, vieles ist offen.

Die österreichische Ratspräsidentschaft ist nicht die Frage einer politischen Partei, die österreichische Ratspräsidentschaft ist eine Dienstleistung Österreichs an der Europäi­schen Union. Die Österreichische Ratspräsidentschaft findet nicht nur in Veranstaltun­gen, in Pressekonferenzen und in der Öffentlichkeit statt, sondern auf Basis der vorlie­genden Dossiers in den Verhandlungen im Rat und mit dem Europäischen Parlament. Und vielen von Ihnen und auch mir sind viele Fragen ein Anliegen, nur: Die Rats­präsidentschaft hat kein Initiativrecht. Die Ratspräsidentschaft muss auf Basis dessen, was verhandelt ist, und der Positionen des Rates und des Parlaments zu Ergebnissen mit beitragen, um ein Gesamtkonzept, um Lösungen zu finden.

Die Ratspräsidentschaft ist nicht allein für all das verantwortlich, was im Rat nicht funk­tioniert. (Abg. Zinggl: Wo bleibt die politische Ansage?) Auch ich war der Auffassung, dass wir mit der digitalen Besteuerung fertig werden – und auf einmal kommt der Quer­schuss aus Deutschland. Auch das Europäische Parlament hätte gestern gerne das Budget 2019 verändert – und auf einmal kommt der Querschuss aus Deutschland. Wir sind bemüht, die offenen Fragen zwischen dem Parlament und der Ratspräsidentschaft zu klären und zu einer guten Gesamtbalance beizutragen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.02


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: die Abgeordnete zum Europäischen Parlament Karin Kadenbach. – Bitte.


12.03.18

Mitglied des Europäischen Parlaments Karin Ingeborg Kadenbach (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ein Europa, das schützt – diesen ersten Teil des Satzes haben wir 2016 schon im dritten Programm von Kommissar Juncker ge­hört –, „ein Europa, das schützt, stärkt und verteidigt“: Auf das Stärken und Verteidigen hat diese Ratspräsidentschaft offenbar verzichtet, denn im Verständnis der Kommis­sion war mit dem Stärken die innere und äußere Sicherheit gemeint, der Ausbau der sozialen Säule, aber das alles sind Themen, die dieser Regierung offenbar kein Anlie­gen sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch in der Antrittsrede von Bundeskanzler Kurz zu Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft recht deutlich geworden, wie man zu diesen beiden Begriffen, die die Grundwerte der Europäischen Union ansprechen, nämlich Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte, steht: Das kam in seiner Rede nicht vor – aber das ist eigentlich nur schlüssig, denn wenn ich mir die Politik anschaue, die in diesem Hohen Haus von dieser Regierung gemacht wird – und ich denke an Menschenwürde und gleichzeitig an Mindestsicherung, ich denke an Menschenrechte und gleichzeitig an Asylrecht –, dann, muss ich sagen, kann das in einer Antrittsrede auch nicht vorkom­men. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Hier in diesem Haus, das haben wir in den ersten Statements gehört, ist diese Rats­präsidentschaft im Vorfeld wie etwas behandelt worden, was es in der Europäischen Union noch nie gegeben hat: Jetzt haben wir Ratspräsidentschaft! Österreich hat Ratspräsidentschaft! – In Wirklichkeit ist das eine Routinetätigkeit. Man wechselt sich im gleichberechtigten Turnus darin ab, die Tagung des Rates zu organisieren und zu leiten, den Rat gegenüber den anderen EU-Institutionen zu vertreten und bei Proble-


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men zwischen den Mitgliedstaaten und den Institutionen zu vermitteln. Ein Teil dieser Aufgaben ist hervorragend gelöst worden, ein Teil – und auf den wird sich der Rest meiner Ausführungen in erster Linie beziehen – lässt mehr als nur zu wünschen übrig.

Übrigens, wir hatten (in Richtung Präsidium) auch einen Vorsitzwechsel während die­ser Debatte hier im Hohen Haus, nämlich den Wechsel von Präsident Sobotka zu unserer Präsidentin Bures, und auch das ist eigentlich ohne ganz große Bewegungen vonstattengegangen. Ganz ähnlich war es im Rat. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Dank gilt jenen Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Ministerien, der Ständigen Vertretung, die in ehrlicher, harter Arbeit diese Ratspräsidentschaft nicht nur vorbereitet haben, sondern sie auch jetzt begleiten und sehr intensiv arbeiten, ein starkes Engagement auf sachlicher und auf technischer Ebene zeigen. – Ein herzliches Dankeschön an all diese für diese gute Zusammenarbeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bundesregierung versteht den Ratsvorsitz offenbar ganz anders. Folgende Defi­nition stammt nicht von mir, aber ich will sie Ihnen nicht vorenthalten. Ein Kollege hat gemeint, er habe den Eindruck, er sei bei einem Eiskunstlaufevent. Im Paarlauf, das Scheinwerferlicht suchend, wird im türkis-blauen Glitzerkostüm ein Achter nach dem anderen auf das Eis gezeichnet. Und auch wenn der Herr Bundeskanzler meint, bei diesem Paarlauf die führende Rolle innezuhaben – das Publikum weiß schon längst, dass er in der Rolle des Folgenden ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ratspräsidentschaft sollte aber als Teamaufgabe gesehen werden, bei der nach klaren Regeln die Kapitänsbinde wechselt, und diese Binde darf ruhig die Farben der Mit­gliedstaaten tragen, darf in diesem Fall ruhig rot-weiß-rot sein. (Ruf bei der FPÖ: Der Parteitag findet erst statt!) Man muss nur wissen, dass man in der Mannschaft mit den zwölf goldenen Sternen spielt. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorredner Andreas Schieder und Jörg Leichtfried haben schon alles, was diese Ratspräsidentschaft eigentlich hätte tun sollen, ausgeführt. Digitalsteuer, Frontex, Steuergerechtigkeit – nichts davon passiert. Mich wundert es nicht, dass Kollege Vi­limsky diese Ratspräsidentschaft rühmt, denn wenn jemand dieses Europa nicht wei­terführen will, wenn dieses Friedensprojekt von einer Partei infrage gestellt wird, dann ist das die ENF, dann ist das Kollege Vilimsky. Er muss diese Ratspräsidentschaft be­grüßen, das verstehe ich. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Auch wenn wir noch nicht am Ende sind (Abg. Neubauer: Sie sind schon am Ende!) – Kollege Karas hat versucht, das Ganze damit ein bisschen zu entschuldigen –, möchte ich sagen: Lichtprojektionen zaubern wunderschöne Bilder, nur haben sie keine Subs­tanz. Für die Ratspräsidentschaft wird in den nächsten Wochen die Musik verstummen, die Mozartkugeln werden gegessen sein, und es ist eine Schande, wenn von einer Ratspräsidentschaft außer einer grauen Filztasche nichts übrig bleibt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Wöginger: Da freuen wir uns schon auf den Schieder!)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lugar. – Bitte.


12.08.36

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es haben jetzt einige in der Debatte den Migrationspakt angesprochen, und deshalb stelle ich einmal die Frage: Worum geht es hier im Detail?

Es gibt seit dem Jahr 2002 einen sogenannten Bestandserhaltungsmigrationsbericht. Dieser wird von der UNO herausgegeben – er kommt jedes Jahr heraus –, und im ak­tuellen Bericht steht, dass Europa eine Zuwanderung von mehr als 150 Millionen Men­schen braucht. Genau diesem Ansinnen, nämlich in den nächsten Jahren mehr als


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150 Millionen Menschen nach Europa zu holen, ist dieser Migrationspakt geschuldet. Wer mir das nicht glaubt oder glaubt, das sei eine Verschwörungstheorie, kann sich ja gerne einmal die offizielle Seite der UNO ansehen. Dann sieht man, dass das alles von langer Hand geplant ist, und zwar von jenen, die Zuwanderung, und zwar Massenzu­wanderung, in Europa organisieren, und das deshalb, weil sie glauben, dass wir un­seren Wohlstand nur durch Massenmigration erhalten können.

Dieser Glaube kommt von jenen, die mit allen Mitteln erreichen wollen, dass die Zahl der Bevölkerung weiter steigt – was aber nicht der Fall ist, weil wir aufgrund einer fal­schen Familienpolitik leider zu wenig Kinder haben! Deshalb würde die europäische Bevölkerungszahl stagnieren, vielleicht sogar leicht zurückgehen. (Abg. Leichtfried: Was hat das mit der Ratspräsidentschaft zu tun?) Das wäre aber gar nicht so schlimm, weil nämlich – das kann man sagen, wenn man sich das anschaut – durch die Digita­lisierung auch die Arbeitsplätze weniger werden; deshalb wäre es gar nicht schlecht, wenn auch die Arbeitskräfte weniger würden – aber nein, man will mit aller Gewalt und durch die Hintertüre Migration organisieren. Dieser Pakt ist genau deshalb geschlossen worden!

Wenn sich dann einige von der Opposition hierherstellen, die anscheinend ihr Logik­modul im Gehirn an der Garderobe abgegeben haben (Rufe bei der SPÖ: He, was soll das?!), und tatsächlich behaupten – wenn hier im Pakt steht: wir verpflichten uns –, dass nichts verpflichtend ist, wenn sie tatsächlich versuchen, uns einzureden, dass nichts verpflichtend ist, auch wenn in mehreren Punkten, in unzähligen Punkten steht: Wir als Staat Österreich verpflichten uns!, dann frage ich mich wirklich, wo hier die Lo­gik ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber Sie blenden das ja ganz bewusst aus. Ich weiß noch, damals, 2015, haben vor al­lem die NEOS erklärt, was alles in der Genfer Flüchtlingskonvention steht und was nicht. (Abg. Scherak: Dass man sich das dann noch immer nicht merkt!) Sie betreiben da ganz bewusst selektives Lesen, das heißt, Sie lesen das, was Ihnen gefällt, was Sie wollen, und das, was Sie nicht wollen, wird einfach ausgeblendet. Sie wollen diese Massenzuwanderung. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Ich weiß, dass Sie sie wollen, nämlich aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus – damit wird wahrscheinlich auch der Haselsteiner eine große Freude haben –, aber wir wollen sie nicht! (Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.)

Es besteht die Möglichkeit, auf Migration zu verzichten; diese Möglichkeit gibt es. Und wenn Sie behaupten, ein Land könne sich nicht abschotten, dann schauen wir nach Italien! Italien war immer ganz stark von Migration betroffen, und seit es eine neue Re­gierung gibt, die sagt: Nein, wir wollen das nicht!, sind die Flüchtlingsströme plötzlich abgerissen. Wohin haben sie sich verlagert? – Nach Spanien. Dorthin, wo man sagt: Liebe Freunde, kommt herein!, auch die Deutschen haben 2015 gesagt: Wir wollen diese Zuwanderung!, dorthin gehen diese Zuwanderer; das ist ganz einfach. Das heißt, ein Land kann sehr wohl für sich entscheiden, ob es das will oder nicht, und deshalb kann Österreich auch sagen: Wir wollen das nicht! (Abg. Leichtfried: Und was ist mit der Ratspräsidentschaft? Sagen Sie da auch noch etwas dazu?)

Wenn Sie behaupten, man könne nicht zuerst einen Vertrag verhandeln und ihm da­nach nicht zustimmen, dann frage ich jetzt die Opposition: Warum verhandeln Sie mit uns das Kopftuchverbot für Kinder in der Volksschule und stimmen dann nicht zu? Das geht doch nach Ihrer Diktion nicht! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Sie können doch nicht verhandeln und dann nicht zustimmen! Wenn wir aber beim Migrationspakt verhandeln und dann nicht zustimmen, weil wir das nicht wollen, dann ist das plötzlich ein Problem? (Rufe bei SPÖ und NEOS: Welche Verhandlun­gen?) – Ich weiß schon, dass Sie nicht einmal mehr merken, wenn mit Ihnen verhan­delt wird, wenn Ihnen etwas nicht passt. Das weiß ich schon. Das ist Ihre selektive


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Denkart. Sie blenden Dinge aus, die Sie nicht wollen, und sehen nur Dinge, die Sie wollen, die in Ihr Weltbild passen. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie träumen!)

Deshalb: Wir haben jetzt endlich eine Bundesregierung, die auf Österreich schaut! Ich weiß, dass das in der Vergangenheit nicht selbstverständlich war. In der Vergangenheit gab es immer wieder Bundesregierungen, die nicht auf Österreich geschaut haben. Das ist jetzt anders, und dafür muss man dieser österreichischen Bundesregierung danken. Vor allem die sozialistischen Kanzler haben es ja nicht so gemacht. Ich erin­nere mich noch an Faymann, der Monate gebraucht hat, um sich zu entscheiden, ob es jetzt einen Zaun oder eine Tür mit Seitenteilen geben soll – das haben wir alles noch in Erinnerung – und der zu Frau Merkel gefahren ist und seine Meinung dann immer wieder bei Frau Merkel gelassen hat, denn Frau Merkel hat gesagt, wo es lang­geht.

Das wollen wir nicht! Wir wollen in Europa eine Rolle spielen. Wir sind ein selbstbe­wusstes Land, und das soll auch in Zukunft so sein. Das hat diese neue Bundesregie­rung erreicht – und dafür vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Biß­mann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.14.04

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Kanzleramtsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte EU-Parlamentarier, Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Aufgrund des EU-Ratsvorsitzes wird Österreich beim anstehenden Welt­klimagipfel der Vereinten Nationen in Kattowitz, Polen, als Verhandlungsführer der Eu­ropäischen Union die klimapolitischen Interessen Europas vertreten. Das ist eine eh­renvolle, eine große Aufgabe, und das Verhalten Österreichs an der Spitze dieses mul­tilateralen völkerverbindenden Gipfels kann eine neue Welle des Vertrauens und der Zuversicht – international – in die österreichische Regierung auslösen; könnte, käme das Wort Klimawandel im Wortschatz unseres Bundeskanzlers vor – tut es aber nicht! Ich habe ihm vorhin sehr aufmerksam zugehört. In seinen Ausführungen im Zuge die­ser Debatte – er ist jetzt nicht mehr hier – ist das Wort Klimawandel wieder kein einzi­ges Mal vorgekommen. Er könnte das Wort als Unwort des Jahres einreichen.

Wir in der Politik dürfen hier nicht Vogel Strauß spielen. Je länger wir warten, desto höher bäumt sich diese Welle über uns auf. Die Auswirkungen sind heute spürbar, die Klimakrise ist eine Bedrohung für globale Stabilität und Sicherheit. Das wissen wir alle mittlerweile, deshalb once again: Wo steht unser Herr Bundeskanzler bei diesem Thema? – Im Programm der EU-Ratspräsidentschaft steht sehr wohl geschrieben, dass aktiver Klimaschutz ein Schwerpunkt der Umweltpolitik während der österreichi­schen Ratspräsidentschaft ist.

Wir erleben eine umtriebige Nachhaltigkeitsministerin, die eine Klimastrategie verfasst hat, 100 Tage nach der Regierungsbildung, die ihre Sektionen mit Topexperten aus den Bereichen Klimawandel und Energiewende besetzt hat, die einen viel beachteten informellen EU-Umweltgipfel in Graz gehostet hat und die auch Verhandlungen be­treffend eine europaweit 35-prozentige Treibhausgasreduktion bei Pkws geführt hat. Sie, unsere Bundesministerin, und auch die Bevölkerung sehen die Welle auf uns zu­kommen. Allerdings: Wo ist das Mittel der Wahl, der stärkste Klimaschutzhebel über­haupt, die ökosoziale Steuerreform? Sie kann die Welle noch abschwächen. Es ist aber während der Ratspräsidentschaft keine Rede von ihr; nicht hier in Österreich, nicht auf EU-Ebene. Irgendwann im Jahr 2020 soll dann irgendetwas mit ökologischen Aspekten im Zuge der allgemeinen Steuerreform erfolgen. Wie wichtig die Ökosteuer-


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reform für die Umwelt, für die Menschen und nicht zuletzt für die Innovations- und Wachstumskraft unserer Wirtschaft ist, zeigen viele Studien, zeigen Vorreiterländer; wir gehören nicht dazu.

Im Zuge der Ökologisierung unseres Abgabensystems kommt die steuerliche Belas­tung weg vom Faktor Arbeit hin zum CO2-Ausstoß, und damit haben Verbraucherinnen und Verbraucher keine Mehrbelastung. – Das ist ein Mythos. Bundesministerin Köstin­ger setzt sich während der EU-Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene für einen CO2-Min­destpreis ein. – Das ist zu begrüßen, allerdings soll uns das hier in Österreich nicht da­von abhalten, Vorreiter zu sein; ganz im Sinne unseres Ex-Vizekanzlers von der ÖVP, Josef Riegler, der den Begriff der ökosozialen Marktwirtschaft seinerzeit geprägt hat. Es ist uns allen bewusst, dass Steuern politisch-kommunikativ ein hoch anspruchs­volles Thema sind, klar formuliert versteht aber jeder Mensch in diesem Land, dass ein Leben ohne Ökosteuern teurer sein wird als ein Leben mit Ökosteuern.

Geschätzte ÖVP, von Politikmarketing verstehen Sie ja so einiges, das konnten wir alle im Wahlkampf sehen. Warum setzen Sie Ihre Expertise nicht dafür ein, ein politisch-kommunikativ anspruchsvolleres Thema wie die Ökosteuern sinnvoll und richtig an den Mann, an die Frau in Österreich und auf EU-Ebene zu bringen? Es ist ja nicht schwer, hohe Umfragewerte zu erreichen und zu behalten, wenn man auf den großen Themen der Zeit surft – Stichwort Migration, Flüchtlinge –, aber nutzen Sie doch Ihre Fähigkei­ten auch dazu, den Menschen im Land Mut zu machen! Muten Sie ihnen die Einfüh­rung von Ökosteuern zu, sorgen Sie dafür, dass die Menschen verstehen, dass sie für sie keine Zusatzbelastung bringen und dass sie der Wirtschaft und der Umwelt guttun werden!

Sie können das, Sie müssen sich nur trauen und aus Ihrer bewährten Strategie des Agendasurfings von bestehenden Wellen ausbrechen. Reiten Sie doch die Wellen, die sich gerade erst aufbauen, denn der Klimawandel ist genau so eine Welle! The early surfer catches the wave. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

12.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

12.19.16Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2286/J bis 2310/J

2. Anfragebeantwortungen: 1703/AB bis 1729/AB

Anfragebeantwortungen (Präsident des Nationalrates):

15/ABPR bis 17/ABPR

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Albertina – Reihe BUND 2018/60 (III-214 d.B.)


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b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz be­treffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 2017 (III-219 d.B.)

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Bericht betreffend Stand der Umsetzung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes (EEffG) in Österreich für das Jahr 2017 gemäß § 30 Abs. 1 und Abs. 3 EEffG, vorgelegt von der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus (III-218 d.B.)

*****

12.19.29Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsidentin Doris Bures: Der Parlamentsklub jetzt hat gemäß § 93 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 2310/J der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Inneres betreffend „,verlässliche‘ Neonazis“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Durchführung der Dringlichen Anfrage frühes­tens 3 Stunden nach Eingang in die Tagesordnung – also um 15.20 Uhr – erfolgen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 7 bis 10 sowie 11 bis 15 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Gibt es dagegen einen Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Kon­sens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 111, SPÖ und FPÖ je 99 sowie NEOS und JETZT je 33 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 17 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargelegten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

*****

Damit gehen wir in die Tagesordnung ein.


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12.21.151. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 447/A der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz über ergänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwandlung der Tiroler Zukunftsstiftung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (354 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler. – Bitte.


12.21.54

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Bundesgesetz über ergänzende zivilrechtli­che Bestimmungen für die Umwandlung der Tiroler Zukunftsstiftung in eine Gesell­schaft mit beschränkter Haftung – ja, zugegebenermaßen ein etwas sperriger Titel. Das Publikum zu Hause wird sich fragen: Was hat die Tiroler Zukunftsstiftung mit dem Bundesgesetzgeber zu tun? – Dazu will ich jetzt einen gewissen Hintergrund liefern und etwas Einblick geben. Mich als Tiroler freut es, dass ich ein bisschen über die Tiroler Spezifika berichten darf.

Wenn Sie hier im Saal oder Sie zu Hause an Tirol denken, denken Sie: Tirol – schöne Landschaften, sattgrüne Wiesen, wunderschöne Berge. Die Natur, dieses Naturschau­spiel, diese Kulisse ist natürlich die Grundlage für unsere Landwirte. Wir haben sehr er­folgreiche, innovative Bäuerinnen und Bauern. Wir sind stolz auf unsere Landwirt­schaft, sie ist aber auch die Basis für unseren Tourismus. Auch in entlegenen Seiten­tälern, in Regionen, die nicht im Zentrum liegen, ist diese schöne Landschaft, die von unseren Bauern und Bäuerinnen gepflegt wird, die Basis für den Tourismus, für einen nachhaltigen Tourismus.

Wir sind ein sehr erfolgreiches Tourismusland. Wir haben in Tirol knapp an die 48 Mil­lionen Nächtigungen, mittlerweile schon mehr im Winter als im Sommer, aber – und das wissen vielleicht nicht alle – wir haben in Tirol auch einen sehr starken produzie­renden Bereich. So exportierte die Tiroler Industrie im vergangenen Jahr Warengüter im Wert von über 10 Milliarden Euro ins Ausland, 2 von 3 Euro verdienen wir also mit dem Export. Auch die Tiroler Industrie ist hoch innovativ, so werden 90 Prozent der betrieblichen Forschungsausgaben von der Tiroler Industrie gedeckt. Und wir haben für diese drei Bereiche eigene Vermarktungsgesellschaften, die Agrarmarketing Tirol, die Tirol Werbung und die Standortagentur Tirol.

Jetzt komme ich zum Gesetz: Der Hintergrund ist, dass vor drei Jahren die Tiroler Lan­desregierung die Ausarbeitung eines Gesamtprojektes mit dem Namen Programm für die Profilierung und integrierte Vermarktung des Standortes Tirol beschlossen hat. Die Ergebnisse dieses Projektes, die innerhalb relativ kurzer Zeit hereingekommen sind, und die Erfahrungen, die gemacht wurden, zeigen, dass bei den bisherigen Koopera­tionsprojekten der verschiedenen Einrichtungen ein beträchtliches Synergiepotenzial in der gemeinsamen Profilierung und Vermarktung des Standortes Tirol besteht.

In einem weiteren Schritt wurde dann von der Tiroler Landesregierung die Gründung der Lebensraum Tirol 4.0 GmbH beschlossen. Zweck dieser Gesellschaft ist die Ver­breiterung der Dachmarke Tirol.

Nun sollen bereits bestehende Einrichtungen in Tirol – jene, die ich vorher erwähnt ha­be – unter dieser GmbH auch gesellschaftsrechtlich zusammengeführt werden; eben auch die Tiroler Zukunftsstiftung, um die es heute geht, die als Körperschaft öffentli-


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chen Rechts gegründet wurde. Da eine solche Körperschaft öffentlichen Rechts auf Basis der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht in eine GmbH umgewandelt werden kann, ist zur Vornahme dieser Umwandlung die Erlassung eines eigenen Bun­desgesetzes erforderlich. Eine solche Vorgehensweise ist nichts Ungewöhnliches, das geschah und geschieht im öffentlichen Bereich immer wieder, so beispielsweise auch 2001 zum Zwecke der damaligen Umwandlung der Niederösterreichischen Umwelt­schutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft.

Mit der heutigen Gesetzgebung schaffen wir Klarheit, schaffen wir Rechtssicherheit, was auch sehr wichtig ist, weil vor allem auch die Tiroler Zukunftsstiftung, nunmehr Standortagentur, viele Kooperationen eingegangen ist, auch auf internationaler Ebene, auf europäischer Ebene. Deswegen braucht es hier auch Rechtssicherheit. Ich lade Sie ein, so wie schon im Ausschuss auch heute im Plenum zuzustimmen, sodass wir das heute vielleicht einstimmig beschließen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bravoruf bei der ÖVP.)

12.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann. – Bitte.


12.26.15

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Im Verfas­sungsausschuss besteht grundsätzlich immer das Bemühen, eine einstimmige Rege­lung herbeizuführen, da ja die meisten Materien sowieso mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müssen. Das vorliegende Bundesgesetz ist ein gutes Beispiel dafür, dass man sich einstimmig geeinigt hat. Ich halte es für vernünftig, dass beste­hende Strukturen zusammengeführt werden. Das soll nicht daran scheitern, dass man die rechtliche Struktur der Zusammenführung nicht schafft.

Ich glaube, dass das, was man da in Tirol macht, vernünftig ist. Wir haben das auch in anderen Bundesländern schon unterstützt, beispielsweise in Niederösterreich, sodass ein Konsens gefunden werden konnte.

Lassen Sie mich einige Worte zur Situation in Verfassungsfragen und im Verfassungs­ausschuss verlieren. Es war bis jetzt immer so, dass im Verfassungsausschuss und bei Verfassungsmaterien der Konsens gesucht wurde. Konsens heißt aber, dass man über die Materie verhandelt und dann einen gemeinsamen Nenner findet. Leider wird bezie­hungsweise wurde dieser Weg des Konsenses nun verlassen. Mit dem sogenannten Kopftuchverbot sollte wieder eine Verfassungsbestimmung beschlossen werden, über die nicht verhandelt wurde.

Herr Klubobmann Wöginger! Ich habe schon viele erlebt, die abgehoben waren, die sind aber auch verglüht. Verfassungsmehrheiten anzuschaffen, jemandem zu sagen, dass er mitzustimmen hat – denn verhandelt wird nichts –, das ist erstmalig. Weder Khol als Klubobmann noch Molterer als Klubobmann, auch unter einer blau-schwarzen Regierung, haben es zugelassen, dass man über Konsensmaterien, insbesondere Ver­fassungsmaterien, nicht verhandelt. Sie verlassen diesen Konsensbereich, Sie verlas­sen ihn bewusst. Sie haben auch schon in der letzten Sitzung des Verfassungsaus­schusses versucht, diesen Konsens zu verlassen.

Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass – es sind romanische Sprachen – parlare und parler bedeuten, dass man miteinander spricht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Das Parlament ist jener Platz, wo miteinander gesprochen werden muss. Wenn man eine Lösung haben will, bei der eine Zweidrittelmehrheit gegeben sein muss, dann ist es wohl angebracht, dass man auch mit den Parteien spricht, die diese Zweidrit-


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telmehrheit beschaffen sollen und vielleicht auch ganz gute Ideen dazu einbringen. Das Drüberfahren und dieses Abgehobene, diese Arroganz der Macht, das ist ein neuer Stil, und so etwas geht meistens nach hinten los.

Ich kann Ihnen nur sagen: Im Zusammenhang mit dem 12-Stunden-Tag haben mittler­weile alle begriffen, dass die Freiwilligkeit nichts bedeutet. Dass die FPÖ da noch immer stillhält, wundert mich. (Abg. Mölzer: Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!) Sie haben Ihren politischen Willen aber schon mehrmals über die Klinge springen lassen, nur damit Sie die Macht sichern.

Überall dort, wo Sie drübergefahren sind – beim 12-Stunden-Tag, bei der Reform der Sozialversicherung, die uns höhere Kosten als vorher und noch mehr Bürokratie bringt –, gibt es jedoch negative Auswirkungen. All das kommt vom Drüberfahren, kommt dann, wenn man nicht verhandelt, wenn man nicht miteinander spricht. (Abg. Mölzer: Das ist wirklich sozialistische Denke!) Bei Verfassungsmaterien aber müssen Sie mit uns sprechen. Und im Zusammenhang mit einem Kopftuchverbot einzubringen, dass man auch andere Integrationsmaßnahmen setzt, das ist vernünftig, ist gescheit. Es wäre ein Konsens vorhanden. Sie verlassen den Konsens, Sie wollen ihn nicht. Sie wollen sich inszenieren. Sie wollen ganz einfach nur den medialen Applaus. Sie sind an einer sachlichen Orientierung und Lösung nicht interessiert. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

12.29


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubob­mann Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.


12.30.09

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Wittmann hat soeben behauptet, dass ich nicht bereit wäre, zu verhandeln. (Abg. Scherak: Hast du ja gesagt in der „Krone“!) Er hat das Kopftuchverbot angesprochen.

Kollege Rosenkranz hat in unser beider Namen gestern einen Antrag ausgeschickt, und natürlich sind wir bereit, über diesen Text zu verhandeln. Was wir nicht wollen, ist, dass andere Materien hineinjunktimiert werden. Das haben wir damit gemeint. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan. – Bitte.


12.30.55

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg darf ich eine Besu­chergruppe der FPÖ Graz-Umgebung sehr herzlich hier bei uns begrüßen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Thema ist schon vom Erstredner klar beleuchtet worden. Es gibt die Tiroler Zu­kunftsstiftung, die in eine GmbH umgeformt werden soll, damit sie unter einem Hol­dingdach etabliert werden kann. Und weil gesetzlich nicht vorgesehen ist, eine Stiftung in eine GmbH umzuwandeln, brauchen wir dieses Gesetz. Ich hoffe, dass sich diese an sich erfolgreiche Tiroler Zukunftsstiftung, über die 2017 auch ein sehr positiver Rech­nungshofbericht erstellt wurde, in dieser Holding entfalten kann und dort nicht von den mächtigen Agrariern und Touristikern zerdrückt wird. (Abg. Hörl: Hallo! Hallo!) – Ja, die sind mächtig. Das ist ja nichts Schlechtes. Ist das etwas Schlechtes?

Ich sage ja, ich unterstütze das und hoffe, dass sie diese positive Arbeit weiterführen kann. Wir unterstützen das, weil wir das Nutzen dieser Synergieeffekte für sinnvoll er-


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achten. Es gibt hier diesbezüglich anscheinend ohnehin Einstimmigkeit – zumindest war das im Ausschuss der Fall.

Ich muss jetzt doch kurz auf Kollegen Wittmann eingehen, den ich sehr schätze und mit dem ich auch sehr gut zusammenarbeiten kann. Im Verfassungsausschuss funk­tioniert das ja tatsächlich sehr gut.

Herr Kollege Wittmann, es ist nicht wirklich so lange her, dass wir in Opposition waren, und ich muss sagen, man hat mit uns auch nicht immer geredet und wir sind nicht im­mer eingebunden worden. (Abg. Scherak: Aber das muss man ja nicht noch einmal machen!) Was jetzt aber das wesentliche Problem ist, der Grund, warum du dich hier zu Wort gemeldet hast, Herr Kollege, ist ja wohl, dass wir gerade versucht haben, den Artikel 12 der Bundesverfassung zu ändern. Der Herr Bundesminister hat hierzu einen Entwurf vorgelegt. Es geht darum, dass Kompetenzen zugeordnet werden – entweder dem Bund oder den Ländern – und der etwas unselige Artikel 12 mit seiner Grundsatz­gesetzgebung durch den Bund und der Erlassung von Ausführungsgesetzen durch die Länder geändert wird.

Es gab da an sich einen weitgehenden Konsens in ganz Österreich, weil jeder weiß, dass wir derzeit eine unglückliche Situation haben. Da wurde natürlich vom Bundes­minister in erster Linie einmal mit den Ländern verhandelt, mit den Landeshauptleuten, und diese haben der Regelung, die vorgelegt wurde, zugestimmt. Die SPÖ selbst woll­te offenbar nicht zustimmen und damit die Verfassungsmehrheit herbeiführen und war daher in der Zwickmühle, da ihre roten Landeshauptleute, insbesondere Landeshaupt­mann Niessl, der das auch öffentlich gemacht hat, zustimmen will, die SPÖ das hier aber nicht will.

Um nicht in dieses Dilemma zu kommen, wurde verhindert, dass dieser Punkt auf die Tagesordnung der letzten Sitzung des Verfassungsausschusses gekommen ist. Das war auch eine sehr ungewöhnliche Vorgangsweise (Ruf bei der FPÖ: Sehr traurig!), denn bisher wurde eigentlich ein Rundlauf nicht allein deshalb verhindert, weil man den Inhalt eines Tagesordnungspunktes nicht gewünscht hat. Das war da aber der Fall. Wir haben jetzt, glaube ich, einen Kompromiss gefunden, weil ja die SPÖ, wie gesagt, dieser Änderung an sich ohnehin zustimmen wird. Ich hoffe, wir können im Dezember die entsprechende Verfassungsänderung beschließen.

Herr Kollege Wittmann, ich bitte Sie aber, jetzt hier, wie gesagt, nicht irgendetwas an die Wand zu malen und zu sagen, dass es plötzlich keine Gespräche mehr gäbe, ob­wohl man aus anderen Gründen versucht hat, diese tatsächlich sinnvolle Änderung der Verfassung zu verhindern. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn. – Bitte.


12.34.46

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ich bin weniger Jurist, mehr Praktiker. Ich glaube, das ist ein guter Tag, auch für den Tourismus und für die Landwirtschaft, da Sie in Tirol gemeinsam den Weg gehen, den die NEOS eigentlich schon seit 2013 vorgeschlagen haben. Das zeigt auch, dass die Tiroler offensichtlich mehr Praktiker sind und mehr am Ziel der Zusammenarbeit arbeiten als der Bund. (Abg. Hauser: Jetzt haben wir sogar ein eigenes Ministerium für Tourismus und Landwirtschaft!) Das zeigt aber auch, dass der Bund von einer Beam­ten- und Bauernpartei, der ÖVP, regiert wird, die einfach nicht an einem Strang zieht. Dieser Strang sollte eigentlich auch heißen: Der Tourismus ist uns etwas wert und die Landwirtschaft ist uns etwas wert! (Abg. Hauser: Ein eigenes Ministerium!)


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Das Konzept, das wir vorgeschlagen haben, in dem Kollege Hauser fleißig nachgele­sen hat, aber sich offensichtlich nichts gemerkt hat, ist, zu optimieren, und Optimierung heißt in diesem Fall, dass wir vor allem die Struktur, das Leitbild (Abg. Hauser: Die arbeiten am Masterplan Tourismus bis jetzt ohne die NEOS! Ihr seid ja nie dabei!), auch das touristische und landwirtschaftliche Leitbild, zusammenlegen und auch in die­ser Hinsicht konzentriert arbeiten. Wie gut es uns allen in unserem Land geht, ist da­von abhängig.

Das ist auf Bundesebene leider nicht möglich. Da sitzt man noch auf dem hohen Ross. Dafür gibt es mehrere Beispiele, auch das Arbeitszeitflexibilisierungsgesetz, dass Sie die Opposition nicht mitreden lassen, dass Sie das einfach abschmettern und auch gu­te Ideen nicht aufnehmen. Das tut weh, und das tut nicht nur mir weh, sondern es tut vor allem den BürgerInnen und UnternehmerInnen in diesem Land weh, dass Sie nicht konstruktiv arbeiten, dass Sie nicht bereit sind, zusammenzuarbeiten.

Ich wiederhole: Es ist ein Freudentag. Es ist gut für die NEOS Tirol. Es ist gut für das Land Tirol. Es freut mich, dass Herr Margreiter das weitermacht. Er ist ein Praktiker und, wie ich glaube, die kompetente Person. Kompetente Personen fehlen meiner Mei­nung nach auf der Regierungsbank, wenn es darum geht, auch Bereiche zusammenzu­führen und strukturierter für die Zukunft zu arbeiten. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Sel­ma Yildirim. – Bitte.


12.37.12

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zu­seherinnen und Zuseher! Der Landesrechnungshof hat sehr wohl Lob ausgesprochen, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Frage der Standortagentur durch­aus auch Kritik geübt.

Einer dieser Kritikpunkte wurde jetzt zu Recht aufgenommen, nämlich jener, bei dem es darum geht, die Rechtsform der Tiroler Zukunftsstiftung zu ändern. Deswegen wer­den wir dem auch zustimmen, so wie wir es im Verfassungsausschuss bereits getan haben. Ich möchte aber auch auf andere Kritikpunkte in diesem Zusammenhang Be­zug nehmen, die der Landesrechnungshof sehr berechtigt erwähnt hat.

Wenn wir davon reden, das Ganze unter einer Holding Lebensraum Tirol 4.0 umzuset­zen, dann werden unsere Tiroler Kolleginnen und Kollegen gefordert sein, das ganze Konstrukt mit Leben zu erfüllen. Einer oder zwei meiner Vorredner haben – zu Recht, sage ich – Bezug darauf genommen, dass es nicht dabei belassen werden kann, dass nur Tirolwerbung betrieben wird oder Tiroler Produkte, die ausgezeichnet und hervorra­gend sind, vermarktet werden, sondern dass das Ganze wirklich visionär und gesell­schaftspolitisch umzusetzen sein wird.

Es gibt in diesem Zusammenhang sehr, sehr gute Beispiele, wenn man über die Lan­desgrenzen hinausschaut.

Da komme ich zur Kritik des Landesrechnungshofes Tirol zurück, in der es heißt, in dem Ganzen fehlt die Diversität. Das heißt, ganz wichtig für eine moderne Gesellschaft im 21. Jahrhundert ist es, dass sich die Gesellschaft in diesen wichtigen Strukturen widerspiegelt: Frauen in Führungspositionen – wir haben keine einzige Frau im Ma­nagement; es ist ganz wichtig, dass das auch gefördert wird.

Es geht auch darum, zu sagen, zum Beispiel anhand des Beispiels Tirol, wie wir dieses Land zukunftsfit machen – und zukunftsfit machen bedeutet, Antworten auf die digita­len Herausforderungen in der Arbeitswelt zu finden. Es geht darum, Bildung mit dem Berufsleben zu verbinden. Es geht auch darum, dass wir vor allem darauf achten, dass


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Frauen ihre Gemeinden – und da spreche ich vor allem kleinere Gemeinden und Ort­schaften an – nicht verlassen müssen, weil ihnen die Kinderbetreuung vor Ort er­schwert wird oder es nur ganz eingeschränkte Möglichkeiten gibt.

Es geht darum, dass einfach unter dem Schlüsselthema Lebenslanges Lernen der Er­halt der Beschäftigungsfähigkeit sichergestellt ist. Da geht es darum, dass Frauen, die eine Familie gegründet haben, der Wiedereinstieg erleichtert wird, es geht auch darum, Frauen und Mädchen in ihren digitalen Kompetenzen zu stärken, und auch um umge­lernte, ungelernte und angelernte Beschäftigte, die oftmals keine formellen Schulab­schlüsse haben, darum, dass diese Bevölkerungsgruppen bei der Entwicklung einer Region, bei der Entwicklung eines Landes mitgenommen werden müssen.

Das alles ist sehr wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. In diesem Zusam­menhang möchte ich einfach noch einmal darauf hinweisen, dass wir alle gefordert sind, die gesamte Entwicklung positiv mitzutragen, und anhand des Beispiels Tiroler Zukunftsstiftung und dieser Rechtsform, der wir zustimmen werden, können wir unter Beweis stellen, wie eine gerechte, moderne Gesellschaft weiterentwickelt werden kann. Ich danke in diesem Sinne, und wir werden als Fraktion unsere Zustimmung dazu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hau­ser. – Bitte.


12.41.22

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie beziehungsweise vor den Fernsehschirmen! Ich wollte mich an sich zu diesem Tagesordnungspunkt nicht zu Wort melden, aber die Rede des Kolle­gen Schellhorn von den NEOS hat mich motiviert, doch ein paar Worte zu sagen und auch eine Lanze für unseren Tourismus und vor allem für das jetzt erstmalig gegründe­te Ministerium für Landwirtschaft und Tourismus zu brechen. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Preiner und Loacker.)

Das ist ein Meilenstein, dass wir das geschafft haben, nämlich jene zwei Bereiche zu­sammenzuführen, die zusammengehören. Landwirtschaft und Tourismus sind mittler­weile ein Paar, das für unseren Wohlstand sorgt und auch die Voraussetzung dafür schafft, dass wir Tourismusweltmeister sind. Der Tourismus trägt direkt und indirekt ei­nen Anteil von 16 Prozent zum Bruttonationalprodukt bei, beschäftigt direkt und indirekt 770 000 Mitarbeiter, das heißt, jeder fünfte Arbeitsplatz wird direkt oder indirekt vom Tourismus erhalten und geschaffen. Ich kann und darf mich heute hier bei allen, die zu diesem tollen Zahlenwerk beitragen, recht herzlich bedanken, vor allem bei den vielen fleißigen Unternehmerinnen, Unternehmern und Mitarbeitern, die zu dieser tollen Bi­lanz beitragen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn jetzt hier gesagt wird, dass bundespolitisch versagt wird, halte ich Folgendes fest: Wir haben erstmalig ein Ministerium, in dem beide Kompetenzen, nämlich Touris­mus und Landwirtschaft, zusammengeführt wurden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwi­schenruf des Abg. Schellhorn.)

Wir haben es geschafft, über die wichtigen Fragen zu diskutieren. Derzeit wird der Mas­terplan Tourismus erstellt. Wir touren damit durch die Bundesländer, um wichtige Fra­gen abzuklären und zu schärfen.

Ich darf zum Beispiel festhalten, dass am 8. November in Tirol die Veranstaltung Ko­operation zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Kulinarik stattgefunden hat. Wer war nicht dabei? – Ein Vertreter der NEOS; obwohl Sie eingeladen waren, waren Sie nicht dabei. Sie kommen immer hier heraus, kritisieren Dinge, die schlecht laufen, aber


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Sie bringen sich nicht ein und reduzieren Ihre Politik auf das Anschütten all jener hier im Parlament (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), die Tag für Tag für den Tourismus arbeiten. Das ist zu wenig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loa­cker.) Das weiß die Bevölkerung, und deswegen werden wir gewählt und nicht Sie. – Ich danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.44

12.44.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 354 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den Gesetzentwurf aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung. Wer auch in dritter Lesung dem Gesetzent­wurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

12.44.582. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungsvorlage (331 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Län­dern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 (355 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 454/A(E) der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens im Bereich der Elementar­pädagogik (356 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Bogner-Strauß in unserer Mitte.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Birgit Sandler. – Bitte.


12.46.14

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minis­terin! Herr Minister! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Die Verhandlungen haben sich etwas gezogen, aber trotz allem bin ich froh, dass es diese 15a-Vereinbarung endlich gibt. Gestatten Sie mir trotzdem, einige kritische An­merkungen dazu zu machen!

Problematisch ist vor allem das Stocken der Sprachförderung. Auch wenn 20 Millionen Euro budgetiert waren, gab es keine klare Planungssicherheit für unsere Länder, daher haben sich ganz, ganz viele Sprachförderer und Sprachförderinnen einen anderen Job gesucht. Diese fehlen uns jetzt aber und wir würden sie ganz dringend brauchen. Eine Evaluierung der Sprachförderung wäre notwendig und auch Aufgabe des damaligen In­tegrationsstaatssekretärs gewesen, sie fand aber nie statt.


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ExpertInnen haben berechnet, dass wir, um sinnvolle und zielführende Sprachförde­rung betreiben zu können, ungefähr das Doppelte an Mitteln brauchen würden und nicht weniger. In der Vereinbarung steht in Artikel 4 sinngemäß, dass die frühe sprach­liche Förderung in den letzten beiden Jahren vor Schuleintritt systematisch durchge­führt wird, aber der Besuch der elementaren Betreuungseinrichtung ist nur im letzten Jahr vor Schuleintritt gratis. Das heißt, dass Kinder, deren Eltern sich das zweite Kin­dergartenjahr nicht leisten können, auch da wieder schlechtere Karten haben.

Ich finde es auch schade, dass Sie auf den populistischen Zug des Themas Kopftuch aufgesprungen sind, denn wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, weiß man, dass das Tragen des Kopftuchs für Mädchen erst im Alter der Geschlechtsreife über­haupt ein Thema ist, und das ist mit vier und fünf Jahren überhaupt nicht möglich. (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Steinacker und Schwarz.)

Frau Kollegin, selbst eine Anfrage im Ministerium ergab nichts, weil es keine Fälle gibt. (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Ruf bei der SPÖ: Einfach zuhören!) Also warum war diese Forderung so wichtig? (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Im eigenen Ministe­rium gab es keine Fälle, auf diese Aussage verlasse ich mich – wenn Sie nicht auf Ihr eigenes Ministerium hören, ist das Ihr Problem. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich nur, warum diese Forderung dann so wichtig war, aber wahrscheinlich gab es wieder irgendwo einen Einzelfall, oder es war ein Ablenkungsmanöver für ar­beitnehmerfeindliche Themen, die Sie gerade durchpeitschen wollten. (Abg. Schima­nek: Ah geh!)

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen: Unsere ElementarpädagogInnen brauchen eine bessere Anerkennung ihres Berufsstandes, sie brauchen eine bessere Bezahlung, sie brauchen einen einheitlichen Qualitätsrahmen für die Kinderbetreuung, sie brauchen unterstützendes Personal, um wieder mehr Zeit für ihre ureigensten Auf­gaben zu haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Was sie ganz sicher nicht brauchen, sind politische Vorgaben für pädagogische Kon­zepte, aber genau das ist es, was Sie mit dem Wertekatalog tun. Unsere Elementar­pädagogInnen sind hochengagierte und -motivierte Fachkräfte, die unsere Kinder be­gleiten und erziehen. Die brauchen keine politischen Vorgaben.

Für uns ist klar, dass jedes Kind das Recht auf ein gutes Leben hat, gerade im Hinblick auf den Tag der Kinderrechte, der gestern war. Alle Kinder haben Rechte, und wir müssen sie schützen, manchmal auch vor übereifrigen PolitikerInnen. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ.)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


12.50.01

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Bedingt durch das Auslaufen von drei 15a-Vereinbarungen, die dann um ein Jahr verlängert wurden, eben bis 2018, war es notwendig, eine neue 15a-Vereinbarung zu treffen. Die Aufgabe war, dass diese drei 15a-Vereinbarungen zu einer verschmolzen werden. Unsere Frau Minister hat die­se durchaus ambitionierte Aufgabe sehr motiviert in Angriff genommen und, auch wenn die Gespräche nicht immer einfach waren, auch sehr erfolgreich absolviert. Geschätzte Frau Minister, ich möchte Ihnen dazu auch ganz herzlich gratulieren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Frau Minister, es ist gelungen, die Bundesmittel mit über 140 Millionen Euro auf einem konstanten Niveau zu halten und die Beiträge der Länder, die in etwa 38 Millionen Euro ausmachen, um 52 Prozent zu erhöhen. Es steht also in Zukunft für die wichtigen


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Ziele, die wir in dieser 15a-Vereinbarung festgelegt haben, deutlich mehr Geld zur Ver­fügung, und dazu muss man den österreichischen Familien und Kindern absolut gratu­lieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was sind die Ziele, die wir hier formuliert haben? Eines der wichtigsten Ziele ist, dass wir die Stärkung von elementaren Bildungseinrichtungen forcieren wollen, dass wir die Kinder mit ihren individuellen Fähigkeiten und Talenten ganzheitlich fördern wollen und dass vor allem der Übertritt in das Regelschulsystem wesentlich besser gestaltet wer­den soll. Ich glaube, dass wir auch dieses Ziel ganz gezielt und gut erreichen werden.

Das zweite Ziel, nämlich die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wird dadurch gewährleistet, dass ganz klar das Ziel gesetzt ist, ein deutlich bedarfsge­rechteres Angebot zu schaffen.

Beim dritten Ziel ist es so – und das geht fast einher mit dem vierten Ziel –, dass die Verbesserung von Bildungschancen von Kindern eben auch bedingt durch eine ver­stärkte sprachliche Frühförderung erreicht werden soll.

Ich denke, dass es ganz zentral ist, dass unsere Kinder, bevor sie eben in die Schule kommen, entsprechend getestet und dann auch ihren Fähigkeiten entsprechend un­terstützt werden, damit ganz einfach in der Schule ein perfekter Start ins Leben mög­lich ist.

Ich glaube, Frau Minister, dass mit dieser 15a-Vereinbarung wirklich eine gute Basis geschaffen wurde, auf der auch entsprechend weitergearbeitet werden kann, und dass auch in den Ländern, Hand in Hand mit den Ländern wirklich eine gute Basis für die Zukunft unserer Kinder geschaffen worden ist. Ich möchte Ihnen dazu herzlich gratulieren und danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


12.53.08

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die 15a-Vereinbarung isoliert betrachtet, sich nur das, was mein Vorredner, Kollege Sieber, gesagt hat, zum Ziel gesetzt hat, dann kann man einer solchen Vereinbarung zustimmen.

Es ist allerdings deutlich Kritik anzubringen, und um das zu verstehen, ist es wichtig, auch die Geschichte dieser 15a-Vereinbarung zu verstehen. Es gab 2002 auf europäi­scher Ebene die Fixierung der Barcelonaziele. Die Barcelonaziele lauteten, dass 33,3 Pro­zent der unter Dreijährigen und 90 Prozent der unter Sechsjährigen ein Betreuungsan­gebot vor Ort haben sollen, dass es einen entsprechenden Ausbau gibt, um Kinder in diesem Ausmaß zu erreichen. Das Ziel war die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt. Das war das Ziel der Europäischen Union, das war der Inhalt der Barcelonaziele.

2007, also vier Jahre später, hat die damalige österreichische Regierung erstmals die Idee aus 2002 aufgegriffen und, ebenfalls mittels einer 15a-Vereinbarung, genau in diese Richtung gehend den Kindergartenbetreuungsausbau mit Bundesmitteln mitfi­nanziert. Das wurde dann verlängert, und zwar 2011, 2014 und 2017. Man hat immer nur in den Ausbau der Betreuungseinrichtungen investiert, aber nie in den Erhalt.

Experten und Expertinnen haben bereits 2017 gesagt: Es hilft nicht, wenn man einma­lig eine Anschubfinanzierung leistet, man muss in den Erhalt – kleinere Gemeinden können sich den Erhalt nicht leisten, selbst wenn einmalig ein Anschub finanziert wor­den ist – und in die Qualität der Einrichtungen investieren. Das waren die beiden we­sentlichen Kritikpunkte. Man hat es aber 2017, weil genau das aufgrund der sich an-


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kündigenden Neuwahl keinen Platz mehr hatte, nicht geschafft, in diesem Bereich ei­nen wirklichen Finanzrahmen, einen Finanzausgleich, der aufgabenorientiert ist, umzu­setzen. Die damalige Bundesregierung hat aber noch beschlossen, solches zu tun. Ganz konkret hat es also 2017 den Beschluss einer Bundesregierung gegeben, dass in den Folgejahren im Bereich des Kindergartenausbaus und -erhalts ein aufgabenorien­tierter Finanzausgleich beschlossen werden soll.

2018 war der Pilotstart geplant, und 2019 war die Ausweitung auf den Pflichtschulbe­reich geplant. Es ist weder 2017 noch 2018 in dieser Sache etwas passiert. Die Minis­terin hat auf meine Nachfrage geantwortet, dass sie nicht vorhat, das Thema weiterzu­verfolgen, und natürlich ist auch 2019 keine Ausweitung geplant.

Genau das ist aber ein zentrales Element. Wenn wir weg vom einmaligen Verteilen von Förderzuckerln für Gemeinden hin zu einem nachhaltigen Ausbau des Betreuungsan­gebotes kommen wollen, wenn wir hin zu mehr Wirkung bei den Kindern und weniger Wertung die Kopfbedeckung betreffend kommen wollen, wenn wir ernsthafte inhaltliche Debatten führen wollen, dann braucht es ein anderes Instrument als eine 15a-Verein­barung.

Deswegen stelle ich den folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Pla­nungssicherheit beim Ausbau elementarer Kinderbildungs- und ‑betreuungseinrichtun­gen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert, einen aufgabenorientierten Finanzrahmen im Rahmen des Finanzausgleichs umzusetzen, um eine treffsichere und wirkungsorientierte Verwendung der Gelder für den Ausbau und den Erhalt von Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen zu ge­währleisten. Dabei sollen auch Landesförderungen und 15a-Vereinbarungen miteinbe­zogen werden.“

*****

Wollen wir den Familien, wollen wir den Kindern, wollen wir den Gemeinden etwas Gutes tun, dann müssen wir langfristig und nachhaltig denken und das in eine Wir­kungsorientierung bringen und nicht nur einfach Geldzuckerl verteilen. Vielen Dank, meine Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.)

12.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

betreffend mehr Planungssicherheit beim Ausbau elementarer Kinderbildungs- und be­treuungseinrichtungen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 49. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über die Regierungsvorlage (331 d.B.): Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Ele­mentarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 (355 d.B.) – TOP 2


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Im Jahr 2007 wurde von Bund und Ländern erstmals eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG abgeschlossen, die den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungs-angebotes und die Einführung von verpflichtender früher sprachlicher Förderung, sowie die Schaffung eines bundesweiten vorschulischen Bildungsplanes festlegt. 2011 wurde diese Vereinbarung verlängert, um das Barcelona-Ziel der Europäischen Union zu er­füllen, wonach ein Ausbau von Kinderbetreuungsmaßnahmen angestrebt wird, der be­sonders auf ganztägige, mit der Vollbeschäftigung der Eltern zu vereinbarende Kinder­betreuung abzielt.

Im Jahr 2014 wurde diese Vereinbarung ein weiteres Mal bis 2017 verlängert, ins-ge­samt wurden 305 Mio. Euro vom Bund an die Länder zugeschossen. Zudem wurde das Ziel der Vereinbarung umformuliert. Anstatt nur Kinderbetreuung auszubauen, soll „ele­mentare Kinderbildung und -betreuung“ gefördert und die „Bildungs und Betreuungs­qualität für Kinder bis zum Schuleintritt“ weiterentwickelt werden. Im Jahr 2017 hätte die 15a Vereinbarung über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebo­tes neu verhandelt und verlängert werden sollen, um eine Finanzierung zum weiteren Ausbau zu sichern, da die aktuelle Vereinbarung gemäß 15a B-VG mit Ende 2017 ausgelaufen ist.

Mit Ach und Krach ist es der damaligen zuständigen Familienministerin Sophie Karma­sin gelungen, eine neuerliche 15a-Vereinbarung für die Laufzeit von einem Jahr abzu­schließen, um einen Stopp des Ausbaus von Kinderbetreuungseinrichtungen zu verhin­dern. Nachdem diese Vereinbarung mit 31.8.2018 ausgelaufen war, die Verhandlun­gen einer neuen sich aber verzögert haben, konnte beispielsweise die frühe sprach­liche Förderung in der Steiermark ab September nicht mehr angeboten werden (Kleine Zeitung, 2.11.2018 https://www.kleinezeitung.at/meinung/5523316/Sprachfoerderung-im-Kindergarten_In-einigen-Kindergaerten-gibt-es). Wenngleich es nun gelungen ist, eine neue 15a Vereinbarung zu verhandeln, zeigt die Verspätung und Verwirrung da­rum einmal mehr, dass die Bund-Länder-Vereinbarungen nicht das bestmögliche Ins­trument für eine dauerhafte Finanzierung des Ausbaus und Erhalts von elementaren Kinderbildungs- und -betreuungsangeboten ist. Echte Planungssicherheit sieht anders aus.

Die Finanzausgleichspartner Bund, Länder, Städte- und Gemeindebund haben sich 2016 im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes 2017 dazu entschlossen, im Zuge ei­nes aufgabenorientierten Finanzrahmens die Finanzierung der Elementar-pädagogik treffsicherer zu gestalten und zu reformieren. Man hat sich darauf geeinigt, ein entspre­chendes Konzept bis September 2017 auszuarbeiten. Damit geht man auf die schon lange erhobenen Forderungen von Expert_innen ein, die fest-stellen: „Das aktuelle Fi­nanzausgleichsgesetz sieht keine gezielt aufgabenorientierte Verteilung der Ertrags­anteile in Bezug auf die Kinderbetreuung vor. Ebenso fehlt ein Bezug zur Wirkungs­orientierung. Eine solche verstärkte Aufgaben- bzw. Wirkungs-orientierung wird jedoch von Expertinnen und Experten bereits seit längerem eingefordert und sollte in Hinblick auf die bevorstehenden Finanzausgleichsverhandlungen verstärkt diskutiert werden“ (KDZ, 2015: Aufgabenorientierter Finanzausgleich am Beispiel der Elementarbildung. Modellentwürfe einer aufgabenorientierten Mittelverteilung für die vorschulische Kinder­betreuung, veröffentlicht am 22.10.2015).

Die Einführung eines aufgabenorientierten Finanzrahmens ermöglicht eine effizientere Verteilung der zur Verfügung gestellten Mittel unter Einbezug demographischer, sozio­ökonomischer und betriebswirtschaftlicher Indikatoren (wie beispielsweise der Bevölke­rung der Unter-5Jährigen, oder der Bevölkerungsentwicklung der Bis-5-Jährigen, der Anzahl von Alleinerziehenden, der Anzahl der Kinder mit Bedarf an Sprachförderung, der Schließtage und Öffnungszeiten, der Anzahl der betreuten Kinder, Betriebsausga­ben oder Investitionen). Durch die Verankerung von Wirkungszielen und die Koppelung der Verwendung der Gelder an das Erreichen dieser, kann sichergestellt werden, dass


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jene Gemeinden, die Geld zum Erreichen eines quantifizierbaren Zieles erhalten, die­ses auch zweckgebunden dafür einsetzen können.

Gemäß dem Paktum zum FAG 2017 wurde Anfang 2017 eine Arbeitsgruppe zur Kon­zepterstellung eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs am Beispiel der Elemen­tarpädagogik eingerichtet. Die Arbeitsgruppe blieb jedoch konkrete Ergebnisse schul­dig und es finden seit längerem keine weiteren Arbeitssitzungen mehr statt. (vgl. z.B. ORF Salzburg am 8.7.2018: https://salzburg.orf.at/news/stories/2923283/). Die späte Einigung bezüglich der aktuellen 15a-Vereinbarung hat für zusätzliche Unsicherheit auf Seiten der Gemein-den und Länder geführt. Das Zentrum für Verwaltungsforschung schreibt bezugnehmend auf die Neuerungen im FAG 2017 folgendes:

„Eine grundsätzliche Aufgabenreform oder zumindest eine Diskussion zur Gesamtkon­zeption der Aufgabenorientierung wurde jedenfalls auf einen späteren Zeitpunkt ver­schoben. (...) Es wäre wichtig, den weiteren Reformpfad zu definieren. Ein umfas­sender Prozess berücksichtigt das Zusammenwirken verschiedener Kompetenz- und Finanzierungsverflechtungen auf allen Gebietskörperschaftsebenen. Beim Beispiel Kin­derbetreuung bedeutet dies, dass insbesondere auch die Art. 15a-Vereinbarungen zum Ausbau sowie die Landesförderungen im Kinderbetreuungsbereich in den Gesamtre­formprozess einzubeziehen wären. Ergebnis sollte ein Bündeln der laufenden Finan­zierungsströme und ergänzende programmatischer Förderungen mit klaren Wirkungs­zielen sein“.

Im Sinne größtmöglicher Transparenz von Finanzierungsströmen und Planungssicher­heit für Gemeinden, die letztendlich für das Zurverfügungstellen von Kinderbetreuungs­plätzen zuständig sind, ist daher der eingeschlagene Reformpfad fortzusetzen und da­rauf hinzuwirken, dass langfristig eine Finanzierung aus einer Hand umgesetzt wird.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufge­fordert, einen aufgabenorientierten Finanzrahmen im Rahmen des Finanzausgleichs umzusetzen, um eine treffsichere und wirkungsorientierte Verwendung der Gelder für den Ausbau und den Erhalt von Kinderbetreuungs- und -bildungseinrichtungen zu ge­währleisten. Dabei sollen auch Landesförderungen und 15a-Vereinbarungen miteinbe­zogen werden.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.57.11

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ja, wir beschließen heute die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Elementarpädagogik. Durch den Abschluss ist die Finanzierung in den Kindergärten auch für die nächsten vier Jahre gesichert. Der Bund stellt 142,5 Millionen Euro zur Verfügung, vonseiten der


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Länder kommen rund 38 Millionen Euro, gesamt sind das 180 Millionen Euro pro Jahr für die nächsten vier Jahre.

Somit werden Maßnahmen wie der Ausbau des Kinderbildungs- und ‑betreuungsange­bots, die frühe sprachliche Förderung ab vier Jahren sowie die Verbesserung der Qua­lität im Hinblick auf den Betreuungsschlüssel und die Öffnungszeiten umgesetzt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet aber auch Angebote für Familien, die zur Verfügung gestellt werden, und bietet mit den Tagesmüttern und Tagesvätern eine gute Alternative und eine gute Ergänzung zu elementaren Bildungseinrichtungen, denn diese können flexibel auf die Bedürfnisse der Familien eingehen. Es werden die Ausbil­dungen für die Tagesmütter finanziell unterstützt, und außerdem soll die Anstellung von Tagesmüttern oder Tageseltern im Sinne einer besseren sozialrechtlichen Absi­cherung forciert werden.

Dafür, die bestmögliche Entwicklung und Entfaltung aller Kinder sicherzustellen, sorgt eine weitere Maßnahme, denn die Integration wird massiv verbessert. Wir wollen, dass alle Mädchen in Österreich die gleichen Entwicklungschancen haben, und Basis dafür müssen unsere Grundwerte und auch unser Gesellschaftsbild sein. Um die Wertever­mittlung herzustellen, wurde ein einheitliches Instrument, ein Werte- und Orientierungs­leitfaden, ein sogenannter Wertekatalog, entwickelt, der sowohl in Kindergärten als auch von Tagesmüttern und Tagesvätern anzuwenden ist. In Kindergärten, wo unsere Werte und Bildungsziele sowie die Gleichstellung von Mann und Frau mit Füßen getre­ten werden, gibt es nun in Zukunft eine Möglichkeit, besser zu kontrollieren.

Das bedeutet vor allem auch verstärkte Kontrollen in islamischen Kinderbetreuungsein­richtungen unter dem Aspekt des besonderen Schutzes von Frauen und Mädchen. Aus diesem Grund ist uns auch das Kopftuchverbot wichtig, denn das Kopftuch ist ein Symbol der Unterdrückung. In der vergangenen Zeit gab es Vorfälle, die stark daran zweifeln ließen, dass diese Kindergärten mit unserer Kultur vereinbar sind. Es wird da­her verpflichtende Ausbildungswerte geben, die wir auch bereits im Regierungspro­gramm beschlossen haben. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das ist ein wesentlicher Schritt, um die Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.00


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.00.58

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um die Kinderbetreuung, und die Bundesregierung scheint sich, sieht man sich das Regierungsabkommen an, wirklich viel vorgenommen zu haben. Schaut man dann aber beim nächsten Blick auf die aktuelle 15a-Vereinbarung oder auf internationale Studien, die sich die Elementarpädagogik und den Ausbau der Kinderbetreuungsein­richtungen in den jeweiligen Ländern ansehen, bekommt man schnell vor Augen ge­führt, dass sich das, was man sich vorgenommen hat, mit dem, was man reell umsetzt, einfach nicht ausgehen wird.

Wir können anhand internationaler Studien, unter anderen auch anhand des Berichtes „Familienleistungen und Kinderbetreuung im internationalen Vergleich“, der 2017 vom Österreichischen Institut für Familienforschung herausgegeben worden ist, erkennen, dass wir, wenn wir unser Bruttoinlandsprodukt heranziehen, im Vergleich zu anderen Ländern erheblich weniger ausgeben. Ich möchte Ihnen das auch herunterbrechen,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 80

damit man auch erkennt, worum es sich tatsächlich handelt und was wir wirklich in die Sachleistungen der Kinderbetreuung investieren.

Nehmen wir unser Bruttoinlandsprodukt als einen Hunderteuroschein, dann gibt Däne­mark im Vergleich etwa 2 Euro davon für Kinderbetreuung aus, Schweden 1,60 Euro, Frankreich 1,20 Euro, und sogar im EU-Schnitt ist in den letzten Jahren 1 Euro von diesen 100 Euro für die Kinderbetreuung investiert worden. Zu Österreich möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Wie viel, glauben Sie, investieren wir in unserem Land in die Sachleistungen rund um die Kinderbetreuung? Unser Bruttoinlandsprodukt ist ein Hunderteuroschein, wie viel davon gibt Österreich dafür aus? – Müde 50 Cent! Das ist ein Viertel dessen, was die Dänen investieren, das ist ein Drittel dessen, was die Schweden investieren, und die Hälfte dessen, was der EU-Schnitt, unsere Nachbar­staaten und die anderen EU-Staaten, investiert.

Die heute vorliegende 15a-Vereinbarung ist wahrlich kein Grund für einen Feiertag in unserem Land. Natürlich muss sie beschlossen werden, da es notwendig ist, dass diese 142,5 Millionen Euro weiterhin den Bundesländern und für den Ausbau der Kin­derbetreuung zur Verfügung gestellt werden. Ich sage bewusst weiterhin, da dieses Jahr und nächstes Jahr kein Cent mehr investiert werden wird – und auch bis 2022 nicht. Führen wir uns aber vor Augen, dass es in dieser Zeit sehr wohl eine Inflation geben wird, dass wir aktuell eine Situation der Hochkonjunktur vorfinden, dass wir sehr wohl einen anstehenden Budgetüberschuss und anhaltend gute Wirtschaftsdaten vor uns liegen haben, dann frage ich mich, warum es nicht möglich ist, diese hehren Ziele, die man sich ja angeblich gesteckt hat, auch finanziell abzubilden.

Die Arbeiterkammer hat in ihrer Stellungnahme zudem geschrieben, dass für die Ver­pflichtungen, denen wir uns eigentlich verschreiben wollen – das ist unter anderem auch auf die auf uns zukommende Ausweitung der Höchstarbeitszeit reflektiert –, eine Verdoppelung der Mittel in Österreich notwendig wäre. Wir stehen vor Problemen, wie dass die Öffnungszeiten im Hinblick auf die Arbeitszeitverlängerung nicht reguliert sind oder dass ein zweites kostenloses Kindergartenjahr in der aktuellen 15a-Vereinbarung überhaupt nicht abgebildet ist. Wir haben noch immer nicht die Situation, auf die wir in Österreich stolz sein könnten, nämlich dass wir einheitlich hohe Mindeststandards für die Elementarpädagogik festgeschrieben hätten. – Die haben wir nicht.

Die 15a-Vereinbarung ist weder Fisch noch Fleisch. Es gibt keine rechtliche Grundla­ge, mit der eingefordert werden kann, dass es Maximalgrenzen bei den Gruppengrö­ßen gibt, dass es entsprechende Betreuungsschlüssel gibt, dass es endlich einmal Höchstgrenzen für Schließtage in Kinderbetreuungseinrichtungen gibt. Die Leute drau­ßen haben im Schnitt fünf Wochen Urlaub, die Schließtage schwanken aber und rei­chen bis zu 60 Schließtagen pro Jahr. Wie soll eine Familie diese Zeit überbrücken können und genau diese Tage für die Familie und im Sinne der Kinder organisieren können?

Wir haben noch immer keine entsprechenden Rahmenbedingungen, die Kindergarten­pädagogInnen Vor- und Nachbearbeitungszeiten gewähren würden oder eine Super­vision oder, im nächsten Schritt, auch eine angemessene Bezahlung von Elementarpä­dagogInnen.

Persönlich fordere ich, da auch endlich einen Schritt in Richtung Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung ab dem ersten Lebens­jahr zu setzen. Ich will nicht, dass Eltern gezwungen werden, aber es muss ein Ange­bot geben und es muss den Eltern auch ermöglicht werden, überhaupt einen Rechts­anspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr zu erhalten.

Ich stelle daher folgenden Antrag:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 81

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Ausfinanzierung und bundeseinheitlicher Qualitätsrahmen im Bereich der Ele­mentarpädagogik“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Ministerin für Frauen, Familie und Jugend, wird aufgefordert, ergänzend zur 15a-Vereinbarung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen weiteren qualitativen sowie quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung mit bundesweit einheitlich hohen Mindeststandards umzusetzen und auf ein internationales Niveau zu heben.“

*****

Auch wenn mein Antrag im Familienausschuss letztes Mal abgelehnt worden ist: Wir brauchen dringend einen bundesweiten Qualitätsrahmen in der Kinderbetreuung, es braucht rechtliche Mindeststandards, wir brauchen Qualitätskriterien, die die Familien und die Kinder da draußen verdienen, auf die sie sich verlassen können.

Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen, daher bitte ich Sie auch dahin gehend um Zustimmung. Es muss Investitionen in diesem Bereich geben und es darf keine Stagnation im Bereich der Elementarpädagogik und im Bereich der ersten Bildungsein­richtung in unserem Land geben! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

13.06

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend Ausfinanzierung und bundeseinheitlicher Qualitätsrahmen im Bereich der Elementarpädagogik

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 2, Bericht des Aus­schusses für Familie und Jugend über die Regierungsvorlage (331 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpä­dagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 (355 d.B.)

Begründung

Laut dem Working Paper „Familienleistungen und Kinderbetreuung im internationalen Vergleich“ des österreichischen Instituts für Familienforschung aus dem Jahr 2017 gibt Österreich 0,5% des BIP für die frühkindliche Erziehung aus und liegt damit deutlich hinter Ländern wie Dänemark mit 2,0% und Schweden mit 1,6%. Im EU-Schnitt werden 0,98% des BIP für Kinderbildung ausgegeben, dies würde für Österreich ein Plus von
1 Milliarde € jährlich bedeuten. Diese Unterfinanzierung der Sachleistungen, insbeson­dere jener für die frühkindliche Erziehung, spiegelt sich auch in der Qualität und Quan­tität der Kinderbetreuung wider. Während etwa in Dänemark die Einrichtungen durch­schnittlich nur 9 Tage im Jahr geschlossen sind, sind es in Österreich im Durchschnitt 40 Tage, die Anzahl ist jedoch von Bundesland zu Bundesland verschieden und reicht von 3 Tagen bis zu 60 Tagen. Auch in Sachen Betreuungsschlüssel und der täglichen Öffnungszeiten hinkt Österreich weit hinterher.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 82

Trotz Hochkonjunktur und medial gefeiertem Budgetüberschuss ist man seitens der Bundesregierung nicht gewillt, mehr Geld für die Kinderbetreuung in die Hand zu neh­men. Nachdem man bei den Verhandlungen der 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreu­ung anfangs sogar mit einer Kürzung gedroht hat, gibt es nun doch eine Stagnation bei 142,5 Mio. € seitens des Bundes und dieser Betrag soll bis 2021/22 unverändert blei­ben, was de facto eine jährliche Minimierung bedeutet. Im Regierungsprogramm heißt es auf Seite 103: „Kinderbetreuungsangebote müssen weiter flächendeckend ausge­baut werden, damit adäquate, qualitätsvolle Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.“

Angesichts der neu dazugekommenen Anforderungen sind die Fördermittel, die in der 15a-Vereinbarung vorgesehen werden, zu gering. Für eine Lösung der drängendsten Probleme wäre eine Verdopplung der Mittel erforderlich (Öffnungszeiten im Hinblick auf die Arbeitszeitverlängerung, zweites kostenloses Kindergartenjahr, angemessene Sprachförderung). Die Zielsetzungen bei Ausbau und Öffnungszeiten sind zu wenig ambitioniert, zudem werden die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern weitgehend festgeschrieben, anstatt auf ein flächendeckendes Angebot zu zielen.

Um im Bereich der Elementarpädagogik endlich Fortschritte zu erzielen und diese auf ein internationales Niveau zu heben, braucht es neben dem dringend erforderlichen quantitativen Ausbau auch einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen mit österreich­weiten hohen Mindeststandards, was Gruppengrößen, Betreuungsschlüssel, Schließta­ge und Ausbildungsstandards betrifft, sowie eine entsprechende Wertschätzung und Anerkennung des elementarpädagogischen und unterstützenden Personals, die sich in entsprechenden Rahmenbedingungen (bezahlte Zeit für Vor- und Nachbereitungen sowie Elternarbeit, Supervision, etc.) und einer angemessenen Bezahlung niederschla­gen muss. Weiters bedarf es österreichweit eines Rechtsanspruchs auf einen ganztä­gigen Platz in einer Kinderbetreuungseinrichtung ab dem ersten Lebensjahr des Kin­des.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Ministerin für Frauen, Familie und Jugend, wird aufgefordert, ergänzend zur 15a-Vereinbarung ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen weiteren qualitativen sowie quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung mit bundesweit einheitlich hohen Mindeststandards umzusetzen und auf ein internationales Niveau zu heben.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ausreichend unterstützt, wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt die Frau Bundesminister zu Wort. – Bitte, Frau Bundesminister.


13.06.54

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich freue mich, dass uns gemeinsam mit den Bundesländern diese 15a-Vereinbarung gelungen ist.

Man könnte sagen, gut Ding braucht etwas Weile, aber wir haben uns die Daten- und Faktenlage angeschaut und gesehen, dass die Kindergärten für über Dreijährige in Ös-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 83

terreich schon sehr gut ausgebaut sind, wohingegen es durchaus an Plätzen für Kinder unter drei Jahren mangelt. Deswegen haben wir gesagt, dass wir einen Großteil des Budgets für den Ausbau von Plätzen für unter Dreijährige aufwenden möchten. Ich darf auch noch darauf aufmerksam machen, dass wir auch verankert haben, dass diese Plätze, da wir da bei 28 Prozent liegen und ich in den nächsten Jahren mit dieser Ver­einbarung das Barcelonaziel mit 33 Prozent erreichen möchte, vor allem für jene Eltern und für jene Mütter sein sollen, die Vollzeit arbeiten. Es geht es mir da vor allem da­rum, dass Alleinerziehende Unterstützung erfahren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein weiterer wichtiger Punkt, der bereits angesprochen wurde, sind die Öffnungszeiten. Die Öffnungszeiten sollten wir noch verbessern und flexibilisieren. Deshalb ist auch ein Gutteil des Geldes dafür angedacht, die Öffnungszeiten in den Kindergärten nach Be­darf auszuweiten.

Wir haben bereits von der sprachlichen Frühförderung gesprochen: Kinderbetreuung soll die erste Bildungseinrichtung sein, und deswegen ist die sprachliche Frühförderung für mich auch so wichtig. Sie wissen ja, wir haben drei 15a-Vereinbarungen zu einer zusammengelegt, damit wir nicht immer drei extra verhandeln müssen. Das ist uns sehr gut gelungen, aber es war von Anfang an immer klar, dass die sprachliche Früh­förderung weitergehen wird und dass das Gratiskindergartenjahr weitergehen wird. Diese zwei Pflöcke waren immer budgetiert, es ging nur mehr darum, wie viel Geld wir für den Ausbau in die Hände nehmen. Deswegen ist es für mich überraschend, dass jetzt einige bemängeln, dass angeblich Pädagoginnen und Pädagogen keinen weiter­führenden Vertrag bekommen haben, obwohl immer ganz klar war, dass es weiterhin 20 Millionen Euro für die Sprachförderung geben wird.

Was die 15a-Vereinbarung angeht, so ist es eine Anschubfinanzierung, das heißt, der Bund leistet eine Anschubfinanzierung, in der Verantwortung für die Kinderbetreuung sind aber ganz klar die Länder. Die Länder nehmen da auch viel mehr Budget in die Hand, als es in der 15a-Vereinbarung abgebildet ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte Ihnen aber die Daten nicht vorenthalten: Von 2008 bis 2018 hat der Bund 440 Millionen Euro in die Hand genommen, die Länder haben kofinanziert, und wir haben circa 70 000 Kinderbetreuungsplätze geschaffen. Das heißt – wie Sie auch se­hen können –, diese Anschubfinanzierung wirkt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Vogl: Danke fürs Lob!)

Wir sind damit bei den über Dreijährigen bereits bei einer Abdeckung von 95 Prozent gelandet. Dieses Mal sind es 720 Millionen Euro auf vier Jahre. Es ist so, dass die Län­der jetzt Planungssicherheit haben, da wir das für vier Jahre abdecken. Ich glaube, die langen Verhandlungen, die wir geführt haben, haben jetzt dazu geführt, dass wir die Eltern umfangreich und genau dort unterstützen, wo es gebraucht wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es gibt natürlich einen Wertekatalog. In Wien gab es diesen Wertekatalog schon vor­her, da Wien gesehen hat, es braucht einen Wertekatalog, um gesellschaftliche Nor­men abzubilden. Deshalb freue ich mich, dass wir diesen Wertekatalog gemeinsam mit Kollegen Faßmann auf ganz Österreich ausgerollt haben.

Wichtig ist mir noch zu sagen: Immer, wenn es Verhandlungen mit den Ländern gibt, geht es darum, einen Konsens zu finden, und deshalb möchte ich mich auch bei den Ländern bedanken. Wir haben einen sehr guten Konsens gefunden, mit den Ländern gut verhandelt, und das wird den Kindern in Österreich und vor allem deren Eltern zu­gutekommen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Frau Minister.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 84

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jeitler-Cincelli. – Bitte, Frau Abge­ordnete.


13.12.18

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­herinnen und Zuseher! „Zusammen. Für unser Österreich.“ – Das ist nicht nur die Über­schrift unseres Regierungsprogramms, sondern das soll unser tägliches Motto sein.

Die Onlineplattform „Addendum“ schrieb im Jänner: „Teilzeit ist weiblich. 50 Prozent al­ler erwerbstätigen Frauen zwischen 25 und 60 Jahren sind“ in Österreich „teilzeitbe­schäftigt.“ Wir haben schon seit Langem eine der höchsten Teilzeitquoten in ganz Eu­ropa, und eigentlich ist die Quote verhältnismäßig gestiegen beziehungsweise stagniert sie in den letzten 20 Jahren.

Der Hauptgrund, den die meisten dafür angeben, sind natürlich Kinder. Es ist aber si­cher auch die Haltung der Österreicherinnen, dass sie lieber zu Hause bleiben. Ich ha­be damals als Mutter von drei kleinen Kindern selbst erlebt, wie schwierig es ist, Fa­milie und Beruf unter einen Hut zu bringen und das auf eine sinnvolle Art zu machen, sodass man als Frau selbst nicht auf der Strecke bleibt.

Diese 15a-Vereinbarung steuert genau dorthin, dass wir meiner Meinung nach diese Problematik lösen – und zwar nachhaltig, Herr Kollege.

Ich möchte jetzt ein großes Danke sagen, denn ich habe das Gefühl, dass wir immer über die Qualität reden: Ich habe eine großartige Qualität der Kinderbetreuungseinrich­tungen erlebt, in denen meine Kinder waren. Das waren keine reichen Einrichtungen, wie es vielleicht dargestellt wird, sondern ganz normale, einfache vom Hilfswerk, in denen man natürlich einen Beitrag leisten muss, und dann der niederösterreichische Landeskindergarten. Ich muss sagen, ich habe dort eine unglaublich tolle Qualität er­lebt. Der Betreuungsschlüssel war für mich absolut in Ordnung. Wir haben letztes Mal den Betreuungsschlüssel von drei Kindern pro Betreuerin thematisiert. – Offen gesagt: Was macht eine Mutter? Ich habe selber drei kleine Kinder gehabt, das musste ich ja auch schaffen. Ich muss also auch sagen, betreffend was lösbar und was machbar ist, müssen wir schon ein bisschen bei den Rahmenbedingungen bleiben. Daher von mir einmal ein großes Danke an alle KinderbetreuerInnen in Österreich, die sich diesen Job antun. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Fokus liegt auf flexiblen Betreuungsöffnungszeiten – das ist für uns wichtig –, und auch dem Ausbau der Elementarpädagogik, dass man nicht sagt, das ist nur eine Be­treuung, sondern dass Kinder auch eine Unterstützung bekommen, die diese vielleicht vom Elternhaus normalerweise nicht bekommen.

Vor allem aber ist zeitliche Flexibilität notwendig. Wir haben ein Beispiel dafür in Kärn­ten: Ein Krankenhaus hat Kindergruppen angeboten und innerhalb von vier Wochen hatte es die fünffache Menge an Anmeldungen. Warum? – Weil sie von 6 Uhr in der Früh bis 9 Uhr am Abend ein Angebot hatten. Das heißt nicht, dass die Eltern ihre Kinder da fünf Tage die Woche reinstecken, sondern das heißt, dass sie, wenn sie halt um 7 Uhr im OP stehen müssen, dann nach eineinhalb, zwei Tagen fertig sind und für ihre Kinder den Rest der Woche da sind.

Im Endeffekt müssen wir auch dorthin, und es darf auch Individuallösungen geben, wie Au-pair-Mädchen, Betriebstageseltern, Tagesmütter. All das müssen wir ermöglichen.

Ich bedanke mich ganz herzlich, dass wir es mit dieser neuen Lösung geschafft haben, Familien die Vereinbarkeit wesentlich zu erleichtern. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.15



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 85

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kovacevic. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.15.24

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Sehr geehrte Damen und Herren! ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hau­se! Hohes Haus! Ich denke, grundsätzlich ist diese vorliegende Vereinbarung zu begrü­ßen. Wir müssen froh sein, dass wir jetzt eine Vereinbarung vorliegen haben.

Wir dürfen in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, dass sich das doch sehr verzögert hat. Wir hatten bereits zu Jahresbeginn die Verlängerung der 15a-Ver­einbarung gefordert, da wir wussten, dass mit 31. August die bestehende Vereinbarung auslaufen würde, und es hat dann doch sehr, sehr lange gedauert.

Letztlich muss man sagen, man kann aber froh sein, dass noch einige erhebliche Ver­besserungen im Vergleich zu den ursprünglich angedachten Maßnahmen erzielt wer­den konnten, allen voran bei jenen, bei denen nach der ursprünglich angekündigten Kürzung der Geldmittel im Endeffekt die Mittel dann doch wieder gelandet sind und wir jetzt also ähnlich viele Mittel haben wie in den letzten Jahren. Es ist zumindest als Teil­erfolg zu sehen, dass nicht, wie angekündigt, gekürzt wurde.

Wir denken, dass im Grunde doch mehr möglich gewesen wäre. Hätte man die Ver­handlungen engagierter geführt, hätte man noch deutlichere Fortschritte im Bereich des Betreuungsschlüssels oder der Gruppengrößen erzielen können, speziell, wenn die Vereinbarung auf vier Jahre abgeschlossen wird. Das ist ja zum einen gut, Frau Mi­nisterin, da wir für vier Jahre die Sicherung der Vereinbarung haben und somit die Planungssicherheit, wie Sie sagen. Auf der anderen Seite bedeutet das, dass die Geld­mittel de facto stagnieren, besser gesagt, in den nächsten Jahren sogar zurückgehen, und dass auch keine Qualitätsverbesserungen in diesem Zeitraum möglich sind.

Zu diesem ominösen Thema des Kopftuchverbots müssen wir schon die Frage stellen, für wen dieses Kopftuchverbot denn gilt, wie viele Kinder es denn in den Kindergärten gibt, die bisher auffällig wurden oder wegen denen man dieses Gesetz jetzt so be­schließen sollte. Laut Beantwortung einer Anfrage unseres Kollegen Kollross liegen keine genauen Zahlen vor, und da frage ich mich, wem dieses Gesetz nützt, wenn man das jetzt als Riesenerfolg feiert, so wie es die FPÖ macht. Es hat schon den Anschein, als ob man von den fehlenden Fortschritten oder Verbesserungen in der Vereinbarung ablenken will und das deshalb so forciert. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde es traurig, dass man bei so wichtigen Themen wie der Kinderbetreuung auch schon beginnt, das Ausländerthema drüberzuziehen. Für mich ist das eine Ablenkung von den schwachen Inhalten.

Eines sage ich auch: Diese Diskussion über das Kopftuchverbot speziell in Kinder­gärten, wo es überhaupt keinen Anlass dazu gibt, ist eigentlich schon so sinnbefreit, dass man überlegen muss, ob man dem Antrag überhaupt zustimmt. Wir haben al­lerdings nicht wirklich eine andere Wahl, wir brauchen diese Vereinbarung und wir müssen auch den Ländern die Sicherheit geben – lange hat es ja so ausgesehen, als ob sie gar nicht zustande kommt.

Ein Punkt vielleicht noch, der bereits kurz angesprochen wurde: Es geht da um eine Anschubfinanzierung – das ist klar –, damit diese Betreuungseinrichtungen auch ent­stehen können. Was wir aber auch in Zukunft brauchen werden, und darauf müssen wir vermehrt unser Augenmerk richten, ist, dass wir die Gemeinden auch längerfristig unterstützen und den Erhalt dementsprechend unterstützen, denn viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen stöhnen unter der Last der Erhaltung dieser Betreuungsein­richtung, unter der Last der Personalkosten. Ich glaube, auch daran müssen wir in Zu­kunft vermehrt arbeiten. – Vielen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

13.18



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 86

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Schmiedlechner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.19.00

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Werte Zuhörer! Wir sprechen heute über eine Regierungsvorlage, die mir als Vater von sieben Kindern besonders am Herzen liegt. Einige Schwerpunkte will ich erwäh­nen.

Da wäre als erstes Beispiel die Sprachförderung: Mehr als 30 Prozent unserer Kinder­gartenkinder haben nicht Deutsch als Muttersprache. 70 Prozent haben ein Defizit und können nicht ordentlich Deutsch. Die Unterrichtssprache ist Deutsch, daher muss alles getan werden, um den Kindern noch vor dem Schuleintritt die nötige Sprachförderung zu vermitteln, damit ihnen ein vernünftiger Start ins Schulleben sicher ist.

Ein weiterer Punkt ist den unter dreijährigen Kindern gewidmet, es soll die Vereinbar­keit von Familie und Beruf verbessert werden. Besonders muss dabei auf eine pro­funde Ausbildung des Betreuungspersonals Wert gelegt werden. Eine wichtige Ergän­zung dazu stellen die Tagesmütter und Tagesväter dar, deren Ausbildung ebenfalls ganz wichtig sein wird. In Summe werden 180 Millionen Euro für die Kinderbetreuung investiert, 142 Millionen davon vom Bund und 38 Millionen von den Ländern – so viel wie noch nie vorher!

Im Sinne einer Umsetzung dieses Forderungskatalogs ist es allerdings auch unaus­weichlich, jeder Entwicklung von Parallelgesellschaften entgegenzuwirken. Die Ver­schleierung von Kleinkindern als Symbol der Unterdrückung würde so etwas begünsti­gen und ist daher abzulehnen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

In Afghanistan gehen Frauen auf die Straße, um dagegen zu rebellieren. Und bei uns? (Abg. Yılmaz: Sag einmal, hat der die Vereinbarung gelesen auch? – Was lesen Sie da vor?) Im Sinne einer aufgeklärten Gesellschaft wollen wir allen Mädchen die glei­chen Entwicklungschancen geben. Die Basis dafür sind aber unsere Grundwerte und unser Gesellschaftsbild. Deshalb wird besonders die Kontrolle von islamischen Kin­dergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen eine große Herausforderung für die Zu­kunft sein. Mit dieser Vorlage haben wir eine Lösung ermöglicht. Islamische Kindergär­ten, die sich gegen unsere Werte stellen, dürfen in Österreich keinen Platz haben. (Abg. Vogl: ... zum Klatschen, übrigens!)

Ein Augenmerk gilt auch dem Übergang vom Kindergarten zur Schule. Die Pisa-Studie belegt, dass diesbezüglich Aufholbedarf gegeben ist. Begleitend wären eine Auswei­tung des Kopftuchverbots und Deutsch als Pausensprache sehr wichtig. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Integration ist keine Einbahnstraße. Integration ja, aber mit unserem Wertekatalog! (Abg. Loacker: Kann man den Katalog einsehen?)

Ich darf zum Schluss feststellen: Diese Bundesregierung verschließt nicht die Augen vor Problemen der Menschen. Danke, Frau Minister, für die konstruktive Arbeit für die Zukunft unserer Kinder! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.22.34

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Der Regie­rung ist es immer besonders wichtig, darüber zu sprechen, was im Regierungspro­gramm steht und wie viel sie davon umsetzt. Ich habe es extra noch einmal ausge­druckt und wieder einmal hineingeschaut, und gerade zur 15a-Vereinbarung – Michi


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 87

Bernhard hat dazu schon sehr viele Punkte generell gesagt – sind mir einige Dinge aufgefallen, die nicht umgesetzt wurden. Wenn es Ihnen so wichtig ist, immer das Re­gierungsprogramm vorzulegen und zu sagen, wir setzen um – was Sie ja immer wieder betonen –, dann wäre es auch wichtig, das wirklich zu tun.

So steht beispielsweise auf Seite 38/39 – das ist im Kapitel „Integration“ –, dass Sie ein zweites Kindergartenjahr für die Kinder, die es brauchen, verlangen, um besser in­tegrieren zu können, um die Integration wirklich zu leben. Das wurde jetzt nicht umge­setzt, was ich sehr schade finde, denn gerade jetzt, wo wir die Diskussion um Integra­tion und die Frage, wie wir Integration fördern können, oft an Symbolen festmachen, wäre es doch sinnvoll, wirklich Maßnahmen in Form eines Maßnahmenkatalogs im Ganzen zu bringen. Das wäre eine wichtige Maßnahme gewesen, um Integration auch wirklich früh zu beginnen – leider nicht umgesetzt.

Sie haben auf Seite 60 im Kapitel „Bildung“ mehrere Punkte: Einerseits haben Sie den Rahmenplan – der wird gleich dreimal innerhalb von ganz kurzer Zeit erwähnt, es sind also drei Punkte hintereinander, in denen Sie für einen neuen, verbindlichen Rahmen­plan eintreten. Sie sind dafür, dass dieser auch eingehalten wird, sind für die verbind­liche Einhaltung dieses Rahmenplans und auch für seine verbindliche Anwendung. Es wird also sehr oft das Wort verbindlich, sehr oft der Rahmenplan erwähnt. Dieser Rahmenplan kommt in den 15a-Vereinbarungen leider nicht vor. Es wäre essenziell gewesen, wäre klar ganz wichtig gewesen, dass wir hier einheitliche Standards haben, einen einheitlichen Weg gehen. – Leider nicht umgesetzt!

Ein Punkt, der für mich persönlich ganz besonders schmerzhaft ist, insbesondere weil vorher von der FPÖ angesprochen wurde, wie wichtig Ministerien sind: Es steht auch im Regierungsprogramm, dass das ganze Thema Kindergarten und Frühpädagogik – was ein wichtiger Abschnitt für die Entwicklung von jungen Menschen ist, denn wir wissen, dass im Kindergarten ganz viele Ansätze für später entstehen, dass viele Grundlagen dort gelegt werden – in das Bildungsministerium eingegliedert wird, nämlich dorthin, wo es eigentlich hingehört. Was ist passiert? – Nichts! Es ist nach wie vor im Familienministerium, obwohl es sich um eine frühpädagogische Einrichtung han­delt und dies dementsprechend woanders hingehört. Das steht auch im Regierungs­programm, ebenfalls auf Seite 60, und ist leider ebenfalls nicht umgesetzt worden. Mi­nister Faßmann hat sogar mehrfach gesagt, dass das Budget dann ohnedies bei ihm liegen wird – auch das ist bisher nicht passiert.

An all dem sieht man, dass in diesen 15a-Vereinbarungen einfach nicht das umgesetzt wird, was Sie versprochen haben, dass Sie, so wie in vielen anderen Bereichen auch, ein Regierungsprogramm vorgelegt haben, in dem, wie ich gerade gesagt habe, auch viele gute Dinge drinnen stehen – das sind wichtige Dinge! –, diese wichtigen Dinge aber leider von Ihnen nicht umgesetzt werden. Das ist äußerst schade und gerade für die jungen Menschen ein großer Einschnitt, auch in ihre persönlichen Perspektiven und in die Chancen, die sie haben. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.25.54

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Vorredner! Zum Regierungspro­gramm: Wir haben fünf Jahre Zeit zur Umsetzung; es sind in Wirklichkeit erst 20 Pro­zent der Zeit vergangen und wir haben schon so viel umgesetzt! Ich glaube, die Bilanz passt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was ich bedauerlich finde, ist eigentlich, dass die Oppositionsparteien sich nicht trau­en, bei dieser guten Gesetzesvorlage mitzugehen. Die Begründungen, warum man


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 88

nicht zustimmen kann, sind relativ flach gehalten – aber soll so sein. Ich glaube, grund­sätzlich ist diese 15a-Vereinbarung, in der drei Vereinbarungen zusammengefasst wer­den, eine wesentliche Verbesserung in Richtung Elementarpädagogik, und sie schafft Planungssicherheit für die nächsten vier Kindergartenjahre bis zum Sommer 2022. Die Qualitätsverbesserung bedeutet ja in Wirklichkeit sehr stark, dass man in Richtung Ausbau für die unter Dreijährigen geht, aber vor allem in Richtung Flexibilisierung – man denke etwa an die Öffnungszeiten, auch die sprachliche Frühförderung ist schon angesprochen worden.

Es ist mehrmals das Wort Kopftuch gefallen. Man braucht sich ja nur anzuhören, was jene Direktorin einer Volksschule, über deren Aussagen in diesen Tagen in den Medien berichtet wurde, zum Thema Kopftuch und Kinder gesagt hat. Das unterstreicht, dass die Vorgangsweise der Bundesregierung sinnvoll ist.

Ein wesentlicher Punkt zur Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und in Richtung Kinderbetreuung ist, glaube ich, die Einbeziehung und Stärkung der Tages­eltern. Auch diesen Bereich wird man qualitativ gezielt verbessern und ausbauen.

Die finanziellen Dinge sind schon gesagt worden. Wenn 720 Millionen Euro für vier Jahre zur Verfügung stehen, dann ist das eine wesentliche Verbesserung gegenüber vorher. Wenn jetzt vom Bund wie bisher 142 Millionen kommen und von den Ländern um 10 Millionen Euro pro Jahr mehr, das heißt also 38 Millionen insgesamt, dann ist, glaube ich, der ganze Bereich finanziell sehr gut aufgestellt, so wie beispielsweise in Oberösterreich, wo die Mittel für das nächste Budget dank Landeshauptmann Stelzer und Landesrätin Haberlander wesentlich steigen.

Aus Sicht der Gemeinden – die Gemeinden sind ja grundsätzlich die Kindergartener­halter – ist nicht nur die Planungssicherheit wichtig, sondern wir wollen ja, dass es die bestmögliche Betreuung für die Kinder gibt. Liebe Frau Bundesministerin, der heutige Beschluss und die Wirksamkeit mit Anfang September sind positiv, ich hätte nur fol­gende Bitte aus Sicht der Gemeinden für das Jahr 2022: Wenn wir das schon im Mai/Juni wissen, dann ist das wesentlich von Vorteil. – Insgesamt aber ist das Ergebnis wirklich toll, dazu kann man nur gratulieren.

Weil uns eben Bildung für die Kleinsten – oder sagen wir so: die frühkindliche Erzie­hung, Bildung, Ausbildung der Kleinsten – ein wesentliches Anliegen ist, ist, glaube ich, Österreich da gut aufgestellt. Österreich ist sogar sehr gut aufgestellt im Bereich der Leistungen für Familien und Kinder: Wenn man sich das Kinderbetreuungspaket an­schaut, wenn man sich zum Beispiel den Familienbonus Plus anschaut, dann muss man sagen, Österreich ist da wirklich vorbildlich. Ich glaube, man könnte mit ruhigem Gewissen diesen Beschluss heute gemeinsam fassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

13.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Berger zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.29.09

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Kollegen hier im Plenum! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Ga­lerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ich denke, eine der wesentlichsten und zen­tralen Fragen, die wir uns in Wahrheit immer stellen sollen und müssen, ist, was wir für unsere Kinder erreichen wollen. In diesem Zusammenhang ist es wirklich sehr erfreu­lich, dass es gelungen ist, mehr Geld für unsere Kinder im Land zu lukrieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Höbart: Sehr erfreulich!)

In Summe werden mehr als 180 Millionen Euro in die Elementarbildung und Betreuung investiert werden. Es gibt also mehr Geld für die Kinderbetreuung als bisher; dies zu-


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sätzlich zum Familienbonus Plus, welcher, wie Sie ja wissen, die größte steuerliche Entlastung für die Familien in Österreich ist. Fakt ist, dass die Familien jetzt mehr profi­tieren als unter der alten Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Höbart: Tatsache! Tatsache!)

Jetzt komme ich zu den Maßnahmen, welche die Integration massiv verbessern wer­den: Ja, es kommt nun endlich zu einem Kopftuchverbot, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Höbart: Endlich!)

Dieses Kopftuchverbot ist vor allem in Wien ganz besonders wichtig und nötig, nimmt doch die Zahl der muslimischen Kinder gerade in der Bundeshauptstadt rasant zu. (Abg. Höbart: Rasant! Da geht’s zu in dem roten Wien!) Dabei geht es uns um den Schutz der muslimischen Kinder vor religiöser Frühindoktrinierung, Sexualisierung, aber auch Stigmatisierung (Ruf bei der SPÖ: Das ist so jenseitig!), aber eben auch darum, die nichtmuslimischen Kinder vor der Ausgrenzung zu schützen. Das Kopftuch hat im Kindergarten schlicht und einfach nichts verloren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: So ist es! – Abg. Höbart: Die SPÖ schüt­telt den Kopf! Ihr wollt das haben? – Na servus! Na servus!)

Es ist wichtig, dass die blaue Handschrift der Bundesregierung hier einen Rahmen vor­gibt, an den sich auch die linkslinke Wiener Stadtregierung zu halten hat.

Neben dem Angebot ist es vor allem aber auch wichtig, bereits im Kindergarten jeder Entwicklung von Parallelgesellschaften in Österreich entgegenzuwirken. Eine Ver­schleierung (Abg. Vogl: Die FPÖ verbietet ... in den Kindergärten!) – hören Sie mir zu, Herr Kollege! (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP) – von Kleinkindern und Kindern (Ruf bei der SPÖ: Bleiben Sie bei den Fakten!) ist definitiv nichts, was in un­serem Land Platz hat und Platz haben darf, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das Kopftuch ist nämlich ein Symbol der Unterdrückung, und ja, es ist auch Ausdruck des politischen Islams, dessen Einfluss wir in Österreich wieder zurückdrängen wollen, aber auch müssen – ja, ich sehe es sogar als unsere Pflicht an. (Beifall bei Abgeord­neten von FPÖ und ÖVP.)

Wir dürfen es, wie schon erwähnt, nicht zulassen, dass junge Mädchen stigmatisiert und bereits im Kindergarten sexualisiert werden. (Abg. Vogl: Was heißt „sexualisiert“?) Wir wollen, dass alle Mädchen in Österreich die gleichen Entwicklungschancen haben. Basis dafür müssen unsere Grundwerte und auch unser Gesellschaftsbild sein. Gerade aus diesem Grund ist das Kopftuchverbot in Kindergärten so wahnsinnig wichtig, ebenso wie die stärkere Vermittlung unserer Werte.

Führen wir uns doch einmal kurz die Vergangenheit vor Augen: In der Vergangenheit gab es vor allem in Wien mehrere Vorfälle, die stark daran zweifeln haben lassen, dass diese islamischen Kindergärten mit unserer Kultur auch nur in irgendeiner Art und Weise vereinbar wären. (Abg. Höbart: Nicht einmal im Ansatz!) Gerade mit dieser neu­en 15a-Vereinbarung wird es in Zukunft auch möglich sein, die islamischen Kindergär­ten stärker und vor allem besser zu kontrollieren (Zwischenruf des Abg. Vogl), nämlich gerade unter dem Aspekt des besonderen Schutzes von Frauen und Mädchen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Die abgewählten Sozialisten haben jahrelang blockiert, der Islamisierung Vorschub geleistet sowie im Sinne einer falsch verstandenen Toleranz Frauen- und Kinderrechte nicht ausreichend geschützt. (Abg. Vogl: Wer war gegen Frauenhäuser?) Die neue Bundesregierung hingegen arbeitet Schritt für Schritt daran, die Fehlentwicklungen der sozialistischen Bildungs- und Integrationspolitik zu kompensieren (Abg. Erasim: Wie oft haben Sie schon ein Frauenhaus besucht?) und die Zukunftschancen für unsere Menschen si-


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cherzustellen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unserem Vizekanzler Heinz-Christian Strache danken, der das Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen versprochen und nun auch in Umsetzung gebracht hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Bundesregierung verschließt die Au­gen nicht vor den Problemen, diese Bundesregierung handelt! – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.33.26

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Liebe Besucherinnen und Besucher! Liebe Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, Sie haben so plakativ diesen Hunderteuroschein und den Anteil, den Österreich davon für Kinderbetreuung aufwendet, erwähnt. Ich hoffe, Sie haben mit eingerechnet – aber ich brauche es nicht zu hoffen, denn ich weiß, Sie haben es nicht getan –, dass Österreich Spitzenreiter bei den Leistungen für Familien und Kinderbetreuung ist. Man muss schon auch diese Zahlen mit einrechnen, wenn man so eine Rechnung hier vorlegt, vielleicht rechnen wir also gemeinsam noch einmal nach. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe Frau Bundesministerin, die 15a-Vereinbarung liegt hier zum Beschluss vor, und es ist schön, sie mitbeschließen zu können. Es hat sehr viel Anstrengung bedeutet, es war eine große Aufgabe, aber es liegt jetzt ein gutes Paket vor. Ich kann mich noch sehr gut an die polemische Diskussion hier im Haus anlässlich der Debatte über das Budget erinnern, als es geheißen hat, 1 000 Euro habe die Bundesregierung für den Ausbau der Kinderbetreuung vorgesehen. Wir beschließen heute für die nächsten vier Jahre 720 Millionen Euro. – Oh Wunder!

Ganz klar hervorzuheben ist nicht nur die finanzielle Seite, sondern vor allem der Inhalt dieser Vereinbarung: Es werden Maßnahmen ergriffen, die eine Qualitätsverbesserung garantieren. Geschätzte Damen und Herren, wir alle wissen, in den ersten Jahren des Lebens eines Kindes wird ein wichtiger Grundstein für die spätere Entwicklung gelegt. Es ist daher wesentlich, nicht nur über die Quantität, sondern auch über die Qualität zu sprechen. Diesbezüglich sind einige Punkte in der 15a-Vereinbarung enthalten, und zwar die klare Definition der Zielsetzungen von Bildung und Betreuung oder die Intensi­vierung und qualitative Weiterentwicklung im Bereich der Sprachförderung.

Besonders freut es mich, dass es Zweckzuschüsse für die Verbesserung des Betreu­ungsschlüssels auf eins zu vier für unter Dreijährige und eins zu zehn für Drei- bis Sechsjährige gibt. – Es freut mich, dass wir in Kärnten, Herr Kollege, beim Betreu­ungsschlüssel bei den Krippen sehr gut liegen: Wir haben durchschnittlich 4,4 und bei den Kindergärten sogar 9,5.

Ein weiterer Schwerpunkt der Vereinbarung ist auch die quantitative und qualitative Förderung von Tageselternangeboten. Da haben wir auch ein Bundesgütesiegel vor­zuweisen.

Wichtig bei dieser 15a-Vereinbarung ist, dass Anreize geschaffen werden und nicht mit der Gießkanne oder mit dem Vorschlaghammer agiert wird. Schlussendlich liegt es am Ende an den Gemeinden, ein Angebot zu schaffen – und die Gemeinden wissen am besten, wo der Bedarf ist und wie man ihn abdeckt. (Abg. Erasim: ... die finanziellen Mittel!) Wir müssen damit aufhören, vom Bund aus Maßnahmen zu setzen, die die Ge­meinden an den Rand der finanziellen Möglichkeiten bringen. Ich kenne genug Ge-


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meinden, die an die Grenze der Machbarkeit der Erfüllung der Vorgaben gebracht wer­den, weil zeitweise nicht einmal zehn Kinder angemeldet sind. Es braucht flexible Mög­lichkeiten, damit Gemeinden gut zusammenarbeiten können.

Ziel ist es, die Kinderbetreuung mit dem Fokus auf die unter Dreijährigen auszubau­en – weil die Barcelonaziele angesprochen worden sind – oder die Erweiterung der Öffnungszeiten zu erreichen, um den Eltern Wahlfreiheit zu ermöglichen.

Fakt ist, dass die beschlossene 15a-Vereinbarung zahlreiche Qualitätsmerkmale auf­weist und den Gemeinden Gestaltungsspielraum lässt, um den Bedürfnissen der Eltern besser entgegenzukommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.37.26

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Es sind ja schon viele wesentliche Punkte erläutert worden, warum es wichtig ist, dass wir diese 15a-Vereinbarung in dieser Form beschließen. Jetzt wurde gerade wieder über den Betreuungsaspekt gesprochen. Ich möchte vielleicht noch kurz auf den Bil­dungsaspekt dieser Vorlage eingehen.

Wir alle wissen, wir haben ein massives Problem im Bereich der Sprachkompetenz. Das hat natürlich auch sehr viel mit mangelnder Integration zu tun. Wir wissen, dass nach neun Jahren Pflichtschule, mit 15 – das habe ich schon öfter an dieser Stelle ge­sagt –, rund ein Drittel oder fast ein Drittel der Kinder nicht sinnerfassend lesen kann. Wir wissen natürlich (Zwischenruf der Abg. Erasim) – keine Sorge, das ist bei euch vielleicht öfter der Fall, bei uns machen wir uns da weniger Sorgen –, dass daran nicht die achte Schulstufe schuld ist, sondern dass es bei der ganzen Sache eine Vorge­schichte gibt. Diese beginnt in der Volksschule.

Wir haben ja im Frühling die Deutschpflicht, entsprechende Fördermaßnahmen und auch – aus meiner Sicht ganz wesentlich – die einheitlichen Standards bei den Sprach­tests eingeführt. Wir führen auch jetzt, im Rahmen dieser 15a-Vereinbarung, einheit­liche Sprachstandserhebungen für den Kindergarten ein. Ich glaube, das ist ein we­sentlicher Schritt, um dann auch entsprechende Fördermaßnahmen zu ergreifen und entsprechend zur Verbesserung der Situation im Zusammenhang mit dieser Problema­tik beizutragen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mehrfach wurde ja heute auch schon der Wertekatalog erwähnt – auch ein Integra­tionsproblem, wenn man so will, das wir damit zu lösen versuchen. Ich glaube, es wäre nicht gut, wenn wir hier so weitermachen wie in der Vergangenheit, dass, noch dazu auf staatliche Kosten, eine Indoktrinierung, eine politisch-religiöse Indoktrinierung in unseren Kindergärten stattfindet. Das müssen wir verhindern, und der erste Schritt dazu ist dieser Wertekatalog. Herr Kollege Loacker, weil Sie gefragt haben, wo man den findet: Auf der Homepage des Ministeriums für Bildung ist er schön leicht einzuse­hen, dort können Sie genau nachlesen. Er ist, wie Sie wahrscheinlich wissen, vom Ös­terreichischen Integrationsfonds gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Nie­derösterreich entwickelt worden – eine durchaus vernünftige Sache, die in diesem Be­reich als Rahmen für die Zukunft dienen soll. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der dritte Punkt, auch schon mehrfach diskutiert – und er wird natürlich auch spannend im Hinblick auf die weiteren Schritte, die wir hier planen –, ist das Kopftuchverbot im Kindergarten. Ja, Sie haben schon recht, es ist zum Glück kein Massenphänomen, dass drei-, vierjährige kleine Kinder oder kleine Mädchen ein Kopftuch tragen müssen, aber es dürfte wohl vereinzelt Fälle geben. Selbst wenn es keinen einzigen oder nur


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einen einzigen gäbe, ist es eine symbolische Frage, dass wir dieses Kopftuchverbot hier beschließen. Meine VorrednerInnen haben das schon ausreichend auf den Punkt gebracht.

Gerade wenn wir heute mit „Stoppt Gewalt an Frauen“ ein Zeichen setzen, frage ich mich, wieso Sie das kritisieren und da nicht dabei sind. Ich frage mich auch, wo die SPÖ bleibt, wenn wir, wahrscheinlich morgen, einen Antrag einbringen, um ein Kopf­tuchverbot auch im Grundschulbereich, im Volksschulbereich durchzusetzen, und ob sie versucht, das mit irgendwelchen anderen Dingen zu junktimieren. Ich bin gespannt, ob Sie Ihre Meinung vielleicht doch noch ändern, anstatt irgendein politisches Kalkül an den Tag zu legen.

Abschließend, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Es ist auch wichtig, immer und immer wieder an den Integrationswillen der Zuwanderer, der Menschen, die zu uns ins Land kommen, zu appellieren. Das habe ich auch schon öfters an dieser Stelle getan, das ist mir aber bei all den Integrationsproblemen, die wir in diesem Land haben, auch sehr wichtig. Das tun wir viel zu wenig. Vor allem Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, schreien immer nach mehr Geld oder nach der Regierung – das ist eben typisch sozialistisch!

Ein Appell an Sie: Vielleicht fordern Sie einmal jene Menschen, die zu uns kommen, dazu auf, in Eigeninitiative etwa Deutsch zu lernen oder sich in unsere Gesellschaft einzubringen! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Abg. Rädler: Wo ist eigentlich Rendi-Wagner?)


13.41.15

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Fami­lienministerin! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kinder und Familien gehören zu den wertvollsten Gütern in unserem gesellschaftlichen Leben. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu diskutie­ren. Es wurde auch schon vieles gesagt, aber es gibt doch noch einiges zu erwähnen, speziell zur 15a-Vereinbarung betreffend Kinderbetreuung.

Ja, wir waren alle schon etwas ungeduldig, weil die Finanzierung etwas Wichtiges ist, um eine gute Planung in den Ländern und in den Gemeinden sicherzustellen, um den Familien weiterhin eine gute Betreuung anbieten zu können, vor allem für die Gemein­den, die neue Kinderbetreuungseinrichtungen schaffen. Da ist diese Anschubfinanzie­rung etwas ganz Wichtiges und Notwendiges.

Auch die Öffnungszeiten sind immer wieder ein Thema, das sehr stark diskutiert wird – aber immer etwas negativ, und da muss ich jetzt in Richtung Kollegin Holzinger-Vog­tenhuber und auch in Richtung des Herrn Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff blicken. Es gibt auch positive Beispiele – weil es immer wieder darum geht, dass es im ländlichen Raum viel zu wenig gibt. Ja, es gibt natürlich auch Regionen, in denen es immer wie­der notwendig ist, zu adaptieren.

Ich darf ein Beispiel aus meiner eigenen Kleinregion bringen: Wir sind 14 Gemeinden; in diesen 14 Gemeinden gibt es neun Kinderbetreuungseinrichtungen. Wir haben uns in den Gemeinden zusammengetan, haben die Personen angestellt, die dort arbeiten, haben die Betreuung dort, wo es notwendig ist. Die Eltern können das Kind in die ei­gene Gemeinde bringen; wenn es notwendig ist, wenn zum Beispiel eine Krankheit grassiert, dann können sie es auch in die Nachbargemeinde bringen. Vor allem ist es eine sehr flexible Betreuung, von 6.30 Uhr bis 19 Uhr, wenn es notwendig ist. Da wechselt die Betreuerin, ist zwei Tage in der einen Gemeinde, die nächsten zwei Tage in der anderen Gemeinde.


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Es wurde also etwas unheimlich Flexibles aufgebaut, das auch gut angenommen wird, das Eltern sehr schätzen. Trotzdem ist es immer schwierig, mit den Personalkosten zurechtzukommen, gerade in Regionen, in denen die Geburtenrate eher niedrig ist. Es ist wichtig für die Gemeinden, dass es diese Finanzierung weiterhin gibt, aber auch speziell für die Eltern.

Einen herzlichen Dank möchte ich unserer Familienministerin aussprechen, für das Engagement, für den Einsatz und vor allem dafür, dass diese Finanzierung auch die nächsten vier Jahre gesichert ist, damit die Gemeinden wissen: Wir können etwas Neues machen, wir können schauen, wie das besser ausgebaut wird.

Ja, es gibt in der nächsten Zeit auch noch viel zu tun, aber wir können sagen, wir wer­den uns auch in Zukunft ganz speziell für die Familien einsetzen – das sieht man ja auch am Familienbonus, der mit 1. Jänner in Kraft tritt –, und zwar aus dem Grund, weil Familien für uns etwas sehr Kostbares sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kaufmann. – Bitte.


13.44.52

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Werte Besucherinnen und Besucher auf der Galerie und alle, die heute hier zusehen! Wir beschäftigen uns in dieser Debatte schon eine ganze Weile mit der Kinderbildung und ‑betreuung. Die Kinderbildung und -betreuung ist die Basis für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und da ich früher beruflich hautnah mit diesem Thema, mit die­sem Themenbereich und mit all den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, zu tun hatte, möchte ich einmal ein großes Dankeschön an alle KindergartenpädagogInnen und BetreuerInnen in Österreich vorausschicken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Sie sind es nämlich, die täglich mit allen Herausforderungen der Kinder, teilweise auch der Familien betraut sind und bei vielen der Probleme mitanpacken und helfen, diese zu lösen. Mit der vorliegenden Vereinbarung gelingt es uns, weitere Plätze in Öster­reich zu schaffen.

Wenn Kollege Bernhard sagt: Das ist ja nur eine Anschubfinanzierung und das bringt nichts!, dann muss man entgegnen: Die NEOS haben sich in der Vergangenheit sehr, sehr wenig damit auseinandergesetzt, denn in den letzten zehn Jahren wurden 71 000 Plätze in Österreich geschaffen. Vielleicht sollten sich die NEOS mit dieser Pro­blematik weiter auseinandersetzen, dann wüssten Sie das. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Loacker: Sie kommen einmal zu unseren ...!)

Ich komme aus Graz. Dort können wir schon seit einigen Jahren sagen, dass es für je­des Kind, das in Graz einen Bildungs- und Betreuungsplatz braucht, auch einen gibt, weil die Grazer Stadtregierung schon vor vielen Jahren erkannt hat, dass es notwendig ist, ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen. Der Ausbau war in der Vergangenheit auch dank der Unterstützung des Bundes möglich.

Ich möchte ein Beispiel geben: Bei den Null- bis Dreijährigen können 34 von 100 Kin­dern bereits einen Platz in Anspruch nehmen. Das sind 34 Prozent und das liegt über dem sogenannten Barcelonaziel. Man muss aber auch dazusagen: Nicht immer und jedes Jahr werden überhaupt alle Plätze in Anspruch genommen. Wichtig ist aber für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dass es die Möglichkeit gibt, sich das auch auszusuchen, wenn man einen Platz benötigt.


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Ein weiteres wichtiges Kapitel in dieser 15a-Vereinbarung ist auch die sprachliche Frühförderung, die fortgesetzt worden ist, denn nur durch die sprachliche Frühförde­rung, die bereits in der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung stattfindet, ist es möglich, dass wir den Kindern, gerade auch im urbanen Raum, die gleichen Startchan­cen mit dem Schuleintritt geben. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass auch diese Mittel in Zukunft in gleicher Höhe vorhanden bleiben. – Danke, Frau Bun­desministerin, dass du das mit den Ländern so weiterverhandelt hast. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Abschließend möchte ich sagen: Wichtig ist auch der Ausbau der Kinderbildungs- und ‑betreuungseinrichtungen, denn so ist es möglich, dass man die Betreuung in der Familie zwischen Männern, Frauen und den Betreuungseinrichtungen gut aufteilen kann, und nur so kann es uns auch gelingen, dass Kinderbetreuung eine Aufgabe von beiden Geschlechtern ist, und nur so kann es letzten Endes auch zu einer Gleichstel­lung zwischen Männern und Frauen kommen.

Da die NEOS den Wertekatalog nicht gefunden haben, lieber Herr Kollege Loacker (Abg. Loacker: Schicken Sie mir den Link!), habe ich ihn ausgedruckt mit (einen mehr­seitigen Ausdruck mit dem Titel „Werte leben, Werte bilden“ in die Höhe haltend) und überreiche Ihnen diesen gerne. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Kaufmann überreicht Abg. Loacker besagten Ausdruck.)

13.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dönmez. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.49.05

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseher auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Mit der Einfüh­rung des verpflichtenden Kindergartenjahrs ist der Bedarf, neue Einrichtungen zu schaffen sehr rasch und innerhalb kurzer Zeit gestiegen, und da hat man dann auch Personen und Gruppierungen zum Betreiben von Kindergärten zugelassen, die äu­ßerst bedenklich sind und die man auch kaum bis gar nicht überprüft hat. Sonst ist es nämlich nicht erklärlich – außer man ist naiv oder man unterstützt das bewusst –, dass Leute aus dem nationalistisch-islamistischen Milieu Kindergärten in Österreich betrei­ben dürfen und dass das auch noch mit Steuergeld finanziert wird.

Also wie naiv muss man sein, dass man tagtäglich – bei Kindergartenkindern sind es 250 Euro im Monat, bei Kindern, die die Krabbelstube besuchen, 500 Euro im Monat –, noch dazu mit österreichischem Steuergeld, derartigen Hintermännern das Betreiben von Kindergärten überhaupt ermöglicht? (Abg. Rädler: Wien!) Das ist ein Wahnsinn, das ist ein Skandal! Wohin dieser Weg führt, kann ich Ihnen sagen: Das beste Beispiel ist mein Herkunftsland, die Türkei. Dieses Land habe ich an die Islamisten verloren und ich möchte nicht, dass diese Leute hier Einfluss auf unsere Kinder bekommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Daher halte ich es für grob fahrlässig, wenn hier mit Steuergeldern derartige Kindergär­ten betrieben werden. (Abg. Gudenus: Richtig! Hat die SPÖ gerne gemacht!)

Diesen Wertekatalog, den die Kollegin den NEOS überreicht hat, können Sie in den Papierschredder geben, weil ich weiß, wie diese Herrschaften ticken und wie das funk­tioniert. Wenn dahergelaufene Kebabverkäufer – und nichts gegen Kebabverkäufer, ich esse das ab und zu selber gerne, aber sie sind nicht pädagogisch geschult – dann Kindergärten betreiben dürfen und ihnen auch noch Geld nachgeschossen wird, dann ist das grob fahrlässig. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Dass dann Diskussionen auftauchen, ob Kopftuch oder nicht: Diese Frage ergibt sich aus theologischer Perspektive rein gar nicht, denn das Tragen des Kopftuchs ist im Koran an keiner Stelle vorgesehen. (Ruf bei der FPÖ: Genau!) Das ist eine Auslegung der reaktionären Islamverbände (Abg. Gudenus: Das sind die Freunde der SPÖ!), die versuchen, den öffentlichen Raum und die öffentliche Diskussion mit ihren Themen zu beherrschen. Darum führen wir überhaupt diese Diskussionen; und kleine Kinder in diesem Alter schon zu sexualisieren, ist ein Wahnsinn! Das hat und darf in unserer Ge­sellschaft keinen Platz haben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Meine Redezeit hier reicht für all das nicht aus, deshalb werde ich nach dieser Rede einen Beitrag auf meinem Blog efganidoenmez.at freischalten, in dem ich tiefer gehend auf diese Netzwerke und Strukturen eingehen werde. Ich zoome eine Gruppierung heraus, und anhand dieses Beispiels zeige ich, wie diese Herrschaften hier netzwer­ken, wie das ganz bewusst vom Ausland aus gesteuert und unterstützt wird (Abg. Yıl­maz: Warum machen Sie keine Anzeige?) und wie wir diesen Leuten hier eine Bühne bieten – und das dürfen wir nicht! (Abg. Yılmaz: Warum machen Sie keine Anzeige?) Dass hier die Kollegen oder manche Kolleginnen von der SPÖ mit Zwischenrufen re­agieren, wundert mich ehrlich gesagt nicht (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Yılmaz), denn ihr schafft es sogar, dass ihr den Sprecher der nationalistisch-islamistischen Millî Görüş in politischen Funktionen in eurer Partei habt. (Beifall bei der FPÖ und bei Ab­geordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Yılmaz.)

Bei euch, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist also wirklich Hopfen und Malz verloren, und wenn jemand wie ich, der im sozialdemokratischen Milieu sozialisiert worden ist, das sagt und sich durch diese doppelbödige Politik angewidert fühlt, dann sollte euch das zu denken geben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Euer damaliger Bundeskanzler hat in einer seiner Abschlussreden (Zwischenruf der Abg. Yılmaz – Präsidentin Kitzmüller gibt das Glockenzeichen) beim Wahlkampf vor versammelter Mannschaft der Vertreter des politischen Islams gesagt: Ihr seid meine Vertreter.

Ich kann euch nur eines wärmstens ans Herz legen: Wenn Frau Rendi-Wagner den Karren der SPÖ, der festgefahren ist, rausbringen möchte, dann distanziert euch von diesen reaktionären Gruppierungen, die ihr teilweise in euren Reihen habt, und wendet euch den aufgeklärten, säkularen Migranten und Migrantinnen zu, die auch die öster­reichischen Werte teilen und hochhalten und nicht benutzen, um über die Herkunfts­länder ihre Strukturen in Österreich salonfähig zu machen. – Danke. (Anhaltender Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

13.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesmi­nister. – Bitte, Frau Bundesminister.


13.54.52

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehern und Computern! Ich freue mich, dass die meisten von Ihnen die 15a-Vereinbarung auch in Ihren Reden als sehr positiv gesehen haben. Es sind nur ein paar Kleinigkeiten übergeblieben, ein paar Punkte, die Sie kritisiert haben, aber die würde ich hier gerne entkräften.

Einer dieser Punkte war das zweite Gratiskindergartenjahr. Wenn Sie sich die Zahlen und Fakten in Österreich anschauen, so werden Sie sehen, im Gratiskindergartenjahr befinden sich 98 Prozent unserer Kinder, im zweiten Kindergartenjahr befinden sich über 96 Prozent der Kinder. Man muss dazusagen, dass das zweite Jahr auch in fast allen Bundesländern bereits gratis ist – nur um diesen Punkt hier zu entkräften.


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Dann war noch die Verankerung ein Thema, die Frage, welches Ministerium zuständig ist: Ich glaube, das ist völlig irrelevant. Es geht darum, dass man für die Kinder und die Familien in Österreich eine gute Lösung findet, und es geht bei der 15a-Vereinbarung vor allem um zwei Punkte. Zuerst einmal soll diese elementarpädagogische Einrich­tung eine Bildungseinrichtung sein, und da bin ich meinem Kollegen Faßmann wirklich sehr dankbar, dass wir einen Bildungsrahmen über alle Kindergärten und Kinderbe­treuungseinrichtungen hinweg eingeführt haben. Zweitens muss ich als Familienminis­terin natürlich achtgeben, dass die Plätze, vor allem für die unter Dreijährigen, jenen zur Verfügung stehen, die wieder arbeiten gehen möchten, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gut möglich ist.

Ein dritter Punkt von Ihrer Seite war der Betreuungsschlüssel. Ich hätte gerne, das sage ich Ihnen, in den Verhandlungen mit den Bundesländern den Betreuungsschlüs­sel verpflichtend erhöht. Ich sage Ihnen aber auch gerne, welches Bundesland das nicht wollte: Wien. Und wir wissen auch, dass Wien sozialdemokratisch ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In Wien wollten sie auf keinen Fall eine verpflichtende Erhöhung des Betreuungs­schlüssels, und sie haben den schlechtesten Betreuungsschlüssel in ganz Österreich. Das heißt, ich habe ihnen angeboten, gerne Gelder dafür zur Verfügung zu stellen, da­mit sie den Betreuungsschlüssel freiwillig erhöhen. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber die hätten dreimal so viel Geld gebraucht! Die können gar nicht so schnell bauen!) Das heißt, die Bundesländer können jetzt alle unsere Anschubgelder benutzen, um den Betreuungsschlüssel zum Beispiel dorthin zu bringen, wo Salzburg heute schon ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Wider besseres Wissen!)

13.58


13.58.06Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünschen die Frauen Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Aus­schusses für Familie und Jugend, dem Abschluss der Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementar­pädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 in 331 der Beilagen die Ge­nehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „mehr Planungssicherheit beim Ausbau elementarer Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit. Nicht angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausfinanzierung und bun­deseinheitlicher Qualitätsrahmen im Bereich der Elementarpädagogik“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zei­chen. – Das ist die Minderheit.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Aus­schusses für Familie und Jugend, seinen Bericht 356 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

14.00.004. Punkt

Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Gleichbehandlungsbe­richt für die Privatwirtschaft 2016 und 2017, vorgelegt von der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend (III-207/336 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Krenn. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.00.52

Abgeordnete Barbara Krenn (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Werte Zuseher vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! Heute möchte ich mit einem Dank beginnen. Es ist für mich eine Ehre, die Funktion der neuen Frauensprecherin der ÖVP zu übernehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Ich übernehme diese von Dorothea Schittenhelm. – Danke, Dorothea, für deine Arbeit und deinen Einsatz für uns Frauen!

Ich trete diese Funktion in Demut und mit Respekt an, vor allem aber mit Respekt den Frauen gegenüber, die sich weit vor und nach der Republiksgründung für Gleichbe­rechtigung, Chancengleichheit, Zusammenhalt und Frieden eingesetzt haben.

Es gibt aber noch vieles zu tun. Aufgrund meiner Erfahrung als Frau und Bürgermeis­terin und aus zahlreichen Gesprächen mit Frauen in allen Lebenslagen weiß ich, wir müssen Hand in Hand unsere Ziele definieren, um sie auch zu erreichen. Mir ist selbst­verständlich klar, dass ideologische Zugänge nicht immer gleich sind, wir diese nicht immer gemeinsam haben. Wir müssen Frauen und Mädchen beistehen, manchmal auch über den eigenen Schatten zu springen. Es geht um die Anrechnung voller vier Jahre pro Kind als pensionsbegründend, die Anrechnung der Karenzzeiten bis 24 Mo­nate in allen Kollektivverträgen, das automatische Pensionssplitting, die Beseitigung der Einkommensunterschiede und vieles, vieles mehr.

Der Bericht der Privatwirtschaft zeigt deutlich, dass noch einiges zu tun ist. Unsere Ge­sellschaft muss einen respektvollen Umgang untereinander haben. Dem respektlosen Umgangston und dem Hass im Netz dürfen wir nicht tatenlos zusehen. Gewalt in der Sprache wird sehr schnell zu Gewalt in Taten. Wir sind ebenso gefordert, unseren Frauen und Mädchen die bestmögliche Bildung und Ausbildung zu ermöglichen. Wir müssen ihnen Mut machen, aufzustehen und selbstverständlich Ja zu sagen, wenn sie eine politische oder wirtschaftliche Funktion übernehmen sollen.

Eines möchte ich schon noch sagen: Als ich Bürgermeisterin geworden bin, haben mich viele Frauen gefragt: Was macht denn jetzt dein armer Mann zu Hause? – Einen Mann würden sie so etwas nicht fragen! (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Darum appelliere ich an uns Frauen: Seien wir nicht so kritisch dem eigenen Ge­schlecht gegenüber, zeigen wir mehr Toleranz und stehen wir uns selber nicht im Weg! Trotz meiner langjährigen politischen Erfahrung bin ich immer noch eine Idealistin, und


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ich bin überzeugt davon, dass wir über Parteigrenzen hinweg im Sinne der Gleichbe­handlung gemeinsam noch einiges erreichen können. – Daran werde ich arbeiten, ge­meinsam mit unserer Frau Bundesminister und gemeinsam mit euch, denn nur wenn wir Frauen zusammenhalten, können wir noch einiges im Sinne der Gleichberechti­gung erreichen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. (Abg. Rädler: Da werden wir gleich den Zusammenhalt sehen!)


14.05.31

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Liebe Barbara Krenn, ich freue mich auch auf gute Zusammenarbeit. Das haben wir letztens ohnehin schon im Gleichbehandlungsausschuss bestärkt, und vielleicht ge­lingt uns ja das eine oder andere.

Vielen Dank, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir heute hier die Gelegenheit haben, diesen Gleichbehandlungsbericht für die Privat­wirtschaft im Plenum zu diskutieren. Sie wissen, viele Berichte werden ja in den Aus­schüssen enderledigt, aber ich glaube, dass es richtig ist, darüber zu reden, dass wir nächstes Jahr 40 Jahre Gleichbehandlungsgesetze für die Privatwirtschaft in Öster­reich haben, dass wir seit 1979 für Lohngleichheit kämpfen, möchte ich fast schon sa­gen, und die Lohnschere sich langsam, aber noch viel zu langsam, schließt. Wir sind jetzt bei 19,9 Prozent. Trotzdem sagen uns nicht nur die Mitglieder und Vorsitzenden der Senate I, II und III der Gleichbehandlungskommission, sondern auch die Gleichbe­handlungsanwaltschaft und die KollegInnen, die dort arbeiten, selbst, dass es immer noch so ist, dass es beim Einstieg in eine Arbeitsstelle, beim Höherqualifizieren und beim Umsteigen zu Diskriminierungen kommt und das die allermeisten Fälle – neben der sexuellen Belästigung – sind, die die Gleichbehandlungsanwaltschaft, aber auch die Gleichbehandlungskommission beschäftigen.

Ich glaube, das soll uns Alarmzeichen genug sein, hier darüber nachzudenken, wie wir da weiter vorgehen; die Ausweitung auf ganz Österreich ist ja vor einiger Zeit erfolgt. Stellvertretend für all die Kolleginnen und Kollegen, die dort tagtäglich arbeiten, darf ich Frau Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, namentlich er­wähnen, aber auch Frau Dr.in Eva Matt stellvertretend für die drei Senate. Sie waren ja auch im Gleichbehandlungsausschuss und haben über die Fälle, über die Diskriminie­rungsanliegen der Frauen, aber auch der Männer berichtet.

Ich möchte erwähnen, dass es immer mehr Väter gibt, die sich zum Thema Väterka­renz wegen Diskriminierung an die Gleichbehandlungskommission wenden – was mir und uns wieder zeigt, dass es vor allem bei der jüngeren Generation nicht mehr als so ganz nebensächlich gesehen wird, dass Väter auch in Karenz gehen. Es scheitert aber leider oft an den Unternehmen, die diesen Vätern dann nicht zugestehen, dass sie auch diese Karenzzeit nehmen können.

Daher ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir hier weiterarbeiten und weitertun. Wir werden morgen auch ein Arbeitsmarktpaket für Frauen einbringen. Es geht nicht nur darum, dass man Frauen die Pensionen erhöht, damit sie nicht mehr armutsgefährdet sind. Es würde auch darum gehen – Kollegin Krenn, du hast es gerade gesagt –, dass man Ersatzzeiten anrechnet, damit alle Frauen überhaupt auf diese 1 200 Euro Min­destpension, wenn ich das so nennen darf, kommen können. Es wäre wichtig, dass je­de Teilzeitüberstunde gleich viel wert ist wie eine Vollzeitüberstunde; auch das haben wir nicht. Und ich möchte auch nicht darauf warten, ob in den Kollektivvertragsverhand­lungen, die heuer gar nicht in allen Branchen stattfinden, ausverhandelt wird, dass die


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gesetzliche Elternkarenz angerechnet wird. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Cox.) Wir wollen ein Gesetz, und zwar gleich – und das könnten wir morgen beschließen.

Abschließend noch einmal vielen, vielen herzlichen Dank an alle, die im Antidiskrimi­nierungsbereich tätig sind, die hier auch stellvertretend für uns diese Arbeit leisten, damit Frauen und Männer zu ihren Rechten kommen und auch, wenn sie vor Gericht gehen, bestens begleitet werden.

Frau Kollegin Fichtinger, nur zum Abschluss – ich glaube, es ist Ihnen rausgerutscht –: Kinder sind keine Güter – ich wollte das nur noch einmal sagen –, Kinder sind junge Menschen, aber keinesfalls Güter! (Zwischenruf der Abg. Fichtinger.) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schimanek. – Bitte schön.


14.09.26

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer auf der Galerie und zu Hause! Ja, auch ich freue mich, dass wir heute diesen Gleichbehandlungsbericht der Privatwirtschaft aus den Jahren 2016 und 2017 im Plenum behandeln können. Dieser Bericht wird ja alle zwei Jahre erstellt. Leider war es aber so, dass wir diesen Bericht in den letzten Jahren nur in den Ausschüssen besprochen und dort, wie man sagt, enderledigt haben.

Sowohl die ehemaligen Sozialminister als auch die ehemaligen Frauenministerinnen wollten das hier im Nationalrat nicht diskutieren. (Abg. Heinisch-Hosek: Das stimmt doch nicht! Die Koalition wollte das nicht! Bleiben Sie bei der Wahrheit! Das ist ja unglaublich!) – Kollegin Heinisch-Hosek, Sie brauchen nicht hereinzuschimpfen, ich habe es ja nachrecherchiert. Das letzte Mal haben wir diesen Bericht im Jahr 2010 im Plenum diskutiert.

Aber worüber sprechen wir heute? – Dieser Bericht gibt in zwei Teilen Einblick in die Tätigkeit und Wahrnehmung der Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Verfahren der Gleichbehandlungskommission. Im ersten Teil finden wir den Tätigkeitsbericht der Gleichbehandlungskommission mit den Senaten I bis III. Die Beispiele in diesem Be­richt zeigen, welch große Bedeutung es auch für die Betroffenen hat, Verfahren in die­ser Form abzuwickeln, weil gerade Diskriminierung nicht gerne nach außen getragen wird. Im Berichtszeitraum 1.1.2016 bis 31.12.2017 wurden insgesamt 47 Prüfungser­gebnisse erstellt und – in den zwei Jahren – insgesamt 133 Anträge bei der Gleichbe­handlungskommission eingebracht. Frau Kollegin Heinisch-Hosek hat es ja auch schon gesagt: 70 Fälle in der Gleichbehandlungskommission betrafen Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts das Arbeitsverhältnis beendet haben, und 32 Fälle betrafen sexuelle Belästigung. Weitere Fälle betrafen die ethnische Zugehörigkeit, das Alter, die Reli­gion, die Weltanschauung und die sexuelle Orientierung.

Ebenfalls im ersten Teil des Berichts findet sich eine Darstellung des Sozialministeri­ums über die Entwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes in Österreich und auch die Auflistung wichtiger nationaler Gerichtserkenntnisse. Verletzungen des Gleichbehand­lungsgesetzes können ja nicht nur bei der Gleichbehandlungskommission, sondern auch direkt bei Gerichten zur Anzeige gebracht werden.

Ein weiterer Berichtsteil des Sozialministeriums betrifft auch die Entwicklung des Gleichbehandlungsrechts auf EU-Ebene. Die Frau Sozialministerin hat im Ausschuss ausgeführt, dass eine Richtlinie auf europäischer Ebene leider von Deutschland und Polen blockiert wird und deshalb eine Weiterentwicklung noch ein bisschen angehalten wird. Wichtig sind mir, und das möchte ich an dieser Stelle auch sagen, die weiteren


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Vorhaben der Regierung für die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt, die Über­prüfung und Beseitigung von Diskriminierung in allen Kollektivverträgen. Weitere Maß­nahmen sieht das Regierungsprogramm auch betreffend Neubewertung der Arbeit vor – das ist mir auch ein wichtiges Anliegen.

Und weil Sie die Karenzzeiten in den Kollektivverträgen angesprochen haben, Frau Kollegin Heinisch-Hosek: Ja, auch mir ist es sehr wichtig, dass das jetzt hineinverhan­delt wird. Ich bin nur überrascht, dass Sie als Sozialdemokratin jetzt nicht mehr wirklich an die Sozialpartnerschaft glauben. Wir glauben schon noch daran. Wir lassen den So­zialpartnern die Zeit, und sollten die Sozialpartner nach den zwei Jahren zu keiner Re­gelung und zu keiner Einigung gekommen sein, werden wir natürlich auch eine gesetz­liche Lösung anstreben. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.13


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Gamon. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.13.48

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Gleichbehand­lungsbericht für die Privatwirtschaft zeigt vor allem eines, nämlich dass Frauen noch lange nicht dieselben Chancen am Arbeitsmarkt haben wie Männer. Ich glaube, wir sollten uns darüber unterhalten, warum das so ist.

Was tut denn die Regierung, um sich mit diesem Problem zu beschäftigen? – Es wird vor allem Verantwortung delegiert, denn es ist hier schon unzählige Male erklärt wor­den, dass es bei dem, was in der letzten Sitzung – oder in der vorletzten Sitzung, die Sondersitzung eingerechnet – beschlossen wurde, nicht darum gegangen ist, dass Ka­renzzeiten auf den Kollektivvertrag angerechnet werden, sondern dass sich die Sozial­partner, an die die Verantwortung delegiert worden ist, bitte darum kümmern möchten, dass das in der Herbstlohnrunde, die für viele Bereiche ja quasi jetzt gerade fertig ver­handelt wird, bitte berücksichtigt werden sollte.

Das Ganze wird dann auch als Erfolg verkauft, es wurde sogar von einer Kollegin von der ÖVP im Ausschuss wiederum fälschlicherweise genau so erzählt, dass der Natio­nalrat beschlossen hat, dass die Karenzzeiten angerechnet werden sollen. – Das ist einfach nicht richtig, und unabhängig davon ist es auch kein Erfolg und es wird auch keine Veränderung für Frauen am Arbeitsmarkt bringen, was auch viele ExpertInnen sagen.

Ich würde mich schon freuen, wenn wir uns langsam wirklich einmal damit beschäfti­gen würden, Dinge zu beschließen, die nachweislich funktionieren. Es gibt genügend Best-Practice-Beispiele, auch im europäischen Vergleich, denn andere Länder haben uns sehr gut vorgemacht, was man machen müsste. Die Debatte vorhin über die Kin­derbetreuungseinrichtungen hat auch gezeigt, warum das nicht funktioniert. Das ist der erste Punkt, wo klar gezeigt wird, dass eine teilweise sehr erdrückende Zurück-an-den-Herd-Ideologie unter anderem dazu beiträgt, dass man nicht die entsprechenden wich­tigen Schritte, die auch weiter gehen, machen kann. (Beifall bei NEOS und JETZT so­wie des Abg. Lindner.)

Man schafft es nicht, Maßnahmen zu treffen, die es Frauen auch ermöglichen würden, eine entsprechende Eigenpension zu verdienen, damit sie nicht am Ende ihres Lebens Bittsteller beim Staat sein müssen. Ich glaube, das sollte uns allen ein Anliegen sein: dass wir es Frauen ermöglichen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Erwerbsle­ben zu führen.

Echte Reformen sind nicht zu erwarten, aber ich glaube, wir können uns auch langsam darüber unterhalten, warum das so ist. Ich kann das akzeptieren, es ist eine konserva-


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tive Regierung. Sie haben andere Vorstellungen vom Leben, als ich sie habe. Es ist aber, glaube ich, auch wichtig, aufzuzeigen, wenn man schon davon redet, dass Frau­en endlich gleichberechtigt am Arbeitsmarkt sein sollten, dass das mit konservativer Frauenpolitik nicht gehen wird. Das ist nämlich nicht Sinn und Zweck davon, und das kann man auch ansprechen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten von JETZT so­wie der Abg. Friedl.)

Noch ein paar Worte zum Thema Diskriminierung: Österreich hat mit der Gleichbe­handlungsanwaltschaft eine Stelle geschaffen, die im europäischen Vergleich wirklich eine Spitzenposition einnimmt. Sie haben aber in diesem Bericht auch einige ganz kon­krete Vorschläge gebracht, was ihnen die Arbeit im Alltag erleichtern würde. Das ist einerseits, dass man die personelle Ausstattung der Gleichbehandlungsanwaltschaft unbedingt verbessern muss. Da geht es um Mittel, die gerade auch in den Bundes­ländern notwendig sind, um dort dieselbe Beratung und denselben Service anbieten zu können, und da geht es um Umsetzungen der Empfehlungen der EU-Kommission in dem Bereich.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der aktuell auch in anderen Bereichen diskutiert wird, ist die Kompetenzverteilung, die neu diskutiert werden muss. Es kann eigentlich nicht sein, dass es in Österreich unter den Bundesländern eine Zersplitterung im Gleichbe­handlungsrecht gibt. Ich weiß, dass das ein Thema ist, dessen sich diese Bundesre­gierung angenommen hat: ein bisschen einen Durchblick im Kompetenzwirrwarr zu schaffen. In diesem Bereich sehen Sie ganz konkrete, wirklich einfach aufgegliederte Vorschläge, was man beim Thema Diskriminierung, beim Thema Gleichberechtigung dazu beitragen könnte, damit der Föderalismus kein Hindernis dafür ist, dass alle Frau­en in Österreich denselben Zugang dazu haben, am Arbeitsmarkt diskriminierungsfrei erfolgreich sein zu können.

Ich denke, das sind Vorschläge, mit denen wir uns konkret beschäftigen sollten, auch im Gleichbehandlungsausschuss. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

14.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Cox. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.18.03

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Frau Krenn – ich weiß nicht, wo sie jetzt ist –, auch Gratulation von meiner Seite! Auch ein Hallo an die ZuseherInnen, an die BesucherInnen hier im Haus! Heute diskutieren wir ja über den Gleichbehandlungsbericht, der dankenswerterweise hier ins Plenum des Hohen Hauses gebracht wurde, weil er einfach sehr, sehr wichtig ist. Ich würde mich gerne auf den Teil 2 beziehen, der ja von der Gleichbehandlungsanwaltschaft er­stellt wurde. Diese Gleichbehandlungsanwaltschaft ist in Österreich eine der wichtigs­ten Anlaufstellen für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind.

Man möchte meinen, dass eine solche Anlaufstelle personell und finanziell entspre­chend ausgestattet ist, weil eine solche Einrichtung eigentlich jeder Regierung ein wichtiges Anliegen sein sollte. Wir haben im Ausschuss auch gehört und gesehen, dass die Fälle, die von Personen an diese herangetragen werden, einfach gehört und auch weitergetragen werden müssen. Was wir aber im Ausschuss auch mitbekommen haben und worüber berichtet wurde, ist, dass sie chronisch unterfinanziert ist. Das muss hier auch angesprochen werden, da nicht nur der Bericht ein wichtiger ist, son­dern die Gleichbehandlungsanwaltschaft auch sonst gute Arbeit macht. Es ist wichtig, zu sagen, dass sie personell unzureichend ausgestattet ist. Diese Unterfinanzierung, die im Ausschuss genannt wurde, ist – wie soll ich sagen? – auch ein Aushungern mit


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System. Wir merken auch, dass nicht nur die Gleichbehandlungsanwaltschaft davon betroffen ist, sondern auch einige andere Einrichtungen haben uns berichtet, dass ihre Finanzierung gestrichen wurde.

Das sind Vereine, die sich mit diversen feministischen und frauenpolitischen Dingen auseinandersetzen und eine wichtige Anlaufstelle sind. Diese Vereine hatten davor schon Schwierigkeiten, sich zu finanzieren, und jetzt haben sie auch noch das gleiche Problem wie andere, nämlich dass ihnen vom Frauenministerium die Mittel gekürzt wurden. Diese sind aber die Existenzgrundlage für solche Vereine, und die machen eine sehr, sehr wichtige Arbeit. Hier mein Appell an Sie, Frau Frauenministerin: Das kann nicht sein! Die Arbeit dieser Vereine ist so sehr wichtig.

Nehmen wir zum Beispiel den Klagsverband: Da wurden 30 000 Euro gestrichen. Das ist eine Organisation, an die sich Menschen richten können, die Opfer von Diskriminie­rung geworden sind. Gerade wenn man Opfer einer Diskriminierung geworden ist, braucht man auch rechtlichen Beistand, um zu seinem Recht zu kommen. Da ist der Klagsverband eine wichtige Anlaufstelle. Diesem wurden jedoch die Gelder gestrichen. Von wem? – Vom Frauenministerium.

Nicht umsonst tragen wir heute „Stoppt Gewalt an Frauen!“ (Die Rednerin zeigt den Anstecker, den sie – ebenso wie zahlreiche andere Abgeordnete – trägt.) Das ist ein wichtiges Zeichen, aber das sollten wir nicht nur eine Woche im Jahr beachten, son­dern das muss das ganze Jahr über unsere Devise sein. Das muss aber auch finan­ziert werden. (Beifall bei JETZT sowie der Abgeordneten Friedl und Lindner.) Da geht es um die Finanzierung, die diese Organisationen benötigen. Ich komme aus Stettel­dorf am Wagram, und dort würde man sagen: Ohne Göd ka Musi! Das ist wichtig: Diskriminierungsschutz geht nicht ohne Geld. Ich möchte nicht wieder in der Situation sein, dass wir im Gleichbehandlungsausschuss sitzen und sehen, dass wichtige Orga­nisationen wie die Gleichbehandlungsanwaltschaft uns so einen tollen Bericht vorle­gen, aber im Endeffekt an allen Ecken und Enden nicht richtig finanziert sind. Das war, was ich zum Bericht an sich sagen wollte.

Ein wichtiger Teil in diesem Bericht betrifft auch die sexuelle Belästigung. Es gab vor nicht allzu langer Zeit diesen Antigewaltgipfel. Da ging es um sexuelle Belästigung im Netz. Das ist ein sehr wichtiges Thema, das immer mehr aufkommt – nicht erst seit Sigi Maurer. Ich kann aus meiner Erfahrung als Politikerin erzählen: Gerade wenn man in der Öffentlichkeit steht, ist man betroffen. Es ist belastend. Sigi Maurer hat sehr Wichtiges an die Oberfläche gebracht. Sie hat gemeinsam mit Zara – einer wichtigen Einrichtung für Opfer von Gewalt und Hass im Netz – einen Rechtshilfefonds aus dem Boden gestampft. Ich habe mir zwei Fragen gestellt: Nummer eins: Warum war Zara, warum war Sigi Maurer nicht bei diesem Antigewaltgipfel dabei? Ich kann damit um­gehen, dass die Frauensprecherinnen, dass ich und die anderen Frauensprecherinnen nicht am Tisch sitzen – ich denke zwar, dass das auch nicht richtig war –, aber es ist vor allem wichtig, dass gerade eine Person, die das losgetreten hat, einen Platz am Tisch bekommt! Dass das nicht so war, kann ich einfach nicht nachvollziehen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es geht einfach auch darum, dass man Dinge beim Namen nennen muss und nicht mit Ausreden kommen sollte. Ich möchte aber noch einmal den Rechtshilfefonds anspre­chen, den Sigi Maurer und Zara gemeinsam aus dem Boden gestampft haben: In ei­nem Land wie Österreich, in einem solch reichen Land ist es im Jahr 2018 eigentlich traurig, dass eine solche Initiative wieder aus der Bevölkerung kommen muss. Es sollte eigentlich klar sein, dass sich der Staat für einen solchen Rechtshilfefonds einsetzt und einrichtet und dass das nicht wieder aus der Bevölkerung kommen muss – und das im Jahr 2018!


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Natürlich finde ich es toll, dass sie das aus dem Boden gestampft haben, aber es ist mir wichtig, hier zu sagen, dass ich mir das von der Regierung wünschen würde. Ich wünsche mir das auf politischer Ebene – vor allem, da es sich da ja wieder um Or­ganisationen handelt, denen dann die Gelder gestrichen werden. Das heißt, einerseits werden solche Initiativen von ihnen gestartet, weil der Bedarf da ist, weil das sonst nicht gemacht wird, und auf der anderen Seite werden ihnen dann die Gelder gestri­chen. Das kann nicht sein, wenn es um den Diskriminierungsschutz geht! Da geht es um Verantwortung, und diese Verantwortung, Frau Ministerin, tragen Sie als Frauenmi­nisterin. Das ist so wichtig! Hass im Netz ist keine Eintagsfliege. Hass im Netz ist et­was, das uns noch sehr lange begleiten wird – noch vieler stärker, wenn wir jetzt nichts dagegen tun. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zuletzt würde ich noch gerne auf etwas Persönliches hinweisen. Mein Vater sitzt auf der Besuchergalerie in der ersten Reihe. Er ist heute zum ersten Mal zu Besuch. Hi Dad! (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Warum hebe ich das hervor? – Ich habe das Privileg gehabt, in einer Familie mit vier Brüdern aufzuwachsen, mit einer sehr starken Mutter, mit einem tollen Vater, die mich immer ermutigt haben, meinen Weg zu gehen. Da war Gleichbehandlung kein Thema. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, weil dieses Thema immer in der Familie anfängt. Die Bildung spielt eine verdammt wichtige Rolle; das darf man dabei nicht unterschät­zen. Die Bildung spielt solch eine wichtige Rolle – und das sage ich nicht nur als Bil­dungssprecherin –, weil wir erst gar nicht über die Privatwirtschaft reden müssten, wenn wir schon gebildete Menschen hätten, die wissen, dass Diskriminierung nicht sein darf.

Deswegen sage ich: Thanks Dad, es freut mich, dass du da bist! Ich wünsche vielen anderen, dass sie auch dieses Privileg haben. Dafür werde ich mich hier auch weiter einsetzen. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesminister. – Bitte, Frau Minister.


14.25.43

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und zu Hause! Gleichbehandlung ist ein Begriff, der Gott sei Dank an Bedeutung gewonnen hat, den man nicht mehr täglich trommeln muss. Wenn ich mir allerdings die RednerInnenliste von TOP 4 an­schaue – es sind ein Mann und 15 Frauen, die sprechen –, frage ich mich schon, ob das noch immer ausnahmslos ein Frauenthema ist. (Abg. Lindner: Das ist genau das, was ich immer sage!) Gleichbehandlung geht uns alle an. Das möchte ich hier schon einmal betonen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich wende mich hier an alle Männer, die in die­sem Raum sitzen – und auch an jene, die ihn jetzt bei diesem TOP 4 verlassen haben.

Sie haben es schon gesagt: Seit fast 40 Jahren gibt es das Gleichbehandlungsgesetz, das die Gleichstellung von Frau und Mann regelt, was die Entgeltzahlungen angeht. Dennoch haben wir heute eine Lohnschere von 20 Prozent – 20 Prozent Lohnunter­schied zwischen Männern und Frauen! (Abg. Loacker: ... eine ÖVP-Ministerin die Lohnschere!) Gott sei Dank wird es weniger. Wir wissen, einiges davon ist natürlich strukturell bedingt, vor allem auch dadurch, dass Frauen in Österreich sehr gerne Teil­zeit arbeiten.

Ich habe mich immer für die Wahlfreiheit ausgesprochen, wenn ein Kind kommt. Mütter und Väter sollen entscheiden dürfen, ob sie zu Hause bleiben, wie lange sie zu Hause bleiben. Mit drei Kindern zu Hause kann ich auch emotional sehr gut nachvollziehen,


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dass das eine Entscheidung ist, über die man vielleicht a priori leicht urteilt, wenn man dann aber selbst Kinder hat, ist es nicht mehr ganz so einfach, zu entscheiden, ob man gleich wieder einsteigt, ob man Teilzeit arbeitet oder ob man zu Hause bleibt. Das möchte ich hier schon einmal gesagt haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir wissen auch, dass 90 Prozent jener, die Teilzeit arbeiten, gerne Teilzeit arbeiten. Dennoch ist es meine Aufgabe – deshalb sage ich das immer wieder –, dass wir die Frauen darauf aufmerksam machen, dass es ihnen zum Nachteil gereicht, wenn sie Teilzeit arbeiten, vor allem wenn sie lange Teilzeit arbeiten. Das sieht man vor allem an der Altersarmut. Wir haben einen Pensionsunterschied von 40 Prozent zwischen Män­nern und Frauen. Dagegen müssen wir angehen. Wir haben bereits vier Jahre Pen­sionsanrechnung – sowohl die Begründung als auch die Erhöhung betreffend – für Frauen, die sich nach der Geburt des Kindes um die Kinder kümmern. Wir fordern 24 Monate Karenzanrechnung. Wir wollen das natürlich gemeinsam mit den Sozialpart­nern lösen. Wir haben aber auch ganz klar gesagt, dass es, sollte das nicht klappen, eine gesetzliche Umsetzung geben wird. Ich denke, alle, die vor mir gesprochen ha­ben, gehen mit mir in diesem Punkt d’accord.

Was mir natürlich auch wichtig ist, hier zu erwähnen, ist Folgendes: Es gab viele Gleichbehandlungspakete, es gab Gesetzesnovellierungen, es gab 2004 überhaupt ein neues Gesetz, und damals sind die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Gleichbe­handlungskommission verankert worden. Warum sage ich das? Wir haben heute schon gehört, dass diese beiden Einrichtungen wichtige Arbeit leisten. Die Gleichbe­handlungsanwaltschaft hat über 6 000 Anfragen gehabt. Da gibt es Beratung, Informa­tion, aber auch Begleitung. Da möchte ich einmal Frau Konstatzky – Sie haben sie schon erwähnt –, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Regionalbü­ros Danke sagen.

Die Gleichbehandlungskommission – da haben wir drei Senate – hat in den letzten zwei Jahren über 200 Fälle abgearbeitet. Auch da gilt es Danke zu sagen.

Wichtig ist für mich, dass es über diese Fälle, die abgehandelt werden, auch zu einer Bewusstseinsbildung kommt. Wir sehen, dass es noch immer sehr, sehr viel zu tun gibt. Es geht hier um Diskriminierung. Auch nach der #MeToo-Debatte sind wesentlich mehr Anfragen an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gestellt worden. Da sieht man schon, dass man genau mit solchen Einrichtungen auch wirklich die Bevölkerung mit­nehmen und sehr viel Bewusstsein schaffen kann.

Ich möchte mich deshalb auch gerne bei den drei Senatsvorsitzenden Dr.in Matt, Dr. Risak und Mag. Brunner bedanken, ebenso wie bei den Geschäftsführern und den Senatsmitgliedern. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit! Sie unterstützen alle, die es brau­chen und denen Recht zukommen soll. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kuss-Bergner. – Bitte.


14.31.21

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Ministe­rin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause und hier auf der Galerie! Wir behandeln den Gleichbehandlungsbericht für die Privat­wirtschaft. Mir ist ein Zitat ins Auge gefallen, und zwar von Theodor Adorno: Jeder Mensch muss ohne Angst verschieden sein können. Ich bin überzeugt davon, dass es richtig ist, dieser Verschiedenheit, dieser Vielfalt, dieser Ungleichheit Raum zu geben, nicht alle gleichmachen zu wollen, sondern, wie Theodor Adorno sagt: Jeder Mensch muss ohne Angst verschieden sein können. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 105

Es gibt viele Ansätze und Vorstöße: Von Gendermedizin bis zur Anrechnung der Ka­renzzeiten sind in den nächsten Jahren noch einige Herausforderungen zu meistern. Mit unserem Antrag zur Anrechnung der Karenzzeiten gehen wir einen Schritt in die richtige Richtung, auch um die Einkommensschere zu schließen, zu minimieren. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein ebenso großes Thema ist das automatische Pensionssplitting. Frau Bundesminis­terin, ich bin sehr froh, dass du einen Vorschlag machst, den wir hier wieder breit dis­kutieren. Wir sollten das automatische Pensionssplitting breit diskutieren! Eine wichtige Maßnahme ist auch, unseren Schülerinnen und Schülern die technischen Berufe nä­herzubringen. Es sind strukturelle Maßnahmen notwendig, um Mädchen für die Mint-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – zu begeistern. Es freut mich, dass Frau Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß und Herr Bundesmi­nister Faßmann voll hinter diesem Bereich stehen. Wir wissen alle, dass ein ermutigen­des Umfeld für junge Frauen ein entscheidender Faktor ist – sei es in der Familie, in der Schule oder in einer Organisation. Wichtig ist ein offener Zugang, Dinge auszupro­bieren und die Haltung vermittelt zu bekommen, dass einem die Welt offensteht.

Meine Damen und Herren, die Medien haben uns in den vergangenen Tagen wieder das Thema Kopftuchverbot nähergebracht. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung da eine ganz klare Haltung hat. Wir gehen da auch einen richtigen Weg. Ich kann mich sehr gut an meinen Urlaub in einem muslimischen Land erinnern, wo ich kurzfristig die dortige Kleiderordnung vergessen habe. Ich habe ein kniefreies Kleid getragen. Ich kann Ihnen eines sagen: Die verhassten und entsetzten Blicke, die mir auf der Straße entgegengeschlagen sind, werde ich mein Leben lang nie vergessen. Ich kann mich aber nicht erinnern und habe auch nicht wahrgenommen, dass in muslimischen Län­dern über eine freizügigere Kleiderordnung diskutiert oder geredet wird, nur weil westli­che Touristinnen oder Touristen ins Land kommen. Für mich geht es da nicht um Zah­len, sondern es geht um ein gesellschaftspolitisches Thema. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eine liberale Politik stellt das Individuum und seine persönliche Freiheit in den Vorder­grund. Ein demokratischer Staat hat vordergründig das Ganze und das Wohlergehen seiner Bürgerinnen und Bürger zu sehen.

Liebe SPÖ und NEOS, ich durfte im September den Medien entnehmen, dass Sie sich um ein europaweites Bündnis mit dem französischen Präsidenten Macron matchen. Ich hoffe, dass Sie darüber informiert sind, dass Frankreich ein generelles Kopftuchverbot an Schulen hat. (Abg. Meinl-Reisinger: ... laizistischer Staat! Lernen Sie das einmal! Es gibt einen Unterschied zwischen dem laizistischen Frankreich und uns!) Vielleicht sollten Sie sich von Ihrem europäischen Mitstreiter Macron (Abg. Meinl-Reisinger: ... völliger Mangel an Kulturwissen!) Tipps für den Umgang holen. Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Loacker: Da muss ja dem Engelbert schlecht werden, wenn er das hört!)

14.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lindner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.35.47

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg darf ich mich ganz herzlich beim Team der Gleichbehandlungsan­waltschaft bedanken. Danke für diese tolle Arbeit, danke für diese vielen wichtigen Punk­te und danke für diese vielen Handlungsanleitungen für uns alle – herzlichen Dank! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin! In einigen Redebeiträgen ist es ja schon vorgekommen: Sie wissen, wir brauchen mehr Ressourcen für die Arbeit der Gleichbehandlungsanwalt­schaft. Ich bitte Sie, diese Forderung ernst zu nehmen und auch umzusetzen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 106

Ich glaube, die Frau Bundesministerin hat meine Rede kurz vorher gelesen, denn ich wollte etwas, das sie gesagt hat, auch sagen, nämlich: Wenn man sich die RednerIn­nenliste anschaut, dann muss man sagen, es ist wirklich bezeichnend, dass lauter Frauen und nur ein Mann reden. Wenn man sich die Mitglieder im Gleichbehandlungs­ausschuss anschaut: Da ist es nicht anders, es sind lauter Frauen und ein Mann. (Bei­fall der Abg. Zadić.) Vielleicht sage ich es ein bisschen energischer als die Frau Bun­desministerin: Meine sehr geehrten Herren, liebe Kollegen! Gleichbehandlungspolitik ist immer Frauen- und Männerpolitik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.) Gleichstellungspolitik ist immer Frauen- und Männerpolitik, und Frauenpolitik ist immer Frauen- und Männerpolitik, geschätzte Kollegen! (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ so­wie der Abg. Zadić.)

Ich habe hier schon des Öfteren über das Levelling-up gesprochen. Für uns Sozialde­mokratinnen und Sozialdemokraten ist dieses Thema sehr wichtig. Ich habe aber oft den Eindruck, ihr glaubt uns das nicht. Ich möchte daher aus dem Gleichbehandlungs­bericht zitieren (ein Exemplar des erwähnten Berichts in die Höhe haltend), da steht bei den „wichtigsten Anliegen der Gleichbehandlungsanwaltschaft“ gleich als erster Punkt: „Gleicher Schutz betroffener Personen bei Diskriminierung auf Grund aller Diskriminie­rungsgründe (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung) in allen Bereichen des Gleichbehandlungsgesetzes durch Levelling up.“

Liebe Frau Bundesministerin! Die Gleichbehandlungsanwaltschaft fordert das. Ich bitte Sie, das umzusetzen. (Abg. Schimanek: Das haben wir ja im letzten Ausschuss ge­sagt!) Wenn ich aber an die letzte Ausschusssitzung zurückdenke, dann muss ich sa­gen, es gibt zwar eine Regierung, aber es gibt drei Meinungen. Die Frau Frauenminis­terin hat gesagt, wir wollen die EU-Ergebnisse abwarten. Ich frage mich, wer momen­tan EU-Ratsvorsitzland ist, Frau Bundesministerin! – Es ist Österreich. (Abg. Schima­nek: ... Deutschland!) Die zuständige Sozialministerin möchte Praxisfälle evaluieren. Kollegin Kugler findet das Thema sowieso insgesamt problematisch. Meine Damen und Herren! Wir brauchen von der Regierung nicht drei Meinungen. Wir brauchen eine Umsetzung dieses Gleichbehandlungsberichts und der darin enthaltenen Vorschläge! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist eine ganz einfache Frage: Wollen wir gleichen Schutz für alle Menschen in die­sem Land? – Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen: Ja, wir wollen den gleichen Schutz für alle Menschen in diesem Land!

Wenn Sie uns das jetzt nicht glauben, wenn Sie es dem Bericht nicht glauben, dann darf ich noch Folgendes zitieren: „Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Natio­nen hat in seiner Reaktion auf den 4. Bericht Österreichs über die Menschenrechtslage angeregt, das Gleichbehandlungsgesetz im Hinblick auf den gleichen Schutz gegen Diskriminierung zu novellieren. Auch in der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten ist der Diskriminierungsschutz für alle Merkmale auch außerhalb der Arbeitswelt bereits um­gesetzt.“ Wo nicht? – In Österreich.

Traut euch endlich, springt endlich über euren Schatten und setzen wir endlich das Levelling-up um! (Beifall bei der SPÖ.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sozialdemokratie steht immer auf der Seite einer Gesellschaft ohne Diskriminierung, und das wird auch auf ewige Zeit so bleiben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Jarolim – auf den sich mit Bundesministerin Bogner-Strauß unterhaltenden Abg. Lindner deutend –: Kongeniales Paar!)

14.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schartel. – Bitte, Frau Abgeordnete.



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14.40.06

Abgeordnete Andrea Michaela Schartel (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Ich möchte gerne den Schlusssatz von Herrn Lindner aufgrei­fen, der hier gesagt hat, die Sozialdemokratie stehe immer für Schutz und Nichtdis­kriminierung aller Menschengruppen. – Sie hätten aber in Klammern dazusagen müs­sen: außer man kommt von der FPÖ; dann gelten für Sie nämlich weder Gleichbe­handlung noch Antidiskriminierung noch sonst irgendetwas. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

Ich werde Ihnen das jetzt anhand eines Beispiels erklären: Ich habe schon ein längeres Berufsleben hinter mir und bin auch schon seit meinem 14. Lebensjahr aus Überzeu­gung bei der Freiheitlichen Partei dabei. Ich musste aber leider persönlich erfahren, als ich bei einem sozialistisch geführten Betrieb gearbeitet habe, dass ich aufgrund meines Bekenntnisses, dass ich gerne freiheitliche Politikerin, Mandatarin bin, zweimal meine Arbeitsstelle verloren habe – weil eben die SPÖ niemanden diskriminiert, immer alle gleich behandelt und so lieb und so nett ist. (Abg. Loacker: Das können Sie von der ÖVP auch haben! – Abg. Rosenkranz: Das ändert aber nichts an der Tatsache! – Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Rosenkranz: Da hab’ ich ein paar Fälle mehr in petto!)

Das Nächste, was ich gerade als Frau einfach nicht nachvollziehen kann: Wenn Sie in vielen Bereichen und in vielen Dingen anprangern, dass es nach wie vor, obwohl wir das Jahr 2018 schreiben, doch immer wieder vorkommt, dass Frauen in vielen Dingen diskriminiert und nicht wertgeschätzt werden, warum setzen Sie sich immer wieder mit aller Kraft dafür ein, gerade jene Kultur bei uns hereinzulassen, die nichts anderes im Sinn hat, als Frauen zu diskriminieren? Das Thema Kopftuch entstand nämlich aus dem Tatbestand der Diskriminierung der Frau. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Dönmez.)

Warum? – Weil muslimische Männer sich anscheinend nicht zurückhalten können, wenn sie das lange blonde oder gelockte schwarze Haar einer Frau sehen, deshalb müssen die das Kopftuch tragen. Ich möchte nicht wissen, wie Sie reagieren würden, wenn irgendein österreichischer Mann oder ein katholischer Pfarrer sagen würde, wir dürfen nur mehr Hosen oder lange Röcke tragen und am besten mit Rollkragenpullover herumrennen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und des Abg. Dönmez.)

14.42


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Plakolm. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.42.18

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerinnen und der eine Vorredner haben bereits einige Teile des vorliegenden Gleichbehandlungsberichts für die Privatwirtschaft 2016 und 2017 thematisiert. Ich möchte nun auf ein Thema, auf ei­nen Aspekt näher eingehen, nämlich Hass im Netz.

Dieses traurige Phänomen wurde in den letzten Wochen verstärkt medial thematisiert, und es wurde auch dafür sensibilisiert. Dort, wo sich Menschen in ihre vermeintliche Anonymität zurückziehen, nämlich in den sozialen Netzwerken und in Foren, kann man sensible Grenzen leicht überschreiten. Ganz offenbar sind viele weniger gehemmt, im Internet etwas von sich zu geben, denn man kann beleidigen, ohne die Reaktion des Gegenübers wahrzunehmen, und man muss aktuell auch kaum Konsequenzen dafür fürchten. Oft passieren herabwürdigende Kommentare unüberlegt, oft aber auch ge­zielt und vorsätzlich. Hasspostings richten sich zu einem Großteil gegen Frauen, Kin­der und auch Jugendliche, und Cybermobbing kann schwerwiegende Folgen für die


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Opfer haben. Darum braucht es da dringend Maßnahmen. Das Internet kann und darf kein rechtsfreier Raum sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Rosenkranz.)

In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien und Regeln gelten wie auch in der realen Welt. Ich glaube, da ist es wichtig, dass man die richtige Balance zwischen Meinungsfreiheit und Schutz der Opfer findet. Ich möchte mich an dieser Stelle unter anderem bei unserer Staatssekretärin Karoline Edtstadler bedanken, die sich in der Taskforce Strafrecht dem Thema Hass im Netz verstärkt widmet. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Rosenkranz.)

Ja, was hat Hass im Netz jetzt mit dem Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirt­schaft zu tun? – Besonders im digitalen Zeitalter sollten wir die Grundsätze der Antidis­kriminierung nicht nur offline, sondern auch online mitbedenken und entsprechende Maßnahmen finden. Belästigungen und Mobbing passieren nicht nur direkt am Arbeits­platz, sondern insbesondere und verstärkt über digitale Kanäle. Die Spielregeln, die im täglichen Zusammenleben und face to face für jeden Einzelnen gelten, müssen genau­so vor dem Smartphone oder vor dem Bildschirm gelten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schatz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.44.41

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir feiern dieser Tage nicht nur 100 Jahre Republiksgründung, wir feiern gleichzeitig 100 Jahre Frauenwahlrecht – 100 Jahre, in denen Frauen sehr viel zum Positiven für die Frauen in diesem Land bewegt haben. Ich denke, das ist ein Grund, auch wirklich zu feiern. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aber natürlich nach wie vor viel zu tun, gerade auch, was Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt betrifft. Das belegt ja auch der nun vorliegende Bericht der Gleichbehandlungsanwaltschaft für die Privatwirtschaft. Drei Viertel der Diskriminierun­gen aufgrund des Geschlechts betreffen Frauen. Ein wesentlicher Diskriminierungs­punkt dabei ist ungleiche Bezahlung. Schon die ersten Frauen, die 1919 hier ins Par­lament eingezogen sind, haben gleichen Lohn, gleiches Gehalt für gleiche und gleich­wertige Arbeit gefordert, aber davon sind wir noch heute, 100 Jahre danach, weit ent­fernt.

Ich komme auf ein Beispiel aus meinem eigenen Bezirk zu sprechen, das ist der Bezirk Perg in Oberösterreich, wo die Lohnschere eklatant weit auseinanderklafft. In unserem Bezirk verdienen Frauen um 28,6 Prozent weniger als Männer, das sind im Jahr durch­schnittlich 14 303 Euro; bundesweit sind es im Jahr mehr als 10 100 Euro, die Frauen weniger verdienen. 14 303 Euro, das ist, als ob man den Frauen in meinem Bezirk jährlich einen neuen schnittigen Kleinwagen vorenthalten würde, einfach aufgrund des­sen, dass sie Frauen sind, obwohl sie den gleichen Job machen und gleichwertige Ar­beit leisten.

Das zeigt uns aber auch: Es gibt ganz viele Maßnahmen, die wir treffen müssen, um da aktiv gegenzuarbeiten, damit es nicht weitere 100 Jahre dauert, bis wir dieses Ziel endlich erreicht haben.

Auf eine Maßnahme möchte ich konkret eingehen und dafür auch ein Fallbeispiel aus dem Bericht erwähnen, und zwar: Frau A. muss im Zuge von Sozialplanverhand­lungen, nachdem ihre Abteilung geschlossen wurde, feststellen, dass sämtliche männ­lichen Kollegen ein höheres Grundentgelt haben, obwohl Frau A. über mehr Erfahrung und eine bessere Ausbildung verfügt. Außerdem erhalten die Männer regelmäßig Ge-


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haltserhöhungen und Bindungszulagen, welche Frau A. stets verwehrt bleiben. Die Gleichbehandlungskommission stellt eine Entgeltdiskriminierung fest. – Das ist ein Beispiel von vielen, sehr geehrte Damen und Herren, die zeigen, wie dringend notwen­dig es ist, dass wir endlich echte Einkommenstransparenz in den Betrieben, in der Pri­vatwirtschaft schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist eine Maßnahme, die notwendig ist, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer im Betrieb selbst sehen können, wo sie stehen und wo sie im Vergleich zu an­deren Kolleginnen und Kollegen stehen, damit sie auch bei den Gehaltsverhandlungen Mittel haben, um besser verhandeln zu können.

In diesem Sinne richte ich mich vor allem an die Abgeordneten von FPÖ und ÖVP: Greifen Sie mit uns diese Materie an, setzen Sie sich dafür ein, dass Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit nicht länger weniger verdienen als Männer, diskutieren Sie mit uns über ein Einkommenstransparenzgesetz und wehren Sie das nicht laufend ab oder vertagen es ins Nirwana! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wasser­mann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.48.17

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Der Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft befasst sich mit der Gleichbehandlung von Frauen und Männern, ohne Unterschied hinsichtlich ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung. Er befasst sich aber auch mit den verschiedensten Diskriminierungen und mit der Umsetzung und der Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes.

Der Bund als Arbeitgeber hat einen vorbildlichen Frauenanteil, ebenso verzeichnen wir den historisch niedrigsten Wert beim Gender Pay Gap: 11 Prozent. Dieser Trend ist absolut erfreulich und zeigt auch, dass die Bundesregierung großen Wert auf Gleichbe­handlung legt und auch die im Regierungsprogramm vorgesehenen Punkte und Initia­tiven ständig umsetzt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Lohnge­rechtigkeit, aber auch Einkommenstransparenz und Chancengleichheit stehen bei uns nicht nur auf dem Arbeitspapier, sondern sind gelebte Werte.

Als Unternehmerin habe ich mir einige Punkte im Gleichbehandlungsbericht genauer angeschaut, nämlich: Es gab 267 Anfragen betreffend diskriminierende Stellenaus­schreibungen und Wohnungsinserate; auch da gab es einige Fälle von Diskriminie­rung, 76 Prozent davon betreffen das Entgelt.

Erlauben Sie mir hier eine Anmerkung: Es ist ja aus verschiedensten Studien bekannt, dass Männer nicht besser lohnverhandeln, sie verhandeln aber den Lohn öfter nach. Unter anderem wird dabei auch diskriminiert, aus Gründen des Geschlechts, der ethni­schen Zugehörigkeit oder auch des Alters. Deshalb bin ich ganz dankbar dafür, dass sich die Bundesgleichbehandlungsanwaltschaft mit den Vorfällen auseinandersetzt und viele davon auch positiv lösen konnte, im Sinne einer konstruktiven und funktionieren­den Arbeitswelt.

Dieser Bericht trägt aber auch wesentlich dazu bei, mehr Bewusstsein in der Öffent­lichkeit zu schaffen, Tabus aufzubrechen; denken wir dabei an den Kunst- und Kultur­bereich, denken wir aber auch an die #MeToo-Debatte oder an Hate Speech, an Ge­walt und Hass im Netz.

Die besten Negativbeispiele dafür finde ich persönlich in der SPÖ. Da denke ich zum Beispiel an Kollegin Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner, die eine wüste Beschimp-


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fung von Unternehmen auf ihrer Facebook-Seite tagelang nicht löscht, oder auch an Luca Kaiser. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie brauchen jetzt nicht so nervös zu wer­den, denn Sie wissen, es entspricht der Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.) Ich appelliere hier an die Vorsitzende der SPÖ, Frau Kollegin Rendi-Wagner, die ich als junge Ab­geordnete bei der heutigen Sitzung vielleicht 60 Minuten im Plenarsaal gesehen habe, ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, dass man ihr noch einmal empfiehlt, den eigenen Wertekatalog der SPÖ ernst zu nehmen und auch einzuhalten.

Ich gehe jetzt aber noch einen Schritt weiter, und dieses Thema betrifft nicht nur die SPÖ, sondern auch die Liste Pilz, oder besser gesagt JETZT, nämlich mit einigen Din­gen, die ich jetzt kurz ansprechen möchte. Es hat eine Zeit gegeben, als die Liste Pilz ihre Funktionen wie auf einem Schachbrett hin und her verschoben hat, und da ist mir noch gut in Erinnerung, dass man einer Kollegin aufgrund ihres Wechsels – es war den Medienberichten zu entnehmen – eine Ohrfeige, sozusagen eine Watsche, angedroht hat. Das ist für mich schon sehr, sehr erschreckend, und es zeigt auch, dass die Frak­tion JETZT erst recht eine echte politische Konkursmasse ist. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) Und es zeigt auch, dass das Sittenbild dieser Liste Pilz, dieser Liste JETZT, wirklich schauderhaft ist.

Abschließend zu dieser Thematik: Ich kann mir nur vorstellen, dass Peter Pilz schon so eine dicke Haut haben muss, auch bei diesem Thema, dass er auch ohne Rückgrat gerade stehen kann (Heiterkeit der Abgeordneten Noll und Zadić  Zwischenruf des Abg. Noll), und das ist eigentlich wirklich bedenklich und sollte auch Ihnen, geschätzte Kolleginnen, zu denken geben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend zeige ich heute noch auf den Button, den viele Abgeordneten tragen, nämlich zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Am kommenden Sonntag ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, und wir rücken das Thema Familie, Beruf, Gleichbehandlung in den Mittelpunkt. Verständigen wir uns deshalb heute par­teiübergreifend auf die Wichtigkeit dieses Themas! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Peinliche Rede, schon lange nicht gehört!)

14.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.53.14

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Die Kollegin vor mir, Frau Abgeordnete Wassermann, hat behauptet, ich hätte Hasspostings geschrieben.

Ich weise das auf das Schärfste zurück. Ich habe nie ein Hassposting geschrieben, und jegliches Hassposting auf meiner Seite wurde von mir unverzüglich gelöscht. (Bei­fall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Tatsächliche Selbstbezichtigung!)

14.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Großbauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.53.44

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir be­sprechen ja den Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft, und darin sind auch ein Fall aus dem Bereich Kultur und der Hashtag #MeToo enthalten.

Im Oktober 2017, also erst vor einem Jahr, rief die in den USA lebende Schauspielerin Alyssa Milano anlässlich des Weinstein-Skandals in der Filmbranche dazu auf, den


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Hashtag #MeToo auf Twitter und auf Facebook zu verbreiten, wenn man selbst auch von Übergriffen oder Missbrauch betroffen ist. Was sie damit in Bewegung gebracht hat, geht in die Geschichte ein. Und ja, wir alle haben geahnt und teilweise auch ge­wusst, dass es diese Fälle von sexuellen oder psychischen Übergriffen und Miss­brauch gibt und dass damit sehr oft auch Machtmissbrauch verbunden ist, ganz stark eben auch im Umfeld von Kunst und Kultur. Erschreckend sind oft nicht nur die Fakten selbst, sondern auch der Umgang damit, wenn sie endlich ans Licht kommen – da möchte man auch noch den Hashtag #ShameOnYou hinzufügen.

Auch ich selbst habe in meinem Leben und in meiner beruflichen Laufbahn Übergriffe unterschiedlichster Art erlebt, und es ist nicht immer möglich, sofort Nein zu sagen, sich sofort zu wehren. Der immer wiederkehrende Vorwurf, warum ein Opfer dann nicht sofort alles öffentlich gemacht hat, ist eine absolut abzulehnende Täter-Opfer-Umkehr. Warum es vor 10, 20, 30, 40 Jahren nicht immer sofort möglich war? – Weil es unsere Gesellschaft nicht zugelassen hat, weil vor 40 Jahren Ehemänner sogar noch entschie­den haben, ob ihre Ehefrauen arbeiten dürfen – deswegen!

Gleichbehandlung, Gleichberechtigung bedeutet auch ganz stark ein Bewusstmachen, Überdenken und eine Annäherung vieler Verhaltensmuster im Alltag bei Männern und Frauen, natürlich auch bei Kindern und Jugendlichen. Das beginnt schon im vermeint­lich ganz Kleinen, beim herabwürdigenden Stammtischwitz oder beim herabwürdigen­den Kosenamen unter Kollegen. Sehr geehrte Damen und Herren, Frauen sind nicht für jeden und überall Schnuckis und Mausis. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Ab­geordneten der FPÖ.)

Vor allem auch im Bereich Kultur gibt es seit Jahrzehnten, natürlich eigentlich seit Jahr­hunderten, ein großes #MeToo-Problem. Endlich sprechen Dirigentinnen, Balletttänzer, Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen, Regisseurinnen, Produzentinnen, Frei­schaffende gleichermaßen wie Ensemblemitglieder an kleinen, großen, privaten wie öffentlichen Häusern öffentlich über das, was schon lange, lange hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Die größten Befürchtungen haben sich bewahrheitet.

Ich möchte alle Kulturschaffenden in Österreich und alle Frauen und Männer sowie Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft beziehungsweise -kommission zu wenden oder an Vertrauenslehrer, Vertrauensperso­nen, an eine Telefonhotline, an ein Frauenhaus oder die Polizei – wir haben in Öster­reich viele hochprofessionelle Einrichtungen für Menschen, die Hilfe suchen, weil ihnen andere Menschen Unrecht getan haben. Auch wenn Ihnen das jemand einreden will: Sie sind nicht selber schuld. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der FPÖ.)

14.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Nussbaum. – Bitte.


14.57.33

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens seit #MeToo – meine Vorrednerin hat es auch schon erwähnt – ist klar: Sexuelle Belästi­gung gehört zum Alltag sehr vieler Menschen, in erster Linie sind Frauen betroffen – ei­nerseits im Privatleben, wo wir nur von Dunkelziffern ausgehen können, andererseits aber auch im Arbeitsumfeld. Für diesen Bereich sammelt die Gleichbehandlungsan­waltschaft zahlreiche Daten. Sie hat als staatliche Einrichtung das Ziel, Diskriminierung zu bekämpfen und Gleichstellung zu fördern.

Natürlich werden bei Weitem nicht alle Fälle sexueller Belästigung öffentlich, aber die Zahlen der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigen eine ungefähre Richtung auf. Klar


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ist: 96 Prozent der von sexueller Belästigung Betroffenen sind Frauen. Gerade sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz macht oft ohnmächtig; viele schämen sich, haben Angst, ihren Job zu verlieren, haben Angst vor schlechter Stimmung am Arbeitsplatz. Es ist daher gut vorstellbar, dass der Großteil der Fälle niemals gemeldet wird.

Seit der Regionalisierung 2017 bieten die Regionalbüros der Gleichbehandlungsan­waltschaft auch Beratung und Unterstützung bei allen Diskriminierungsgründen an. Für das Jahr 2017 konnten die vereinbarten Wirkungsziele bei Weitem erfüllt werden; und wo mehr Arbeit ist und entsteht und weitere Kompetenzen dazukommen, muss es auch mehr Geld geben. Die Notwendigkeit personeller Aufstockung, vor allem in den bestehenden Regionalbüros, ist also noch größer geworden. Auch hat sich gezeigt, dass durch die breitere gesellschaftliche Diskussion zum Thema #MeToo die Fallzah­len gestiegen sind. Frauen trauen sich, mehr Fälle anzuzeigen.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, weiter zu fördern. Doch was tut die österreichische Bun­desregierung? – Nichts. Ganz im Gegenteil: Sie erhöht den Druck am Arbeitsplatz, vor allem auch für Frauen. Glauben Sie ernsthaft, meine Damen und Herren von der Bun­desregierung, dass erhöhter Druck am Arbeitsplatz, etwa durch einen 12-Stunden-Tag, dazu beiträgt, dass Frauen sich eher trauen, Fälle sexueller Belästigung publik zu ma­chen? (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso verwunderlich ist es, Frau Ministerin Bogner-Strauß, dass Sie zwar die um­fangreichen Tätigkeiten der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Gleichbehand­lungskommission sehr loben, im Ausschuss aber gesagt haben, Sie werten es als gu­tes Zeichen, die Stellen nach Stellenplan zumindest halten zu können. Frau Frauenmi­nisterin, beginnen Sie endlich einmal, sich für Fortschritte in der Frauen- und Gleich­stellungspolitik einzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch die Aussage von Frau Staatssekretärin Edtstadler im heutigen Ö1-„Morgenjour­nal“ ist ein Hohn für Frauen, die Gewalt ausgesetzt sind. Sie spricht davon, dass Opfer früher beginnen müssten, sich zu wehren. – Es ist wohl die Aufgabe der Politik, Opfer zu schützen! (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Es ist gut, dass sich heute so viele Abgeordnete den Button gegen Gewalt an Frauen angesteckt haben (auf den orangen Anstecker, auf dem eine blaue Hand sowie die Aufschrift „Stoppt Gewalt an Frauen“ zu sehen ist, den sie am Revers trägt, weisend), auch die heutige Medienaktion am Josefsplatz ist ein wichtiges Zeichen. Oranges Licht und Buttons allein helfen jedoch keiner einzigen Frau tatsächlich – lassen Sie Ihren Worten endlich Taten folgen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kugler. – Bitte.


15.01.14

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Ich nutze meine Redezeit heute dazu, Herrn Kollegen Lindner direkt auf seinen Vorschlag zu antworten. Er hat gesagt, das Levelling-up brauche Ös­terreich dringend. – Seine Forderung höre ich wohl, allein mir fehlen die Argumente! Vielleicht kann ich da einiges richtigstellen.

Zuerst einmal die Frage nach der Reaktion der Ministerin: Frau Minister Hartinger-Klein hat nicht gesagt, sie wolle Fallbeispiele sehen, sondern sie hat gesagt, sie möchte von diesem Projekt Abstand nehmen, und dafür hat sie auch sehr, sehr gute Gründe. Ich darf das vielleicht kurz für jene Kolleginnen und Kollegen erklären, denen nicht ganz präsent ist, wie das Levelling-up funktioniert. Es handelt sich dabei um eine Verschär­fung der Diskriminierungsgesetze, nämlich um eine Ausdehnung des Verbots der Un-


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terscheidung im unternehmerischen Handeln, in der Zurverfügungstellung von Waren und Dienstleistungen, und zwar in Bezug auf Alter, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung.

Damit das nicht so kompliziert klingt, bringe ich ein paar Beispiele: Was fordert die Sozialdemokratie da? – Seniorentarife, zum Beispiel bei der Westbahn, müssten ein­gestellt werden. Hoteliers dürften keine Spezialprogramme mehr für Kinder oder auch für Erwachsene anbieten. Ein jüdischer Restaurantbesitzer müsste seine Versamm­lungsräume einem antisemitischen Verein vermieten. Eine vor den osteuropäischen Kommunisten geflohene Familie müsste ihre Anlegerwohnung an die kommunistische Partei vermieten. Ein islamisches Reisebüro müsste Christen nach Mekka mitnehmen, und so weiter und so fort. (Abg. Haubner: So schaut es aus!)

Das habe ich im Ausschuss auch der Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft, Frau Mag.a Konstatzky, vorgetragen. Sie hat gesagt: In all diesen Fällen müssen wir Ausnahmen machen. Doch wenn wir in all diesen Fällen Ausnahmen machen, brau­chen wir das ganze Gesetz gar nicht zu machen! Professor Tomandl, ein großer ös­terreichischer Jurist, hat zum Levelling-up gesagt: „Das ist der massivste Eingriff in die Freiheit“, den man sich vorstellen kann. Nicht von ungefähr, liebe Kolleginnen und Kol­legen von den Sozialdemokraten, gibt es dafür auf EU-Ebene keinen Konsens; seit 2008 liegt dieses Projekt auf Eis.

Deutschland hat zum Beispiel gesagt: Das tragen wir nicht mit. Wissen Sie, warum? – Ich gebe nur ein paar Beispiele: vermehrte Rechtsunsicherheit, faktische Benachteili­gung von Nichtmerkmalsträgern, erhöhter Bürokratieaufwand, verfügter Kontrahie­rungszwang. Das Levelling-up ist bitte schön kein Gleichstellungsgesetz, sondern ein Privilegierungsgesetz! Tendenz- und Nischenunternehmen werden dadurch unmöglich.

Sie kennen sicher Montesquieu, den großen Theoretiker der Gewaltenteilung; er hat gesagt: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ – So verstehen wir Politik: Statt Levelling-up stehen wir für Privatautonomie. Wir stehen für Gewissensfreiheit, Eigentumsfreiheit und für die unter­nehmerische Freiheit. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Yildirim. – Bitte.


15.04.40

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Minis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einige meiner VorrednerInnen haben das The­ma Gleichbehandlung angesprochen: Ich finde es gut, dass es da fraktionsübergrei­fend den Wunsch gibt, eine echte Gleichberechtigung herbeizuführen – aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Scheinheiligkeiten! Wenn wir sagen – zu Recht sagen! –, jedwede Form der Unterdrückung und schlechten Behandlung ist ab­zulehnen, dann gilt das wirklich für alle.

In dieser Debatte wird auch immer wieder die Kopftuchfrage thematisiert: Es gibt die Kopftücher, die sichtbar sind, und die Kopftücher, die unsichtbar sind, wenn wir diese als Unterdrückungssymbol nehmen. (Ruf bei der ÖVP: Die habe ich noch gar nicht gesehen!) – Weil sie unsichtbar sind! In diesem Zusammenhang appelliere ich noch einmal, hier keine Doppelmoral an den Tag zu legen.

Da passt wunderbar ein Zitat von Johanna Dohnal aus dem Jahre 2001, dem ich hier ein bisschen Raum geben möchte: „Das gegenwärtige Wiedererstarken männlicher Werthaltungen und traditioneller Rollenbilder geht einher mit Xenophobie,“ – Frem­denfeindlichkeit – „Nationalismus, Sexismus und Sozialabbau, mit dumpfem Populis-


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mus [...] und der Aushöhlung von Rechtsstaatlichkeit.“ – Das, meine sehr geehrten Da­men und Herren, aus dem Mund einer großen Sozialdemokratin, der ersten Frauen­ministerin, sollte für uns schon auch richtungsweisend sein! (Abg. Bösch: Für uns nicht!)

Ich freue mich, dass die #MeToo-Debatte viel Staub aufgewirbelt hat. Man liest im Be­richt der Gleichbehandlungsanwaltschaft, dass da sehr viele Beschwerden eingegan­gen sind. Ich glaube, da müssen wir uns ganz entschieden und gemeinsam erklären und sagen, wir sind gegen Machtmissbrauch – egal wo er vorkommt. Wir müssen Dis­kriminierung, schlechte und ungerechte Behandlung benennen und wir müssen das verändern. Die sozialdemokratische Fraktion hat daher einen entsprechenden Ent­schließungsantrag eingebracht, dass die Regionalbüros, die ja mit 1.7.2017 mit mehr Aufgaben betraut wurden, auch personell aufgestockt werden sollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich vertraue darauf, dass da Wort gehalten und im Sinne der besseren Gesellschaft und Gleichbehandlung diesem Antrag die Zustimmung erteilt wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

15.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Jeitler-Cincelli. – Bitte.


15.07.30

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ich möchte die mir zur Verfügung stehenden 3 Minuten nutzen, um mich aus dem Gleich­behandlungsausschuss zu verabschieden und drei Gedanken zu hinterlassen.

Erstens: Frauenpolitik ist Standortpolitik und damit Wirtschaftspolitik; ohne Frauen gibt es in Österreich keine Zukunft. Frauen zu stärken und zu ermutigen, ihren individuellen Weg zu gehen, ist unersetzlich für die Stabilität unseres Landes. – Mit dieser Intention habe ich die Arbeit hier begonnen und musste leider bald erkennen, dass dieser posi­tive und optimistische Ansatz nicht der Tradition dieses Ausschusses entspricht.

Zweitens: Ich finde es schade, dass Frauenpolitik durch Ihre Fraktion – und speziell durch Sie, Frau Ministerin a. D. Heinisch-Hosek – zu einer Materie gemacht wurde, die permanent zu einer Ideologieschlacht führt; niemand will mehr daran anstreifen. Mit dem ständigen Fokus auf eine vermeintliche soziale Kälte (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt!) in unserem Land degradieren Sie Frauenpolitik nämlich zu einer Art Opferkult, und das will niemand. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Nein! Nein!)

Das hat dazu geführt, dass quer durch die Bank keine sinnvolle Herangehensweise in diesem Bereich gewachsen ist, dass viele Menschen, auch junge Menschen, die Be­griffe Feminismus und Emanzipation negativ empfinden (Abg. Heinisch-Hosek: Nein, nein, nein!) und dass viele Kolleginnen und Kollegen mit diesem Bereich einfach über­haupt nichts mehr anfangen können – und das ist schade. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie haben in Österreich beinahe 20 Jahre lang federführend die Verantwortung in diesem Bereich getragen – wenn Ihrer Meinung nach alles so schlecht und dramatisch ist, hätten Sie vielleicht beizeiten Ihre Strategie hinterfragen sollen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Jetzt wird’s schlechter!)

Drittens: Ich freue mich, dass ich meine Funktion im Ausschuss, und damit auch die Funktion der Frauensprecherin, an eine wirklich starke Persönlichkeit übergeben darf: an unsere Barbara Krenn. Sie zeichnet sich durch genau die vorhin genannten Qualifi­kationen aus: durch Optimismus, Zuversicht und echte und ehrliche Wertschätzung der anderen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)


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So stelle ich mir den Zukunftsweg in der Gleichbehandlungspolitik vor: Gleichbehand­lung soll Empowerment bedeuten, das ist etwas Bestärkendes, das ist etwas Freud­volles. Liebe Kollegin Heinisch-Hosek – jetzt unterhält sie sich gerade –: Lassen Sie doch diesen Geist, einen freudvollen Zugang, in den Ausschuss einziehen! Ich glaube, damit wäre uns allen mehr geholfen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mario Lindner zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.10.19

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kugler hat behauptet, Frau Bundesministerin Hartinger-Klein wollte eigentlich vom Levelling-up Abstand nehmen. Diese Behauptung ist un­richtig.

In der Parlamentskorrespondenz Nummer 1219 vom 6.11.2018 steht: „Zur Diskussion um Levelling-up, die Gudrun Kugler (ÖVP) im Sinn der Spartenfreiheit als problema­tisch, Mario Lindner (SPÖ) hingegen als dringende Forderung erachtet, will Bogner-Strauß die Entwicklungen auf EU-Ebene abwarten. Auch Hartinger-Klein will hier ei­ne Evaluierung, welche Maßnahmen zu treffen seien.“ (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Cox.)

15.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Bißmann. – Bitte.


15.11.03

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsi­dent! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Frau Barbara Krenn, auch ich gratuliere ganz herzlich zum Antritt der neuen Rolle als ÖVP-Frauensprecherin und freue mich auf die Zusammenarbeit! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben in den letzten 100 Jahren hier in Österreich sehr viel erreicht: das Frauen­wahlrecht, die gesetzlich verankerte Gleichstellung und nicht zuletzt die im Bundes­kanzleramt angesiedelte Gleichbehandlungsanwaltschaft, die auf die Initiative unserer sehr verehrten Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zurückgeht. Heute ist ein gu­ter Tag für die Menschlichkeit: Wir demonstrieren Einigkeit und Zusammenhalt, indem wir überparteilich ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und für Gleichstellung der In­dividuen setzen.

Die Aktion „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ wird weltweit genutzt, um das Ausmaß und die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt gegen Frauen zu thematisieren – nicht nur die physische, die sexuelle, sondern auch die Gewalt im Internet. Dort, in der digitalen Welt, werden verbalisierte Diskriminierung und Hass immer deutlicher sicht­bar; es war heute schon einige Male die Rede davon. Es gibt glücklicherweise immer mehr Betroffene, die den Mut aufbringen, über das von ihnen Erlebte zu sprechen – Hashtag #MeToo. Die Betroffenen werden aber dennoch oft zu Opfern stilisiert, und das Opfer wird durch ein öffentliches Bekenntnis zur Täterin. Rollenumkehr nennt man das.

#MeToo hat die Notwendigkeit von Anlaufstellen für Betroffene aufgezeigt. Der vorlie­gende Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft verweist auf die erste Anlauf­stelle für Opfer von Hass im Netz in Österreich: Zara – Zivilcourage und Anti-Rassis­mus-Arbeit – unterstützt die Betroffenen und steht im Austausch mit der Gleichbehand­lungsanwaltschaft, fungiert sozusagen als Clearingstelle. Ich möchte dazu ein Zitat von Zara vorlesen: Im Zuge unserer Tätigkeiten als Beratungsstelle finden immer wieder


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Personen zu uns, insbesondere Frauen bei Cybermobbingfällen, die via Direktnach­richt extremem Hass ausgesetzt sind, sich aber rechtlich nicht dagegen wehren kön­nen. – Zitatende. Auch Sigi Maurer hat bei Zara Unterstützung gefunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verbale Gewalt, Verleumdung, Ehrenbeleidigung, üb­le Nachrede sind kriminelle Handlungen. Wie einige von Ihnen wissen, bin ich selbst Betroffene. Es wurde von mir erwartet, dass ich mein Mandat zurücklege, ich habe das nicht gemacht – das hat viele Menschen in diesem Land irritiert. In der Folge ist ein massiver Shitstorm über mich hereingebrochen: auf den sozialen Netzwerken, per E-Mail und sogar auf der Straße. (Ruf bei der FPÖ: Na geh!) Eines der vielen Hassmails, die ich bekommen habe, möchte ich nun hier verlesen: „Frau Bißmann. Ich habe noch nie in meinem langen Leben eine so verlogene und unfähige strohdumme Politikerin erlebt. Ich habe vor jeder Prostituierten 100 mal mehr Respekt als vor Ihnen. Sie sind die schamloseste politische Hure seit es Politiker gibt. Schleichen Sie sich“. (Abg. Ro­senkranz: War das ein Sympathisant der Liste Pilz? – Abg. Bösch: War das ein Par­teifreund?)

Ich lasse das jetzt einmal so stehen. Ich müsste damit rechnen, verklagt zu werden, wenn ich den Namen des Absenders öffentlich nenne oder damit vor Gericht ziehe. Ich habe den Namen, der Absender hat mir diese E-Mail mit Klarnamen geschickt, aber ich kann damit nicht vor Gericht gehen, weil der Justiz da die Hände gebunden sind. Die RichterInnen berufen sich auf das gültige Recht. Das Prozessrisiko liegt bei der Klägerin, zudem muss durch zwei weitere Personen nachgewiesen werden, dass der Absender auch wirklich die Nachricht geschrieben hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Machen Sie was!)

Ich lade Sie deshalb ein: Unterstützen Sie im Sinne eines Zeichens, eines starken Sig­nals der Hilfe für Betroffene sexistischer, herabwürdigender Cyberbelästigung partei­übergreifend den eingebrachten Entschließungsantrag betreffend „besseren Schutz von Betroffenen vor sexistischen Onlineübergriffen (Cyberbelästigung)“! Der Antrag steht auf der Tagesordnung der Sitzung des Justizausschusses nächste Woche.

Ich bedanke mich bei meinen Kolleginnen Stephanie Cox, Gabriele Heinisch-Hosek und Pamela Rendi-Wagner für die Unterstützung bei der Einbringung dieses Antrages. Wir hier im Hohen Haus haben die Möglichkeit und die Pflicht, Verbesserungen in der Gesellschaft, im Umgang miteinander voranzutreiben, im Sinne einer respektvolleren Gesellschaft, aber vor allem einer Gesellschaft mit Anstand, denn: „Politik ist der Ort, an dem wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben“, um Herrn Matthias Strolz zu zitieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abge­ordneten Amon, Diesner-Wais und Cox.)

15.15

15.15.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Gleichbehandlungsaus­schusses, den vorliegenden Bericht III-207 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf jene Damen und Herren, die den Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen. Ich danke sehr herz­lich.

Wir haben jetzt noch 3 Minuten Zeit, um mit Tagesordnungspunkt 5 zu beginnen, bevor die Dringliche aufgerufen wird. Ich würde mit diesem Tagesordnungspunkt beginnen. (Abg. Jarolim: Das ist eine beherzte Entscheidung!) – Ich danke für den Kommentar. (Allgemeine Heiterkeit.)


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15.16.205. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 413/A(E) der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erarbeitung von Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Porno­graphie und Gewalt im Internet (357 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.


15.17.08

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kinder- und Jugendschutz ist für uns sehr wichtig, das sollte, glaube ich, für uns als Politiker eine der wichtigsten Aufgaben sein. Digita­lisierungs- und Medienkompetenz zu vermitteln, ist meiner Meinung nach auch der wichtigste Schritt, um Kindern und Jugendlichen einen selbstbewussten Umgang im Internet zu ermöglichen. Sie leistet auch einen funktionierenden Beitrag dazu, Kinder und Jugendliche zu wappnen, wenn sie Desinformationskampagnen im Internet auffin­den, und auch, um Hass im Netz vorzubeugen. Ich glaube, das ist ein Thema, von dem aus wir hier gleich zum nächsten Punkt überleiten können.

Der Antrag, der hier vorliegt, ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man es nicht ma­chen sollte und wie komplett planlos, oberflächlich und banal man bei so einem Thema unterwegs sein kann. Es sind Ihnen aber immerhin zwei Dinge aufgefallen: erstens, es gibt ein Internet, und zweitens, da sind auch junge UserInnen unterwegs. – Willkom­men in der Gegenwart, liebe Regierung! (Beifall bei den NEOS.)

In diesem Antrag wird die Bundesministerin aufgefordert, „im Rahmen ihrer Möglichkei­ten die Medienkompetenz von jungen Menschen im außerschulischen Kontext zu stär­ken“. – Das ist nichtssagend ohne Ende! Was soll das genau heißen? Ich weiß, dass wir dieses Problem mit dieser Bundesregierung in vielen Bereichen haben, und auch da gilt wie schon bei der Ratspräsidentschaft: Was heißt das eigentlich konkret? Die­ses Thema ist viel zu wichtig, als dass wir uns da nur mit Allgemeinplätzen beschäfti­gen könnten und zufrieden geben sollten.

Für die ZuseherInnen ist aber vielleicht auch interessant, zu wissen: Es gibt eine Ös­terreichische Jugendstrategie, und die beinhaltet auch den Bereich „Medien und Infor­mation“ als eines von vier wesentlichen Handlungsfeldern. Da gibt es auch Förderun­gen, nämlich 400 000 Euro im Jahr. Deshalb stelle ich die Frage zu diesem konkreten Antrag: Was genau soll da zusätzlich geschehen?

Ich frage jetzt noch weiter nach konkreten Antworten anstatt nach sinnlosen Plattitü­den. Was bitte soll zum Beispiel mit „Bestimmungen zum Schutz von Kindern und Ju­gendlichen im Internet“ generell gemeint sein? Der Jugendschutz ist ja in Österreich, wie wir wissen, nicht Bundessache, sondern in neun unterschiedlichen Landesgeset­zen geregelt. Regeln bezüglich jugendgefährdender Medien, Gegenstände und Dienst­leistungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Unser Antrag zur Ver­einheitlichung des Jugendschutzgesetzes wurde im Übrigen im Ausschuss immer wie­der vertagt, und man hat sich auch jetzt noch nicht darauf geeinigt, dass man das in Bundeskompetenz geben sollte.

Auf europäischer Ebene gibt es eine Novelle der Richtlinie über audiovisuelle Medien­dienste, die im Übrigen auch genau auf das abzielt: Da wurde der Jugendschutz ver­schärft, und es wurde auch auf Onlineplattformen erweitert. Man könnte diese Richt­linie jetzt auch rasch umsetzen; Minister Blümel hat eigentlich schon angekündigt, dass


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er das machen will. Die Frage ist, warum man sich nicht gleich überlegt hat, wie man die Richtlinie ordentlich umsetzen könnte – stattdessen wird ein ultrabanaler, sinnloser Antrag vorgelegt.

Wie wäre es damit, Geld in die Hand zu nehmen und die Medienkompetenz nicht nur im außerschulischen, sondern auch im schulischen Kontext zu behandeln, um Kindern auch beizubringen, was passiert, wenn sie im Internet Informationen über sich selbst preisgeben, wie man mit Quellen im Internet umgeht, wie man erkennen kann, ob et­was wahr ist oder nicht, oder wie man erkennen kann, ob etwas gefährlich ist?

Es ist schon fast eine Verhöhnung des Parlaments, einen solchen Entschließungsan­trag einzubringen, wenn man selbst der Gesetzgeber ist. Um welche Bestimmungen geht es genau? Was soll eigentlich wie wo geregelt werden? Wollen Sie etwas im Strafgesetzbuch ändern? Geht es um das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz? Geht es um das Jugendschutzgesetz? Geht es um Bildung? Geht es um Netzpolitik? Was soll es im Übrigen auch noch kosten? Und was soll es eigentlich bringen? – Ich finde das peinlich. (Beifall bei den NEOS.)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Verhandlungen zu Tagesordnungs­punkt 5 unterbrechen.

15.21.05Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Inneres betreffend „,verlässliche‘ Neonazis“ (2310/J)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 2310/J.

Ich darf den Herrn Bundesminister für Inneres herzlich im Hohen Haus begrüßen. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Da inzwischen allen Abgeordneten die entsprechenden Unterlagen schriftlich zugegan­gen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Dem Neonazi und Küssel-Kameraden Thomas K.C. ist im Verantwortungsbereich des Innenministers im Rahmen einer Zuverlässigkeitsüberprüfung die Zuverlässigkeit amt­lich bescheinigt worden. Auf dieser Basis wurde er im Parlament als Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma G4S mit Sicherheitsaufgaben im Bereich der Abteilung A2.2 betraut. In diesem Zusammenhang war er auch für die Taschenkontrolle bei Journa­listen im BVT-U-Ausschuss, für den Zutritt zum Medienraum des U-Ausschusses, in den die Befragungen live übertragen werden, sowie für den Ausschluss von Mitarbeite­rinnen des Kabinetts des Innenministers aus dem U-Ausschuss zuständig.

Das Security-Unternehmen G4S stellt dazu fest:

* Der Mitarbeiter Thomas C. wurde am 5. Februar 2018 eingestellt und hatte zu diesem Zeitpunkt einen lückenlosen Lebenslauf sowie ein einwandfreies Führungszeugnis (Strafregisterauszug) vorzuweisen.

* Er wurde standardmäßig einer „Zuverlässigkeitsprüfung“ (gemäß § 130 Gewerbeord­nung) unterzogen – das positive Gutachten der Landespolizeidirektion Wien vom 27. Feb­ruar 2018 liegt vor.


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* Im April 2018 wurden auf Anordnung des Parlaments alle dort eingesetzten Mit­arbeiter noch einmal einer Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen – darunter auch der be­treffende Thomas C. Das Schreiben der Landespolizeidirektion Wien vom 30. Mai 2018 liegt ebenfalls vor.

* G4S hat den betreffenden Mitarbeiter sofort nach Auftauchen der Vorwürfe gegen ihn am 16.11.2018 dienstfrei gestellt und am 19.11.2018 wurde das Dienstverhältnis ge­löst.

Da die unterfertigten Abgeordneten eine andere Vorstellung von „Verlässlichkeit“ ha­ben, richten sie an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage

Verlässlichkeit

Der Fall K.C.

1. Wer im BMI hat dem Neonazi Thomas K.C. im Rahmen einer Zuverlässigkeitsprü­fung nach § 130 Gewerbeordnung die Zuverlässigkeit bescheinigt?

2. War der LPD Wien im Februar 2018 bekannt, dass das LV Wien schon 2015 gegen K.C. wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz bei der StA Wien Anzeige erstattet hat?

3. Wie konnte einem Neonazi aus der Küssel-Gruppe, der unter Beobachtung des LV Wien stand, am 27.2.2018 von der LPD Wien ein positives Gutachten für die Anstel­lung in einem Security-Unternehmen ausgestellt werden?

4. War der LPD Wien klar, dass damit die Begründung für die Ausstellung eines Waf­fenpasses gegeben wurde?

5. Wurde bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit auch im BVT bzw. im LV Wien Nach­frage gehalten, um zu verhindern, dass eine Person mit extremistischem Hintergrund im Sicherheitsbereich als „zuverlässig“ eingestuft wird?

6. Noch am 12. Juni 2016 wurde K.C. gemeinsam mit Küssel und dessen Stellvertreter Paul B. beim Public Viewing fotografiert. Wurde dem BMI in diesem Zusammenhang bekannt, dass K.C. seine Tätigkeit im Neonazi-Bereich unter der Führung von Paul B. ausführte?

7. Bei einer kurzen Nachschau in Google wäre klar geworden, dass K.C. der Neonazi-Szene in Wien angehört. Wurde Thomas K.C. im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung gegoogelt?

8. Seit wann ist dem BMI bekannt, dass mit K.C. ein Neonazi für die Sicherheit des BVT-U-Ausschusses mitverantwortlich ist?

Waffen

9. Der Neonazi Paul B. steht in engem Kontakt mit K.C. Beide gehören der Neonazi-Facebook-Gruppe „Unwiderstehlich“ an. Wie K.C. arbeitet B. für eine Security-Firma in Wien. B. trägt sichtbar eine Glock 17. Ist der Neonazi Paul B. im Besitz eines Waffen­passes?

10. Ist B. im Besitz einer gültigen Waffenbesitzkarte?

11. Wenn ja, seit wann und mit welcher Begründung besitzt B. eine Waffenbesitzkarte bzw. einen Waffenpass?

12. Welche Waffen darf B. mitführen?


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13. Welche Waffen besitzt B.?

14. Ist der BVT-Security-Neonazi K.C. im Besitz einer gültigen Waffenbesitzkarte?

15. Ist K.C. im Besitz eines gültigen Waffenpasses?

16. Wenn ja, seit wann und mit welcher Begründung besitzt K.C. eine Waffenbesitz­karte bzw. einen Waffenpass?

17. Welche Waffen darf K.C. mitführen?

18. Welche Waffen besitzt K.C.?

19. Voraussetzung für die Ausstellung eines Waffenpasses ist laut Waffengesetz und den Durchführungsverordnungen zum Waffengesetz eine Verlässlichkeitsprüfung, die in der Regel ausschließlich aus einem psychologischen Gutachten besteht. Warum wird in diesem Zusammenhang die mögliche Zugehörigkeit zu einer extremistischen Gruppierung nicht in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz überprüft?

20. Wie viele Personen, die vom BVT oder von Landesämtern für Verfassungsschutz als Extremisten eingestuft werden, verfügen über einen Waffenpass?

21. Wie viele Personen, die vom BVT oder von Landesämtern für Verfassungsschutz als Extremisten eingestuft werden, verfügen über eine Waffenbesitzkarte?

22. Wie viele Personen, die vom BVT oder von Landesämtern für Verfassungsschutz als Extremisten eingestuft werden, sind im Besitz von Faustfeuerwaffen?

23. Wie viele Personen, die vom BVT oder von Landesämtern für Verfassungsschutz als Extremisten eingestuft werden, sind im Besitz von halbautomatischen Waffen?

24. Wer hat es unterlassen, in die Durchführungsverordnungen zum Waffengesetz eine Überprüfung des extremistischen Hintergrunds einer Person aufzunehmen?

25. Warum nehmen Sie bis heute in Kauf, dass Extremisten in Österreich Schusswaf­fen bis hin zu halbautomatischen Sturmgewehren erwerben und tragen dürfen?

26. Warum verfolgen Sie gut integrierte Lehrlinge und sehen bei der legalen Bewaff­nung von Neonazis weg?

27. Ist der Neonazi K.C. nach Gewerbeordnung und Waffengesetz heute nach wie vor „zuverlässig“?

Verlässliche Kabinette

28. BMI, BMLVS, BMVIT, BMOEDS – in Kabinetten von Ministerien, die von großer Bedeutung für die Sicherheit Österreichs sind, sitzen Personen mit eindeutig rechts­extremen Wurzeln. Ist sichergestellt, dass Personen, die über ihre Funktion in Kabi­netten von Bundesministern Zugang zu besonders klassifizierten oder für die Sicher­heit besonders relevanten Informationen haben, rechtzeitig vor Dienstantritt einer Si­cherheitsüberprüfung durch die Abt 3/BVT unterzogen wurden?

BMI

29. Ist Roland Teufel (Brixia Innsbruck) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Innenmi­nisters einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

30. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

31. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

32. Ist Alexander Höferl (unzensuriert.at, Gothia zu Wien) vor seiner Bestellung ins Ka­binett des Innenministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

33. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

34. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?


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BMLVS

35. Ist Michael Klug (Gothia zu Graz) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Verteidi­gungsministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

36. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

37. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

BMVIT

38. Ist Rene Schimanek (enge Kontakte zu Küssel) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Infrastrukturministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

39. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

40. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

41. Ist Herwig Götschober (Obmann der Bruna Sudetia und Mitglied der Burschen­schaft Franko-Cherusker, 2016 Sprecher der Deutschen Burschenschaft = Dachver­band der Burschenschaften aus D und Ö) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Infra­strukturministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

42. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

43. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

44. Ist Andreas Reichardt (Cimbria Wien) vor seiner Bestellung zum Generalsekretär des Infrastrukturministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

45. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

46. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

47. Ist Irmgard Fischer (Freya, dann Nike) vor ihrer Bestellung ins Kabinett des Infra­strukturministers als Referentin ÖBB/Schiene einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

48. Wenn nein, warum – trotz ihrer rechtsextremen Verbindungen – nicht?

49. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

50. Ist Roland Esterer (Saxonia Wien) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Infrastruk­turministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

51. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

52. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

53. Ist Arndt Praxmarer (Suevia Innsbruck) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Infra­strukturministers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

54. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

55. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

3. Präsidentin des Nationalrats

56. Ist Dimitrij Grieb (Moldavia Wien) vor seiner Bestellung ins Kabinett der National­ratspräsidentin einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

57. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

58. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

59. Ist Michael Siedler (Olympia) vor seiner Bestellung ins Kabinett der Nationalrats­präsidentin einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

60. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?


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61. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

62. Ist Konrad Belakowitsch (Silesia) vor seiner Bestellung ins Kabinett der National­ratspräsidentin eine Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

63. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

64. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

BMOEDS

65. Ist Roland Weinert (Suevia Innsbruck) vor seiner Bestellung ins Kabinett des Vize­kanzlers einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden?

66. Wenn nein, warum – trotz seiner rechtsextremen Verbindungen – nicht?

67. Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist diese Überprüfung gekommen?

68. Wer trägt für den Umstand, dass

1.) Neonazis von Beamten des BMI nach Gewerbeordnung und Waffengesetz als „zu­verlässig“ eingestuft werden;

2.) die Einholung der notwendigen begleitenden Auskünfte aus dem Verfassungs­schutz unterlassen wird und

3.) Personen mit einschlägigen Verbindungen ins rechtsextreme Milieu ohne penible Sicherheitsüberprüfungen durch das BVT Zugang zu klassifizierten Dokumenten in Schlüsselbereichen der öffentlichen Sicherheit und der kritischen Infrastruktur Zugang haben;

die politische Verantwortung?

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Herrn Abgeordnetem Pilz als Erstfrage­steller zur Begründung der Anfrage das Wort erteilen. – Sie kennen die Usance, Herr Abgeordneter: 20 Minuten. Bitte.


15.22.03

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Herr Präsident! Ja, ich kenne die Usancen. Ich kenne auch die Usancen im Innenministerium, und darauf werden wir gleich zu spre­chen kommen! Schönen guten Tag, Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kol­legen! Ich möchte mich zuerst einmal – das ist normalerweise nicht so üblich, aber in diesem Fall halte ich es für wichtig – beim „Standard“-Redakteur Fabian Schmid be­danken, ohne dessen Recherche über den Neonazifall im Parlament wir Abgeordnete nächsten Dienstag den Herrn Bundesinnenminister im BVT-Untersuchungsausschuss befragen und weder der Minister – davon gehe ich aus – noch wir Abgeordnete wissen würden, dass ein Neonazi mitten im Parlament für unsere Sicherheit sorgt. Das ist eine außergewöhnliche Situation. Ich bin auch sehr froh, dass das so ernst genommen wird. Ich hoffe auch, dass sich dieser Ernst des Parlaments langsam auch im Innenministe­rium wiederfindet.

Das sind nicht irgendwelche Neonazis. Als der Herr Küssel im Frühsommer 2016 einen Haftfreigang hatte, hat er sich mit zwei seiner Gefolgsleute zum Public Viewing getrof­fen: mit seinem Stellvertreter, einem gewissen Paul B., und mit dem Herrn, der bis vor Kurzem für unsere Sicherheit im Untersuchungsausschuss zuständig war. Küssel ist der Kern, der Hardcorekern der österreichischen Neonaziszene. Wir müssen uns alle gemeinsam fragen, wie das passieren konnte. Wie konnte das passieren, wissend – und Hinweise haben wir auch in Akten des Untersuchungsausschusses –, dass dieser


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Herr – nennen wir ihn Herrn C. – bereits im Jahr 2015 vom Wiener Verfassungsschutz wegen Wiederbetätigung, wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz bei der Staats­anwaltschaft Wien angezeigt wurde? Und wenige Jahre später gibt es eine Prüfung seiner Zuverlässigkeit und eine Prüfung seiner Verlässlichkeit.

Mir geht es einfach darum, zu beschreiben, wie ein Neonazi als Security in einen der heikelsten und – wie wir immer geglaubt haben – am besten geschützten Bereich des Parlaments kommt. Er hat, wie wir heute wissen, eine Zuverlässigkeitsprüfung nach der Gewerbeordnung absolviert, damit er bei einem Securityunternehmen anheuern kann – was er auch getan hat –, bei G4S. Er hat auch nach dem Waffengesetz bei der Wiener Waffenbehörde um einen Waffenpass angesucht. Auch diesbezüglich hat es ein kurzes Verfahren gegeben. Es ist eine Verlässlichkeitsprüfung nach dem Waffen­gesetz durchgeführt worden. Diese Verlässlichkeitsprüfung besteht aus einem kurzen psychologischen Test. Ich war nicht dabei, aber er kann nicht übermäßig schwierig ge­wesen sein, da er ihn problemlos bestanden hat. – Das hat gereicht! Zu einer Zeit, als sowohl im Bundesamt für Verfassungsschutz als auch im Wiener Landesamt für Ver­fassungsschutz bekannt war, dass es sich da nicht um irgendeinen Neonazi, sondern um einen Neonazi aus dem engsten Umfeld von Gottfried Küssel handelt, hat er eine Verlässlichkeitsbescheinigung und eine Zuverlässigkeitsbescheinigung bekommen.

Es gibt einen obersten Verantwortlichen – der das sicherlich zum damaligen Zeitpunkt nicht gewusst hat, aber es gibt diese politische Verantwortung ganz oben –, und das ist der Innenminister. Ich möchte jetzt nicht den falschen Schluss ziehen, dass der Innen­minister persönlich dafür verantwortlich ist, dass der Neonazi diese beiden Bescheini­gungen bekommen hat, aber dieser Innenminister und noch einige vor ihm sind für et­was ganz anderes verantwortlich, nämlich dafür, dass die Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz, die diese Behörden immer informieren wollten, die immer bereit waren, die Waffenbehörde zu informieren, die immer bereit waren, die Beamten, die sich um die gewerberechtliche Zuverlässigkeit kümmern, zu informieren – auch das BVT war immer bereit, zu informieren, das BVT, die Abteilung 3, war immer bereit, Si­cherheitsüberprüfungen nach dem Sicherheitspolizeigesetz durchzuführen –, nicht ge­hört wurden. Es war nicht möglich, weil die Beamten in der Landespolizeidirektion zu Recht gesagt haben: Das geht uns nichts an, das interessiert uns nicht, der Amtsweg ist ein anderer!

Jetzt kommt zum ersten Mal der Innenminister ins Spiel; und ich bin froh, dass gleich zwei verantwortliche Innenminister hier sitzen: der amtierende Innenminister und der mindestens genauso verantwortliche Vorgänger, der heute Nationalratspräsident ist. Innenminister – und das betrifft nicht Sie, Herr Präsident Sobotka –, die in gut integrier­ten Lehrlingen ein Sicherheitsrisiko sehen, sodass sie jedem Einzelfall nachgehen und schauen, dass diese Menschen abgeschoben werden, wollen nicht wissen, wie viele Extremisten, wie viele Neonazis und wie viele Salafisten in Österreich mit einem Waf­fenpass ganz legal bewaffnet in unseren Straßen herumrennen!

Ich frage Sie, Herr Innenminister: Warum wollen Sie das nicht wissen? Warum ist das nicht möglich? Ist Ihnen das egal, war das den Ministern vor Ihnen egal? Ist Ihnen das Sicherheitsrisiko nicht bewusst, das damit verbunden ist? Wissen Sie, was das heißt, wenn eine uns heute unbekannte Zahl von Neonazis, möglicherweise auch Salafisten Waffenpässe bekommen hat, Waffen erwerben konnte, das Recht hat, zu Hause halb­automatische Sturmgewehre zu lagern, und das Recht hat, auf der Straße Pistolen, Faustfeuerwaffen zu tragen? – Da gibt es bereits eine politische Verantwortung.

Wie ist es so weit gekommen? Wer sind denn die Leute, die bei derartigen Sicher­heitsunternehmen anheuern? – Das sind ja nicht die tollsten Leute, die für die Polizei zu gut sind. Es hat noch kein Einziger angeheuert, der für die Polizei zu gut ist, son­dern es haben sehr oft Leute angeheuert, die polizeiliche Eignungstests aus verschie-


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densten Gründen nicht einmal bestanden haben. (Abg. Neubauer: Die gibt es in der Politik auch!) Das sind Leute, die wir sehr oft im Sicherheitsgewerbe finden. Das ist der Punkt – und da wende ich mich jetzt nicht an die Freiheitliche Partei, sondern an die Österreichische Volkspartei –: Mit Ihrer fast religiösen Besessenheit, alles zu privatisie­ren – von der Flüchtlingsbetreuung bis hin zu Bildungseinrichtungen, bis zur Gesund­heit und, und, und –, sind Sie plötzlich im Kernbereich der öffentlichen Sicherheit ge­landet. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir sehen heute im Parlament, was es heißt, dass wir uns nicht darauf verlassen kön­nen, dass exzellent ausgebildete und verlässliche Polizeibeamtinnen und -beamte dort Dienst versehen, sondern irgendwelche halb-, ungeprüfte und dahergelaufene Leute aus dem privaten Sicherheitsgewerbe. Wir wissen nicht, wie viele Neonazis da unter­wegs sind, und wir wissen nicht, wie viele Neonazis als Securities in öffentlichen Unter­nehmungen, in Ministerien, im Bundesministerium für Landesverteidigung Dienst ver­sehen. Ja, wissen Sie, dass dieser sogenannte Security, der Neonazi Herr C., auch im Militär gearbeitet hat, auch bei Assistenzeinsätzen war, auch an militärischen Einsät­zen beteiligt war? Das ist alles noch aufzuarbeiten.

Da frage ich Sie, Herr Bundesminister – das ist eine unserer wichtigsten Fragen –: Sind Sie heute überhaupt in der Lage, uns zu sagen, wie viele Neonazis und wie viele Salafisten in Österreich Waffenbesitzkarten und Waffenpässe haben? – Das ist der ei­ne Punkt.

Der zweite große Komplex fällt direkt in die politische Verantwortung nicht nur von Ih­nen, Herr Bundesminister, sondern der gesamten Freiheitlichen Partei und letzten En­des auch Ihres Koalitionspartners. Herr C., der Neonazi C., ist Mitglied einer Pennäler­verbindung namens Franko Cherusker. Er ist nicht der Einzige dort. Das ist eine rechtsextreme Verbindung wie viele andere, und ein anderer Franko Cherusker findet sich etwa im Kabinett des Infrastrukturministers, Herr Götschober. Da können wir ruhig den vollen Namen nennen, das ist nicht nur eine Person des allgemeinen, sondern auch unseres politischen Interesses.

Herr Innenminister, da habe ich eine Frage, bei der Sie wahrscheinlich nicht zuständig sind, sie zu beantworten, und da habe ich eine Frage, bei der Sie sehr wohl zuständig sind, sie zu beantworten. Die erste Frage lautet: Wie ist es möglich, dass zahlreiche Personen, die einen eindeutig rechtsextremen Hintergrund haben – wir haben sie in der Dringlichen Anfrage namentlich aufgelistet –, in sicherheitsrelevanten Kabinetten von freiheitlichen Ministern sitzen? Das gilt für das Innenministerium, das gilt für das Verteidigungsministerium, das gilt für das Infrastrukturministerium und das gilt in einem Fall auch für das Amt des Vizekanzlers. Das sind Personen, die eindeutige Beziehun­gen, Mitgliedschaften, enge Kontakte in rechtsextreme Burschenschaften und Verbin­dungen haben, die immer wieder politisch auffällig waren und deren Spuren zum Teil bis zum Kreis um den genannten Gottfried Küssel führen.

Ich frage Sie eines: Wie sind die da reingekommen? Die haben Zugang zu klassifizier­ten Informationen und klassifizierten Dokumenten. Wenn ich heute im Infrastrukturmi­nisterium im Kabinett sitze, dann habe ich Zugang zu Schlüsselinformationen über die kritische Infrastruktur dieser Republik. Meine Befürchtung ist nicht, dass diese Herr­schaften das jetzt irgendeiner Burschenschaft verraten, da kann nicht so viel passie­ren, aber es gibt einen zweiten problematischen Punkt und eine zweite große Sorge, und das ist keine österreichische Sorge, sondern eine internationale Sorge betreffend Personen aus diesen Kreisen, deren Partei dokumentiert hat, dass sie über Freund­schaftsverträge und enge persönliche Verbindungen der Partei des russischen Präsi­denten verpflichtet ist. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir haben die Dokumente im BVT-Untersuchungsausschuss gemeinsam studiert, in denen internationale Dienste des Westens, große europäische Nachrichtendienste ihre Sorgen in Bezug auf die Regie-


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rungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei äußern. Wir wissen, was da befürchtet wird: Informationsabfluss von sensiblen Informationen aus dem Innenministerium, aus dem Verteidigungsministerium und insbesondere aus dem Infrastrukturministerium. (Abg. Belakowitsch: Und Sie geben es dann an die Medien weiter!)

So, und da trifft Sie, Herr Innenminister, eine entscheidende Verantwortung: Haben Sie diese Personen sicherheitsüberprüfen lassen? Unserer Meinung nach besteht eine ge­setzliche Verpflichtung, diesbezüglich Sicherheitsüberprüfungen durch die Abteilung 3 im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung durchzuführen. Ha­ben Sie diese Herrschaften, einen nach dem anderen, untersuchen lassen? Haben Sie im Infrastrukturministerium Herrn Herwig Götschober, Obmann der Bruna Sudetia und Mitglied der Burschenschaft Franko Cherusker, untersuchen lassen? Haben Sie Herrn Andreas Reichardt – Cimbria Wien –, haben Sie Frau Irmgard Fischer – Freya, dann Nike –, haben Sie Roland Esterer – Saxonia Wien –, haben Sie Arndt Praxmarer – Suevia Innsbruck – untersuchen lassen? – Ich kann Ihnen jetzt noch zahlreiche Namen aus dem Kabinett des Innenministers, des Verteidigungsministers und anderer Res­sorts nennen.

Entscheidend ist aber auch Ihr eigenes Ressort. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Ihr eigenes Ressort, Herr Bundesminister: Ist Kabinettschef Roland Teufel – Brixia Innsbruck – vor seiner Bestellung ins Kabinett des Innenministers sicherheitsüberprüft worden? (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Nein, für Sie ist das etwas Lustiges. (Abg. Rosen­kranz: Sie sind so peinlich!) Ja, für Sie ist das etwas Lustiges, denn für die Freiheitli­che Partei ist die öffentliche Sicherheit längst etwas Lustiges. (Abg. Gudenus: Ihr Un­terhaltungswert ist herrlich!) Für die Freiheitliche Partei ist es offenbar selbstverständ­lich, dass in Österreich Rechtsextremisten Waffenpässe haben. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich ersuche jetzt alle vor den Fernsehschirmen, genau zuzuhören und zuzusehen: La­chen bei der Freiheitlichen Partei, wenn wir darüber diskutieren, ob Neonazis und Sa­lafisten in Österreich legal Waffen tragen dürfen! (Abg. Gudenus: Peinlich!) Das finden Sie lustig. (Abg. Gudenus: Gehen Sie nach Hause! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ihre Wählerinnen und Wähler, die Bürgerinnen und Bürger dieser Republik Ös­terreich und die Mitglieder des BVT-Untersuchungsausschusses, deren Sicherheit von einem Neonazi gesichert werden sollte, finden das aber schon lange nicht mehr lustig! Das ist der entscheidende Punkt! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist der entscheidende Punkt, wenn Sie ein Kabinett nach dem anderen mit Bur­schenschaftern füllen, wenn Sie ein Kabinett nach dem anderen mit Rechtsextremisten füllen, wenn Sie ein Kabinett nach dem anderen mit Personen füllen, die selbst im Vi­sier des Verfassungsschutzes stehen, und wenn Sie dann Hausdurchsuchungen im Verfassungsschutz selbst inszenieren und schauen: Was gibt es denn da über uns? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Na, ich habe die Akten mit. Ich habe mir die Akten mit­genommen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Unsicherheit.

Was ist im Extremismusreferat beschlagnahmt worden? – „CD7: Vorfall unsterblich Kulturverein“. Wissen Sie, was da beschlagnahmt worden ist? (Ruf bei der FPÖ: Wer hat denn beschlagnahmt?) – Ein Mitglied dieses Kulturvereins Unsterblich, der sich in der Nähe der Küssel-Bande befindet, war genau der Neonazi, der im BVT-Untersu­chungsausschuss Dienst versehen hat. (Abg. Belakowitsch: Woher wissen Sie denn das überhaupt?) Genau diese CD ist beschlagnahmt worden (Abg. Gudenus: Wer hat es denn beschlagnahmt? – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch), und genau dieses Material ist gezielt gesucht worden. – Ja, Sie finden das lustig, da Sie nach wie vor die Möglichkeiten haben, den Verfassungsschutz zu stürmen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ja, Sie finden das lustig, weil Sie glauben, dass Sie die Macht in der Polizei


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übernommen haben. (Abg. Gudenus: Sie sind lustig!) Ja, Sie finden das lustig, weil Sie glauben, dass Sie mit österreichischen Gesetzen und der österreichischen Exeku­tive alles tun können. Ich sage Ihnen aber eines und ich schreibe Ihnen eines in Ihr lustiges Stammbuch oder in Ihr politische Liederbuch: Dieses Parlament wird es sich nicht bieten lassen, dass verfassungsschützende Institutionen dieser Republik ange­griffen und umgefärbt werden! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir müssen inzwischen den Verfassungsschutz und die Polizei dieser Republik vor der Freiheitlichen Partei schützen. (Abg. Steger: Wer ist „wir“?) Das ist das erste Mal, dass ein Innenminister nicht Dschihadisten verfolgt, nicht Rechtsextremisten verfolgt, son­dern Verfassungsschützer verfolgt. Das ist das erste Mal, dass ein Innenminister nicht versucht, den Verfassungsschutz zu stärken, sondern den Verfassungsschutz fast handlungsunfähig gemacht hat. Gehen Sie einmal hin, reden Sie mit Verfassungs­schützern, da ist das Gefühl da: Wir fürchten uns vor dem eigenen Minister und den Kameraden, die auf den Verfassungsschutz losgelassen worden sind. (Heiterkeit bei der FPÖ.) – Wir müssen zum ersten Mal als Parlament die Polizei, unsere verlässliche Sicherheitsexekutive, den Verfassungsschutz vor der Freiheitlichen Partei und ihren rechtsextremen Verbindungen und ihren rechtsextremen Hintermännern schützen. So weit ist es gekommen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gut, man kann eine Entschuldigung anführen: Die Freiheitliche Partei ist die Freiheitli­che Partei, man kann sich nichts Besseres erwarten. Wenn Freiheitliche an die Macht kommen, dann machen sie freiheitliche Politik, und die freiheitliche Spirale heißt: Op­positionsbank – Regierungsbank – Anklagebank. Ich bin froh, wenn wir das Kapitel Re­gierungsbank endlich verlassen haben und einige von Ihnen – ich weiß noch nicht, welche es diesmal sein werden – auf der Anklagebank wiederfinden. Wahrscheinlich ist es der nächste Untersuchungsausschuss.

Die wirkliche politische Verantwortung trifft aber die Österreichische Volkspartei, denn wer mit diesen Herrschaften regiert (Abg. Steger: Sie sind ein Hetzer!), wer mit diesen Herrschaften Politik macht, der ist mitverantwortlich, wenn diese Republik unsicher wird. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steger: Eine Schande für das Parlament!)

Es ist ganz wichtig, dass wir dieser Unsicherheitspolitik, dem Angriff auf den Rechts­staat, dem Angriff auf unsere Verfassungsrechte durch Rechtsextremisten, von denen letzten Endes auch Salafisten profitieren – das ist ja das Schreckliche daran –, im Par­lament einen Riegel vorsetzen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Der erste Riegel funktio­niert: Der Herr Bundesminister besucht uns heute nicht nur bei der Dringlichen Anfra­ge, sondern auch am Dienstag im Untersuchungsausschuss. Dort gibt es etwas, was für Freiheitliche etwas ganz Wunderbares ist: Wahrheitspflicht! Wahrheitspflicht für einen freiheitlichen Minister! (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Steger: Die gibt es hier leider nicht!) Das ist eine große Errungenschaft des Parla­ments. Ich freue mich darauf, am Dienstag Herrn Bundesminister Kickl in aller Sach­lichkeit unter Wahrheitspflicht befragen zu können. (Abg. Steger: So etwas wie Wahr­heitspflicht kennen Sie nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich freue mich schon heute darauf, dass wir sicher sein können, dass keine Neonazis dort Security spielen können, auch wenn sie ums Eck alle möglichen Verbindungen in eine Regierungspartei haben. Ich freue mich, dass wir im Parlament sicherstellen wer­den, dass in Zukunft anständige und hochqualifizierte (Abg. Gudenus: Sie und Anstän­digkeit! Herrlich!) BeamtInnen der Republik Österreich und nicht irgendwelche Secu­ritymänner, bei denen wir dann draufkommen, dass sie unter der Nase des Innenmi­nisters mit einem Waffenpass Waffen tragen können und als Neonazis unsere Security im Parlament spielen, für unsere Sicherheit sorgen. (Abg. Neubauer: Reden Sie nicht von anständig!) An diesem Punkt sind wir.


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Herr Bundesminister, wir haben Ihnen eine Reihe von Fragen gestellt. Ich hoffe, Sie sind in der Lage, all diese Fragen zu beantworten – wenn nicht, können wir uns ja ein weiteres Mal, ein drittes Mal sehen. Wir werden sie so lange fragen, bis diese Fragen beantwortet sind. (Abg. Gudenus: Inspektor Columbo!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz, bitte!


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Wir werden keine Ruhe geben, bis trotz FPÖ und Innenminister Kickl wieder Sicherheit in diesem Bereich der Republik herge­stellt ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gudenus: 20 Minuten Narrenfreiheit!)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Bun­desrealgymnasiums Imst bei uns sehr herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen! (All­gemeiner Beifall. – Abg. Belakowitsch: Die armen Kinder!)

Zur Geschäftsbehandlung: Herr Klubobmann Rosenkranz. – Bitte.

*****


15.42.52

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Kolle­ge Pilz hat von diesem Rednerpult aus, wie immer auch im Schutz der Immunität, ei­nes zur Freiheitlichen Partei als Ganzes in den Raum gestellt: von der Oppositions­bank zur Regierungsbank zur Anklagebank. – Das ist eine pauschale Unterstellung strafrechtlich relevanter Tatbestände. Ich ersuche, das zu prüfen und gegebenenfalls den dringend notwendigen Ordnungsruf zu erteilen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.43

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich habe bereits das Protokoll angefordert und werde mir diese Passagen genau durchlesen.

Zu Wort gemeldet ist der Innenminister. – Bitte.


15.43.27

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Ich muss aufgrund der Ausführungen des Kollegen Pilz, die jetzt auch angesprochen wurden, etwas anders beginnen, als ich es ursprünglich vorhatte. Wis­sen Sie: Oppositionsbank – Regierungsbank – Anklagebank, da haben sich Leute bei mir gemeldet, als sie das gehört haben, die gesagt haben: Die Pilz-Variante besteht darin, dass man die Regierungsbank auslässt. Da heißt es dann nur von der Opposi­tionsbank bis zur Anklagebank, das ist nur zweistufig, wenn Sie sich nicht im letzten Moment hier herein in die Immunität gerettet hätten, Herr Pilz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Martin Graf: Ein linksextremer Feigling!)

Es gibt aber auch das eine oder andere Positive. Ich hätte nicht gedacht, dass ich von Ihnen Unterstützung dafür bekomme, dass wir die Flüchtlingsbetreuung aus privaten Händen wieder in die staatliche Obsorge zurückholen und damit gewährleisten, dass die Rechtsstaatlichkeit auch in diesem Bereich ihre Durchsetzung erfährt. Vielen Dank, Herr Abgeordneter Pilz, für diese Unterstützung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Insgesamt muss ich Ihnen sagen, dass ich ein paar einleitende Bemerkungen machen muss, bevor ich Ihre, glaube ich, 68 Fragen plus ein paar angehängte Unterfragen be­antworten möchte. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich ganz ausdrücklich begrüße, dass


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es ein entsprechendes Problembewusstsein und auch entsprechende Verbesserungs­ansätze im Zusammenhang mit Sicherheitslücken gibt, die rund um den BVT-Untersu­chungsausschuss zutage getreten sind. Das ist eine gute Sache, ich begrüße das ausdrücklich.

Was ich aber viel weniger begrüße, Herr Abgeordneter Pilz, und das finde ich dann überhaupt nicht lustig – ich möchte sagen, vielleicht sogar auch als Staatsbürger, gar nicht so sehr als Innenminister, in diesen beiden Rollen –, sondern vielmehr befremd­lich, ist, wenn man dann Gesetze und Begriffe und Verantwortlichkeiten – Kraut und Rüben – miteinander vermanscht. Wenn man das Ganze dann noch dazu mit einem Anspruch versieht, als ob man hier daran arbeiten würde, die Schutzinteressen der Be­völkerung vor Extremisten abdecken zu wollen, dann finde ich das überhaupt nicht lustig. Dieses Knäuel, das Sie auch heute hier wieder geboten haben, zu entwirren, orte und definiere ich dann auch als einen Beitrag zur notwendigen Schließung einer Sicherheitslücke, Herr Abgeordneter Pilz. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was wird hier alles miteinander vermanscht? – Die Zuverlässigkeitsüberprüfung nach der Gewerbeordnung wird mit der Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitspolizei­gesetz vermanscht, das alles wird mit der Verlässlichkeitsüberprüfung im Waffengesetz vermanscht. Dazu werden dann noch die Verantwortlichkeiten des Bundesministeriums für Inneres und des Parlaments vermanscht. Zum Drüberstreuen, denn ohne das geht es bei Ihnen ja nicht, werden dann auch noch die Begriffe Rechtsextremismus, Neo­nazi – alles Dinge, die unsere Rechtsordnung im Übrigen in der Form als Straftatbe­stände nicht kennt – mit dem Begriff der Burschenschaften zusammen verpackt, damit Sie ein möglichst düsteres Bild dieses Landes zeichnen können, damit Sie etwas pro­duzieren können, was den Tatsachen überhaupt nicht entspricht. Das Bild, das Sie in die österreichische Öffentlichkeit kommunizieren wollen, ist: überall unüberprüfte Neo­nazis und Extremisten, die sich jetzt noch dazu bewaffnen.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Pilz, dieses Bild entspricht überhaupt nicht den Tat­sachen. Dieses Bild ist falsch! Ich weiß nicht, was Sie in den letzten Jahren, als Sie im Parlament gewesen sind, getan haben. Wahrscheinlich haben Sie da keine Bedrohung durch irgendwelche legal bewaffneten Rechtsextremisten und Neonazis geortet, denn ich habe von Ihnen keinerlei Aktivität in diese Richtung festgestellt, kein Alarm, keine Initiativen, überhaupt nichts, was zur Verbesserung der Sicherheitsüberprüfung beige­tragen hätte. Ich habe etwas ganz anderes festgestellt: Irgendwann einmal hat es von Ihnen einen Aufruf gegeben, dass man die Polizisten möglichst entwaffnen sollte. – Na, gute Nacht, Herr Dr. Pilz! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Zweite, was Sie vorgeschlagen haben, war, dass man bei den Polizisten die Na­mensschilder auf die Uniform nähen soll, damit man es denjenigen, die sich vielleicht für einen polizeilichen Einsatz dann auch gleich persönlich revanchieren wollen, ganz besonders einfach macht. Das ist mir von Ihnen aufgefallen, aber nichts im Interesse der Bekämpfung von Sicherheitslücken im Zusammenhang mit Überprüfungen, was das Waffengesetz betrifft.

Vielleicht glauben Sie ja aber, Herr Abgeordneter Pilz, dass die Bedrohungslage im letzten Jahr eine andere geworden ist, aber auch das ist eine subjektive Wahrneh­mung, Herr Abgeordneter Pilz, die Sie vielleicht Ihrem von den revolutionären Marxis­ten herkommenden weltanschaulichen Hintergrund verdanken. Sie ist auf jeden Fall auch falsch. Sie ist auch falsch, weil sie den profunden Analysen der von Ihnen und von mir sehr geschätzten Leiterin des Extremismusreferats im BVT und allen ihren Mit­arbeitern widerspricht. Sie müssten halt auch einmal einen Blick in den Extremismus­bericht werfen, denn dann würden Sie sehen, dass wir es im Jahr 2017 mit einem deutlichen Rückgang der Anzeigen im Bereich der rechtsextremen Tatverdächtigen zu


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tun hatten. Das ist doch etwas, was uns freuen sollte, Herr Abgeordneter Pilz. Ich gehe davon aus, dass es Sie freut, mich freut es auf jeden Fall. Auch im Jahr 2018 gibt es hier keine gegenteilige Entwicklung.

Ich habe gerade vom Extremismusbericht, von diesem Verfassungsschutzbericht ge­sprochen. Da ist noch etwas interessant, da kommen nämlich Burschenschaften, von denen Sie so gerne reden, nur dort vor, wo sie Gegenstand linksextremer Angriffe und linksextremer Agitation sind. Das habe nicht ich gemacht, das habe nicht ich veran­lasst, sondern dieser Bericht wurde vor meiner Zeit erstellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt komme ich zu den Begriffsdefinitionen und zu Ihren Forderungen, die ja allesamt in Richtung eines totalen Überwachungsstaats gehen, in Richtung einer Gesinnungs­polizei, wo man irgendwie den Verdacht nicht loswird, dass dahinter ein gewisses Stasimodell à la DDR steckt. Erstens war die Überprüfung des Securitymitarbeiters ei­ne Zuverlässigkeitsüberprüfung, wie sie die Gewerbeordnung vorsieht.

Herr Abgeordneter Pilz, ich weiß nicht, wie lange Sie schon Abgeordneter in diesem Haus sind (Ruf bei der FPÖ: Viel zu lange!), aber Sie wissen genauso gut wie wir alle hier, dass dieses Gesetz nicht ich gemacht habe, sondern dass dieses Gesetz von die­sem Hohen Haus beschlossen worden ist und ich dazu da bin, es zu vollziehen. Das ist auch meine Aufgabe als zuständiger Minister. Ich weiß nicht: Da wird das Strafregister überprüft, alle möglichen Dinge werden da überprüft, jedenfalls Fakten, Herr Abgeord­neter Pilz, nicht Meinungen und nicht Gesinnungen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Zweite ist etwas ganz anderes, das ist die Sicherheitsüberprüfung nach dem Si­cherheitspolizeigesetz. Da geht es um die Vertrauenswürdigkeit von einzelnen Perso­nen. Da haben Sie recht, das wurde nicht gemacht. Es ist aber deshalb nicht gemacht worden, weil es nicht beauftragt wurde. So einfach ist das.

Ich weiß schon, dass Sie in Ihrer Liste ein gewisses Dogma vertreten, das heißt, für alles, was nicht sein darf und was Sie als negativ interpretieren, ist der Innenminister dieser Republik zuständig. Auch das stimmt aber nicht, auch wenn Ihr Abgeordneter Noll mit seinen advokatorischen Kaskaden versuchen wird, einen anderen Eindruck zu erwecken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, in unserer Verfassung gibt es klare Zuständigkeiten, und es ist halt einmal so, dass der Hausherr hier herinnen der Nationalratspräsident ist. Jetzt ist es Präsident Sobotka, vorher waren es andere. Die­ser Hausherr ist dafür verantwortlich, was sich hier in diesem Haus abspielt. Dazu ge­hört auch die innere Sicherheit, genauso wie zum Beispiel die IT-Sicherheit hier im Haus.

Jetzt werden Sie sagen: Ja, aber es geht ja um den vorbeugenden Schutz für ver­fassungsmäßige Einrichtungen wie das Parlament. Ja, aber was heißt denn das? – Das heißt, dass wir in erster Linie für die Bewachung dieses Hauses von außen her zu­ständig sind, und das tun wir auch. Darüber hinaus bieten wir natürlich Sicherheitskon­zepte und entsprechende Beratungen an. Annehmen muss es dann aber schon der­jenige, dem es angeboten wird oder der dann eben auch nachfragt. Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, und das gilt sowohl bei der fakultativen als auch bei der ob­ligatorischen Sicherheitsüberprüfung.

Ich meine, es ist ja völlig klar, dass das auch so sein muss. Es geht ja gar nicht anders, denn wir kennen ja überhaupt nicht die interne Struktur der Haussicherheit hier im Par­lament. Wir kennen sie nicht. Das wird ja vom Parlament selbst organisiert. Ich weiß ja nicht, wer wann mit wem welche Verträge abgeschlossen hat, wie das ausgeschrieben wurde, wie da die Definitionen laufen. Wir wissen auch nicht, wer wann wo in welchem Aufgabenbereich eingesetzt wird. Wenn wir das wüssten, dann wären wir Hellseher und nicht Politiker, Herr Abgeordneter Pilz. Oder vermuten Sie vielleicht oder ist Ihre


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Wunschvorstellung die, dass es dann einen Staat gibt, der alle diese Informationen vielleicht auf Knopfdruck hat? – Dann sind wir aber beim Überwachungsstaat, meine sehr geehrten Damen und Herren, den wir alle miteinander nicht haben wollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Wir bieten das an, aber es wurde nicht abgefragt. Jetzt kann man darüber diskutieren: Ja, es erstaunt ein wenig, weil es ganz gegen die sonstigen Gewohnheiten in diesem Haus ist, denn wir werden ja auch in anderen Bereichen gefragt. Wir werden gefragt, wenn es um Elektriker geht, wir werden gefragt, wenn es um Boten, um Lieferanten geht, wir werden gefragt, wenn es um Putzpersonal geht. Dann überprüfen wir natür­lich genau im Sinne dieser Sicherheitsüberprüfung. In diesem Fall ist das nicht erfolgt, ob das ein Versäumnis des Parlaments oder der Firma ist, kann ich Ihnen nicht be­antworten, weil ich die Vertragsgestaltung nicht kenne. Eine Verantwortlichkeit des BMI ist es jedenfalls nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dann komme ich noch zu Ihrer Bewaffnungskomponente, sehr geehrter Herr Abgeord­neter. Sie wissen ganz genau, dass die Verlässlichkeitsüberprüfung im Waffengesetz eine sehr, sehr strenge ist und dass wir mit der Novelle zum Waffengesetz diese sogar noch weiter verschärfen. Von einer Liberalisierung kann überhaupt gar keine Rede sein.

Ich hoffe, dass aber auch allen von Ihrer Fraktion klar ist, dass die Unschuldsvermu­tung in einem Rechtsstaat auch einen sehr, sehr hohen Stellenwert hat, dass in einem Rechtsstaat immer sehr, sehr genau darauf zu achten ist, dass es eine Verhältnismä­ßigkeit zwischen den Grund- und den Freiheitsrechten und den berechtigten öffentli­chen Interessen gibt, und dass diesbezüglich eine sehr, sehr sorgfältige Abwägung zu treffen ist. Ich kann mich an Debatten in diesem Haus erinnern, in denen wir sehr, sehr intensiv darüber diskutiert haben. Genau diese Verhältnismäßigkeit gewährleistet aber das Waffengesetz.

Da wird das Strafregister abgefragt, da wird aber auch die kriminalpolizeiliche Daten­bank abgefragt. Da steht dann zum Beispiel drinnen, dass gegen jemanden wegen na­tionalsozialistischer Wiederbetätigung ermittelt wird. Darüber hinaus werden auch noch die Polizeiinspektionen dort, wo die Person, die eine Waffe beantragt, in den letzten fünf Jahren gemeldet war, befragt, ob es dort irgendwelche Auffälligkeiten gegeben hat. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass Beamte, wenn ihnen auffällt, dass es einen erweiterten Bedarf gibt, dann weitere Erhebungen zum Beispiel auch beim LVT einleiten können. Das ist überhaupt nichts Neues, das müssen Sie nicht verlangen, sondern das ist etwas, was es jetzt bereits gibt.

Eines, Herr Pilz, ist aber auch klar, und ich denke, das sollte eigentlich eine Selbstver­ständlichkeit für uns alle sein: Es geht immer um Tatsachen, es geht immer um Fakten und es geht nicht um Meinungen und es geht nicht um ideologische Einschätzungen und es geht nicht um ideologische Punzierungen. Das ist Rechtsstaatlichkeit, wenn es um Fakten und um Tatsachen geht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist auch klar, weil ja dann im Falle einer negativen Entscheidung auch ein Bescheid herauskommt: Diesen Bescheid muss man dann begründen können und gegen diesen Bescheid gibt es Einspruchsmöglichkeiten. Es ist also sehr gut, da faktenorientiert zu arbeiten. Was manchen hier im Haus aber vorschwebt, ist offenbar etwas anderes, das ist irgendwie eine ideologische Einheit, die da am Werk sein soll, das ist eine Art Gesinnungspolizei, bei der dann strafrechtlich relevante Komponenten offenbar über­haupt gar keine Rolle spielen dürfen. Herr Abgeordneter Pilz, ich halte so etwas für eine gefährliche Drohung und für keine Verbesserung der Sicherheit in diesem Land. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Das ist Gesinnungsschnüffelei!)

Man sollte auch darüber nachdenken, wie das mit Google ist. Man muss jetzt nur mehr googeln, um zu wissen, wer jetzt quasi ein Extremist ist oder nicht. Das stelle ich mir


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spannend vor, das ist ja geradezu eine Aufforderung dazu, im Netz irgendwelche Leute zu diskreditieren und Denunziantentum zu betreiben. Je nach politischer Anschauung schreibe ich dann über denjenigen, den ich nicht mag, etwas hinein und die Google-Suche bringt dann die entsprechenden Ergebnisse zum Vorschein. Das halte ich also auch nicht wirklich für einen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit.

Sie haben ja offenbar auch im Vorfeld dieser Dringlichen Anfrage gegoogelt, Herr Pilz, denn Sie haben ja in der Textierung Ihrer Anfragen offenbar auf einen Artikel des „Standard“ vom 26.1.2018 zurückgegriffen. Der Name Schmid wurde schon genannt, er hat auch den Artikel damals geschrieben. Mir fällt das deshalb auf, weil die Zuord­nung von einzelnen Personen zu einzelnen Kabinetten falsch ist. Sie sind gegenwärtig nicht mehr aktuell. Sie sind in diesem Artikel, so wie Sie sie zitiert haben, inklusive der falschen Namen. Deswegen hat, glaube ich, hier jemand gedacht, dass es ein lustiger Beitrag gewesen ist, weil der von Ihnen als Roland Bezeichnete in Wahrheit Reinhard heißt. So viel zur Seriosität Ihrer Vorbereitungsarbeit im Zusammenhang mit einer Dringlichen Anfrage. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Gu­denus: Topaktuell, Herr Pilz! – Abg. Rosenkranz: Dass Kollege Noll so etwas unter­schreibt!)

Ich komme damit zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zur Frage 1:

Die Landespolizeidirektion Wien hat die Zuverlässigkeit des Genannten gemäß Gewer­beordnung überprüft.

Zur Frage 2:

Dem für die gewerberechtliche Prüfung zuständigen Referat Rechtsmittelvorentschei­dungen und Staatsbürgerschaftserhebungen war es nicht bekannt. Sämtliche in die­sem Zusammenhang vorgesehene Applikationsabfragen verliefen negativ.

Zu den Fragen 3 bis 5 und 7:

Hierzu darf ich eine Übersicht der unterschiedlichen Überprüfungen geben:

Erstens: Zuverlässigkeitsprüfung nach der Gewerbeordnung. Welche Tätigkeiten zum Bewachungsgewerbe gehören, regelt § 129 der Gewerbeordnung, insbesondere Be­wachung von Betrieben, Gebäuden, Portierdienste, Ordner- und Kontrolldienste bei Veranstaltungen. Die Sicherheitsbehörden haben gemäß § 94 Z 62 Gewerbeordnung an der Zuverlässigkeitsprüfung zur Erlangung einer Gewerbeberechtigung sowie bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Arbeitnehmern bestimmter Gewerbe mitzuwir­ken.

Die Beurteilung des Persönlichkeitsbildes eines Menschen ist bei der gewerberechtli­chen Zuverlässigkeitsprüfung nicht ausreichend. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit dienen insbesondere gerichtliche Verurteilungen sowie Erkenntnisse in Bezug auf eine etwaige Spielleidenschaft, Verschwendungssucht oder bestimmte Krankheiten, zum Beispiel Alkoholabhängigkeit. Bei der Zuverlässigkeit von Arbeitnehmern stellt die Si­cherheitsbehörde grundsätzlich auf die Tätigkeit des Gewerbes insgesamt und nicht auf eine spezielle Verwendung ab, da diese im Regelfall nicht bekannt gegeben wird.

Zweitens: Sicherheitsüberprüfungen nach dem Sicherheitspolizeigesetz. Sicherheits­überprüfungen nach dem Sicherheitspolizeigesetz dienen der Abklärung der Vertrau­enswürdigkeit eines Menschen im Sinne der Geheimhaltung vertraulicher, geheimer oder streng geheimer Informationen. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit zwischen den Interessen des Privat- und Familienlebens des Betroffenen gegenüber den zwingenden öffentlichen Interessen zu wahren.


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Besonders hervorzustreichen ist Folgendes: Unabhängig davon, ob es sich um eine fakultative oder eine obligatorische Sicherheitsüberprüfung handelt, kann die Sicher­heitsbehörde nur dann tätig werden und eine Sicherheitsüberprüfung durchführen, wenn sie Informationen darüber hat, dass eine Person mit der Wahrnehmung von Amtsgeschäften betraut ist oder Zugang zu vertraulicher Information erhalten soll oder sich im räumlichen Umfeld von vorbeugend zu schützenden Organwaltern verfas­sungsmäßiger Einrichtungen oder von Vertretern ausländischer Staaten, internationa­ler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte aufhalten werde und die sons­tigen Voraussetzungen – zwischen Klammern: also Einwilligung und Sicherheitserklä­rung – gegeben sind.

Dabei obliegt es grundsätzlich demjenigen, der über den Umstand des Vorliegens der Voraussetzungen Bescheid weiß und das Interesse daran hat, dass die überprüfte Per­son vertrauenswürdig ist, an die Sicherheitsbehörde heranzutreten und eine Sicher­heitsüberprüfung anzuregen.

Drittens: Verlässlichkeitsüberprüfung im Sinne des Waffengesetzes. Die Überprüfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit umfasst nicht nur die Beibringung eines waffen­psychologischen Gutachtens, sondern auch die Überprüfung auf polizeiliche Vormer­kungen im Ekis. Möglich ist auch eine Anfrage an das LVT.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die in den Materiengesetzen geregelten Prüfungen durch die Sicherheitsbehörden einerseits unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und andererseits im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Da­tenverarbeitung und Datenermittlung differenzierte Bestimmungen zur Anwendung ge­langen.

Zur Frage 6:

In diesem Zusammenhang gab es keine Ermittlungserkenntnisse.

Zur Frage 8:

Aus Medienberichten vom 16.11.2018 wurde dem BMI bekannt, dass ein Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma mit Nähe zu dem nach dem NS-Verbotsgesetz verur­teilten Gottfried Küssel dort tätig ist.

Zu den Fragen 9 bis 18:

Aus datenschutzrechtlichen Gründen und aus Gründen der Amtsverschwiegenheit muss von einer Beantwortung dieser Fragen Abstand genommen werden.

Zur Frage 19:

Neben dem psychologischen Gutachten muss in jedem Fall der sachgemäße Umgang mit Waffen nachgewiesen werden und eine Rechtfertigung für den Besitz glaubhaft gemacht werden. Die Waffenbehörde prüft im Einzelfall die Evidenzen auf polizeiliche Vormerkungen – zwischen Klammern: Strafregister, Ekis, Verwaltungsstrafdatei –, eine darüber hinausgehende Überprüfung wird bei konkreten Hinweisen eingeleitet.

Zu den Fragen 20 bis 23:

Allgemein werden unter Extremismus verschiedene politische Bestrebungen, die sich offen gegen die Normen und Regeln des Verfassungsstaates wenden, definiert. Die Realität wird von Extremisten durch einen ideologischen Filter einer bestimmten Welt­anschauung gesehen, die auf nicht überprüfbaren Aussagen beruht und unter An­spruch auf absolute Wahrheit behauptet wird. Gewaltanwendung zur Durchsetzung der eigenen politischen Ziele wird durch Extremisten legitimiert und es wird dazu aufge­rufen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 133

Jede Extremismusform für sich steht somit im Widerspruch zu den verfassungskonfor­men demokratischen Prinzipien einer auf Pluralität basierenden Gesellschaft und wird als Gefährdung der inneren Sicherheit aufgrund aller möglichen gesetzlichen Grundla­gen bekämpft. Entsprechende Anfragen, spezifische Statistiken werden nicht geführt. (Zwischenruf des Abg. Pilz.)

Zur Frage 24:

Eine genaue Auflistung und Anordnung von einzelnen Erhebungsschritten ist vor dem Hintergrund der waffengesetzlichen Regelung der Verlässlichkeit nicht notwendig. Der Gesetzgeber hat im § 8 des Waffengesetzes eine engmaschige Prüfung normiert, bei der nach der Judikatur ein strenger Maßstab anzulegen ist. Die Entscheidung erfolgt immer im Einzelfall.

Zur Frage 25:

Sowohl bei Anträgen auf Ausstellung von waffenrechtlichen Dokumenten als auch in jenen Fällen, in denen Hinweise auf relevante Vorgänge einlangen, hat die Waffenbe­hörde den Sachverhalt streng zu prüfen und den Antrag abzuweisen oder das Doku­ment zu entziehen.

Zur Frage 26:

Beide in der Frage formulierten Vorhalte sind nicht zutreffend. Sowohl im Bereich des Asylrechts als auch im Bereich des Waffenrechts komme ich meiner Aufgabe nach, geltende Gesetze zu vollziehen.

Zur Frage 27:

Dem Fragerecht gemäß Artikel 52 B-VG und § 90 des Geschäftsordnungsgeset­zes 1975 unterliegen nur Handlungen und Unterlassungen. Das Fragerecht dient ins­besondere auch nicht dazu, Rechtsgutachten von Bundesministerien einzuholen, und ist auch nicht geeignet, eine Rechtsgrundlage für eine Ad-hoc-Zuverlässigkeitsprüfung nach der Gewerbeordnung und dem Waffengesetz zu bilden.

Zu den Fragen 28 bis 34:

Die Sicherheitsüberprüfung dient der Sicherung der Geheimhaltung vertraulicher Infor­mationen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Kabinetts, die Zugang zu vertrauli­chen Informationen haben, sind sicherheitsüberprüft. Auch für neue Bedienstete neh­me ich selbstverständlich meine Verpflichtung wahr, eine Sicherheitsüberprüfung zu veranlassen.

Die Anregung, eine Sicherheitsüberprüfung für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten von Ministerien zu beantragen, die Zugang zu vertraulichen Informa­tionen haben, erfolgt standardmäßig.

Unabhängig davon, ob es sich um eine fakultative oder eine obligatorische Sicherheits­überprüfung handelt, kann die Sicherheitsbehörde nur dann tätig werden und eine Sicherheitsüberprüfung durchführen, wenn sie Informationen darüber hat, dass eine Person mit der Wahrung von Amtsgeschäften betraut ist oder Zugang zu vertraulicher Information erhalten soll oder sich im räumlichen Umfeld von vorbeugend zu schützen­den Organwaltern verfassungsmäßiger Einrichtungen oder von Vertretern ausländi­scher Staaten, internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte auf­halten werde und die sonstigen Voraussetzungen – zwischen Klammern: Einwilligung und Sicherheitserklärung – gegeben sind.

Dabei obliegt es grundsätzlich demjenigen, der über den Umstand des Vorliegens der Voraussetzungen Bescheid weiß und das Interesse daran hat, dass die überprüfte Person vertrauenswürdig ist, an die Sicherheitsbehörde heranzutreten und eine Sicher­heitsüberprüfung anzuregen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 134

Zu den Fragen 35 bis 67:

Aus datenschutzrechtlichen Gründen und aus Gründen der Amtsverschwiegenheit muss von einer Beantwortung dieser Fragen Abstand genommen werden. Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass die Anregung, eine Sicherheitsüberprüfung für jene Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter in den Kabinetten von Ministerien zu beantragen, die Zu­gang zu vertraulichen Informationen haben, standardmäßig erfolgt ist.

Zur Frage 68:

Bedienstete im Bundesministerium für Inneres sind dazu angehalten, ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu be­sorgen. Die Sicherheitsbehörden nehmen ihre Aufgaben in der Vollziehung der gelten­den gesetzlichen Bestimmungen wahr, dies gilt natürlich auch für die gefragten Über­prüfungen, auf deren Zweck und die dafür zur Verfügung stehenden Befugnisse der Si­cherheitsbehörden ich schon in der Beantwortung der Fragen 3 bis 7 detailliert einge­gangen bin. Wenn allerdings im Fall einer Sicherheitsüberprüfung entgegen bisheriger eingespielter Gepflogenheiten die zuständige Sicherheitsbehörde weder eine Informa­tion, geschweige denn einen Antrag hat, dass gewisse Personen Zugang zu vertrauli­chen Informationen erhalten sollen oder sich im räumlichen Umfeld von vorbeugend zu schützenden Organwaltern verfassungsmäßiger Einrichtungen aufhalten, muss ich da­für die Verantwortung zurückweisen.

Die Gesetzeslage in Bezug auf die waffenrechtliche Verlässlichkeit ist im Übrigen seit 1997 de facto unverändert im Rechtsbestand und war auch schon davor im Waffenge­setz 1986 vorgesehen. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind streng und werden im Einzelfall geprüft. Wenn sich keine konkreten Tatsachen für eine Versagung ergeben, muss dem Antrag stattgegeben werden. Liegen hingegen begründete Tatsachen vor, die Zweifel an der Verlässlichkeit wecken, wird der Antrag mit Bescheid abgewiesen. Im Hinblick auf die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der behördlichen Entschei­dung müssen diese Tatsachen konkret, begründet und nachvollziehbar sein. Die Fach­beamten der Waffenbehörden sind sich ihrer besonderen Verantwortung beim Vollzug des Waffengesetzes bewusst; die gesetzlichen Vorgaben werden penibel eingehalten.

Im Übrigen darf ich auf die Verantwortung des Hohen Hauses für die Gesetzgebung verweisen, im gegenständlichen Zusammenhang insbesondere auf die Gewerbeord­nung, das Sicherheitspolizeigesetz und das Waffengesetz. Wenn der Bedarf für künf­tige Änderungen erkannt wird, ist in diesem Zusammenhang der Gesetzgeber gefor­dert. Jede Anregung für eine Novellierung dieser Materiengesetze, sei es eine Ände­rung oder Ausweitung von Aufgaben und Befugnissen, nehme ich für meinen Zustän­digkeitsbereich gerne in die weitere Diskussion auf. Im Übrigen fallen Rechtsauskünfte nicht unter das parlamentarische Interpellationsrecht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Damen und Herren des Berufsreife­prüfungslehrgangs im Fach Politische Bildung aus der Volkshochschule Meidling recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Abgeordneter Zinggl hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


16.10.52

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT) (zur Geschäftsbehandlung): Der Herr Bundesminister hat von Abgeordnetem Pilz behauptet, er hätte direkt von der Op­positionsbank auf die Anklagebank gewechselt. – Das ist definitiv unrichtig und ein


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 135

schwerer Vorwurf, der einen Ordnungsruf nach sich ziehen müsste. Herr Präsident, ich bitte Sie, das zu prüfen! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Im Unterschied zu manchen Freiheitlichen und ehemaligen Freiheitlichen, die tatsäch­lich auf der Anklagebank gelandet sind, ist das bei Peter Pilz nicht der Fall und darf da­her auch nicht behauptet werden. (Ruf bei der FPÖ: Das ist zynisch! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)

16.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Geschäftsordnungswortmeldung: Herr Ab­geordneter Rosenkranz. – Bitte.


16.11.33

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Zu dieser Geschäftsordnungswortmeldung: Ich bitte, bei der Prüfung und Beurteilung dieser Pas­sage im Protokoll das Augenmerk auch auf den tatsächlichen Sachverhalt zu legen, dass Herr Abgeordneter Pilz in der Zeit, in der er gerade dieses bisschen Luft man­gelnder Immunität genossen hat, als er nicht mehr gewählt war beziehungsweise noch nicht angelobt war, eine Gerichtsverhandlung, ich glaube, vor dem Landesgericht Sankt Pölten, hatte, wo er nur aufgrund einer Krankheit nicht auf der Anklagebank Platz genommen hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Er ist halt ein links­extremer Feigling!)

16.12

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich werde die Sachverhalte entsprechend prüfen, lasse mir die Stenographischen Protokolle bringen und werde mich auch beraten.

Das Wort erhält nun Herr Abgeordneter Noll. – Bitte.


16.12.26

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Herr Präsident! Herr Minister! Erstens: Dan­ke für das freundliche Intro, mit dem Sie die Damen und Herren des Hauses schon da­rauf vorbereitet haben; zweitens: Es wird so arg nicht werden.

Es bedarf keiner advokatorischen Kaskaden, um hier zurechtzurücken, was Sie – der Sie offensichtlich jüngst in die Neigungsgruppe Öffentliches Recht eingetreten sind – versucht haben, dem Hohen Haus weiszumachen. Nein, so, wie Sie sagen, ist es nicht.

Ich sage das mit einer gewissen persönlichen Betroffenheit, weil ich mich sehr gut da­ran erinnern kann, wie wir Anfang der Neunzigerjahre, als über das Sicherheitspolizei­gesetz diskutiert worden ist, mit Minister Löschnak – damals Innenminister – durch die Lande gezogen sind und auf dem Podium heftigst diskutiert und gestritten haben. In­nenminister Löschnak und in weiterer Folge auch Redner bei den Debatten in diesem Haus haben dann erklärt, was denn das Neue an diesem Sicherheitspolizeigesetz ist – denn dass Gefahren abgewehrt und beendet werden, das musste die Polizei doch im­mer schon machen –: Das wirklich Neue ist, dass wir nun der Polizei die Aufgabe über­tragen, präventiv, vorbeugend tätig zu sein.

Deshalb ist es die große Aufgabe der Sicherheitspolizei, nicht nur aktuelle Gefahren abzuwehren und zu beenden, sondern – Sie finden das im Aufgabenkatalog des Si­cherheitspolizeigesetzes – auch vorbeugenden Rechtsgüterschutz zu betreiben.

Wenn Sie also hier relativ weitwendig und langatmig sagen: Was sollen wir denn tun, wenn wir keine Information haben?, dann ist genau das der Vorwurf: dass Sie sich nicht um die Information gekümmert haben. Genau das ist der sicherheitspolitische


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Vorwurf Ihnen gegenüber. Jetzt lade ich Sie, meine Damen und Herren, ein, mir kurz in einen Exkurs zu folgen. Die Märchenstunde des Herrn Innenministers ist ja vorbei, be­geben wir uns auf etwas anderes Terrain, und zwar auf das Terrain des Sicherheits­polizeigesetzes.

Wer ist oberste Sicherheitsbehörde? – Wir alle wissen es, es ist der Herr Innenminis­ter, und der § 4 des Sicherheitspolizeigesetzes sagt uns auch: „Oberste Sicherheitsbe­hörde ist der Bundesminister für Inneres.“ Er ist also für die Sicherheit in diesem Lande zuständig.

Als oberste Sicherheitsbehörde hat er eine Vielzahl von Aufgaben. Dazu gehört auch der vorbeugende Rechtsgüterschutz, und zu diesem vorbeugenden Rechtsgüterschutz gehört es nun einmal, dass die Polizei nicht nur auf der Straße, nicht nur bei Nacht und Nebel, sondern auch wenn es um das Tätigsein dieses Hauses hier geht, vorbeugen­den Rechtsgüterschutz betreibt.

§ 22 Abs. 1 Z 2 sagt ja ganz eindeutig: „Den Sicherheitsbehörden obliegt der beson­dere Schutz [...] der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit.“ Wenn Sie jetzt so tun und sagen: Na bitte, wenn man uns die Informationen nicht zu­trägt, was sollen wir denn dann tun?, dann ist das in Wirklichkeit die Bankrotterklärung der Sicherheitspolizei, weil Sie sich offensichtlich um die wesentlichen Informationen für die Sicherheit dieses Hauses nicht kümmern. (Beifall bei JETZT.)

Das alles könnte man noch unter der Rubrik: Da gehen halt die Meinungen auseinan­der, was die Polizei tun darf, was sie tun kann!, rubrizieren, aber das Entscheidende ist: Sie insinuieren, Herr Innenminister, dass in der Anfrage ein Fehler unterlaufen wä­re, weil Sie doch nichts tun müssten, wenn nicht ein entsprechendes Ersuchen an Sie herangetragen wird. – Das aber ist einfach falsch.

§ 55a unterscheidet ganz eindeutig zwischen dem Bereich, wo die Sicherheitsbehörde etwas darf, und dem Bereich, wo sie bei der Sicherheitsüberprüfung etwas muss. Sie haben das mit den Worten „fakultative und obligatorische Sicherheitsüberprüfung“ beschrieben. Ich sage: Man muss das Gesetz ganz lesen. Wenn eine Behörde eine Aufgabe hat, dann hat sie diese Aufgabe zu erfüllen, und zwar nach Maßgabe der Be­fugnisse, die dieser Behörde zur Aufgabenbewältigung eingeräumt wurden. Das war die große Neuerung des Sicherheitspolizeigesetzes, dass man ganz klar Aufgaben de­finiert und Befugnisse zugesprochen hat.

Wenn Sie also die Aufgabe haben, die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit nicht nur aktuell, sondern auch vorbeugend zu schützen, dann ha­ben Sie auch die Aufgabe, sich die entsprechenden Informationen zu besorgen und nicht darauf zu warten, dass sich irgendwelche Beamten bei Ihnen melden und sagen: Wir haben da vielleicht ein Problem, bitte tut etwas! – Genau das ist Aufgabe der vor­beugenden Sicherung bestimmter Rechtsgüter.

Was sagt uns § 55a, wann darf eine Sicherheitsüberprüfung erfolgen? – Sie darf dann zur Erfüllung der Aufgabe des vorbeugenden Rechtsgüterschutzes erfolgen, wenn es um die „Sicherung gesetzmäßiger Amtsausübung oder [...] Geheimhaltung vertrauli­cher Informationen“ geht. – Genau das ist der Punkt, um den es im BVT-Ausschuss geht. Das heißt, der konkrete Vorwurf besteht darin, dass es die Polizei und damit Ihr Verantwortungsbereich unterlassen hat, die entsprechenden Informationen zu sam­meln und auszuwerten.

Noch etwas: § 55b sagt ganz eindeutig, dass immer dann, wenn es um Funktionen bei obersten Organen geht, der Innenminister selbst als oberstes Organ des Bundes dafür zuständig ist.

Sie können sich also nicht darauf ausreden, dass Sie hier keine Informationen gehabt hätten. Fußnote dazu: Ja, selbstverständlich wäre es mir und uns lieber gewesen,


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wenn die Sicherheitsabteilung des Parlaments ein entsprechendes Ersuchen an das Innenministerium gerichtet hätte – das ist nicht gemacht worden, und das ist schlecht, dass das nicht gemacht worden ist.

Ein Wort aber muss ich schon noch zu dem Thema sagen: Es entspricht offenkundig Ihrer Amtsführung seit gut zwölf Monaten, sich bei jeder Sache immer an irgendjeman­dem abzuputzen, der das nicht richtig gemacht hätte, der es falsch gemacht hätte, der jedenfalls nicht Sie gewesen wäre. Jetzt sollen es quasi das Parlament und die Beam­ten des Parlaments gewesen sein, die hier etwas unterlassen hätten. – Das ist juris­tisch falsch und politisch blamabel. (Beifall bei JETZT.)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.


16.19.14

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es ist zweifelsohne so, dass dieser Vorfall, dass ein Security, der hier Dienst versehen hat, Verbindungen in die rechtsradikale Szene hat, als problematisch anzusehen ist. Das ist, denke ich, über­haupt keine Frage, und darüber herrscht im Haus auch eine Art Common Sense.

Ich glaube aber auch – das möchte ich ausdrücklich betonen –, dass sowohl die Vorsit­zende des Untersuchungsausschusses, Frau Präsidentin Bures, als auch der Präsi­dent des Nationalrates, Herr Sobotka, als auch der Herr Innenminister in dieser Situa­tion rasch und korrekt gehandelt haben, sofort alles getan haben, um die Fraktionsvor­sitzenden zu informieren, um in der Sache aufzuklären, um Informationen zu geben und sicherzustellen, dass eine derartige Situation beendet wird und nicht mehr vor­kommt. Meine Damen und Herren, dafür möchte ich allen drei Personen hier auch Dan­ke sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Dr. Noll, so einfach kann man es sich nicht machen, und dazu möchte ich ganz gerne auch in Richtung des Herrn Dr. Pilz sprechen: Ich stehe ja nicht im Verdacht, der erste Pflichtverteidiger des Herrn Innenministers zu sein (Zwischenruf des Abg. Noll), aber ich meine, dass in diesem Fall die Verantwortung ganz sicherlich nicht beim Herrn Innenminister liegt. Ich möchte das hier in aller Deutlichkeit sagen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Wenn Sie wissen – Sie haben die Informationen genauso, wie ich sie habe –, dass es mit diesem Sicherheitsunternehmen seit dem Jahr 2008 – also seit zehn Jahren – ei­nen Vertrag, der immer wieder verlängert worden ist, gibt, dass die Firma – und das ist in diesem Vertrag auch grundgelegt – jederzeit auf ausdrückliches Ersuchen des Parla­ments eine Sicherheitsüberprüfung im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes vorzuneh­men hat, wenn Sie wissen, dass die Parlamentsdirektion die Sicherheitsfirma am 26. Ap­ril ersucht hat, eine Sicherheitsüberprüfung im Sinne des Vertrages vorzunehmen, die Firma diesem Ersuchen aber nicht nachgekommen ist, dann werden Sie auch erken­nen müssen, dass die Schuld in diesem Fall ganz sicherlich nicht bei Bundesminister Kickl liegen kann. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, Herr Kollege Noll. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Natürlich werden wir uns Gedanken darüber machen, wie derartige Überprüfungen auch bei Mitarbeitern von Sicherheitsfirmen überhaupt vonstattengehen müssen. Es kommt ja immer wieder vor, dass solche Personen Waffen tragen. Selbstverständlich muss man sich überlegen, wie eine solche Sicherheitsprüfung tatsächlich aussehen soll, denn es kann ja wohl nicht so sein, dass man über Google mehr erfährt als über eine gewerbliche Sicherheitsüberprüfung.


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Meine Damen und Herren! Wie der Herr Bundesminister ja richtig ausgeführt hat, kann eine Google-Überprüfung auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es braucht also eine Überarbeitung der Voraussetzungen für die Tätigkeit als Sicherheitspersonal. Na­türlich wird man sich die Frage stellen müssen, wie sinnvoll es ist, im hoheitlichen Be­reich, aber auch im Parlament, überhaupt mit externen Sicherheitsfirmen zu arbeiten. Das ist etwas, worüber wir uns ganz sicher unterhalten müssen.

Ein Letztes möchte ich noch ansprechen, Herr Kollege Pilz, weil es mir wichtig ist, dass wir das tun: Wir hatten bisher die Usance, dass wir Mitarbeiter der Klubs und auch Mitarbeiter der Kabinette aus der parteipolitischen Auseinandersetzung herausgehalten haben. Wenn mit dem einen oder anderen Mitarbeiter da oder dort etwas im rechtli­chen Sinne nicht in Ordnung sein sollte, dann haben Sie ja die Möglichkeit, eine Anzei­ge vorzunehmen. Die Grenzen sind aber auch dabei das Strafrecht, das Verbotsgesetz oder andere rechtliche Bestimmungen.

Eine reine Gesinnungsschnüffelei, Herr Dr. Pilz, reicht nicht aus, um hier in dieser Art und Weise zu denunzieren, so wie Sie das getan haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krai­ner. – Bitte.


16.25.12

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Rechtsextremer im Untersuchungsausschuss als Security: Was ist da eigentlich passiert?

Wir hatten da eine Person, die die Taschen, die Rucksäcke, die Ausweise der Journa­listen kontrolliert und damit Zugang zu ihren Privatadressen hatte. Wir hatten da einen Menschen, der offensichtlich auch Zugang zu Klubräumlichkeiten, zu den Büros der PräsidentInnen – mit Ausnahme des Büros des Präsidenten – hatte. Wir hatten hier eine Person, die entweder direkten Zugang zu Auskunftspersonen beziehungsweise auch Informationen über Klarnamen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfas­sungsschutzes hatte, die im Untersuchungsausschuss genannt, von den Medien aber immer abgekürzt gebracht wurden. Das war die Situation, die wir über viele, viele Wo­chen und teilweise über viele Monate hatten.

Was lernen wir daraus? – Das Erste, das wir lernen, ist, dass eine Auslagerung – ich glaube, nicht nur von Sicherheitsdienstleistungen, sondern genauso von Reinigungs­diensten und dergleichen – einfach auch Probleme macht und zu Problemen führt.

Das Zweite ist: Wenn man sich ansieht, wie das Ganze von dieser Person selber und in diesen rechtsextremen Kreisen, sage ich einmal, in internen und offenen Facebook-Gruppen kommentiert wird, sieht man, dass die sich offensichtlich im Aufwind fühlen, dass sie das Parlament verhöhnen, dass sie die Arbeit des Parlaments verhöhnen, das heißt, dass sich rechtsextreme Neonazis allgemein anscheinend in einem Aufwind füh­len.

Das Dritte, das wir lernen, ist, glaube ich, dass wir Rechtsextremismus in diesem Land stärker überwachen sollen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.)

Was wir erstens mitnehmen sollten: kein Fremdpersonal im Parlament für Sicherheits­dienste, für Reinigungsdienste, das heißt möglichst überhaupt kein Outsourcing im Parlament.

Zweitens – und das geht natürlich auch den Innenminister etwas an –: Das, was wir alle nicht wollen können, ist, dass Extremisten mit Waffen durch diese Stadt laufen und theoretisch dann auch noch im Parlament Dienst versehen, wo sie diese Waffen zwar


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nicht legal mitnehmen dürften, aber – da sie ja nicht kontrolliert werden, wenn sie als Securities hier arbeiten, das haben wir explizit abgefragt – womöglich mit diesen Waf­fen hier im Parlament herumlaufen und dabei den Präsidenten zum Beispiel am Tag der offenen Tür – unter Anführungszeichen – „bewachen“ sollen.

Das ist etwas, das können wir alle hier nicht wollen. Deswegen wundert mich, ehrlich gesagt, auch die Reaktion des Innenministers ein bisschen, denn er hat hier mit kei­nem Wort gesagt, dass dieser Vorfall problematisch ist und dass man daraus lernen muss, wie wir in Zukunft solche Dinge verhindern. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von NEOS und JETZT.)

Das bringt mich gleich zur Frage: Was macht eigentlich Innenminister Kickl in dieser Frage? – Das Erste ist: Er selbst und seine Mitarbeiter gefährden verdeckte Ermittler im Bereich Rechtsextremismus. Wir wissen aus dem Untersuchungsausschuss, dass durch Handlungen des Ministers beziehungsweise seiner engsten Mitarbeiter laut den Aussagen der führenden Verfassungsschützer in diesem Land verdeckte Ermittler im rechtsextremistischen Bereich direkt gefährdet wurden.

Das Zweite, das wir lernen: Er und seine Mitarbeiter haben versucht, die Leiterin des Extremismusreferates im BVT entweder in die Pension zu mobben oder in das Sportre­ferat zu versetzen – trotz ihrer jedenfalls sehr erfolgreichen Arbeit: Er lobt sie hier. Sei­ne Mitarbeiter wissen von diesem Lob aber offensichtlich nichts, denn sie haben nach­weislich versucht, sie in die Pension zu mobben oder in das Sportreferat zu versetzen.

Das Dritte, das wir aus dem Untersuchungsausschuss wissen, ist, dass der Innenmi­nister versucht, das BVT jetzt zu einer Art FPÖ-Geheimdienst umzubauen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das ist etwas, was sehr erschreckend ist. Bisher war es so, dass der Geheimdienst den Rechtsstaat, die Demokratie vor Extremisten schützte, jetzt hat man den Eindruck, dass FPÖler beziehungsweise Extremisten vor dem Rechtsstaat ge­schützt werden sollen. Das ist etwas, das wir auf gar keinen Fall zulassen dürfen. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und JETZT.)

Das Vierte, das wir lernen, ist, dass der Minister über Inserate versucht, direkt in rechtsextremen Kreisen Personalnachwuchs für die Polizei anzuwerben. Wenn die Polizei vor allem in rechtsextremen Kreisen den Nachwuchs sucht und dann auch noch die Anforderungen herabsetzt, damit diese Personen auch wirklich Polizisten werden können, würde das dazu führen, dass es fast besser wäre, private Sicherheitsdienst­leister hier zu haben. Minister Kickl! Mein Eindruck ist, dass Sie nicht Teil der Lösung sind, Sie sind in Wahrheit Teil des Problems.

Eine letzte, ganz wesentliche Frage habe ich noch an einen nachfolgenden Redner. Kollege Hafenecker, Sie reden ja dann, legen Sie doch bitte die Verbindungen, welche die FPÖ zu diesem Security hatte, offen! Wir wissen ja aus einer einfachen Google-Recherche, dass fotografisch dokumentiert ist, dass er bei FPÖ-Wahlveranstaltungen war (Abg. Steger: Wissen Sie, welche Leute bei...?), nicht zu Ihrer Zeit, sondern zu der Zeit, als der jetzige Innenminister noch Generalsekretär war.

Sie haben aber in der Zwischenzeit sicher nachgesehen, welche Verbindungen es gibt. Kommen Sie heraus, legen Sie die Verbindungen zwischen der FPÖ und diesem ehe­maligen Security hier im Haus offen! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Ab­geordneten von NEOS und JETZT. Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jene­wein. – Bitte.


16.31.39

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn der heutigen Dringlichen Anfrage


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habe ich mir noch gedacht, da kommt irgendetwas Wesentliches. Das war aber eine Doppelnullnummer des Herrn Pilz und leider auch des Herrn Kollegen Noll.

Diese Zettelsammlung des Herrn Pilz ist ja nicht nur teilweise inhaltlich falsch, sie ist falsch recherchiert, Namen wurden falsch geschrieben. Wenn Sie immer so präzise ar­beiten wie in dieser Dringlichen Anfrage, dann wundert es mich, ehrlich gesagt, auch nicht, dass sich der Stern des ehemals so hochgelobten Aufdeckers und selbst ernann­ten Berufsantifaschisten Peter Pilz langsam, aber sicher im Sinken befindet. Herr Noll hat sich da in einer scholastischen Privatvorlesung ergangen, die war auch nicht un­bedingt so erbauend, zumindest sicherlich nicht für dieses Haus betreffend die Wahr­heitsfindung.

Interessant ist, dass Herr Pilz 21 Mal – ich habe extra Stricherl gemacht – das Wort Neonazi gebraucht und hier ein Bild gezeichnet hat, als würde dieses Land quasi vor Neonazis ersticken und als müssten wir eigentlich nur mehr warten, bis die das Par­lament stürmen und bis die Straßen gestürmt werden.

Im Endeffekt kommen halt wieder einmal Ankündigungen, Märchenstunden, dieses Dramatisieren von Peter Pilz heraus. Wissen Sie, das ist so retro, das ist so 1980er-, 1990er-Jahre. Sie haben einfach den Zug nicht mehr erwischt, um ins neue Jahrtau­send zu kommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Man merkt es an dem Auftritt hier, es ist keine Aufregung mehr da, dem Rest der Opposition schlafen auch schon die Füße ein.

Mein Vorredner, Herr Krainer, muss mitten in der Rede auf den BVT-Untersuchungs­ausschuss umschwenken (Zwischenruf bei der SPÖ), sonst wüsste er überhaupt nicht mehr, was er sagen soll, da eigentlich zu der Dringlichen Anfrage ohnehin nicht mehr allzu viel zu sagen ist. Er hält dann seine Krainer-Märchenstunde – ja, ist auch gut, das kennen wir aus vielen Medienstellungnahmen, das war ja nicht so interessant.

Ich finde es halt spannend, dass Peter Pilz als Ziehvater des institutionellen Linksextre­mismus hier laufend mit einem Schmutzkübel ganze Branchen – in dem Fall war es die Sicherheitsbranche – verbrennt, indem er sagt (neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ), das sind ja alles Wahnsinnige, das sind ja lauter Irre, lauter Rechtsextremisten, lauter Neonazis.

In Bausch und Bogen wird da ein Urteil von Peter Pilz gesprochen, der ja selbst in sei­ner Vergangenheit durchaus schon den einen oder anderen Fleck hat, wo man sich die Frage stellen sollte: Warum sagt er eigentlich nicht, was er seinerzeit in Nicaragua gemacht hat? Warum sagt er eigentlich nicht, was er seinerzeit in Kuba gemacht hat? Warum sagt er eigentlich nicht, ob es stimmt, was vielerorts gemunkelt wird, dass er mit Stasispitzeln konspiriert hat? Warum sagt er denn das alles eigentlich nicht?

Nein, er stellt sich als Saubermann dar, er stellt sich hier her mit dem moralischen Zei­gefinger. Er stellt sich als jemand her, der ganz hohe moralische Ansprüche an die Re­gierungsparteien (Abg. Nehammer: Das geht sich nicht aus! Das ist ein Widerspruch!), an das Ministerium, an den Minister definiert, aber selbst in keiner Weise bereit ist, diese hohen moralischen Ansprüche, die er allen anderen als Vorgabe gibt, selbst zu erfüllen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das ist ein wenig schade, insofern schade, als ja Peter Pilz eigentlich sein selbst ge­setztes Denkmal beschädigt. Wobei man sich die Frage stellen muss: Worauf beruht das eigentlich, wie kommt Herr Pilz eigentlich zu diesem Ruf? – Wenn ich mir sein Cur­riculum der letzten 25, 30 Jahre ansehe, höre und lese ich wahnsinnig viele Vorwürfe in alle Richtungen. Es gibt ja kaum jemanden in diesem Land, den er noch nicht ange­zeigt oder es ihm zumindest angedroht hat.

Unterm Strich aber schaut es dann meistens eher finster aus. Ich kann mich nicht da­ran erinnern, dass der große Aufdecker abseits des Lucona-Untersuchungsausschus-


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ses jemals irgendwo irgendetwas bewegt hätte. Das Einzige, was er gerne macht: Er stellt sich in die Öffentlichkeit, erzählt irgendwelche Geschichten. Wenn sich dann he­rausstellt, dass die Geschichte nicht stimmt, dann dreht er sich einfach um und erzählt eine neue Geschichte und erzählt die nächste Geschichte und erzählt die nächste Ge­schichte. (Ruf bei der FPÖ: ... damit ist vorbei!) Irgendwann kommt einem dann schon das Gähnen und man denkt sich: Ja mein Gott, er ist halt auch nicht mehr ganz der Alte. Ab einem gewissen Alter sollte man vielleicht das Geschichtenerzählen den Jün­geren überlassen, die machen es mitunter sogar besser. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da das heute eine so versöhnliche Dringliche Anfrage ist und wir alle so versöhnlich hier stehen, so versöhnliche Worte finden und uns so versöhnlich miteinander austau­schen, möchte ich Ihnen, Herr Dr. Pilz, eine kurze Mitteilung darüber geben, was Ihr Doktorvater, Herr Alexander Van der Bellen, in einem E-Mail geschrieben hat.

Er wurde gefragt, wie denn das eigentlich in seiner Innsbrucker Studienzeit war, denn man hörte, dass Herr Van der Bellen, als er jung war, ebenfalls ein recht lustiger Typ war, er ist dahin und dorthin gegangen, hat verschiedene Leute getroffen, und unter anderem war er auch bei der Burschenschaft Brixia eingeladen.

Da schreibt Alexander Van der Bellen: Ich kann mich erinnern, vor über 40 Jahren mit einem Freund einen Abend bei der Burschenschaft Brixia verbracht zu haben. Weiters habe ich in meiner Zeit als Vorsitzender des Innsbrucker Assistentenverbandes re­gelmäßig mit Vertretern des RFS über die Durchsetzung von Informations- und Mitbe­stimmungsrechten an der damaligen Ordinarienuniversität debattiert und verhandelt. Einige meiner persönlichen Freunde waren Mitglied einer Burschenschaft, Neonazi war keiner von ihnen. – Zitatende.

Das schreibt Herr Alexander Van der Bellen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordne­ten der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ich darf abschließend – meine Redezeit geht dem Ende zu – sagen: Wenn sogar Wer­ner Amon, der ja nicht unbedingt als großer Freund unseres Innenministers gilt und durchaus immer wieder als Kritiker auftritt, hier heute versöhnliche Worte in Richtung Innenministerium und in Richtung Innenminister Herbert Kickl findet, wäre es ein Zei­chen von Größe, wenn Peter Pilz vielleicht auch noch herauskommen und sagen wür­de: Es tut mir leid, bei der nächsten Dringlichen Anfrage werde ich es besser machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sche­rak. – Bitte. (Abg. Wittmann: Seit wann ist Ziehvater des Linksextremismus kein Ord­nungsruf?)


16.38.19

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Innenminis­ter! Vielleicht vorweg einleitend: Herr Kollege Jenewein, ich nehme an, dass die Leute, mit denen Alexander Van der Bellen damals in der entsprechenden Studentenverbin­dung zu tun hatte, andere sind als jetzt. Das ist schon einige Zeit her, es kann sich ja in der politischen Gesinnung inzwischen etwas geändert haben. Das kann möglicherwei­se sein.

Herr Innenminister, Sie haben zwei Dinge angesprochen, die ich ganz spannend fand: einerseits Ihr Plädoyer gegen den Überwachungsstaat und da quasi für eine Verhält­nismäßigkeitsprüfung bei Grund- und Freiheitsrechten. Ich würde mir das in anderen Bereichen von Ihnen auch wünschen, Sie kennen da meine Kritikpunkte, nicht nur in diesem Zusammenhang.


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Das Zweite, das ich sehr interessant fand: Sie haben sich die Fragen betreffend sehr oft auf die Amtsverschwiegenheit berufen. Sie wissen auch, dass das ja leider etwas ist, was dem Verfassungsgesetzgeber passiert ist, denn grundsätzlich war es nicht so geplant, dass sich ein Minister gegenüber dem Nationalrat auf die Amtsverschwiegen­heit berufen kann. Nichtsdestotrotz haben Sie recht, bei diesen Fragen wäre jedenfalls der Datenschutz vorgegangen, dementsprechend wäre das einigermaßen schwierig.

Ich glaube, dass wir uns alle einig sind, dass die Situation, vor der wir jetzt stehen, für uns alle nicht nur unangenehm, sondern einigermaßen gefährlich und letztlich vor allem sehr, sehr peinlich ist, dass es sein kann, dass jemand, der – ich sage es jetzt vorsichtig – eine umfassende Nähe zur Neonaziszene, wie auch immer man das genau definieren will, hat, hier als Sicherheitsdienstleister in einem Untersuchungsausschuss tätig ist. Ich halte diese Optik für verheerend.

Ich glaube, dass das insbesondere daran liegt, dass wir uns überlegen sollten, ob das denn überhaupt möglich sein sollte, dass eine private Sicherheitsfirma in diesem Zu­sammenhang im Parlament tätig ist.

Die einschlägigen Rechtsbestimmungen sind schon entsprechend bemüht worden. Ich glaube, dass nach den momentan vorhandenen Rechtsbestimmungen die Überprüfun­gen wahrscheinlich nicht viel anders hätten ausgehen können. Sie haben angespro­chen, dass die Überprüfung nach dem Sicherheitspolizeigesetz gar nicht angefragt wurde.

Ich glaube, worüber wir uns grundsätzlich Gedanken machen sollten, ist, ob die derzei­tigen Rechtsbestimmungen – sprich: jene nach dem Waffengesetz, die Bestimmungen nach dem Sicherheitspolizeigesetz oder vielleicht auch bei der Gewerbeordnung – aus­reichend sind. Sie zeigen auf uns als Gesetzgeber: Sie wissen, dass Sie auch als In­nenminister die Möglichkeit haben, die Initiative zu ergreifen – Sie haben es ja auch schon angesprochen. Ich glaube, wir sollten uns alle hier im Parlament zusammen­setzen und überlegen, ob diese Rechtsvorschriften noch zeitgemäß sind beziehungs­weise ob es einfach Notwendigkeiten gibt, sie entsprechend zu ändern.

Was ich grundsätzlich sehr schwierig finde – das ist eine allgemeine Frage, die wir schon sehr oft hier im Hohen Haus diskutiert haben –, ist die Frage der Auslagerung von jenen Aufgaben, die an und für sich der Hoheitsverwaltung obliegen sollten. Es war sehr oft die Freiheitliche Partei, die meinen Kritikpunkt geteilt hat, die sagte, dass dort, wo es um die Ausübung von Polizeibefugnissen oder von etwas, das Polizeibe­fugnissen nahe ist, geht, nicht ausgelagert werden sollte. Wir hatten sehr lange die Dis­kussion über das Schubhaftzentrum Vordernberg. Es war in diesem Zusammenhang leider immer die ÖVP, die gebremst hat.

Die Frage der Privatisierung ist vorhin schon angesprochen worden. An und für sich bin ich ein Freund der Privatisierung und halte sie in ganz, ganz vielen Bereichen für richtig und auch für wichtig, weil ich nicht glaube, dass sich der Staat übermäßig in Unternehmungen einmischen muss. Wo es aber auf gar keinen Fall geht – das ist ge­nau die Problematik, vor der wir nun wieder stehen –, ist dort, wo es wirklich um poli­zeiliche Befugnisse geht.

Das haben wir zum Beispiel beim Schubhaftzentrum Vordernberg, wo wir bis heute eine ungeklärte grundrechtliche Problematik haben. Was ist, wenn dort etwas pas­siert? – Dazu gibt es übrigens einen Bericht und Empfehlungen der Volksanwaltschaft. Es war immer die ÖVP, die da blockiert hat.

Wir haben das nun auch weiterhin in der derzeitigen Situation. Wir haben einen priva­ten Sicherheitsdienstleister, der bei der Überprüfung offensichtlich nicht so vorgeht, wie wir uns das erwarten. Deswegen haben wir nun diese absurde Situation.


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Ich appelliere wirklich ganz ehrlich an die FPÖ – das tue ich sehr selten, aber in die­sem Zusammenhang hatten Sie früher vollkommen recht, genauso wie viele andere Parteien hier im Hohen Haus recht hatten; die einzige Partei, die sich da immer ge­wehrt hat, ist die ÖVP –, dass Sie dort, wo es wirklich ganz nah an den hoheitlichen Aufgaben ist, dort, wo Sicherheitsbefugnisse sind, Ihren Koalitionspartner davon über­zeugen. Wie Sie wissen, haben Sie ja gemeinsam in den Koalitionspakt hineinge­schrieben: Wir dürfen uns nicht gegenseitig überstimmen. – Wenn wir hier einfach ei­nen Initiativantrag einbringen würden, hätten wir eine breite Mehrheit. Es liegt also an Ihnen und Ihrer Koalitionstreue. Sie haben offensichtlich nicht den Mumm, das entspre­chend umzusetzen.

Ich halte es für vollkommen gefährlich, Dinge, die an und für sich Polizeibefugnisse sind, auszulagern. In diesem Zusammenhang geht es übrigens nicht nur um das Aus­lagern, denn Sie wissen auch, wir haben seit Ewigkeiten die Situation, dass das Bun­desheer Aufgaben übernimmt, die nicht zum Bundesheer gehören. Das ist der immer weiter verlängerte Assistenzeinsatz, das betrifft auch die Diskussion, ob das Bundes­heer vor Botschaften stehen sollte. Im Übrigen gab es auch schon Personen, die vor­geschlagen haben, dass das Bundesheer zukünftig vor dem Parlament stehen soll.

Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Aufgaben, die in Österreich der Poli­zei zustehen, ausschließlich von der Polizei wahrgenommen werden sollen und nicht vom Bundesheer und auch nicht von privaten Sicherheitsdienstleistern übernommen werden sollen, denn dort hat Privatisierung schlichtweg keinen Platz. Das müssen wir gemeinsam schaffen. Liebe FPÖ, überzeugen Sie Ihren Koalitionspartner! An diesem liegt es nämlich, dass das immer noch der Fall ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Zadić. – Bitte.


16.43.34

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (JETZT): Herr Präsident! Geschätzter Herr In­nenminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte kurz auf die Anfragebeantwortung eingehen. Sie haben uns gesagt, dass Sie nicht wissen, wie vie­le Extremisten – Rechtsextremisten, Linksextremisten, Neonazis, Salafisten oder Dschi­hadisten – Waffen tragen. (Abg. Rosenkranz: Na legal oder illegal?) Sie wissen nicht, wie viele Extremisten mit Waffen herumlaufen. (Abg. Rosenkranz: Legal oder ille­gal?) – Legal oder illegal: Ich will einfach wissen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), wie viele Extremisten in diesem Land mit Waffen herumlaufen, weil die Extremisten –dazu gehören Islamisten, Dschihadisten, Neonazis – in diesem Land nicht mit Waffen he­rumzulaufen haben. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich weiß nicht, was schlimmer ist: dass Sie es nicht wissen oder dass Sie es offensicht­lich nicht wissen wollen. Der Verfassungsschutz weiß selbstverständlich, wie viele und welche Extremisten in unserem Land herumlaufen, er hat ja diese Daten. Sie als In­nenminister und Sie im Innenministerium haben ja auch die Daten, wer welche Waffen hat. (Abg. Gudenus: Wie viele Waffen gibt es bei der Liste Pilz?) Dementsprechend wäre es eigentlich eine ganz einfache Anordnung, diese Datensätze miteinander zu verbinden, dann hätten wir auch eine Antwort auf die Frage, ob Islamisten bei uns Waf­fen tragen. (Beifall bei JETZT.)

Ich möchte mich auch kurz zu jenem Fall äußern, den wir gerade besprechen. Das, was passiert ist, ist so unglaublich, dass man sich sowohl im Ausland als auch im In­land fragt, ob das nicht ein schlechter Scherz ist. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Ein Neonazi und Küssel-Freund sorgt für die Sicherheit im Parlament, sorgt für die


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Sicherheit und den Schutz der verfassungsmäßigen Organe! Er sorgt auch für den Schutz derjenigen, die sicherstellen sollen, dass der Verfassungsschutz ordentlich arbeitet, derjenigen, die auch sicherstellen sollen, dass Rechtsextremisten, Neonazis und Dschihadisten aufgespürt und aufgehalten werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gudenus.)

Seit Monaten reden wir uns schon den Mund fusselig, dass unsere Sicherheit gefähr­det ist, seit Monaten reden wir davon, dass Daten aus dem Extremismusbüro mitge­nommen wurden und möglicherweise in falsche Hände geraten sind. Seit Monaten reden wir davon, dass die Sicherheit in diesem Land gefährdet sein könnte – und Sie, Herr Innenminister, erzählen uns, dass Sie alles im Griff haben. Sie erzählen uns, dass unsere Sicherheit nicht gefährdet ist, weil Sie ja der beste Innenminister aller Zeiten sind. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Und dann kommt das: Dieser Herr, von dem wir gerade sprechen, wurde ja bereits 2015 wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz angeklagt – und ausge­rechnet dieser Herr soll für unsere Sicherheit sorgen, ausgerechnet dieser Herr soll für die Sicherheit der verfassungsmäßigen Organe sorgen.

Herr Innenminister, mein Kollege Noll hat es Ihnen ja schon erklärt: Sie sind für die Si­cherheit in diesem Land verantwortlich. Ihre Behörden sind auch für die Sicherheit in unserem Land verantwortlich. Es obliegt selbstverständlich Ihrer Verantwortung, nach dem SPG genau zu prüfen, wer hier eingesetzt wird, um für unsere Sicherheit zu sor­gen.

Herr Innenminister, wenn man sich Ihre Amtsperiode der letzten zwölf Monate an­schaut: Sie sind ja auch dafür bekannt, dass Sie sich immer wieder vor der Verantwor­tung drücken. Sie sind ja auch dafür bekannt, dass Sie sich bei anderen abputzen. Als beispielsweise das E-Mail aufgetaucht ist, dass die Pressefreiheit eingeschränkt wer­den soll, haben Sie sich auch bei den Beamten abgeputzt. Nun haben Sie versucht, sich bei der Parlamentsdirektion abzuputzen, weil diese ja die Sicherheitsüberprüfung hätte beantragen sollen. (Abg. Leichtfried: Ja vielleicht ist der Sobotka schuld! – Abg. Rosenkranz: Gemeinsam vielleicht!?)

Herr Innenminister, das, was Sie verabsäumt haben, hat das Verteidigungsministerium 2016 nicht verabsäumt. 2016 hat nämlich das Abwehramt des Bundesheers sehr wohl festgestellt, dass der besagte Kollege in rechtsextremen Kreisen verkehrt. Der besagte Kollege wurde dann auch von der Bundesheermiliz rausgeschmissen und hat sogar ei­nen unbefristeten Sperrvermerk im Verzeichnis. Das heißt, wenn man Daten zusam­menführen und besser analysieren würde – oder analysieren wollen würde –, dann wä­re dieser Skandal nicht passiert.

Meine Damen und Herren, genau das passiert, wenn man die Hauptaufgaben des Staates – dazu gehört auch die Sicherheit – privatisiert. Man hat ja immer wieder gese­hen, dass, wenn man beispielsweise die Bildung oder die Gesundheit privatisiert, dabei nichts Gutes herauskommt. Es kommt auch nichts Gutes dabei heraus, wenn man die Sicherheit privatisiert. (Beifall bei JETZT.)

Wenn die Sicherheit – das ist die wichtigste Aufgabe des Staates – privatisiert ist, dann passiert genau das: Man versucht sich abzuputzen, man schiebt sich gegenseitig die Verantwortung zu. Eigentlich aber hätte der Staat, hätte das Innenministerium die Auf­gabe, für die Sicherheit in diesem Land zu sorgen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.49

16.49.39*****



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nach der Durchsicht der Protokolle halte ich die Ausdrücke „Ziehvater des institutionellen Linksextremismus“ und „ein Kabinett nach dem anderen mit Rechtsextremisten anfüllen“ für die Würde des Hauses nicht für ange­bracht. Ich erteile aber keine Ordnungsrufe und bitte, das zu unterlassen.

Wohl aber erteile ich Ihnen, Herr Pilz, einen Ordnungsruf für die Ausdrucksweise: „Op­positionsbank – Regierungsbank – Anklagebank. Ich bin froh, wenn wir das Kapitel Re­gierungsbank endlich verlassen haben und einige von Ihnen – ich weiß noch nicht, wel­che es diesmal sein werden – auf der Anklagebank wiederfinden.“ – Das ist eine pau­schale Unterstellung, dass eine Partei oder ihre Vertreter jetzt schon verdächtigt wer­den, unrechtmäßige, strafbare Handlungen getätigt zu haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Keinen Applaus, bitte! (Ruf: Typisch Pilz!) Ich bitte Sie, das ist eine so heikle Debatte, es geht wirklich um etwas! Im Parlament ist alles, was mit Rechtsextremismus in dieser Form der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz zu tun hat, eine ganz ernste und heikle Angelegenheit. Ich würde Sie daher ersuchen, es zu unterlassen, mit Untergrif­fen und Unterstellungen zu arbeiten. (Abg. Rosenkranz: Richtig!)

*****

Als Nächste ist Frau Abgeordnete Schwarz zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.51.09

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ich werde ver­suchen, die Diskussion nun wieder zu versachlichen. Wir alle, die wir im BVT-Untersu­chungsausschuss sitzen, sind uns nicht nur der Verantwortung bewusst, sondern ver­lassen uns selbstverständlich auf absolute Vertraulichkeit und Sicherheit. An dieser Stelle auch ein kleiner Appell: Mit Vertraulichkeit ist auch gemeint, dass keine vertrauli­chen Daten an Medien weitergegeben werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Wir stehen für die Sicherheit aller Beteiligten, der Mitglieder des Untersuchungsaus­schusses, der Mitarbeiter, der Auskunftspersonen und selbstverständlich auch aller Journalistinnen und Journalisten. Gerade im BVT-Untersuchungsausschuss, in dem wir unter anderem Mitarbeiter des Verfassungsschutzes befragen, deren Persönlichkeit eines besonderen Schutzes bedarf, und auch Extremismusfragen erörtern, ist es für mich untragbar, dass jemand, der sich in neonazistischen Kreisen bewegt oder auch anderen extremistischen Hintergrund hat, für unsere Sicherheit verantwortlich ist.

Ich bin sehr froh, dass wir uns als BVT-Untersuchungsausschuss sehr rasch, sehr ein­hellig und auch sehr unaufgeregt auf eine weitere Vorgangsweise geeinigt haben, nämlich darauf, dass in Zukunft ausschließlich Mitarbeiter des Hauses oder des Innen­ministeriums, die zumindest bis zur Sicherheitsstufe vertraulich sicherheitspolizeilich überprüft sind, Dienst tun. Es muss auch sichergestellt sein, dass die Abhörsicherheit gegeben ist – auch dessen haben wir uns selbstverständlich versichert.

Eines ist jedenfalls klar – das wurde heute schon erwähnt –: Der vorliegende Vertrag stammt aus dem Jahr 2008, er wurde unter der Nationalratspräsidentin Prammer abge­schlossen. Bisher wurden alle Untersuchungsausschüsse auf Basis dieses Vertrags­inhaltes abgewickelt, und das war auch bei diesem Untersuchungsausschuss so.

Zusätzlich dazu besteht selbstverständlich die Möglichkeit, dass von der Parlaments­direktion eine Sicherheitsüberprüfung nach dem SPG angefordert wird. Das wurde auch getan, und zwar am 26. April dieses Jahres durch die Parlamentsdirektion. Die Firma hat die Durchführung dieser Sicherheitsüberprüfung bestätigt. Warum diese nicht nach dem SPG erfolgt ist, entzieht sich noch unserer Kenntnis.


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Fazit: Die ersten Konsequenzen wurden gezogen – ich bin sehr beruhigt darüber –, und es werden sicher weitere folgen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Frau Abgeordnete Schatz gemel­det. – Bitte.


16.53.40

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ) (eine Tafel, auf dem ein Facebook-Posting mit einem Foto vom Tag der offenen Tür im Parlament zu sehen ist, in die Höhe haltend): Herr Präsident! Herr Minister! „Deutschösterreicher! Fürchtet Euch nicht! Wir lassen Euch mit diesem Parlament nicht alleine.“ – Zitatende.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben ein Problem: Wir haben ein Neonazipro­blem! Was Sie hier auf dieser Tafel lesen können, ist ein heute durch eine Recherche­plattform veröffentlichtes Posting eines bereits wegen Wiederbetätigung verurteilten und noch immer aktiven Neonazis. Er kommentiert freudig einen Artikel zu seinem Ka­meraden als Security im Parlament. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Dieser Security ist aber nicht bloß rechtsextrem eingestellt, sondern er hat beste Ver­bindungen zu den Leitfiguren des österreichischen Neonazismus, allen voran, wie wir wissen, mit dem bekannten verurteilten Neonazi Gottfried Küssel. Er hat zudem auch beste Verbindungen zur Neonazigruppe „Unwiderstehlich“.

Es ist ein unfassbarer Skandal, dass eben dieser Küssel-Freund bei der Befragung der Leiterin der Extremismusabteilung im BVT-Untersuchungsausschuss zugegen war und diese Befragung mit beobachten und mit anhorchen konnte, weil nämlich die Leiterin der Extremismusabteilung mit ihren Recherchen wesentlich dazu beigetragen hat, dass Gottfried Küssel und alpen-donau.info rechtskräftig verurteilt worden sind. Das ist ein Skandal, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit aber nicht genug: Der Security soll auch Verbindungen zu einem ehemaligen FPÖ-Nationalratskandidaten und Kader der rechtsextremen Hooligangruppe „Unsterb­lich“ haben. Das ist deswegen relevant, weil sich unsere Befragungen im BVT-Untersu­chungsausschuss auch um diese Gruppe drehen, weil aus dem Büro der Leiterin des Extremismusreferats Datenträger zu dieser Hooligangruppe beschlagnahmt worden sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, der vom „Standard“ enttarnte Neonazi-Security ist ei­gentlich nur die Spitze eines Eisbergs, der das Ergebnis einer Politik ist, die keine klare Abgrenzung nach rechts findet und dazu beiträgt, dass Neonazis aus ihren Löchern kriechen und ihre Ideologie offen zur Schau stellen. Das ist der Skandal an dieser Ge­schichte. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Innenminister, wir verzeichnen 1 063 rechtsextreme Straftaten für das vergangene Jahr. Sie haben erwähnt, es ist weniger als zuvor. Sie haben nicht erwähnt, dass das extreme Hoch von den Jahren 2015 und 2016 aber immer noch nicht unterschritten ist und wir bei diesen rechtsextremen Straftaten auf einem hohen Level stehen.

Unsere Forderung, sich dieses Themas ernsthaft anzunehmen, einen Rechtsextremis­musbericht zu erstellen und darauf basierend eine Strategie aufzubauen, um gegen Rechtsextremismus vorzugehen, ignorieren Sie. Sie bagatellisieren Rechtsextremis­mus, Herr Innenminister! Das verwundert mich aber ehrlich gesagt nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit der Regierungsbildung zählen wir allein 42 rechtsextreme, rassistische und antise­mitische Einzelfälle im Umfeld der FPÖ, die freilich schon lange keine solchen mehr sind. Die ÖVP schaut zu, schweigt und duldet eben diese Einzelfälle. (Oh-Rufe bei der


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ÖVP.) Die FPÖ-geführten Ministerien sind voll von deutschnationalen Burschenschaf­tern. Sie und Ihre Kollegen in den FPÖ-Ministerien inserieren munter in rechten Me­dien, die sogar vom Presserat verurteilt worden sind – bei einem davon sitzt ein rechts­extremer Identitärer in der Redaktion. (Ruf bei der FPÖ: Die „Kronen Zeitung“ wurde auch verurteilt!)

Herr Innenminister, während sich in Österreich Bürgerwehren gründen, Rechtsextreme auf Straßen aufmarschieren und sich Neonazis in Facebook-Gruppen organisieren – darunter eben auch dieser Security –, haben Sie mit dem Überfall auf das BVT das Rechtsextremismusreferat gelähmt und die BVT-MitarbeiterInnen in ihrem Schutz ge­fährdet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage ganz klar: Es reicht, Herr Innenminister! Bitte beenden Sie Ihre Fahrlässigkeit und übernehmen Sie die Verantwortung! Wo bleiben Ihre klaren Ansagen gegen Neo­nazismus, wo bleiben Ihre Ansagen gegen Rechtsextremismus? – Danke schön. (Bei­fall bei SPÖ und JETZT.)

16.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Frau Abgeordnete Lueger gemel­det. – Bitte.


16.58.29

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema Ausgliederung bei Sicherheitsbehörden beschäftigt das österreichische Parlament schon seit Jahrzehnten. Bis dato haben wir aber immer noch keine Lösung gefunden, um einerseits die Rechtslage ganz klar zu klären und um andererseits auch die Finan­zierung dazu zu sichern.

Wir als SozialdemokratInnen waren immer sehr skeptisch gegenüber Ausgliederungen und Auslagerungen an private Sicherheitsdienste, und zwar mit dem Wissen, dass wir diese Dienste bei Sportveranstaltungen und bei vielen anderen Dingen auch benöti­gen, auch hier im Parlament, wo diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hervorragende Arbeit leisten – abgesehen von diesem einen Kollegen, der nun auch vom Dienst sus­pendiert wurde –, dass aber im Kernbereich das Gewaltmonopol beim Staat bleiben muss. Das ist eine der wichtigsten Zielsetzungen.

In der Kommunikation – und wir haben das in der Debatte schon gehört –, die es jetzt am Wochenende zwischen dem Bundesministerium für Inneres und der Parlaments­direktion gegeben hat, ist dieses Missverständnis zutage getreten – ohne dass wir alle den Vertragstext kennen, gemäß dem dieser Beamte, dieser Bedienstete damals beim Sicherheitsdienst eingestellt wurde –, ob es eine Sicherheits- oder eine Verlässlich­keitsprüfung war. Die Zuverlässigkeitsprüfung – der Herr Minister hat das ausgeführt – gemäß der Gewerbeordnung führt in diesem Fall der Arbeitgeber durch; sie ist nichts anderes als ein Leumundszeugnis, also das Abfragen bei der zuständigen Sicherheits­behörde, ob es Eintragungen im Strafregister gibt. Bei der Sicherheitsüberprüfung nach dem SPG, die nicht erfolgt ist, wird auch die Frage gestellt, ob die betreffende Person in Verbindung mit radikalen oder gewaltbereiten Organisationen steht. Das wurde nicht gemacht. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion hat bereits vor über 20 Jahren ein Gesetz für Sicherheitsdienstleister zu initiieren versucht. Zentrale Punkte wären hier vor allen Dingen, die Zuverlässigkeit nach genauen, strengen rechtlichen Kriterien zu prüfen, aber auch eine qualifizierte einheitliche Ausbildung. Bedauerlicherweise hat sich immer die ÖVP dagegen gewehrt, auch die Wirtschaftskammer und das Wirtschaftsminis­terium. Sie wollten kein eigenes Sicherheitsdienstleistungsgesetz. Mein Appell an die ÖVP, aber auch an die FPÖ: Legen Sie ein Gesetz vor, das eine einheitliche Ausbil-


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dung vorsieht! Selbst die großen Sicherheitsdienstleister, wie zum Beispiel der Öster­reichische Wachdienst und die Group 4, würden es sehr begrüßen, wenn sie eine ein­heitliche Ausbildung hätten.

Absolut bedenklich ist für mich, dass es Hinweise gibt, dass sich viele Menschen, die bedauerlicherweise der Neonaziszene angehören, Gewerbescheine als Berufsdetek­tive und zur Bewachung beweglicher Güter lösen, und das ist eine bedenkliche For­mation.

Morgen tagt die Präsidialkonferenz, und ich bin überzeugt davon, dass das Sicher­heitskomitee als Gremium herangezogen wird, um die Grundlagen zur Vorbereitung der Entscheidung aufzubereiten. Ich appelliere speziell an den Vorsitzenden des Si­cherheitskomitees, Herrn Kollegen Amon: Sie sind Vorsitzender des Sicherheitskomi­tees, und es ist unsere Aufgabe – es sitzt jede Fraktion in diesem Sicherheitskomitee –, unsere gemeinsame Aufgabe, so rasch wie möglich einen gründlichen Lösungsvor­schlag zu machen, damit den dann letztendlich das Präsidium umsetzen kann. Es geht darum, dass wir es abstellen, dass Dienstleister, Sicherheitsdienstleister in sensiblen Bereichen arbeiten.

Gleichzeitig möchte ich noch zusätzlich eine Anregung bringen oder besser gesagt ankündigen. Heute ist das Waffengesetz durch den Ministerrat gegangen. Beim Tragen von Waffen sind eine besondere Sorgfalt und eine besondere Zuverlässigkeit nötig, und wir werden dann einen Abänderungsantrag einbringen, in dem es darum geht, dass in einem Paragrafen die Nichtverlässlichkeit geregelt ist. Wir werden einen Antrag mit ganz klaren Kriterien einbringen, in dem dann noch der Punkt extremistische Szene drinnen steht.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt an uns, dieses Problem zu lösen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

17.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried. – Bitte.


17.04.11

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich habe im Zuge dieser Debatte einen recht interessanten Tweet gelesen. Ein Herr hat getwittert: Schon komisch. Wir haben einen Untersuchungsausschuss im österreichischen Nationalrat. Der wird haupt­sächlich von einem privaten Sicherheitsunternehmen bewacht, wo ein Neonazi mitge­arbeitet hat. Auf der anderen Seite gab es eine private Hochzeit in der Südsteiermark, wo Hunderte Polizisten diese Wache absolviert haben. – Zitatende. (Abg. Hauser: Die waren nicht angefordert! Das wissen Sie genau!)

In diesem Zusammenhang ist mir wieder ein Zitat eingefallen, das vielleicht recht gut passt. (Abg. Hauser: Das ist Populismus!) Marcellus meint im „Hamlet“: „Something is rotten in the state of Denmark.“ Das ist zum Sinnbild für eine Situation geworden, in der man meint, dass in einem Staat vielleicht etwas falsch läuft. Und ich meine, das kann man schon sagen, denn dieser Untersuchungsausschuss ist ein Ausschuss, der sich mit sensibelsten Geheimnissen dieser Republik beschäftigt, ein Ausschuss, dem klas­sifizierte Dokumente vorliegen, die derart geheim sind, wie sie nur selten in anderen Ausschüssen vorgelegt werden. Und dieser Ausschuss wird von einem privaten Si­cherheitsunternehmen mit bewacht.

Das ist eigentlich etwas, was schon üblich geworden ist, wenn man überlegt, wie das bei Fußballspielen ist, bei Großveranstaltungen ist. Wenn man in die Wiener, Grazer


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oder Salzburger Innenstadt geht, sieht man überall private Wachleute, die zum Teil bewaffnet, zum Teil unbewaffnet sind, und man sieht vielleicht immer weniger Polizis­tinnen und Polizisten. Meines Erachtens, geschätzte Damen und Herren, ist die Privati­sierung der Sicherheit einmal prinzipiell der falsche Weg, denn Privatisierung der Si­cherheit bedeutet, dass am Ende nur die, die Sicherheit zahlen können, sicher sind und die anderen nicht mehr sicher sind. Und das ist nicht der Weg, den wir gehen sollten, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Stefan.)

Zweitens geht es natürlich um den konkreten Fall. Kollege Krainer hat schon aufge­zählt, was in diesem Untersuchungsausschuss alles diskutiert wird, wie sensibel, wie heikel diese Dinge an sich sind. Und die Frage ist jetzt erstens: Ist es Zufall, was da passiert ist, oder ist ein Plan dahinter gewesen? Das weiß ich nicht, und das wäre meines Erachtens schon auch die Aufgabe, nachdem das alles bekannt geworden ist, dass am Ende der Innenminister mit seiner Polizei, mit seiner Behörde herauszufinden trachtet, was das jetzt wirklich war. War es einfach Zufall oder ist es wirklich planmäßig passiert? Und: Hat jemand allein oder in einer Gruppe versucht, diesen Ausschuss zu unterwandern?

Das Nächste ist natürlich die Frage: Wer ist dafür verantwortlich? Jetzt erlebt man schon ein bisschen so ein Hin- und Herschieben zwischen dem Innenministerium auf der einen und der Parlamentsdirektion auf der anderen Seite. Mich würde einfach nur interessieren: Wer ist wirklich dafür verantwortlich? Und da gibt es für mich schon ei­nige Dinge, einige Sachverhalte, die dafür verantwortlich sind, nämlich erstens jene, die meinen, dass Rechtsextremismus in Österreich kein Problem ist, geschätzte Da­men und Herren. Rechtsextremismus ist ein Problem in Österreich, und das sollte man auch einmal festhalten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić– Abg. Rosen­kranz: Linksextremismus ganz genauso!)

Man muss andererseits schon hinterfragen, wie unsere Sicherheitsbehörden zusam­menarbeiten. Es ist bekannt geworden, dass der Herr, um den es hier geht, beim Bun­desheer – er war Milizsoldat – aus der Miliz entfernt worden ist, weil das Heeresab­wehramt anscheinend gewusst hat, dass er rechtsextrem ist. Wenn das Heeresab­wehramt weiß, dass er rechtsextrem ist – und das frage ich jetzt uns alle –, wie ist es dann möglich, dass er noch in so eine Funktion kommt, geschätzte Damen und Herren? Ich werfe das jetzt niemandem konkret vor, aber wir sollten für die Zukunft da­für sorgen, dass so etwas nicht mehr möglich ist. Das muss in Zukunft besser funk­tionieren, denn sonst brauchen wir diese Institutionen nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Geschätzte Damen und Herren! Was passiert ist, ist eine Warnung. Ich sehe es als Warnung, und wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir so etwas in Zukunft verun­möglichen können. Das ist das eine.

Zweitens möchte ich schon sagen, weil Kollege Pilz hier relativ drastische Worte ge­funden hat, dass ich mich bei allen, die für unsere Sicherheit verantwortlich sind, be­danken möchte, bei den Polizistinnen und Polizisten, aber auch bei den MitarbeiterIn­nen der Sicherheitsdienste, denn die machen eine harte, sicherlich nicht einfache Arbeit. Wir müssen allerdings dafür sorgen, dass sie diese Arbeit so gut wie möglich machen und dass in den sensiblen Bereichen öffentliche und nicht private Sicherheit herrscht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

17.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Martha Bißmann. – Bitte.


17.09.32

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Damen und Herren hier im Haus! Geschätzte Regierungsvertreter!


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Mich hat vor wenigen Minuten eine Bürgerwortmeldung mit der Bitte erreicht, sie hier zu verlesen, und zwar von Martin Ehn aus Innsbruck. Ich komme dieser Bitte sehr ger­ne nach. (Widerspruch bei ÖVP und FPÖ.)

Werte Bundesregierung, Fehler passieren, überall und jedem von uns. Die Tatsache, dass ein bekennender Rechtsradikaler im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur BVT-Affäre Sicherheitsüberprüfungen von Personen durchführt, stellt eine weitere Peinlichkeit in dieser Causa dar (Abg. Hauser: Sie haben nicht aufgepasst bisher!) – eine sehr bedenkliche Peinlichkeit, welche zeigt, dass unter dieser Bundesregierung rechte und rechtsradikale Strömungen einen neuen Frühling erleben.

Werte Bundesregierung, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich liebe unsere Zweite Republik und unsere Demokratie. Es würde mich freuen, wenn Personen, die diese ablehnen und gefährden, im Hohen Haus nicht für die Sicherheit zuständig sind. Wir möchten doch keine Rechtsradikalen im Parlament haben, oder? – Zitatende.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Wir möchten auch keine Linksradikalen im Parlament haben!)

17.10


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dr. Pe­ter Pilz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Der kleine linksextremistische Feigling!)


17.11.01

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jenewein! Wenn es so ein dringendes - - Wo ist er denn? (Abg. Hafenecker: Er wird schon nichts verpassen!) Na erzählen Sie es ihm dann, ist ja egal. Herr Kollege Jene­wein – ich werde es ihm auch selbst dann noch sagen (Abg. Hafenecker: Er verpasst schon nichts!) – hat das dringende Bedürfnis gehabt, von mir zu erfahren, was ich denn so in Nicaragua getrieben habe. Diese Frage beantworte ich gerne. Ich war mein ganzes Leben noch nicht in Nicaragua, also fällt es mir sehr schwer, diese Frage zu beantworten. (Abg. Hafenecker: Und in Kuba und in Alpbach?)

Ich würde Kollegen Jenewein ersuchen, nicht nur in solchen Zusammenhängen einmal nicht wie ein Freiheitlicher, sondern wie ein Abgeordneter zu recherchieren. Er wird sich selbst wundern, was man dann alles erfährt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Lassen wir das!

Das Zweite ist: Reden wir noch kurz über die Privatisierung der Sicherheitsdienste! Wir sollten auch darüber reden, was das das Parlament jedes Jahr kostet. Im Zeitraum 2014 bis 2018 hat das österreichische Parlament 1,7 Millionen Euro für G4S, diesen privaten Sicherheitsdienst, ausgegeben. Das ist zu viel für das, was wir bekommen haben! Da steht 1,7 Millionen Euro eine inakzeptable Leistung gegenüber, und deswe­gen fordere ich den Nationalratspräsidenten auf, diesen Vertrag so bald wie möglich aufzulösen und dafür Sorge zu tragen, dass öffentliche Sicherheitsaufgaben im Parla­ment von öffentlich Bediensteten und von sonst überhaupt niemandem wahrgenom­men werden. (Beifall bei JETZT.)

Drittens: Kollege Amon hat den Innenminister in Schutz genommen und gesagt, nicht der Innenminister ist schuld an dieser missglückten Privatisierung, sondern der Innen­minister im Jahr 2008. – Kollege Amon, ich bin der Sache nachgegangen. Sie haben recht und es ehrt Sie, dass Sie die Ihnen durchaus politisch nahestehende Innenminis­terin Maria Fekter beschuldigen. Ich nehme das so zur Kenntnis; Sie haben damit zur sachlichen Aufklärung beigetragen. (Beifall bei JETZT.)

Vierter Punkt: Herr Innenminister! Putzen Sie sich nicht ständig am Parlament ab und putzen Sie sich nicht ständig an Ihren eigenen Beamten ab! Ihre eigenen Beamten ma­chen saubere, seriöse und verlässliche Arbeit, ganz im Gegensatz zu ihrem Minister.


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Da geht es nicht um Gesetzesänderungen, da geht es um eine Durchführungsverord­nung zum Waffengesetz. Wissen Sie, wer für die Durchführungsverordnung zum Waf­fengesetz zuständig ist? Weder der Parlamentspräsident noch die Abgeordneten die­ses Hauses, sondern eine einzige Person, und das ist der Innenminister, und das sind halt bedauerlicherweise nach wie vor Sie ganz persönlich. (Beifall bei JETZT.)

Also machen Sie diese Durchführungsverordnung – niemand hindert Sie daran –, und putzen Sie sich nicht ständig an Beamten und am Parlament ab! Ich halte das für schäbig.

Vierter, letzter und entscheidender Punkt: Wir haben einige Fragen an Sie gestellt. Sie haben wenig beantwortet, aber einige wenige ganz wichtige Fragen haben Sie auf eine Art und Weise beantwortet, dass wir das nicht so auf sich beruhen lassen können, das waren die Frage 20 bis 23. „20. Wie viele Personen, die vom BVT oder von Landes­ämtern für Verfassungsschutz als Extremisten eingestuft werden, verfügen über einen Waffenpass? 21. Wie viele [...] verfügen über eine Waffenbesitzkarte? 22. Wie viele [...] sind im Besitz von Faustfeuerwaffen? 23. Wie viele [...] sind im Besitz von halbauto­matischen Waffen?“

Da geht es um die Frage: Wie viele Personen aus dem extremistischen Bereich – egal ob sie Rechtsextremisten, Linksextremisten, Neonazis, Salafisten, Dschihadisten oder sonst etwas sind – sind in Österreich ganz legal mit Waffen unterwegs? (Beifall bei JETZT.)

Der erste wichtige Punkt war, dass Sie gesagt haben, Sie wissen es nicht. Na Sie sind ein toller Innenminister, ein toller Hochsicherheitsminister! Sie haben keine Ahnung, wie viele legal bewaffnete Extremisten in Österreich herumrennen!

Das Schlimmere ist aber das Zweite: In der Art der Beantwortung der Fragen haben Sie gezeigt, dass Sie es nicht wissen wollen. Sie wollen es gar nicht wissen! Was ist das für ein Innenminister, der nicht wissen will, wie viele bewaffnete Extremisten mit Waffenpass in Österreich herumrennen, und welche Interessen verfolgt dieser Innen­minister? Ich hätte mir erwartet, dass Sie heute herausgehen und sagen: Ich habe ein klares Programm, das abzustellen. Ich habe die Fehler erkannt und werde die Durch­führungsverordnung zum Waffengesetz ändern. Ich werde alles tun, dass das Parla­ment vor Neonazi-Securities geschützt wird. Ich habe einen Mehrpunkteplan zum Schutz des Parlaments, der Obersten Organe und der Republik Österreich vor Extre­misten aller Art. – Nichts davon haben Sie gesagt, weil es Ihnen wurscht ist, weil Sie nicht vorhaben, diese Republik vor Rechtsextremisten und Neonazis zu schützen.

Und dann stellt sich die Frage: Warum? Warum schützen Sie sie nicht? Und warum sind Sie nicht einmal dazu in der Lage, gegen einen Franko-Cherusker-Burschen­schafter aus dem Küssel-Bereich, der sich als Security verkleidet im Parlament herum­treibt, vorzugehen? Vielleicht deswegen, weil andere Franko-Cherusker in Kabinetten sitzen und in hohen Funktionen in der Freiheitlichen Partei tätig sind und weil ein Mit­glied der rechtsradikalen Pennäler-Burschenschaft Vandalia Bundesparteiobmann und Vizekanzler ist? Ist das vielleicht der Grund, dass das Problem mit dem Rechtsextre­mismus in Ihrer eigenen Partei und in der Bundesregierung so groß ist, dass Sie nicht einmal in der Lage sind, ohne Kollateralschäden in der Freiheitlichen Partei und für die Freiheitliche Partei auf einen einzelnen Neonazi im Parlament, der durch einen „Stan­dard“-Journalisten enttarnt worden ist, loszugehen? Ist das der Fall?

Ich kenne keinen Innenminister bis zu Ihnen, der in so einer Situation nicht hergegan­gen wäre und gesagt hätte: Ja, da ist ein Problem, ja, ich habe eine Antwort, ja, ich werde für Schutz sorgen. – Sie sind der erste, der das nicht tut, und dafür, Herr Mi­nister Kickl, werden Sie sich verantworten müssen. (Beifall bei JETZT.)


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Sie waren einmal auf der Oppositionsbank, Sie sind jetzt auf der Regierungsbank; ich weiß nicht, auf welcher Bank Sie einmal landen werden. Ich hoffe nur, dass wir auf der Regierungsbank möglichst bald einen Innenminister sehen, der die Republik schützt und nicht die Freiheitliche Partei, und sein Name wird mit Sicherheit nicht Herbert Kickl sein. (Beifall bei JETZT. – Abg. Martin Graf: Linksextremistischer Feigling!)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Werner Amon gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.18.53

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Kollege Pilz hat in seiner Rede be­hauptet, ich hätte gesagt, dass für den Vorfall die Innenministerin aus dem Jahr 2008, Dr. Maria Fekter, die Verantwortung trage.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt, dass es seit dem Jahr 2008 einen Vertrag des Parlaments mit einer privaten Sicherheitsfirma gibt. Möglicherweise hat aber der Abgeordnete Pilz als Abgeordneter eine Mitverantwortung, weil er seit dem Jahr 2008 keine Initiative gesetzt hat, um gegen diesen Vertrag vorzugehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Klubobmann Dr. Walter Ro­senkranz. – Bitte.


17.19.53

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Herr Bundesminister! Es wird einen Innenminister Herbert Kickl, der die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher in dieser Republik Österreich schützen wird, auch in Zukunft geben! (Beifall bei der FPÖ.) Da helfen Ihre Unkenrufe überhaupt nichts.

Es gibt wahnsinnig viele Dinge, die man über dieses System der künstlichen Erregung des Küchenmeisters am Kessel der Gerüchteküche hier besonders hervorheben müss­te. Es ist ein System (in Richtung Abg. Pilz), so wie Sie es hier machen. Nur ein ganz kleines Detail: In Wirklichkeit müsste geschäftsordnungsgemäß meine Redezeit jetzt 20 mal 2 Minuten betragen, um bei dem, was hier von Ihnen verbreitet wurde, mit den tatsächlichen Berichtigungen überhaupt einmal weiterzukommen.

Fangen wir gleich beim Letzten an. Dieser Herr C., den Sie da als Mitglied einer Bur­schenschaft – ich glaube, Franko Cherusker, wie Sie gesagt haben – erwähnt haben, ist längst kein Mitglied mehr, weil man sich auch dort von ihm getrennt hat; Sie stellen es aber so dar, als ob er nach wie vor dort mit dabei wäre. Was heißt das? – Fake News! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wenn Sie genauer wissen wollen, was das heißt: Es sind falsche Neuigkeiten und Tatsachen, die Sie hier zum wiederholten Mal im Rah­men Ihrer parlamentarischen Laufbahn von diesem Rednerpult aus unter dem Schutz der Immunität behaupten.

Sie sind einer, der sich überhaupt nur im Mantel der Immunität bewegen kann. Sagen Sie alles, was Sie sagen, einmal draußen! Vielleicht schützt Sie die strafrechtliche Im­munität, aber was das Zivilrechtliche betrifft, die Unterlassungsklage, können Sie eine Reihe nach hinten gehen, Kollege Noll wird Sie aufklären. Übrigens empfehle ich auch die Lektüre des § 55a des Sicherheitspolizeigesetzes, wo zwischen dürfen, müssen und können auch noch einmal unterschieden wird. – Das zur Frage Ihrer erst gehal­tenen Vorlesung, die uns alle aber intellektuell sehr erfrischt hat, das gebe ich zu.

Ein weiterer Punkt: Wie arbeitet Herr Kollege Pilz? – Es war in der Nationalratssitzung am 26. September 2018, da hat er laut Protokoll Folgendes behauptet. Es geht um die Sache mit diesem Mail des Pressesprechers aus dem Innenministerium – nicht aus


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dem Kabinett, sondern aus dem Innenministerium. Ich zitiere Pilz: „Ich“ - - Heute hat er eher vom Wir und Uns gesprochen; da dürfte schon ein bisschen ein Sprung gewesen sein, vom Ich zum Uns. (Zwischenrufe bei JETZT.) Der Majestätsplural hat sich da bei ihm schon ein bisschen festgesetzt. Ich zitiere: „Ich habe heute mit zwei Juristen aus der Rechtssektion des Innenministeriums gesprochen [...], und die haben mir bestätigt: Ja, sie sehen das auch als Ministerweisung.“

Ich habe daraufhin eine Anfrage an den Innenminister gemacht. Bitte, lieber Innenmi­nister: „Haben Juristen der Rechtssektion des BMI mit NAbg.“ –Nationalratsabgeordne­tem – „Dr. Pilz gesprochen?“ „Falls ja, welche [...]?“ – Und so weiter; der normale Fra­genkanon. Was bekomme ich dann vom Innenminister als Antwort? – „Die Befassung sämtlicher Juristen“ – (Zwischenruf des Abg. Krainer) – „und Juristinnen der Rechts­sektion des Bundesministeriums für Inneres ergab, dass im relevanten Zeitraum keine dienstlichen Gespräche mit dem Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Pilz stattgefunden haben.“

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er hat überhaupt nicht mit ihnen gespro­chen – das ist die Variante, der ich bei der Gesamtbetrachtung des Kollegen Pilz eher zuneige; dass er manche Sachen vielleicht auch träumt oder so etwas, dass das pas­siert sein soll (Zwischenrufe bei der FPÖ) –, oder aber er hat – was nicht von einem Ministerium kontrolliert wird, obwohl Sie das wahrscheinlich gerne hätten – mit Juristen außerhalb der Dienstzeit gesprochen, die ihm dann eine solche Auskunft gegeben haben. Das würde mich aber auch nicht gerade beruhigen, denn das Innenministerium hat sich nämlich ein Gutachten beschafft, in dem drinsteht: Ist das, was er da gemacht hat, eine Weisung oder ist das keine Weisung? – Das Gutachten sagt, dass eine Per­son, die grundsätzlich nach der Geschäftseinteilung überhaupt keine Weisung erteilen kann, auch niemals eine Weisung erteilen kann!

Das heißt, dann haben diese beiden Juristen, die allenfalls gefragt wurden – ich glaube es ohnehin nicht, ich glaube, das ist wieder ein G’schichtl von Ihnen gewesen; Sie kön­nen sie auch benennen, statt den Kopf zu schütteln –, Ihnen eine falsche Antwort ge­geben. Wenn Juristen des Innenministeriums, der Rechtssektion, in ihrem Privatleben Abgeordneten falsche Rechtsauskünfte geben, das würde mich beunruhigen, denn das hätte bei mir nämlich auch keinen echten Platz.

Nun etwas anderes, Kollege Pilz, zu Ihren pauschalen Verdächtigungen, Unterstellun­gen und allem, was hier passiert, auch die Aufforderung, was das Innenministerium zu tun hat: Ich bin schon sehr gespannt, Kollege Pilz, was Sie dann einmal sagen werden, wenn unter Umständen die Fragen auftauchen: Na ja, bei so einem Hintergrund von ehemaligen Angehörigen der Gruppe Revolutionäre Marxisten – vielleicht sind dort auch Extreme dabei, und die sind im Parlament, im Parlamentsklub. Soll dort jetzt die Polizei einmarschieren, wie Sie das immer bezeichnen, oder einen Überfall machen, so Ihre Diktion betreffend BVT? Vorbeugend, vorausschauend, präventiv muss nämlich geschaut werden, was dort in der Liste Pilz/JETZT morgen – oder besser: nicht mor­gen – passieren würde. – Also ich glaube, das wollen Sie auch nicht. Jetzt geht es da­rum, dass Sie auch endlich einmal mit diesen Ausdrücken aufhören müssen.

Ich gehe jetzt von diesem Einzelfall weg. Übrigens, Einzelfall: Es dürfte sich um einen jungen Menschen handeln. Ich kenne ihn nicht, ich war nicht beim BVT-Untersu­chungsausschuss, ich weiß nicht, wer er ist. Es ist jedenfalls ein junger Mensch, wo man vielleicht landläufig sagen kann, wenn er dort mit Küssel und Konsorten he­rumgehüpft ist, das nennt man auch einen bledn Bua, der vielleicht vom Leben noch nicht so viel erfahren hat.

Ich weiß nur eines: dass der jetzt auf jeden Fall einmal seinen Job los ist, dass der jetzt in der Arbeitslosigkeit ist. Und wir wissen ganz genau: Was ist der Nährboden speziell für Extremismus? (Zwischenrufe bei JETZT.) – Das ist keine Entschuldigung! Das ist


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keine Entschuldigung für irgendetwas. (Zwischenrufe bei SPÖ, FPÖ und JETZT.) Das ist keine Entschuldigung, aber wir wissen ganz genau, dass sein Leben jetzt einmal so ruiniert ist, dass es mich nicht wundern würde, wenn er am Nährbusen dieser krausen Ideologien weiter gestillt wird. Das sehe ich auf jeden Fall auch als problematisch an.

Wie gesagt, das ist so, wie es schon ein bedeutender Polizist, Herr Inspektor-gibt’s-kaan Kottan, einmal zu Herrn Schrammel gesagt hat – und das fällt mir bei diesem jungen Mann ein –: Das ist ein junger Mann mit Vergangenheit; aber, Kollege Pilz – so wie bei Schrammel –, Sie sind ein Mann ohne Zukunft! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eines sage ich Ihnen hier auch: Sie sind nicht der Richter, der darüber befindet, wer verfassungsmäßig in Ordnung ist und wer nicht. Ich weise es entschieden zurück, dass Sie samt und sonders zugelassene, eingetragene, erlaubte Vereine – das sind sie nämlich – wie die Burschenschaften derart in Misskredit bringen! Das mag Ihre politi­sche Ansicht sein, aber diesen strafrechtlichen Nimbus, den Sie uns hier draufgeben wollen: Nein, nein und noch einmal nein! Wenn Sie sich anschauen, wann in der Ge­schichte Burschenschaften jemals verboten worden sind, dann sehen Sie, es waren immer diktatorische Systeme, in denen sie verboten waren! Das sollte Ihnen vielleicht auch einmal zu denken geben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es hat einmal ein Politiker gesagt: „Gott schütze Österreich!“ Ich möchte es jetzt auf die Demokratie herunterbrechen: Die Wählerinnen und Wähler mögen uns vor einem Innenminister Pilz und einem Justizminister Noll schützen, denn dann, glaube ich, hät­ten wir echt ein gewisses Problem in diesem Land. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eines stelle ich jedenfalls mit einer gewissen Genugtuung fest: dass Sie mit Ihrer per­sönlichen Geschichte doch auch noch ein wenig Rückgrat aufweisen, da Sie heute den Sticker „Stoppt Gewalt an Frauen“ nicht tragen. (Zwischenrufe bei FPÖ und JETZT.) Da dürfte doch noch ein Funken Anstand dabei sein, und ich glaube, Sie werden dann auch beim allgemeinen Gruppenfoto, beim Foto heute nach dieser Debatte, nicht dabei sein. Ich glaube, das sollte so sein.

Wir haben eines hier in dieser Diskussion erlebt: 20 Minuten Redezeit für Peter Pilz – es hat in Wirklichkeit niemanden mehr interessiert, und das ist gut so! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.28


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wie bereits zu Beginn der Sitzung bekannt gegeben, werden wir nun bei einem Fototermin vor dem Haus, vor dem Parlament, am Josefsplatz, ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen.

Um unser gemeinsames Ziel zu erreichen, nämlich Gewalt an Frauen aus der Gesell­schaft insgesamt zu verbannen, hoffe ich, dass diesem einen Zeichen noch viele wei­tere Schritte folgen werden. In diesem Sinne unterbreche ich nun für diesen Termin diese Sitzung. Wir werden vor der Wiederaufnahme der Sitzung noch einmal einläuten. (Abg. Martin Graf: Für wie lange wird unterbrochen?) Ich denke, in etwa 20 Minuten, um 17.50 Uhr, werden wir die Sitzung wieder aufnehmen können.

Die Debatte zur Dringlichen Anfrage wurde beendet, da keine Wortmeldung mehr vor­gelegen ist.

Die Sitzung ist bis 17.50 Uhr unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 17.30 Uhr unterbrochen und um 17.50 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


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17.50.06Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf, und wir setzen die Verhandlungen zu Tagesord­nungspunkt 5 fort.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte, Frau Abgeordnete.


17.50.32

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind wieder bei der De­batte über den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend, und zuallererst möch­te ich unserem Ausschussobmann Norbert Sieber ein großes Danke aussprechen. Wir hatten letzte Woche Ausschusssitzung, und er hat mir als junger Abgeordneter die Möglichkeit gegeben, erstmals einen Ausschuss zu leiten; das ist eine ganz große Wertschätzung der Jugend gegenüber. Wir hatten in diesem Ausschuss sehr, sehr viele Jugendthemen auf der Tagesordnung, und viele davon debattieren wir heute auch im Plenum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aktuell geht es um den Antrag betreffend Schutz von Kindern vor Pornografie und Gewalt im Internet. Drei von vier Kindern haben Internetzugang, und bereits ein Drittel der Kinder hat am Ende der Volksschulzeit ein eigenes Smartphone. Im Zeitalter der Digitalisierung ist es fast selbstverständlich, dass Kinder wissen, wie sie Videos am Handy abspielen, noch bevor sie lesen können. Digitalisierung ist eine große Chance für uns und natürlich auch für die nächsten Generationen, das ist keine Frage. Jugend­liche sind bei den neuen Technologien und Medien oft Vorreiter.

Ich habe heute schon zum Thema Hass im Netz gesprochen, und das ist eine der Ge­fahren im Internet – neben vielen anderen wie zum Beispiel das Suchtpotenzial, Cyber­mobbing, Fake News, Gewaltverherrlichung, aber auch Pornografie. Darum braucht es sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich dringend Maßnahmen, um Kinder vor diesen Schattenseiten des Internets und vor den Gefahren, die hinter sozialen Medien lauern, bestens zu schützen.

Diese Medienkompetenz brauchen in meinen Augen nicht nur Kinder selbst, sondern auch das Umfeld der Kinder braucht sie; da rede ich von Erwachsenen und auch Leh­rern, weil Erwachsene oftmals vielleicht ein, zwei Schritte hinten sind, was die aktuellen Trends im Internet, die aktuellen Trends bei den Apps betrifft. Beispielsweise kursiert aktuell bereits unter Volksschülern ein sogenannter WhatsApp-Geist Momo. Dieser Geist hinterlässt schreckliche Nachrichten und droht zum Beispiel, in der Nacht Ge­schwister und Eltern zu töten, wenn man einen Kettenbrief nicht unmittelbar an alle Kontakte weiterleitet. International hat dieser Geist bereits Suizidopfer gefordert, Kinder als Suizidopfer, und darum ist es dringendst notwendig, Kinder noch besser vor diesen Gefahren und vor Gewalt im Internet zu schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Wir Jugendsprecher waren heuer bei SOS-Kinderdorf und bei Rat auf Draht eingela­den, und dort ist uns eine Umfrage präsentiert worden, wonach 27 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren mindestens einmal sexuelle Belästigung im Internet erlebt haben. – Darum ist dieser Antrag so wichtig, und es freut mich, dass die SPÖ und JETZT da auch mitgehen; den NEOS ist das offenbar kein so wichtiges Anliegen. (Ruf bei den NEOS: Steht eigentlich nichts drin in dem Antrag!)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch ganz herzlich bei unserer Frau Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß bedanken, die da bereits viele Angebote initiiert und Maßnah­men gesetzt hat, auch mit Partnern wie Saferinternet. Ich glaube, ein ganz wichtiges Zeichen ist auch, dass die Österreichische Jugendstrategie in diesem Sinne erweitert


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worden ist, nämlich um das Handlungsfeld Medien und Information. Dafür möchte ich ganz herzlich Danke sagen; und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit in die­sem Bereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner. – Bitte.


17.54.26

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Hohes Haus! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Es gibt Themen, bei denen sich alle Parteien in diesem Haus, im Parlament näherkommen; wir haben es vorhin geschafft, ein gemeinsames Foto gegen Gewalt an Frauen zu ma­chen, und auch bei diesem Thema kommen wir uns inhaltlich sehr nahe. Wir werden als SPÖ diesem Antrag auch die Zustimmung geben.

Gestern war der Tag der Kinderrechte, und ich denke, in dieser Sache sind wir uns alle einig: Kinder brauchen Schutz – Schutz vor Hass, Schutz vor Gewalt und Schutz vor Intoleranz. Besonderen Schutz müssen wir unseren Kindern und Jugendlichen bei Ge­walt und Hass im Netz, also im Internet, zukommen lassen.

Stellen wir uns vor – und das hat mich tief schockiert –: 27 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 18 Jahren haben laut einer Studie von SOS-Kinderdorf schon einmal sexuelle Belästigung im Netz erlebt. – Das darf nicht sein! Kinder haben oft schon im Volksschulalter ein Handy, damit auch den Zugang zum Internet und sind somit oft ungeschützt der Gefahr des Internets ausgesetzt. Deshalb bin ich wirklich froh, dass meine Kollegin Eva Maria Holzleitner die Initiative ergriffen hat und wir beim nächsten Tagesordnungspunkt auf das Thema Lootboxen in Computerspielen näher eingehen werden.

Wir sehen also, das Internet ist nicht nur Segen, sondern oft auch eine Gefahr, und dies gerade für die Kinder. Kinder brauchen Unterstützung, nämlich altersgemäße, nicht nur wie im Antrag beschrieben außerhalb der Schule, auch in der Schule. Es brauchen aber auch Erwachsene Unterstützung: Eltern, Lehrer, Betreuungspersonen – einfach die Vertrauten unserer Kinder.

Und das ist auch meine Kritik am Antrag der Regierungsparteien. Ich ersuche Sie im Namen unserer Kinder: Werden Sie doch klarer in Ihren Formulierungen! Was können Sie sich konkret an Maßnahmen vorstellen? Welche Maßnahmen haben Sie eigentlich angedacht? Was wollen Sie eigentlich? – All das findet sich nicht in diesem Antrag. Es geht um den Schutz unserer Kinder, und wir brauchen gerade in diesem Bereich einen Ausbau des Kinder- und Jugendschutzes. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch auf ein Thema eingehen, bei dem wir uns nicht einig sind. Kollegin Wassermann von der FPÖ hat es vorhin schon erwähnt: Ja, ich wurde geklagt. Ich wurde von einem Waffenindustriellen geklagt, weil ich einen kritischen Zeitungsartikel einer österreichischen Zeitung zum Thema Waffenindustrie und FPÖ-Politiker geteilt habe. Dies wurde von jemandem Wildfremden mit einem Hassposting kommentiert, das umgehend von mir gelöscht wurde. Dieses Posting befindet sich aber noch immer im Internet, aber nicht auf meiner Facebook-Seite, sondern auf der Facebook-Seite einer ranghohen FPÖ-Politikerin, auf der Facebook-Seite einer Kärntner FPÖ-Land­tagsabgeordneten, auf der Facebook-Seite einer FPÖ-Klubobfrau. Dort wurde es ge­teilt und ist es noch immer abrufbar. (Einen Ausdruck der genannten Postings in die Höhe haltend:) Das ist ein Auszug von heute Vormittag. Das, geschätzte Damen und Herren, ist wirklich nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist meiner Meinung nach politisch motiviert.


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Liebe Abgeordnete der Opposition, wenn Abgeordnete sich kritisch äußern und dann geklagt werden, dann bedeutet das nichts Gutes für unsere Republik und für unsere Demokratie. Von Klagen und Drohungen dürfen wir Abgeordnete uns nicht mundtot machen lassen! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.57


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Edith Mühlberghuber. – Bitte.


17.58.10

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, bei diesem Thema geht es um die versteckten Gefahren der digitalen Gesellschaft, denn die zunehmende Digitalisierung des Alltags bringt nicht nur Chancen und Er­leichterungen, sondern auch viele Gefahren. Vor den Möglichkeiten des Internets muss man nicht nur Kinder schützen, sondern auch Erwachsene warnen.

Smartphones und Handys gehören für Kinder ab dem Volksschulalter und Jugendliche zum Alltag, und besonders Smartphones erlauben jederzeit und überall den Zugang zum Internet. Wie wir alle wissen, sind Kinder neugierig, und das Internet bietet ihnen unendliche Möglichkeiten, diese Neugier zu befriedigen. Allerdings können Kinder und Jugendliche auch über scheinbar harmlose Websites via Links ungewollt und schnell zu Pornografie gelangen. Ob Prügelvideos, Ausschnitte aus Horrorfilmen oder Mit­schnitte von Hinrichtungen – die Bandbreite an Gewaltdarstellungen im Internet ist viel­fältig und unüberschaubar. (Ruf: Unzensuriert!) Es ist schockierend, dass Kinder im Volksschulalter, im Alter von acht oder neun Jahren, im Internet Erstkontakt mit porno­grafischen und Gewaltdarstellungen machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die bereits bestehenden Maßnahmen seitens des Familien- und Jugendministeriums sollen weitergeführt, ausgebaut und noch verbes­sert werden. Ziel muss es sein, Kinder und Jugendliche vor Pornografie und Gewalt zu schützen, damit sollen Medienkompetenzen künftig auch im außerschulischen Kontext gestärkt werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


18.00.24

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Ich möchte eingangs sagen, dass wir dem Antrag zustimmen werden. Ich erachte es für wichtig, dass unsere Jugendli­chen, dass unsere Kinder vor Gewalt, vor Hass im Internet und dementsprechend natürlich auch – wie der Antrag lautet – vor wie auch immer gearteten pornografischen Darstellungen im Internet geschützt und bewahrt werden.

Der vorliegende Antrag hat meine volle Unterstützung, aber wir müssen uns sehr wohl vor Augen führen, wie Hass im Internet geschürt wird, wie verbale Angriffe durchge­führt werden und von wem sie verbreitet werden. Viele Erwachsene sind mit ihren ras­sistischen, homophoben, oft beleidigenden und sexistischen Rülpsern im Netz keinerlei Vorbild für unsere Jugendlichen.

Ich möchte Ihnen hier auch einige Beispiele für derartige Grauslichkeiten von Hass im Netz geben, und Hass ist nichts anderes als sprachliche Gewalt, die unsere Kinder Tag für Tag vor Augen geführt bekommen. Drei Viertel aller Jugendlichen und Kinder in Österreich haben Zugang zum Internet und sind diesen Grauslichkeiten dementspre­chend auch ausgesetzt. Ich beginne einfach und lasse Sie an diesen Beispielen, die Ihnen vielleicht bekannt sind, teilhaben.


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Ich möchte Ihnen zuerst dieses Fotosujet zeigen (eine Tafel mit der im Folgenden be­schriebenen Abbildung in die Höhe haltend) – das ist ein Werbeplakat der ÖBB ge­wesen –, zu sehen sind zwei Männer, ein dunkelhäutiger und ein hellhäutiger Mann, die ein Kind halten. Was sich im Internet auf die Veröffentlichung dieses Fotosujets hin abgespielt hat, waren unter anderem rassistische, homophobe und wirklich grausliche Postings, unter anderem von einem FPÖ-Stadtrat in Amstetten, Kammerrat der Arbei­terkammer Niederösterreich und Vorstandsmitglied der Niederösterreichischen Ge­bietskrankenkasse. Er schreibt da, er wird aufgrund dieses Fotosujets keine ÖBB-Vor­teilscard mehr verlängern, und bezeichnet dieses Fotosujet mit – ich zitiere diese Grauslichkeit dieses Herrn –: „2 vermeintliche Schwuchteln“ mit „Baby und davon noch ein Neger. Mir graust ...“, danach zwei böse Teufelsmileys. Das ist es, was unsere Kin­der im Netz zu Gesicht bekommen, das ist Hass im Netz, das ist sprachliche Gewalt! (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS.)

Es geht noch weiter, es gibt derart viele dieser Beispiele im Internet zu finden, dass einem wirklich schlecht werden kann. Ein weiteres Beispiel – selbst Poster schreiben in den Kommentaren, ob es sich dabei um Verhetzung handelt –: Es wird im Rahmen der Kürzung der Familienbeihilfe für Pflegerinnen, für Menschen, die in unserem Land im Tourismus beschäftigt sind, die Familienbeihilfe für ihre Kinder, die im Heimatland leben, gekürzt. Das wissen wir, das ist durch die aktuelle Bundesregierung beschlos­sen worden.

Im nächsten Schritt werden aber derartige Fotosujets gepostet, die ich Ihnen gerne be­schreibe (eine Tafel mit der Aufschrift „Regierung kürzt Geld für Kinder im Ausland!“ und der im Folgenden beschriebenen Abbildung in die Höhe haltend) – Sie kennen es natürlich –: ein dunkelhäutiges Mädchen mit Balken über dem Gesicht und eine hell­häutige Hand, die einen Geldschein hält, der durchgestrichen ist, weil es in diese Rich­tung keinerlei Geldflüsse mehr geben wird. Es wird so getan, als hätte diese Person, dieses Mädchen irgendein Verbrechen begangen, da sie einen schwarzen Balken über dem Gesicht hat. Selbiges findet man auf der Facebook-Seite unseres Vizekanzlers.

Ich frage mich wirklich, ob das die Art von Kommunikation sein muss, sein kann oder sein soll, die von dieser Bundesregierung und auch von der ÖVP als Koalitionspartner geduldet wird. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.)

Um weiterzugehen: Wir haben hier noch eine Karikatur, die von einem sogenannten Wolfgang Preiszler, FPÖ-Gemeinderat in Guntramsdorf und, wie wir alle wissen, EGS-Einsatzleiter, der den Sturm auf das BVT angeführt hat, geteilt worden ist. Ich be­schreibe es Ihnen ebenfalls kurz, weil man es nicht so gut sieht (eine Tafel mit der Dar­stellung einer weißen Frau, die einem schwarzen Mann mit überlangem erigiertem Pe­nis mit ausgestrecktem Arm abwehrend gegenübersteht, in die Höhe haltend): Zu sehen ist eine Karikatur – strafrechtlich kann ich es nicht beurteilen, aber die Frage ist, ob es diese Aufhetzung wirklich wert ist –: „Was soll eine Frauen-Armlänge gegen se­xuelle Belästigung von Schwarzen bewirken???“ (Abg. Höbart: Das ist eine Karikatur! Das war die Frau Oberbürgermeister, die ...! – Zwischenruf des Abg. Krainer.) Sie brauchen sich hier nicht aufzuregen, Sie sollten sich über solche Fotosujets aufregen! (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS. – Abg. Hafenecker: Ihrem Parteichef ist das wurscht! – Abg. Schellhorn: Koalitionspartner!)

Bei Hass im Internet gibt es genau drei Steigerungsformen, das ist auf der einen Seite Hass im Netz, die zweite Steigerungsform ist blanker Hass im Netz und die dritte ist der freiheitliche Hass im Netz, und der ist so dermaßen grauslich, wie auf diesem Bild zu sehen ist. (Abg. Höbart: Das ist eine Karikatur! Sagen Sie das ...!)

Es geht noch weiter. Liebe ÖVP, Ihr Koalitionspartner – Udo Landbauer in Niederös­terreich – teilt unter anderem auch dieses Fotosujet (eine Tafel mit der im Folgenden beschriebenen Abbildung in die Höhe haltend): Mikl-Leitner, die Landeshauptfrau von


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Niederösterreich, mit einem Kopftuch verhüllt. Ich zitiere wiederum gerne: „Moslem-Mama Mikl“ samt ihrem Multikultiwahnsinn „abwählen.“

Das ist es, was Sie im Internet betreiben, und dann stellen Sie sich hierher und stellen einen derart heuchlerischen Antrag, mit dem Sie Kinder und Jugendliche im Internet vor Hass schützen wollen. (Abg. Pilz: Vor der FPÖ schützen! – Abg. Rossmann: So ist es!) Hass ist sprachliche Gewalt, und was Sie machen, ist, diesen Hass weiterhin zu schüren, Sie hetzen Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Stellen Sie sich nicht her und behaupten Sie nicht, Sie würden den legistischen Weg zur Bekämpfung derartiger Hasspostings gehen, sondern stellen Sie sich her, räumen Sie in Ihrem Sumpf auf und stellen Sie eine Situation her, in der unsere Kinder vor derartigem Hass und sprachlicher Gewalt im Netz wirklich geschützt werden! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS. – Rufe bei der FPÖ: Das nach der Rede von Pilz! Schämen Sie sich!)

18.06


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Gudrun Kugler. – Bitte.


18.06.24

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Holzinger-Vogtenhuber, Ihr Engagement in Ehren, aber Sie haben uns noch nicht gesagt, wie Sie mit dem vorliegenden Antrag überhaupt umgehen werden. (Abg. Duzdar: Sie hat es gesagt! – Abg. Knes: Zuhö­ren! – Zwischenruf des Abg. Noll.) Sie haben das Stichwort Internet genutzt, um über ein ganz anderes Thema zu sprechen, und die Liste Pilz, jetzt, war im Ausschuss nicht einmal anwesend, das heißt, wir wissen gar nicht, ob Sie dem vorliegenden Antrag zu­stimmen werden oder nicht.

Es geht also schon auch um das Internet, aber vor allem um die Prävention gegen Pornografie. Ich möchte an dieser Stelle eine Zahl nennen: Wir wissen nämlich, dass die Hälfte aller Jugendlichen bereits einmal mit Hardcorepornografie in Kontakt war und dass diese Erstkontakte teilweise schon in der Volksschule zustande kommen und dass sie zur Hälfte ungewollt sind.

Weil Pornografie ein ganz hohes Suchtpotenzial hat, sehen wir, dass sie sich fast zu einer neuen Volkskrankheit entwickelt. Was folgt aus dieser neuen Volkskrankheit? – Genau das, was wir uns heute im Rahmen unserer Kampagne zum Schutz von Frauen vor Gewalt angesehen haben, aber auch gestern am Tag der Kinderrechte bedacht ha­ben, nämlich: Aus der Pornografie kommt eine Verherrlichung männlicher Dominanz und weiblicher Erniedrigung, sexuelle Gewalt, eine Gefährdung der Beziehungsfähig­keit, und es entsteht eine klassische Marktdynamik, sie begünstigt nämlich die Kinder­pornografie, die Ausbeutung durch Prostitution und Menschenhandel. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt dieser Antrag nicht zu früh!

Dass die NEOS nicht zustimmen, kann ich nicht nachvollziehen, Frau Gamon. (Abg. Loacker: Erklären Sie mir, warum Sie das nicht können!) Frau Hochstetter-Lackner, Sie haben gefragt, worum es bei diesem Antrag überhaupt geht. (Abg. Krainer: Sie hat sie auch beantwortet! Das war eine rhetorische Frage!) Das ist für mich nicht so schwer zu eruieren, und außerdem darf ich Sie auf das Regierungsprogramm verwei­sen. Es geht um zwei Dinge: erstens um Medienkompetenz, nämlich digitale Alphabeti­sierung, und zweitens um Prävention. Diese Prävention bedeutet Schutzfilter für Handy und Computer, wie wir im Regierungsprogramm lesen, mit einer Opt-in-Regelung, und ein Schutzfilter für Hardware. Die Maxime dafür ist: „Was offline verboten ist, soll auch online verboten sein.“ So ist es heute noch nicht, dahin müssen wir gehen.


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Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In Großbritannien ist seit diesem Jahr ein Schutzfilter ver­pflichtend; das heißt, wer sich zu Hause einen Internetzugang einrichtet, bekommt ein Formular, auf dem er ein Häkchen setzen muss, wenn er bestimmte Inhalte sehen will. Das betrifft die Pornografie, aber es betrifft auch Dinge wie Gewalt, Waffen, Drogen, Selbstmord und Wetten. Die Eltern in England sind sehr zufrieden mit dieser Regelung, 97 Prozent der Eltern bezeichnen sie als hilfreich, für sie, für ihre Kinder, für die Fa­milie. In Österreich gibt es solche Filter zwar, aber sie sind kostenpflichtig. Man zahlt 10, 15 Euro für den Internetzugang und für den Filter noch einmal 5 Euro dazu, sprich: man bestellt einmal den ganzen Internetzugang, dann einen Teil wieder ab, und dafür zahlt man extra. Das kann es nicht sein.

Ich glaube, dass wir daran arbeiten müssen, sehr bald daran arbeiten müssen, dass solche Schutzfilter auch für Kinder, Jugendliche und Familien in Österreich zur tägli­chen Realität gehören. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.09


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Carmen Schimanek. – Bitte.


18.10.02

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen! Bevor ich zu meiner Rede komme, noch einen Satz zu Kollegin Holzinger-Vogtenhuber: Liebe Daniela, ich bin auch nicht glücklich über diese Postings, Hass im Netz gehört immer verpönt. Ich glaube aber, du kannst auch nicht glücklich sein, mit einem Kollegen im Klub zu sitzen, der Frauen belästigt und keine Konsequenzen da­raus zieht. Wenn Peter Pilz ein bisschen Charakter hätte, wäre er heute weder auf dem Bild noch bei uns im Hohen Haus. Darüber kannst du wirklich nicht glücklich sein. (Bei­fall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt zum eigentlichen Thema, zum Schutz unserer Kinder vor Gewalt und Pornografie im Internet. Ich glaube, das ist ein Thema, das uns alle angeht. Wir alle gemeinsam haben eine Verpflichtung, uns dagegen zu stellen. Ich freue mich sehr, dass auch die SPÖ und JETZT – nicht mehr Liste Pilz, sondern JETZT – mitgehen. Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum die NEOS uns da nicht unterstützen und mit dem Antrag nicht mitgehen. Die Erklärung der Kollegin Gamon hat sich mir nicht ganz erschlossen, denn die Argumentation war die gleiche wie die der SPÖ, aber die SPÖ sagt, sie un­terstützt den Antrag selbstverständlich, weil er ein wichtiges Anliegen behandelt.

Für mich ist es sehr erschreckend, dass Kinder oft schon sehr früh, mit acht, neun Jah­ren, erste Kontakte mit pornografischen Inhalten im Internet haben. Das passiert na­türlich nicht, weil sie nach diesen Inhalten suchen, sondern weil solche Inhalte oft inter­aktiv auf anderen Seiten erscheinen, wie zum Beispiel auf Filesharingseiten, auf denen auch Pornografieseiten werben. Das ist schon sehr erschreckend.

Außerdem gab es eine Studie, im Rahmen derer Kinder und Jugendliche befragt wur­den, wie sich der Einfluss von Pornografie auf sie auswirkt. Von den befragten 11- bis 16-jährigen gaben 39 Prozent der Mädchen und 53 Prozent der Burschen an, dass Pornografie für sie sehr realistisch ist. Weiters meinen 29 Prozent der Mädchen und 44 Prozent der Burschen, Pornografie als Inspirationsquelle für ihr Sexualleben anzu­sehen. Ich denke, das ist eine Entwicklung, der wir ganz aktiv entgegentreten müssen.

Oft wissen Eltern auch nicht, auf welchen Seiten sich Kinder befinden, auch da brau­chen wir, glaube ich, sehr viel Aufklärung. Kinder wollen auch nicht, dass Eltern Ein­blick in ihre Handys haben, also auch damit muss man sehr sensibel umgehen, damit das Vertrauensverhältnis zwischen Kindern und Eltern bestehen bleibt. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Medienkompetenz, die in diesem Antrag auch angesprochen wird, ein großer, wichtiger Teil davon ist.


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Ich möchte noch auf eine Seite im Internet für Eltern und Kinder hinweisen, die sehr viele praktische Hinweise gibt, wie man mit diesem Thema umgehen kann, auf Safer­internet.at. Ich glaube, wenn wir uns diesem Thema gemeinsam annähern, wird dabei auch etwas Gutes für unsere Kinder herauskommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.13


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ricarda Berger. – Bitte.


18.13.32

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Zuschauertri­büne und vor den Bildschirmen zu Hause! Das Regierungsprogramm sieht umfassen­de Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor den Gefahren des Internets sowie für bessere Medienkompetenz vor. Dieser Bundesregierung ist der Schutz von Kindern vor Pornografie und Gewalt ein besonderes Anliegen. Mir als Mutter von zwei Kindern ist dies ebenso ein Herzensanliegen.

Wir alle wissen, dass die digitalen Medien und das Internet mittlerweile etwas sind, das de facto nicht mehr wegzudenken ist. Sie begleiten unseren Alltag und haben auch schon im täglichen Familienleben Einzug gehalten. Meine Kinder sind jetzt – Gott sei Dank, sage ich – noch nicht in dem Alter, in dem das ganz aktuell ist, aber mein Sohn, fünf Jahre alt, beginnt sich schön langsam auch dafür zu interessieren. Es ist schon so, dass Kinder den Umgang mit dem digitalen Raum quasi von Geburt an gewöhnt sind. Das Internet mit all seinen faszinierenden Möglichkeiten ist für Kinder und Jugendliche natürlich selbstverständlicher Bestandteil des Alltags geworden. Damit einher gehen aber auch Herausforderungen, eben die Kinder und die Jugendlichen bei einem siche­ren Zugang zum Internet zu unterstützen.

Es wurde heute schon angesprochen, ein viel diskutiertes Thema in diesem Zusam­menhang ist die sehr leichte Verfügbarkeit von Pornografie. Unsere westliche Welt erlebt einen permanenten Schub an Sexualisierung und Pornografisierung, das betrifft die öffentlichen Darstellungen, aber auch die Zurschaustellung von Sexualität.

Pornografie ist mittlerweile Alltagsrealität von wesentlich mehr Kindern und Jugendli­chen als wahrscheinlich vor zehn bis 15 Jahren. Das hängt natürlich auch mit dem er­leichterten Zugang zu Massenmedien, Internet und Handyclips zusammen.

Kollegin Plakolm hat es auch schon angesprochen, der Notruf für Kinder und Jugend­liche hat gemeinsam mit SOS-Kinderdorf eine Studie in Auftrag gegeben. Das Institut für Jugendkulturforschung hat 400 Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren befragt, und das Ergebnis war erschreckend: 27 Prozent waren bereits von sexuellen Übergrif­fen im Internet betroffen, Mädchen dreimal häufiger als Burschen. Die Hälfte der Be­fragten gab an, erste unangenehme Erfahrungen im Internet vor dem 14. Geburtstag gemacht zu haben und 30 Prozent sogar vor dem zwölften Geburtstag. Ich halte diese Studie für extrem erschreckend, aber auch mahnend zugleich.

Leider ist es so, muss man sagen, dass eine vollständige Umsetzung von Jugend­schutzbestimmungen im Internet aufgrund der Internationalität des Internets wahr­scheinlich praktisch unmöglich ist. Es gibt unterschiedliche Wertesysteme und Gesetze beziehungsweise ist die internationale Rechtsdurchsetzung wahrscheinlich nur sehr eingeschränkt möglich. Dazu kommt noch die mangelnde Praxistauglichkeit der Alters­verifikationssysteme.

Es gibt Filter, diese lokalen Filter sind bei jüngeren Internetnutzern als begleitende Maßnahme auch sehr sinnvoll, man muss aber schon sagen, dass diese Filter bedau­erlicherweise nicht zu 100 Prozent wirken.


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In diesem Zusammenhang komme ich auch zur Medienkompetenz: Ich halte es für ex­trem wichtig, sich für die Mediennutzung von Kindern zu interessieren und auch die Risiken zu thematisieren. Es ist enorm wichtig, Kindern eigene Haltungen und Gefühle zu problematischen Inhalten zu vermitteln. Das kritische Hinterfragen von Medieninhal­ten gehört besonders gefördert, das ist auch sehr wichtig. Kurz gesagt: Medienkompe­tenz ist in unserer digitalen Gesellschaft einfach eine Schlüsselfähigkeit. Das bedeutet, dass man die einzelnen Medien kennt und auch nutzen kann. Dazu gehören aber auch das kritische Hinterfragen und die kritische Auseinandersetzung mit den Medien und der realistische Umgang mit den Risiken. In diesem Zusammenhang hoffe ich auf die Zustimmung aller Fraktionen hier im Haus.

Um noch kurz auf Kollegin Holzinger-Vogtenhuber betreffend die eine Karikatur einzu­gehen: Die Karikatur ist als Reaktion auf die Silvesternacht in Köln entstanden. Die Bürgermeisterin von Köln hat gemeint, dass eine Armlänge Abstand absolut ausrei­chen würde. (Abg. Höbart: SPD-Oberbürgermeisterin!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit relativieren Sie aber die sexuellen Übergriffe auf die Frauen. – Vie­len Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.18

18.18.15


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 357 der Bei­lagen angeschlossene Entschließung betreffend „Erarbeitung von Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornographie und Gewalt im Internet“.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 36)

18.19.016. Punkt

Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Antrag 449/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lootboxen – Versteckte Gefahr und Suchtpotential in Computerspielen (358 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Martina Kaufmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.19.30

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuhörer auf der Galerie! Lootboxen: ein Thema, das wahrscheinlich auch viele von Ihnen hier herinnen betrifft. Sie wissen wahrscheinlich nur noch nicht, was Lootboxen sind. Lootboxen kommen in Computerspielen vor. Übrigens spielen 4,9 Mil­lionen Menschen in Österreich mehrmals in einem Monat am Computer oder am Han­dy diese Spiele; und da gibt es Spiele, in denen diese Lootboxen vorkommen. Diese Lootboxen beinhalten Items, die man gewinnen kann, die man als Anreiz bekommt, die man in manchen Spielen auch käuflich erwerben kann und die in anderen Spielen ein­fach unabhängig vom Fortkommen im Computerspiel zu haben sind.

Ich möchte mich bei Frau Kollegin Holzleitner für diesen wichtigen Antrag, den sie hier eingebracht hat und den wir auch schon im Ausschuss länger diskutiert haben, be­danken, denn es handelt sich dabei wirklich um ein Thema, mit dem wir uns auseinan-


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dersetzen sollten, denn selbst wenn Sie oder zum Beispiel auch ich als komplette Computerspiel-Verweigerin nicht davon betroffen sind, sind es wahrscheinlich unsere Kinder, Nichten, Neffen, die durchaus mit diesen Computerspielen in Berührung kommen.

Im Antrag wird auch erwähnt, dass es wichtig ist, Aufklärung zu betreiben. – Ja, abso­lut! Es ist auch unbedingt wichtig, Computerspiele zu kennzeichnen, die diese Loot­boxen beinhalten. Österreich ist da schon in der Vergangenheit sehr, sehr aktiv gewe­sen. Wir haben uns zum Beispiel auch in der Thematik der Kennzeichnung einge­bracht – bei Handyspielen wird teilweise schon gekennzeichnet, bei Computerspielen noch nicht –, damit es bei diesen Game-Einkäufen ein eigenes Symbol gibt, mit dem diese Spiele dann gekennzeichnet werden.

Auch das BMF hat dieses Thema als solches erkannt und hat bereits mit 15 Staaten beziehungsweise Organisationen eine Deklaration unterfertigt, um aufzuzeigen, wie wichtig dieses Thema ist und dass man sich damit auseinandersetzen muss. Belgien und die Niederlande haben eine Studie dazu gemacht und Computerspiele untersucht. Die Erkenntnis aus dieser Studie ist: Manche Computerspiele beinhalten diese Loot­boxen, andere wiederum nicht.

Wir haben, wie gesagt, im Ausschuss sehr, sehr lange darüber gesprochen und die unterschiedlichen Aspekte, wie das in Computerspielen vorkommen kann, diskutiert. – Heute und zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob das ein Thema des Konsu­mentenschutzes ist, ob es ein Thema des Jugendschutzes ist oder ob es ein Thema des Glücksspiels ist. Im Ausschuss haben wir einstimmig den Antrag beschlossen, dem Nationalratspräsidenten die Zuweisung dieses Entschließungsantrages an den Fi­nanzausschuss zu empfehlen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.23.07

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Lootboxen sind eine versteckte Gefahr und ein Suchtpotenzial in Computerspielen. – Wir haben jetzt schon einiges darüber gehört.

Was sind Lootboxen? – Das habe ich in letzter Zeit öfter erklären müssen, weil es teil­weise wirklich unbekannt ist: Es sind sogenannte Beutekisten und eine weit verbreitete Spielmechanik in Computerspielen. Ursprünglich dazu gemacht, den Spielerinnen und Spielern mit kosmetischen Gegenständen kleine Anreize zu geben, hat sich das Ganze aber zu verstecktem Glücksspiel entwickelt, das sich ganz speziell an Kinder und Ju­gendliche richtet.

Lootboxen können käuflich erworben werden, und ihre Audioeffekte und visuellen Ef­fekte sind jenen sehr ähnlich, die man aus dem Casino kennt, und diese Effekte ak­tivieren auch denselben Bereich im Gehirn wie jene im Casino.

In verschiedenen Ländern gibt es unterschiedliche Regelungen; zum Beispiel gibt es in China eine verpflichtende Offenlegung der statistischen Gewinnchancen und der mögli­chen Preise. Andere Lösungsansätze sind die Ausweitung des Glücksspielverbots für Minderjährige auf Computerspiele, die Lootboxen beinhalten – sprich: das impliziert, dass diese Spiele nur mehr mit einer Freigabe ab 18 erhältlich sind. Für Süchtige gibt es Ausgabegrenzen in Tages-, Wochen- oder Monatsrationen. Die Schwierigkeit dabei ist jene der Beweislast, wenn Minderjährige diese ganzen monetären Transaktionen mit einer Kreditkarte von Erwachsenen durchführen.


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Gerade diese Mischung aus Glücksspiel und Gaming beinhaltet wirklich ein sehr hohes Suchtpotenzial, das man nicht verkennen darf, und gerade für Kinder und Jugendliche kann das Ganze auch zur Kostenfalle werden.

In mehreren europäischen Ländern steht jetzt schon ein Verbot dieser Lootboxen im Raum, und auch Österreich muss sich hier wirklich stärker mit diesem Thema beschäf­tigen und präventive und aufklärende Angebote schaffen. Es braucht klarere Bera­tungsangebote, Informationen für Kinder und Jugendliche, aber auch Prävention und Aufklärung betreffend das Thema Lootboxen für Erwachsene und Eltern. Es braucht diese eindeutige Kennzeichnung, wenn nicht sogar ein Verbot dieses Glücksspiels. Die Niederlande und Belgien haben uns das schon vorgemacht, und Österreich sollte da eben auch zu handeln beginnen. Eventuell bräuchte es auch eine Erhebung von vali­den Daten, die dieses Suchtpotenzial generell darstellen.

Wir haben im Familienausschuss diesen Antrag eingebracht und Sie, Frau Ministerin, mit diesem Antrag auch bereits aufgefordert, zu handeln und sich auch für eine EU-weite Regelung einzusetzen. Ich freue mich wirklich, dass es hier einen fraktionsüber­greifenden Konsens gibt und dass wir uns dann auch weitergehend mit diesem Thema im Finanzausschuss befassen, denn dieses Thema ist einfach brandaktuell und wichtig für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Österreich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Ricarda Berger zu Wort. – Bitte.


18.26.26

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesmi­nister! Geschätzte Kollegen! Sehr geehrte Zuseher auf der Galerie und vor den Bild­schirmen zu Hause! Wir diskutieren heute nicht über irgendwelche harmlosen Computer­spiele, nein, wir reden über Lootboxen, also über virtuelles Glücksspiel, welches eben eine große Gefahr für unsere Kinder und die jüngere Generation mit sich bringt. Die jüngere Generation weiß nicht, auf was sie sich da einlässt und kann somit auch die Gefahren nicht erkennen.

Was Lootboxen sind, haben die Kolleginnen vor mir bereits ausgeführt: Eine Lootbox ist eben eine virtuelle Kiste in Computerspielen, die eine zufällige Sammlung von Items, wie zum Beispiel Waffen, enthält. Diese können im Spiel freigeschaltet, gefun­den oder gekauft werden – und dies entweder mit Spielwährung oder mit Echtgeld.

Aber nicht nur wir im Parlament machen uns diesbezüglich Sorgen, nein, auch die ös­terreichische Glücksspielbehörde hat sich bereits dazu entschlossen, betreffend diese Thematik zu reagieren. Sie hat sich mit anderen Glücksspielbehörden getroffen, eine Erklärung unterschrieben und sich auch dafür ausgesprochen, dass man diese Lootboxen und andere Finanzierungsmodelle genauer unter die Lupe nehmen und prü­fen muss. Es ist nämlich schon so, dass da die Grenzen zwischen Glücksspiel und an­deren Formen digitaler Unterhaltung verschwimmen. Lootboxen können laut einer aus­tralischen Studie, die mit über 7 000 Spielern durchgeführt wurde, auch Glücksspiel­sucht fördern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aufgrund dieser Tatsache haben wir einfach die Pflicht, aber auch die Verantwortung, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen und hier Regulierungen zu treffen, um eben unsere Kinder und die Jüngsten in unserer Gesellschaft zu schützen. Wir sind nicht die Ersten, wir werden vermutlich aber auch nicht die Letzten sein, die sich über diese Problematik Gedanken machen. China, Bel­gien und die Niederlande haben diesbezüglich schon Regulierungen: In Belgien und in


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den Niederlanden ist es meines Wissens so, dass diese Dinge mittlerweile schon ver­boten sind, und in China ist es so, dass man die Gewinnchancen offenlegen muss.

Man sieht also, die Regierungen und die Länder reagieren auf diese Gefahr. Nun liegt es auch an uns, diesbezüglich nachzuziehen und eben eine adäquate Regelung im Sinne unserer Kinder zu finden. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmans­dorff. – Bitte.


18.28.56

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Ja, wir haben hier ein Thema vor uns, betreffend das wahrscheinlich die meisten in der Vorbe­reitung googeln mussten, um sich auszukennen. Ich würde einmal sagen, dass wahr­scheinlich 90 Prozent der Personen hier im Haus nicht gewusst haben, was Lootboxen sind. Da wahrscheinlich zumindest 90 Prozent das Thema auch einmal gestreift haben, zeigt das aber gleichzeitig auch, dass das durchaus ein Thema ist. Sie kommen in sehr, sehr vielen Computerspielen vor. Eines der Spiele, das vielleicht breiter bekannt ist, ist zum Beispiel Fifa 18. Fifa ist eines der größten und am weitesten verbreiteten Spiele weltweit, das erhältlich ist.

Warum ist das Ganze so wichtig? – Die Vorredner haben es angesprochen: Es ist wichtig, weil dieses Suchtpotenzial natürlich gerade für junge Menschen enorm hoch ist. Wir haben eine Situation, dass 3 Prozent der Jugendlichen 2016 computer- bezie­hungsweise internetsüchtig waren. Der durchschnittliche 10- bis 14-Jährige in Ös­terreich verbringt rund 10,5 Stunden pro Tag am Computer. Das sind durchaus beein­druckende Zahlen, wo wir als Politik natürlich auch die Gefahren, die da mitschwingen, sehen und dementsprechend handeln müssen.

Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass auch der Jugendschutz modernisiert werden muss. Wir müssen endlich einen Jugendschutz haben, der ins 21. Jahrhundert hinein­reicht – momentan sehen wir, dass wir diesbezüglich massive Probleme haben.

Wir haben momentan neun verschiedene Jugendschutzgesetze. Es gab in den letzten Monaten den Versuch einer Harmonisierung; die ist so holprig gelungen. Oberöster­reich ist nicht mitgegangen, und auch bei den Themen, die harmonisiert wurden, ist nicht alles drinnen, sondern es ging nur um Alkohol, um Rauchen und um Ausgeh­zeiten. – Ja, das ist ein erster Schritt, wenn das funktioniert, aber wir brauchen de facto einen Jugendschutz, der weiter geht und der eben auch die Lebensrealität des 21. Jahr­hunderts und auch die der Jugendlichen im 21. Jahrhundert abbildet.

Ich glaube, da ist das Thema Lootboxen, da sind aber auch viele weitere Themen im Bereich Digitalisierung essenziell, dementsprechend wünschen wir uns, dass wir in Zu­kunft auch besser zusammenarbeiten und gemeinsam Lösungen auf den Weg brin­gen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

18.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


18.31.21

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Wie bereits ausführlich erwähnt worden ist, ziehen wir hier an einem Strang. Ich denke, wir alle sind der Über­zeugung und der festen Meinung, dass es nicht sein kann, dass es da eine starke Vermischung zwischen Spielen auf der einen Seite – das heißt Kinder und Jugendli­che, die einfach ein Computerspiel spielen – und dem Herangeführtwerden an illegales


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Glücksspiel auf der anderen Seite gibt. Es wurde nämlich – das ist auch in einer Studie der Universität Bremen erwähnt worden – nicht nur festgestellt, dass diese sogenann­ten Lootboxen, diese Beute- oder Plünderboxen, wie sie auch genannt werden, in den Spielen existieren, sondern dass sie auch – und das ist es – die psychologische Wir­kung von klassischem Glücksspiel haben.

Dieses klassische illegale Glücksspiel, an das die Kinder und Jugendlichen damit he­rangeführt werden, führt dann im nächsten Schritt dazu, dass es Spielehersteller gibt, die bereits die Hälfte ihres Gewinns mit genau diesem Geschäftsmodell machen. Aus dem Finanzbericht des Spieleherstellers Activision Blizzard geht hervor, dass im ver­gangenen Jahr alleine mit diesen sogenannten Beuteboxen 4 Milliarden Dollar ge­macht worden sind. Das heißt, Jugendliche erreichen in einem Spiel einen gewissen Spielstand, erhalten dafür eine sogenannte Truhe, Schatztruhe, Box – wie auch immer –, und um diese zu öffnen, um den Inhalt zu erhalten, wird investiert, und zwar kräftig investiert. Dazu braucht es Kreditkarten oder dementsprechende Guthaben – und ob man dann etwas erhält oder nicht, ist ein zweites Paar Schuhe. Das ist genau dieses Glücksspielelement, das vorhanden ist.

Ich bin der Überzeugung, dass es nicht sein kann, dass, wie die Deutsche Börse es beziffert, der globale Umsatz aktuell bei rund 46 Milliarden Dollar liegt – das heißt, mit diesem Geschäftsmodell wird weltweit aktuell ein Umsatz von 46 Milliarden Dollar gemacht – und dass diese Plünderboxen ihrem Namen aktuell eigentlich gerecht wer­den. Wir haben eine Situation vor uns, in der ein organisierter Raubzug, eine organi­sierte Plünderung in den Kinderzimmern der Jugendlichen und Kinder in Österreich stattfindet, weshalb diesem Geschäftsmodell der Spielehersteller ein Riegel vorgescho­ben werden muss.

Ich denke, die Zuweisung an den Finanzausschuss mag inhaltlich korrekt sein, aber trotz allem wünsche ich mir, dass dieser Antrag nicht verräumt wird, vertagt wird, wie auch immer. Der Weg in den Finanzausschuss mag richtig sein, aber bitte, Frau Mi­nisterin, es geht hier um Jugendschutz, es geht hier um den Schutz unserer Kinder auf europäischer Ebene, deshalb ist es wichtig, diesbezüglich Beschränkungen zu errei­chen und sich da die Länder Belgien und Niederlande als Vorbild zu nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.34.19

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Kurzem hatten wir einen 13-jährigen Berufspraktikanten im Büro, der sich anschauen wollte, wie Politik so funk­tioniert, und der etwas bei uns lernen wollte. Tatsächlich haben wir wahnsinnig viel von ihm gelernt, denn er hat genau auf dieses Thema aufmerksam gemacht.

Es ist nämlich so, dass die Leute in seiner Klasse – ich wiederhole: 13 Jahre alt – Spie­le spielen, unter anderem Star Wars Battlefront, Fifa und einige andere, die dieses Tool gleichfalls benutzen. Da sitzen sie gemeinsam in der Klasse, und jener Schüler oder jene Schülerin, die sich das leisten kann, kauft sich in dem Spiel so eine Truhe, und sie sitzen alle gemeinsam herum, öffnen die Truhe, schauen: Wow, was ist da drinnen?, und natürlich entwickelt sich so auch dahin gehend der Druck, dass dann auch die an­deren Kinder mitziehen, Geld in dieses Spiel pumpen und solche Boxen kaufen.

Man kann sich das, um diese Metapher auch zu verwenden, so vorstellen, als würde eine Horde von 13-Jährigen im Casino an einem Pokertisch sitzen und schauen, wer wie viel bietet. Da haben Mitschüler Hunderte Euro in dieses Spiel gesteckt, und ich


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glaube, das ist echt eine Situation, die wir so nicht hinnehmen können und bei der wir absolut etwas tun müssen.

Als Erklärung: In diesen Spielen, die teilweise gratis sind, kann man sich solch eine Box um – Hausnummer – 5 oder 10 Euro kaufen, und da ist dann ein Gegenstand drin, den man entweder brauchen kann oder nicht, der gut oder schlecht ist – das weiß man eben vorher nicht, und genau darin liegt eben dieser Glücksspielcharakter. Das ist ein großes Risiko, gerade punkto Jugendschutz.

Was man tun könnte, ist Folgendes: Man könnte dieses Tool generell verbieten und sagen, dass es so etwas in Spielen nicht mehr geben darf, aber ich denke mir – um wieder beim Casinobeispiel zu bleiben –, wenn jemand, der volljährig ist, unbedingt beim Pokerspielen verlieren oder vielleicht auch gewinnen will, soll er es machen. Der Punkt ist der Jugendschutz: Kinder wissen nicht, auf welches Risiko sie sich einlassen; Eltern wissen nicht, auf welches Risiko sich ihre Kinder da einlassen, und deswegen müssen wir im Jugendschutz ganz, ganz dringend nachschärfen.

Die Kolleginnen und der Kollege haben es erwähnt: Die Niederlande und Belgien haben das gemacht. Ich habe heute auf Sky News gesehen, dass sich auch Groß­britannien mit dem Thema beschäftigt – da ist es gerade aufgepoppt. Dort hat man zwar viele andere Probleme, aber sogar dort beschäftigt man sich mit Lootboxen.

Die große Einigkeit, die hier im Haus herrscht, liegt, wie ich hoffe, nicht darin begrün­det, dass sich kaum jemand mit diesem Thema auskennt – das wäre eine böse Unter­stellung –, sondern ich glaube, dass es allen in diesem Haus ein großes Anliegen ist, da in puncto Jugendschutz etwas zu tun – ein Danke auch an Kollegin Holzleitner für diese Initiative.

Ich glaube, dass wir bei diesem Thema mit einem gemeinsamen Antrag fraktionsüber­greifend etwas machen, ist auch ein wichtiges Signal dafür, dass sich auch mehr Leute damit auskennen und sich auch Eltern mit diesem Thema beschäftigen. – In diesem Sinne: Vielen Dank!, und ich bin mir sicher, dass wir das hinbekommen. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und JETZT.)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin folgt Frau Abgeordnete Edith Mühl­berghuber. – Bitte.


18.37.18

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben jetzt sehr viel über die Loot­boxen gehört. Wahrscheinlich haben viele heute zum ersten Mal davon gehört; viele werden auch gar nicht gewusst haben, dass es so etwas gibt und dass das für Kinder und Jugendliche eben sehr gefährlich sein kann, weil es sehr viel Geld kosten kann.

Diese Lootboxen haben ja einen Glücksspielcharakter, und deshalb ist das auch in der EU ein großes Thema und man befasst sich intensiv damit. Wir haben auch gehört, Holland und Belgien sind Vorreiter – da sind sie ja inzwischen schon verboten worden.

Ich glaube, dass bei diesem Problem eine gesamteuropäische Lösung sinnvoller wäre als ein Alleingang von Österreich. Da braucht es Möglichkeiten, um Konsumenten da­vor zu bewahren und vor allem eben auch Kinder und Jugendliche vor diesen ausbeu­terischen Spielen zu schützen.

Mit dem in Österreich für Glücksspiel zuständigen Finanzressort und der dortigen Spie­lerschutzstelle steht das Familienministerium im Austausch – von dort aus werden die­se Diskussionen geführt; sie werden auch auf europäischer Ebene geführt –, deshalb wird dieser Antrag dem Finanzausschuss zugewiesen. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.38

18.38.51



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 168

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir nun zur Abstimmung.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Familie und Ju­gend, seinen Bericht 358 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für diese Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist somit einstimmig zur Kenntnis genommen.

Ich weise den Antrag 449/A(E) dem Finanzausschuss zu.

18.39.377. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Pensionsrecht der Bediensteten der ÖBB; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/27 (III-138/339 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichische Breitbandstrategie 2020 (Breitbandmilliarde) – Reihe BUND 2018/46 (III-187/340 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesanstalt für Verkehr – Reihe BUND 2018/48 (III-189/341 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Zivile Flugsicherung – Reihe BUND 2017/58 (III-61/342 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zu den Punkten 7 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Rechnungshofpräsidentin Dr.in Kraker in unserer Mitte.

Ich erteile als erstem Debattenredner Herrn Abgeordnetem Hermann Gahr das Wort. – Bitte.


18.40.35

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf mich jetzt zu einem höchst brisanten Bericht des Rechnungshofes zu Wort melden. Konkret geht es um die Bundesanstalt für Verkehr. Der Rechnungshof hat diese Anstalt im Zeitraum Jänner bis Mai 2017 überprüft und dabei im Wesentlichen fünf Bereiche aufgezeigt, in denen es Mängel gegeben hat – extreme Mängel: einerseits die Wirtschaftlichkeit des Ressour­ceneinsatzes, andererseits die Wirksamkeit der Aufgabenerfüllung; weiters die Verga­be von externen Aufträgen durch die Bundesanstalt, die Steuerung und Kontrolle durch das Ministerium sowie die Unabhängigkeit der Sicherheitsuntersuchungsstelle.


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Insgesamt hat der Rechnungshof 26 Schlussempfehlungen ausgesprochen. Aufgrund der Brisanz dieses Berichtes hat er dann eine Anzeige bei der Korruptionsstaatsan­waltschaft Wien gemacht. Der Rechnungshof stieß auf zahlreiche Mängel: Missstände bei den Zahlungen – nämlich ohne erkennbare Gegenleistungen –, die Beeinträchti­gung der gesetzlich gebotenen Unabhängigkeit sowie nicht vertragskonforme Abrech­nungen mit privaten Dienstleistern.

Insgesamt – und das sollte man sich einmal überlegen – wurden 5,3 Millionen Euro zu viel überwiesen, knapp 350 000 Euro wurden ohne Gegenleistungen bezahlt – so der Untersuchungsbericht.

Auf diese Missstände stießen die Prüfer des Rechnungshofes. Es war dann so, dass diese Bundesanstalt für Verkehr als nachgeordnete Dienststelle des Bundesministe­riums für Verkehr, Innovation und Technologie vom damaligen Minister Jörg Leichtfried am 31. Juli 2017 aufgelöst wurde.

Insgesamt gab es auch Kritik, was die Dauer der Untersuchungen betrifft: Durchschnitt­lich haben Untersuchungen fünfeinhalb Jahre gedauert; 43 Ermittlungen sind bis heute nicht abgeschlossen, 36 wurden eingestellt.

Insgesamt, glaube ich, muss man ganz klar sagen, dass es wegen des Fehlens von Ausschreibungskriterien unnötige und nicht nachvollziehbare Geldflüsse gegeben hat. Sogar Ausbildungskosten wurden extra mit Steuergeld bezahlt.

Zusammenfassend kann man sagen: Dieser Bericht hat natürlich auch einige Spe­zialfälle aufgezeigt. Es hat in Tirol im Jahre 2011 einen schweren Unfall, einen Flug­unfall mit einem Polizeihubschrauber am Achensee, gegeben. Der Bericht dazu wurde nie veröffentlicht. Es hat dann eine schriftliche Weisung gegeben, damit dieser Fall von einem privaten Gutachter aufgeklärt werden kann. Man kann mit Sicherheit sagen, dass das Ganze – und das wird ja die Staatsanwaltschaft zeigen – absolut nicht rechts­konform abgelaufen ist.

Bei diesem Bericht wird einem klar, dass vieles schiefgelaufen ist. Bei vielen Dingen wurde ja auch die Staatsanwaltschaft beauftragt. Über die derzeitigen Ermittlungsstän­de – wir haben das im Ausschuss auch hinterfragt – gibt es keine Informationen, aber wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass so etwas nie mehr passieren darf und soll.

Ich bedanke mich auch beim Rechnungshof dafür, dass er die Dinge wirklich klar auf den Punkt gebracht hat. Wir brauchen auch eine vollständige Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Ka­rin Greiner. – Bitte.


18.44.24

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Ich beziehe mich auf den Bericht zur Austro Control. Ziel der Überprüfung war die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit der zivilen Flugsicherung. Schwerpunkte waren die Organisation, strategische Ziele und Sicherheitsaspekte. Die Sicherheitsaspekte sind wohl grundle­gend wichtig, da wir wissen, dass am Tag bis zu 4 000 kontrollierte Luftfahrzeugbewe­gungen im österreichischen Luftraum stattfinden. Die Austro Control agiert wirtschaft­lich im internationalen Vergleich äußerst erfolgreich und gehört zu den sichersten Flug­sicherungsorganisationen in Europa.

Ich habe kurz strategische und wirtschaftliche Ziele angesprochen. Dazu zählt bei­spielsweise auch das Anstreben eines wettbewerbsfähigen Fluggebührenniveaus. Die Fluggebührenregime werden aber weitestgehend von der Eurocontrol und seitens der


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Europäischen Kommission geregelt. Wir hatten eine Auskunftsperson von der Austro Control bei uns im Ausschuss und haben erfahren, dass die Austro Control seit 2012 sämtliche verbindlichen Leistungsziele erreichen konnte, das heißt, die europäischen Regulatorien wurden auf die österreichischen Behörden heruntergebrochen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein Problem greift der Bericht auf, und zwar die auffallend hohe Drop-out-Rate bei der Ausbildung zum Fluglotsen. 2014 war bei der Fluglotsenausbildung eine Drop-out-Rate von nahezu 60 Prozent zu verzeichnen, ein Jahr später lag sie noch immer deutlich über 50 Prozent. Wie kommt man dem bei? – Die Austro Control hat uns erklärt, dass man versucht hat, die Ausbildung im internationalen Kontext zu adaptieren. Sie hat auch entsprechende Experten beigezogen. Zielvorgabe wäre die Senkung dieser Drop-out-Rate auf 20 bis 30 Prozent. Wenn man bedenkt, dass sich pro Jahr 700 bis 800 Kandidaten bewerben, aber nur 30 bis 40 zur Ausbildung zugelassen werden, fällt es natürlich auf, wenn nahezu die Hälfte diese Ausbildung nicht abschließt. Eines muss uns auch bewusst sein: Die Anforderungen an Fluglotsen sind ja wirklich sehr, sehr hoch. Entsprechend sensibel muss auch die Ausbildung sein.

Ein Aspekt in der Ausschussdiskussion war noch sehr interessant: Der Rechnungshof hat nämlich empfohlen, den Personalaufwand bei der Austro Control zu senken. Wir haben das diskutiert. Unter dem Sicherheitsaspekt ist es ja wohl kritisch zu sehen, wenn man Personal deutlich reduzieren möchte. Es hat sich dann in der Diskussion aber gezeigt, dass nicht im operativen Bereich gespart werden soll.

Einen Punkt möchte ich abschließend noch ansprechen, der in Zukunft noch mehr an Relevanz gewinnen wird, nämlich: Wie teilt man sich den Luftraum mit Drohnen? Wie gewährleistet man die Sicherheit aller Beteiligten? Wie schaut es mit den Kosten für die Betriebsbewilligungen und Zertifizierungen für Drohnen aus? – Wir haben von der Auskunftsperson auch erfahren, dass derzeit zwei Personen dafür abgestellt sind. Ak­tuell hat uns die Frau Rechnungshofpräsidentin noch darüber informiert, dass das The­ma Drohnen zurzeit einer Prüfung durch den Rechnungshof unterliegt. Also möglicher­weise werden wir in absehbarer Zukunft diesen Bericht als Debattengegenstand hier haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Abschließend betone ich nochmals: Die Austro Control ist eine der sichersten Flugsicherungsorganisationen in Europa und agiert wirtschaftlich äußerst erfolgreich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Kainz. – Bitte.


18.48.14

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute auf den Rechnungshofbericht betreffend Pensionsrecht der Bediensteten der Österreichi­schen Bundesbahnen eingehen.

Von April bis Juni 2017 überprüfte der Rechnungshof bei den Österreichischen Bun­desbahnen und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie die Umsetzung der Empfehlungen, die er bei der vergangenen Gebarungsprüfung im Jah­re 2015 abgegeben hatte. Die erneute Überprüfung ergab, dass das damals von der SPÖ geführte Bundesministerium fünf von sechs Empfehlungen nicht umgesetzt hatte, was dazu führte, dass sich die potenziellen Einsparungen in den Jahren 2018 bis 2050 von rund 1,07 Milliarden Euro auf 560 Millionen Euro halbierten.

Außerdem ist zwar die Zahl der Bezieher einer Bundesbahnbeamtenpension von 2008 bis 2016 von 72 700 auf 64 230 Personen gesunken, die Ausgaben für diese Pensio-


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nen sind aber zeitgleich um 108 Millionen Euro gestiegen. Dementsprechend musste auch der Bund höhere Kosten tragen. Die vom Bund zu tragenden Kosten für die Bun­desbahnbeamtenpensionen stiegen somit von 1,52 Milliarden Euro auf 1,66 Milliarden Euro.

Liebe Kollegen und Kolleginnen! Leider liegt auch das Pensionsantrittsalter bei den Be­diensteten der Bundesbahnen noch immer vier Jahre unter dem Regelpensionsantritts­alter. Dennoch zeigt sich, dass der seit 2012 geltende Frühpensionsstopp, welcher Teil des Maßnahmenpakets Arbeit & Alter ist, Wirkung gezeigt hat, denn immerhin ist das Pensionsantrittsalter von durchschnittlich 52,5 Jahren auf 56 Jahre gestiegen. Die ge­setzten Maßnahmen, um ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter länger und gesünder in Beschäftigung zu halten, waren also erfolgreich.

Ich denke, Sie alle stimmen mir zu, dass trotz dieses Teilerfolgs nach wie vor eine Ha­rmonisierungslücke besteht, denn das Pensionsrecht der Bediensteten der Österrei­chischen Bundesbahnen ist noch immer nicht jenem der Bundesbeamten angeglichen worden. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Da das Maßnahmenpaket Arbeit & Alter Wir­kung zeigt, befinden wir uns aber auf einem guten Weg. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.51


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr.in Irmgard Griss. – Bitte.


18.51.10

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Berichten etwas sa­gen, die schon von Herrn Kollegen Gahr und auch gerade von meinem Vorredner er­wähnt wurden, und zwar zum Bericht über das System der Bundesbahnbeamtenpen­sionen und zum Bericht über die Prüfung der Bundesanstalt für Verkehr. Das sind ja zwei Berichte, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, und doch ist ihr Ergebnis ganz symptomatisch dafür, wie gering das Verantwortungsbewusstsein bei Leitungsorganen und Amtsträgern in der öffentlichen Verwaltung ausgeprägt ist.

Mein Vorredner hat gerade geschildert, dass fünf von sechs Empfehlungen nicht um­gesetzt wurden und dass das dazu geführt hat, dass sich die möglichen Einsparungen halbiert haben. Das ist im Ausschuss diskutiert worden. Ich habe Herrn Bundesminister Hofer gefragt: Na, was haben Sie jetzt vor? Werden Sie nun das umsetzen, von dem der Rechnungshof sagt, wenn das jetzt gemacht wird, dann sparen wir noch eine halbe Milliarde ein? – Was hat Herr Bundesminister Hofer geantwortet? – Er hat gesagt: Ich will Verwerfungen verhindern und sehe nicht ein, dass ein Bereich herausgegriffen wird.

Das war seine Antwort, und das ist ein ganz grundlegendes Missverständnis. Es geht nämlich nicht darum, die Bundesbahnbeamtenpensionisten gegenüber anderen Beam­tenpensionisten zu benachteiligen, sondern es geht darum, sie gleich zu behandeln (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ) und diese Sondersituation – man könnte es Privilegien oder Besserstellung nennen – zu beseitigen. Es ist natür­lich – das muss man Herrn Bundesminister Hofer ja zugestehen – lustiger, wenn er sa­gen kann: Ich gebe euch etwas dazu!, als wenn er sagen muss: Ich muss euch etwas wegnehmen! – Das aber ist halt die Verantwortung eines Politikers.

Zum zweiten Bericht, dem Bericht über die Bundesanstalt für Verkehr, ist ausführlich geschildert worden, was alles schiefgelaufen ist. Die Aufsicht hat nicht funktioniert. Der Leiter dieser nachgeordneten Dienststelle konnte nach Belieben schalten und walten. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass, wie schon gesagt wurde, Rechnungen be-


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zahlt wurden, ohne dass es eine Gegenleistung gegeben hätte. Auch da habe ich Herrn Bundesminister Hofer gefragt: Ist das Geld schon zurückgefordert worden, das rechtsgrundlos gezahlt wurde? – Seine Antwort war: Die Finanzprokuratur prüft.

Das Ganze ist im Sommer 2017 aufgekommen, offenbar prüft jetzt die Finanzprokura­tur – vielleicht schon ein Jahr oder ich weiß nicht, wie intensiv sie prüft –, ob dieses Geld, das ohne Rechtsgrund gezahlt wurde, zurückgefordert werden kann, was an sich auf der Hand liegt.

Wie würde da in einem privaten Unternehmen vorgegangen? – Das Erste wäre doch, dass man schaut, dass man dieses Geld wiederbekommt. Warum ist das bei der öf­fentlichen Verwaltung nicht so? – Es ist deshalb nicht so, weil sich niemand wirklich verantwortlich fühlt, und das ist ein Grundproblem, das wir haben. Was wir daher brau­chen, sind klare Regeln, die die Sorgfaltspflichten festschreiben und Sanktionen vorse­hen, die dann greifen, wenn diese Sorgfaltspflichten nicht erfüllt werden. – Danke. (Bei­fall bei den NEOS sowie des Abg. Knes.)

18.55


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Cox. – Bitte.


18.55.25

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofprä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gab eine Halbzeitbilanz des Rechnungshofes zur Breitbandmilliarde – das haben wir auch im Ausschuss diskutiert –, und die war ernüchternd. Ernüchternd ist sogar noch unter­trieben, es gleicht eher einem Schneckenmarathon, wir kriechen nämlich bei dieser Thematik ziemlich hinterher, und zwar nicht nur den Zielen. Wenn man sich die Ziele anschaut, dann wurde als ein Ziel gesetzt, dass man im Jahr 2018 in Ballungsgebieten ultraschnelle Breitbandhochleistungszugänge mit 100 Mbit/s haben möchte, 2020 flä­chendeckend. Wie Sie wissen, neigt sich dieses Jahr dem Ende zu, nächstes Jahr ha­ben wir 2019.

Wenn man sich jetzt diese 1 Milliarde Euro anschaut: 2,14 Millionen Euro wurden ab­gerufen und wir wissen, von dem Informationsstand, den wir haben, dass 247,12 Mil­lionen Euro vergeben wurden – von 1 Milliarde! (Abg. Hanger: Abgerechnet!) – Abge­rechnet hin oder her, das sind die Zahlen, die wir hier vorliegen haben. (Abg. Winzig: Das ist ein großer Unterschied!) Die Sache ist, dass das trotzdem im Schneckentempo erfolgt.

Wir wissen nämlich – was wir im Ausschuss auch diskutiert haben –, dass es auch da­rum geht, dass Bauprojekte zusammengelegt werden müssen. Das Problem sind die Rohrleitungen, man muss sich anschauen, ob man Bauprojekte zusammenlegen kann. Wir wissen, dass das im Moment eine Herausforderung ist und dass es genau an die­sen Dingen hakt. Ich bin da upgedatet, kein Problem, aber ich glaube, dass wir da viel schneller hätten sein können.

Das ist eine riesige Chance und das ist wichtig. Wenn wir hier von Breitband sprechen, dann ist das nicht irgendein Trend. Wir haben jetzt schon eine 5G-Strategie, wir ver­steigern die Frequenzen, aber dieses Breitband ist dafür sehr, sehr wichtig. (Abg. Hanger: Glasfaser, nicht Breitband!) Das ist nicht nur ein hippes Thema im Moment, sondern es geht darum, dass wir in den Städten, aber auch in den ländlichen Berei­chen den Zugang zu Bildung, zu Wissensvermittlung, zu Gesundheit und zu einem besseren Gesundheitssystem bieten. Es wird immer digitaler. Das heißt, wenn man dort nicht das nötige Internet hat, den nötigen Zugang hat, wird das die Lebensqualität beeinflussen. Da geht es auch um Mobilität.

Man muss auch sagen, das geht uns alle etwas an – alle! Im Moment schaut es eher so aus: Wenn ich zum Beispiel auf Veranstaltungen bin und das Thema Digitalisierung diskutiert wird, kommen Leute zu mir und sagen, sie sehen eine kommende Ungleich-


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heit. Eine Unsicherheit ist da, auch Kontrollverlust. Vor allem gibt es Studien, die besa­gen, dass ältere Damen, mehr als 50 Prozent der Frauen 60 plus, noch nie das Inter­net verwendet haben. Das heißt, wir haben da mit einer Generation im ländlichen Raum, nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in den Städten zu tun, die mit die­ser Thematik noch nicht viel zu tun hatte.

Es gibt Studien, die besagen, dass man bis 2020 circa 50 Millionen Geräte braucht. Da spreche ich nicht nur von Tablets und Smartphones, da spreche ich von Watches, da geht es um die verschiedensten Mittel, wie man die Digitalisierung verwenden kann. 50 Millionen? – Das sind verdammt viele Geräte und das ist sehr schnelles Internet, das man da brauchen wird, und natürlich auch die Energie. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Das Spannende dabei ist ja, dass wir in der Politik die Aufgabe haben, die Dolmetscher der vierten industriellen Revolution zu sein. Das ist wichtig, weil viele gar nicht mehr mitkommen. Wir in der Politik haben die Aufgabe, hier zu übersetzen, uns hier klar ge­gen die Monopolstellung von manchen Technologieunternehmen zu stellen, aber auch einen menschlichen Zugang zur Digitalisierung zu sichern. (Beifall bei JETZT.)

Wenn wir schon von Breitband sprechen: Ich habe im September einen Forderungs­katalog zur künstlichen Intelligenz erstellt, weil ich mir gewünscht hätte, dass die Re­gierung da auch einen Zahn zulegt und wir nicht in einem Schneckenmarathon sonder­gleichen, wie wir es schon beim Breitband gesehen haben, unterwegs sind.

Morgen wird Herr Hofer den Rat für Robotik präsentieren, das White Paper für AI. Ich bin gespannt, ich habe sehr hohe Erwartungen, denn das Papier, das ich mit meinem Team geschrieben habe, enthält über 60 Forderungen, weil ich der Meinung bin, gerade wenn es um künstliche Intelligenz geht, dann ist das nicht irgendeine Utopie. In den Medien hört man teilweise von Terminator-Szenarien, Menschen werden Maschi­nen unterworfen, und auf der anderen Seite gibt es wieder die Leute, die sagen, mit künstlicher Intelligenz werden wir alle Probleme lösen. Wie so oft wird die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen, aber was ganz klar ist: Künstliche Intelligenz wird alle un­sere Lebensbereiche beeinflussen. Deswegen müssen wir schon jetzt – jetzt! – auf politischer Ebene die Maßnahmen setzen, Strategien haben und wissen, wo wir inves­tieren. (Beifall bei JETZT.)

Was Sie auch noch in meinem Papier sehen können: Ich habe gefordert, dass Ös­terreich hier europäisch handeln muss. Gerade wenn es um künstliche Intelligenz geht, werden wir ein bissel alleine dastehen, und da ist es sehr, sehr wichtig, dass wir auf europäischer Ebene eine gemeinsame Strategie haben. Es ist wichtig, dass wir hier proaktiv handeln, dass wir strategisch handeln und vor allem schnell – und dass es nicht so ähnlich verläuft wie bei der Breitbandmilliarde, dass es nicht so lange zum Anlaufen braucht, und dann wird man sehen, was im Endeffekt rauskommt. Die Zah­len, die mir vorliegen, sind nicht sehr erfreulich. (Abg. Hanger: Man muss sie auch le­sen können!)

Es ist ja jetzt nicht nur die Breitbandmilliarde, es ist jetzt nicht nur 5G. Wir haben Ro­botik, wir haben Internet of Things. Das sind so viele Aspekte, die unser Leben be­einflussen werden, und da müssen wir jetzt auf politischer Ebene die richtigen Ent­scheidungen treffen, die richtigen Strategien in die Wege leiten. Wir dürfen da nicht im Schneckentempo vorankommen. Wir möchten, dass die Digitalisierung zum Wohle al­ler ausfällt, und zum Wohle aller heißt, dass wir Breitbandinternet auch im ländlichen Bereich haben. Das heißt, dass Menschen den gleichen Zugang zu Bildung, zu Wissen haben. Das heißt, dass wir einen humanen Zugang zu dieser Thematik brauchen, denn das Ziel muss immer sein, dass wir die Digitalisierung für den Menschen nützen, für uns nützen und dass sie auch zum Wohle aller ausfällt. (Beifall bei JETZT.)

19.02



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 174

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kirchbaumer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.02.40

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist und war für mich als Unternehmerin total unverständlich, dass die ÖBB und die SPÖ-Verkehrsministerin und der Verkehrsminister mit älteren Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmern so umgegangen sind. Ich muss sagen, dass man mit 51,9 Jahren in Pension geht, ist für mich total unverständlich.

Ich muss an dieser Stelle einwerfen, dass ein derartiger Umgang für mich nicht nach­vollziehbar ist. In meinen Unternehmungen sind mehr als die Hälfte meiner Mitarbeite­rinnen und Mitarbeiter über 50 Jahre alt, und sie arbeiten bei mir gerne und auch mit Engagement. Ich bin stolz darauf und froh, dass ich diese Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter meine nennen darf. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sind eine wichtige Stütze auch für unsere soziale Welt, und auch in meinem Betrieb tragen sie maßgeblich zu meinem Erfolg bei. Zudem sind sie bei ihrer Tätigkeit selb­ständiger und besser in der Lage, Probleme schnell und unbürokratisch zu lösen. Auch teilen sie sich ihre Arbeitszeiten im Rahmen ihrer Schichten selbständig ein. Ich möch­te an dieser Stelle anmerken, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 12 Stunden arbeiten dürfen, weil es in meiner Branche nämlich erlaubt ist. Und eines können Sie sich sicher sein: Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nicht krank, und sie ar­beiten gerne und sie stehen hinter meinem Unternehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Genau solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in der Vergangenheit die ÖBB und Ex-Bundeskanzler Kern, damals als Konzernchef der ÖBB, mit 50 in den Ruhe­stand geschickt. Aus diesem Grund werden nunmehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 50 wieder in die ÖBB zurückgeholt, um ihre Erfahrungsschätze in das Unterneh­men einzubringen. Der Rechnungshof hat dies positiv herausgestrichen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Vergangenheit war es oft so, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schnell in den Ruhestand geschickt wurden. Diese Bundesregierung setzt auf die Erfahrungen und die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über 50 und tritt für diese ein. Jede Unternehmerin und jeder Unter­nehmer weiß, dass auch ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wesentliche Stüt­ze für den wirtschaftlichen Erfolg sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Es freut mich, dass das auch die ÖBB in Zukunft beherzigen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Knes. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.06.02

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsiden­tin! Ja, meine Vorrednerin macht es mir wirklich schwer. Ich wollte eigentlich zu einem anderen Thema reden, aber jetzt muss ich zur Eisenbahn sprechen.

Ich glaube, bei Ihnen, Frau Kirchbaumer, hat sich die Welt 1995 aufgehört zu drehen, denn genau in diesem Jahr wurden nämlich die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ins ASVG eingegliedert. Sie sprechen hier von 50-jährigen Pensionistinnen und Pen­sionisten, die es ja gar nicht mehr gibt, und das zeigt auch der Rechnungshofbericht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Eines muss man aber schon sagen: Das war eine Follow-up-Überprüfung. Eine Follow-up-Überprüfung hat zum Gegenstand, zu schauen, was da in der Zwischenzeit passiert


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ist. Dazu auch danke, aber gleichzeitig auch eine Bitte an Frau Präsidentin Kraker: Wenn man schon eine Follow-up-Überprüfung macht, dann darf man die Zahlen, die genannt werden, nicht vermischen und es muss auch eine Gegenrechnung aufgestellt werden, denn bei jenen Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern, die ins ASVG-Pensions­system einzahlen, und das immerhin seit 23 Jahren, verdoppelt sich die Zahl, während auf der anderen Seite 525 Millionen Euro bei jenen im alten Eisenbahner-Gesetz ge­spart werden. Das fehlt mir auch in diesem Bericht. Wäre das drinnen, würde diesen ganzen Irritationen Einhalt geboten werden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das ist so.

Etwas bringt dieser Bericht auch zutage, und da muss man sich nur etwas damit be­fassen: Frau Kirchbaumer, auch Herr Kainz von der Freiheitlichen Partei – es ist schon interessant, wie ihr euch da matcht –, bitte schön, schaut in Zukunft die Berichte ge­nauer an, und wenn ihr sie nicht lesen könnt, dann kommt zu uns, dann werden wir euch helfen! (Abg. Hauser: Das ist ein Untergriff!) – Nein, das ist kein Untergriff, nein! Sie stellen sich hier heraus und verbreiten Unwahrheiten, Dinge, die es in der Realität einfach nicht gibt. Noch einmal: Seit 1995 sind alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner im ASVG-Pensionssystem. Die restlichen 20 000, die noch im ehemaligen Eisenbah­ner-Gesetz drinnen sind, gehen in den nächsten fünf bis sieben Jahren. Die Letzten – das bringt dieser Bericht klar heraus – sind bis 2030 alle weg.

So, und jetzt kommt es: Jene Personen, die da drinnen sind, bezahlen einen Pensions­sicherungsbeitrag von 5,8 Prozent, bis zu ihrem Tod! Zeigen Sie mir eine Branche, in der das genauso ist! (Abg. Neubauer: Das gilt für alle Beamten!) Die BundesbeamtIn­nen aller Sparten zahlen nur 3,8 Prozent! Herr Kollege, kennen Sie sich da auch nicht aus? Sie zahlen das nur bis zum Pensionsantrittsalter und nicht bis zum Lebensende. (Beifall bei der SPÖ.) Also wenn Sie hier schon reden, dann vertauschen Sie nicht Birnen mit Äpfeln, sondern stehen Sie endlich zu jenen Pensionen, die sich auch die Eisenbahner verdient haben!

Die Eisenbahner haben derzeit ein durchschnittliches Pensionsantrittsalter – haltet euch an!, sage ich in Richtung der Freiheitlichen und Schwarzen –, das bei 61,7 Jah­ren liegt, und nicht eines von 50 Jahren, wie hier immer kolportiert wird! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das von jenen, die krankheitshalber in Pen­sion gehen, liegt bei 56, weit über dem der Bundesbeamtinnen und -beamten, die bei 51 herumkrebsen. – Ist ja wahr, da wird man wirklich grantig. (Abg. Neubauer: Wien zum Beispiel!)

Sie kennen sich nicht aus! (Abg. Neubauer: Das müssen Sie dem Ludwig sagen!) Stellen Sie sich heraus und sagen Sie die Wahrheit! Die Frau Präsidentin gibt Ihnen gerne den Bericht, dann können Sie ihn lesen. Verstehen werden Sie ihn in hundert Jahren auch nicht. (Abg. Neubauer: Da brauche ich Sie dazu!)

Lassen Sie mir die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner in Ruhe! Sie haben es sich verdient, ganz normal in ihre ASVG-Pension zu gehen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

19.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.09.37

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Knes, wenn man die Debatte, die wir im Rechnungshofausschuss zum ÖBB-Pensionsrecht gehabt haben, hier korrekt wiedergeben würde (Zwischenruf des Abg. Knes) – warte einmal, was ich zu sagen habe, bitte! –, dann müsste man feststellen, dass Herr Bundesmi-


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nister Hofer im Rechnungshofausschuss klipp und klar festgestellt hat, dass er dieses Pensionsrecht nicht angreifen wird, weil es auslaufend ist. (Abg. Neubauer: Aber nicht, weil es gut ist! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Griss, ich hätte mir von Ihnen auch erwartet, dass Sie hier korrekt be­richten. Herr Minister Hofer hat im Ausschuss auf die Frage, was mit dem ÖBB-Pen­sionsrecht passiert, ehrlich geantwortet und uns allen mitgeteilt, dass er das, weil aus­laufend, nicht angreifen wird, weil er bei den ÖBB mehrere Baustellen hat. Das war ei­ne offene, ehrliche Antwort. Kollege Knes, das stimmt doch, oder? (Abg. Loacker: Das ist Hundstorfer-Politik mit dem Auslaufen-Lassen!) Das habe ich mir erwartet, dass das hier gesagt wird, wenn man hier herauskommt, aber nicht, dass man polemisiert, wie Sie, Frau Kollegin Griss, das gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Grundsätzlich wollte ich auch ein paar Worte zum Prüfbericht zu Breitbandausbau, Digitalisierung sagen, und auch da gilt das Gesagte. Man muss wissen – und das ist speziell für unsere Zuseher vor den Fernsehschirmen sehr wichtig –, dass dieser Prüf­bericht zur Breitbandstrategie die Jahre 2013 bis 2017 betroffen hat und dass dieser Prüfbericht im ersten Halbjahr 2017 erstellt wurde. Das heißt, er betrifft die alte Bun­desregierung. Der Rechnungshof hat eben die alte Regierung betreffend festgestellt und eruiert, ob die Zielsetzungen, die sich die alte Regierung gegeben hat, erreicht wurden.

Die Zielsetzungen der alten Regierung waren, dass bis zum Jahr 2018 70 Prozent der Haushalte über schnelles Internet verfügen sollten und bis zum Jahr 2020 eine flächen­deckende Versorgung sicherzustellen sei. Dann hat der Rechnungshof festgestellt, dass diese Ziele natürlich nicht oder leider nicht erreicht wurden. Zum Beispiel wurden im Festnetzendkundenbereich bis zum Jahr 2016 lediglich 4,2 Prozent Anschlüsse er­reicht. Auch dazu hatten wir aber eine sehr gute Diskussion im Rechnungshofaus­schuss, und Sie alle, die Sie drinnen sitzen, das heißt alle Fraktionen, haben vom Breitbandbüro des Herrn Ministers Hofer, der sich in dieser Frage unglaublich enga­giert und auch sehr nahe an dieser Thematik dran ist, eine Information per E-Mail er­halten, und in dieser Information hat er über den derzeitigen Stand des Ausbaus be­richtet. Das haben alle Fraktionen bekommen. Es ist ja nicht so, dass wir da nirgendwo stehen. Ich muss festhalten, wir haben die Zielsetzungen noch nicht erreicht, aber es wird immens Gas gegeben. Herr Minister Hofer mitsamt seinem Team gibt bei dieser Thematik Gas.

Wie schaut die Situation aktuell aus? – Im Rahmen der bisherigen Ausschreibungen aus der Breitbandmilliarde haben 213 Fördernehmer in 736 Projekten Förderungen über 461,8 Millionen Euro erhalten.

Frau Kollegin Cox, du bist ja bei dieser Thematik sicherlich immer fit dabei. Ich finde das einfach nicht korrekt, dass du hier dann sagst, es wurden nur 2,16 Millionen Euro abgerufen. Das wurde im Ausschuss festgestellt. Ja, das hat das Jahr 2016 betroffen, so hat es im Jahr 2016 ausgeschaut. Das ist eben ein alter Bericht. Aktuell ist es eben so, dass 461,8 Millionen Euro – und das ist ein kleiner Unterschied zu 2,16 – abge­rechnet wurden. Dadurch wurden immerhin Investitionen von 1,2 Milliarden Euro aus­gelöst. Diese Förderungen sind mittlerweile transparent und auch im Breitbandatlas eingetragen. Darauf bezog sich auch eine Kritik des Rechnungshofes, aber auch das ist zwischenzeitlich umgesetzt. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Bislang profitierten – und ihr habt alle diese Informationen bekommen – insgesamt 832 000 Haushalte in 1 325 Gemeinden, das sind 44 Prozent aller bisher unterversorg­ten Wohnsitze. Damit schaut die Sache schon einmal anders aus, und ich glaube, dass die Zuseher und Zuhörer auch das Recht haben, über die aktuelle Situation Bescheid zu wissen. Man kann nicht immer nur reduzierte Informationen hier herinnen kundtun. (Beifall bei der FPÖ.)


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Wo wir uns wirklich einig sind, das ist beim weiteren Ausbau, und natürlich geben wir da Gas. Noch einmal: Das ist super aufgehoben bei unserem Minister, der wirklich technikaffin ist und unglaubliche Beziehung zu dieser Thematik hat.

Ich reduziere das Ganze jetzt. Wir sprechen immer von Smart Cities, ich möchte diese Begrifflichkeit noch erweitern durch die Begrifflichkeit der Smart Regions. Das heißt, jede Region, jede Person hat einen Anspruch, an das schnelle Internet angeschlossen zu werden, weil das eine Basisinfrastruktur ist. Früher haben wir vom Anschluss, von der Erreichbarkeit über Straßen gesprochen. Das ist jetzt überholt, das ist bereits pas­siert, jetzt müssen wir über das schnelle Internet jeden Haushalt erreichen, damit auch die ländliche Bevölkerung eine Chance hat, den Arbeitsplatz vor Ort zu erhalten. Daran arbeiten wir unglaublich intensiv, und ich bedanke mich noch einmal bei unserem Mi­nister Hofer dafür. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.16.00

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Es wurde schon vorhin das Thema Breitbandmilliarde beziehungsweise die Umsetzung angesprochen. Das ist das, was der Rechnungshof geprüft hat. Auch die ambitionierten Ziele der Vorgängerregierung wurden angesprochen: 70 Prozent bis 2016 und ein flächendeckender Ausbau bis 2020. Wir alle hier in diesem Haus wissen, dass wir von diesen Zahlen weit entfernt sind, und ich glaube auch, dass die Regierung durchaus wieder ambitionierte Ziele in diesem Bereich hat. Das möchte ich Ihnen durchaus zugestehen.

Was hat der Rechnungshof für Empfehlungen abgeleitet? – Er hat einerseits gesagt, dass die Abstimmung mit den Bundesländern mangelhaft ist, da gibt es massiven Nachholbedarf, auch was die Transparenzdatenbank, aber auch die Koordination be­trifft. Das ist eine der Empfehlungen. Weiters hat er gesagt, die regelmäßige Evaluie­rung fehlt. Das heißt, wir müssen stärker schauen, ob diese Maßnahmen, die wir vor Ort setzen, auch wirken, und daraus lernen. Was auch im Rechnungshofbericht abge­bildet ist, ist der Plan für die Zukunft, das heißt eine Strategie zwischen 2018 und 2022, wie wir genau im Ausbau fortfahren wollen.

Im Regierungsprogramm – ich habe es schon angesprochen – sind wieder sehr ambi­tionierte Ziele zu finden, leider fehlt da in meinen Augen etwas die Strategie. Es stehen also sehr viele Ziele drinnen, aber wenig zur Umsetzung.

Was die Regierung allerdings auf den Weg gebracht hat oder was sie dabei ist, auf den Weg zu bringen, ist die Evaluierung, auch das muss man positiv herausheben.

Was allerdings komplett ausgeklammert ist, und das ist sehr symptomatisch, glaube ich, für unser Land und auch für die Regierungen der letzten Jahre, auch für diese hier, ist, dass die Abstimmung mit den Bundesländern wieder nicht klappt. Insbesondere das Thema Transparenzdatenbank wird von Ihnen auch nicht angegangen. Wir haben sehr viele Möglichkeiten, wie wir noch effizienter werden können, indem wir Doppelglei­sigkeiten einsparen. Das ist ein Thema, das viel zu wenig diskutiert wird, gerade bei so einem wichtigen Bereich, in dem wir möglichst effizient investieren müssen, weil wir noch sehr viel vor uns haben. Wir haben darüber gesprochen, wie viel wir gerade im ländlichen Raum noch machen müssen, wie viel weitere Maßnahmen da notwendig sind.

In diesem Zusammenhang darf ich an einen Antrag aus der letzten Legislaturperiode erinnern, einen Antrag der Abgeordneten Hafenecker und Deimek mit dem Betreff


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„leistungsfähiges Internet für Hasendorf“. Hasendorf wird Ihnen wahrscheinlich noch etwas sagen, eine 193-Einwohner-Gemeinde. In dem Entschließungsantrag geht es darum, den Bundesminister aufzufordern, in dieser Gemeinde für schnelles Internet zu sorgen. Meines Wissens ist es nach wie vor so, dass Hasendorf – und das ist nur stell­vertretend für viele ländliche Regionen – kein Highspeedinternet hat. Ich glaube, dass wir genau daran arbeiten müssen, dass wir eben auch in die Fläche kommen. Gerade im ländlichen Raum gibt es Hunderte solcher Beispiele. Ich selber komme aus einem kleinen Ort mit 50 Einwohnern, wir sind weit weg von Highspeedinternet. So geht es dem gesamten ländlichen Raum, was natürlich auch für die Wirtschaft vor Ort ein ganz, ganz großer Nachteil ist.

Sepp Schellhorn kann berichten, wie das im ländlichen Raum großteils ist, in der Ho­tellerie, wenn einem dann die Gäste sagen, ohne schnelles Internet kommen wir nicht zu euch. Dadurch gibt es ganz große Nachteile, auch für junge Unternehmer, die sich im ländlichen Bereich ansiedeln wollen.

Wir wissen, dass Internet die Startbasis ist, dass ohne Internet heutzutage einfach nichts mehr geht, egal, ob das im wirtschaftlichen Bereich ist, ob das in der Bildung ist, wo auch immer, selbst im privaten Bereich nutzen doch immer mehr Personen Strea­mingdienste anstatt klassisches Fernsehen, und so weiter.

All diese Maßnahmen, die wir setzen müssen, müssen schleunigst gesetzt werden. Ich fordere daher die Regierung auf, noch einmal auf den Startknopf zu drücken und end­lich wirklich Vollgas zu geben, denn sonst wird es nichts mit Highspeed im Internet. (Beifall bei den NEOS.)

19.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hanger. – Bitte.


19.20.14

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man hat als Abgeordneter so seine Lieblingsthemen, und das Thema Hochleistungsinternet, Breitband auch für ländliche Regionen gehört zu meinen Lieblingsthemen, und ich wer­de jetzt versuchen, vielleicht auch ein bisschen Klarheit in die Debatte zu bringen. (Abg. Cox spricht mit Abg. Zadić.) – Frau Kollegin Cox, ich würde Sie bitten, dass Sie kurz zuhören, dann können wir die Diskussion vielleicht bilateral fortführen.

Einleitend möchte ich festhalten, dass der Bericht des Rechnungshofes ein ausge­zeichneter ist. Wer ihn wirklich aufmerksam durchliest, bekommt einen sehr guten Überblick über die derzeitige Situation in Österreich. Man muss wirklich sagen, dass die Programme an sich auf Bundesebene – daran sind auch Vorgängerregierungen be­teiligt – gut aufgestellt sind. Es gibt die Programme Access, Backhaul, Leerrohr und so weiter, man muss sich die Gelder nur holen.

Ich möchte nur erwähnen, weil manche von den ländlichen Regionen sprechen: In mei­ner Heimatregion wird derzeit ausgebaut, FTTH, und die Strategie des Bundes ist eine ganz wesentliche Grundlage dafür.

Der Bericht ist sehr gut. Er zeigt einiges an Verbesserungspotenzial bei den Breitband­zielen auf, und das ist gut so. Wir brauchen mindestens 100 Mbit/s und keine niedrigen Bandbreiten, wir brauchen eine bessere Koordination zwischen den Gebietskörper­schaften und vieles mehr.

Wenn ich schon zu diesem Thema spreche, dann möchte ich auf ein paar Dinge hin­weisen, die meiner Meinung nach von essenzieller Bedeutung sind.


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Wir waren vor Kurzem auf einer Studienreise in Schweden. Schweden gilt als Vorzei­geland im Bereich der Digitalisierung, nicht nur in der Software, sondern auch in der di­gitalen Infrastruktur. Was machen die Schweden anders? – Das ganz Entscheidende ist einmal: Man muss auf die richtige Technologie setzen. Breitband wird über Kupfer­netz übertragen, Breitband wird über Koaxnetz übertragen, Breitband kommt über Sa­tellit, Breitband kommt über das Handy, über Mobilfunk. Ganz klar ist, und das ist die große Herausforderung: Wir müssen beim Thema Breitbandausbau, Hochleistungsin­ternet auf Glasfaser setzen. Das hat die Studienreise ganz klar ergeben. Wenn wir Hochleistungsinternet haben wollen, dann brauchen wir die Technologie, die Glasfaser heißt, weil damit im Prinzip unbeschränkt Datenmengen übertragen werden können.

Das zweite große Thema ist: Wir müssen weg von den Bandbreitenzielen, also nicht 30 Mbit, sondern 100 Mbit. Wir brauchen ein Infrastrukturziel! Wenn man erkennt, dass Glasfaser die einzige Technologie derzeit ist, die das leisten kann, dann brauchen wir das Infrastrukturziel. Wichtig ist auch immer zu betonen, wenn manche meinen, durch die neue Mobilfunkgeneration 5G, die auch hohe Bandbreiten hat, sparen wir uns den Glasfaserausbau – da möchte ich ganz klar dagegenreden –: Ganz im Gegenteil! 5G-Sendeanlagen brauchen die Glasfaserinfrastruktur, das eine bedingt das andere.

Wenn wir schon in die Zukunft schauen, dann muss ich sagen – und das ist mein gro­ßer Appell –, der einzig mögliche Lösungsansatz, um bei diesem Thema vorwärtszu­kommen, ist, dass wir eine gute Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften haben. Das beginnt auf der europäischen Ebene. Wenn wir manche Dinge national­staatlich diskutieren, heißt es, das Wettbewerbsrecht auf der europäischen Ebene las­se das nicht zu, weil es natürlich ein Markteingriff ist. Wir brauchen also die Maßnah­men auf europäischer Ebene.

Wir brauchen eine Fortsetzung der Programme, die mit Ende 2020 auslaufen; das BMVIT hat ja schon eine neue Strategie angekündigt. Ich darf mich für den guten Dia­log bedanken, den wir mit dem Ministerium haben. Da sind wir auf einem sehr guten Weg.

Und wir brauchen die Länder, gar keine Frage. Niederösterreich, Oberösterreich haben Landesinfrastrukturgesellschaften gegründet, und wir müssen in die operative Umset­zung kommen. Der Bund, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird niemals an diesen Glasfasernetzen operativ arbeiten, sondern der Bund wird die Rahmenbedingungen schaffen und wird die Förderkulisse zur Verfügung stellen.

Ein ganz großes Anliegen sind mir die Gemeinden. Ich erlebe es immer wieder: Dort, wo wir engagierte Gemeinderäte haben, dort, wo wir engagierte Bürgermeister haben, dort werden die Glasfasernetze gebaut, denn die kennen die Situation vor Ort am besten. Sie brauchen den Support auf Landesebene, sie brauchen die Förderkulisse des Bundes, sie brauchen die europäischen Rahmenbedingungen, dann, davon bin ich sehr überzeugt, werden wir bei diesem Thema gut vorwärtskommen. Es braucht eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Ich danke dem Rechnungshof noch einmal für den sehr professionellen Bericht, und ich freue mich auf eine gute Glasfaserzukunft in Österreich. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Kucher zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.24.14

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsiden­tin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die leuchtenden, strahlenden Augen des Kollegen Hanger bei diesem seinem Herzensthema gesehen hat, dann


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weiß man, dass dieser Rechnungshofbericht durchaus Wirkung entfaltet, dass wir die­ses Thema nicht nur sehr parteipolitisch diskutieren können, sondern dass wir gerade in dieser zentralen Frage die wichtigsten Anregungen herausgreifen sollten.

Es gibt eine Reihe von Empfehlungen, die bereits umgesetzt worden sind, es gibt noch einiges, wo wir ganz offen darüber diskutieren könnten, wie wir noch besser werden könnten.

Es ist jetzt, glaube ich, müßig, zu lange über die Vergangenheit zu reden. Kollege Hauser hat noch super irgendwie den Turnaround geschafft und gesagt, ganz so schlecht war es eh nicht. Ich könnte jetzt auch noch einige Anekdoten beitragen, aber ich glaube, wir könnten uns alle darauf einigen, dass das ein derart wichtiges Thema für Österreich ist, dass es den Leuten, die eine schnelle Internetversorgung brauchen, doch völlig egal ist, warum irgendetwas nicht funktioniert, sondern es geht darum, dass wir gemeinsam Lösungen finden, und dazu hat der Rechnungshof ein ganz tolles Werk vorgelegt. Ich glaube, das sollte unsere Anstrengung sein, die wir forcieren sollten, bis 2020 ist noch einiges zu tun. Man kann es sehr positiv sehen, dass Herr Minister Hofer gesagt hat, wir werden dieses Ziel jedenfalls erreichen, nämlich eine flächendeckende Breitbandversorgung in ganz Österreich, weil das in Wahrheit doch eine Frage der Gerechtigkeit ist. Egal ob man in der Stadt oder auf dem Land lebt, es geht um gleiche, faire Zukunftschancen. In einer digitalisierten Welt darf es kein Nachteil sein, auf dem Land zu leben.

Ein zentraler Punkt, den ich neben dem Infrastrukturbereich, den Kollege Hanger ge­rade angesprochen hat, noch anführen möchte, ist ein Aspekt, den der Rechnungshof zusätzlich genannt hat, nämlich die Frage des Nutzens. Ich glaube, dass das zusätz­lich im Bereich der Förderungen ganz zentral ist. Man kann es vereinfacht darstellen: Für ganz normale Anwendungen, etwa das Schreiben von ein paar E-Mails, wird man nicht unbedingt einen Breitbandanschluss brauchen, wenn es aber um Videostreaming geht, wenn es um Videos geht, die man sich ansehen kann, wenn es um Apps geht, die das Ganze auch nutzen, dann hat man aus Sicht der Konsumentinnen und Konsu­menten einen Nutzen, und da gibt es auch Geschäftsmodelle für die Telekommunika­tionsanbieter.

Ich glaube, deswegen ist sozusagen die Förderung auch im Bereich des Nutzens ganz zentral; der Rechnungshof hat darauf wirklich gut hingewiesen. Umso wichtiger wäre es, dass wir zum Beispiel gerade im Bereich der Start-up-Förderung für unsere Unter­nehmen vor Ort mehr tun, die KMUs mehr unterstützen. In diesem Bereich ist, glaube ich, noch einiges zu tun.

In Richtung Kollegin Cox möchte ich noch sagen: Ja, das ist uns allen ein Herzens­thema, es ist ganz wichtig, dass wir da dranbleiben. Machen wir das, was wir in diesem Lernprozess Breitbandoffensive eigentlich schon in den letzten Jahren gemacht haben: das, was gut funktioniert, weiter aufnehmen, noch besser machen und das, was nicht funktioniert, so schnell wie möglich beheben! Dann sind wir alle gemeinsam auf dem richtigen Weg. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von JETZT.)

19.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.26.57

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Rech­nungshofpräsidentin! Hohes Haus! Die Rechnungshofberichte zeigen wieder einmal, wie wichtig es ist, dass der Rechnungshof die Gebarung prüft, und ich komme auch gleich auf den Prüfbericht hinsichtlich der Bundesanstalt für Verkehr zu sprechen.


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Leider Gottes, Frau Vorsitzende und Kollegin Dr. Griss, muss ich Ihnen sagen: Es ist zwar schön, wenn Sie hier vom Rednerpult aus das wiedergeben, was Ihnen Bundes­minister Hofer im Ausschuss geantwortet hat, aber es wäre auch wichtig gewesen, dass Sie sich hier hergestellt und den damals zuständigen Bundesminister, nämlich Bundesminister außer Dienst Jörg Leichtfried, gefragt hätten. Er hätte vielleicht besser Auskunft geben können. Er hätte vielleicht, wenn er jetzt noch im Saal wäre und den Saal nicht verlassen hätte, Auskunft geben können. Während Ihrer Ausführungen war Kollege Leichtfried noch da, jetzt interessiert ihn das genauso wenig, wie es ihn als Bundesminister interessiert hat. Ihn hätten Sie sehr gut fragen können, warum eine untergeordnete Dienststelle des BMVIT, nämlich deren Leiter, schalten – wie Sie das genannt haben – und walten konnte, wie er wollte. Darauf hätte Ihnen Kollege Leicht­fried vielleicht antworten können, weil er damals die politische Verantwortung hatte, in dieser aber versagt hat. Das wäre jetzt interessant. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es wäre auch schön, wenn sich Herr Bundesminister außer Dienst Leichtfried der Dis­kussion über diesen Bericht stellen würde und jetzt im Saal wäre. Für mich wäre das ein Zeichen tätiger Reue dafür, dass er hier, nämlich genau hier, nicht die politische Verantwortung übernommen hat und sie auch heute nicht übernimmt, weil er nicht ein­mal während der Debatte zu diesem Bericht, in der es eigentlich nur um ihn geht, hier im Saal ist, weil er sich dieser Debatte nicht stellt und sich auch nicht in die Rednerliste eintragen lässt. Vielleicht könnte uns Bundesminister außer Dienst Leichtfried, der, wenn er hier am Rednerpult steht, immer alles so genau weiß, erklären, wo die fast 350 000 Euro, die ohne Leistung abgerechnet wurden, hingekommen sind. (Abg. Plessl: Er prüft die Angelegenheit!) Es gab keine Leistung, und ich muss ehrlich sa­gen, es wäre interessant, was Bundesminister außer Dienst Leichtfried dazu zu sagen hat. Das wäre auch wichtig.

Man könnte dann auch sagen, okay, er hat diese Bundesanstalt für Verkehr am 31. Juli 2017 aufgelöst, es tut ihm wirklich leid. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Aber am 1. Au­gust 2017 – weil sich Kollege Plessl jetzt so freut – wurde im Ministerium die Sicher­heitsuntersuchungsstelle des Bundes eingerichtet, und – wie wir von Bundesminister Hofer im Ausschuss auch erfahren haben und was auch interessant war – die jetzige Regierung weiß nicht, wie die Unfallprüfberichte aufgearbeitet werden sollen, weil da ebenfalls nichts passiert ist.

Es wurde überall abgerechnet, es wurden überall Leiter eingesetzt, die nichts getan haben, die die Unfallberichte trotz der gesetzlichen Verpflichtung dazu nicht einmal ver­öffentlicht haben. Diese müssen jetzt in einem Sammelbericht von der neuen Bundes­regierung nachträglich veröffentlicht werden. – Nur dass man sieht, wie die Sozialde­mokraten hier gearbeitet haben, und dann stellen sie sich nicht einmal der Verantwor­tung. Die erste Reihe (auf die leeren Sitzplätze aufseiten der SPÖ weisend) ist nahezu leer, weil es unangenehm ist (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil es unangenehm ist, wenn man politisch - - (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Na da seid ja ihr in der Ziehung, das war ja euer Versagen! Das sind ja eure Berichte, das ist ja bitte euer Versagen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und dann nicht auf die anderen zeigen! Nur auf die anderen zu zeigen, das ist zu wenig. (Abg. Loacker: Ja, auf die anderen zeigen ist zu wenig, Kollege! Genau!) Ermu­tigt den Bundesminister außer Dienst Leichtfried, dass er hierher ans Rednerpult tritt und uns erklärt, wo das Steuergeld hingekommen ist! Denn Leistungen abrechnen und keine Leistungen erbringen - - (Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Ja, wenn das alles so in Ordnung wäre, warum sind dann die Staatsanwaltschaften damit beschäftigt? Warum? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Weil der Leichtfried nichts macht, macht der Hofer auch nichts! Das sagen Sie!) – Das ist ja nicht wahr. Das ist deine Interpretation, denn du würdest am liebsten überall drüberfahren. Hofer hat im


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Ausschuss erklärt, warum er bei den ÖBB nichts macht. Kollege Knes hat auch erklärt, warum da nichts gemacht wird: weil das auslaufend ist. Das ist keine Problematik. Aber das ist eine Problematik, dass Leichtfried damals seine politische Verantwortung nicht wahrgenommen hat. Dadurch fehlen dem Staat 350 000 Euro. – Das ist es.

Im Zusammenhang mit den Pensionen ist zu sagen: Das ist auslaufend, das wird sich von selbst regulieren, denn das wurde schon geregelt. (Ruf bei den NEOS: ... 2030!)

Wir wären froh, wenn Kollege Leichtfried jetzt hier wäre und uns erklären könnte, wo die 350 000 Euro hingekommen sind. Oder ist das für euch NEOS nichts? Wahrschein­lich ist das für euch NEOS nichts, weil - - (Abg. Schellhorn: Nein, wir fangen erst bei 4 Millionen an!) – Ja, das ist es. (Abg. Plessl: Die Finanzprokuratur prüft noch!)

Das ist ja eigentlich das Verräterische: Dinge in einem Betrieb, ÖBB, die auslaufend sind, die sich erledigen, was auch von Bundesminister Hofer gelobt wurde, die sind euch wichtig, aber dass politische Verantwortungen von Ministern nicht wahrgenom­men werden, das ist euch vollkommen wurscht! Das ist es. Das ist euch völlig egal. Das richtet sich selbst, ein auslaufendes Modell immer wieder zum Thema zu machen und zu sagen, der jetzige Minister macht auch nichts. Er hat es im Ausschuss erklärt, fragt die Kollegin Griss, die wird das wissen, die kann euch erklären, dass er gesagt hat, das erledigt sich von selbst! Aber hier Bundesminister außer Dienst Leichtfried zu fragen, wo das Geld hingekommen ist, das schafft ihr nicht, dazu seid ihr anscheinend zu feige! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Rädler: Klare Worte!)

19.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lettenbichler. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.33.14

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich jetzt einem Bericht des Rechnungshofes zuwenden, der sich mit der zivilen Flugsicherheit auseinander­setzt. Ich darf vorab einmal allen MitarbeiterInnen der Austro Control für ihre verant­wortungsvolle Tätigkeit, die sie tagtäglich ausüben, herzlich gratulieren. Wir haben es schon gehört, es sind bis zu 4 000 zivile Luftfahrzeuge im österreichischen Luftraum unterwegs, die beim Start sicher in die Luft gebracht, dann sicher geleitet und sicher zur Landung gebracht werden müssen. Im Jahr sind das rund 1,17 Millionen Flugbewe­gungen, die da abgewickelt werden müssen. Das ist eine verantwortungsvolle Aufga­be, und diesen Damen und Herren soll einmal mit einem Applaus, geschätzte Kollegin­nen und Kollegen, für ihre Tätigkeit gratuliert werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Rechnungshof überprüfte den Zeitraum von 2011 bis 2015, was relativ lang ist. Der Bericht wurde dann im Jahre 2016 veröffentlicht, und wir befassen uns heute da­mit. Insgesamt wurden 32 Empfehlungen ausgesprochen, wovon aber mehr als die Hälfte den Personalbereich betrifft.

Kurzum kann man feststellen, dass die Austro Control im europäischen Vergleich zu einer der effektivsten und produktivsten Flugsicherungsorganisationen, aber leider auch zu einer der relativ teureren zählt. Das ist darauf zurückzuführen, dass aufgrund der finanziellen Lage das Sozialkapital rund zwei Drittel der Bilanz der Austro Control aus­machte; das Sozialkapital setzt sich hier vornehmlich aus den Rückstellungen für Pen­sionen und Abfertigungen zusammen. Der Rechnungshofbericht besagt – das ist in un­serem Rechnungshofausschuss klar zum Ausdruck gebracht worden –, dass die jet­zige Geschäftsführung, die man ja auch als sehr bemüht und engagiert bezeichnen kann, etwas nicht sehr Einfaches geerbt hat. Nach der Ausgliederung damals im Jahr 1994 gab es verschiedene KVs: KV 1, bei dem man, wenn man das hier so sagen darf, ein wenig unter den finanziellen Gebarungen leidet, und einen KV 2, der geschaf-


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fen wurde, um das in ordnungsgemäße Bahnen zu führen. Die Frau Rechnungshofprä­sidentin, aber auch wir haben angeregt, dass es einen KV 3 geben sollte – diesbezüg­lich gibt es auch Vorbereitungen und Gespräche –, damit man das auf eine normale Ebene zurückführen kann.

Ein Punkt, den ich nun ansprechen möchte, ist die Frage der Wetterdienste. Wir haben in Österreich im Gegensatz zu anderen in Größe und Aufgabenbereich vergleichbaren Staaten nach wie vor drei Wetterdienste, nämlich die Austro Control, die ZAMG sowie den militärischen Wetterdienst. Es gibt zwar eine Kooperationsvereinbarung, wodurch in den vergangenen Jahren Einsparungspotenziale gehoben wurden – in etwa 25 Pro­zent –, doch nach wie vor fehlt hier ein quantifiziertes Einsparungspotenzial. Ein zeitli­cher Umsetzungshorizont ist ebenfalls nicht gegeben. Ich sehe da ebenso wie der Herr Minister, aber auch die Frau Rechnungshofpräsidentin nach wie vor Einsparungspoten­ziale, und zwar nicht nur in diesem Punkt, sondern auch bei vielen anderen sollten wir dahinter sein.

Eine abschließende Frage, Frau Präsidentin, bitte ich Sie zu beantworten: Welche der 32 Empfehlungen, die in diesem Bericht ausgesprochen wurden, befinden sich in der Umsetzung? – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.37.10

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz zur Bundesanstalt für Verkehr Stellung nehmen, denn die Wahrung der Verkehrssicherheit ist ja eine sehr wichtige staatliche Aufgabe, und sie ist natürlich nicht so wahrnehmbar wie die Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung durch die Exekutive. Sie erinnern sich sicher an die Ostöffnung mit den rollenden Lkw-Bomben, die sehr viel Schadstoff ausgestoßen haben, oder an tragische Busunglücke. Da wird uns immer sehr schnell bewusst, wie wichtig die technische Verkehrssicherheit ist.

Im Bereich der Bundesanstalt für Verkehr hat die Auslagerung an private Dienstleister nicht funktioniert. Der Rechnungshof hat sogar vermutet, dass da strafrechtlich rele­vante Tatbestände vorliegen, und daraufhin – und das muss ich hier klarstellen – hat ein entschiedenes Durchgreifen von Minister Leichtfried stattgefunden. Der Prüfungs­zeitraum des Rechnungshofes war von Jänner bis Mai 2017, und im Juni 2017 hat der Verkehrsminister diese Bundesanstalt aufgelöst. (Abg. Lausch spricht mit Abg. Bösch.) – Er hört nicht zu, der Kollege Lausch. (Abg. Lausch: O ja! Wenn es wichtig ist, höre ich gerne zu!) Ja, es ist eine Richtigstellung!

Der Minister hat sofort reagiert, hat diese Anstalt aufgelöst. Sie ist neu als Sicherheits­untersuchungsstelle dem BMVIT unterstellt worden, der ehemalige Leiter ist suspen­diert worden, und es sind Verfahren gegen drei Beschuldigte (Abg. Lausch: Wo war Bundesminister Leichtfried? Die politische Verantwortung hat doch der Leichtfried!) auch bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht worden, die bis jetzt laufen und noch nicht abgeschlossen sind. Nach Bekanntwerden der Berichte – und das möchte ich noch einmal sagen: geprüft worden ist von Jänner bis Mai –, nach Bekannt­werden dieser Vorwürfe hat der Minister diese Bundesanstalt für Verkehr sofort auf­gelöst. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Sache. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Rechnungshof hat natürlich auch verlangt, dass die Schadenersatzansprüche gel­tend gemacht werden, und der Minister hat im Ausschuss gesagt, es prüfe noch die Fi­nanzprokuratur, aber er werde sich natürlich auch dafür einsetzen, dass das dann, wenn die Prüfung abgeschlossen ist, gemacht wird.


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Die Anforderungen an die Verkehrssicherheit werden immer größer und nicht kleiner. (Abg. Lausch: Prüfberichte fehlen!) – Ja, ich rede jetzt über die Verkehrssicherheit und die Erwartung der Menschen, und ich glaube, darüber muss man auch reden. Und die Erwartung der Menschen hinsichtlich der Verkehrssicherheit sind, dass die Produkte, die auf dem Markt sind, sicher sind und dass es eine Unterstützung durch den Staat gibt.

Beim Dieselskandal – das habe ich auch im Ausschuss gesagt – ist das eine ganz schwierige Sache, denn da haben die Versprechungen des Konzerns natürlich nicht der Realität entsprochen. Da hat der Staat die wichtige Aufgabe, die Menschen zu un­terstützen und sie nicht alleine zu lassen; sie ziehen in dieser Frage zum Teil allein vor die Gerichte.

Es hat ja im September ein wichtiges Urteil gegeben: Einer Fahrzeugbesitzerin steht für ihren Golf, den sie im Jahr 2012 gekauft hat und für den sie 26 500 Euro bezahlt hat, laut Gerichtsurteil Schadenersatz in der Höhe von 29 000 Euro zu. Das ist ein wirklich tolles Urteil, es richtet sich gegen den Händler, nicht gegen die Verursacher, die Konzerne. Und da müsste, meine ich, der Minister etwas selbstbewusster sein und dieses Urteil aufgreifen. Er sollte sich da nicht fürchten und die betroffenen Fahrzeug­halter unterstützen, bevor die entsprechenden Ansprüche verjähren, was ja laufend pas­siert. Ich denke, wir müssen den Minister auffordern, das auch zu tun. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Lintl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.41.48

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich beziehe mich auf den Bericht des Rechnungshofes zur Austro Control. Wie Kollege Lettenbichler schon ge­sagt hat, ist das eine wirtschaftlich erfolgreich arbeitende und auch sehr produktive Be­hörde. Die Austro Control beschäftigt mehr als 1 000 Beamte, arbeitet sehr präzise und ist für unser aller Sicherheit zuständig.

Kritisch gesehen hat der Rechnungshof allerdings die Ausgestaltung der Kollektivver­träge, insbesondere der erste Kollektivvertrag von 1994 lag deutlich über der Besol­dung der Bundesbediensteten. Aus historischen Gründen gibt es einen weiteren Kol­lektivvertrag aus 1997, und beide laufen parallel.

Der Vorstandsdirektor der Austro Control, Herr Dr. Heinz Sommerbauer, war zu uns in den Rechnungshofausschuss eingeladen, und er hat betont, dass die Eckpunkte eines neuen Kollektivvertrages bereits ausverhandelt sind und dass der nächste Schritt ist, dass er mit der Gewerkschaft verhandelt wird. Er berichtete auch, dass die vom Rech­nungshof geforderten Einsparungen im administrativen Bereich bereits durchgeführt werden.

Ein weiteres Einsparungspotenzial liegt in der verbesserten Zusammenarbeit der drei Wetterdienste, nämlich des Wetterdienstes der Austro Control, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und des militärischen Wetterdienstes des Bundeshee­res. Verkehrsminister Norbert Hofer hat im Ausschuss angekündigt, dass die Zusam­menarbeit intensiviert wird, und hat auch schon eine Arbeitsgruppe dafür eingerichtet.

Eine eher neue Herausforderung ist, dass in nächster Zeit mit einer deutlichen Steige­rung von Drohnenflügen zu rechnen ist. Daher wird künftig ein viel höherer Personal­aufwand notwendig sein, um die Wartezeiten für Drohnenfluggenehmigungen weiter zu verkürzen, denn derzeit sind nur zwei Beamte dafür zuständig. Es ist also notwendig,


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da aufzustocken. Betriebsbewilligungen und Zertifizierungen von Drohnen sind zusätz­lich notwendig. Die Austro Control führt daher mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie derzeit Gespräche über ein Entgelt für die Wahrnehmung dieser Aufsichts- und Kontrollpflichten. Es wird dazu eine Novelle zur Austro Control-Gebührenverordnung geben.

Insgesamt lässt sich sagen, dass sowohl Bundesminister Norbert Hofer als auch die Austro Control die Empfehlungen des Rechnungshofes sehr ernst nehmen und gewis­senhaft in der Umsetzung sind. Damit wird sichergestellt, dass die Austro Control die Flugsicherung in Österreich auch in Zukunft mit höchster Qualität wahrnehmen wird. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hörl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.45.14

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Rechnungshof­präsidentin! Wir behandeln heute vier zentrale Kapitel aus Verkehrsbereichen: das Pensionsrecht der ÖBB-Bediensteten, auch der Beamten, die Österreichische Breit­bandstrategie 2020, die Bundesanstalt für Verkehr, das wurde schon öfter erwähnt, und die zivile Flugsicherung.

Alle diese Berichte stammen aus den Jahren 2016 und 2017, sie befassen sich eigent­lich mit der Ministerzeit des Herrn Klug, der im Jahr 2016 vier Monate lang Verkehrs­minister war, und des Herrn Leichtfried. Keiner von ihnen ist hier, es fehlt auch Frau Bures, es fehlt Herr Stöger, und Herr Faymann ist ja Gott sei Dank nicht mehr hier. Aber Sie müssen sich schon sagen lassen, dass das alles Minister Ihrer Regierung wa­ren und dass das durchgehend seit 2007 in Ihrem Verantwortungsbereich war.

Ich spreche hier die Bundesanstalt für Verkehr an – ich möchte darauf nicht eingehen – und das, was sich dort abgespielt hat. Diesbezüglich ist nicht einmal der Minister schuldig, aber man kann nicht glauben, dass es in diesem Ministerium überhaupt zu solchen Zuständen kommen kann. Man war beim Hubschrauberunfall am Achensee nicht einmal in der Lage, einen anständigen Unfallbericht zu verfassen. Der Bericht musste weggeschmissen und ein neuer angefordert werden. Und in diesem Bericht ist zu lesen, dass eigene Beamte als Sachverständige privat bezahlt wurden, dass Geld verschwendet wurde, 400 000 Euro. Dass so etwas in einem großen Ministerium pas­siert, sollte uns wieder zeigen – und das sollte allen klar sein –, dass wir hier genauer hinschauen müssen, und zwar in allen Ministerien. Und diese Verantwortung tragen Sie.

Weil die Austro Control hier so gelobt wird: Ich sehe es schon sehr, sehr kritisch, dass die Piloten der Austro Control nach wie vor für die AUA und für andere Fluggesell­schaften, auch für Hubschrauber-Flugunternehmen, fliegen. Ich darf Sie daran erin­nern, dass es auch am Großglockner einen schweren Unfall mit drei Toten gegeben hat, wo die Maschine von einem Prüforgan der Austro Control geflogen wurde. Also das sehe ich schon sehr kritisch. Das wäre ungefähr so, als würde der Getränkesteu­erprüfer bei mir Bier ausschenken und dann vielleicht kassieren. Das sehe ich sehr, sehr kritisch.

Und bei den Österreichischen Bundesbahnen – da können Sie sich aufregen, wie Sie wollen, Herr Knes – stimmt halt noch immer nicht alles. Im Jahr 2014 betrug das durch­schnittliche Pensionsantrittsalter 52,5 Jahre, im Jahr 2016 war es bei 56 Jahren. (Zwi­schenruf des Abg. Knes.) Wenn Sie, Herr Knes, dann hier von altersbedingten Pensio­nen sprechen, muss ich Sie fragen: Wissen Sie, wie viele ÖBB-Bedienstete im Jahr 2016 mit 61 Jahren in Pension gegangen sind? – 186, ein paar Hanseln, der Rest ging frü­her in Pension. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Frau Rechnungshofpräsidentin, eines möchte ich schon anregen: dass zu diesem The­ma bei den Österreichischen Bundesbahnen laufend Prüfungen gemacht werden, denn wenn man Ihre Berichte anschaut, so sieht man, dass die Empfehlungen einfach nicht umgesetzt worden sind, und das kostet den Staat viel Geld. (Abg. Loacker: Der Hofer hat gesagt, er ...!) Deshalb würde ich vorschlagen, dass wir dort laufend kontrollieren. Das ist nämlich das, was Sie in der Privatwirtschaft auch machen – die Kollegen von den NEOS müssten das ja auch wissen, Herr Loacker –: Was machen Sie, wenn Sie in der Privatwirtschaft ein Problem haben? – Sie holen sich einen Prüfer und der beob­achtet das die ganze Zeit.

Ich kann nur sagen: genauer hinschauen, dauernd hinschauen, und im Übrigen die Empfehlungen des Rechnungshofes bitte befolgen, das schont die Staatskassa und verhilft zu mehr Gerechtigkeit, und das wollen wir alle. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Koll­ross. – Bitte.


19.48.26

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Gale­rie und vor den Fernsehschirmen! Herr Kollege Hörl, nur eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen, denn ich wollte eigentlich zu einem ganz anderen Thema etwas sagen: Ich weiß nicht, ob in Ihrem Betrieb „Hanseln“ arbeiten, aber ich bin der Meinung, dass in einem staatsnahen Betrieb Menschen arbeiten und keine Hanseln. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich wollte eigentlich zum Thema Breitbandstrategie (Abg. Zarits: Überstunden!) etwas sagen, weil ich glaube, dass wir da – und das hat auch die durchaus sachliche Diskus­sion heute hier im Hohen Haus gezeigt und auch schon die vorhergegangene im Rech­nungshofausschuss – über die Parteigrenzen hinweg im Wesentlichen einer Meinung sind, nämlich dass das eine der zentralsten Fragen in der Entwicklung unseres Landes ist. Deshalb ist es, glaube ich, umso wichtiger, dass wir darüber einen Rechnungshof­bericht vorliegen haben und dass wir uns auf Basis dieses Berichtes den Status anse­hen können, schauen können, wo wir diese Strategie betreffend stehen. Die Regie­rungsfraktionen haben ja Gott sei Dank und dankenswerterweise die Breitbandstrate­gie der vormaligen Bundesregierung übernommen. Ich glaube, dass das eine richtige Entscheidung war, dass wir hier gemeinsam versuchen, das weiter voranzutreiben. Deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass man sich diesen Bericht genau anschaut, wo wir stehen und wo man möglicherweise ein Stück nachschärfen muss.

Ich möchte nur aufgrund dessen, dass ich Bürgermeister bin, zwei Punkte herausstrei­chen (Zwischenruf des Abg. Rädler), die vor allen Dingen auch für das Bundesland wichtig sind, aus dem ich komme:

Der erste Punkt ist, dass der Bericht aufzeigt, dass wir uns die nächsten Jahre ein Stück stärker mit dem ländlichen Raum beschäftigen müssen, dass es da betreffend Breitbandausbau Aufholbedarf gibt. Ich denke, dass es vor allen Dingen ganz wichtig ist, dass wir versuchen, auch im ländlichen Raum den Breitbandausbau stärker voran­zutreiben. Wir alle wissen, dass Breitband eine Frage der Infrastruktur ist und dass viele Dinge im ländlichen Raum bereits verloren gegangen sind, und wenn wir die Landflucht, in welcher Form auch immer, aufhalten wollen, dann wird es wichtig sein, ein leistungsfähiges Breitband auch in den ländlichen Raum zu bekommen.

Der zweite Punkt, den ich noch ganz kurz ansprechen möchte, und der mag bundes­landspezifisch unterschiedlich sein, ist die Frage der Leerverrohrung. Ich bin in der


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Kleinregion Ebreichsdorf mit neun anderen Bürgermeistern unterschiedlicher politi­scher Couleurs tätig, und wir haben versucht, für unsere Region die Leerverrohrung mit der Nögig, mit der Gesellschaft, die vom Land Niederösterreich gegründet wurde, vo­ranzutreiben. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es war teilweise ein Spießrutenlauf. Des­halb, glaube ich, ist es wichtig – und das geht auch aus diesem Bericht hervor –, dass man den Fokus vor allen Dingen auf den Ausbau im ländlichen Bereich und auf die Leer­verrohrung legt.

Zum Abschluss: Ich glaube, das ist ganz wichtig, und ich würde mich freuen, wenn sich das Parlament, ein Ausschuss oder was auch immer damit beschäftigen, und wir uns nächstes Jahr, vielleicht nach dem Sommer, noch einmal einen neuen Statusbericht ansehen, damit wir wirklich wissen, wo wir jetzt in der Breitbandstrategie 2020 stehen und wo es noch verstärkte Maßnahmen geben muss, damit das ganze Land mit Breit­band ausgestattet wird. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Loacker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.52.13

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Sehr geehrte Damen Präsidentinnen! Hohes Haus! Es sind ein paar Dinge gesagt worden, die nicht zusammenpassen.

Kollegin Lintl hat gesagt: Bundesminister Hofer nimmt die Rechnungshofempfehlungen sehr ernst. Wir haben gehört, dass Minister Hofer im Ausschuss gesagt hat, bei den ÖBB-Beamten werde er keine Anpassung vornehmen, um kein Ungleichgewicht zu schaffen.

Der Rechnungshof empfiehlt aber, das Beamtenpensionsrecht für die ÖBB-Beamten an jenes der Bundesbeamten anzugleichen. Das macht der Minister, Kollegin Lintl, aber nicht, und Kollege Lausch sagt: Das hätte der Leichtfried machen müssen, und der hat es nicht gemacht! (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Daraus wird abgeleitet: Weil es der Leichtfried nicht gemacht hat, macht es der Hofer jetzt auch nicht. Dafür hätten wir keine neue Bundesregierung gebraucht, dafür, dass nichts gemacht wird, das war vorher schon so. (Zwischenrufe der Abgeordneten Rädler und Noll.)

Es ist ja so, dass das eine Auslaufregelung ist (Abg. Lausch: Richtig!), das gibt es nur noch bis 2030. Dann gehen die 2030 in Pension und haben – ich wünsche es ihnen – natürlich noch 30 Jahre Lebenserwartung, dann sind wir bei 2060. Jetzt haben die aber eine Gattin, die ist fünf Jahre jünger und hat fünf Jahre mehr Lebenserwartung, dann sind wir bei 2070. Bereits Herr Hundstorfer hat zu mir gesagt: Regen Sie sich nicht wegen 40, 50 Jahren Übergangsfrist auf! – Ich rege mich auf! (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS sowie Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Haubner: Nein, nicht aufregen!)

Das kann man so nicht stehen lassen, und da ist mir auch wurscht, wenn Sie der Mei­nung sind, Ex-Minister Leichtfried wäre schuld. Jetzt ist Hofer am Zug, dann soll er ein­mal liefern. Im Ankündigen ist diese Regierung super, im Liefern ist sie leider ziemlich mau. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

19.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Rechnungshof­präsidentin Dr. Kraker. – Bitte, Frau Präsidentin.


19.53.58

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen sehr herzlich dafür bedan-


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ken, dass Sie sich so intensiv mit den Berichten des Rechnungshofes befassen. Es stehen ja vier Berichte auf der Tagesordnung, die das Verkehrsressort betreffen, die wir zuletzt im Rechnungshofausschuss behandelt haben. Ich erlaube mir auch noch einmal, kurz auf die Berichte einzugehen, weil es ja doch unsere Berichte sind.

Im Bereich der zivilen Flugsicherung haben wir die Austro Control mit anderen europäi­schen Flugsicherungsorganisationen verglichen und haben festgestellt: Die Austro Control ist eine produktive Flugsicherungsorganisation, aber im Vergleich auch etwas teurer.

Sie hat die Aufgabe, für einen sicheren Ablauf des Flugverkehrs zu sorgen. Wesentli­ches Qualitätsmerkmal ist etwa die Zahl der Verspätungen, und da liegt die Austro Control besser als der europäische Schnitt. Sie ist aber bei den Personalkosten teu­rer – auch in der Fluglotsenstunde – und liegt an elfter Stelle der europäischen Flugsi­cherungsorganisationen.

Die bedeutendsten Einnahmequellen sind die Überfluggebühren und die An- und Ab­fluggebühren. Im Jahr 2015 gab es ein besseres Ergebnis, das Ergebnis wurde auf­grund eines Sondereffekts verdoppelt – weil der ukrainische Luftraum gesperrt wurde. Deshalb waren das Ergebnis und die Einnahmen besser.

Es gibt jedoch ein Aber bei der Austro Control, und das ist der hohe Anteil des So­zialkapitals, die hohen Rückstellungen und Abfertigungen für Pensionen, die zwei Drit­tel ausmachten. Das sind natürlich Summen, die man sich verdienen muss und die zu­künftig einen hohen Liquiditätsbedarf nach sich ziehen.

Die Austro Control wurde, wie Sie wissen, 1994 ausgegliedert. Sie beschäftigt mehr als 1 000 Bedienstete, darunter 336 Fluglotsinnen und Fluglotsen. Der Rechnungshof hat bemängelt, dass eine Eigentümerstrategie zur Senkung des Personalaufwandes bezie­hungsweise zur Entwicklung der Gestaltung der Gehälter gefehlt hat. Wir haben fest­gestellt, dass die Gehälter des aktiven Personals in der Austro Control deutlich höher waren als vergleichsweise im Bundesdienst. Sie haben sich, seit es eine Kollektivver­tragsfähigkeit gibt, dynamischer entwickelt, und da meinen wir jetzt gar nicht die Flug­lotsen, sondern die Administrativkräfte, die Fachkräfte im technischen Bereich et ce­tera.

Es gab Leistungsprämien, es gab Belohnungen, die wir teilweise nicht nachvollziehen konnten. Daher ist der Rechnungshof der Meinung, man soll mit Maßnahmen dazu beitragen, dass es eine leistungs- und generationengerechtere Bezahlung gibt. Da gibt es eine Chance, wenn der dritte Kollektivvertrag verhandelt wird; da verstehen wir un­seren Bericht auch als Rückenwind für die Verhandlungen.

Detto ist es mit den Anpassungsprozessen hinsichtlich der Pensionsreformen. Diese wurden nicht nachgezogen, im Speziellen für Bedienstete, die dem alten Kollektivver­trag unterliegen. Auch da ist es notwendig, kostendämpfende Maßnahmen zu setzen. Gesetzliche Maßnahmen wurden im Ausschuss ausgeschlossen, es müssten aber ei­gentlich Maßnahmen wie 40-jährige Durchrechnung, Abschläge bei früherem Pen­sionsantritt, Pensionssicherungsbeiträge et cetera gesetzt werden.

Was die Umsetzung betrifft, findet gerade ein Nachfrageverfahren statt, und dies wer­den wir im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbericht für dieses Jahr auch veröffentli­chen.

Beim Thema Pensionen komme ich zum nächsten Bericht: Pensionsgebarung der ÖBB-Bediensteten. Da haben wir eine Follow-up-Überprüfung zu einem Prüfbericht, den der Rechnungshof 2015 veröffentlicht hat, gemacht. Ich betone, dass dieser Bericht jene Bundesbahnbeamten betraf, die bis 1996 aufgenommen wurden, weil die neueren Bediensteten ab 1996 dem ASVG unterliegen und nicht von diesem Bericht umfasst sind.


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Wir haben da auch Empfehlungen ausgesprochen, und wir haben festgestellt, dass die Nichtumsetzung der Empfehlungen das Ministerium betroffen hat. Es geht da um Vorschläge für Änderungen des Bundesbahn-Pensionsgesetzes. Diese sind nicht ge­kommen; die ÖBB setzten die an sie gerichtete Empfehlung um, das betraf das Thema der organisationsbedingten Ruhestandsversetzungen. Aufgrund dieser Nichtumset­zung hat sich das Einsparungspotenzial verringert. Die möglichen Einsparungen wer­den immer weniger, weil die Zeit natürlich fortschreitet, und sie belaufen sich jetzt auf 560 Millionen Euro.

Hauptkritikpunkt bei den ÖBB-Pensionen – bei den älteren Bahnbeamten – ist das niedrige Pensionsantrittsalter, nicht die Höhe der Pensionen. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter stieg auf 56 Jahre an, ist aber immer noch deutlich unter dem ge­setzlichen Pensionsantrittsalter. Das altersbedingte Pensionsantrittsalter ist auf etwas mehr als 60 Jahre gestiegen, krankheitsbedingt lag es aber immer noch bei 54,39 Jah­ren.

Wir haben damals auch empfohlen, dass man die Legistik für Bundesbeamte im Bun­desministerium für öffentlichen Dienst und Sport oder im Bundeskanzleramt zusam­menführt. Diese Empfehlung wurde noch nicht umgesetzt. Wir glauben, dass es da Pa­rallelitäten gibt und dass das zentral gemacht werden sollte.

Wir erkennen an, dass ein paar Maßnahmen gesetzt wurden, etwa keine organisa­tionsbedingten Ruhestandsversetzungen mehr. Die krankheitsbedingten Ruhestands­versetzungen waren leicht rückläufig, die altersbedingten sind etwas gestiegen. Alters­teilzeitmodelle werden vermehrt angenommen.

Zur Bundesanstalt für Verkehr: Das war eine Routineprüfung des Rechnungshofes, und wir mussten im Rahmen dieser Prüfung eine Reihe von gravierenden Problemen feststellen, die dort System hatten.

Da gab es zwei Aspekte: Für die Sicherheitsuntersuchungsstelle für Flugunfälle gibt es eine Pflicht zur Veröffentlichung von Untersuchungsberichten. Es gibt eine Frist für die Veröffentlichung, die wurde auch nicht eingehalten, und Anfang 2016 wurden 36 Unter­suchungen eingestellt. Es gibt natürlich auch eine gesetzliche und europarechtlich nor­mierte Unabhängigkeit der Sicherheitsuntersuchungsstelle. Da gab es Anhaltspunkte, dass diese durch eine unzulässige Weisung hätte unterlaufen werden können oder möglicherweise wurde.

Das zweite Thema war die Frage des Zukaufs externer Leistungen von Unternehmen. Diese machten im Zeitraum von 2006 bis 2016 immerhin ein Volumen von 24 Millionen Euro aus. Da gab es vergaberechtliche Probleme, Gesichtspunkte der Sparsamkeit wurden nicht ausreichend beachtet, und es gab Schlusszahlungen in Höhe von 348 000 Euro, wobei für uns die Gegenleistung nicht nachvollziehbar war.

Wir haben unser Prüfungsergebnis an die Staatsanwaltschaften weitergeleitet, damit allfällige Straftatbestände geklärt werden. Vonseiten des Ministeriums wurden nach un­serer Schlussbesprechung ebenfalls Maßnahmen eingeleitet.

Wir haben festgestellt, dass es eine Überdotierung der Bundesanstalt für Verkehr gab. Der Dienststellenleiter hatte praktisch die Befugnis, finanzielle Verpflichtungen nach oben hin unbegrenzt einzugehen. Weder die Geschäftsordnung noch die Revisionsord­nung des Ministeriums sahen irgendwelche Einschränkungen vor, und das ermöglichte einen großen Handlungsspielraum.

Die Bundesanstalt für Verkehr wurde mit 31.7.2017 aufgelöst. Die Sicherheitsuntersu­chungsstelle ist als nachgeordnete Dienststelle eingerichtet, die technische Unterwegs­kontrolle ist seit Mitte Juni 2015 bei der Asfinag, und wir erachten es für notwendig und zweckmäßig, dass sämtliche Probleme aufgearbeitet und Regressverfolgungen durch-


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geführt werden. (Abg. Lausch – in Richtung Abg. Leichtfried –: Kollege Leichtfried, hast das eh gehört? Regress! Aufarbeitung!)

Was die Breitbandstrategie betrifft, haben wir eine Prüfung gemacht, und ich bedanke mich dafür, dass dieser Bericht so intensiven und so großen Anklang gefunden hat. Ich denke, es handelt sich um ein relevantes Thema. Der Nationalrat hat in der Telekom­munikationsgesetz-Novelle auch schon zwei Empfehlungen aufgegriffen, eben die Da­ten zur Breitbandversorgung, die da zur Verfügung gestellt werden müssen. Mit dem Ausbau von Breitbandinternet in Gebieten, in denen es keine ausreichende Versor­gung gibt, war es natürlich Ziel, die digitale Kluft abzubauen. Neben dem Ausbau geht es vor allem darum, die Nutzung von schnellem Internet zu erhöhen. Im Regierungs­programm finden sich ambitionierte Ziele, die bis zu Gigabitanschlüssen bis 2025 rei­chen. Die Länder haben die Möglichkeiten, Top-up-Förderungen zu machen, An­schlussförderungen zu machen. Da halten wir es für wichtig, dass Koordinationspro­bleme ausgeräumt werden, dass die Transparenzdatenbank genutzt wird.

Wir merken, dass die Förderungen für die Gemeinden wichtig sind, und deshalb haben wir auch vorgeschlagen, dass die Möglichkeiten eines offenen Calls zu prüfen wären. Die Versorgung und die Nutzung im Endkundenfestnetzbereich liegen wie gesagt weit unter den technischen Möglichkeiten. Deshalb glauben wir, dass stärkere Anreize für die Nutzung geschaffen werden müssen, damit eben auch im ländlichen Raum eine entsprechende Stärkung durchgeführt wird.

Wir haben sehr frühzeitig geprüft, die Förderverfahren waren noch in einer Anfangs­phase, daher ist die Förderabwicklung noch nicht abschließend beurteilbar. Da das Thema so relevant ist, werden wir uns daher auch in Zukunft mit der Frage der Umset­zung der Breitbandstrategie auseinandersetzen und das weiterverfolgen. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

20.05

20.05.07


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Frau Präsidentin.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, daher schließe ich die Debatte.

Ist seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Pensionsrecht der Bediensteten der ÖBB; Follow-up-Überprüfung, III-138 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Angenommen.

Wir kommen gleich zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Österreichische Breitbandstrategie 2020, III-187 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Bundesanstalt für Verkehr, III-189 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Angenommen.


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Schließlich kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Zivile Flugsicherung, III-61 der Bei­lagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig. Angenommen.

20.06.5611. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Passagier- und Fahrgastrechte – Reihe BUND 2017/48 (III-48/343 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gewinnausschüttungen – Ziele und Vorgaben des Bundes – Reihe BUND 2017/21 (III-24/344 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Scanpoint GmbH – Reihe BUND 2018/55 (III-201/345 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Öffentliche Pädagogische Hochschulen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/50 (III-192/346 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichischer Verkehrssicherheitsfonds; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/42 (III-174/347 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen jetzt zu den Punkten 11 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. (Unruhe im Saal.) – Meine Damen und Herren, wir sind noch in einer Sitzung!

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. Bitte, Herr Abgeordneter.


20.07.50

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben in dieser Gesetzge­bungsperiode bisher elf Sitzungen des Rechnungshofausschusses abgewickelt und dabei viele, viele Berichte behandelt. Jetzt ist es möglich, da wir den Stau abgearbeitet haben – wir haben noch zwei Ausschusssitzungen bis Jahresende –, dass wir die Be­richte auch möglichst zeitnah behandeln können.

Ich möchte mich auch bei der Frau Vorsitzenden und bei der Frau Präsidentin dafür bedanken, dass es möglich ist, dass wir Berichte auch direkt in den Nationalrat bringen können. Ich darf nun zu zwei Berichten Stellung beziehen, die wir nicht im Ausschuss behandelt haben, sondern die wir heute hier direkt diskutieren.


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In einem Bericht geht es um die Österreichische Post AG beziehungsweise die Scan­point GmbH. Diese wurde im Juni und Juli 2017 überprüft. Das ist eine Tochterfirma der Post, und es geht dabei um die wirtschaftliche Lage dieses Unternehmens. Es ist eine 100-Prozent-Tochter der Post.

Worum geht es bei Scanpoint? – Es geht darum, dass man die Schriftstücke der Kun­den digital erfasst und dann digital und elektronisch an die Empfänger weiterleitet. Die­ses Unternehmen hat durchaus große strukturelle Probleme gehabt. Der Rechnungs­hof hat jetzt zwei Prüfungen durchgeführt, eine Follow-up-Überprüfung zusätzlich. Heu­te ist es aber so, dass es durch die Empfehlungen des Rechnungshofes gelungen ist, dass sich Scanpoint strukturell neu aufgestellt hat und erfolgreich wirtschaftet. In der Vergangenheit hat es ja Verluste gegeben, und nun ist es so, dass die Schlussempfeh­lungen in Punkt 15 natürlich ganz verstärkt Richtung Kostenmanagement ausgerichtet waren und die Produktionsabläufe haben verbessert werden können.

Der zweite Bericht behandelt eine Follow-up-Überprüfung im Bereich des Österreichi­schen Verkehrssicherheitsfonds. Worum geht es dabei? – Es geht darum, dass durch Wunschkennzeichen und spezifische Verkehrsstrafen 3 Millionen Euro eingenommen und diese wieder für Verkehrssicherheitsmaßnahmen verwendet werden. Es hat da zwölf Empfehlungen vom Rechnungshof gegeben.

Es hat aber auch – unerfreulich, glaube ich – eine Kampagne zum Thema Alkohol im Straßenverkehr gegeben. Es hat betreffend die Vergabe an eine der SPÖ nahestehen­de Agentur und die Durchführung dieser Kampagne durchaus grobe Mängel gegeben. Die Kampagne hat laut Rechnungshof den Kostenrahmen von 3,5 Millionen Euro um 1 Million Euro überschritten und die Schaltungskosten kamen auf über 1,35 Millio­nen Euro.

In der Zwischenzeit wurden die Empfehlungen umgesetzt. Bei der Follow-up-Überprü­fung wurden zehn Schlussempfehlungen ausgesprochen. So soll es zukünftig einen Leitfaden bei den Prüfungen geben, die Förderanträge sollen bewertet und zur Verfü­gung gestellt werden und die Definitionen betreffend Projektziele und Zielevaluierung sollen hinterfragt werden.

Insgesamt hat dieser Bericht einen Weg aufgezeigt, sodass wir heute wieder mehr Transparenz betreffend die Projekte zur Verkehrssicherheit haben. Somit werden auch die Gelder, die durch Wunschkennzeichen und diverse Verkehrsstrafen eingenommen werden, zielführend verwendet. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

20.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Plessl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.11.39

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte hier zum Bericht des Rechnungshofes 2017/48 betreffend Passa­gier- und Fahrgastrechte Stellung nehmen.

Die Prüfung erfolgte von April bis Mai 2016 und der Zeitraum der Überprüfung war 2011 bis 2015. Es geht um die nationale Durchsetzungsstelle in Österreich, welche die Sicherstellung der Passagier- und Fahrgastrechte gewährleistet – ein EU-Recht, das übernommen worden ist und von dem die Passagiere profitieren.

Bei der Überprüfung dieses Zeitraums haben wir festgestellt, dass Mitte 2015 eine Evaluierung vom BMVIT durchgeführt worden ist und dass alle Verkehrsbereiche – Flug, Bahn, Bus und Schiff – in eine umfassende Schlichtungsstelle eingeflossen sind,


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einen One-Stop-Shop für alle Betroffenen und eine wichtige Anlaufstelle für unsere Bürger.

Bei der Finanzierung dieser Agentur wurde aufgeworfen, dass 60 Prozent aus Bundes­mitteln und 40 Prozent aus Beiträgen der betroffenen Unternehmen vorgesehen sind. 2015 wurde dieses Vorhaben nicht eingehalten, und es wurde vom Rechnungshof darauf hingewiesen, die nächsten Jahre darauf zu schauen, dass dies umgesetzt wird. Dem wurde auch nachgekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte hier aber auch noch aktuelle Zah­len präsentieren, damit wir sehen, wie sich das Ganze in den letzten Jahren, von Mai 2015 bis 2018, erhöht hat. In diesem Zeitraum von fast drei Jahren wurden 10 611 Be­schwerden abgehandelt, 78 Prozent davon betrafen den Flugbereich, 20 Prozent den Bahn-, 1,8 Prozent den Bus- und der Rest den Schiffbereich. Im gleichen Zeitraum wurden 6 116 Schlichtungsverfahren abgeschlossen. Das ist, glaube ich, sehr wichtig, denn in 83 Prozent der Fälle konnte für die Reisenden ein positives Ergebnis erzielt werden. Die Reaktionszeit betrug meistens einen Tag und lag bei Weitem unter den möglichen 90, die vorgesehen sind.

Ich möchte mich recht herzlich bei den Bediensteten der Agentur, die hervorragende Arbeit für die Reisenden leisten, bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.14.23

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich rede über den Bericht zu den Passagier- und Fahrgastrechten. Nach Kollegen Plessl brauche ich mich im Wesentlichen nicht zu wiederholen und versuche, ein bisschen etwas Neues abzuliefern.

Ich darf, was diesen Bericht anbelangt, auch feststellen, dass er den Zeitraum 2011 bis 2015 betrifft und im Mai 2016 erstellt wurde. Es ist also wirklich ein alter Bericht, und wie Kollege Gahr richtigerweise festgestellt hat, arbeiten wir jetzt konsequent die alten Berichte ab, um zukünftig zeitnah und damit im Wesentlichen interessanter zu den Be­richten hier Stellung beziehen zu können. Es ist klar, über die Jahre 2011 bis 2015 zu berichten ist schwierig, da sich vieles geändert hat, viele Anregungen umgesetzt wur­den.

Deswegen beginne ich auch bei der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die im Jahr 2015 gegründet wurde – an sich zwei Jahre zu spät, das hat der Rechnungshof kritisiert. Sie hätte aufgrund einer europarechtlichen Regelung bereits im Jahr 2013 ge­gründet werden sollen; dies erfolgte dann im Jahr 2015. Es hat auch zwei Vertragsver­letzungsverfahren gegeben, die im Jahr 2015 eingestellt wurden, weil diese Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte gegründet wurde.

Die Finanzierung – wie schon erwähnt –: 60 Prozent Bund, 40 Prozent Beiträge der be­troffenen Unternehmer und auch eine Fallgebühr pro Fall in Höhe von 78 Euro. Zum Verständnis, das funktioniert folgendermaßen: Wenn ein Passagier, ein Gast ein Pro­blem mit irgendeinem Beförderungsinstitut, sei es Schiff, Bahn oder Flugzeug, hat, dann hat er sich zuerst an das betreffende Unternehmen zu wenden. Kommt er mit sei­ner Klage nicht weiter, ist die zweite Instanz die Agentur für Passagier- und Fahrgast­rechte, die sich dann um diesen Fall kümmert, und da ist eine Fallgebühr von 78 Euro zu bezahlen. Diese Fallgebühr hat unter anderem laut Bericht auch dazu beigetragen, dass die Unternehmen versuchen, die Fälle in der ersten Instanz weitestmöglich zu klären, um sich eben diese Fallgebühr zu ersparen.


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Zur Statistik vielleicht ein paar andere Zahlen: Im Jahr 2017 hat es in Summe 3 870 schrift­liche Beschwerden gegeben und 2 504 Verfahren wurden tatsächlich von der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte aufgegriffen. Wie hat sich das auf die unterschied­lichen Unternehmen verteilt? – Der Hauptanteil entfällt auf den Flugbereich: 1 887 Ver­fahren im Jahr 2017, im Bahnbereich 578 Verfahren, im Busverkehr lediglich 38 und im Schiffsverkehr ein einziges Verfahren. In Summe wurden mehr als 1 Million Euro für die Passagiere erstritten.

Im Jahr 2018 hat sich die Situation verschärft, man denke nur an die Abflughallen in diesem Sommer. Es wurden Flüge gecancelt, viele Flüge sind verspätet durchgeführt worden. Deswegen ist es an sich kein Wunder, dass im ersten Halbjahr 2018, von Jän­ner bis Juli, insgesamt bereits 1 942 Verfahren eröffnet wurden. Das ist ein Plus von sage und schreibe 45 Prozent gegenüber dem Jahr 2017, also exorbitant viel. Daran sieht man auch, dass diese Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die sich um die Interessen der Kunden kümmert, tatsächlich eine wichtige und wesentliche Einrichtung ist und auch war. (Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Bleiben wir beim Flugbereich: Wann wird überhaupt gezahlt? – Wenn ein Flug annul­liert wird oder mit mehr als 3 Stunden Verspätung angetreten wird, steht dem Konsu­menten europarechtlich eine Entschädigung zu.

Wie ist die Höhe der Entschädigung? – Wenn die Flugstrecke mehr als 1 500 Kilometer zählt, beträgt die Entschädigung 250 Euro pro Person, bei einer Flugstrecke zwischen 1 500 und 3 500 Kilometern sind es 400 Euro und bei über 3 500 Kilometern sind es immerhin 600 Euro. Die Zahlungsverpflichtung der Fluggesellschaften entfällt nur bei außergewöhnlichen Umständen und bei extremen Wettersituationen.

Unterm Strich bin ich als Politiker wahnsinnig froh, dass da Konsumentenrechte tat­sächlich wahrgenommen werden. Ich bedanke mich abschließend für den Bericht des Rechnungshofes, der in dieser Angelegenheit doch auch einiges in Bewegung ge­bracht hat. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Fichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.19.50

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Auch ich möchte kurz zum Bericht 2018/50 Stellung nehmen. Es ist ebenfalls eine Follow-up-Überprüfung der öffentlichen Pädagogischen Hochschule Tirol, die die Umsetzung der ausgewählten Empfehlungen der vorangegangenen Ge­barungsprüfung im Jahr 2014 beinhaltet.

Im Vorbericht aus dem Jahr 2014 hat der Rechnungshof ausgeführt, dass die Leh­rerausbildung an Pädagogischen Hochschulen und Universitäten durch Kooperationen erfolgen soll. Es waren rechtliche Grundlagen für gemeinsam eingerichtete Lehramts­studien notwendig. Es mussten Kooperationen vorausgehen, und diese wurden dann auch umgesetzt.

Folglich wurden Ausbildungsinstitutionen in sogenannten Verbundregionen organisiert, wie zum Beispiel die Pädagogische Hochschule Tirol, Vorarlberg, die private Kirchliche Pädagogische Hochschule Edith Stein, die Universität Innsbruck und die Universität Mozarteum Salzburg, die in der Verbundregion West kooperieren. So wurden alle Empfehlungen im Zusammenhang mit der Harmonisierung der künftigen Lehreraus­bildung, welche an das Ministerium beziehungsweise an die Pädagogische Hochschule Tirol gerichtet wurden, umgesetzt.

Umgesetzt wurde auch die Empfehlung in Bezug auf den Einsatz von Controllingins­trumenten, um eine optimale Ressourcenplanung und einen gezielten finanziellen Res-


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sourceneinsatz voranzutreiben. Auch die Empfehlung, keine Verwaltungsbediensteten, die mit dem Sondervertrag als Lehrperson ausgestattet werden, aufzunehmen, wurde umgesetzt.

Eine zentrale Forderung des Rechnungshofes bleibt aber noch immer aufrecht, näm­lich weitere Maßnahmen zum Ausbau der Verbundregionen und zur Vertiefung dieser Kooperationen zu setzen und eine Strategie im Bereich Gender Mainstreaming, um auf lange Sicht die Diversifizierung des Lehrberufes sicherzustellen, zu entwickeln. Man kann sagen, es ist eigentlich so gut wie alles erfüllt worden, außer dieser einen For­derung.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, es ist ganz wichtig, dass die Ausbildung unserer Kinder auch in Zukunft ein wichtiger Punkt bleibt. Genauso muss uns auch die bestmögliche Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen wichtig sein. Danke an alle für den täglichen Einsatz, für das Engagement und für das Feingefühl, das sie in diesem Beruf tagtäglich aufbringen müssen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der FPÖ.)

20.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Preiner. – Bitte schön.


20.23.13

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer hier auf der Galerie und vor den Fernsehapparaten! Der Rechnungshof überprüfte in Form einer Follow-up-Überprüfung im November und Dezember des vergangenen Jahres die Umsetzung von entsprechenden Empfehlungen, die an das Bildungsministerium einerseits, ande­rerseits an die Pädagogische Hochschule Tirol gerichtet gewesen sind – dies aufgrund einer vorangegangenen Gebarungsprüfung bereits im Jahr 2013 zum Themenbereich Öffentlichkeit der Pädagogischen Hochschule Tirol. Der Prüfungszeitraum umfasste die Studienjahre 2007/2008 bis 2011/2012.

In der ursprünglichen Gebarungsprüfung stellte der Rechnungshof 23 Empfehlungen fest, die natürlich auch an das Bildungsministerium einerseits, andererseits an die Pä­dagogische Hochschule Tirol gerichtet wurden. In der Follow-up-Überprüfung – wie von mir vorhin bereits erwähnt – im November/Dezember des vergangenen Jahres wurde festgehalten, dass von diesen 23 Empfehlungen bereits 13 voll und ganz umgesetzt wurden, neun Empfehlungen teilweise umgesetzt wurden, eine aber nicht.

Ich denke, das ist ein sehr hoher Umsetzungswert, und möchte uns in Erinnerung ru­fen, dass in dieser Zeit die SPÖ-Bildungs- und Unterrichtsminister die Verantwortung dafür gehabt haben, ich bedanke mich daher explizit bei ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren! Zur Umsetzung kam die Harmonisierung der pädago­gischen Ausbildung durch Kooperationen von Pädagogischen Hochschulen und Uni­versitäten. Daher entstand die Verbundregion West. Des Weiteren wurde gemeinsam ein Curricula entwickelt, sodass im Studienjahr 2016/2017 das Lehramtsstudium „Se­kundarstufe Allgemeinbildung“ als gemeinsam eingerichtetes Studium zwischen Päda­gogischer Hochschule Tirol und Universitäten im Verbund West durchgeführt werden konnte. Die Pädagogische Hochschule Tirol setzte sogar ein Controllinginstrument für einen gezielten finanziellen Ressourceneinsatz um.

Ich möchte auch erwähnen, dass aufgrund der Follow-up-Überprüfung der Rechnungs­hof drei wesentliche Empfehlungen weiter aufrechterhält. Ich möchte nur eine kurz erwähnen, nämlich die Entwicklung einer Strategie im Bereich Gender Mainstreaming,


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um die Diversifizierung im Lehrberuf sicherzustellen. Wir wissen, es gibt zu wenige Männer für das Lehramtsstudium im Pflichtschulbereich. Ich denke, das ist eine große Herausforderung für die Zukunft. Mit einem weiteren Breitbandausbau in puncto schnelles Internet werden vielleicht in Zukunft mehr Männer diesen wichtigen pädago­gischen Beruf im Pflichtschulbereich ergreifen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet: Frau Abgeordnete Lintl. – Bitte schön.


20.26.13

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Follow-up-Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichischer Verkehrssicherheitsfonds. Der Rechnungshof hat im September 2017 überprüft, inwieweit das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie die Empfehlungen aus einer früheren Untersu­chung des Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds umgesetzt hat.

Der Fonds bezieht seine Mittel aus der Gebühr, die bei der Reservierung eines Wunsch­kennzeichens entrichtet wird. Von diesem Verkehrssicherheitsbeitrag fließen 60 Pro­zent an jenes Bundesland zurück, in welchem das jeweilige Wunschkennzeichen bean­tragt und reserviert wurde. Die Mittel des Fonds müssen laut Gesetz für folgende Zwe­cke verwendet werden: für die Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Si­cherheit im Straßenverkehr, für Forschungen auf dem Gebiet der Straßenverkehrs­sicherheit und für Planungen auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit.

Der Rechnungshof stellte fest, dass das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie von den zwölf überprüften Empfehlungen des Vorberichts sechs um­gesetzt, zwei teilweise und zwei gar nicht umgesetzt hat. Weiters stellte der Rech­nungshof fest, dass es sinnvoll wäre, einen Teil der Rücklagen des Verkehrssicher­heitsfonds risikoarm zu veranlagen. Außerdem wäre auf eine Gesetzesänderung des Kraftfahrgesetzes hinzuwirken. Dem Verkehrsministerium soll die Möglichkeit gegeben werden, im Falle von widmungswidriger Verwendung der Ländermittel diese nicht nur aufzuzeigen, sondern auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten zu ergreifen.

Der Verkehrssicherheitsfonds leistet mit seinen Projekten einen wesentlichen Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit auf Österreichs Straßen. Verkehrssicherheitskam­pagnen können Menschenleben retten. Deshalb freut es mich, dass das Bundesminis­terium für Verkehr die Vorschläge des Rechnungshofes konsequent umsetzt. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordne­ter Singer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.28.43

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Präsiden­tin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich nochmals kurz mit der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die der Rechnungshof im Jahr 2016 überprüft hat, beschäftigen. Es ist eine Agentur, die europaweit einzigartig ist. Warum? – Weil sie eine verkehrsübergrei­fende Organisation ist. Das heißt, sie ist eine gemeinsame Schlichtungsstelle für Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr.

Die Aufgabenstellungen kennen wir alle: Es geht um Verspätungen, Annullierungen, Nichtbeförderungen oder Überbuchungen. Wichtig ist, wenn keine direkte Lösung mit einem Beförderungsunternehmen gefunden wurde, dass die Agentur Passagieren kos-


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tenlos und provisionsfrei zu ihrem Recht und zu einer entsprechenden Entschädigung verhilft.

Über die Finanzierung wurde bereits gesprochen. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass im Überprüfungszeitraum eine Finanzierungsquote der betroffenen Unternehmen von 14,2 Prozent erreicht wurde, also wesentlich unter den geforderten 40 Prozent, und daher war die Forderung des Rechnungshofes auch, diese 78 Euro Fallbearbei­tungsgebühr entsprechend zu erhöhen. Dem Jahresbericht der Agentur aus dem Jahr 2017 ist zu entnehmen, dass diese Gebühr nicht erhöht wurde.

Gerade in einem Sommer wie diesem wird der eine oder andere gesehen haben, wie schnell man zu einem potenziellen Kunden der Agentur für Passagier- und Fahrgast­rechte werden kann. Festzuhalten ist, dass im Jahr 2017 in 86 Prozent der Fälle eine für beide Parteien zufriedenstellende Lösung erzielt werden konnte. Die Agentur ist da­mit zu einer wichtigen Einrichtung zur Umsetzung der Fahrgastrechte geworden. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Gerstner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.31.04

Abgeordneter Peter Gerstner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin! Sehr geehrte Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kollegen! Sehr geehrte Besucher – es sind nicht mehr so viele da – und sehr geehrte Zuseher! Ich habe die Ehre, die Freude, über den Bericht des Rechnungshofes betreffend „Öffentliche Pädagogische Hochschulen; Follow-up-Überprüfung“ zu sprechen. Es ist leider Gottes ein sehr tro­ckenes Thema; ich werde versuchen, es hier schnell abzuhandeln.

Als der Rechnungshof im November und Dezember 2017 beim Bundesministerium für Bildung und an der Pädagogischen Hochschule Tirol eine Überprüfung bezüglich der Umsetzung der Empfehlungen aus einer vorangegangenen Gebarungsüberprüfung durchführte, kam er zu folgenden Ergebnissen:

Die Harmonisierung der Lehrerausbildung an diversen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten sollte von da an durch Kooperation erfolgen. Diese Kooperation wie­derum sollte sich weiter vertiefen und hiezu in Verbundregionen organisiert werden, wie beispielsweise der Verbundregion West, welcher unter anderen die Pädagogische Hochschule Tirol sowie die Pädagogische Hochschule Vorarlberg angehörten. Diese Verbundregion West setzte erste Maßnahmen für einen gemeinsamen Lehrplan für die Lehrämter Primarstufe, Sekundarstufe Berufsbildung sowie für das Lehramt Sekundar­stufe Allgemeinbildung, welches im Studienjahr 2016/17 als gemeinsam eingerichtetes Studium der Universitäten und der Pädagogischen Hochschulen im Verbund West be­gonnen hat. Laut Rechnungshof wurden auch alle vom Rechnungshof an das Ministe­rium beziehungsweise an die Pädagogischen Hochschulen im Zusammenhang mit der bereits erwähnten vorangegangenen Gebarungsprüfung abgegebenen Empfehlungen bezüglich der Lehrerausbildung eingehalten sowie größtenteils auch umgesetzt.

Bis 7. Jänner 2018 unterlagen die Angelegenheiten der Bildung ja bekanntlich dem Bundesministerium für Bildung. Seit Inkrafttreten der BMG-Novelle – Bundesministe­riengesetz-Novelle – am 8. Jänner 2018 jedoch unterliegen die Bildungsangelegenhei­ten dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Sport (Widerspruch bei der SPÖ), eine Änderung, die bekanntlich von der neuen Bundesregierung, von ÖVP und FPÖ umgesetzt wurde. Diese Änderung ist ein Garant (Zwischenrufe der Abgeordneten Hei­nisch-Hosek, Plessl und Vogl) – ihr habt gleich Zeit zu schimpfen! (Beifall und Bra­vorufe bei Abgeordneten der FPÖ) –, ein weiterer Garant dafür, dass sich nicht nur in diesem Punkt (Abg. Heinisch-Hosek: Der Sport ist beim Strache!), sondern im Bil-


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dungswesen generell unter der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung einiges tun und selbstver­ständlich zum Besseren ändern wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen nämlich den Stillstand, den die SPÖ auch in puncto Ausbildung, Schul- und Weiterbildung verursacht hat, nicht so einfach akzeptieren, sondern für Weiterentwick­lung und Vorwärtskommen sorgen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein Danke noch einmal – das habe ich am Anfang leider vergessen – auch an die Rechnungshofpräsidentin und natürlich an die Mitarbeiter, an das Team des Rech­nungshofes nicht nur für diesen Bericht, sondern auch für die vielen anderen sehr auf­schlussreichen Berichte! – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.35

20.35.47


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Passagier- und Fahrgastrechte, III-48 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, bitte ich um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Gewinnausschüttungen – Ziele und Vor­gaben des Bundes, III-24 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch da bitte ich jene Damen und Herren, die das zur Kenntnis nehmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Scanpoint GmbH, III-201 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Auch da bitte ich jene Damen und Herren, die das zur Kenntnis nehmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Öffentliche Pädagogische Hochschulen; Follow-up-Überprüfung, III-192 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte auch da jene Damen und Herren, die den Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist auch einstimmig erfolgt.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Österreichischer Verkehrssicher­heitsfonds; Follow-up-Überprüfung, III-174 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig erfolgt.

20.37.5916. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas-


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sungsgesetz um Bestimmungen über einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird (310/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Schließlich gelangen wir zum 16. Punkt der Ta­gesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich erteile der Antragstellerin, Frau Dr. Griss, das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.38.20

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Vertrauen in die Justiz ist eine der Grundvo­raussetzungen für ein friedliches Zusammenleben. Der Justiz wird vertraut, wenn sie als unabhängig wahrgenommen wird. Die Justiz, das sind die Gerichte, und das ist auch die Staatsanwaltschaft. Seit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 2008 ist die Staatsanwaltschaft auch in der Verfassung verankert, und zwar als Organ der Ge­richtsbarkeit. Damit haben wir Organe der Gerichtsbarkeit, die nicht nur weisungsge­bunden sind – was schon eine Anomalie ist –, sondern die noch dazu einem Regie­rungsmitglied, nämlich dem Justizminister, unterstehen.

Wir haben zwar jetzt einen Weisungsrat, aber das ist eine halbe Lösung, denn die Weisungsspitze ist nach wie vor der Bundesminister für Justiz. Das ist eine Situation, die das Vertrauen in die Justiz schwächt. Wir haben das ganz deutlich in der BVT-Causa gesehen, in der der Verdacht entstanden ist, dass man sich da in der Regierung etwas ausmacht und die Staatsanwaltschaft nicht so unabhängig handeln kann, wie sie das eigentlich sollte.

Diese Forderung nun, nicht mehr den Justizminister als Weisungsspitze zu haben, son­dern einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt einzusetzen, und zwar durch das Parla­ment, wird seit Jahrzehnten erhoben. Es ist auch Standard in westeuropäischen De­mokratien. Auch der frühere Justizminister Brandstetter hat das gefordert – dann ist er Justizminister geworden, und da war diese Forderung nicht mehr aktuell.

Daher glaube ich, dass wir das jetzt in Angriff nehmen sollen, denn es verstößt nicht nur gegen die Gewaltentrennung, es ist außerdem durch den großen Anteil an Diver­sionen, die die Staatsanwaltschaft jetzt ausspricht, auch noch kritischer geworden. Da­mit haben Staatsanwälte auch eine quasi richterliche Funktion.

Ich glaube daher, dass es notwendig ist, dass es an der Zeit ist, den Justizminister von dieser Aufgabe zu befreien, das aus der Regierung herauszulösen und einen unabhän­gigen Bundesstaatsanwalt einzusetzen – für zwölf Jahre, ähnlich wie den Rechnungs­hofpräsidenten, ohne Möglichkeit der Wiederbestellung. Das würde dazu beitragen, dass der Justiz tatsächlich wieder vertraut wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von JETZT.)

20.41


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Steinacker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.41.35

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ge­schätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Die NEOS haben einen Antrag vorgelegt, sie wollen ein neues, zusätzliches höchstes Bundesorgan, einen sogenannten Bundes­staatsanwalt einrichten. Der soll dann anstelle des Herrn Bundesministers für Justiz die Staatsanwaltschaft führen und gegebenenfalls auch Weisungen erteilen. Dies sei, so ihr Vorschlag, dann unabhängiger.

Ich darf einmal ganz grundsätzlich sagen, dass das, wie wir alle wissen, nur mit einer maßgeblichen Änderung unserer Bundesverfassung möglich ist, die eine Zweidrittel-


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mehrheit hier im Hohen Haus erfordern würde, und wir sind natürlich aus guten Gründen nicht dafür, Frau Dr. Griss.

Eines möchte ich vorab sagen, bevor ich Ihre verschiedenen Begründungen, die Sie uns soeben vorgetragen haben, doch ein bisschen von einer anderen Seite beleuchten möchte: Das Vertrauen in die unabhängige Justiz ist in Österreich so hoch wie nie zuvor. Jede Umfrage im Vertrauensbarometer bezüglich der Justiz gibt uns recht. Die Menschen schätzen die unabhängige Justiz, an der Sie, Frau Abgeordnete, seinerzeit auch gut mitgewirkt und die Sie mitgetragen haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

In Ihrer Begründung behaupten Sie, der unabhängige Bundesstaatsanwalt werde von führenden Fachleuten – Plural! – seit Jahren gefordert. Meiner Meinung nach ist das eine sehr einseitige Sichtweise. Es stimmt schon, rein grammatikalisch ergeben schon zwei Personen den sprachlichen Plural, dennoch berichtige ich tatsächlich:

Im Jahr 2014, noch unter Herrn Bundesminister Brandstetter, wurde ein hochrangiges Expertengremium eingesetzt, das die Reform des Weisungsrechts untersuchen sollte. Es waren die ranghöchsten österreichischen Juristen dabei, unter anderem die jetzige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Verwaltungsgerichtshofpräsident Thienel, der ehemalige OGH-Präsident, der hochgeschätzte Professor Burgstaller und viele mehr, und alle Mitglieder dieser Expertenkommission bis auf ein einziges Mitglied ha­ben sich gegen die Einführung eines Bundesstaatsanwalts ausgesprochen.

Warum? – Es bedeutet ja lediglich die Verlagerung allfälliger Probleme von der einen Person auf eine andere, vom Justizminister auf einen Bundesstaatsanwalt. Wir hätten dann neben unserem Herrn Bundesminister, der uns hier im Hohen Haus verantwort­lich ist, sozusagen einen Justizminister light, der in seiner Angelegenheit dann noch dazu agiert und unser verfassungsrechtliches Gefüge, das seit vielen Jahren bestens funktioniert, letztendlich umorganisiert und in der Wertung auseinandernimmt.

Ihr zweites Argument, die BVT-Affäre, haben Sie wahrlich denkbar schlecht gewählt. Gerade im Fall der BVT-Hausdurchsuchung ist es in keinster Weise zu einer Einfluss­nahme des Justizministers gekommen. (Abg. Rosenkranz: Richtig!) Er ist die jetzige Weisungsspitze, und er hat nicht auf die Staatsanwaltschaft Einfluss genommen. We­der wurde ihm bezüglich der Hausdurchsuchung berichtet, noch hat er auf die Ent­scheidung irgendeinen Einfluss genommen. Das wissen Sie sehr gut, und das muss auch einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rosenkranz: Richtig! So ist es!)

Bei Ihren Ausführungen sind Sie uns ja die Antwort auf die Frage schuldig geblieben: Warum sollte ein Bundesstaatsanwalt das besser können, warum sollte er grundsätz­lich die Staatsanwaltschaft besser führen als unser Herr Bundesminister? Wir haben ja im Jahr 2015/16, Sie haben es angesprochen, den Weisungsrat eingeführt. Wir haben zuerst einmal die Reform der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit der eingeschränkten Berichtspflicht zum Justizminister durchgeführt. Das heißt, viele Akten werden auf einer ganz anderen Ebene entschieden und es wird gar nicht mehr bis hinauf berichtet. Das heißt, politische Einflussnahme ist nicht mehr möglich. Diese Re­form, die Sie einfach zu erwähnen vergessen haben, war da ein ganz wichtiger Schritt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nun zum Weisungsrat: Der Weisungsrat ist 2015 eingeführt worden. Er ist unabhängig, effizient und völlig weisungsfrei. Er arbeitet, von allen anerkannt, mit höchster Präzision und fachlicher Expertise. Alle loben und schätzen ihn. Die Weisungsberichte liegen vor. Wir haben bei diesen Themen wirkliche Transparenz. Ich frage mich: Was wollen Sie noch mehr? Was könnte da anders sein? Ich finde dieses System, das wir eingeführt haben, hervorragend, und an dieser Stelle möchte ich auch noch sagen: Unsere Staatsanwaltschaften leisten hervorragende Arbeit und haben kein Problem mit dem Thema der Weisungsspitze. Das sei auch einmal gesagt.


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So, und jetzt haben wir einen Vorschlag. Wie immer: Wir können das gut diskutieren. Verbesserungen in bestehenden Systemen sind auch immer möglich. Wir stellen uns gerne der Diskussion. Die parlamentarische Arbeit gibt uns dazu ausreichend Gele­genheit. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Jarolim. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.46.39

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol­legen! Frau Präsidentin Griss, ich gratuliere Ihnen herzlich zu diesem Antrag. Ich darf festhalten, wir haben 2000 – Sie werden das sicher aus der Vorgeschichte kennen – und 2003 einen ähnlichen oder fast wortgleichen Antrag eingebracht, in der Zwischen­zeit auch mehrfach verlangt, weil es ein Gebot der Stunde - - (Rufe bei der SPÖ: Mi­krofon! Das Mikro bitte einschalten!) – Darf ich ersuchen, die Rede nicht dadurch zu blockieren, dass das Mikrofon nicht eingeschaltet wird? Ich meine, das ist natürlich auch ein Umgang. (Ruf: Da capo! – Der Redner stellt das Rednerpult höher.) Ich möch­te nur schauen, dass der Kopf noch über dem Pult erkennbar ist. (Heiterkeit. – Abg. Lausch: Das macht nichts, ...! – Abg. Stefan: Aber das ist sehr gescheit!) – Kollege Lausch, gut.

Also ich darf nur sagen: Wir haben das natürlich eingebracht. Und wer dieses peinliche und leidige Schauspiel um den Präsidenten – Vizekanzler ist er dann geworden – Brandstetter, den Justizminister Brandstetter mit dem Weisenrat (Abg. Steinacker: ... mitgetragen, mitgestimmt!), dem sogenannten Weisenrat erlebt hat (Abg. Rosenkranz: Weisungsrat!), der weiß ja – und, Frau Kollegin Steinacker, ich kann eigentlich fast kei­nen Satz, den Sie da vorhin gesagt haben, unterstreichen –, wie unangenehm, wie peinlich dieses Herumgeeiere ist und dass in der Justiz selbst natürlich die Einstellung vorherrscht, dass man da nicht einen Weisenrat oder Weisungsrat, wie immer dieses Gremium jetzt heißt (Abg. Rosenkranz: Also was jetzt? Was jetzt?), braucht, sondern einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt, so wie Sie das vorgeschlagen haben, wie wir das mehrfach vorgeschlagen haben, wie es eigentlich die gesamte Opposition – auch Kollege Noll hat sich dazu ja mehrfach eindeutig zu Wort gemeldet – vorschlägt. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Rosenkranz: Aber muss der jetzt vom BSA sein oder nicht?)

Ich weiß noch, bei der FPÖ habe ich damit eigentlich nie ein Problem gehabt – außer das, was du da jetzt dazwischenschreist –, es war immer die ÖVP – Kollege Stefan, ich glaube, wir verstehen uns da –, die versucht hat, das zu verhindern und zu sagen, wir brauchen einen Minister, der da Einfluss nehmen muss.

Und bei der WKStA, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, meine Damen und Herren, die als einzige der staatsanwaltschaftlichen Behörden unabhängig von der Oberstaatsanwaltschaft agiert – wo Sie natürlich genau hineingreifen, wir kennen ja die ganzen personellen Verflechtungen, die da stattfinden –, soll jetzt auf einmal plötzlich, nach den letzten Erfahrungen, diese Weisungsfreiheit gestrichen werden. Ich höre schon, man soll diese wieder an die Kette der Oberstaatsanwaltschaft nehmen, sodass auch dort die Weisungsfreiheit nicht mehr besteht. (Abg. Steinacker schüttelt den Kopf.)

Also Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, brauchen mir überhaupt nicht zu sagen, dass Sie guten Willens sind, hier im Sinne einer Objektivierung irgendetwas zu tun. Genau das Gegenteil ist der Fall: Hineingreifen in die Justiz, hineingreifen in die Staatsanwaltschaft, damit nichts rauskommt! Ich wundere mich ja eigentlich auch, dass beim BVT-Ausschuss, wie ich sehe, wohl die FPÖ einen Bauchfleck nach dem an­deren macht, dass aber die Dinge, von denen wir alle wissen und die die ÖVP betref-


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fen, eigentlich gar nicht vorkommen. – Das ist aber Ihr Kaffee. Das räumen wir Ihnen ein. Sie können das selbst entscheiden, wer nach diesem Ausschuss dann der Dumme sein wird. (Abg. Sobotka: Der Lansky hat das ...! – Abg. Winzig: Der Lansky hat diese Rede geschrieben!)

Jedenfalls aber kann ich Ihnen, Frau Präsidentin Griss, nur sagen, ich danke Ihnen herzlich dafür, dass Sie das noch einmal eingebracht haben. Ich glaube, die gesamte Opposition ist stolz darauf, und wir werden von dem nicht mehr heruntersteigen. Und die Argumente, die da heute geäußert worden sind, sind ehrlich gestanden dieses Hauses nicht würdig. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

20.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Reifenberger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.50.03

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Verbliebene Gäste auf der Besuchergalerie und geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehbildschirmen! Bevor ich auf den eigentlichen Antrag von Frau Kollegin Griss eingehe, möchte ich heute die Gele­genheit nutzen, kameradschaftliche Grüße an das Jägerbataillon Salzburg „Erzherzog Rainer“ auszurichten, das gerade eine Milizübung am Truppenübungsplatz Hochfilzen und in Saalfelden abhält. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In diesem Zusammenhang gratuliere ich Herrn Major Markus Matschl, der gestern mit der Führung des Bataillons betraut wurde. Der traurige Anlass für diesen Kommandan­tenwechsel war das überraschende Ableben des bisherigen Bataillonskommandanten Hauptmann Schreyer, der leider (Zwischenrufe der Abgeordneten Bayr, Jarolim und Krainer) – Sie sollten ein bisschen Demut zeigen – aufgrund einer heimtückischen Krankheit viel zu früh, nämlich im Alter von 55 Jahren, zu der großen Armee abberufen wurde. (Abg. Heinisch-Hosek: Können wir zur Sache reden?! – Abg. Schieder: Zur Sache!)

Ich werde jetzt den Kreis schließen, und dann wissen Sie, warum das sehr wohl zur Sache gehört. Kurz vor seinem Ableben hat mir Hauptmann Schreyer nämlich für die Plenartage eine Dienstfreistellung gegeben, und nur deshalb ist es mir überhaupt mög­lich, hier heute am Rednerpult zu stehen; sonst wäre ich nämlich in Hochfilzen im Dienst. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Wittmann: ... Kindergarten!)

Jetzt aber zum Antrag von Frau Kollegin Griss. Ich bin mir sicher, dass Sie es grund­sätzlich gut mit der Justiz meinen und dass Sie ehrenwerte Absichten haben. Dennoch kann ich Ihrem Antrag keine Zusage in Aussicht stellen, da ich der Meinung bin, dass dieser Antrag nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Was hier als Entpolitisierung gemeint ist, wäre im Ergebnis nämlich genau das Gegenteil, es wäre eine einbetonierte Politisierung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was glauben Sie, wer würde denn dann Bundesstaatsanwalt werden? – Ganz sicher niemand ohne Parteibuch oder eindeutig politische Zuordnung. (Widerspruch bei den NEOS. – Abg. Loacker: So denken Sie?!) Wir als gelernte Österreicher wissen alle, wie eine solche Postenbesetzung bei einer derart hohen Funktion wie einem Bundes­staatsanwalt abläuft. Das läuft ganz sicher nicht unpolitisch ab, ganz im Gegenteil; es wäre eine rein politische Postenbesetzung, und daran ändert auch nichts, wenn das vielleicht mit einer Zweidrittelmehrheit im Hauptausschuss des Nationalrates beschlos­sen werden soll. In der Folge hätten wir dann einen zwar weisungsunabhängigen, aber politisch besetzten Bundesstaatsanwalt, den wir dann zwölf Jahre nicht mehr wegbe­kommen würden und der ganz massiven Einfluss auf die Justiz nehmen könnte, quasi einen Staat im Staat, und ich muss betonen: Das gefällt mir gar nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)


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Da ist es mir viel lieber, dass am Ende der Hierarchie ein Justizminister steht, der die volle politische Verantwortung für sein Handeln zu tragen hat. – Bitte verzeihen Sie mir in diesem Zusammenhang, dass ich aus Gründen der Verständlichkeit für unsere Zu­seher noch von der Bezeichnung Justizminister spreche und nicht die komplizierte Be­zeichnung wähle, sondern diese abkürze. (Abg. Schieder: Die haben alle schon ab­gedreht! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Der Justizminister ist dem Parlament zur vollen Rechenschaft verpflichtet, und uns Ab­geordneten stehen wirklich alle parlamentarischen Werkzeuge zur Verfügung, um den Justizminister allenfalls, wenn es notwendig sein sollte, auch zur Rechenschaft zu zie­hen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So kann ein Minister auch durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum allenfalls abge­wählt werden.

Das von Ihnen zitierte Beispiel mit dem BVT – es wurde bereits genannt – passt über­haupt nicht, weil, wie Sie ganz genau wissen, der Justizminister in der Sache BVT überhaupt keine Weisung erteilt hat. Er hat von der Hausdurchsuchung nachweislich nichts gewusst.

Abgesehen davon würde durch eine Bundesstaatsanwaltschaft eine neue Behörde entstehen, und damit würden dem Ressort weitere Kosten erwachsen. Wir wollen keinen weiteren hochbezahlten Superbeamten, das Justizressort schwimmt ohnehin nicht gerade in Geld. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger. – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)

In diesem Fall darf ich abschließen, Frau Kollegin Griss: gut gemeint, aber leider trotz­dem daneben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Noll. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf bei der SPÖ: Das war sehr skurril!)


20.54.46

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Dieser heu­tige Tag endet ein bisschen ambivalent für mich; aber nach mir sind Sie erlöst. All dem, was Frau Präsidentin Griss gesagt hat, kann ich ja atmosphärisch folgen, ich bin trotz­dem ganz und gar dagegen, dass es weisungsentbundene Staatsanwälte gibt. (Beifall des Abg. Reifenberger.)

Tatsächlich hätte ich gerne weisungsgebundene Beamte und eine Ministerverantwort­lichkeit, die sich hier im Haus auch realisieren lässt. Darin liegt das Problem: dass we­nig wahrscheinlich ist und ich schon gar nicht die Zuversicht habe, ganz egal, was Mi­nister dieser Republik derzeit unter diesen Mehrheitsverhältnissen machen, dass sie sich hier in diesem Haus je verantworten müssten. Das ist das eigentliche Problem, und deshalb kann ich dem, was Frau Präsidentin Griss gesagt hat, auch so viel abge­winnen. Auch all das, was Hannes Jarolim gesagt hat, stimmt natürlich atmosphärisch.

Das Idealbild einer Staatsanwaltschaft ist aber nicht, dass wir irgendeinen Bundes­staatsanwalt haben, auch da – darum endet dieser Abend für mich sehr ambivalent – bin ich vollkommen bei der FPÖ: Ich will keinen eigenen Staat im Staat in der Staats­anwaltschaft haben! Ich will eine transparente Staatsanwaltschaft haben, und der Mi­nister, der verantwortlich ist, soll auch verantwortlich gemacht werden, wenn etwas passiert, was entweder nicht rechtskonform oder politisch so problematisch ist, dass man ihm das Vertrauen entziehen muss. – Da bin ich also bei den Regierungsfrak­tionen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll49. Sitzung, 21. November 2018 / Seite 204

In der Sache kann ich aber gut nachvollziehen, was hier gesagt wurde, und es gibt tatsächlich, von Deutschland angefangen bis in andere Länder, das Beispiel von Bun­desstaatsanwälten, und das funktioniert dort in Wirklichkeit ja nicht schlechter als bei uns.

Ich glaube nicht, dass per se jeder Justizminister einen Misstrauensvorschuss verdient, und so wie wir die WKStA derzeit weisungsfrei gestellt haben und so wie wir das etwas unglückliche Schifflein dieses Weisungsrates haben, funktioniert es insgesamt ganz gut. Einen Bundesstaatsanwalt, der dann Herr über sein Reich ist, brauche ich in un­serer Verfassung nicht. Trotzdem sollte man es im Ausschuss seriös diskutieren. – Danke. (Beifall bei JETZT sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Sehr vernünftig!)

20.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 310/A dem Verfassungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.57.29Einlauf


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 461/A(E) bis 493/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20.58 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.57.58Schluss der Sitzung: 20.57 Uhr

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