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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

55. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 14. Oktober 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

55. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode              Mittwoch, 14. Oktober 2020

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 14. Oktober 2020: 10.02 – 22.26 Uhr

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Korrigierte Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betref­fend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2021 samt Anlagen

2. Punkt: Bericht über den Antrag 900/A der Abgeordneten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förde­rungsgesetz) geändert wird

3. Punkt: Bericht über den Antrag 640/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Förderung des Ausbaus der Gastronomie und Hotel­lerie im ländlichen Raum

4. Punkt: Bericht über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2019 der Bundesre­gierung

5. Punkt: Bericht über den Antrag 898/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kol­leginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland)

6. Punkt: Bericht über den Antrag 807/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Menschen­rechte und Demokratie

7. Punkt: Bericht über den Antrag 780/A(E) der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kas­segger, Kolleginnen und Kollegen betreffend in Österreich lebende Syrer müssen ihre Heimat wiederaufbauen

8. Punkt: Bericht über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiheitliches COVID-19-Maßnahmenpaket

9. Punkt: Bericht über den Antrag 846/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Reformvorschlag für treffsichere und sparsame Kurzarbeit

10. Punkt: Bericht über den Antrag 847/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Neue Arbeitsplätze ermöglichen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 2

11. Punkt: Bericht über den Antrag 851/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus 2020

12. Punkt: Bericht über den Antrag 549/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Arbeiterkammer-RHO: detaillierte Fi­nanzergebnis-Darstellung gem. Wirtschaftskammer-HO

13. Punkt: Bericht über den Antrag 658/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Senkung der Überziehungszinsen bei Banken auf fünf Pro­zent

14. Punkt: Bericht über den Antrag 901/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiativen der Bundesre­gierung auf EU-Ebene zur Erhöhung des niedrigen Strafmündigkeitsalters in zahlreichen Staaten außerhalb Europas

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schusswaffen (Schusswaffenkenn­zeichnungsgesetz – SchKG) erlassen und das EU-Polizeikooperationsgesetz geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 365/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung einer Strategie zur Thema­tik und Risiken von Deepfakes

18. Punkt: Bericht über den Antrag 369/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Herstellung der Vertei­digungsfähigkeit im Cyberbereich

19. Punkt: Bericht über den Antrag 577/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem diskriminierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen

20. Punkt: Bericht über den Antrag 771/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kollegin­nen und Kollegen betreffend den „Mahnstein gegen Krieg und Faschismus“ in Braunau

21. Punkt: Bericht über den Antrag 877/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, David Stögmüller, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­rechtlichung des gesamtstaatlichen Krisenmanagements

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 22

Ordnungsrufe ..............................................................................................  106, 171, 177

Geschäftsbehandlung

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG, die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfi­nanzgesetz für das Jahr 2021 samt Anlagen in erste Lesung zu nehmen – An­nahme ........................  24, 24


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 3

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 24

Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 167/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird, womit ein sofortiges nationales Verbot betreffend Pflanzenschutzmittel mit dem wahrscheinlich krebserregenden Wirkstoff Glyphosat erlassen wird“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 19. November 2020 zu setzen – Ablehnung ...................................................  24, 245

Ersuchen des Abgeordneten August Wöginger um Erteilung eines Rufes zur Sache beziehungsweise eines Ordnungsrufes ...................................................................................................... 71

Wortmeldungen im Zusammenhang mit dem gestellten Ersuchen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 72

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 72

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 116

Wortmeldung der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch im Zusammenhang mit einem von Präsidentin Doris Bures erteilten Ordnungsruf ............................................................ 178

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 22

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 22

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Per Pressekonferenz ins Corona-Chaos: Die Verantwortung von Gesundheitsmi­nister und Bundeskanzler an der europaweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl“ (3749/J) .................................................................................. 116

Begründung: Mag. Gerald Loacker ............................................................................ 126

Bundesminister Rudolf Anschober ......................................................................... 131

Debatte:

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 146

Gabriela Schwarz ....................................................................................................... 149

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................................................ 150

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................. 152

Sigrid Maurer, BA ....................................................................................................... 155

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 157

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................... 160

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 161

Peter Wurm ................................................................................................................. 162

Andreas Ottenschläger (tatsächliche Berichtigung) ................................................. 165

Ralph Schallmeiner .................................................................................................... 166

Hermann Gahr ............................................................................................................ 167

Mag. Gerald Loacker (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 168

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................... 168

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 170


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 4

Franz Hörl .................................................................................................................... 171

Barbara Neßler ............................................................................................................ 174

Mag. Selma Yildirim (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 175

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 175

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erweiterung des Untersuchungsmandats der Ischgl-Kommission“ – Ablehnung      158, 178

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage be­treffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2021 samt Anlagen – Beschluss auf erste Lesung  25, 25

2. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 900/A der Abgeord­neten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von klei­nen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (402 d.B.)                                                                                      32

RednerInnen:

Karl Schmidhofer ......................................................................................................... 32

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................... 33

Erwin Angerer ............................................................................................................... 36

Barbara Neßler .............................................................................................................. 39

Fiona Fiedler, BEd ........................................................................................................ 40

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ...................................................................... 41

MMMag. Gertraud Salzmann ....................................................................................... 43

Petra Vorderwinkler ..................................................................................................... 44

Dr. Elisabeth Götze ...................................................................................................... 44

Maria Großbauer ........................................................................................................... 45

Alois Schroll ................................................................................................................. 46

Ing. Johann Weber ....................................................................................................... 47

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Hilfe für Kulturveran­stalter“ – Ablehnung ............  35, 48

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Zweiten Lockdown ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft herstellen“ – Ablehnung          37, 48

Annahme des Gesetzentwurfes in 402 d.B. .................................................................. 48

3. Punkt: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 640/A(E) der Abge­ordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Ausbaus der Gastronomie und Hotellerie im ländlichen Raum (403 d.B.) ...................................................................... 48

RednerInnen:

Petra Vorderwinkler ..................................................................................................... 49

Gabriel Obernosterer ................................................................................................... 49

Peter Wurm ................................................................................................................... 50

Barbara Neßler .............................................................................................................. 53

Mag. Dr. Petra Oberrauner .......................................................................................... 54

Clemens Stammler ....................................................................................................... 55

Peter Schmiedlechner ................................................................................................. 56


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 5

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Beendigung der Sperrstundenvorverlegung und Kompensation der Einnahmenausfälle für Gastronomie und Tourismus“ – Ablehnung ..................................................................................  52, 57

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 403 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 640/A(E)    57

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 403 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Maßnahmen gegen das Gasthaussterben, vor allem in ländlichen Regionen“ (95/E)      57

4. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Euro­papolitischen Bericht 2019 der Bundesregierung (III-150/373 d.B.) .................................................... 57

RednerInnen:

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 57

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc .................................................................................. 61

MMMag. Dr. Axel Kassegger ....................................................................................... 62

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ................................................................................................ 63

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................... 65

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. ............................................. 68

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 72

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 74

Mag. Dr. Rudolf Taschner (tatsächliche Berichtigung) ............................................... 75

Petra Steger .................................................................................................................. 75

Michel Reimon, MBA .................................................................................................... 77

Mag. Martin Engelberg ................................................................................................. 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle Situation in der Region Bergkarabach“ – Annahme (96/E) ..........................................................................  59, 79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 Kindern aus dem Elendslager Mo­ria“ – Ablehnung  66, 79

Kenntnisnahme des Berichtes III-150 d.B. .................................................................... 79

5. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 898/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland) (374 d.B.) .............................................................................................. 79

RednerInnen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ....................................................................................... 80

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 81

Dr. Harald Troch ........................................................................................................... 82

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ................................................................................................ 84

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................... 85

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Dr. Reinhold Lo­patka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktives Engagement für die Ab­schaffung der Todesstrafe“ – Annahme (98/E)              83, 87

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 374 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland)“ (97/E) ............... 8


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 6

6

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 807/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie (375 d.B.) ................................................................. 87

7. Punkt: Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 780/A(E) der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend in Österreich lebende Syrer müssen ihre Heimat wiederaufbauen (376 d.B.)                                                                                             87

RednerInnen:

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................  87, 92

Nico Marchetti ............................................................................................................... 88

Dr. Susanne Fürst ........................................................................................................ 89

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 91

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .......................................................................................  93, 101

Henrike Brandstötter ................................................................................................... 96

Nurten Yılmaz ............................................................................................................... 97

Michel Reimon, MBA .................................................................................................. 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „keine Aufnahme von ,Moria-Migranten‘ und Ab­lehnung des neuen EU-Migrations- und Asylpakts“ – Ablehnung ........................................................................................  92, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Situation der Kurdinnen und Kurden, u.a. in Syrien“ – Annahme (100/E) ...................................................................................................................  95, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Dr. Helmut Brand­stätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze“ – Ablehnung  98, 102

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 375 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie“ (99/E)                                                             102

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 376 d.B. ..................................................... 102

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 891/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Freiheitliches COVID-19-Maßnahmenpaket (392 d.B.) ....................................................................................... 102

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 846/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Reformvorschlag für treffsichere und sparsame Kurz­arbeit (393 d.B.) ......................................................... 102

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 847/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuversichtspaket: Neue Arbeitsplätze ermöglichen (394 d.B.) ................................................................................................. 102

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 851/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus 2020 (395 d.B.)           ............................................................................................................................. 103

RednerInnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch .......................................................................................... 103

August Wöginger ....................................................................................................... 104

Dr. Dagmar Belakowitsch (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 106

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 106


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 7

Josef Muchitsch ......................................................................................................... 110

Mag. Christian Ragger ............................................................................................... 111

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 111

Fiona Fiedler, BEd ...................................................................................................... 113

Tanja Graf .................................................................................................................... 114

Peter Wurm ................................................................................................................. 179

Mag. Verena Nussbaum ............................................................................................. 180

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................. 181

Gabriele Heinisch-Hosek ........................................................................................... 182

Bundesministerin Mag. (FH) Christine Aschbacher .............................................. 183

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vermittlung von Arbeitnehmer_innen in Kurzarbeit durch das AMS“ – Annahme (101/E)              108, 187

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 392, 393, 394 und 395 d.B. .................. 187

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 549/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Arbeiterkammer-RHO: detaillierte Finanzergebnis-Dar­stellung gem. Wirtschaftskammer-HO (396 d.B.) ...... 187

RednerInnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 187

Bettina Zopf ................................................................................................................. 190

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 191

Mag. Markus Koza ...................................................................................................... 192

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................... 192

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung des Arbeiterkammer-Gesetzes: detaillierte Fi­nanzergebnis-Darstellung gemäß der Wirtschaftskammer-Haushaltsordnung“ – Ab­lehnung .........................................  188, 193

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 396 d.B. ..................................................... 193

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 658/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der Überziehungszinsen bei Banken auf fünf Prozent (391 d.B.) .............................................................................. 194

RednerInnen:

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 194

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................... 195

Peter Wurm ........................................................................................................  197, 202

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................. 198

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 199

Mag. Corinna Scharzenberger .................................................................................. 200

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................... 201

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 391 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 658/A(E)    203

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 391 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Verbraucherbildung und Informationsmaßnahmen für Kon­sumentInnen im Bereich der Finanzdienstleistungen“ (102/E) .................................................................................. 203


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 8

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 901/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Initiativen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Erhöhung des niedrigen Strafmündigkeitsalters in zahlreichen Staaten außer­halb Europas (389 d.B.) ........................................................................ 203

RednerInnen:

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 203

Barbara Neßler ............................................................................................................ 205

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 206

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 206

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 208

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................. 209

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 209

Christoph Stark .......................................................................................................... 211

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 389 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Initiativen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Erhö­hung des niedrigen Strafmündigkeitsalters in zahlreichen Staaten außerhalb Euro­pas“ (103/E) ....................................................... 212

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (349 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert wer­den (382 d.B.) ............................................................ 212

RednerInnen:

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 212

Mag. Wolfgang Gerstl ................................................................................................ 214

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 214

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................... 215

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 216

Annahme des Gesetzentwurfes in 382 d.B. ................................................................ 217

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (360 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schuss­waffen (Schusswaffenkennzeichnungsgesetz – SchKG) erlassen und das EU-Poli­zeikooperationsgesetz geändert wird (383 d.B.) ................................................... 218

RednerInnen:

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 218

Hermann Gahr ............................................................................................................ 219

Dietmar Keck .............................................................................................................. 220

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 220

Annahme des Gesetzentwurfes in 383 d.B. ................................................................ 221

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 365/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung einer Strategie zur Thematik und Risiken von Deepfakes (384 d.B.) .................................. 221

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 369/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 9

Kollegen betreffend Maßnahmen zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit im Cyberbereich (385 d.B.) ........................... 222

RednerInnen:

Maximilian Köllner, MA .............................................................................................. 222

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 223

Christian Ries ............................................................................................................. 224

Süleyman Zorba ......................................................................................................... 225

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 226

Andreas Minnich ........................................................................................................ 228

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 384 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Entwicklung einer Strategie zur Thematik und Risiken von Deepfakes“ (104/E) ...... 228

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 385 d.B. ..................................................... 228

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 577/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem diskriminierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen (386 d.B.) ............... 229

RednerInnen:

Sabine Schatz ............................................................................................................. 229

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................. 230

Yannick Shetty ............................................................................................................ 231

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 232

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 386 d.B. ..................................................... 233

20. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 771/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend den „Mahnstein gegen Krieg und Faschismus“ in Braunau (387 d.B.) ............................................................................. 234

RednerInnen:

Sabine Schatz ............................................................................................................. 234

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 235

Mag. Felix Eypeltauer ................................................................................................ 236

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 237

David Stögmüller ........................................................................................................ 237

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 387 d.B. ..................................................... 239

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 877/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, David Stögmüller, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verrechtlichung des ge­samtstaatlichen Krisenmanagements (388 d.B.)      ............................................................................................................................. 239

RednerInnen:

Ing. Manfred Hofinger ................................................................................................ 239

Nurten Yılmaz ............................................................................................................. 241

Mag. Hannes Amesbauer, BA ................................................................................... 241

David Stögmüller ........................................................................................................ 242

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 243

Christian Ries ............................................................................................................. 244

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 388 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Verrechtlichung des gesamtstaatlichen Krisenmanage­ments“ (105/E) ..................... 245


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 10

Eingebracht wurden

Regierungsvorlagen .................................................................................................... 23

380: Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bundesfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen

404: Siebenter Zusatzvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung vermögensrechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960

405: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evangelischen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kirche und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft geändert werden

406: Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente or­ganische Schadstoffe

Berichte ......................................................................................................................... 23

III-182: Bericht betreffend Traunseetram – Reihe BUND 2020/34; Rechnungshof

III-187: Bericht betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermitt­lungsmaßnahmen im Jahr 2019; BM f. Justiz

Anträge der Abgeordneten

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reparatur des NPO-Fonds (919/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung eines One-Stop-Shops im Kulturministerium zur Unterstützung der Kulturbranche (920/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Stiftung zur Fir­men- und Arbeitsplatzrettung (921/A)(E)

Nico Marchetti, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (922/A)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forschungsstrategien für scho­nende Alternativen herkömmlicher chemisch-synthetischer Pestizide (923/A)(E)

MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines COVID-19-Schulveranstaltungsausfall-Härtefonds (COVID-19-Schulstornofonds-Gesetz), geändert wird (924/A)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schulschlie­ßungen aufgrund von LehrerInnenmangel vorbeugen (925/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wiederholungen von Teilprüfungen bzw. von Prüfungsgebieten der abschließenden Prüfung (Matura) (926/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung einer weltan­schaulich neutralen Sexualerziehung (927/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 11

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung von
B1-Deutschkenntnissen für „Taxi-Lenker“ (928/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dringlichkeit von Maßnahmen zur Verhinderung von Massenkündigungen und zum Erhalt von Arbeitsplätzen (929/A)(E)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Talente besser fördern und begleiten (930/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend diskriminierungsfreie Blutspende jetzt verankern! (931/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenübermittlung bei Stal­kingfällen (932/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend zügige und vollständige Umsetzung des „Aktionsplans Frauengesundheit“ (933/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend zügige und vollständige Umsetzung des „Aktionsplans Frauengesundheit“ (934/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Priorität beim Mannschutz (935/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kampf gegen Kinder­pornografie (936/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unverzügliche Anhe­bung der Pauschalvergütung für die Verfahrenshilfe (937/A)(E)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Eingliederung der In­sassen von Justizanstalten in das System der staatlichen Krankenversicherung (938/A)(E)

Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Leichterer Zugang für die Wissenschaft und Forschung zu Registerdaten (939/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fixkostenzu­schuss – wie er wirklich ankommt (940/A)(E)

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kalte Progression endlich abschaffen (941/A)(E)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kreditstundungen an Least Developed Countries (942/A)(E)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Konversionstherapien stoppen“ – einstimmige Entschließung von 2019 endlich umsetzen (943/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Keine Weitergabe von Fluggastdaten an Drittstaaten (944/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Un­abhängigkeit, Qualität und Transparenz der Verwaltungsgerichtsbarkeit (945/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übermittlung aller Berichte der AGES über COVID-19 an das Parlament (946/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pensionsreform im Sinne der Folgegenerationen (947/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 12

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Leichterer Zugang für die Wissenschaft und Forschung zu Registerdaten (948/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung der Freibeträ­ge für Auslandspensionsbezieher (949/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vermittlung von Arbeitneh­mer_innen in Kurzarbeit durch das AMS (950/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf einen Kin­derbetreuungsplatz ab dem 1. Kindergeburtstag (951/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz 1969, BGBl. Nr. 142, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 18/2020, geändert wird (952/A)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern ge­ändert wird (953/A)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (954/A)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten au­ßer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG) geändert wird (955/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (956/A)

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (957/A)

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kran­ken- und Unfallversicherungsgesetz und das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (958/A)

Anfragen der Abgeordneten

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Corona-Ampel: von der Geheimwaffe zur Geheimwissenschaft?“ (3653/J)

Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Warum verweigert die Regierung Home-Office im öffentlichen Dienst? (3654/J)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Verkauf von 51% der Gas Connect Austria GesmbH (GCA) durch die OMV AG an die Verbund AG (3655/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 13

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Wieso bringt die Steuerreform Familien nichts? (3656/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Wieso verteidigen Sie diesen ungerechten ÖVP-Familienbonus? (3657/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betref­fend Wieso verteidigen Sie diesen ungerechten ÖVP-Familienbonus? (3658/J)

Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend wann kommt der Gutschein für die Beantragung des Fixkostenzuschus­ses? (3659/J)

Rudolf Silvan, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend der Entwicklung von Kassenvertrags­stellen für praktische ÄrztInnen und FachärztInnen in Österreich und deren Nachbeset­zungen (3660/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schnelle Hilfe ist doppelte Hilfe (3661/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kontakte von Beamt_innen mit Novomatic-Lobbyisten (3662/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auswertung von Datenträgern im Asylverfahren, Duldung und Aufenthaltstitel in berücksichtigungswürdigen Fällen (3663/J)

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Corona Insolvenzstatistik (3664/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Black Hawk Upgrade (3665/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend die neuen Hubschrauber des ÖBH (3666/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäi­sche und internationale Angelegenheiten betreffend EZA Projekt des Roten Kreuzes in Österreich (3667/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Verfassungskonforme Umsetzung des Bundestrojaners – „Quellen-TKÜ-Neu“? (3668/J)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Unterschiede für Private und Betriebe bei E-Mobilitätsförderung von Leichtfahrzeugen (3669/J)

Dr. Josef Smolle, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Häufigkeit und Therapiemöglich­keiten von Essstörungen in Österreich (3670/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Harmonisierung der Honorare von Ärztinnen und Ärzten seitens der ÖGK (3671/J)

Karl Mahrer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Leistungen des Bundesministeriums für Inneres im Rahmen der Flüchtlingspolitik seit 2015 (3672/J)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Arbeitsweise und Erfolge der zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (3673/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 14

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kul­tur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Restitution afrikanischer Kulturgüter (3674/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend ORF Gesetz (3675/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Schließen der Einkommensschere zwischen Frauen und Männern im Hinblick auf steuerliche Maßnahmen im Bereich Öffentliche Abgaben (3676/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Chaos beim Vorgehen bei Verdachtsfällen und COVID-19 Infektionen an Schulen (3677/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Chaos beim Vorgehen bei Verdachts­fällen und COVID-19 Infektionen an Schulen (3678/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ethikunterricht während COVID-19 (3679/J)

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Corona-Cluster in Schrems: unter­scheidet das Coronavirus neuerdings an Hand nationaler und kultureller Herkunft, wer sich damit ansteckt? (3680/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend angekündigter strategischer Partnerschaften (3681/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inne­res betreffend Asyl, Wohnung und falsche Identität für mutmaßlichen syrischen Kriegs­verbrecher-General in Österreich auf Betreiben des BVT (3682/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Spitalskapazitäten in COVID-19-Zeiten (3683/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Absonderungsbescheide als COVID-19-Maßnahme (3684/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend Bildungsbereich als Bremse der Integration (3685/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Diskriminierung von Menschen die aus gesundheitlichen Gründen keinen MNS-Schutz tragen können (3686/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Bildungsbereich als Bremse der Integration (3687/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Ist die Maskenpflicht an Schulen gerechtfertigt? (3688/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Ist die Maskenpflicht für Kinder gerechtfertigt? (3689/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 15

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Ist die Maskenpflicht für Kinder gerechtfertigt? (3690/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Hospitalisierungsrate in COVID-19-Zeiten (3691/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Falsches Sicherheitsgefühl durch Tes­ten ohne Anlass (3692/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend ein Betrug an der Gesellschaft: Tätergruppierung aus Nigeria verur­sacht gewaltigen Sozialbetrug (3693/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend „Künstler“ schänden erneut Lue­ger-Denkmal in Wien (3694/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Coronabonus kommt!“ – Inserat des BMF in der Kronen Zeitung vom 1. Oktober 2020 (3695/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Coronabonus kommt!“ – Inserat des BMF in den Salzburger Nach­richten vom 28. September 2020 (3696/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Coronabonus kommt!“ – Inserat des BMF im Kurier vom 4. Oktober 2020 (3697/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Polizeistaatsaktion gegen COVID-19-kritischen Arzt Dr. Peer Eifler (3698/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Insolvenz der ATB Spielberg GmbH (3699/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Insolvenz der ATB Spielberg GmbH (3700/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen In­solvenz der ATB Spielberg GmbH (3701/J)

Mag. Philipp Schrangl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend illegale Schächtungen in Österreich (3702/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Rind- und Kalbfleischbilligimporte aus den Mercosur-Staaten (3703/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Rind- und Kalbfleischbilligimporte aus den Mercosur-Staaten (3704/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Ausgaben für Inserate seit Regierungsantritt (3705/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 16

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend der überstrengen Formvorschriften für Testamente (3706/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeiten der Grenzpolizei am Flughafen Wien-Schwechat (3707/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeiten der Grenzpolizei am Flughafen Linz (3708/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeiten der Grenzpolizei am Flughafen Innsbruck (3709/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeiten der Grenzpolizei am Flughafen Klagenfurt (3710/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Tätigkeiten der Grenzpolizei am Flughafen Salzburg (3711/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kriminalität auf Bahnhöfen, Haltestellen und in Zügen (3712/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Krimina­lität auf Bahnhöfen, Haltestellen und in Zügen (3713/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend die neuerliche Assistenzanforderung des Bundesheeres zum Schutz von Botschaften und internationalen Institutionen (3714/J)

Ing. Mag. Volker Reifenberger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die neuerliche Assistenzanforderung des Bundesheeres zum Schutz von Botschaften und internationalen Institutionen (3715/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend 1-2-3-Ticket: Keine Eini­gung zwischen Ländern (3716/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend „Gewessler blitzt mit For­derung nach PET-Pfand ab – vorerst“ (3717/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Dokumentation von Me­than-Leaks in Österreich (3718/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Rechnungshofbericht zu Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel (3719/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend welche Studien und Dienstleistungen Ministerien in Auftrag geben (3720/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Staatsverträge zur Haftverbüßung im Heimatstaat (3721/J)

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Beschaffung von Fleisch in den Küchen der Justizanstalten (3722/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 17

Alois Kainz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Windkraftanlagen im Re­gionalwahlkreis Waldviertel (3723/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Errichtung der Traisental Schnellstraße S34 sowie der B334 (3724/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Betrieb an den Pädagogischen Hochschulen, insbesondere im Wintersemester 2020/2021 unter Covid-19-Bedingungen (3725/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend finanzielle Absicherung des Privatvermieter­verbandes Österreichs (3726/J)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Wieso verteidigen Sie diesen ungerechten ÖVP-Familienbonus? (3727/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend aktuelle Daten über die Belegung der österreichischen Justizanstalten und die durchschnittlichen Kosten (3728/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend Hubschrauberhersteller auf Indiens Blacklist (3729/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Folgeanfrage der Folgeanfrage: Blutplasmaspenden von Corona-Genesenen (3730/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Hilfspaket für Zusatzpensionen der AUA (Folgeanfrage) (3731/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Whistleblowersystem der Justiz: Fälle vermeintlicher Polizeigewalt (3732/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Einstellungsbegründung im Strafverfahren rund um dubiose FPÖ Vereins­spenden (3733/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Erlass von Studienbeiträgen für Studentinnen und Studenten aus Drittstaaten (3734/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Kosten für Deutschförderklassen, Deutschför­derkurse und für außerordentliche Schülerinnen und Schüler (3735/J)

Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Gewaltanstieg durch COVID-19 betreffend Kinder und Jugendli­che (3736/J)

Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Gewaltanstieg durch COVID-19 betreffend Kinder und Jugendliche (3737/J)

Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Gewaltanstieg durch COVID-19 betreffend Kinder und Jugendliche (3738/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 18

Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Umweltschäd­liche Plug-in-Hybrid Förderung? (3739/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Black Box Corona-Arbeitsstiftung (3740/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einblicke in den Corona-Einsatzstab für die PolAk (3741/J)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Inte­gration betreffend Folgeanfrage – Fragwürdige Studie des ÖIF zur Rolle von Moscheen bei der Integration in Graz (3742/J)

Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Inte­gration betreffend Inhaltliche Ausrichtung der „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ (3743/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anzeige gegen OMV-Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele wegen Verdacht auf Untreue und Verletzung der Sorgfaltspflicht (3744/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Aktivitäten von Staatsverweigerern in der ersten Jahreshälfte 2020 (3745/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Empfehlungsliste für zuverläs­sige Labors (3746/J)

Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Lei­tung der Sektion III des BKA (3747/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Beihilfen gemäß GSBG (3748/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Per Pressekonferenz ins Coro­na-Chaos: Die Verantwortung von Gesundheitsminister und Bundeskanzler an der euro­paweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl (3749/J)

*****

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend Umbauarbeiten im Ausweichquartier des Parlaments im Zuge der Co­vid19-Maßnahmen (17/JPR)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen (3054/AB zu 3052/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen (3055/AB zu 3054/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 19

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen (3056/AB zu 3057/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen (3057/AB zu 3132/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen (3058/AB zu 3215/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kollegin­nen und Kollegen (3059/AB zu 3255/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Ge­rald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3060/AB zu 3058/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3061/AB zu 3056/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3062/AB zu 3072/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolle­ginnen und Kollegen (3063/AB zu 3055/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3064/AB zu 3205/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (3065/AB zu 3069/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3066/AB zu 3065/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3067/AB zu 3064/J)

der Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt auf die Anfrage der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen (3068/AB zu 3067/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen (3069/AB zu 3071/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3070/AB zu 3207/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen (3071/AB zu 3210/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (3072/AB zu 3061/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3073/AB zu 3063/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 20

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (3074/AB zu 3068/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Mag. Dr. Petra Oberrauner, Kolleginnen und Kollegen (3075/AB zu 3070/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kolle­gen (3076/AB zu 3077/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (3077/AB zu 3062/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (3078/AB zu 3060/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kollegin­nen und Kollegen (3079/AB zu 3082/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen (3080/AB zu 3059/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kol­legen (3081/AB zu 3066/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (3082/AB zu 3088/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3083/AB zu 3083/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3084/AB zu 3080/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3085/AB zu 3078/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3086/AB zu 3076/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3087/AB zu 3079/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen (3088/AB zu 3096/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3089/AB zu 3081/J)

des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3090/AB zu 3074/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 21

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3091/AB zu 3084/J)

der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3092/AB zu 3085/J)

des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten auf die Anfra­ge der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3093/AB zu 3075/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff, Kolleginnen und Kollegen (3094/AB zu 3073/J)

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen (3095/AB zu 3192/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Ab­geordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (3096/AB zu 3093/J)

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Doug­las Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (3097/AB zu 3090/J)

*****

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Michael Schned­litz, Kolleginnen und Kollegen (11/ABPR zu 7/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen (12/ABPR zu 9/JPR)

des Präsidenten des Nationalrates auf die Anfrage der Abgeordneten Klaus Köchl, Kol­leginnen und Kollegen (13/ABPR zu 13/JPR)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 22

10.02.13Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

10.02.14*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord­neten! Ich darf Sie recht herzlich begrüßen und die 55. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären.

Ich darf in unserer Mitte recht herzlich den Herrn Bundespräsidenten begrüßen. (Allge­meiner Beifall. – Bundespräsident Van der Bellen erhebt sich von seinem Platz in der Präsidentenloge und dankt mit einer Verbeugung.)

Weiters begrüße ich recht herzlich Herrn Volksanwalt Werner Amon (allgemeiner Beifall) und die Mitglieder der Bundesregierung – Bundeskanzler, Vizekanzler und alle anderen Regierungsmitglieder –, die heute anlässlich der Budgetrede anwesend sind.

Ich darf die Medienvertreter und vor allem auch unsere Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten herzlich willkommen heißen.

Die Amtlichen Protokolle der 53. Sitzung und der 54. Sitzung vom 7. Oktober 2020 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Mag. Michael Hammer, Alexan­der Melchior, Julia Elisabeth Herr, Klaus Köchl, Philip Kucher, Maximilian Lercher, Mag. Ge­rald Hauser, Edith Mühlberghuber, Walter Rauch, Mag. Georg Bürstmayr, Mag. Meri Di­soski, Mag. Martina Künsberg Sarre und Josef Schellhorn.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bundes­minister für Inneres Karl Nehammer, MSc vertreten.

Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung verweisen.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 3653/J bis 3749/J

Schriftliche Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates:

17/JPR

2. Anfragebeantwortungen: 3054/AB bis 3097/AB

Anfragebeantwortungen (Präsident des Nationalrates):

11/ABPR bis 13/ABPR


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 23

3. Regierungsvorlagen:

Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2021 (Bun­desfinanzgesetz 2021 – BFG 2021) samt Anlagen (380 d.B.)

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der Evange­lischen Kirche, das Bundesgesetz über finanzielle Leistungen an die altkatholische Kir­che und das Gesetz betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israeli­tischen Religionsgesellschaft geändert werden (405 d.B.)

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bürgerinitiative Nr. 1 betreffend "der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung"

Bürgerinitiative Nr. 14 betreffend "‘Nachtgutstunden‘ für alle ArbeitnehmerInnen in Pfle­geeinrichtungen"

Ausschuss für Konsumentenschutz:

Bürgerinitiative Nr. 10 betreffend "Gegen Bankomatgebühren – für einen unentgeltlichen Zugang zum eigenen Bargeld in Österreich!"

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Rechnungshofausschuss:

Bericht des Rechnungshofes betreffend Traunseetram – Reihe BUND 2020/34
(III-182 d.B.)

Umweltausschuss:

Änderungen des Protokolls von 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträu­mige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend persistente organische Schad­stoffe (406 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Siebenter Zusatzvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zum Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl zur Regelung vermö­gensrechtlicher Beziehungen vom 23. Juni 1960 (404 d.B.)

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):

Justizausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Justiz betreffend den Gesamtbericht über den Einsatz besonderer Ermittlungsmaßnahmen im Jahr 2019 (III-187 d.B.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr und von ORF III im Anschluss daran bis 19.15 Uhr übertragen wird; danach wird die Sitzung via Livestream kommentiert übertragen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 24

Antrag gemäß § 69 Abs. 3 GOG


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es liegt mir der Antrag gemäß § 69 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor, die Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz 2021 samt Anlagen in 380 der Beilagen in erste Lesung zu nehmen.

Ich darf jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen bitten. – Das ist einstimmig angenommen. Ich danke schön.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punk­te 6 und 7, 8 bis 11 sowie 17 und 18 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Ebenfalls nicht.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde ein Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß haben wir eine Ta­gesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ aufzuteilen. Es entfallen auf die ÖVP 156 Minuten, auf die SPÖ 108 Minuten, auf die FPÖ 88 Minuten, auf die Grünen 80 Minuten sowie auf die NEOS 64 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 32 Minuten. Die Rede­zeit pro Debatte wird auf 5 Minuten beschränkt.

Ich darf sogleich zur Abstimmung über die Redezeiten kommen.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch die Redezeiten sind einstimmig angenommen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der NEOS hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung einge­brachte schriftliche Anfrage 3749/J der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober betreffend „Per Pressekonferenz ins Corona-Chaos: Die Verantwor­tung von Gesundheitsminister und Bundeskanzler an der europaweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage spätestens um 15 Uhr be­handelt.

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich weiters mitteilen, dass die Abgeordneten Klubobmann Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen be­antragt haben, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 167/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelge­setz 2011 geändert wird, eine Frist bis 19. November 2020 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Wir gehen somit in die Tagesordnung ein.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 25

10.07.111. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Finanzen zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2021 samt Anlagen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Ich darf Herrn Bundesminister Blümel das Wort erteilen. – Bitte.


10.07.29

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Bundes­präsident! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen auf der Regie­rungsbank! Hohes Haus! Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Vor Ihnen liegt die budgetäre Antwort auf die Covid-Krise. Diese Antwort ist teuer, aber wir können sie uns leisten.

In den letzten Jahren hat die österreichische Bundesregierung unter Bundeskanzler Se­bastian Kurz eine solide Budgetpolitik verfolgt, und das versetzt uns jetzt in die Lage, ausreichend helfen zu können. Unsere verlässliche Politik der Vergangenheit rettet da­durch Arbeitsplätze der Zukunft, und das ist gerade jetzt wichtig. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Natürlich hätte ich mir als Finanzminister andere Rahmenbedingungen für dieses Budget und für Österreich generell erhofft. Auch wenn dieses Budget noch immer nicht mit ei­nem Budget in normalen Zeiten vergleichbar ist, ist es ein Indiz dafür, dass sich die Co­ronanebelschwaden langsam lichten und wir bei aller anhaltenden Dramatik der Situa­tion mehr Planbarkeit als zu Beginn der Pandemie haben.

Noch vor wenigen Monaten war das ganz anders, wie Sie sich erinnern können: Nie zuvor gab es in der Zweiten Republik innerhalb weniger Monate eine so hohe Volatilität bei den Wirtschaftsprognosen.

Als wir Anfang des Jahres als Bundesregierung angetreten sind und das erste Budget ausverhandelt haben, haben wir das auf Basis von gänzlich anderen Zahlen gemacht, auf Basis von Wachstumsprognosen von 1,2 Prozent für 2020. Anfang März, als die Budgets bereits mit den Ressorts ausverhandelt waren, hat sich das Coronavirus rasch in Europa ausgebreitet. Zu diesem Zeitpunkt haben wir das Wirtschaftsforschungsinstitut um eine Schnellschätzung die Auswirkungen betreffend ersucht, und die rasche Antwort war, dass eine Reduktion der Prognosen um 0,4 Prozent auf 0,8 Prozent Wachstum für heuer möglich wäre, und das war dann die Basis für das vieldiskutierte Budget in diesem Haus.

Eine Woche später war Österreich so stark von den globalen Auswirkungen des Corona­virus betroffen, dass wir einen 38 Milliarden Euro großen Schutzschirm für Gesundheit, Arbeitsplätze und Wirtschaft aufgespannt haben. Die Mittel für die Kurzarbeit wurden Ende März von bereits rekordverdächtigen 400 Millionen auf 1 Milliarde Euro erhöht. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass es nicht mehr um Budgetzahlen gehen kann, sondern darum gehen muss, möglichst viele Menschenleben, Arbeitsplätze und Unternehmen in dieser schwierigen Situation zu retten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Einen Monat später war auch keine Rede mehr von einem leichten Wachstum der öster­reichischen Wirtschaft, ganz im Gegenteil, die Prognosen haben sich von minus 2 Pro­zent bis minus 9 Prozent erstreckt; das als Beispiel dafür, welch unmögliche Planungs­grundlage diese für das Budget 2020 dargestellt haben. Alle Experten waren sich im Frühjahr einig, dass im Herbst, also jetzt, der richtige Moment für einen ersten Kassa­sturz ist, und heute können wir besser als im Frühjahr abschätzen, wie stark Österreich von dieser Krise getroffen sein wird, wie viel uns die Krise bisher gekostet hat und wie wir für die nächsten Jahre aufgestellt sind.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 26

Mittlerweile haben wir viel über das Virus und seine gesundheitlichen und wirtschaftli­chen Folgen gelernt. Wir haben nach einem Dreivierteljahr Erfahrungswerte gesammelt, welche Maßnahmen wirken und welche Bereiche unserer Wirtschaft besonders betrof­fen sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen vor allem eines: Höhere Infektionszahlen bedeuten höhere Arbeitslosigkeit! Deswegen müssen wir alles tun, um die Zahl der Infektionen zu reduzieren, um möglichst viele Arbeitsplätze in diesem Land zu retten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

All diese Erfahrungswerte führen nun zu adaptierten Wirtschaftsprognosen. Das Wifo geht in seiner aktuellen Prognose von Anfang Oktober für heuer von einem Wirtschafts­einbruch von 6,8 Prozent aus. Für nächstes Jahr wird ein Wachstum in der Höhe von 4,4 Prozent erwartet. Das heißt aber natürlich nicht, dass alles in bester Ordnung ist, ganz im Gegenteil, entgegen aller Hoffnung haben sich die Warnungen der Bundesregie­rung aus dem Frühjahr bewahrheitet: Wir stehen leider nicht am Ende, sondern mitten in einer globalen Wirtschaftskrise, die auch Österreich in ihren Bann zieht. Als Touris­mus- und Exportland trifft uns diese Situation sogar noch viel härter als andere Länder.

Zwischen Mai und August sind die Nächtigungen in Hotels, Pensionen und Ferienwoh­nungen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres landesweit im Schnitt um 33 Prozent auf knapp 40 Millionen zurückgegangen. Allein in Wien sind die Buchungen in diesem Zeitraum um 82 Prozent eingebrochen, und leider werden der Herbst und der Winter ebenfalls noch große Herausforderungen werden. Die Zahl der Infektionen steigt weiter, und einige Länder haben Reisewarnungen gegen Teile Österreichs erlassen, und das stellt eine Hiobsbotschaft gerade für die bereits schwer getroffene Tourismusbran­che dar.

Daher müssen wir erneut wirkungsvolle Maßnahmen setzen, um die Zahl der Infektionen zu reduzieren und die Reisewarnungen wegzubekommen. Jede und jeder Einzelne von uns kann durch ihr beziehungsweise sein Verhalten dazu beitragen, dass Arbeitsplätze von Freunden und Verwandten gesichert werden und Unternehmen in der Region besser durch die Krise kommen. Die Disziplin von uns allen in den kommenden Wochen redu­ziert langfristig den Schaden für den Standort. Je besser wir jetzt gemeinsam durch die Krise kommen, umso schneller kommen wir zurück zum Wohlstand und desto mehr Arbeitsplätze retten wir, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Um in dieser schwierigen Situation zu helfen, haben Regierungen weltweit zuerst Hilfs- und dann auch Konjunkturpakete geschnürt. Auch die österreichische Bundesregierung hat rasch und entschlossen reagiert. Wir haben bei unserer Regierungsklausur Mitte Juni den 38 Milliarden Euro großen Schutzschirm auf 50 Milliarden Euro erweitert und ein Konjunkturpaket hinzugelegt.

Mit unseren Maßnahmen haben wir drei Zielsetzungen verfolgt: erstens die Rettung von Menschenleben, Arbeitsplätzen und Unternehmen, zweitens die Entlastung der Bürge­rinnen und Bürger und drittens Investitionen in den Standort und die Wettbewerbsfähig­keit Österreichs. Das ist die richtige budgetäre Antwort auf die Covid-Krise, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Von den 50 Milliarden Euro sind aktuell rund 24,8 Milliarden Euro rechtsverbindlich zu­gesagt oder ausbezahlt. Aktuell haben wir unter anderem Anträge über 8,2 Milliarden Euro für die Coronakurzarbeit genehmigt, über 200 Millionen Euro an Fixkostenzu­schuss ausbezahlt, 6,8 Milliarden Euro an Steuerstundungen und Vorauszahlungshe­rabsetzungen bewilligt, 6,7 Milliarden Euro an Garantien vergeben, 100 Millionen Euro aus dem Non-Profit-Organisationen-Fonds und rund 600 Millionen Euro aus dem Härte­fallfonds ausbezahlt.

Wenn die äußeren Rahmenbedingungen schwierig werden, dann müssen wir es für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen eben leichter machen. Daher haben wir


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 27

mit 1. Juli 2020 die Mehrwertsteuer für bestimmte Branchen auf 5 Prozent gesenkt und bei der Umsetzung in der Praxis auf möglichst viel Kulanz und möglichst wenig Büro­kratie gesetzt. Diese Maßnahme werden wir aufgrund der weiterhin angespannten Situa­tion bis Ende 2021 verlängern, solange und sofern uns das natürlich die Europäische Kommission genehmigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade jetzt braucht es auch besondere Un­terstützung für Familien, für Arbeitnehmer, für Arbeitslose und für Pensionisten. Vor al­lem Menschen mit niedrigem Einkommen sollen jetzt mehr Geld im Börsel haben – wir setzen das mit diesem Budget um, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Durch den Coronabonus entlasten wir die Österreicherinnen und Österreicher in Summe mit einem Volumen von rund 2,7 Milliarden Euro. Davon entfallen auf die Senkung der ersten Stufe der Lohnsteuer ungefähr 1,6 Milliarden Euro, der Kinderbonus beläuft sich auf knapp 700 Millionen Euro, die höhere Sozialversicherungsrückerstattung auf 150 Mil­lionen Euro, und dazu kommt noch der Arbeitslosenbonus in der Höhe von insgesamt 200 Millionen Euro.

Mit all diesen Paketen bewirken wir starke Impulse für unsere Wirtschaft, aber auch eine wichtige Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger. Überdurchschnittlich profitieren dabei im Verhältnis zur Einkommenshöhe Alleinerziehende, Alleinverdiener, Arbeiter, Frauen und Personen mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen zwischen 15 000 und 25 000 Euro.

Professor Badelt vom Wirtschaftsforschungsinstitut hat bei einer Pressekonferenz am 1. Oktober gesagt: „Die Coronakrise war und ist massiv, aber wurde durch die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung ganz wesentlich abgefedert.“ Laut Wifo hat das un­terste Einkommensfünftel durch die Coronahilfsmaßnahmen in der Krise sogar ein wenig an Einkommen gewonnen.

Das Maßnahmenpaket hilft also besonders kleinen und mittleren Einkommen. Das ist nicht nur volkswirtschaftlich wichtig, sondern auch moralisch richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Neben den Akuthilfen haben wir vor allem Impulse im Bereich der Investitionen und zur Ankurbelung der Wertschöpfung gesetzt. Wir haben 2 Milliarden Euro für die Investi­tionsprämie zur Verfügung gestellt, aktuell sind dafür bereits 24 363 Anträge gestellt worden. Damit lösen wir eine Gesamtinvestition von etwa 16,6 Milliarden Euro aus.

Mit dem Gemeindepaket in der Höhe von 1 Milliarde Euro haben wir einen weiteren He­bel geschaffen, um kommunale Investitionen und Wertschöpfung vor Ort in der Gemein­de auszulösen. In diesem Zusammenhang sind mit Anfang Oktober bereits 781 Projekte in der Höhe von fast 100 Millionen Euro aus allen Bundesländern beantragt und ausbe­zahlt worden.

Wir haben mit dem Konjunkturpaket rasch und kraftvoll geholfen, und gleichzeitig haben wir auch die Weichen gestellt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes langfristig zu erhöhen. Allein durch die unbefristete Einführung der degressiven AfA mit 1. Juli er­warten wir einen Investitionsimpuls von bis zu 250 Millionen Euro im zweiten Halb­jahr 2020 und ab dem Jahr 2021 zusätzliche Investitionen von etwa 1 Milliarde Euro.

Das ist eine kleine wirtschaftspolitische Revolution, die sich wirklich sehen lassen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Neben der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Standortes müssen wir kurzfristig den Fokus vor allem auf den Arbeitsmarkt legen. Die Krise hat nicht nur für Unternehmen, sondern gerade für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer große Einschnitte mit


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sich gebracht. Mit Stand September 2020 waren 704 000 Personen in Österreich ar­beitslos oder in Kurzarbeit. Auch wenn diese Zahlen im Sommer deutlich gesunken sind, sind sie viel zu hoch, denn hinter jeder dieser Zahlen verstecken sich Einzelschicksale, und dadurch ist jede und jeder Arbeitslose eine oder einer zu viel. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir können diese Krise nicht ungeschehen machen, auch nicht am Arbeitsmarkt, aber wir können uns mit aller Kraft gegen ihre Auswirkungen stellen. In Summe stellen wir daher heuer und nächstes Jahr inklusive Kurzarbeit mehr als 29 Milliarden Euro für Ar­beit und Beschäftigung zur Verfügung. Noch nie zuvor wurde in Österreich dermaßen viel Geld für diesen Bereich zur Verfügung gestellt. Darauf bin ich sehr stolz, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Einige Maßnahmen diesbezüglich im Detail: Es wurde der Lehrlingsbonus zur Unterstüt­zung von Lehrbetrieben eingeführt. Dafür stehen dieses und nächstes Jahr 54,5 Millio­nen Euro zur Verfügung.

Wir haben mit der Einmalzahlung in Höhe von 450 Euro an arbeitslose Personen eine unmittelbare Krisenunterstützung ermöglicht und eine befristete Aufstockung der Not­standshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes erreicht.

Für die Coronakurzarbeit stellen wir heuer und nächstes Jahr mehr als 8 Milliarden Euro zur Verfügung.

Für die Implementierung einer Arbeitsstiftung zur Qualifizierung von bis zu 100 000 ar­beitslosen Personen sowie für den Bildungsbonus stellen wir bis ins Jahr 2022 700 Mil­lionen Euro zur Verfügung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir erhöhen nächstes Jahr die Mittel für den Ausgleichstaxfonds zur Inklusion von Men­schen mit Behinderung am Arbeitsmarkt um 40 Millionen Euro, und wir stocken das Per­sonal beim AMS um 350 Personen auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesen Beschlüssen sichern wir nicht nur Zigtausende Arbeitsplätze in der Krise, wir schaffen auch neue Perspektiven für die Zeit danach. Ich freue mich sehr, dass dieser Bundesregierung damit ein wirklich großer ar­beitsmarktpolitischer Wurf gelungen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Natürlich ist klar, dass diese Konjunktur- und Hilfsmaßnahmen sowie das schwierige wirtschaftliche Umfeld weitreichende Aus­wirkungen auf das Budget haben. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fallen die Ein­zahlungen per Ende September um 7,7 Milliarden Euro geringer aus. Gleichzeitig sind durch die bereits erwähnten Hilfen für Gesundheit, Arbeitsplätze und Unternehmen auch die Ausgaben massiv angestiegen, per Ende September um etwa 9 Milliarden Euro. Für 2020 rechnen wir mit einem administrativen Defizit im Bundesbudget von rund 28,5 Mil­liarden Euro. 2021 sind Auszahlungen von 97,4 Milliarden Euro und Einzahlungen in der Höhe von 76,4 Milliarden Euro geplant, und das ergibt ein administratives Defizit von 21 Milliarden Euro.

Wir werden die Maastrichtdefizitgrenzen von 3 Prozent des BIP heuer mit rund 9,5 Pro­zent Defizit klar überschreiten, und für 2021 und 2022 rechnen wir mit einem gesamt­staatlichen Maastrichtdefizit von 6,3 beziehungsweise 3,5 Prozent. Bis 2022 gehen wir mit heutigem Stand von einer Schuldenquote von 85 Prozent des Bruttoinlandsproduk­tes aus, und ab 2023 wollen wir wieder runter mit den Schulden und den Weg Richtung fiskalische Normalität gehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So schwierig dieser Weg in budgetärer Hin­sicht auch sein mag, ich bin davon überzeugt, es ist der richtige. Vor 75 Jahren hat Leo­pold Figl in seiner berühmt gewordenen Weihnachtsansprache gesagt: Ich bitte euch:


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Glaubt an dieses Österreich! In Anlehnung daran erlaube ich mir heute zu sagen (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker): Ich glaube an den Fleiß der österreichischen Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer und an die Kreativität und Leistungsfähigkeit der heimi­schen Unternehmen. Ich glaube daran, dass wir gemeinsam mit Disziplin, Zusammen­halt und Mut durch diese Krise kommen können. Ich weiß, dass der Weg Richtung Wachstum möglich ist. Dafür müssen wir bereit sein, vorübergehend auch Schulden zu machen. Für uns war aber immer klar: Ein Budgetüberschuss ist kein Selbstzweck, er ist die Vorsorge für die Krisen der Zukunft, und das haben wir richtig gemacht. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Zauberwort bei den Schulden, die wir jetzt machen, lautet: vorübergehend. Unser langfristiges Ziel muss es natürlich bleiben, den Staatshaushalt in Ordnung zu halten und unseren Wohlstand nicht auf Kosten unserer Kinder zu finanzieren. Wenn jetzt viel­leicht einer sagt: Endlich hat die ÖVP auch Keynes entdeckt!, dann sage ich Ihnen: Na­türlich hat Keynes recht – aber nur kurzfristig! (Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeord­neten der SPÖ.) In einer Situation wie jetzt zu sagen: Da darf der Staat nicht intervenie­ren, das muss der Markt von selbst regeln!, wäre das Gegenteil von sozialer Marktwirt­schaft, denn langfristig hat natürlich Hayek recht. (Beifall bei der ÖVP.)

Mehr Staat stabilisiert kurzfristig die Wirtschaft (neuerliche Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der SPÖ), verhindert aber mittelfristig notwendige Anpassungen an neue Herausforderungen und lähmt langfristig die Wachstumsdynamik. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.– Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, können Sie das da­nach in Ihrem Redebeitrag durchaus kundtun, Herr Kollege. (Abg. Heinisch-Hosek: Ge­nau! Abg. Leichtfried: Das war jetzt ...! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine Wahrheit von vor der Krise bleibt also auch nach dieser Krise bestehen: Langfristig schaden zu viel Intervention und zu hohe Staatsschulden einer Gesellschaft. Wer das leugnet, der belügt sich selbst und raubt den nachfolgenden Generationen die Zukunft (Zwischenruf des Abgeordneten Amesbauer), denn solche Schuldenleugner, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind den Klimaleugnern sehr, sehr ähnlich (Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch): Beide leben auf Kosten der Zukunft und hinterlassen der nächsten Generation verbrannte Erde. Wir tun beides nicht (Abg. Amesbauer: Schwa­che Rede!), und das schaffen wir mit diesem Budget, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zu Beginn dieser Rede habe ich gesagt: Wir können uns diese Antwort auf die Krise leisten. Das sieht man, wenn man auf die Ka­pitalmärkte blickt, denn trotz der aktuellen Krise und der damit verbundenen Hilfs- und Konjunkturpakete haben die Anleger langfristiges Vertrauen in Österreich. Die Republik hat unter den Investoren einen sehr guten Ruf. Noch im Jahr 2008 haben sich Österreich und Italien zu relativ ähnlichen Konditionen refinanziert – Österreich mit durchschnittlich 4,19 Prozent für die zehnjährigen Staatsanleihen und Italien mit 4,63 Prozent. Heute refinanziert sich Österreich über zehn Jahre bei minus 0,39 Prozent. Dadurch sparen wir den österreichischen Steuerzahlern rund 3,3 Milliarden Euro pro Jahr im Vergleich zu 2010.

Wir finanzieren uns aktuell so günstig, weil die Finanzmärkte auf eine Fortsetzung un­seres nachhaltigen Budgetkurses vertrauen und das auch entsprechend einpreisen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Diesen Österreichbonus, meine sehr geehrten Damen und Herren (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), den haben wir uns in den letzten Jahren gemeinsam erarbeitet, und jetzt profitieren wir alle davon. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Diese Krise ist nicht die erste und sie wird nicht die letzte sein, die wir in Österreich zu bewältigen haben, daher ist es wichtig, für diese und zukünftige Krisen


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bestmöglich gewappnet zu sein. Deswegen investieren wir mit diesem Budget auch be­wusst unabhängig von Corona.

Damit komme ich exemplarisch zu den einzelnen Ressorts.

Zur Sicherheit beziehungsweise Inneres, UG 11: Die Sicherheit ist uns ein großes Anlie­gen, das wissen Sie. Die Pandemie hat wieder einmal verdeutlicht, wie wichtig eine funk­tionierende Exekutive für unsere Gesellschaft ist. 2021 wird daher das Polizeibudget mit 215,3 Millionen Euro deutlich aufgestockt. Das ist eine Steigerung von 7,3 Prozent. Da­mit wird die Personaloffensive fortgesetzt, die mehr als 4 300 Planstellen mehr über die gesamte Legislaturperiode möglich macht. Das ist der richtige Weg für die Sicherheit in Österreich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir stärken auch das Bundesheer mit einer nachhaltigen Aufstockung auf rund 2,6 Mil­liarden Euro pro Jahr. Darunter fallen der Sanitäts- und Terrorschutz sowie das ABC- und Katastrophenschutzpaket. Zudem geben wir 2021 und 2022 je 20 Millionen Euro für Cybersicherheit aus.

Im Außenministerium gibt es ebenso Steigerungen: Bei humanitären Katastrophen wer­den wir unserer Verpflichtung zur Hilfe vor Ort nachkommen. Deswegen haben wir die Mittel des Auslandskatastrophenfonds bis 2024 um 125 Millionen Euro erhöht. Das ist mehr als eine Verdoppelung der Mittel gegenüber dem geltenden Finanzrahmen. Wei­ters wird die Anhebung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit fortgesetzt.

UG 10, Bundeskanzleramt: Erfolgreiche Integration ist wichtig, und daher stellen wir 2021 7,4 Millionen Euro für Regierungsvorhaben in diesem Bereich zur Verfügung. Auch eine Dokumentationsstelle von religiös motiviertem politischen Extremismus wird davon errichtet. Darüber hinaus verdoppeln wir im nächsten Finanzrahmen das Budget für Volksgruppenangelegenheiten. Für den Gewaltschutz für Frauen sind 2,5 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr vorgesehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Im Justizbereich setzen wir einen weiteren Schwerpunkt, um die überlangen Verfahrens­dauern künftig deutlich zu reduzieren und das Vertrauen in die Justiz wieder zu stärken. Für die Jahre 2021 bis 2024 wird das Budget der Justiz nachhaltig um insgesamt rund 300 Millionen Euro im Vergleich zum bestehenden Bundesfinanzrahmen erhöht.

Die Coronapandemie verursacht natürlich im Gesundheitsbereich erhebliche Zusatzkos­ten. Darunter fallen vor allem Testungen und die Kosten von Epidemieärzten. Für 2021 stellen wir deswegen zusätzliche Mittel in Höhe von rund 700 Millionen Euro in UG 24 und UG 21 zur Verfügung. Für den Ankauf eines Covid-19-Impfstoffes ist ebenso vor­gesorgt.

Österreich ist ein Land, dem das Alter etwas wert ist, das ältere Menschen wertschätzt. Deswegen stellen wir mit zusätzlichen 1,1 Milliarden Euro bis 2024 sicher, dass der stei­gende Finanzbedarf bei einer alternden Gesellschaft abgedeckt wird, meine sehr geehr­ten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Familie und Jugend, UG 25: Aufgrund der derzeitigen Wirtschaftsentwicklung kommt es zu sinkenden Einnahmen beim Familienlastenausgleichsfonds. Daher sind die entspre­chenden Leistungen für Familien, Kinder und Jugendliche selbstverständlich budgetiert. Da Familien in der momentanen Krise besonders unter Druck geraten sind, stellen wir 2021 90 Millionen Euro für den Familienhärteausgleich zur Verfügung, davon 50 Millio­nen Euro im Bundesministerium für Familie und Jugend und 40 Millionen Euro im Sozial­ministerium.

Der Umgang mit der Coronakrise hat vor allem Lehrerinnen, Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Für den digitalen Unterricht stellen wir daher 235 Millionen Euro zur Verfügung. Die Erhöhung des Bil­dungsbudgets in den nächsten Jahren bewirkt, dass es 2023 erstmals die 10-Milliarden-Euro-Marke überschreiten wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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Das Budget für Wissenschaft und Forschung steigt in den nächsten vier Jahren um 10 Prozent. Damit bekommen Universitäten um rund 1,2 Milliarden Euro mehr auf den Finanzrahmen. Bei der angewandten Forschung werden, was die standortrelevante For­schung betrifft, Zusatzmittel für Innovationsprogramme frei, und damit können signifikan­te Investitionen in Spitzentechnologien und klimafreundliche Industrien getätigt werden.

Zu UG 43, Klima- und Umweltschutz: Klimaschutz ist natürlich einer der Schwerpunkte dieser Regierung, und das zeigt sich auch klar im Budget. Über 1 Milliarde Euro – rund 1,1 Milliarden Euro – stellen wir 2021 bis 2024 zusätzlich zum geltenden Finanzrahmen für Umwelt- und Klimamaßnahmen zur Verfügung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Damit wird die thermische Sanierungsoffensive weitergeführt und der Ausbau von erneuerba­rer Energie weiter finanziert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

UG 41, Mobilität: Das Thema Mobilität ist im Zusammenhang mit dem Klimaschutz von größter Bedeutung. Daher investieren wir im nächsten Finanzrahmen zusätzlich 1,4 Mil­liarden Euro allein in diesen Bereich. Damit verbunden sind der weitere Ausbau des öf­fentlichen Verkehrs sowie die Finanzierung der ersten Ausbaustufe des 1-2-3-Klima­tickets. Für den neu beschlossenen ÖBB-Rahmenplan ist in den Jahren 2021 bis 2026 ein Gesamtbudget in der Höhe von 17,5 Milliarden Euro sichergestellt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zum Bereich Land- und Forstwirtschaft sowie Breitband, UG 42: Der ländliche Raum soll gestärkt werden, und deswegen werden über den gesamten Finanzierungsrahmen hinweg mehr Mittel als bisher zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden wir für den Breitbandausbau zusätzlich 41,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Zur Bewältigung der Krise im Forstsektor wird ein bis 2024 mit 262 Millionen Euro dotierter Waldfonds eingerichtet, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wirtschaft und Digitalisierung, UG 40: Um den Standort aus der Krise zu bringen und die Unternehmen zu retten, wird das Wirtschaftsbudget 2021 mit einem Plus von 602 Mil­lionen Euro verdoppelt. Auch die Digitalisierung werden wir bis 2022 mit einem Fonds von 160 Millionen Euro weiter vorantreiben.

Wir investieren außerdem in die Burghauptmannschaft Österreich. Mit den zusätzlichen Mitteln können nämlich wesentliche Bauprojekte verwirklicht werden. Dabei geht es um den Erhalt des kulturellen Erbes ebenso wie um die Modernisierung des Tiergartens Schönbrunn und den Erhalt der Gedenkstätte Mauthausen.

Kunst, öffentlicher Dienst und Sport, UG 32 und UG 17: Als ehemaligen Kulturminister freut es mich natürlich besonders, dass wir unser Bekenntnis zu Kunst und Kultur mit einer spürbaren Budgetsteigerung von insgesamt rund 150 Millionen Euro im nächsten Bundesfinanzrahmen untermauern. Damit können zum Beispiel auch die Festspielhäu­ser in Salzburg und Bregenz saniert werden. Außerdem wird die europäische Kultur­hauptstadt Bad Ischl 2024 mitfinanziert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Bei­fall bei ÖVP und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich komme zum Schluss: Ganz Österreich ist von der Coronakrise geprägt. Dieses Budget ist die Antwort auf die Krise in Zahlen, und vor allem ist es ein Budget, welches die Weichen über die Krise hinaus stellt: aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Standort. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Morgen findet in der ersten Lesung die Diskussion statt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 32

10.39.202. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 900/A der Abgeordneten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (402 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmidhofer. – Bitte.


10.39.49

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Werte Regierungsmitglieder! Herr Finanzminister! Ja, der Tourismus ist in den letzten Monaten wahrlich in eine tiefe Krise geschlittert, die Coronapandemie hat nicht nur in Österreich, sondern weltweit im Tourismus alles auf den Kopf gestellt. Während wir mit Maßnahmen die Sommersaison in einigen Regionen, in einigen Bundesländern, vor allem in den Seengebieten, noch relativ gut über die Runden bringen konnten, hat es uns insbesondere in der Stadthotellerie sehr, sehr getroffen.

Sehr hilfreich sind die Maßnahmen, die die Bundesregierung gemeinsam erarbeitet hat: die Haftungsübernahmen für den Tourismus, für über 7 500 Betriebe, der Härtefallfonds, die Kurzarbeit, das Wirtepaket mit 500 Millionen Euro für die Gastwirte, insbesondere die Mehrwertsteuersenkung auf 5 Prozent mit Aussicht auf Verlängerung, der Lehrlings­bonus, durch den wir bis zu 3 000 Euro für Lehrlinge zur Verfügung haben, die Investi­tionsprämie, ganz wichtig vor allem für die Regionen draußen, damit die Kreislaufwirt­schaft in Schwung gehalten wird, damit die Betriebe, die Handwerksbetriebe auch Be­schäftigung in den Regionen haben.

Frau Bundesministerin, dass wir die Testungen in den Tourismusbetrieben so forciert haben, hat natürlich auch dazu beigetragen, dass die Sommersaison diese Zahlen brin­gen konnte. Ein Beispiel aus meiner Heimatregion in Murau/Murtal: In einem Hotel wurde im Rahmen der Testreihe ein Mitarbeiter herausgetestet, und der Betrieb konnte er­folgreich weitergeführt werden. Das war für uns auch in Spielberg wichtig, wo die Formel-1-Saison ihren Start hatte, dass auch dort vorab getestet wurde, wodurch wir ein sicherer Gastgeber für dieses Schaufenster in die Welt hinaus waren.

Der Herr Finanzminister hat die Bedeutung des Tourismus in Österreich angesprochen: Der Tourismus trägt einen Anteil von 15 Prozent am BIP und einen Anteil von insgesamt 16 Prozent an der Beschäftigung in Österreich bei. Diese Zahlen unterstreichen die Be­deutung wohl eindrücklich.

Der Ausblick auf den Winter: Ich darf mich auch da für die gesetzten Maßnahmen be­danken und hoffe, dass die Zahlen hinuntergehen, denn das ist natürlich die Vorausset­zung für einen funktionierenden Tourismus. Nicht zuletzt auch einen herzlichen Dank an die Seilbahnwirtschaft, die da wirklich konstruktiv mitgearbeitet hat. Es findet ja im Win­tertourismus viel im Freien statt, und letztlich wollen wir ja mit einer gestärkten Touris­muswirtschaft gut gerüstet in die Wintersaison gehen.

Es ist klar, dass es dazu noch weitere Hilfsmaßnahmen braucht, und dazu dient der vorliegende Gesetzesantrag. Da darf ich mich bei allen Fraktionen bedanken: Wir haben im Tourismusausschuss diese Hilfen, die wir für den Kongress- und Veranstaltungstou­rismus dringend brauchen, einstimmig beschlossen. In den Städten haben wir nämlich folgendes Problem: Wenn niemand mehr etwas plant, dann wird auch dann, wenn die Zahlen besser werden, nichts stattfinden. Um dieses Risiko abzufedern, brauchen wir diesen Schutzschirm für die Veranstalter, damit sie dann nicht auf den Kosten sitzen bleiben, wenn etwas vorgeplant wird.


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Es wird eine Zeit nach Corona geben, und ich bin dankbar dafür, dass wir da einen gemeinsamen Beschluss gefasst haben, um dann wirklich treffsicher den Tourismus in Österreich wieder in Schwung zu bringen. Vielen Dank, dass wir da eine so große Allianz gefunden haben, und insbesondere der Regierung mit unserer Ministerin an der Spitze für die weitreichenden Maßnahmen zur Unterstützung der Tourismuswirtschaft einen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drozda. – Bitte.


10.44.37

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Guten Morgen, Herr Präsident! Geschätz­te Mitglieder der Bundesregierung! Jetzt haben wir 30 Minuten lang dem Finanzminister zugehört, der uns erklärt hat, warum sein Budget ganz hervorragend ist, warum es so brillant ausbalanciert ist wie sein Stand auf einem Balanceboard. Wir haben immer wie­der gehört, dass es kein Land gibt, das besser durch die Krise gekommen wäre als Ös­terreich. Die Wahrheit ist nur: Das stimmt nicht!

Das BIP ist in Österreich real um 6,8 Prozent gesunken, in Deutschland um 5,2 Prozent. Das Budgetdefizit ist in Österreich fast doppelt so hoch wie in Deutschland, und auch die Inflation ist doppelt so hoch. Die Zahl der Arbeitslosen ist in Deutschland um 20 Pro­zent gestiegen, bei uns in Österreich leider um 34 Prozent. Was diese Regierung also tut, ist, die Wahrheit so zu biegen, bis sie in türkisen Socken dasteht. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt könnte man sagen: Gut, er ist ein Wahlkämpfer, Teilzeitfinanzminister, Laptop hat er keinen, erinnern tut er sich nicht!, aber dann stellt sich schon die Frage: Wie sieht es zumindest mit der Lernkurve aus, was wurde in den letzten Monaten tatsächlich gelernt? Wenn man das seriös beurteilen will, dann muss man sich vier Punkte anschauen. Ein Budget in der größten Krise muss nämlich vier Punkte bewirken: Es muss erstens die Arbeitslosigkeit bekämpfen, zweitens Unternehmen das Überleben sichern, drittens die Kaufkraft besonders der Bezieher kleiner Einkommen garantieren sowie viertens durch öffentliche Investitionen das auffangen, was der Einbruch bei den privaten Investitionen ausmacht. Wenn wir uns das Budget nach diesen Kriterien anschauen, dann muss man sagen: Wenn im Budget überhaupt etwas dazu drinnen steht, diesen Kriterien genügt es leider nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Es fehlt Substanzielles für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Sie tun wenig für die Hundert­tausenden Menschen, die als EPUs oder auch als Arbeitslose den Großteil ihres Ein­kommens verloren haben, und massive öffentliche Investitionen und vor allem Auffanglö­sungen für Unternehmen bleiben zur Gänze aus. Während Wien mit der StolzaufWien GesmbH vorzeigt, wie man sich um unverschuldet in Not geratene Unternehmen küm­mert, stellt sich die Frage: Was macht eigentlich, Herr Finanzminister, die österreichische Staatsholding? Womit ist die Öbag beschäftigt? In Wahrheit ist es doch so, dass man es dort mittlerweile mehr mit Hausdurchsuchungen zu tun hat als mit wirtschaftspolitischen Fragestellungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gerstl: Das ist unglaublich, wirklich un­glaublich!)

Ich komme aus Oberösterreich, aus Traun, und ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, was sich im industriepolitischen Herzen Österreichs einst abgespielt hat. Wenn Sie heute tatenlos und anstandslos zusehen, wie die FACC 650 Mitarbeiter entlässt, wie in Steyr eine hundertjährige Qualitäts- und Erfolgsgeschichte von deutschen Managern zum Ausgleich der eigenen Unfähigkeit zu Grabe getragen wird, dann zeigt das nur, dass von ökonomischen Zusammenhängen in dieser Regierung wenig verstanden wird. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich lasse hier aus, was es für die 2 500 Beschäftigten in Steyr emotional heißt, wenn ihnen gegen jede Verabredung (Abg. Pfurtscheller: Zum Thema, Herr Kollege!) – und das hören Sie sich jetzt an! – das Werk zugedreht wird. (Abg. Gerstl: Zur Tagesordnung! Zur Sache!) Wir wissen eines: Jede dieser Arbeitslosen, jeder dieser Arbeitslosen kostet das Budget 30 000 Euro. Der Herr Finanzminister ist im Multiplizieren nicht so stark, ich mache mir die Mühe, ihm das vorzurechnen: Mit zusätzlichen 100 000 Arbeitslosen wird das Budget mit 3 Milliarden Euro belastet. (Ruf bei der ÖVP: Was hat das mit Tourismus zu tun?) Eine Politik, die sich um diese Frage nicht kümmert, soll keine Budgets machen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Herr Kollege Drozda, kennen Sie die Tagesord­nung? Die Debatte haben wir morgen!)

Es ist nämlich die gleiche Politik, die glaubt, in der Frage der Gemeindefinanzen und der Gemeindefinanzierung einen besonders schlauen Weg gefunden zu haben, indem näm­lich die Gemeinden zur Kofinanzierung verpflichtet werden, bei Hilfen, die jetzt dringend notwendig sind, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dachdecker, Spengler, Gärtner, unzähli­ge Betriebe werden keine Hilfe bekommen. Mir kommt das so vor – weil Sie ja im Wahl­kampf gern vom Nikolaus geredet haben –, wie wenn Sie sagen: Ein Nikolaussackerl gibt es nur für die Kinder, die vorher schon etwas in das Sackerl reingegeben haben! – Das scheint mir relativ sinnlos zu sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Pfurtscheller: Zur Tagesordnung, Herr Kollege!)

Sie haben vollkommen recht, wir sind beim Tourismus, bei den Künstlerinnen und Künst­lern. (Abg. Lopatka: Was haben Sie heute gefrühstückt? Da muss etwas dabei gewesen sein!) Wir haben im Ausschuss den Experten aufmerksam zugehört, wir wissen um die desaströse Situation. Es gibt einen kompletten Einnahmeneinbruch im Veranstaltungs­wesen, im Bereich der Kunst und Kultur.

Was war die Reaktion? – Großspurig wurde ein Rettungsschirm angekündigt, der einmal mehr keiner ist, weil er wieder keine rasche und wirksame Hilfestellung leistet. Frau Bun­desministerin, Sie haben mir die Frage nicht beantworten können, was eine Institution, die im März etwas plant, tatsächlich aus diesem Fonds bekommt. Das ist aber die ent­scheidende Frage für die Künstlerinnen und Künstler und die Veranstalter.

Aus diesem Grund bringen wir heute einen Entschließungsantrag ein, damit jedenfalls sichergestellt ist, dass die angekündigten Ausfallsentschädigungen so aufgesetzt wer­den, dass bei Absage einer geplanten Veranstaltung nicht nur der Veranstalter selbst, sondern auch die Vertragspartner – das sind die Künstlerinnen und Künstler, die Tech­nikerinnen und Techniker – entschädigt werden. Die vereinbarten Gagen sind in jedem Fall auszubezahlen. Der Antrag lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Echte Hilfe für Kulturveranstalter“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, in seinem Ressort eine Anlaufstelle für Kulturschaffende und Kulturinstitutionen zu schaf­fen und Hilfestellungen direkt zu vergeben, anstatt Kulturbetriebe und KünstlerInnen an fachfremde Institutionen weiterzureichen. Dabei soll auch ein eigener Haftungsschirm geschaffen werden, der sicherstellt,“ – und das ist jetzt der wichtige Unterschied – „dass Kulturinstitutionen beim Entfall geplanter Veranstaltungen wahlweise 90 Prozent der prognostizierten Einnahmen oder die bereits entstandenen Aufwendungen ersetzt wer­den.“

*****


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Abschließend vielleicht noch – weil so gern Hayek und auch Keynes zitiert werden – das Wort eines Ökonomen, den Sie gern zitieren, der etwas sehr Philosophisches über die Frage der Fristigkeit gesagt hat: „In the long run we are all dead.“ (Beifall bei der SPÖ.)

10.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Henrike Brandstötter

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Echte Hilfe für Kulturveranstalter

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 900/A der Abgeordneten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förde­rungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (402 d.B.) (TOP 2)

Die Kultur-, Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft ist von der COVID-19-Krise massiv betroffen. Nicht nur waren massive Einnahmenausfälle zu verzeichnen, sondern auch die Planung von zukünftigen Veranstaltungen ist mit Blick auf das jeweils aktuelle Infek­tionsgeschehen mit einem großen Risiko verbunden. Damit drohen massive Nachwir­kung für die Zeit selbst nach Ende der Pandemie. Um das Risiko für VeranstalterInnen und Kulturbetriebe zu minimieren, braucht es adäquate Unterstützungen des Staates. Nur so können Planungsprozesse trotz der derzeit unsicheren Situation ermöglicht wer­den. Sonst droht die kulturelle Verödung Österreichs.

Mit der vorliegenden Novelle des KMU-Förderungsgesetzes versucht die Bundesregie­rung diesem Umstand Rechnung zu tragen. Aufgrund der fehlenden Richtlinien sind der­zeit Details noch nicht bekannt. Im Ausschuss wurde von der Landwirtschaftsministerin lediglich ausgeführt, dass es sich um kein direktes Förder-instrument für Unternehmen bzw. für Veranstaltungen, sondern um Haftungen des Bundes für nicht stornierbare Kosten handeln solle. Auf die spezifische Situation von Kulturbetrieben wurde dabei nicht eingegangen. Auch in den Erläuterungen finden sich es hierzu keine Erwägungen. Je­denfalls sichergestellt werden muss, dass die angekündigten Ausfallsentschädigungen so aufgesetzt werden, dass bei Absage einer geplanten Veranstaltung nicht nur der Ver­anstalter selbst, sondern auch die VertragspartnerInnen (KünstlerInnen, TechnikerInnen etc.) entschädigt werden können. Die vereinbarten Gagen sind in jedem Fall auszube­zahlen. Darüber hinaus liegt die Entscheidungsbefugnis für die Veranstalter-Unterstüt­zung bei der Landwirtschaftsministerin.

Es ist daher zu befürchten, dass hier ein weiteres Instrument geschaffen wird, das wie­derum die spezifische Situation der Kulturbranche nicht berücksichtigt. Die Vergabe der Mittel soll über die Österreichische Hotel und Tourismusbank abgewickelt werden, die kein spezifisches Know-How zu Kulturinstitutionen verfügt. Bereits bisher wurden Kultur­schaffende für Hilfestellungen an fachfremde Institutionen wie Wirtschaftskammer oder aws verwiesen. Dabei haben Kulturschaffende leider die Erfahrung gemacht, dass sie durch die Richtlinien und Anspruchsvoraussetzungen von Leistungen der Fonds ausge­schlossen wurden. Kreative und Kulturinstitutionen brauchen jedoch endlich kompetente AnsprechpartnerInnen und eigens auf sie zugeschnittene Hilfsmaßnahmen. Es muss si­chergestellt sein, dass Kulturbetriebe – und hier vor allem auch kleinere Kulturinitiativen – von den Hilfsmaßnahmen auch tatsächlich profitieren können!

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport wird aufgefordert, in seinem Ressort eine Anlaufstelle für Kulturschaffende und Kulturinstitutionen zu schaffen und Hilfestellungen direkt zu vergeben, anstatt Kulturbetriebe und KünstlerIn­nen an fachfremde Institutionen weiterzureichen. Dabei soll auch ein eigener Haftungs­schirm geschaffen werden, der sicherstellt, dass Kulturinstitutionen beim Entfall geplan­ter Veranstaltungen wahlweise 90 Prozent der prognostizierten Einnahmen oder die be­reits entstandenen Aufwendungen ersetzt werden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.


10.52.01

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Regierungsmitglie­der! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Minister Blümel, vielleicht vorab zum Budget: Sie haben uns schon im Frühjahr ein Budget vorgelegt, zu dem Sie selbst gesagt haben, dass es ein Budget für den Mülleimer war. – Ich bin neugierig, wie lange dieses Budget vom Mülleimer verschont bleibt.

Jetzt zu Tagesordnungspunkt 2, zum KMU-Förderungsgesetz, das jetzt diskutiert wird: Es geht um die Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft, die man unterstützen möchte. Das ist wieder ein gutes Beispiel für die Maßnahmen, die die Regierung bisher in dieser Krise gesetzt hat, die laufend entsprechend angepasst, ergänzt und abgeändert werden müssen, weil sie eben ihre Wirkung verfehlen und zum Teil auch völlig unverhältnismä­ßig sind.

Zuerst werden Hilfsmaßnahmen in unzähligen Pressekonferenzen präsentiert – „Koste es, was es wolle“ – und irgendwann kommt man dann drauf, dass eine gesamte Branche nicht von diesen Hilfsmaßnahmen umfasst ist, wie wir es beim Kunst- und Kulturbereich oder bei vielen EPUs gesehen haben. So ähnlich ist es jetzt auch bei der Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft.

Wir haben jetzt die Situation, dass wieder ein neues Rettungspaket geschnürt werden soll, es sollen maximal 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Wir haben dem im Ausschuss auch zugestimmt, weil wir natürlich der Meinung sind, dass man Un­ternehmen schützen muss und ihnen in dieser Krise helfen soll.

Was aber brauchen die Unternehmen? – Die Unternehmen brauchen Planungssicher­heit. Die Unternehmen brauchen nicht nur materielle Hilfen, sondern sie brauchen Pla­nungssicherheit. Wie soll das funktionieren, wie soll man vernünftig planen, wie soll man einen Kongress planen, wie soll man eine Veranstaltung planen, wenn man nicht weiß, was diese Regierung morgen an Maßnahmen setzt?

Die Maßnahmen, die bisher gesetzt wurden, sind auch völlig unübersichtlich: Welche Maßnahmen gelten? Welche Vorschriften gelten quer durchs Land? Die Ampel wurde an dem Tag, an dem sie eingeschaltet wurde, auch gleich wieder ausgeschaltet. Es herrscht also völlige Unsicherheit bei den Unternehmen und dementsprechend auch Pla­nungsunsicherheit.


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Das große Damoklesschwert, das über den Unternehmen, den Unternehmerinnen und Unternehmern in diesem Land hängt, ist die Möglichkeit eines zweiten Lockdowns. Ver­schiedene Minister und Ministerinnen dieser Regierung haben das auch nicht ausge­schlossen. Was würde es wirklich bedeuten, wenn ein zweiter Lockdown kommt? – Ich zitiere jetzt den Chef des IHS, Herrn Martin Kocher, er sagt: Das „wäre fatal für die“ österreichische „Wirtschaft“. Es würde die Zahl der Unternehmensinsolvenzen, die oh­nehin steigen wird, weiter massiv erhöhen, das Staatsbudget würde völlig außer Rand und Band geraten, Unternehmen und Konsumentinnen und Konsumenten würden weiter belastet und die Krise würde noch länger nachwirken, als sie ohnehin schon wirken wird.

Jetzt ist natürlich immer die Frage: Ist das Überleben der Wirtschaft wichtiger als die Gesundheit? – Nein, natürlich nicht, die Gesundheit ist das höchste Gut und ist uns auch sehr wichtig. Martin Kocher sieht das ähnlich. Man muss aber auch die Verhältnismäßig­keit sehen. Wenn die Anzahl an Herzinfarkten steigt, weil die Menschen nicht mehr zum Arzt gehen, weil man der Coronakrise alles unterordnet, dann ist die Frage nach der Ver­hältnismäßigkeit gerechtfertigt.

Aus diesen Gründen, damit es diese Planungssicherheit für die Unternehmen gibt, werde ich einen entsprechenden Antrag einbringen. Ich fordere in diesem Antrag von der Bun­desregierung, dass sie einen zweiten Lockdown ausschließt. Sie wissen, welche fatalen Folgen dieser Lockdown für die Wirtschaft und vor allem für die gesamte österreichische Bevölkerung haben würde.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zweiten Lock­down ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft herstellen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend und öffentlich einen zweiten Lock­down definitiv auszuschließen, um so die dringend erforderliche Planungssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen und damit positive Signale für die Betriebe und ihrer Beschäftigten auszusenden.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Sie schreiben zu Ihrem Budget, Herr Minister Blümel: „wir schaffen [...] neue Perspek­tiven“. – Ich sage Ihnen, was die Perspektiven sind, wenn Sie so weitermachen: Wohl­standsverlust, Bildungsverlust und eine gespaltene Gesellschaft. Wenn Sie auf das Co­ver zu Ihrer Budgetrede „Aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Standort“ schreiben, dann können Sie unserem Antrag nur zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Zweiten Lockdown ausschließen – Planungssicherheit für die Wirtschaft her­stellen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 38

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 900/A der Abgeordneten Karl Schmidhofer, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere För­derungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (402 d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates am 14. Oktober 2020

In den letzten Monaten mussten sich viele Betriebe und Unternehmen in Folge von COVID-19 und des verordneten Lockdowns massiv verschulden und befinden sich nach wie vor, wenn auch mit branchenabhängigen Unterschieden, in einer wirtschaftlich äu­ßerst schwierigen Lage. Die WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk geht in der „Presse“ vom 8. September 2020 davon aus, dass die rund 230.000 Unternehmen in Gewerbe und Handwerk bis Jahresende einen Umsatzverlust von mindestens 11 Mrd. Euro hinnehmen werden müssen. Besonders hart trifft es Betriebe im Kreativ- und De­signbereich wie die Eventbranche bzw. Unternehmen im Gesundheits- und Wellness­sektor.

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Reisebürobranche, die für das Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang rund um die 80 Prozent rechnen müsse, so Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbandes Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im Ö1-Journal am 25. August 2020.

Äußerst prekär ist darüber hinaus auch die Situation im Gastronomie- und Tourismus­bereich: „Wir werden in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell“, bringt ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann die Lage im Tourismus auf den Punkt.

„Im Herbst drohe eine Pleitewelle, weil die Klein- und Mittelunternehmen in Österreich im Schnitt eine zu geringe Eigenkapitalausstattung hätten und weil dann diverse Stun­dungen aus der Coronazeit, etwa für Finanz- und Sozialabgaben, auslaufen, sagte vor wenigen Tagen der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), Christoph Badelt.“ Oberösterreichische Nachrichten, 18. Juli 2020.

Für zusätzliche Verunsicherung und damit weiterhin fehlende Planbarkeit für die heimi­schen Unternehmen und Beschäftigten sorgt der seit Wochen immer wieder auch von Regierungsseite ins Spiel gebrachte mögliche zweite Lockdown.

So schloss ausgerechnet Wirtschaftsministerin Schramböck einen zweiten Lockdown gegenüber der Kleinen Zeitung vom 8. Oktober 2020 mit den Worten: „Ich habe keine Glaskugel. Israel hätte sich auch nicht gedacht, dass es dazu kommen wird.“ nicht aus.

Wie drastisch die Auswirkungen eines zweiten Lockdowns für die Wirtschaft in Öster­reich wären, haben IHS und WIFO kürzlich dargelegt, die einen neuen Lockdown mit folgender Begründung als argen Schlag bezeichnen:

„Ein neuerlicher Lockdown in diesem Herbst könnte die BIP-Raten - laut Wifo heuer mi­nus 6,8 Prozent, 2021 plus 4,4 Prozent - um 2,5 bis 4,0 Prozentpunkte senken, warnte das Wirtschaftsforschungsinstitut am Freitag. (…) Im zweiten Quartal war der Tiefpunkt der Rezession erreicht, danach zog die wirtschaftliche Aktivität wieder kräftig an. Ein neuerlicher Lockdown freilich könnte die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal auf das Niveau des zweiten Quartals herunterdrücken und im gesamten Prognosezeitraum einen Wertschöpfungsverlust von 4,5 Prozent bewirken, warnt das Wifo.“ APA0140 Fr, 09.Okt 2020

Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Auswirkungen eines zweiten Lockdowns ist es dringend erforderlich, dass die Bundesregierung umgehend öffentlich einen zweiten Lockdown in Österreich ausschließt.

In eben diese Kerbe schlägt die Wirtschaftskammer, wenn Präsident Mahrer und Gene­ralsekretär Kopf in diesem Zusammenhang in einer Aussendung vom 9. Oktober 2020


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„wirtschaftspolitische Vernunft“ und die Verhinderung eines neuerlichen Lockdowns ein­fordern:

„Viele österreichische Betriebe werden weiterhin mit der größten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte ringen. Ein zweiter Lockdown ist undenkbar und daher unter allen Umständen zu vermeiden. Umso notwendiger ist jetzt, dass alle Beteiligten gemäß der wirtschaftspolitische Vernunft agieren, tragfähige Lösungen mittragen und positive Signale im Sinne der Betriebe und ihrer Beschäftigten aussenden“, betonen Mahrer und Kopf. (OTS0141 Fr, 09.Okt 2020)

In den Erläuterungen zu dem diesem Entschließungsantrag zugrundeliegenden Antrag wird unter anderem ausgeführt:

„Die Veranstaltungs- und Kongresswirtschaft ist von der COVID-19-Krise massiv betrof­fen. Aufgrund der Ungewissheit im Hinblick auf das künftige Infektionsgeschehen und den damit verbundenen Einschränkungen, ist die Planung von Veranstaltungen derzeit mit einem erheblichen Risiko verbunden. Die im weiteren Verlauf zurückhaltende Kon­zeption von Veranstaltungen führt zu einer Stagnation in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette.“

Wenn in den Erläuterungen weiters festgehalten wird, dass durch die Übernahme von Haftungen durch den Bund für nicht stornierbare Kosten die durch die COVID-19-Krisen­situation zum Erliegen gekommene Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Kongressen wieder ermöglicht werden soll, so ist dies zwar eine Maßnahme im Sinne der Wirtschaft. Echte Planungssicherheit für die heimischen Unternehmen wird aber erst dann gegeben sein, wenn die Bundesregierung einen Lockdown definitiv ausschließt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend und öffentlich einen zweiten Lock­down definitiv auszuschließen, um so die dringend erforderliche Planungssicherheit für die Unternehmen sicherzustellen und damit positive Signale für die Betriebe und ihrer Beschäftigten auszusenden.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte.


10.57.16

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bun­desregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, um gleich Klartext zu reden: Es gibt, was die Veranstaltungs- und Eventbranche anlangt, derzeit in Anbetracht der Infektionszahlen wenig Erfreuliches zu berichten, und daher war es vollkommen klar, dass wir für diese Branche zusätzliche Hilfe schaffen müssen.

Der Städtetourismus wurde bereits angesprochen. Wir wissen, dass es im Städtetouris­mus nicht rosig ausschaut, Wien hat in den Sommermonaten, also von Mai bis August, bis zu 81 Prozent des Umsatzes verloren. Mit ein Grund dafür sind natürlich die vielen Absagen im Kongress- und Veranstaltungsbereich. Pro Jahr kommen beispielsweise über 6 Millionen TagungsteilnehmerInnen zu Kongressen nach Wien.


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Diese Maßnahme, die wir heute beschließen, ist daher besonders wichtig. Warum? – Weil die Event- und Veranstaltungsbranche genauso wie die Kunst- und Kulturbranche vor allem eines braucht: Planungssicherheit.

Zum Antrag der SPÖ, weil darin formuliert wird, dass wir die KünstlerInnen und die Kul­turbetriebe an fachfremde Institutionen auslagern: Nein, so ist es nicht. Der Kunst- und Kulturbereich ist ein wichtiger Teil der touristischen Wertschöpfungskette. Warum kom­men beispielsweise Gäste zu uns nach Bregenz oder nach Wien oder nach Salzburg? – Ein Grund dafür sind Kunst und Kultur, das ist ein Wirtschaftsmotor – und da rede ich nicht nur von der Hochkultur. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um gleich auf noch einen Kritikpunkt betreffend Tourismusförderungsmaßnahmen, auf etwas, das immer wieder von verschiedenen Institutionen oder Organisationen in den Raum gestellt wird, wie beispielsweise der Urlaubsgutschein oder der Gutschein der SPÖ, einzugehen: Ich verstehe, dass das verlockend wirkt, weil es nach einer schnellen Maßnahme ausschaut. – Das ist es aber nicht. Erstens: Es ist extrem teuer und würde vor allem regional so unterschiedlich wirken, dass der Städtetourismus wieder nicht da­von profitieren würde. Zweitens – und das muss man dazusagen – sind Gutscheine ein­fach sozial nicht treffsicher. Warum beispielsweise braucht jemand wie Heidi Horten ei­nen Urlaubsgutschein? – Was wir brauchen, sind langfristige Lösungen, langfristige Lö­sungen wie die heute von uns gesetzte Maßnahme.

Und weil der Kollege von der FPÖ Planungssicherheit gefordert hat: Genau mit dieser Maßnahme können wir der Branche ein Stück Planungssicherheit zurückgeben. Wenn wir beispielsweise durch die Übernahme von Ausfallshaftungen in der Veranstaltungs­branche dieser unter die Arme greifen, können wir mehrfach helfen: Einerseits können wir bei den coronabedingten Absagen die Veranstalter und Veranstalterinnen entlasten. Gleichzeitig können wir in der unsicheren Lage, die einfach derzeit herrscht, quasi garan­tieren, dass sie die Veranstaltung wirklich planen können und unter gewissen Umstän­den durchführen können.

Wir wissen, dass sich gerade jetzt im letzten halben Jahr so gut wie niemand leisten konnte, einfach ins Blaue hinein zu investieren, weil niemand weiß, was im Endeffekt herauskommt, und mit diesem Beschluss geben wir der Branche etwas ganz Wichtiges, und das ist Planungssicherheit, und vor allem geben wir der Branche mit diesem Be­schluss eine Zukunftsperspektive. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

11.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiedler. – Bitte.


11.01.10

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Zu dieser Gesetzesänderung kann ich grund­sätzlich festhalten, dass Planungssicherheit in diesen Zeiten absolut sinnvoll und zu begrüßen ist, denn wenn die Regierung mit ihrem Regel- und Ampelwirrwarr schon kein soziales Sicherheitsgefühl schafft, dann ist zumindest finanzielle Sicherheit für Veran­stalter ein gutes Signal, damit auch wieder Veranstaltungen geplant werden können.

Allerdings liegt der Teufel wie so oft im Detail, denn ohne konkrete Richtlinien kauft man da die Katze im Sack. Im Moment ist alles noch sehr vage und nichtssagend. In der Begründung wird beispielsweise mit keinem Satz auf die Besonderheiten der Kultur­branche und deren Veranstaltungen eingegangen. Ebenso sollten die Zuständigkeiten im Kulturministerium angesiedelt sein und nicht im Ministerium für Landwirtschaft und Tourismus. (Beifall bei den NEOS.)


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Momentan sieht es so aus, als wären nur Unternehmen anspruchsberechtigt. Damit fallen gemeinnützige Vereine nicht unter diesen Schutzschirm, und das ist gerade im Kulturbereich natürlich verheerend, da viele kleine Kulturinitiativen zahlreiche Veranstal­tungen diverser Art machen und einen enormen Beitrag zum österreichischen Kulturle­ben leisten. Diese Initiativen wären dann nicht inkludiert, und das darf nicht passieren. Das heißt, dass die Rechtsform nicht ausschlaggebend dafür sein kann, ob Veranstal­tungen geplant und Aufträge vergeben werden können. Das macht keinen Sinn.

Daher muss sichergestellt werden, dass in den Haftungen für die nicht stornierbaren Kosten auch Künstlerinnen- und Künstlergagen enthalten sind, die aufgrund einer Um­satzbeteiligung am Ticketumsatz bemessen werden. Das Problem im Frühjahr war, dass aufgrund Höherer-Gewalt-Klauseln die meisten bei abgesagten Veranstaltungen um ihre Gagen umgefallen sind, und das droht jetzt im Winter wieder, wenn diese nicht ebenfalls abgesichert sind. Ebenso müssen die Vertragspartnerinnen und Vertragspartner – Tech­niker, Dienstleister – inkludiert sein und nicht nur die Veranstalter.

Aus diesem Grund fordern wir gemeinsam mit der SPÖ, dass die Kulturbranche wirklich berücksichtigt wird und nicht wie bisher stiefmütterlich behandelt wird. Wir fordern eine eigene Anlaufstelle im Kulturministerium. Es muss sichergestellt sein, dass auch kleine Kulturinitiativen und Kulturbetriebe sinnvoll umfasst sind. Das heißt, es braucht einen eigenen Haftungsschirm für Kulturveranstaltungen, der die Realität der Kulturbranche berücksichtigt und auch im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport angesiedelt ist.

Obwohl wir gemeinsam mit der SPÖ einen Antrag einbringen, stimmen wir dem vorlie­genden zu, wollen aber noch einmal festhalten, dass die Richtlinie im Sinne der Kultur­schaffenden und aller DienstleisterInnen im Kulturbereich die oben erwähnten Punkte berücksichtigen muss. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesminister. Ich darf ihr das Wort erteilen.


11.04.16

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren Abgeordne­te! Von Nova Rock bis zur Sommernachtsgala in Grafenegg, vom Radiologenkongress bis zur Energiesparmesse prägen Events, Veranstaltungen, Messen, Kongresse sehr wesentlich das gesellschaftliche, das kulturelle, aber vor allem auch das wirtschaftliche Leben in Österreich.

Speziell diese Veranstalter sind von den Auswirkungen der Coronapandemie besonders stark betroffen. Sie sind – neben der Städtehotellerie, der Reiseveranstaltungsbranche, dem gesamten Tourismus – eine der Branchen, denen zurzeit in weiten Teilen die Ge­schäftsgrundlage vollkommen fehlt. Das bedeutet über ein Jahr keine Einkünfte, weil genau diese Branche auch die erste war, die massiv von Einschränkungen und eben auch Absagen betroffen war. Viele Veranstaltungen waren auch über den Sommer nur bedingt möglich, und vor allem auch jetzt ist aufgrund der steigenden Infektionszahlen in der gesamten Branche sehr viel Verunsicherung spürbar.

Wir haben zurzeit sehr rigorose Auflagen, vor allem was den Indoorbereich betrifft; ohne Sitzplätze gibt es noch strengere Teilnehmerbeschränkungen. All das bedroht die Exis­tenz zahlreicher Unternehmerinnen und Unternehmer – trotzdem wissen alle, dass un­ser oberstes Ziel sein muss, auf der einen Seite die Gesundheit der Menschen zu schüt­zen und auf der anderen Seite vor allem jetzt auch die Infektionszahlen massiv nach unten zu bekommen. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an die gesamte


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Veranstaltungs-, Kunst- und Kulturbranche dafür, dass sie sich so intensiv an den Vor­beugemaßnahmen beteiligt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Wertschöpfung ist in Österreich enorm. Jährlich finden über 25 000 Seminare, Fir­mentagungen, Kongresse mit über 1,5 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Es sind ungefähr 2,3 Millionen Nächtigungen, die die Hotellerie durch diese Veranstal­tungen erzielt. Der September ist normalerweise der Topkongressmonat, was Teilneh­mer betrifft, gefolgt von Oktober, November, und dann beginnt es wieder im April, und wir erzielen rein aus diesen Veranstaltungen, aus dieser Branche eine Wertschöpfung von rund 9 Milliarden Euro und sichern mit diesen Veranstaltungen rund 144 000 Ar­beitsplätze.

Was wir hier planen, was wir hier machen, diesen Schutzschirm über diese Veranstal­tungsbranche zu spannen, ist einzigartig in ganz Europa – kein anderes Land hat eine derartige Haftungsübernahme, und kein anderes Land will vor allem auch dieser gesam­ten Branche so viel Zuversicht und eben auch Unterstützung bieten wie wir. Wir sehen darin eine ganz große Möglichkeit, von Festivals bis hin zu Messen, aber eben auch Kunst und den Kulturbereich unter diesen Schutzschirm zu nehmen. Es soll einfach auch wieder damit begonnen werden, dass Veranstaltungen geplant werden, dass Veranstal­tungen konzeptioniert werden.

Viele dieser Kongresse und Messen haben eine Vorlaufzeit von mehreren Monaten. Im Normalfall dauert es oft auch Jahre, bis Großveranstaltungen organisiert sind. Hier wol­len wir den Betrieben, den Unternehmern der Branche einfach auch das Risiko nehmen, das Risiko minimieren und ihnen eine Perspektive bieten, sodass sie der Arbeit in ihrem Betätigungsfeld auch nachgehen können.

Zukünftig soll bei einer Absage oder Einschränkung aufgrund der Coronapandemie eine Haftung erfolgen, die von der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank übernommen wird. Veranstalter und damit natürlich die gesamte Wertschöpfungskette bekommen Ausgaben ersetzt, die nicht mehr stornierbar sind, wenn Messen, Veranstaltungen, Kon­gresse coronabedingt ganz abgesagt werden müssen oder wenn diese nur einge­schränkt stattfinden können, Kapazitäten beispielsweise auch vor dem Sommer noch einmal reduziert werden müssen.

Die Branche ist extrem groß. Das ist nicht dieser eine Veranstalter, sondern es hängen an diesen Veranstaltungen zusätzlich Zigtausende Unternehmen und Arbeitsplätze. Das beginnt bei Technikern, geht über Caterer und Sicherheitsfirmen bis hin zu den Künst­lerinnen und Künstlern, die bei vielen dieser Veranstaltungen eben auch die Hauptstars sind.

Ich würde mich sehr freuen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wenn wir, genauso wie es auch im Tourismusausschuss der Fall war, hier eine einstimmige Zu­stimmung zustande bringen. Ich glaube, das wäre vor allem auch an die gesamte Ver­anstaltungsbranche ein sehr wichtiges Signal, damit es auch wieder Planungssicherheit für die Zukunft gibt.

Geschätzte Damen und Herren! Wir stehen vor einer wirklich sehr schwierigen und he­rausfordernden Zeit, was den Tourismus, die Veranstaltungsbranche, die Reisebranche, die Gastronomie betrifft. Es wird neue Lösungen und Antworten brauchen, es wird vor allem aber auch sehr viel Durchhaltevermögen brauchen, damit wir aus dieser sehr schwierigen Zeit herauskommen. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten mit unglaublich vielen Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen, die sagenhaftes Herzblut und unglaubliche Leidenschaft für ihr Tun an den Tag legen.

Wir wollen mit diesem Schutzschirm genau jene unterstützen, die jahrzehntelang das kulturelle, das wirtschaftliche, das gesellschaftliche Leben in diesem Land geprägt haben,


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denn die sollen das auch in Zukunft wieder tun. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Salzmann. – Bitte.


11.10.22

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allem auch liebe Zuseher vor den Fernsehgeräten daheim! Herr Kollege Drozda, ich bin schon sehr erstaunt über Ih­ren Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt Tourismus. – Ihnen ist der Tourismus offensichtlich völlig egal, Sie stellen sich hierher und reden über alles andere, nur nicht über den Tourismus. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, meine Damen und Herren, zeigt wieder einmal, dass die SPÖ von der Wirtschaft nicht allzu viel versteht. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Der Tourismus, meine Damen und Herren, ist ein großer und starker Wirtschaftszweig in Österreich. 16 Prozent der Be­schäftigten sind im Bereich Tourismus tätig, und der Tourismus bringt 15 Prozent Leis­tung für unser BIP. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Herr Kollege Drozda, wenn Sie hier vom Rednerpult aus von MAN reden, dann darf ich Ihnen schon auch sagen: Kollege Matznetter sitzt im Aufsichtsrat von ATB, und die Frage ist, was er dort weitergebracht hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Als Salzburgerin und als Österreicherin bin ich sehr stolz auf das, was unsere Tourismusbetriebe immer wieder leisten, gerade auch im Rückblick auf einen Gott sei Dank doch wider Erwarten guten Sommer, was die Ferienregionen an­langt. Wir haben Betriebe, die ihre Angebote im Bereich der sicheren Gastfreundschaft mit hoher Qualität ausstatten. Wir, wir als Österreicher, sind das Land der Gastlichkeit. Und was mir besonders gefällt: Wir reden nicht nur von Regionalität und Nachhaltigkeit im Tourismus, sondern wir leben auch danach.

Die vorliegende Novelle des KMU-Förderungsgesetzes – Frau Ministerin, Sie haben auch schon ausführlich darüber gesprochen – ist für uns ein ganz wichtiges Paket, ein Veranstaltungsschutzschirm, den vor allem die Bereiche in der Veranstaltungs- und der Kongresswirtschaft brauchen, damit diese Veranstaltungen auch wieder durchgeführt werden können und man daran teilnehmen kann.

Dieses KMU-Förderungsgesetz, meine Damen und Herren, ist in einen Reigen von vielen Maßnahmen eingebettet, die wir für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft in den letzten Wochen und Monaten umgesetzt haben und die auch weiter ausgebaut werden. Keine andere Branche wird in Österreich derzeit finanziell derartig unterstützt und ge­fördert wie der Tourismus, meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige Bereiche aufzählen:

Zum einen sind durch den Neustartbonus etwa 2 000 Menschen bereits wieder in Arbeit gebracht worden.

Der Härtefallfonds wird bis März 2021 verlängert.

Auch der Fixkostenzuschuss wird jetzt in der Phase zwei zielgerichteter und auch ge­nauer weiterentwickelt.

Das Testangebot Sichere Gastfreundschaft – davon, meine Damen und Herren, konnte ich mich mit Ihnen in den Betrieben, konkret in Salzburg, auch überzeugen – gibt ganz viel Sicherheit für unsere Gäste und Sicherheit für die Betriebe, und auch das ist jetzt


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mit 1. September mit den Jugendherbergen noch einmal neu erweitert worden, und auch die Campingplätze sind erfasst.

Die Investitionsprämie erfreut sich großer Beliebtheit; 7 Prozent an Investitionszuschuss, 14 Prozent dann, wenn darin die Ökologisierung oder die Digitalisierung auch mitver­packt ist.

Und ein ganz wichtiger Punkt ist die Mehrwertsteuersenkung, meine Damen und Herren: Durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf 5 Prozent konnten wir allen Betrieben wirk­lich ganz stark unter die Arme greifen. Das ist das Geld, das den Wirten und den Touris­musbetrieben tatsächlich in der Kasse bleibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Damen und Herren! Wir stehen vor einer extrem herausfordernden Wintersaison; die Frau Ministerin hat das vorhin auch schon angesprochen. Unsere Betriebe und un­sere Seilbahnen haben bereits viel in die Sicherheit investiert und haben sehr, sehr gute Konzepte entwickelt. Damit diese Wintersaison aber auch sicher stattfinden kann, braucht es jetzt klare Maßnahmen und vor allem auch die Einhaltung dieser Maßnah­men. Es braucht die Vernunft und die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen von uns, damit wir die stark steigenden Infektionszahlen auch wieder reduzieren können. Ich bitte Sie alle: Arbeiten wir gemeinsam daran und gehen wir gemeinsam den Weg in eine gute Zukunft! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Vorderwink­ler. – Bitte.


11.15.51

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kol­legin Salzmann, Kultur und Tourismus hängen sehr eng miteinander zusammen. In Salz­burg zum Beispiel, bei den Salzburger Festspielen, wären die Menschen wahrscheinlich verdurstet und verhungert, wenn es den Tourismus nicht gäbe. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie hier von Tourismus sprechen, dann muss man aber schon festhalten, dass mit dem KMU-Förderungsgesetz wieder alles in einen Topf geworfen wird. Es gibt nur eine Haftungsübernahme und diese wieder für viele Branchen. Der Tourismus alleine wird nicht berücksichtigt.

Es ist auch noch nicht genau festgeschrieben, wer wie viel bekommt, wie ausbezahlt wird. Die Richtlinien gibt es noch nicht; das haben Sie, Frau Ministerin, auch im Aus­schuss bestätigt, dass es sie noch immer nicht gibt.

Die Wintersaison beginnt – niemand weiß, wie. Es gibt dazu eine Anfrage von mir an Sie, Frau Ministerin, 15 Fragen, wie die Wintersaison beginnen soll – zurück kamen ein­einhalb Seiten inhaltslose Antworten. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leichtfried: ... sie weiß es nicht besser!)

Nun zurück zum Förderungsgesetz: Sie haben recht, die Unternehmer brauchen Sicher­heit, sie brauchen Planungssicherheit, aber wir befürchten, dass die Veranstalter im Tou­rismus da wieder durch den Rost fallen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Götze. – Bitte.


11.17.32

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wertes Hohes Haus! Sehr geehrte Da­men und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Kongresse, Seminare, Tagungen, Fes­tivals, Bälle – werden mir heuer abgehen –, Messen, Märkte, kulturelle Veranstaltungen,


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Sportevents – was wäre das Leben ohne sie? (Abg. Angerer: Habts ihr alles verboten!) Ich kann mir ein Leben ohne diese Events nicht vorstellen. Was wäre der Tourismus ohne diese Veranstaltungen, was wäre die österreichische Wirtschaft ohne diese Beiträ­ge? – Sie sind das, was das Leben bei uns schön, abwechslungsreich und auch interes­sant macht.

Die Veranstaltungsbranche ist ein sehr wichtiger Wirtschaftszweig. Rund 1 200 EPUs, KMUs erwirtschaften in Summe knapp 9 Milliarden Euro Wertschöpfung. Das sind etwa 3 Prozent des österreichischen BIPs. 140 000 Arbeitsplätze hängen daran, über 3 Pro­zent der österreichischen Erwerbstätigen. Und wie wir schon gehört haben, ist gerade die Veranstaltungsbranche von Corona massiv betroffen; seit März können nur ganz wenige Veranstaltungen stattfinden. Wir haben aber schon viel getan, schon viel hier beschlossen, um auch diese Branche zu unterstützen: Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, auch mit einer Ausdehnung auf Leasingraten, gerade in der Veranstaltungsbranche ein Riesenthema, auch die frustrierten Aufwendungen sind durch den Fixkostenzuschuss abdeckbar, und auch der Härtefallfonds ist auf ein Jahr verlängert worden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, aber es reicht nicht, denn die Branche kann nicht planen. Ein guter, ordentlicher Kaufmann oder eine gute, ordentliche Kauffrau kann derzeit keine Veranstaltung in den Jänner, Februar hinein planen, keinen Kongress, kein Festival, kein Frequency fürs nächste Jahr.

Da kommt der Veranstaltungsschutzschirm ins Spiel. Es ist eine Art geschützter Raum, in dem die Branche wieder zuversichtlich planen kann – in die Zukunft, langfristig –, Kon­zepte entwickeln, Verträge abschließen kann und dabei nicht das Risiko eingeht, auf den Kosten, die man damit möglicherweise auf sich nimmt, sitzen zu bleiben. Es ist also eine Haftungsübernahme, die wir mit diesem KMU-Förderungsgesetz beschließen. Das ergänzt die anderen Maßnahmen, es ist eine wichtige Ergänzung, damit wieder Planung möglich ist, und ich hoffe sehr, dass alle hier das so sehen und den Schutzschirm unter­stützen. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Großbauer. – Bitte.


11.20.55

Abgeordnete Maria Großbauer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Ja, Kollege Drozda, Sie stellen sich hierher und werfen dem Finanzminister vor, dass er sich nicht erinnern kann, dabei sind Sie derjenige, der sich offenbar nicht erinnern kann, was diese Bundesregierung für den Kunst- und Kulturbereich schon alles getan hat. Ich habe Sie schon in meiner letzten Rede daran erinnert und Ihnen alles aufgezählt, und wir haben auch gerade noch einmal gehört, was der Finanzminister, die Kulturstaatssekretärin, der Kulturminister und die Tourismusministerin schon alles für Instrumente geschaffen ha­ben. Wir besprechen jetzt gerade das zehnte Instrument, das Kunst und Kultur unter­stützt!

Der Budgetdienst hat erst gestern einen Bericht über die Überbrückungsfinanzierung für selbstständige Künstlerinnen und Künstler dargelegt. Von diesen 90 Millionen Euro sind schon 45 Millionen Euro ausbezahlt. Der NPO-Unterstützungsfonds hat schon 98 Millio­nen Euro ausbezahlt. Das sucht seinesgleichen in Europa. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es schlägt sich auch im Budget für 2021 nieder, wie wir heute vom Finanzminister in seiner Budgetrede gehört haben, und wenn ich mich richtig erinnere, Kollege Drozda, haben Sie als Kulturminister es nicht geschafft, 70 Millionen Euro für die Sanierung der


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Festspielhäuser in Salzburg und Bregenz bereitzustellen. Das ist eine Investition in die Zukunft und den Tourismus, in die Kultur und den Tourismus. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In Ihrem Antrag verlangen Sie eine Anlaufstelle – also wir haben nicht nur eine Anlauf­stelle, wir haben eine Kulturstaatssekretärin, die mit ihrem Team ein Dialogpartner von höchster Kompetenz und Praxisnähe ist. Weder ist die SVS den Kulturschaffenden fach­fremd noch die Wirtschaftskammer den Unternehmern. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Der Veranstaltungsschutzschirm in Höhe von 300 Millionen Euro ist natürlich für den Tourismus ganz, ganz wesentlich. Kongresstourismus ist ein wesentlicher Bestandteil. Wenn wir aber von der Veranstaltungsbranche reden, sind wir natürlich sofort auch bei Kunst und Kultur. Wie eng Kunst, Kultur und Tourismus zusammenhängen, zusammen­spielen, zusammengehören, sieht man in kaum einem Land so gut wie in Österreich. In einem Land, über das Touristen, die in die Bundeshauptstadt gekommen sind, zuletzt noch zu 70 Prozent gesagt haben, sie kommen wegen der Kultur, ist das natürlich ein enorm großes Thema.

Wenn ich jetzt mit höchst erfolgreichen – bisher höchst erfolgreichen – VeranstalterIn­nen oder Künstlerinnen und Künstlern spreche, höre ich: Früher hatte ich um diese Zeit schon 100 Auftritte für das nächste Jahr fixiert, jetzt habe ich zwei, und die wackeln. Deshalb soll dieser Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche wieder mehr Sicherheit bringen, Sicherheit in einer Krise, damit diese Branche überleben und weitermachen kann.

Der Schutzschirm ist übrigens für Veranstalterinnen und Veranstalter unabhängig von ihrer Rechtsform und Unternehmensgröße gedacht, Kollegin Fiedler, explizit nämlich auch für mittlere und kleinere Veranstalter, wie Staatssekretärin Mayer schon mehrfach bestätigt und ausgeführt hat. Die Abwicklung soll über die Österreichische Hotel- und Tourismusbank erfolgen, einen äußerst kompetenten Partner. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an die Tourismusministerin Köstinger für ihren Einsatz für Kultur und Tourismus in Österreich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

11.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schroll. – Bitte.


11.24.32

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Frau Kulturstaatssekretärin! Der Antrag auf Änderung des KMU-Förderungsgesetzes ist, sagen wir es einmal so, ein bisserl eine hatscherte Geschichte.

Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der türkisen Fraktion, haben es ja vorigen Donnerstag selber im Ausschuss gesagt: Es ist nicht ganz ausgereift, es ist ein bisschen wackelig. Und der beste Satz war: Wir bauen dieses Gesetz auf die grüne Wiese. – Das habe ich noch nie gehört  aber soll so sein.

Ja, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen definitiv in den Bereichen Touris­mus, Freizeitwirtschaft und Veranstaltungen ein Hilfspaket – ohne Zweifel! Ohne Sicher­heit wird es natürlich in diesen Bereichen keine fixen Planungen geben. Es braucht aber definitiv auch im Bereich von Kunst und Kultur explizit ein gutes Hilfspaket – Kunst und Kultur wurden schon einmal sehr auf die Seite geschoben. Kollegin Fiedler, Sie haben es richtig angesprochen: Warum ist die Kunst- und Kulturszene in diesem Bereich ange­siedelt, wo die Frau Landwirtschaftsministerin (Bundesministerin Köstinger: Tourismus!) die Förderzusagen tätigen und die Förderungen auszahlen wird?

Meine Frage, ob das Geld bei den Kulturunternehmen ankommen wird, darf ich, wie ich glaube, auch als Bürgermeister stellen. Letztendlich geht es bis in die kleinste Einheit –


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bis in die Gemeinden – hinunter, und letztendlich werden auch wir, die 2 095 Gemein­den, wieder dastehen und keine Förderungen bekommen.

Geschätzte Frau Klubobfrau, liebe Frau Kollegin Sigrid Maurer – sie ist leider gerade nicht anwesend, daher frage ich den Grünen Klub –: Sie haben natürlich diesem Gesetz­entwurf im Ausschuss auch zugestimmt. Was sagen Sie dazu, dass im Punkt 6, in der Ergänzung zu § 10 durch Abs. 1a, drinnen steht, dass im Zusammenhang mit den För­dermaßnahmen das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Kunst und Kultur herzu­stellen ist? Haben Sie dazu nicht eine Staatssekretärin Andrea Mayer, eine sehr enga­gierte Staatssekretärin?

Schon einmal wurde eine Staatssekretärin ausgetauscht – leider Gottes, glaube ich, un­verschuldet –, weil sie die Künstlerinnen und Künstler auf der dunklen Bühne hat stehen lassen – angeblich! Das steht wahrscheinlich auch im Zusammenhang mit der Frage, warum dieser Antrag im Tourismusausschuss behandelt wurde. Die Mittelverteilung, die Förderzusagen bleiben hundertprozentig in den Händen von Frau Landwirtschaftsminis­ter Köstinger. Warum, geschätzte Damen und Herren, wird nicht der zuständige Kunst- und Kulturminister beziehungsweise die Staatssekretärin damit beauftragt?

Wir brauchen ein adäquates, punktgenaues Konzept, nicht, wie im Ausschuss erwähnt, einen Feldversuch, einen mit 300 Millionen Euro ziemlich teuren Feldversuch. Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen, auch wir werden diesem Antrag zustimmen, denn wir sind uns unserer Rolle und unserer Verantwortung für diese Branche sehr, sehr bewusst. Wir werden aber ein Auge darauf haben und sehr genau schauen, wer wie viel von den 300 Millionen Euro bekommen wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weber. – Bitte.


11.27.45

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohe Vertreter der Bundesregierung auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Vor allem aber geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Wir haben heute in der Budgetrede von Bundesminister Blümel die Eck­daten zum Budget für 2021 gehört, und da hat man auch heraushören können, dass die Bundesregierung alles Menschenmögliche unternehmen wird, uns auch 2021 durch diese Krise zu bringen, so wie sie es bereits 2020 in der Krise gemacht hat. Wir können wirklich stolz darauf sein, in diesem Österreich zu leben und mit einer solchen Regierung arbeiten zu dürfen. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Dafür einmal ein großes Danke­schön! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir diskutieren bei diesem Tagesordnungspunkt über den Schutzschirm für unsere Ver­anstaltungs- und Kongresswirtschaft. Diese Bereiche sind auch ein ganz wesentlicher Bestandteil eines funktionierenden Tourismus in Österreich. Viele Besucher kommen ja erst aufgrund dieser Veranstaltungen nach Österreich, lernen bei dieser Gelegenheit Österreich kennen und schätzen, und die Gastronomie ist ein weiterer Bereich, der sehr stark davon profitiert.

Wir werden auch beim nächsten Tagesordnungspunkt über die Gastronomie, die es zu unterstützen und weiter zu fördern gilt, diskutieren. Jede Veranstaltung, die organisiert und durchgeführt wird, hat als Begleitbereich die Gastronomie. Somit profitiert auch die Gastronomie – und alle Menschen, die darin ihren Job haben, ihr Einkommen finden – mehr oder weniger von jeder Veranstaltung, und somit sind diese 300 Millionen Euro, die wir für diesen Schutzschirm eingeplant haben, ein sehr gut angelegtes Geld, um positiv in die Zukunft blicken zu können.

Eines ist auch ganz klar: Die Gastronomie ist ein wesentlicher Bestandteil in unserem Land Österreich und gehört zu unseren Besonderheiten dazu. Viele Menschen, die zu


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 48

uns kommen, schätzen gerade diese Kulinarik, die bei uns gelebt wird, und die gilt es zu unterstützen. Somit ist auch dieser Rettungsschirm beziehungsweise Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche, die damit Sicherheit erlangt, ein wesentlicher Beitrag dazu.

In diesem Sinne möchte ich mich bei Bundesminister Blümel recht herzlich dafür bedan­ken, dass er diese 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, die Veranstaltungen wieder entsprechend Platz greifen werden und wir ein Land sein können, das durch eine Vielfalt von Veranstaltungen gekennzeichnet war und auch weiterhin gekennzeichnet sein wird. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

11.30


11.30.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor ich zum Abstimmungsvorgang komme, frage ich die Klubobleute, ob wir abstim­men können. – Das ist der Fall.

Somit kommen wir zur Abstimmung.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 402 der Beilagen.

Ich ersuche die Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Drozda, Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Echte Hilfe für Kultur­veranstalter“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten An­gerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Zweiten Lockdown ausschließen – Pla­nungssicherheit für die Wirtschaft herstellen“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist auch die Minderheit, abgelehnt.

11.32.243. Punkt

Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 640/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Aus­baus der Gastronomie und Hotellerie im ländlichen Raum (403 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Vorderwinkler. Ich darf ihr das Wort ertei­len. Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 49

11.32.51

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungsmitglie­der! Werte Kollegen! In meinem Antrag betreffend Förderung des Ausbaus der Gastro­nomie und Hotellerie im ländlichen Raum geht es um die Stärkung des Zusammenhalts, um die Zusammenarbeit, um die Nachhaltigkeit, um die Sicherung von Arbeitsplätzen, und zwar bei jedem einzelnen Zulieferbetrieb. Es geht um die Stärkung jeder einzelnen Region, also um gezielte Förderung. Regionale hochwertige Landwirtschaft und Gastro­nomie bedingen einander. Es kann damit nachhaltig allen Betroffenen geholfen werden. Die Klein- und Mittelbetriebe in der Gastronomie und Hotellerie sind das Herz jeder Re­gion, jedes Wirtshaus ist ein soziales Zentrum. – Genau das muss gefördert werden, und darum geht es in meinem Antrag.

Leider wurde er im Ausschuss abgelehnt und ein Abänderungsantrag eingebracht, der sehr nebulos ist und in dem vieles wieder nicht konkret beschrieben wird. Das Wirtshaus­sterben wird auch angesprochen, aber was dagegen unternommen werden soll, wird wieder nicht definiert. Außerdem wird in diesem Antrag auch die Österreich-Werbung erwähnt, für die dieses Jahr bereits 40 Millionen Euro ausgegeben werden, daher meine Frage: Wird dann noch etwas für diese Veranstaltungsbranche ausgegeben? Wird noch etwas für Werbung und Marketing ausgegeben und kommt wieder nichts bei den Wirten und den Gastronomen an? (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie schon einen Abänderungsantrag machen, dann berücksichtigten Sie bitte die Bedürfnisse der Branche! Wir haben im Ausschuss von den Experten gehört, wie es geht. Es gibt Vorschläge der Gewerkschaft, von der ÖHT und so weiter. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernos­terer. – Bitte.


11.35.00

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Es tauchen immer wieder die Forderung und die folgenden Fragen auf: Der Tourismus muss für die Wintersaison planbar sein! Was spielt sich Weihnachten ab, was spielt sich über Neujahr oder im Jänner und im Februar ab? (Abg. Wurm: Gute Frage!)

Die Antwort von dieser Bundesregierung ist immer ganz klar. (Abg. Wurm: Gute Fra­ge ...!) Ich selbst als Wirt und Hotelier stelle mir auch die Frage, und ich weiß auch, wie es planbar ist, denn das sagen uns der Herr Gesundheitsminister, die zuständigen Ministerien und die Frau Bundesministerin für Tourismus jeden Tag: Wir müssen mit den Coronazahlen herunterkommen, damit es für Österreich keine Reisewarnung gibt!

Jeder Wirt und jeder Kollege, mit dem ich telefoniert oder geredet habe, wenn ich irgend­wo etwas trinken gehe, sagt zu mir immer wieder dasselbe: Was macht diese Regierung, damit wir die Zahlen herunterbekommen, dass der Wintertourismus wieder läuft? – Alles wollen sie haben, nur kein fixes Zusperren mehr; das wissen wir alle. (Zwischenruf des Abg. Wurm. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich spreche nun die Verantwortung der Oppositionsparteien an, ganz besonders die der Freiheitlichen Partei (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wurm), die immer, egal welche Maßnahmen von dieser Regierung gesetzt werden, sagt: Das ist alles ein Blödsinn! (Zwi­schenruf des Abg. Amesbauer.) Ihr könnt doch nicht um 11 Uhr zusperren, weil man dann einen Umsatzeinbruch hat, und eine Maske aufsetzen, ja, das geht schon gar nicht, weil man da keine Luft kriegt! (Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Ich frage mich, wie ein Maler und ein Arzt das machen, die beruflich immer die Masken tragen müssen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 50

Leute, wir wissen, in welcher Situation wir sind, und wir wissen auch, dass gewisse Maß­nahmen zu setzen sind! Oder wollt ihr wirklich wieder das haben, was jetzt rund um unsere Grenzen passiert? Wenn ihr ein bisschen Radio hört oder Zeitung lest, werdet ihr das wissen: Holland sperrt komplett zu, in der Tschechei: die Lokale komplett zu, das Essen darf man sich nur im Straßenverkauf mitnehmen. Ihr wisst, was sich in Spanien, in Madrid, abspielt; 6 000 Militärler werden dorthin geschickt, damit man das alles in den Griff kriegt, damit man die Zahlen herunterkriegt.

Warum will man die Zahlen herunterkriegen? – Aus zwei ganz einfachen Gründen: damit man diese Krise im gesundheitlichen und im wirtschaftlichen Bereich überstehen kann. Dazu braucht es gewisse Maßnahmen, und die Maßnahmen können nur Wirkung zei­gen, wenn alle sie befolgen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen – Zwischenruf des Abg. Loacker), und nicht, wenn die Menschen von gewissen politi­schen Parteien aufgehetzt werden (Zwischenruf des Abg. Amesbauer), wie jetzt noch vor der Wienwahl ein Schreiben von der Freiheitlichen Partei hinausgegangen ist, dass man das alles zu ignorieren hat und alles ein Blödsinn ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich sage euch ganz ehrlich: Das ist kein Verantwortungsbewusstsein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben heute von unserem Finanzminister die Budgetrede gehört – wer zugehört hat –: super, perfekt aufgestellt (Zwischenruf des Abg. Wurm), um die Krise ordentlich zu überstehen und die Zukunft zu gestalten.

Das Paket, das unsere Frau Bundesministerin für Tourismus, Elisabeth Köstinger, mit ihrem ganzen Team auf die Füße gestellt hat, bringt den Tourismus über diese Krise. Ich sage nur Schlagworte: Stundungen der Abgaben, Stundungen der Kredite, Überbrü­ckungskredite in Höhe eines Viertels des Jahresumsatzes, Mehrwertsteuersenkung, Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss. – Wer sich international ein bisschen auskennt, weiß, dass das eindeutig das beste Paket für die Tourismuswirtschaft ist, das hier in Österreich unter der Führung unserer Frau Bundesministerin für Tourismus geschnürt wurde.

Es wird auch bereits jetzt in dieser Krise in die Zukunft gedacht. Es ist der Landgastro­nomie steuerlich schon unter die Arme gegriffen worden, und heute beschließen wir hof­fentlich einstimmig diesen Antrag, dass wir etwas ausarbeiten, das uns zukünftig in der Landgastronomie und im Beherbergungsbereich drüberhilft. Das hemmt das Landgast­haussterben – ich bin am Land daheim, ich weiß, wovon ich rede. Wir werden da ein ordentliches Paket ausarbeiten.

Ich sage: Wenn eine Krise kommt, dann können wir sie – wie in jeder Familie auch – nur ordentlich bewältigen, wenn wir zusammenstehen und uns nicht auseinanderdividieren. Das fordere ich von euch ein! Politik könnt ihr wieder machen, wenn das vorbei ist, und jetzt heißt es zusammenstehen! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Nein!)

11.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.


11.40.05

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, der verbliebene Rest der Bundesregierung bietet wie gewohnt ein Bild des Jammers und der Panik. Auch ein Zeichen: Alle anderen haben die Regierungsbank bereits verlassen. Dass kaum noch jemand da ist, zeigt auch den Stellenwert, den diese Regierung der Gastronomie und dem Tourismus offensichtlich beimisst. Das sollte man schon einmal wissen, wie relevant und wichtig der Tourismus und die Gastronomie in Österreich für diese Regierung sind. Das ist ein Zeichen, das Sie hier abgeben, und das wird draußen sehr wohl gesehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 51

Vielleicht kommen wir zuerst ganz kurz zur Gastronomie: Kollege Obernosterer, du weißt es ganz genau, in den letzten Jahren wurde die klassische Gastronomie – das Gasthaus, das Wirtshaus – kontinuierlich kaputt gemacht: Allergenverordnung, Registrierkassen­pflicht, absolutes Rauchverbot. Den letzten Rest, der die letzten Jahre noch überlebt hat, macht ihr jetzt mit euren Maßnahmen endgültig kaputt und tot. Das ist die Wahrheit, Obernosterer, das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Obernosterer: Das ist nicht die Wahrheit!)

Einige Beispiele: Wenn Sie unterwegs sind, wenn Sie noch in die Gastronomie essen gehen – viele machen es ja gar nicht mehr –, haben Sie in den westlichen Bundeslän­dern um 22 Uhr Sperrstunde. Also wer auf diese hirnrissige Idee gekommen ist – Ent­schuldigung, Herr Präsident, falls es einen Ordnungsruf gibt –, der muss sich schon ein­mal auch in der Gastronomie sehen lassen und das jemandem erklären. Wie wollt ihr das jemandem erklären: 22 Uhr Sperrstunde?!

Jetzt sage ich euch noch etwas: Das wird beinhart von der Polizei kontrolliert, beinhart! (Abg. Obernosterer: Richtig!) Das heißt, um 22 Uhr müssen alle fluchtartig das Lokal verlassen haben. Da überlegen es sich sehr, sehr viele, überhaupt noch irgendwohin zu gehen – vollkommen verständlich, vollkommen verständlich!

Das heißt, ihr macht Maßnahmen, mit denen ihr weit, weit über das Ziel hinausschießt und die auch keine Auswirkungen haben. Was hat sich im Westen seit Einführung der Sperrstunde um 22 Uhr verändert? – Gar nichts. (Abg. Loacker: In die Schweiz gehen sie!) – Genau, in die Schweiz fahren sie. Die Leute feiern halt zu Hause weiter, vor allem auch die Jungen – also eine vollkommen praxisfremde Lösung. (Beifall bei der FPÖ so­wie des Abg. Loacker.)

Auch noch ein Thema: Man muss sich ja jetzt in der Gastronomie registrieren – ganz nett. Abgesehen davon, dass einige Scherzbolde Sebastian Kurz und Ähnliches drauf­schreiben (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), gibt es auch jene Fälle, bei denen der Datenschutz selbstverständlich nicht eingehalten wird. Das heißt, die Zettel liegen ir­gendwo herum, bringen genau gar nichts – und, und, und.

Jetzt komme ich zum Tourismus: Es wundert mich ja nicht, dass niemand von der ÖVP aus Tirol oder Salzburg da am Rednerpult steht, um das zu erklären. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) – Ja, ein relevanter, ein relevanter! Die Idee, die ihr hattet, war, das Land runterzufahren, damit dann im Dezember der Tourismus vielleicht wieder losgeht. Diese Idee, die ihr habt, wird nicht funktionieren. Die Deutschen werden die Maßnahmen noch einmal mit fünf Tagen Quarantäne verstärken. Das heißt, ich wünsche niemandem, der einen Tourismusbetrieb hat, den kommenden Winter, denn das wird eine Katastro­phe werden, und dafür seid ihr von der ÖVP verantwortlich (Zwischenruf des Abg. Ober­nosterer), ihr von der ÖVP und sonst niemand, Herr Kollege Obernosterer! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Da könnt ihr auch niemandem die Schuld und Verantwortung zuschieben. Die Unterneh­mer und vor allem auch die Angestellten wissen das. Wir bekommen jede Woche, jetzt wieder aktuell, 4 500 neue Arbeitslose dazu, und jede Woche steigt und steigt diese Zahl. Das ist ja auch kein Wunder. Was soll anderes passieren, als dass Betriebe in Konkurs gehen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren!?

In Wien sperrt die Hotellerie sukzessive die Hotels zu. Auch mein Hotel – nur ein kleines Beispiel – sperrt mit Ende Oktober ganz zu. Es ist tot! Es ist tot, Kollege Obernosterer, und das ist die Schuld der ÖVP.

Zum Abschluss – ganz wichtig – bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein, und ich würde mir wünschen, dass die ÖVP da einmal mitgeht und ein bisschen Vernunft zeigt:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 52

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beendigung der Sperrstundenvorverlegung und Kompensation der Einnahmenausfälle für Gastronomie und Tourismus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, vor dem Hintergrund der Verschärfungen für Gastronomie- und Tourismusbetriebe Maßnahmen zu setzen, die eine unmittelbare fi­nanzielle Kompensation für den dadurch entstandenen Schaden“ – in Milliardenhöhe – „sicherstellen, und sich mit Nachdruck für eine Aufhebung der derzeit in einzelnen Bun­desländern bestehenden Sperrstundenvorverlegungen einzusetzen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

11.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Beendigung der Sperrstundenvorverlegung und Kompensation der Einnah­menausfälle für Gastronomie und Tourismus

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 3: Bericht des Tourismusausschusses über den Antrag 640/A(E) der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Ausbaus der Gastronomie und Hotellerie im ländlichen Raum (403 d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates am 14. Oktober 2020

„Für die heimische Gastronomie bedeutet die heute von der Regierung verfügte Ver­schärfung der Corona-Maßnahmen einen weiteren schweren Schlag. Die Branche hat heuer im Zuge der Covid-19-Epidemie bereits drastische Umsatzeinbrüche erlitten“, so der Branchensprecher der Wirtschaftskammer Österreich, Mario Pulker vor dem Hinter­grund der ab Montag, 21. September 2020 seitens der Bundesregierung verordneten massiven Einschränkungen.

Denn seit Montag, 21. September 2020 gibt es eine Beschränkung von maximal 10 Per­sonen pro Tisch im Innenbereich, eine Maskenpflicht für Gäste im Lokal und auch private Feiern beim Wirten, wie z.B. Hochzeiten oder Geburtstagsfeiern, sind nur mehr bis 10 Personen möglich. Stornierungen und Absagen von bereits vereinbarten und or­ganisierten Feiern und Veranstaltungen sind damit vorprogrammiert, weitere Buchungen werden aufgrund der Einschränkungen wohl ausbleiben.

Damit dürfte auch das für die Gastronomie besonders wichtige Weihnachtsgeschäft mit Weihnachtsfeiern etc. wegfallen und damit eine massive Existenzgefährdung für die be­troffenen Betriebe drohen. Die Ballsaison dürfte vor dem Hintergrund dieser Einschrän­kungen wohl auch nicht stattfinden.

Der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich Karl Heinz Kopf stellt in einer Aus­sendung vom 17. September 2020 einerseits klar, dass „die Wirtschaft die neuen Schutz­maßnahmen mittrage“, bezeichnet aber andererseits die Situation für die Betriebe - im Tourismus und auch in vielen anderen Branchen - "schon jetzt als extrem herausfordernd


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 53

und fügt folgendes hinzu: „Nachdem es über den Sommer einen leichten Aufwärtstrend gegeben habe, spitzt sich die Lage jetzt wieder zu. Es müssen immer die wirtschaftlichen Konsequenzen berücksichtigt und eine Kompensation für besonders betroffene Betriebe mitgedacht werden".

Anstatt die wirtschaftlichen Konsequenzen tatsächlich zu berücksichtigen, ging man in einigen Bundesländern sogar noch einen Schritt weiter!

Denn in drei Bundesländern, nämlich Salzburg, Tirol und Vorarlberg, wurde und wird die Gastronomie durch eine völlig undifferenzierte Vorverlegung der Sperrstunde massiv in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt.

Offenbar im Sinne einer weiteren Schädigung der heimischen Gastronomie empfahl kürzlich sogar Finanzminister Gernot Blümel der Stadt Wien eine Vorverlegung der Sperrstunde wie in anderen Bundesländern.

Das Fass zum Überlaufen bringt aber ausgerechnet Wirtschaftsministerin Schramböck, die – anstatt sich für die Interessen der heimischen Wirtschaft einzusetzen – in einem Kurierinterview vom 5. Oktober 2020 Folgendes zum Besten gibt: „(…) Deshalb halte ich auch eine Sperrstunde um 22 Uhr in der Bundeshauptstadt für "sinnvoll", wie es sie be­reits in den westlichen Bundesländern gibt.“

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, vor dem Hintergrund der Verschärfungen für Gastronomie- und Tourismusbetriebe Maßnahmen zu setzen, die eine unmittelbare fi­nanzielle Kompensation für den dadurch entstandenen Schaden sicherstellen, und sich mit Nachdruck für eine Aufhebung der derzeit in einzelnen Bundesländern bestehenden Sperrstundenvorverlegungen einzusetzen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Neßler. – Bitte.


11.45.14

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde beim letzten Ta­gesordnungspunkt zum Tourismus viel über die ökonomische Situation gesprochen, auch von meinen Vorrednern und -rednerinnen, man darf aber eines nicht ausblenden, und das ist die soziale Seite davon.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, könnt ihr euch noch an die Abende erinnern, viel­leicht vor ein paar Jahren, als man gemeint hatte, dass einem die Welt zu Füßen liegt, an nicht enden wollende Nächte, in denen man das Gefühl hatte, dass wirklich alles möglich ist, an Nächte, in denen man Geschichten erlebt hat, an die man vielleicht noch Jahre später gerne zurückdenkt oder über die man noch Jahre später gerne mit jeman­dem spricht – vielleicht nicht unbedingt mit den Kindern? (Ruf bei der SPÖ: Interessante Rede!)

Stellt euch aber vor, ihr würdet jetzt mit 19, 20 Jahren beispielsweise ein neues Studium anfangen – ein neues Abenteuer, eine neue Stadt –, aber ihr kennt da nicht so viele


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 54

Personen! Jetzt hat man die Situation, dass man Onlinelearning hat, und es ist sehr schwer, dass man da Leute kennenlernt, ganz anders, als es früher war, wo man studie­ren gegangen ist und auf einem Fest einmal den Studienalltag hinter sich hat lassen können. Da fehlt natürlich die Nachtgastronomie, weil dies Orte sind, wo man sich trifft, wo man sich begegnet, wo man vielleicht Freundschaften schließt, die ein ganzes Leben lang halten, oder wo vielleicht sogar die eine oder der andere den Partner oder die Part­nerin kennengelernt hat. Da wir aufgrund der steigenden Infektionszahlen in dieser Si­tuation nicht viel machen können, ist es wichtig, dass wir wissen, was die Situation für junge Menschen bedeutet.

Herr Kollege Wurm, Sie wissen, dass die Registrierungspflicht und auch die vorverlegte Sperrstunde keine Bundesbeschlüsse sind, Sie sind ja länger Politiker als ich.

Es ist noch nicht lange her, im Mai haben wir erlebt, was es heißt, wenn unsere Gast­häuser, unsere Lokale zu haben, und wie sehr es uns fehlt.

Zum SPÖ-Antrag: Ja, der Ausbau der Gastronomie und so weiter ist wichtig, aber wir müssen zuerst einen Schritt davor anfangen, und das ist das Gasthaussterben. Mit die­ser Problematik müssen wir uns beschäftigen, denn das Gasthaussterben ist kein neues Phänomen, sondern das Phänomen des Gasthaussterbens gab es schon vor der Covid-Krise.

Dazu ist mir eine Aussage meiner Eltern in Erinnerung geblieben: Ich habe sie einmal gefragt, ob sich unser Gasthaus angesichts der Arbeitsstunden und des Arbeitsaufwan­des eigentlich wirklich rentiert. Da haben sie etwas sehr Schönes gesagt, sie haben gesagt: Um das geht es doch nicht! Was ist, wenn es unser Gasthaus nicht mehr geben würde, wenn die Leute im Ort keine Gelegenheiten mehr hätten, sich zu treffen? – Und genau das ist der Punkt. Ein Lokal ist nicht einfach nur ein Lokal, ein Lokal ist Lebens­qualität, ist Begegnung, ArbeitgeberIn, regionale Infrastruktur. (Abg. Wurm: Barbara, dann macht sie nicht kaputt, die Gastronomie!) Gasthäuser, Lokale sind Orte, wo man zusammenkommt (Abg. Wurm: Ja! Ja! Ja!), und darum sage ich immer, egal, ob es sich um ein kleines Dorf oder um eine große Stadt handelt, wenn unsere Lokale fehlen, dann fehlt dem sozialen Gefüge ein zentraler Teil, der nicht ersetzt werden kann. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Abg. Wurm. – Abg. Wurm: Und jetzt, Barbara, und jetzt?) Und wenn man einem Dorf oder einer Straße das Gasthaus, das Lokal wegnimmt, dann nimmt man ein Stück Gemeinschaft weg.

Ich freue mich sehr, dass wir jetzt mit diesem Antrag einen ersten Schritt gemacht haben. (Abg. Wurm: Die Grünen machen die Gastronomie kaputt, Barbara! Ihr macht die Gastronomie kaputt!) – Peter, ich lade dich herzlich dazu ein, dass wir uns zusammen­setzen, dass wir Maßnahmen erstellen, denn wir werden das Gasthaussterben nicht von heute auf morgen beenden können, das ist klar (Abg. Wurm: Aber ihr beschleunigt es!), das wird ein Repertoire an Maßnahmen brauchen.

Ich lade Sie wirklich ein, und zwar alle Parteien, dass wir daran weiterarbeiten, und ich freue mich, dass wir mit diesem Antrag einen ersten Schritt gesetzt haben. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Oberrauner. – Bitte.


11.49.49

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Regie­rungskollegium! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen zu Hause! Wir haben gehört, es geht um den Tourismus im ländlichen Raum. Man möchte in diesem Zusammenhang bitte auch erwähnen, dass 89 Prozent der Handwerker und der Leute


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 55

aus der Landwirtschaft vor Ort auch von dieser Branche leben und man sie in dieser Zeit auch berücksichtigen muss.

Kollege Obernosterer spricht von Maßnahmen. Er ist ein hervorragender Touristiker, hat eine hervorragende Struktur und weiß, wovon er redet. Unglücklicherweise sind aber die Maßnahmen, von denen Sie reden, nicht sichtbar. Es gibt Maßnahmen, die sind unklar, Verwirrung hat sich breitgemacht, es kennt sich niemand aus, was zu tun ist oder nicht zu tun ist. Ein Touristiker ist aber von der Saison abhängig (Zwischenruf des Abg. Ober­nosterer), er muss wissen, was er im Winter zu tun oder nicht zu tun hat. Es wird viel geredet, es kommt selten etwas an, wir haben keine klaren Regeln. Es geht um wenige Punkte, es geht um fünf Punkte (Abg. Obernosterer: Drei! Drei!), die jeder versteht. Es geht nicht um zehn Reden, in denen wir sagen, wir sind super und alles ist in Ordnung.

Ich möchte wirklich betonen, es sind acht Monate in der Coronakrise vergangen und politischer Stillstand wird den Touristikern die Saison nicht retten. Wir brauchen klare Rahmenbedingungen, klare und verständliche Regeln, wir brauchen vor allem Tempo – dringend! – und wir brauchen Liquidität über Maßnahmen, die leicht abzurufen sind. Und das brauchen wir jetzt, nicht morgen oder übermorgen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)

Da der Herr Finanzminister für sein tolles Budget so gelobt wird, möchte ich einmal mehr sagen: Die Unternehmen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Tourismus – wie generell – sind Ihre Geldgeber. Sie haben ihre Steuern gezahlt, sie haben dafür tag­täglich hart gearbeitet und das volle Risiko genommen, und dieses Geld wurde dem Ministerium und der Ministerin anvertraut. Ich muss aber schon sagen, diesem Vertrauen muss man auch gerecht werden, und zwar würde ich vorschlagen: mit mehr Staatspolitik und weniger Parteipolitik, mit Wissen, Kompetenz und Umsetzung statt Marketing, mit Einfühlungsvermögen und Empathie, ein bisschen Realpolitik und vielleicht ein bissl Leadership in der Krise. Das wäre ein guter Ansatz, dafür könnten Sie die Bevölkerung begeistern, denn dafür hat sie Sie gewählt und Ihnen das Vertrauen gegeben. Dabei würden wir Sie gerne unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Strache.)

11.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stamm­ler. – Bitte.


11.52.35

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Werte Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Wurm, wenn du glaubst, dass eine Gesellschaft, die täglich per Amazon mit Namen und Kreditkarte Waren bestellt und an die eigene Adresse versenden lässt, ein Problem damit hat, dass sie sich zum Schutz der eigenen Gesundheit im Gasthaus registrieren lässt, dann bestellst du dir am besten die Pizza nach Hause und versuchst das bitte, ohne deine Adresse dabei anzugeben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es gibt kein günstigeres, aber auch kein besseres Konjunkturpaket für den ländlichen Raum als das Stärken und Fördern von regionalen Wirtschaftskreisläufen. Die regionale Wertschöpfung in einer Region zu halten, jeden einzelnen Euro mehrmals zwischen den Branchen im Kreis laufen zu lassen: Genau das ist das Modell, das Österreich nach 1945 zu dem gemacht hat, was es heute ist. (Abg. Wurm: Das macht ihr gerade kaputt, jetzt!) Ich glaube nicht an die Theorie Hayeks, der von der göttlichen, übergeordneten Wirt­schaftsmacht gesprochen hat, ich glaube an die Individualisten da draußen (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), die mittels KMUs, mittels Gastronomiebetrieben und mittels bäuerlichen Familienbetrieben ein getragenes, lebendiges Land gestalten. (Beifall bei den Grünen.)

Genau die Gastronomie und die Hotellerie leben von der Kulturlandschaft und von der Identität einer Region. (Abg. Wurm: Was hat das mit der Identität zu tun?) Gemeinsam


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 56

wirtschaften heißt auch, die Bedürfnisse des Gegenübers zu verstehen, und heißt auch, miteinander zu reden. Das Dorfwirtshaus ist der Kommunikationsraum schlechthin, das ist das Facebook und Twitter des ländlichen Raums. (Abg. Wurm: Das sind ja alles nur Lippenbekenntnisse!)

Spannungen, die zwischen Landwirtschaft und Tourismus entstehen, können sich am besten dann auflösen, wenn man voneinander profitiert. Diese Spannungen bestehen, ich bin selbst Bauer und weiß ganz genau, wie es zu Schwierigkeiten führt, wenn der Miststreuer vor der Frühstücksterrasse des Hotels vorbeifährt, wie es zu Problemen führt, wenn Touristen und Touristinnen über Almen und durch Weideviehherden lat­schen, und wie es zu Problemen führt, wenn Mountainbiker durch die Wälder fahren. Dieser Antrag führt zu einem besseren Verständnis und kann trotzdem nur ein erster Schritt sein.

Wir wechseln jetzt den Ort und gehen nach Traunkirchen am Traunsee, wo ein örtlicher Gewerbetreibender versucht, ein Gasthaus mit angeschlossener Hausschlachterei wie­der zum Leben zu erwecken, und an Grenzen stößt, obwohl sich das gesamte Dorf in­klusive des Bürgermeisters dafür einsetzt, damit das Gasthaus, das das einzige Gast­haus im Dorf wäre, wieder aufsperren kann. Warum stößt er an Grenzen? – Weil dort ein Zweitwohnsitzbesitzer alles blockiert. Das betrifft die Raumordnung, das betrifft die Gewerbeordnung. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wir haben noch viel zu tun, aber ich freue mich auf den ersten Schritt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

11.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmied­lechner. – Bitte.


11.56.17

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Geschätzte Zuhörer und Zuhörerinnen! Vor der Krise haben der Tourismus und die Freizeitwirtschaft bis zu 16 Prozent des BIP erwirtschaftet. Im Tourismus waren über 300 000 Menschen beschäftigt. Es war eine der Sparten, in denen es immer freie Stellen und Arbeitsplätze gab. Mit Ihrer Politik der Angst, Hysterie und Panikmache haben Sie das zerstört. Sie haben die zweite Welle herbeigetestet, und damit gefährden Sie Tau­sende Arbeitsplätze! (Beifall bei der FPÖ.)

Ein großer Teil dieser Arbeitsplätze ist – man muss schon fast sagen: war – im ländli­chen Raum angesiedelt. Tourismus und Landwirtschaft sind eng verbunden, zusammen bringen sie Wertschöpfung in die Regionen und halten das Leben im ländlichen Raum aktiv. Für unsere Wirtshauskultur, die Gastfreundschaft und die tollen Produkte, die dort angeboten werden, sind wir weltweit bekannt. Gerade die Gastronomie und die Hotel­lerie brauchen dringend unsere Unterstützung. Die Prognosen für die Wintersaison sind erschreckend: Ein Nächtigungsrückgang von bis zu 60 Prozent wird erwartet.

Meine Damen und Herren! Wir sind gefordert, wir müssen unsere Gastronomie retten. Die Regionalität ist das, was sich die Kunden wünschen. Die Regionalität ist das, was Wertschöpfung im Land hält. Die Regionalität ist das, was den Erhalt der kleinen und kleinsten Betriebe am Land sicherstellt. Wir müssen das Gastgewerbe und die heimische Hotellerie als einen starken Partner der Landwirtschaft in dieser Krise unterstützen. Sie alle sind schuldlos in diese Krise hineingeraten und dürfen nicht alleingelassen werden. Eine gezielte Förderung ist Gebot der Stunde und muss umgesetzt werden.

Sie haben versprochen: „Koste es, was es wolle“; Sie haben versprochen: Niemand bleibt zurück. – Es bleibt zu hoffen, dass Sie auf Ihre Versprechen nicht schon wieder vergessen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.58


11.58.42


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zum Abstimmungsvorgang kommen, frage ich, ob wir schon beginnen kön­nen. – Danke schön.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Tourismusausschusses, seinen Bericht 403 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 640/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Ich darf die Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen ersu­chen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 403 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Maßnahmen gegen das Gasthaussterben, vor allem in ländlichen Regionen“.

Wer dieser Entschließung die Zustimmung erteilt, den darf ich bitten, sich zu erheben. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (95/E)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Beendigung der Sperrstundenvorverlegung und Kompensation der Einnahmenausfälle für Gastronomie und Tourismus“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.00.144. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapoliti­schen Bericht 2019 der Bundesregierung (III-150/373 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zum 4. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lopatka. Ich darf ihm das Wort erteilen. – Bitte.


12.00.36

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Mi­nister! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie umfassend das außenpolitische Engagement Österreichs ist, zeigt der Außen- und Europapolitische Bericht 2019. Auf 260 Seiten wird ein detaillierter Überblick darüber gegeben, was Ös­terreich innerhalb der Europäischen Union leistet, welche Rolle Österreich spielt. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Als zweiter großer Bereich werden die Initiativen angesprochen, die wir multilateral set­zen, vor allem innerhalb der Vereinten Nationen, und ein dritter großer Punkt dieses Berichtes ist das entwicklungspolitische Engagement Österreichs.

Ich möchte mich vor allem auf zwei Punkte konzentrieren, die uns immer wichtig waren beziehungsweise die uns sehr betreffen. Das eine ist, dass Österreich eine Tradition hat, wenn es um die EU-Erweiterung geht, vor allem, was Südosteuropa betrifft, was den Westbalkan betrifft. Slowenien und Kroatien aus dem ehemaligen Jugoslawien sind mitt­lerweile starke Partner in der Europäischen Union, aber andere sind erst auf dem Weg in die Europäische Union. Um die Stabilität in Südosteuropa sicherzustellen, ist es uns ganz wichtig, dass für diese sechs Beitrittswerber am Westbalkan auch eine glaubwür­dige Beitrittsperspektive aufrechtbleibt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 58

Im Bericht 2019 waren wir noch in einer Position, in der wir uns dafür stark gemacht haben, die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien aufzunehmen. Mitt­lerweile sind wir da einen Schritt weiter, das ist auch ganz, ganz wichtig.

Anders sieht aber die Entwicklung aus, was einen anderen Beitrittskandidaten betrifft, nämlich die Türkei. Da hat sich die Situation zunehmend verschlechtert, und die Position, die Österreich mittlerweile schon relativ lange einnimmt, stellt sich immer mehr als die richtige heraus. Die Türkei hat sich von der Europäischen Union entfernt und ist daher auch weit davon entfernt, dieser Europäischen Union beitreten zu können.

Ankara betreibt zunehmend eine Politik, die Krisen in der Region verschärft, eine Politik, die eigentlich auf Krisen angelegt ist. Das hat 2016 mit der Invasion in Syrien begonnen, hat auch im Vorgehen der Türkei gegen die große kurdische Minderheit eine Fortsetzung gefunden. 2018 ist die Türkei dann in Afrin – das hat ja auch unser Haus beschäftigt – einmarschiert, 160 000 Kurden sind zur Flucht gezwungen worden.

Es wird heute hier auch einen gemeinsamen Entschließungsantrag geben, den bei ei­nem weiteren Tagesordnungspunkt die Grünen einbringen werden, in dem wir uns, mei­nes Erachtens richtigerweise, mit dieser Situation beschäftigen und an die Bundesregie­rung herantreten, entsprechende Initiativen, vor allem auf europäischer Ebene, zu set­zen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nach Syrien schickte die Türkei dann im Jänner 2020 Milizen nach Libyen, und jetzt, in den letzten zwei Wochen, hat die Türkei ganz massiv aufseiten von Aserbaidschan in den Konflikt um Bergkarabach eingegriffen. Innerhalb von 14 Tagen wurden dort schon offiziell mehr als 600 Todesopfer gemeldet.

Daneben spricht die Türkei auch ganz unverhohlen massive Drohungen gegen die bei­den EU-Mitgliedstaaten Zypern und Griechenland aus. Sie spricht aber nicht nur Dro­hungen aus, sondern sie schickt auch Schiffe völkerrechtswidrig in diese Region.

Daher sage ich: Wer so handelt, hat keinen Platz in der Europäischen Union – heute nicht und auch morgen nicht. Ich glaube, das sollten wir auch seitens des österreichi­schen Parlaments ganz klar sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Ich darf aber zu einer Krise, die jetzt eben auch durch die Türkei verschärft worden ist, einen konkreten Entschließungsantrag einbringen – Sie müssen etwas Geduld haben, das ist ein etwas längerer Entschließungsantrag –:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Pamela Rendi-Wag­ner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle Situation in der Region Bergkara­bach“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird ersucht, auch weiterhin auf bilateraler und multilateraler Ebe­ne für eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und die Einhaltung des Völker­rechts, vor allem jenen völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölke­rung und ziviler Infrastruktur, durch beide Seiten entschlossen einzutreten. In diesem Zusammenhang wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegen­heiten ersucht, auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die Europäische Union, humanitäre Hilfe für die betroffene Zivilbevölkerung zur Verfügung stellt und ihren Ein­fluss auf alle beteiligten Akteure im Konflikt um Berg-Karabach, geltend macht, um den Zugang zur humanitären Hilfe für die Versorgung der Zivilbevölkerung sicherzustellen.“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 59

„Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die Europäische Union ihren Einfluss auf alle beteiligten Akteure, insbesondere die Türkei, geltend macht, um die äußere Ein­mischung in den Konflikt wie Waffenlieferungen an die Konfliktparteien zu stoppen und auf eine rasche Deeskalation hinzuwirken, eine nachhaltige Waffenruhe umzusetzen, sich- sofern es die COVID-19 bedingte Situation erlaubt- für eine rasche Rückkehr der OSZE Beobachter einzusetzen, und eine Rückkehr zum Verhandlungstisch zu erzielen. Ebenso wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Union einen inklusiven Friedens­prozess aktiv unterstützt und sich für die nachhaltige Stabilisierung der Region einsetzt.

Zudem wird der zuständige Bundesminister ersucht, sich für eine friedliche Beilegung des Konflikts in Bergkarabach durch substantielle Verhandlungen unter der Schirmherr­schaft der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE einzusetzen und bei Bedarf di­rekte Gespräche in Wien zwischen Armenien und Aserbaidschan zu ermöglichen.“

*****

Ich bitte Sie, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. Wien wäre ein ganz wichtiger Ort, wie schon bei anderen Verhandlungen, um zu einer friedlichen Lö­sung zu kommen.

Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, wäre das auch seitens unseres Parlaments ein star­kes Signal. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Pamela Rendi-Wag­ner, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die aktuelle Situation in der Region Bergkarabach

eingebracht im Zuge der Debatte Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2019 der Bundesregierung (III-150/373 d.B.) (TOP 4)

Ende September ist der seit Jahrzehnten schwelende Territorialkonflikt zwischen der Re­publik Armenien und der Republik Aserbaidschan um die Region Bergkarabach erneut aufgeflammt. Am 27. September wurde in Armenien sowie in Aserbaidschan der Kriegs­zustand erklärt und die Mobilmachung von militärischen Einheiten angeordnet. Seither kommt es zu immer schwereren militärischen Kampfhandlungen entlang der gesamten Kontaktlinie und darüber hinaus. Es kommen auf beiden Seiten schwere Artillerie, Kampf­hubschrauber, Flugzeuge und Kampfdrohnen zum Einsatz. Bei diesen Kampfhandlun­gen handelt es sich um die schwersten Gefechte seit Inkrafttreten des Waffenstillstands von 1994. Armenien und Aserbaidschan werfen sich gegenseitig die Schuld für die Eska­lation und Angriffe auf die Zivilbevölkerung vor.

Gerade für die Zivilbevölkerung spitzt sich die Situation immer mehr zu. Es gibt beunruhi­gende Berichte über Angriffe auf Dörfer und Städte sowie Zerstörungen der zivilen Infra­struktur wie Schulen und Krankenhäuser durch schwere Artillerie. Tausende Personen mussten aus der Region bereits fliehen. Aufgrund des Fehlens von neutralen Beobach­tern vor Ort gibt es kaum verlässliche Angaben über die Entwicklung des Konflikts und vor allem die zivilen Opferzahlen auf beiden Seiten. Detaillierte und stichhaltige Informa­tionen sind rar, die Überwachung durch die OSZE vor Ort ist nach wie vor aufgrund von


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 60

COVID-19 ausgesetzt. Auch Journalistinnen und Journalisten geraten offenbar vermehrt unter Feuer.

Seit dem Ausbruch der Kämpfe Ende September haben die Europäische Union, der Ho­he Vertreter der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik, die Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE, VN-Generalsekretär Antonio Guterres und die VN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet beide Seiten zur Einstellung der Kampfhandlun­gen, dem Schutz der Zivilbevölkerung und zur raschen Wiederaufnahme von Verhand­lungen aufgerufen.

Die Türkei, welche Aserbaidschan militärisch und politisch unterstützt, verschärft den Kon­flikt. Besorgniserregend sind zudem Berichte über die Rekrutierung von ausländischen Kämpfern. Diese externe Einmischung heizt den Konflikt weiter an und könnte eine wei­tere, auch regionale Destabilisierung nach sich ziehen.

Am 10. Oktober wurden im Rahmen eines Treffens in Moskau eine humanitäre Waffen­ruhe, der Austausch von Gefangenen und gefallenen Soldaten und die Aufnahme sub­stanzieller, durch die Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE fazilitierten Gesprä­che vereinbart. Trotz der vereinbarten Waffenruhe kam es seitdem 12. Oktober erneut zu Kampfhandlungen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird ersucht, auch weiterhin auf bilateraler und multilateraler Ebe­ne für eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und die Einhaltung des Völker­rechts, vor allem jenen völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der Zivilbevölke­rung und ziviler Infrastruktur, durch beide Seiten entschlossen einzutreten. In diesem Zusammenhang wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegen­heiten ersucht, auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die Europäische Union, humanitäre Hilfe für die betroffene Zivilbevölkerung zur Verfügung stellt und ihren Ein­fluss auf alle beteiligten Akteure im Konflikt um Berg-Karabach, geltend macht, um den Zugang zur humanitären Hilfe für die Versorgung der Zivilbevölkerung sicherzustellen.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, auch bilateral humanitäre Hilfe zu leisten.

Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die Europäische Union ihren Einfluss auf alle beteiligten Akteure, insbesondere die Türkei, geltend macht, um die äußere Ein­mischung in den Konflikt wie Waffenlieferungen an die Konfliktparteien zu stoppen und auf eine rasche Deeskalation hinzuwirken, eine nachhaltige Waffenruhe umzusetzen, sich- sofern es die COVID-19 bedingte Situation erlaubt- für eine rasche Rückkehr der OSZE Beobachter einzusetzen, und eine Rückkehr zum Verhandlungstisch zu erzielen. Ebenso wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Union einen inklusiven Friedens­prozess aktiv unterstützt und sich für die nachhaltige Stabilisierung der Region einsetzt.

Zudem wird der zuständige Bundesminister ersucht, sich für eine friedliche Beilegung des Konflikts in Bergkarabach durch substantielle Verhandlungen unter der Schirmherr­schaft der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE einzusetzen und bei Bedarf direkte Gespräche in Wien zwischen Armenien und Aserbaidschan zu ermöglichen.“

*****



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 61

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.


12.08.16

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man den Außenpoliti­schen Bericht diskutiert, dann gilt es, gleich zu Beginn einmal jenen Danke zu sagen, die ihn in den letzten Monaten erstellt haben, den Beamtinnen und Beamten des Außen­ministeriums, von meiner Seite daher großen Dank an die Beamtenschaft! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Die Diskussion zum Außenpolitischen Bericht gibt uns Parlamentariern doch auch die Möglichkeit, grundsätzlicher über Außenpolitik zu diskutieren und auch ein bisschen Bilanz aus den letzten Monaten und dem letzten Jahr zu ziehen. Ich möchte da ganz exemplarisch drei Punkte herausgreifen, bei denen ich meine, dass es unsererseits mehr Anstrengungen geben sollte. Diese drei Punkte legen vor allem dar, wo Anspruch und Wirklichkeit der österreichischen Außenpolitik doch etwas weit auseinanderliegen.

Bei Punkt eins komme ich zu einem wichtigen Thema: zur Bekämpfung der Armut. Die Bekämpfung der Armut nimmt in Ihrem Regierungsprogramm, Herr Außenminister, ei­nen wichtigen Stellenwert ein. Sie haben die Bekämpfung der Armut als Ihr Ziel für diese Legislaturperiode erklärt, und, Herr Außenminister, Sie haben das auch kürzlich selbst in Ihrer Rede anlässlich des 75. Jahrestags der Vereinten Nationen in Genf einmal mehr unterstrichen. Sie haben gesagt, Armut und die Bekämpfung der Armut, das sind die großen internationalen Herausforderungen. – Ich gebe Ihnen da eigentlich inhaltlich voll­kommen recht, denn weniger Armut heißt mehr Stabilität, heißt mehr Friede, heißt mehr Wohlstand für die Gesellschaft in unserem Land und international. (Beifall bei der SPÖ.)

Allerdings sollte, wenn wir beide uns da so einig sind, der Beitrag Österreichs dazu auch dringend erhöht werden. Dass Österreich das international vereinbarte Ziel – Sie kennen das Ziel von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – nicht erreicht, derzeit sogar unter dem OECD-Schnitt liegt, ist für ein wohlhabendes Land wie Österreich inakzeptabel. Da müssen den Worten der Bundesregierung und auch Ihrem Regierungsprogramm, Ihren eigenen Zielen, endlich Taten folgen, umso mehr, als wir aus Studien wissen, dass es immer mehr Kinder sind, die weltweit unter Armut leiden und in Armut leben. Corona hat diese Situation und diese Zahlen in den letzten Monaten noch verschlechtert und drama­tisiert. Es sind weltweit 1,2 Milliarden Kinder, die in Armut leben.

Das bringt mich auch gleich zu meinem zweiten Punkt, nämlich dem Punkt des Multilate­ralismus. Auch da bekennt sich die Bundesregierung einerseits – und ich weiß das auch von Ihnen persönlich aus den vielen Sitzungen des Außenpolitischen Ausschusses, in denen Sie das immer wieder betonen – und bekennen Sie sich andererseits zum Multila­teralismus und zur internationalen Zusammenarbeit. Wenn aber dieses Bekenntnis Ih­rerseits und auch der gesamten türkis-grünen Bundesregierung nicht aktiv mit Leben erfüllt ist, dann ist es nicht mehr als eine leere Hülse, dann ist es nicht mehr als ein leeres Versprechen, weil gerade jetzt im Kampf gegen Corona eigentlich für uns alle sehr au­genscheinlich ist, dass wir eine mangelnde internationale Zusammenarbeit haben.

UN-Generalsekretär Guterres hat mit Recht in seiner Analyse gesagt, es fehle weltweit gerade jetzt in dieser Coronakrise an Vorbereitung, an Kooperation, an Einigkeit und Solidarität. – Ja, auch die österreichische Bundesregierung könnte stärker auf internatio­nale Kooperation setzen, nein, nicht könnte, sondern müsste stärker auf internationale Kooperation setzen. (Beifall bei der SPÖ.) Da rede ich auch davon, dass man interna­tionale Warnungen rechtzeitig ernst nimmt, zum Beispiel jene, die am 4. März aus Island gekommen sind und in denen über coronapositive Ischglrückkehrer berichtet wurde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 62

Die vergangenen Monate haben aber auch gezeigt, dass der Bundeskanzler Österreich innerhalb der Europäischen Union in eine zunehmend isolierte Position bringt. Das ist aus meiner Sicht eine bedenkliche Entwicklung. Ich denke da an die Vetodrohungen vor einigen Monaten gegen das EU-Budget, aber auch an den Widerstand gegen den EU-Wiederaufbaufonds in einer historisch einzigartigen Coronakrise.

Ich habe in den letzten Monaten auch den Eindruck gewonnen, dass – nennen wir es atmosphärische Störungen – diese atmosphärischen Störungen zwischen Österreich oder dem Bundeskanzler und der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland An­gela Merkel zunehmend zu einem Nachteil für Österreich werden könnten. Ja, es gibt nämlich viele Themen, die vermeintlich national sind, bei denen wir aber auf andere Partner, internationale, europäische Partner angewiesen sind. Das gilt sowohl für die Bewältigung der Gesundheitskrise, Herr Außenminister, als auch für den Bereich Wirt­schaft und Beschäftigung. Da braucht es nicht nur eine gute Innenpolitik, nein, da braucht es auch eine proaktive, starke Außenpolitik mit einem klaren Bekenntnis zu inter­nationalen, europäischen Partnerschaften, und nicht Isolation. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


12.14.14

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vielen Dank für den Außen- und Europapolitischen Bericht über das Jahr 2019. Wir Freiheitliche haben in der Vergangenheit immer darauf gedrängt, dass die Berichtslegung schneller geht – die Zeitspanne war diesmal durchaus gut. Vielen Dank für den umfangreichen Bericht!

Kollegin Rendi-Wagner hat es gerade angesprochen: Dieser Bericht bietet auch Gele­genheit, Grundsätzliches zum Thema Außenpolitik zu besprechen und zu diskutieren, und das möchte ich hiermit auch tun. Kollegin Rendi-Wagner und ich haben diesbezüg­lich unsere Reden vorher nicht abgesprochen, sie hat auch den Begriff des Multilateralis­mus erwähnt und mehr Multilateralismus gefordert, hat also den diesbezüglichen Stand­punkt der SPÖ dargelegt. Ich darf feststellen, dass der Standpunkt der Freiheitlichen Partei da ein völlig anderer, ein gegensätzlicher ist. Multilateralismus ist jetzt so das Mo­dewort der letzten Monate geworden.

Ich versuche, auch hierbei einen Konnex zum Umgang mit der Coronapandemie inso­weit herzustellen, als dass man sich durchaus berechtigt die Frage stellen kann: Wem nützt diese Pandemie oder der Umgang mit der Pandemie?

Es ist unbestritten, es nützt derzeit – das zeigen auch alle Umfragewerte – den Regie­renden, egal, in welchem Land, egal, ob Linksregierung, Rechtsregierung et cetera. Und meine Hypothese ist auch, dass die Coronapandemie jetzt weltweit genutzt wird, um supranationale Organisationen, multilaterale Prozesse und Organisationen, die eigent­lich schon ein trauriges Dasein im Sinne eines Scheiterns gefristet haben, wieder zu neuem Leben zu erwecken.

Guterres ist erwähnt worden. Der UNO-Generalsekretär sagte in seiner Rede: „Multilat­eralism after COVID-19: What kind of UN do we need at the 75th anniversary?“ Wenn man sich diese Rede durchschaut, so ist die Kurzversion folgende: Wir brauchen eine stärkere UNO, wir brauchen insbesondere mehr Macht für die UNO, wir brauchen mehr Geld, mehr Kompetenzen für die UNO. Das sind die Forderungen. – Das lehnen wir ab. Wir Freiheitliche wollen das nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Die wichtigen Player sollen sein: NGOs, Stiftungen, die sogenannte Zivilgesellschaft – was auch immer das ist –, nicht die Staaten. Die Nationalstaaten kommen in den Gedan­kengängen und Plänen des Herrn Guterres de facto überhaupt nicht mehr vor. – Das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 63

wollen wir nicht. Wir sind der Meinung, dass die wichtigsten Player international nach wie vor die Nationalstaaten mit ihren gewählten Parlamenten und Regierungen sein müssen und im internationalen Verkehr sozusagen die Interessen der Bevölkerung, der Nationalstaaten, konkret der österreichischen Bevölkerung, der Menschen Österreichs, aber auch der Wirtschaft international zu vertreten haben.

Eine zweite multilaterale, supranationale Organisation ist selbstverständlich die Europäi­sche Union. Auch da hat die Freiheitliche Partei ein Alleinstellungsmerkmal insoweit, als dass wir diesbezüglich einen anderen Zugang haben als alle anderen Parteien, die sa­gen: Die Kompetenzen, das Geld, die Macht der Europäischen Union müssen noch ge­steigert, noch erhöht werden, nur die Europäische Union ist in der Lage, die Probleme in Europa zu lösen.

Wir haben in den letzten Monaten und Jahren gesehen, dass die Europäische Union absolut nicht in der Lage ist, die Probleme in Europa zu lösen, und alle Tendenzen in Richtung eines europäischen Zentralstaats lehnen wir Freiheitliche ab. Das hieße näm­lich: Abschaffung der Nationalstaaten und damit auch de facto Abschaffung der Republik Österreich. Das wollen wir nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen es auch deshalb nicht, weil das weitreichende Entscheidungen sind. Da ist auch Außenpolitik insoweit Innenpolitik, als dass Entscheidungen auf solchen suprana­tionalen Ebenen unmittelbare Auswirkungen etwa auf das Gasthaus in Kärnten, auf die einzelnen Menschen haben. Das ist uns zu weit weg vom Menschen, das ist uns zu weit weg von den Bürgern, denn die eine Seite sind die Macht, das Geld, die Kompetenzen und die andere Seite ist die entsprechende Verantwortung. Wo ist die Verantwortung? – Sie ist nicht greifbar. Die Verantwortung sollte nahe beim Bürger liegen, also bei den Landesregierungen, der Bundesregierung, dem Parlament in Österreich.

Die EU hat in der Migrationspolitik völlig versagt; wir werden in weiterer Folge noch zu diesem Thema sprechen können. Sie hat völlig versagt, sie hat Recht ausgesetzt: Dub­lin II ist das Papier nicht wert, das wird einfach nicht eingehalten. Die Maastrichtkriterien sind das Papier nicht wert. Natürlich hat die EU damit ein Vertrauensproblem, wenn sie sich nicht an die eigenen Regeln hält.

Die EU hat immer versprochen: Wir sind keine Schuldenunion. Jetzt haben wir 750 Mil­liarden Euro Schulden, die die Kommission aufgenommen hat, und die sparsamen vier haben eines bezweckt, nämlich dass die Schulden nicht 500 Milliarden Euro, sondern 750 Milliarden Euro hoch sind. Wer soll das zahlen? – Unsere Kinder und Kindeskinder.

Das alles sind Entscheidungen, die dort über die Köpfe unserer Bürger hinweg getroffen werden. Das wollen wir nicht – und damit möchte ich schließen beziehungsweise den Konnex zu Corona herstellen –, denn die Frage ist: Cui bono?

Wolfgang Schäuble, jedem bekannt, bezeichnete die Coronakrise am 21. August in der „Neuen Westfälischen“ als große Chance. Ich zitiere: „Der Widerstand gegen Verände­rung wird in der Krise geringer. Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen“.

Das ist ein Schäuble-Zitat, das wollen wir nicht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


12.20.41

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Werte Kollegen, Kolleginnen! Die Welt steht nicht still. Im Außenpolitischen Bericht 2019 werden all die komplexen, großen Herausforderungen sichtbar.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 64

Eines vorweg: Diese sind nicht beseitigt, sie sind nicht weniger geworden, im Gegenteil, im Moment brechen alte Konflikte auf. Da gibt es eine durch eine Explosion ausgelöste Krise in Beirut, dort gibt es eine Explosion der Gewalt in Belarus, bevorstehende Wahlen in den USA bringen aktuell die ganze Welt ins Wanken, und die Pandemie hat zweifels­ohne auch vielerorts, wie zum Beispiel in Brasilien, nicht nur das Gesundheitssystem teils kollabieren lassen, sondern stellt uns international vor neue Herausforderungen. Genauso wird die europäische Solidarität zweifelsohne auf die Probe gestellt.

In der Türkei gibt es aktuell die größte Verhaftungswelle von Oppositionellen und eine Abkehr – das haben wir heute schon gehört – von den Bemühungen um die Europäische Union. Im Iran werden weiterhin Menschen lediglich aufgrund ihrer politischen oder auch sexuellen Orientierung zum Teil öffentlich hingerichtet. Saudi-Arabien lässt Tausende Menschen in Gefängnissen für „lediglich Meinungsfreiheit“ – unter Anführungszeichen – büßen, und Russland steht gerade international am Pranger, weil allem Anschein nach die Geheimdienste für den Giftanschlag auf Nawalny verantwortlich sind.

China hat, auch das wissen wir, Millionen BürgerInnen in Zwangs- und Umerziehungs­lager gesteckt und ist auch dabei, die vertraglich garantierten demokratischen Freiheiten der Sonderverwaltungszone Hongkong zu zerschlagen. Gleichzeitig ist China der zweit­größte Handelspartner der Europäischen Union, was die Sache nicht weniger komplex macht.

Man könnte meinen, die Liste ließe sich unendlich fortführen. Sie hinterlässt den Ein­druck, als wäre man aufgrund dieser Komplexität machtlos. Ich aber bin der Meinung, das Gegenteil ist der Fall: Wir können nicht nur etwas tun, wir müssen etwas tun! Wir müssen, je schwerwiegender die Krisen sind, desto mehr auf das multilaterale Engage­ment Österreichs setzen.

Das multilaterale Engagement Österreichs lässt sich zum Beispiel an der Generalver­sammlung der Vereinten Nationen festmachen, an völkerrechtlichen Fragen wie Abrüs­tung, an Friedensmissionen der OSZE, an Fragen betreffend Menschenrechte oder auch an Wahlbeobachtungen, im Europarat oder in der OECD. Österreich ist bekanntlich nicht nur Sitz vieler internationaler Organisationen, Österreich hat auch den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat und setzt zum Glück im Bereich Klimaschutz, bei Energiefragen oder auch bei der Krisenbewältigung zunehmend auf internationale Power.

Diese internationale Power braucht es in einem aktuellen, schwerwiegenden, tiefgreifen­den und sehr komplexen Konflikt auf jeden Fall. Wie wir heute schon gehört haben, gibt es einen Antrag der Regierungsparteien betreffend „die aktuelle Situation in der Region Bergkarabach“. Besonders die Zivilbevölkerung leidet enorm unter diesem Konflikt, unter den Kampfhandlungen, die dort gerade stattfinden. Es gibt beunruhigende Berichte über Angriffe auf Dörfer und Städte sowie die Zerstörung der zivilen Infrastruktur – Schulen, Krankenhäuser – durch schwere Artillerie. Tausende Personen mussten bereits aus der Region fliehen. Wir wissen, wenn sich die Situation dort nicht verbessert, werden noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen.

Ich freue mich sehr, dass wir heute hier mit diesem Antrag einen konkreten Schritt setzen und an Sie, Herr Außenminister, appellieren, konkrete Schritte zu setzen. Österreich hat in seiner neutralen Rolle schon einmal zwischen Armenien und Aserbaidschan erfolg­reich den neutralen Raum für Verhandlungen über einen Waffenstillstand bieten können, und jetzt sollten wir auch wieder dranbleiben. Der Kanzler hat auch schon angekündigt, dass es dieses Angebot gibt. Das ist richtig und wichtig, und deswegen ist es umso erfreulicher, dass es gelungen ist, diesen aktuellen Antrag hier einzubringen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 65

12.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


12.25.43

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zu­seher! Ich wollte heute eigentlich eine ganz optimistische, vielleicht sogar fröhliche Rede über Europa halten, weil ich dieses Buch von Nini Tsiklauri bekommen habe: „Lasst uns um Europa kämpfen – Mit Mut und Liebe für eine starke EU“. (Der Redner hält das ge­nannte Buch in die Höhe.) Manche hier kennen sie vielleicht. Sie ist eine großartige junge Frau, die zweimal aus Georgien flüchten musste, weil dort Krieg herrscht. Sie hat den Mut nicht verloren, ganz im Gegenteil, sie sagt aus ihren Erfahrungen heraus: Wir müs­sen für ein vereintes Europa kämpfen!, und das begründet sie sehr gut.

Dann aber war ich – das ist nicht Ihre Schuld, Herr Bundesminister – im EU-Hauptaus­schuss. Was war dort? – Kollege Leichtfried hat es sehr schnell analysiert: Dort hat der Herr Bundeskanzler die Tagesordnung des kommenden EU-Rates vorgelesen, und dann hat er die restlichen eineinhalb Stunden mit seinem Handy gespielt. Das ist die Einstellung der ÖVP und des Bundeskanzlers zu Europa. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Jetzt müssen Sie dagegenschreien, das ist mir schon klar, ich sage Ihnen aber etwas: Das, was wir gerade beobachten – ich werde später noch einmal darüber reden –, hat sehr viel mit Außenpolitik zu tun. Überall gibt es die Tendenz, die Demokratie und gerade auch die Parlamente zu schwächen und autoritäre Systeme aufzubauen. (Abg. Steger: Beispiel EU!) Das ist eine Schwächung des Parlamentarismus!

Und noch schlimmer: Ich habe gestern Abend „ZIB 2“ geschaut. Leider ist Herr Präsident Sobotka jetzt nicht da, aber Sie können es ihm ja ausrichten. Was er dort gemacht hat, war eine Herabwürdigung des Parlamentarismus. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Gerstl, Höfinger und Prinz.) Der österreichische Parlamentspräsident hat den Parlamentarismus heruntergemacht. Er hat unfassbare Formulierungen verwendet, ich muss Ihnen das leider vorlesen. (Ruf bei der ÖVP: Anpatzer! – Abg. Prinz: Anpatzer! – Abg. Höfinger: Genau! – Abg. Gerstl: Verantwortlich dafür sind Krisper und Krainer!) – Hören Sie zu: Die vereinigten Opposi­tionsparteien negieren das Gesetz. – Ein unfassbarer Vorwurf! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Haben sie gemacht!) Er hat von permanentem Chaos gespro­chen, er hat davon gesprochen, dass er gemobbt würde. (Abg. Gerstl: Wieder etwas aus der vertraulichen Sitzung herausgegeben! Das war die Kollegin Krisper! – Ruf bei den NEOS: Gerstl, hör zu!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen alle: Sobotka ist ein Häferl, ja, Herr Sobotka ist ein Häferl. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Gerstl: Ordnungsruf! „Häferl“!) Ich werde deswegen ganz ruhig antworten, ich werde ihm ganz ruhig Folgendes sagen: Herr Präsident, ich erwarte von Ihnen, dass Sie erstens den Parlamentarismus verteidi­gen (Abg. Wöginger: ... Vorsitzführung!) und dass Sie zweitens darauf aufmerksam ma­chen, wie viel an Ergebnissen der Ibiza-Ausschuss schon hervorgebracht hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ja, genau!)

Wir wissen, dass es dieses 2:1-Abkommen für die Besetzung von Aufsichtsräten gab (Abg. Gerstl: Das sind Anschuldigungen und Verdächtigungen!), wir wissen, dass die Besetzung des Thomas Schmid gegen jedes Gesetz ausgepackelt wurde und dass na­türlich auch andere Besetzungen ausgepackelt wurden – das wissen wir. (Abg. Gerstl: Ruf zur Sache! Das ist nicht Tagesordnungspunkt! – Zwischenruf des Abg. Prinz.)

Wir wissen, dass direkt und indirekt Spenden in großer Höhe geflossen sind, auch an den NÖAAB. (Abg. Gerstl: Missbrauch der Plenarregeln! – Abg. Wöginger: Die Un­wahrheit ist das!) Wir wissen – das hat das letzte Mal jemand ausgesagt –, dass man in diesem Land nur zu seinem Recht kommt und Gesetze nur dann angewendet werden


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(Abg. Gerstl: Was hat das mit Außenpolitik zu tun?) – hören Sie zu! –, wenn man dafür bezahlt. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine unglaubliche Unterstellung! – Zwischenruf des Abg. Schmuckenschlager.)

Es werden noch viele andere Dinge herauskommen. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja un­glaublich!) Hören Sie bitte auf, den Ibiza-Ausschuss schlechtzumachen! (Ruf bei der ÖVP: Der ist schlecht!) – Hören Sie auf! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Was hat das mit Außenpolitik zu tun?) – Was das damit zu tun hat? Das kann ich Ihnen sagen, was es damit zu tun hat. (Abg. Gerstl: ... Koalition mit der SPÖ! – Abg. Loacker: Gerstl, setz die Maske auf! – Zwischenruf des Abg. Wöginger) Es hat etwas mit der Biografie dieser Frau zu tun, es hat etwas mit den Gefahren auch für unser Österreich zu tun, es hat etwas mit Europa zu tun (Ruf: Der Untersuchungsausschuss kann nichts dafür!), damit, dass wir ein starkes, demokratisches Europa brauchen.

Ich möchte übrigens noch einen Antrag einbringen. Mit der Biografie dieser Frau hat auch mein Antrag zu tun. In Moria schlafen Ninis und Ninos, Kinder, junge Leute, Fami­lien, denen niemand hilft, am Boden, im Dreck. Wir haben schon sehr oft appelliert und hoffen ja noch immer, dass die Grünen diesbezüglich gescheiter werden.

Ich bringe deswegen folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auf­nahme von 100 Kindern aus dem Elendslager Moria“ (Ruf bei der ÖVP: ... ein ehrlicher Trottel!)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Pro­gramm der Europäischen Kommission zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kin­der aus Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie der Abg. Fürst.)

12.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Stephanie Krisper. Kolleginnen und Kol­legen

betreffend Aufnahme von 100 Kindern aus dem Elendslager Moria

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2019 der Bundesregierung (III-150/373 d.B.) – TOP 4

Die Zustände in den Lagern für Asylwerber_innen und Migrant_innen auf den griechi­schen Inseln sind schon seit Jahren nicht mehr menschenwürdig. Mittlerweile sind sie aufgrund der Untätigkeit der EU-Mitgliedsstaaten, die auch nach 2015 keine gemein­same, effiziente Asyl- und Migrationspolitik umgesetzt haben, unerträglich (https://fra.eu­ropa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-coronavirus-pandemic-eu-bulletin-1_en.pdf). Anfang Februar forderte der UNHCR die Räumung des Lagers Moria auf Lesbos


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(https://www.theguardian.com/global-development/2020/feb/11/un-calls-for-urgent-evacua­tion-of-lesbos-refugee-camp). In diesem Lager herrschten die schlimmsten Bedingun­gen, mit 1.300 Menschen pro Wasserhahn und ohne Seife. Seit Mitte März appelliert das EU-Parlament angesichts der COVID-19-Pandemie an Griechenland, die Lager auf den In­seln zu evakuieren (https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200323IPR75632/
refugees-on-greek-islands-urgent-evacuation-to-prevent-spread-of-covid-19).

Dass es in den Lagern auf den griechischen Inseln zu einer Ausbreitung des Coronavirus kommen wird, war aufgrund der dort herrschenden Bedingungen vorprogrammiert: die rund 40.000 Geflüchteten und Migrant_innen fristeten ihr Dasein in unwürdigen Zustän­den, ohne genügend medizinische Versorgung oder die Möglichkeit, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Alleine im Lager Moria lebten zuletzt etwa 12.600 Menschen, das überschreitet die eigentliche Kapazität von 2.800 Plätzen um ein Vielfaches. Um eine humanitäre Katastrophe auf dem Terrain der Europäischen Union zu verhindern, hätten die Lager schon längst geräumt werden müssen. Die Eindämmung eines tödlichen Virus und die Verhinderung explosiver gesellschaftlicher Spannungen ist auch ein europawei­tes Interesse.

Im März startete die Europäischen Kommission angesichts der sich immer weiter zuspit­zenden Situation ein freiwilliges Programm zur Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Menschen, insbesondere unbegleiteter Minderjähriger, von den Lagern auf den griechischen Inseln (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_
1291). Die EU-Kommission koordiniert die Umsiedlung gemeinsam mit dem griechi­schen Sonderbeauftragten für unbegleitete Minderjährige und unterstützt Griechenland und die teilnehmenden Mitgliedstaaten sowohl in operativer als auch finanzieller Hin­sicht. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), die Internationale Organisation für Migration (IOM), der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Natio­nen (UNHCR) und das Internationale Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) begleiten die Umsetzung des Programms. Die im Rahmen des Programms aus den Elendslagern ausgewählten Kinder werden in spezielle und sichere Unterkünfte nahe Athen gebracht, wo dann die Kommission deren Ausreise in andere EU-Mitgliedstaaten organisiert und finanziert.

Dieses Programm gewährt den Kindern Schutz, Sicherheit, adäquate Gesundheitsver­sorgung sowie eine positive Lebensperspektive, trägt zur Entspannung der Lage auf den griechischen Inseln bei und entlastet auch das griechische Gesundheitssystem. Am
31. März appellierte der Vorsitzende des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres an alle EU-Staaten, sich solidarisch mit Griechenland zu zeigen und sich bei der Verteilung der Schutzbedürftigen zu beteiligen (https://www.europarl.europa.eu/news/en/
press-room/20200330IPR76106/refugees-in-greece-meps-demand-solidarity-warn-about-impact-of-health-crisis). Bislang erklärten sich 11 Mitgliedstaaten bereit, insgesamt über 2.000 Kinder und Jugendliche aus den griechischen Lagern aufzunehmen: Belgien, Bul­garien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Portu­gal, Slowenien. Auch Norwegen und Serbien möchten sich am Relocation-Programm der EU-Kommission beteiligen. Nach Angaben der EU-Kommission wurden bisher gut 640 Menschen durch sieben EU-Länder aufgenommen (Deutschland, Luxemburg, Ir­land, Portugal, Finnland, Belgien, Frankreich). Darunter sind neben Kindern und Jugend­lichen auch erwachsene Familienangehörige kranker Kinder. Die österreichische Bun­desregierung hat sich bislang geweigert, auch nur ein einziges Kind im Rahmen des Programms der EU-Kommission aus Griechenland aufzunehmen.

In der Nacht auf den 9. September ist das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos völlig abgebrannt. Rund 12.600 Menschen, darunter hunderte Kinder, sind nun obdach­los und müssen auf Straßen oder in Wäldern schlafen. Das Lager Moria war aufgrund der COVID-19-Pandemie schon seit Monaten unter Quarantäne gestellt. Als vergangene


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Woche dort der erste Corona-Fall bekannt wurde, wurde der Lock-down noch einmal verschärft. Die Zahl der Infizierten im Lager stieg bis 8. September auf 35. Angesichts der verheerenden Zustände scheint eine Gesundheitskatastrophe ohne rasches Han­deln unausweichlich.

In Moria drohen nach einem Lager auch die europäischen Werte zu verbrennen, die wir so gerne beschwören und von anderen einfordern. Die Tragödie lässt sich darauf zurück­führen, dass eine gemeinsame Asylpolitik innerhalb der EU an den Hauptstädten Euro­pas scheitert. Die bisherigen - z.T. bescheidenen - Anstrengungen mancher Mitglied­staaten im Rahmen des Umsiedlungsprogramms der EU-Kommission haben nicht aus­gereicht. Österreich darf angesichts brennender Elendslager nicht länger tatenlos zuse­hen, jetzt gilt es zu handeln und schnellstmöglich Kinder aus Moria aufzunehmen. So wie andere EU-Mitgliedsstaaten das bereits angekündigt haben.

Die Ausrede des Außenministers, dass damit ein Pull-Effekt beginnen würde, ist zynisch und empirisch nicht belegbar. Die bisherigen Umsiedlungen von Betroffenen innerhalb der EU haben auch keine stärkere Fluchtbewegung nach Europa ausgelöst. Zudem be­steht in Österreich von Seiten der Städte und Gemeinden durchaus Bereitschaft zur Unterbringung und Versorgung von besonders Schutzbedürftigen. Der Landtag in Wien hat sich erst vergangene Woche in einem von NEOS, SPÖ und Grünen unterstützen Antrag bereit erklärt, hundert Kinder von den griechischen Inseln aufzunehmen und die Bundesregierung aufgefordert zu handeln. Zeigen wir endlich Menschlichkeit und leisten einen Beitrag, der Betroffenen hilft, Griechenland unterstützt und Europa durch gelebte Solidarität stärkt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Nationalrat wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Pro­gramm der Europäischen Kommission zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kin­der aus Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen."

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung. (Abg. Wöginger: Der Entschließungsantrag war der einzige Beitrag, der mit dem Punkt zu tun hatte! – Abg. Scherak: Geh August!)

Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Alexander Schallenberg zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.30.42

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallen­berg, LL.M.: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeord­nete, tatsächliche Abgeordnete! Was Ihr Redebeitrag mit Außen- und Europapolitik oder mit dem Bericht, der hier auf der Tagesordnung steht, zu tun hat, hat sich mir nicht wirk­lich erschlossen – ganz offen gestanden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Das ist aber auch nicht Ihre ...!)

Vielmehr, glaube ich, wäre es notwendig, dass wir wirklich über Außenpolitik reden. Das letzte Mal, als wir hier im Plenum eine außenpolitische Aussprache hatten, im Juli, habe ich angedeutet, dass Außenpolitik trotz der alles beherrschenden Pandemie nicht stehen bleibt und wir vielleicht sogar einen heißen außenpolitischen Herbst vor uns haben.


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Leider Gottes hat sich das bewahrheitet, es sind hier mehrere Krisen schon angedeutet worden, die Liste der internationalen Krisenherde und Herausforderungen ist eigentlich tatsächlich länger geworden: die Notlage und die gescheiterte Regierungsbildung in Libanon – das wurde von der Frau Abgeordneten schon erwähnt –, die gefährliche Zu­spitzung mit der Türkei im östlichen Mittelmeer, die gefälschten Wahlen und das demo­kratie- und zivilgesellschaftliche Drama in Belarus, dessen Zeugen wir gerade sind, und zuletzt das gewaltsame Aufflammen des eingefrorenen Konflikts um Bergkarabach.

Doch bevor ich in medias res gehe – die Diskussion um den Außen- und Europapoliti­schen Bericht gibt ja die Chance für eine Rundschau –, möchte ich doch ein Thema ansprechen, das uns immer noch – oder ich würde sagen, leider wieder vermehrt – be­schäftigt, nämlich das Thema der Reisewarnungen.

Viele von uns hatten die Hoffnung, dass wir im Herbst weiter sein werden und dass sich die Situation die Reisewarnungen betreffend anders darstellen würde. Die Realität – und das wissen wir alle – sieht leider anders aus. Unser gemeinsames Ziel ist aber ganz klar: Es geht darum, diese schwierige Balance zwischen dem notwendigen Gesundheits­schutz auf der einen Seite und dem so wesentlichen Schutz der Personen‑, Waren- und Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU auf der anderen Seite zu finden.

Dazu gibt es laufend einen sehr engen und guten Austausch mit den EU-Mitgliedstaaten, allen voran natürlich mit unseren unmittelbaren Nachbarn, und es gibt auch durchwegs positive Entwicklungen, wie zuletzt die Aufhebung der Reisewarnung vonseiten Slowe­niens und Rumäniens.

Meine Damen und Herren, Österreich tritt ja ganz klar und nachdrücklich für eine bessere Koordinierung innerhalb Europas ein, und die gestern angenommene Coronaampel der EU ist grundsätzlich ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung; nur hätten wir uns mehr erwartet, nicht nur eine schlichte und nicht wirklich treffsichere Landkarte zum Infek­tionsgeschehen in Europa, sondern einheitliche Standards für Reisebeschränkungen, Quarantänedauer und Coronatestungen. Da ist sicher noch nicht das letzte Wort gespro­chen, und die Gespräche auf EU-Ebene werden weitergehen müssen.

Vorerst, und das ist mir wichtig, müssen wir aber der Realität ins Auge sehen: Die Reali­tät ist, dass die Covid-19-Pandemie uns in Europa weiterhin fest im Griff hat; und damit bleiben auch Reisewarnungen, ob wir nun wollen oder nicht, Teil dieser europäischen Realität – als temporäre Maßnahme, um der weiteren Ausbreitung des Virus und einem unkontrollierten Anstieg der Infektionszahlen entgegenzuwirken. Der beste Weg, eigent­lich der einzige Weg, dieses Thema nachhaltig aus der Welt zu schaffen, ist es, die Co­vid-19-Zahlen in Europa und Österreich nachhaltig in den Griff zu kriegen, denn schließ­lich haben wir alle hier in diesem Raum ein gemeinsames Ziel, nämlich mit aller Kraft einen zweiten Lockdown zu vermeiden und den Weg aus der Krise zu finden.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, von all den außenpolitischen Krisenher­den, die ich am Anfang erwähnt habe, ist der Konflikt um Bergkarabach sicher derjenige, der das größte Eskalationspotenzial hat. Er beweist, wie schnell ein scheinbar eingefro­rener Konflikt wieder aufflammen und heiß werden kann.

Die internationalen Bemühungen müssen sich nun darauf konzentrieren, die Streitpar­teien weg von der Logik der Gewalt hin zur Logik des Dialogs zu bringen. Ich bin auch sehr dankbar für den Entschließungsantrag, der hier zur Debatte steht, und glaube, dass er sehr zeitgerecht ist. Falls es – es wurde schon erwähnt – von den Parteien gewünscht ist, steht Österreich wie schon in der Vergangenheit selbstverständlich als Verhand­lungsort zur Verfügung. Das Zusammentreffen der Außenminister in Moskau und erste Gespräche zwischen Aserbaidschan und Vertretern der OSZE sind Signale, die mich vorsichtig optimistisch stimmen, dass ein Flächenbrand in der Region vielleicht doch noch verhindert werden kann. Wir wissen, der erreichte humanitäre Waffenstillstand


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hängt an einem seidenen Faden, aber er ist zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Ganz offen muss ich aber sagen: Besonders kritisch sehen wir dabei die Rolle der Türkei. Während alle anderen internationalen und regionalen Akteure inklusive Russland, das möchte ich besonders betonen, sich als Feuerwehr betätigen, gießt Ankara weiterhin Öl ins Feuer – sowohl in Worten als auch in Taten.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ganz kurz auf einen anderen Punkt betreffend die Türkei eingehen: Dass Ankara nun wieder ein Forschungsschiff ins öst­liche Mittelmeer geschickt hat, ist eindeutig eine neuerliche Provokation, und zwar nicht nur gegenüber Zypern und Griechenland, sondern gegenüber der gesamten Europäi­schen Union. Sollte Ankara diese Maßnahme nicht zurücknehmen, dann sollte die Euro­päische Union Sanktionen verhängen, so wie dies bereits beim EU-Gipfel Anfang Okto­ber angekündigt wurde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir wissen alle, dass eine Lösung von Konflikten um Seegrenzen am Ende des Tages nur am Verhandlungstisch erreicht werden kann. Griechenland und Zypern haben sich dazu bereit erklärt, die EU aber kann diese offensichtliche Dialogverweigerung Ankaras und diese wiederholten Provokationen nicht einfach hinnehmen, sondern man sollte da wirklich Konsequenzen setzen und eine klare gemeinsame Sprache sprechen. Wir wer­den von österreichischer Seite diese Entwicklung auf jeden Fall weiterhin genau beob­achten und ich werde schon kommende Woche meine im September kurzfristig verscho­bene Reise nach Athen und Nikosia nachholen.

Sehr geehrte Damen und Herren, als besonders kritisch erweist sich derzeit auch die Lage in Belarus. Die Machtstruktur rund um Aljaksandr Lukaschenka versucht mit allen, auch gewaltsamen Mitteln einen nationalen Dialog und Neuwahlen zu verhindern. Es ist daher nur folgerichtig, dass die EU-Außenminister letzten Montag nach der Verabschie­dung des ersten Sanktionspakets mit 40 Personen ein weiteres Sanktionspaket auf den Weg gebracht haben, das diesmal auch Aljaksandr Lukaschenka erfassen wird.

Eines ist für mich dabei aber auch ganz klar: Wir dürfen als Europäische Union gegen­über Belarus nicht nur die Sprache der Sanktionen sprechen. Wir müssen vielmehr aktiv auf die Zivilgesellschaft, auf die Menschen dort zugehen, sie brauchen unsere Unterstüt­zung. Ich habe das letzte Woche in einem Gespräch mit der Oppositionsführerin Swjat­lana Zichanouskaja auch unterstrichen.

Ich halte es daher für ganz entscheidend, dass wir uns auf europäischer Ebene nicht nur auf Sanktionen geeinigt haben, sondern auch darauf, dass wir die EU-Mittel für Belarus umschichten, sodass diese Gelder nicht mehr dem System zugutekommen, sondern der Jugend, der Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien (Beifall bei der ÖVP, bei Abge­ordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter), und dass wir EU-Programme wie etwa Erasmus plus und Horizon Europe für Menschen aus Belarus stärker geöffnet ha­ben. Wir müssen, und das ist sehr wichtig, als Österreich und als EU wirklich darauf achten, dass die Bevölkerung von Belarus nicht hinter einem neuen Eisernen Vorhang verschwindet.

Hohes Haus! Am Montag haben sich die EU-Außenminister auch intensiv mit einer ande­ren Herausforderung befasst, die unmittelbar vor unserer Haustür liegt: das Chemiewaf­fenattentat auf den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny. Die Untersuchungen durch die internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen sprechen da eine eindeutige Sprache. Russland hat es dennoch leider verabsäumt, die Chance zu nützen, zur Aufklärung dieses Attentats beizutragen. Bei einer solch eklatanten Verlet­zung des Verbots des Einsatzes von chemischen Waffen können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)


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Die Europäische Union hat sich daher grundsätzlich darauf geeinigt, gezielte Sanktionen gegen Einzelpersonen vorzubereiten, die mit dem russischen Nowitschok-Programm im Zusammenhang stehen. Das heißt für mich aber nicht – und das will ich besonders un­terstreichen –, dass wir die Tür für Gespräche mit Moskau zuschlagen, ganz im Gegen­teil, wir müssen vielmehr gegenüber Russland auf Augenhöhe arbeiten und weiterhin eine doppelgleisige Strategie fahren: Kante, wo nötig, Dialog, wo möglich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich abschließend noch ganz kurz auf ein Thema eingehen, das im Schatten der außenpolitischen Herausforderungen, die im europäischen Umfeld momentan wirk­lich sehr massiv auftreten, ein bisschen in den Hintergrund gerückt ist, nämlich die Ver­handlungen über die künftige Anbindung Großbritanniens an die Europäische Union, vulgo Brexitverhandlungen!

Wir sind jetzt wirklich in der letzten kritischen Schlussphase dieser Verhandlungen ange­kommen. An sich hatte Premierminister Boris Johnson eine Frist bis morgen, 15. Okto­ber, gesetzt. Das erweist sich jetzt als völlig unrealistisch, aber es ist klar, dass die Zeit tatsächlich knapp wird. Das Abkommen müsste bis spätestens Anfang November ste­hen, damit es noch rechtzeitig vor Jahresbeginn in Kraft gesetzt werden kann. Wir alle wissen, dass einige Kernfragen, darunter insbesondere die Sicherstellung fairer Wettbe­werbsbedingungen, immer noch offen sind und eines Durchbruchs harren.

Wenngleich Österreich und die EU auf alle Szenarien gut vorbereitet sind, hoffen wir dennoch, dass in den kommenden Wochen ein Kompromiss gefunden werden kann, denn natürlich ist es im Interesse aller, einen Deal zu erreichen.

Ich werde dazu nächste Woche unter anderem auch Gespräche mit meinem britischen Amtskollegen Dominic Raab in London führen, denn eines ist klar: Wir möchten Groß­britannien weiter als wichtigen und starken Partner in Europa wissen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Rössler.)

12.40


Präsidentin Doris Bures: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klubobmann Wögin­ger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.

*****


12.41.05

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Abgeordne­ter Brandstätter hat in seinem Redebeitrag erstens sehr wenig zur Sache gesagt, der Großteil hat mit dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zu tun gehabt und nicht mit dem Außen- und Europapolitischen Bericht 2019. Aus meiner Sicht wäre ein Ruf zur Sache angebracht gewesen, aber das obliegt Ihrer Vorsitzführung. (Zwischenruf des Abg. Brand­stätter.) Vielleicht hat dies auch damit zu tun, dass der Herr Abgeordnete dem Hohen Haus noch nicht sehr lang angehört. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brandstätter.)

Zum Zweiten ersuche ich Sie, Frau Präsidentin, darum, das im Protokoll noch einmal nachzulesen: Kollege Brandstätter hat nämlich den Ersten Präsidenten des Hauses als „Häferl“ bezeichnet, wenn ich das richtig vernommen habe. Das ist inakzeptabel. Das entspricht nicht der Würde des Hauses, und aus meiner Sicht muss hierzu ein Ordnungs­ruf erteilt werden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich ersuche Sie, das überprüfen zu las­sen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. El-Nagashi.)

12.4


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1


Präsidentin Doris Bures: Mir liegen jetzt weitere Wortmeldungen zur Geschäftsbe­handlung vor, die erste von Herrn Abgeordnetem Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.42.15

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Klubob­mann Wöginger hat unserem Abgeordneten Brandstätter vorgeworfen, er habe nicht zur Sache gesprochen. Das muss daran liegen, dass Klubobmann Wöginger zu Beginn der Rede des Dr. Brandstätter nicht im Saal war, als er auf das Europathema und auf ein diesbezügliches Buch Bezug genommen hat.

Ich darf den Herrn Klubobmann auch darauf aufmerksam machen, dass es keinen „Ers­ten Präsidenten“ des Nationalrates gibt, sondern nur einen Präsidenten des National­rates.

Weiters darf ich darauf aufmerksam machen: Wenn es um die Würde des Hohen Hauses geht, empfehle ich Herrn Klubobmann Wöginger, die „ZIB 2“ von gestern noch einmal anzuschauen, dann kann er sich darüber Gedanken machen. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

12.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Leichtfried. – Bitte.


12.43.05

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich muss ge­stehen, dass mich dieser Redebeitrag zur Geschäftsordnung jetzt schon etwas verwun­dert hat. Ich kann mich Kollegen Loacker anschließen. Ich habe die Rede des Kollegen Brandstätter sehr genau verfolgt. Er hat insbesondere zu Beginn die Frage der parla­mentarischen Demokratie in der europäischen Dimension, im ganzen europäischen de­mokratischen System angesprochen. Wenn diese Frage nicht eine Grundfrage unseres europa- und außenpolitischen Diskurses sein soll, dann weiß ich nicht, was sonst für uns europapolitisch und außenpolitisch wichtig ist. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Es ist sicherlich zur Sache gewesen, geschätzte Damen und Herren, dass Herr Brand­stätter in diesem Zusammenhang das doch sehr merkwürdige Interview des Herrn Parla­mentspräsidenten und den wirklich schlechten Umgang des Bundeskanzlers mit der par­lamentarischen Demokratie angesprochen hat, denn dabei geht es um Demokratie in Europa, und wir sind schließlich in Europa. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie des Abg. Hafenecker.)

12.44


Präsidentin Doris Bures: Gibt es noch eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung? – Das ist nicht der Fall.

Dann möchte ich, da es ja jedem Teilnehmer der Verhandlungen obliegt, das Verlangen auf einen Ruf zur Sache zu stellen, die Entscheidung jedoch der vorsitzführende Präsi­dent trifft, festhalten, dass es im Rahmen der Debatte tatsächlich einen Exkurs des Herrn Abgeordneten Brandstätter gegeben hat, der an den Präsidenten des Nationalrates ge­richtet war. Ich sehe aber keine Abweichung zur üblichen Praxis, daher wird kein Ruf zur Sache erfolgen.

*****

Damit gehen wir in der Tagesordnung weiter. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Berlakovich. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Das Häferl is’ a okay, ja! – Abg. Brandstätter: Der Sobotka verwendet andere Worte, wie wir wissen! Ich war sehr höflich!)


12.45.13

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich werde mich jetzt bemühen, doch zur Sache zu


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sprechen. Herr Kollege Brandstätter, Sie sind jedenfalls Ihrem Ruf treu geblieben, hier Buchpräsentationen zu machen. Das ist sozusagen der rote Faden, der sich durch die Debatte zieht. (Zwischenruf des Abg. Brandstätter.)

Ja, der Europapolitische Bericht bezieht sich auf das Jahr 2019. Es war das letzte Jahr, also ein normales Jahr vor Corona. Heute wie damals gibt und gab es aber eine aktive Außenpolitik, wie der Bericht bestätigt und wie man es den Ausführungen des Außenmi­nisters entnehmen kann, eine Außenpolitik, die auch kritisch ist, Frau Kollegin Rendi-Wagner – weil Sie angemerkt haben, dass es nicht gut ist, dass der Bundeskanzler beim EU-Finanzrahmen kritisch ist, und es nicht gut ist, beim Wiederaufbaufonds kritisch zu sein. Ich sehe das gerade umgekehrt. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Ich finde, dass Österreich in der Europäischen Union und international immer ein stabiler Partner war und auch heute ist. Gerade weil wir das sind und weil wir ein kleiner Staat sind, haben wir ein gutes Recht, uns aktiv auf europäischer und internationaler Ebene einzumischen und mitzubestimmen. Ich glaube nicht, dass es die österreichische Bevöl­kerung akzeptiert, wenn wir in internationalen Gremien zu allem Ja und Amen sagen. Die Bevölkerung erwartet sich von uns, dass wir die Politik aktiv mitgestalten.

Wir haben das immer schon gemacht. Ich erinnere mich an meine Zeit, als wir – Öster­reich! – im Umweltministerrat auf europäischer Ebene das Selbstbestimmungsrecht in der Frage der Gentechnik beantragt haben – jeder Staat soll dies selbst entscheiden –, und es wurde erfolgreich durchgesetzt. Erfolgreich waren wir auch, als es darum ging, in den europäischen Atomkraftwerken Stresstests durchzuführen. Genauso macht es Sebastian Kurz jetzt. Die österreichische Bevölkerung erwartet sich, dass wir beim Fi­nanzrahmen oder auch bei all den anderen europäischen Entwicklungen mitreden und unsere Interessen einbringen. Wie man sieht, hat Sebastian Kurz das erfolgreich ge­macht. (Beifall bei der ÖVP.)

In diese Reihe fügt sich auch die Besuchstätigkeit des Außenministers und anderer Minister, aber auch jene des Bundeskanzlers, der in den letzten Monaten in den USA, in Japan und in Südkorea war und in Kontakt mit den großen Technologieländern steht – ganz wichtig! –, mit China als einem starken zentralen Partner für unsere Wirtschaft, aber auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait, wo jetzt ein historisches Ereignis stattfindet, sozusagen die Aussöhnung – sagen wir es einmal vorsichtig – mit Israel, oder auch die Teilnahme am Weltwirtschaftsforum.

All diese Aktivitäten von Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Minister tragen dazu bei, dass Österreich in der Welt anerkannt ist, das Image gepflegt wird und Kontakte aufrechterhalten werden. – Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt findet sich in Österreich selbst. Österreich und insbesondere Wien sind wichtige Begegnungspunkte zwischen Nord und Süd sowie Ost und West.

Wir haben im Vorjahr 40 Jahre UNO-Standort Wien – also 40 Jahre Vienna International Center mit der UNO-City – gefeiert. Wir waren dort mit dem Außenpolitischen Ausschuss vertreten. Der Außenminister konnte dort mit hochrangigen UNO-Vertretern sprechen. Man darf nicht vergessen, dass neben diesen Einrichtungen insgesamt 40 internationale Organisationen hier in Wien tätig sind – von der Unido angefangen bis hin zu Opec, OSZE und vielen Institutionen, die Sicherheit und Zusammenarbeit propagieren. Sie si­chern immerhin über 18 000 Arbeitsplätze und haben auch einen großen Wertschöp­fungseffekt.

Ein Ereignis im Jahr 2019 war denkwürdig: der Fall des Eisernen Vorhangs vor 30 Jah­ren – wir haben viele gemeinsame Veranstaltungen, zum Beispiel mit Ungarn, ge­macht –, das Paneuropapicknick, die Flucht der ehemaligen DDR-Bürger und damit ein Aufbrechen Europas.


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Diese permanenten Kontakte haben in der Krise dann auch einen Sinn. Jetzt im Coro­najahr sind die Grenzen zweimal geschlossen worden: Tschechien/Österreich, Slowa­kei/Österreich, Ungarn/Österreich. Dank des Einsatzes von Minister Schallenberg, Mi­nister Nehammer, Ministerin Edtstadler, des Bundeskanzlers und uns vor Ort ist es ge­lungen, dass die Grenzen für Pflegekräfte, Krankenschwestern, Ärzte, Erntehelfer und andere Arbeitnehmer offen gehalten werden. Das ist im April passiert und jetzt im Sep­tember. Es zeigt, wie wichtig diese Kooperationen sind, weil Österreich eine große Kom­petenz hat, mit seinen Nachbarn zusammenzuarbeiten. Wir tun das auch im Parlament, zuletzt durch die Freundschaftsgruppe, die sich mit den Ungarn getroffen hat, aber auch durch den Start des Nachbarschaftsdialogs mit Slowenien bis hin zu Kontakten mit den Balkanländern oder im Rahmen der C5-Gruppe, die Außenminister Schallenberg ge­gründet hat, in der wir mit unseren Nachbarländern Kontakte halten.

Ich halte das für immens wichtig. Wir haben gemeinsame Interessen und wollen diese auch durchsetzen. Das war – letzter Satz – erfolgreich, als im Zuge der Coronakrise über 7 500 Menschen nach Österreich zurückgebracht wurden. Es war die größte Rückhol­aktion, die es seitens des Außenministeriums jemals gegeben hat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.


12.50.21

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf den Außenpolitischen Bericht eingehe, würde ich gerne etwas zur Ihrem Redebeitrag sagen, Herr Bundesminister: Sie haben die Reisewarnungen angesprochen, und ich habe das Gefühl, dass Österreich dabei nicht wirklich geschickt agiert hat. Wenn man es kurz zusammenfassen möchte: Zuerst hat man sich groß aufgeplustert und selbst Reisewarnungen verhängt, über die man diskutieren kann, und jetzt plötzlich kommen wir drauf: Ups, das können ja andere auch – und sie machen es auch.

Das erinnert mich ein bisschen an den Zauberlehrling, der von Goethe ganz interessant beschrieben wird: Zuerst gibt es Überheblichkeit und Wichtigtuerei – das kommt mir schon ein bisschen bekannt vor –, dann kommt die Umsetzung des Vorhabens, dann fühlt man sich ein bisschen mächtig, und plötzlich kommen Angst und Verzweiflung, weil die anderen so etwas auch machen. Herr Bundesminister, wissen Sie, was ich mir dabei wünschen würde? – Wenn wir von Anfang an etwas sensibler gewesen wären und die internationale Zusammenarbeit gesucht hätten, bräuchten wir jetzt wahrscheinlich nicht solche Angst um unsere Tourismusbetriebe zu haben, wie wir sie haben. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesminister Schallenberg schüttelt den Kopf. – Abg. Haubner: Unglaublich!) – Es ist nicht unglaublich, Herr Kollege, es ist leider so, und alle leiden darunter. Manchmal sollte man sich eben vorher überlegen, was man tut (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Haubner), und nicht nachher relativ beeinträchtigt dreinschauen.

Zum Bericht selbst, Herr Bundesminister: Es sind viele Kapitel zusammengelegt worden und meines Erachtens ergeben sich dadurch einige Lücken, die nicht hätten sein müs­sen. Ich möchte Ihnen aber zur wiedergewonnenen Sachlichkeit des Berichtes gratulie­ren. Ich glaube, das sollte man positiv anmerken.

Was ich schon hinterfragen möchte, ist eine von mir wahrgenommene Umpositionierung der Außenpolitik, indem gewisse Dinge einfach verkleinert beziehungsweise weggelas­sen wurden. Österreich war immer in einer sehr guten Rolle als Mittler im Nahostkonflikt. Diese Interessen scheinen mir nun im Bericht zurückgenommen worden zu sein. Man versucht sich mehr in anderen Bereichen, stellt sich dabei aber schnell relativ eindeutig


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auf die Seite von Konfliktparteien. Mir ist das beim Konflikt Türkei-Griechenland aufge­fallen, bei dem Österreich sich scheinbar nicht mehr dafür hergeben wollte, eine Mittler­rolle einzunehmen, sondern sich eindeutig auf die Seite Griechenlands gestellt hat. Das kann man tun, man muss dann aber akzeptieren, dass diese Mittlerrolle, für die wir über Jahrzehnte bekannt geworden sind und die man uns zuschreibt, langsam schwinden wird.

Herr Außenminister, deshalb meine ich auch, dass der Versuch, im Bergkarabachkonflikt eine Mittlerrolle einzunehmen, aus diesen Gründen schwieriger zu sein scheint. Mein Appell: Besinnen wir uns auf die traditionelle Rolle des neutralen Österreichs als Vermitt­ler zwischen denen, die Gewalt ausüben wollen! Ich glaube, das passt uns besser, als uns sofort und schnell auf eine Seite zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Damen und Herren, in einem Punkt bin ich anderer Auffassung von der Rolle Österreichs, und zwar beim EU-Mercosur-Pakt. Auch dazu haben Sie im Bericht festge­schrieben, dass Österreich sehr skeptisch ist, was diesen Pakt betrifft. Aus Sorge um die Absenkung der Lebens- und Umweltstandards habe Österreich Bedenken, diesem Pakt beizutreten. – Herr Außenminister, dazu hätte ich mir nicht gewünscht, dass wir Bedenken haben, sondern ich hätte mir gewünscht, dass drinnen steht: Wir werden die­sen Pakt nie unterschreiben – Punkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, zusammengefasst ist es ein Bericht mit Licht und Schatten, in dem es aber doch Dinge zu loben und einiges zu kritisieren gibt. Ich hoffe, Sie nehmen sich die Dinge, die ich angesprochen habe, zu Herzen. Der nächste Bericht wird ein noch besserer sein.

Was die Reisewarnungen betrifft: Gehen Sie bitte gemeinsam mit Ihrem Bundeskanzler in sich und versuchen Sie, die Scherben, die wir dabei verursacht haben, so gut wie möglich zu kitten! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeord­neter Taschner zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Der Herr Professor berich­tigt, da schau her – da bin ich aber gespannt!)


12.55.09

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ho­hes Haus! Sehr geehrter Herr Kollege Leichtfried, ich darf Ihren Irrtum tatsächlich be­richtigen: Es hat nicht an der Politik des Bundeskanzlers gehangen, dass die Reisewar­nungen ausgesprochen worden sind, sondern das hängt an absoluten Zahlen. Dagegen kann man nichts machen – Zahlen sind unbestechlich. (Beifall bei der ÖVP.)

12.55


Präsidentin Doris Bures: Das war mehr eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Mei­nungen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.


12.55.49

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Auf der Tagesordnung steht der Außen- und Europapolitische Bericht aus dem Jahr 2019 – ein guter Bericht, der jedoch bereits ein Jahr später nicht mehr aktuell ist, denn auf europäischer Ebene ist unglaublich viel passiert. Man könnte fast sagen, man befindet sich in einem neuen europäischen Zeitalter. Das Problem dabei ist nur: Es ist kein gutes, sondern ein schlechtes, denn wir erleben mittlerweile eine EU, die sich von der ursprünglichen, so wichtigen und richtigen Idee der Sicherung von Frieden, Freiheit und Wohlstand durch Kooperation und Zusammenarbeit, einem Europa der Vaterländer,


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offensichtlich zu einem riesigen zentralistischen Drüberfahrkonstrukt mit Allmachtsfanta­sien entwickelt hat, sehr geehrte Damen und Herren.

Wir erleben eine EU, die – komme, was wolle – wider jegliche Vernunft weiter Richtung Vereinigte Staaten von Europa steuert, inklusive Aufgabe nationalstaatlicher Souveräni­tät. Es ist eine EU der Lobbyisten, die immer mehr Schulden macht und zulasten weniger Nettozahler umverteilt. Es ist eine Union, die noch immer nichts aus der Flüchtlingskri­se 2015 gelernt hat, es nicht schafft, die Außengrenzen zu schützen, sich von der Türkei erpressen lässt und noch immer, wie in der aktuellen Asylpaktdebatte, von Flüchtlings­verteilung spricht. Es ist eine Union, der mittlerweile sogar das erste Mitgliedsland den Rücken kehrt. Vor allem erleben wir zurzeit eine Union, die die größte Gesundheits- und Wirtschaftskrise – die Coronakrise – dafür missbraucht, ihre eigene Macht und ihre Kom­petenzen zu erweitern. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist auf das Schärfste zu verurteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Stichwort Schuldenunion: Zum ersten Mal wird der EU gestattet, selber Schulden aufzunehmen und Finanzmittel auf dem Kapitalmarkt zu besorgen – ein gewaltiger Ta­bubruch in noch nie dagewesenem Ausmaß, sehr geehrte Damen und Herren, der in den nächsten Jahren noch fatale Konsequenzen haben wird. Das Traurige ist: Wieder einmal ist es niemand anderer als die ÖVP selber, die den Weg dazu geebnet hat. Ich gratuliere Ihnen, dass Sie schon wieder die Interessen der österreichischen Steuerzahler dermaßen verraten haben, werte ÖVP!

Es ist für mich auch unbegreiflich, warum Sie in der größten Gesundheits- und Wirt­schaftskrise der Zweiten Republik, in der viele Menschen vor dem Nichts stehen und dringend Hilfe benötigen, zugestimmt haben, dass wir in Zukunft auch noch für Schulden anderer Staaten zahlen und haften und weitere Milliarden an die Europäische Union überweisen. Erklären Sie einmal dem österreichischen Steuerzahler, werte ÖVP, warum es Sie nicht stört, dass wir ausgerechnet für Schulden jener Länder haften, die schon vorher katastrophal verschuldet waren und gewirtschaftet haben! Erklären Sie einmal, warum Sie monatelang eine gewaltige frugale Show abziehen und sagen, dass Sie Zu­schüssen niemals zustimmen werden, während wir am Ende statt 500 Milliarden 700 Mil­liarden Euro, sowohl Kredite als auch Zuschüsse, haben! – Ich gratuliere Ihnen zu die­sem Verhandlungserfolg! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Erklären Sie einmal dem Steuerzahler, warum Sie zustimmen, wenn 70 Prozent der EU-Coronahilfszahlungen laut Kommissionsvorschlag an Kriterien geknüpft werden, die nichts mit der Covid-Krise zu tun haben, wie zum Beispiel die Arbeitslosigkeit 2015! Er­klären Sie einmal, warum Sie zustimmen, dass die Europäische Union ständig ihre eige­nen Verträge bricht! Erklären Sie einmal, warum Sie sich immer hinstellen und behaup­ten, es gebe überhaupt keine Schuldenunion, und es sei ja nur eine einmalige Hilfe! Gleichzeitig geht aber Olaf Scholz, immerhin Finanzminister in Deutschland und keine unbekannte Persönlichkeit, hinaus und sagt: Die gemeinsamen Schulden werden zur Dauereinrichtung, und die Schuldenunion ist ein gewaltiger Fortschritt, der sich nicht mehr zurückdrehen lässt. – Er ist zwar vollkommen daneben, aber im Gegensatz zu Ih­nen ist er wenigstens ehrlich, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Erklären Sie dem Steuerzahler auch einmal, warum Sie sagen, dass Sie diesen Hilfszah­lungen nur zustimmen, wenn Österreich seinen Rabatt behält, Ihr EU-Abgeordneter Ka­ras aber gleichzeitig hinausgeht und gegen einen österreichischen Rabatt stimmt!

Erklären Sie einmal, wie man als österreichischer Politiker ständig die Interessen der eigenen Bevölkerung am EU-Tisch dermaßen verkaufen und in Österreich ständig das Gegenteil erzählen kann! Erklären Sie das einmal, werte ÖVP!

Es ist auch kein Wunder, warum jetzt der Mehrjährige Finanzrahmen – wir hatten ja heute Budgetrede – so aussieht, wie er aussieht. Österreich wird mehr zahlen – auch wieder ein Wahlversprechen, das Sie gebrochen haben.


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In Zusammenhang mit all den Hilfszahlungen möchte ich auch sagen, dass es schon lange kritisch zu beobachten ist, dass Sie bei den EZB-Staatsanleihenkäufen, die mittler­weile 4 Billionen Euro ausmachen, überhaupt nichts sagen.

Jetzt kam auch ein neuer Vorschlag betreffend eine digitale Währung, was auf Dauer nichts anderes als eine Abschaffung des Bargelds, totale Kontrolle und einen gewaltigen Einschnitt in die Freiheit des Einzelnen bedeutet. Ich weiß schon, Sie haben in den letz­ten Monaten gezeigt, dass Ihnen die Freiheitsrechte nicht viel bedeuten. Von uns gibt es jedoch dazu ein klares Nein, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ihre Lösung ist anscheinend immer nur: noch mehr EU, noch mehr EU und noch ein bisschen mehr EU. Werte Kollegen, es ist dringend an der Zeit, Ihre Vorgehensweise zu überdenken. Legen Sie endlich einmal die rosarote EU-Liebesbrille ab! Ein Mehr ist nicht immer gut. Wann, wenn nicht jetzt, müsste das Motto: Österreich zuerst! heißen? (Beifall bei der FPÖ.)

13.01


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.


13.01.33

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Außenminister! Kollegin Steger, das war jetzt eine hochinteressante Rede darüber, wie schrecklich die Europäische Union ist: immer mehr Europäische Union, es ist alles so schlecht, und man soll die Brille ablegen. – Was mich daran wundert, ist: Es ist der Außen- und Europapoliti­sche Bericht 2019, den wir hier diskutieren. Damals waren Sie mit Ihrer Partei in der Regierung, und der Bericht handelt von freiheitlicher Regierungspolitik. (Zwischenruf der Abg. Steger.)

Der Bericht sagt, dass sich Österreich für die Erweiterung der Europäischen Union um die sechs Westbalkanländer eingesetzt hat und dass die Rolle Österreichs in diesem Jahr 2019 europaweit gewürdigt wurde, dass wir uns im Jahr 2019 für den Beitritt von Albanien, von Mazedonien, von Serbien, von Montenegro aktiv eingesetzt haben und als österreichische Republik eine sehr konstruktive Rolle gespielt haben. Man muss sagen, das haben die Freiheitlichen großartig gemacht, wenn das so war, wie es in diesem Bericht steht – ich schreibe den Bericht ja nicht, aber das ist dort sehr positiv erwähnt ‑, und ich finde es seltsam, dass Sie die Rolle, die Sie dabei in der Regierung gehabt haben, nicht loben. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Halten wir fest: Sollte es in absehbarer Zeit zu diesen Beitritten kommen, hat die freiheit­liche Regierungsbeteiligung einiges dazu beigetragen, dass diese Länder näher an die Europäische Union herangeführt wurden. Da Sie ja sonst immer gerne schlecht darüber reden, wollen wir doch einmal positiv erwähnen, wie sehr Sie sich während Ihrer Regie­rungsbeteiligung für den Beitritt dieser sechs Westbalkanländer eingesetzt haben. Das ist sehr gut.

Der zweite Punkt aus dem Bericht, den ich ansprechen möchte, ist der europäische Au­ßenhandel. Was 2019 nicht passiert ist, ist ein Vorgehen gegen die Verhandlungen des EU-Mercosur-Abkommens, des Abkommens mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Das wurde damals verhandelt, da hätte man ökologisch eingreifen und Maß­nahmen ergreifen können. Das wurde nicht gemacht. Dieses Abkommen wurde inzwi­schen abgeschlossen, aber noch nicht beschlossen, und ist in einer schlechten Form ausverhandelt worden. Es ist ein Problem, dass das so passiert ist, denn jetzt muss es abgelehnt werden.

Das Abkommen ist ein recht einfacher Tausch: Europa öffnet seine Agrarmärkte und Südamerika seine Industriemärkte. Das bedeutet – vereinfacht, aber nicht sehr verein­facht gesagt –, die europäische, die deutsche Autoindustrie exportiert nach Argentinien


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und Brasilien, die brasilianische und argentinische Agrarindustrie exportiert nach Öster­reich. Zu Recht sind die österreichischen Bäuerinnen und Bauern dagegen, weil sie von einer industriellen Landwirtschaft, die wesentlich billiger produzieren kann, einfach über­fahren würden.

Wir sind auch aus ökologischen Gründen dagegen. Es kann nicht sein, dass der Ama­zonasregenwald, die größte Sauerstoffbasis dieses Planeten, für Agrarexporte, für Soja­exporte, für Rindfleischexporte abgeholzt wird. Das hätte man 2019 in den Verhandlun­gen verhindern können. Das wurde nicht gemacht. Wir werden jetzt dieses Abkommen stoppen müssen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Martin Engelberg. – Bitte.


13.04.52

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kollegin­nen und Kollegen! Hohes Haus! Zwei Eingangsbemerkungen, die erste ganz kurz: Ach, Helmut! – Alles andere in einem privaten Gespräch.

Zweitens: Hören wir bitte mit diesem Märchen der Reisewarnungen auf – als ob das ein Sandkastenspiel wäre, bei dem einer dem anderen das Küberl wegnimmt und daraufhin der andere ihm das Schauferl! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, es muss inzwischen wirklich jedem in Österreich klar sein, dass es im Zuge des Reiseverkehrs im Sommer einfach um nackte Zahlen geht, wie viele Erkrankungen es in welchem Land gibt. Dementsprechend muss darauf reagiert werden. Ich kann nur sagen, dass das, was der Bundeskanzler und der Außenminister tun, nämlich auf euro­päischer Ebene zu schauen, dass wir in einen Gleichklang und in eine Entspannung kommen, der goldrichtige Weg ist. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zur Sache, zur internationalen Politik – ich finde, es ist ein großes Thema –: Man möchte es ja nicht glauben, aber es ist tatsächlich in einer Zeit einer Pandemie trotzdem so, dass uns die Erdoğans, die Putins, ein iranisches Regime sozusagen nicht in Ruhe lassen. Sie nutzen diese Zeit, um auch in innenpolitischen Konflikten weiter vorzugehen. Ich denke, dass wir wirklich froh und dankbar sein können, dass der Bundeskanzler und der Außenminister in all diesen Konflikten eine so aktive und positive Rolle einnehmen und in dieser schweren Zeit, in der natürlich das Hauptaugenmerk auf Covid-19 liegt, doch auch in diesem Bereich so aktiv sind. – Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich fand es ganz wichtig, dass wir in der EU eine so ehrliche, starke Position einnehmen. Ich glaube, dass das auch für die Zukunft der EU von großer Bedeutung sein wird. Ich glaube, dass wir in diesen Konflikten, die gerade laufen, eine wichtige Rolle einnehmen.

Da Belarus schon ein paar Mal erwähnt wurde, möchte ich noch eine ganz persönliche Erfahrung teilen: Ich war auch einmal als Wahlbeobachter in Belarus tätig und kann nur mit einem Wort bezeichnen, was dort bei den Wahlen geschieht: schamlos! Es ist schamlos, wie in Belarus Wahlbetrug stattfindet. Es schreit zum Himmel, welches Un­recht jetzt in Belarus stattfindet, und dazu können wir nicht schweigen.

Das Gleiche – die Schamlosigkeit und das Unrecht – gilt aber auch für das, was in Russ­land passiert und was Russland mit seinen Oppositionellen tut. Ich glaube, auch dazu können wir nicht schweigen. Da möchte ich Kollegen Leichtfried ganz vehement wider­sprechen: Ich bin wahnsinnig froh, dass Österreich nicht mehr als ein weicher Vermittler zwischen allen Konflikten irgendwie herumlaviert. Nein! Wir sind Vermittler, wir haben eine wichtige Position, aber nicht bei Unrechtsregimen, nicht, wenn Unrecht auf dieser


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Welt geschieht. Da müssen wir klare Position beziehen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Ich bin dem Bundeskanzler und dem Außenminister unendlich dankbar dafür, dass wir nicht länger in der Mitte zwischen der Position Russlands und jener der USA herumla­vieren. Nein! Wir befinden uns in der Mitte der westlichen Welt, deren wichtigster strate­gischer Partner die USA sind. Nur gemeinsam können wir Unrechtsregimen und Unrecht in der ganzen Welt entgegentreten. – Vielen, vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Also das mit dem Klatschen funktio­niert nicht!)

Last, but not least: Was noch unerwähnt geblieben ist, ist die unglaublich erfreuliche Ent­wicklung im Nahen Osten. Es gibt eine historische Entwicklung, die vielleicht gar nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt: der Friedensschluss, sozusagen, oder die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel, den Emiraten und Bahrain, wahrscheinlich auch noch mit anderen Staaten, die folgen werden. Das ist eine historische Entwicklung, deren Folgen, glaube ich, noch gar nicht absehbar sind.

Auch da ist es wirklich erfreulich, dass die Bundesregierung – der Bundeskanzler, der Außenminister – schon seit Langem eine ganz richtige Position eingenommen hat. Ich erinnere daran, dass es zum Beispiel unser Außenminister war, der unter anderem eine vollkommen unnötige und voreilige Vorverurteilung der neuen israelischen Regierung in der Europäischen Union verhindert hat. Vielen Dank auch dafür! Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.10


13.10.28

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart frage ich die Klubs, ob wir gleich zur Abstimmung schreiten können. – Gut, dann werde ich so vorgehen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Außenpolitischen Ausschusses, den vorliegenden Bericht III‑150 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer sich für die Kenntnisnahme ausspricht, den bitte ich um ein entsprechendes Zei­chen. – Der Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lo­patka, Ernst-Dziedzic, Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die aktuelle Situation in der Region Bergkarabach“.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist einstimmig angenommen. (96/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Hel­mut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufnahme von 100 Kindern aus dem Elendslager Moria“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

13.11.495. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 898/A(E) der Abge­ordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuel­le politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland) (374 d.B.)



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Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


13.12.20

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Außenminister! Es geht bei diesem Entschließungsantrag um mehrere Punkte: Es geht um Weißrussland, von vielen – in der Landessprache – Belarus genannt, es geht darum, verschiedene Maßnahmen zu setzen.

Wir Freiheitliche werden diesem Antrag nicht zustimmen, und ich werde jetzt erläutern, warum. Im Grunde sind viele Dinge dabei, die wir für gut und richtig halten und wir be­zweifeln auch nicht, dass es rechtsstaatliche, demokratiepolitische Defizite in diesem Land gibt. Wir halten aber die Forderung – die ja von der Europäischen Union schon teilweise umgesetzt wurde – nach Sanktionen gegen einzelne Personen, auch gegen Staatspräsidenten Lukaschenka, für nicht geeignet, einen sinnvollen Beitrag zur Konflikt­lösung zu leisten.

Ich verweise auf die Russlandsanktionen, die nach wie vor aufrecht sind. Wenn diese Sanktionen das Ziel haben, Verhaltensänderungen herbeizuführen, die in unserem Sin­ne sind, sage ich jetzt einmal, dann sind die Russlandsanktionen grandios gescheitert. Wir sind auch der Meinung, dass derartige Sanktionen gegenüber Weißrussland und Personen in Weißrussland nichts bringen. Wir müssen das Ganze in einem größeren Zusammenhang sehen. Es ist unbedingt auch die Forderung nach Einsetzung eines ent­sprechenden diplomatischen Formats zu unterstützen – nach dem Minsker OSZE-Format oder einem anderen tauglichen Format –, um diese Probleme, die es dort natür­lich zugegebenermaßen gibt, zu lösen.

Ich möchte aber schon auch darauf hinweisen, dass wir uns in Europa befinden, dass Weißrussland ein europäisches Land ist, und dass auch Russland ein europäisches Land ist. In Ihrem Redebeitrag (in Richtung Bundesminister Schallenberg) zum vorher­gehenden Tagesordnungspunkt, Herr Bundesminister, ist mir ein Satz aufgefallen: Wir müssen aufpassen, dass kein neuer Eiserner Vorhang errichtet wird.

Ich glaube auch, dass wir als Westeuropäer aufpassen müssen, dass wir nicht am Auf­bau dieses Eisernen Vorhanges mitarbeiten oder ihm Vorschub leisten. Insofern erach­ten wir diese Vorgehensweise betreffend Sanktionen als kleines Bausteinchen einer wei­teren Mauer. Das ist für uns nicht der richtige Weg.

Neben der durchaus berechtigten Kritik an der menschenrechtlichen Situation und der durchaus berechtigten Kritik am Wahlprozedere in Weißrussland – das wissen wir alles – muss man sich auch die Ziele der weißrussischen Opposition, der Zivilgesellschaft, ein bisschen genauer anschauen. Wenn man ein bisschen hinter die Kulissen schaut und sich die Ziele der beteiligten Gruppen näher anschaut, dann erkennt man, dass es auch sehr stark – für uns zu stark – in Richtung des Aufbaus einer Mauer geht, vor allem ge­genüber Russland.

Sie kennen mit Sicherheit die Ziele: Da wird dann von der Integration in westliche poli­tische, wirtschaftliche und militärische Strukturen – EU und Nato – gesprochen. Es wird davon gesprochen, dass Weißrussland sofort aus der Eurasischen Wirtschaftsunion austreten soll. Es wird davon gesprochen, dass prorussische Organisationen verboten werden sollen et cetera, et cetera. Im militärischen Bereich wird der Abbau russischer Militäreinrichtungen verlangt.

Ich möchte nicht, dass das, verkürzt formuliert, in die Richtung geht, dass in Weißruss­land irgendwann einmal Raketen der Nato aufgestellt werden, und ich habe vollstes Verständnis für Weißrussland und für Russland, wenn sie mit großer Sorge auf diese


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möglichen Entwicklungen blicken. Das ist eine differenzierte Betrachtung unsererseits: Wir halten Sanktionen in diesem Zusammenhang nicht für geeignet, eine positive Lö­sung für das europäische Weißrussland, Russland und die Länder der Europäischen Union herbeizuführen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Lopatka. – Bitte.


13.16.49

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Bundesminister! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Das Glück von Kollegen Kassegger war, dass er jetzt zu dieser Stunde gesprochen hat und wenig Aufmerksamkeit hatte. – Was muss in Weißrussland denn noch passieren, dass auch die Freiheitlichen für Sanktionen sind? (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist das letzte Land in Europa, in dem es noch die Todesstrafe gibt. Es ist ein Land, das ich 2011 kennengelernt habe: Am 17. Dezember 2011 war ich beim Parteitag der Christdemokraten in Minsk und der Parteitag hat so begonnen, wie wir das alle schon auf Parteitagen miterlebt haben. Es waren 170 Delegierte dort und es ist eine Grußbot­schaft des Vizepräsidenten der Christdemokraten, der zu dem Zeitpunkt zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt war, eingespielt worden.

In dieser Grußbotschaft hat er die Christdemokraten aufgerufen, weiterhin für das Land zu arbeiten und sich nicht unterdrücken zu lassen. Kaum war die Grußbotschaft vorbei, ist im wahrsten Sinn des Wortes das Licht ausgegangen. Alle, die am Parteitag waren, sind aufgefordert worden, den Saal sofort zu verlassen. Wir sind danach perlustriert wor­den, unsere Daten wurden aufgenommen. Im Übrigen hat mir dort der Diplomatenpass geholfen: Im Gegensatz zu anderen Abgeordneten, die festgehalten worden sind, bin ich mit einem zweiten Abgeordneten unbehelligt davongekommen, weil wir eben diesen Schutz hatten.

Am nächsten Tag in der Früh habe ich den Vorstand der Christdemokraten, fünf Perso­nen, getroffen. (Abg. Kassegger: Ihr haltet Vorlesungen!) Ich bin dann über Warschau nach Hause geflogen und bevor ich noch gelandet bin, waren alle verhaftet. Die, die Glück hatten, sind nach wenigen Tagen freigekommen, jene, die Pech hatten, sind wo­chenlang angehalten worden. Warum erzähle ich das? – Weil Lukaschenka seit 1999 die Gründung neuer Parteien verbietet. Es hat aber zuvor schon 19 Parteien gegeben, denen es bis heute verunmöglicht worden ist, tatsächlich zu arbeiten, außer sie waren hundertprozentig systemkonform.

Nun hat diese Auseinandersetzung einen Höhepunkt erreicht, weil Gott sei Dank alle, die dazu im Westen ein Urteil abgegeben haben, gesagt haben: Das waren keine Wah­len, das Ergebnis kann man nicht zur Kenntnis nehmen. Lukaschenka ist somit von nie­mandem anerkannt worden.

Was macht die Bevölkerung? – Das Einzige, was sie machen kann, ist auf die Straße zu gehen, Woche für Woche. Was macht Lukaschenka? – Er geht brutal gegen die De­monstranten vor, er geht brutal gegen Journalisten vor, und in den letzten Tagen wurde von seiner Seite, also vom Innenministerium angekündigt, in Zukunft Kampfwaffen und scharfe Munition einzusetzen. Also stärker kann man Demonstranten ohnehin nicht mehr bedrohen. Wir haben heute die Budgetrede unseres Finanzministers gehört. Auch Lukaschenka hat seinen Haushaltsplan vorgelegt. Er will die Militärausgaben um 31 Pro­zent – um 31 Prozent! – steigern und ebenso die Ausgaben für den Polizeiapparat.

Bei diesen Androhungen von Gewalt, bei diesem Vorgehen – allein letztes Wochenende sind wieder 700 Demonstranten verhaftet worden – fehlt mir wirklich jedes Verständnis dafür, dass die Freiheitliche Partei diesen Vierparteienantrag nicht unterstützen kann.


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Was muss noch passieren, damit sich die Freiheitliche Partei auf die richtige Seite stellt, nämlich auf die Seite von Freiheit und Demokratie? Niemand tritt die Freiheit und die Demokratie so mit Füßen, wie es Lukaschenka tut; es gibt kein zweites Land in Europa, das in so einem katastrophalen Zustand ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kas­segger: Sanktionen sind aber der falsche Weg!)

Selbst Russland hat schon bemerkt, wie die Situation dort ist. Daher ist es richtig, dass wir uns – wie auch andere Parlamente – mit dieser Frage beschäftigen, weil wir damit die Menschen zumindest moralisch unterstützen können. Eine Teilnehmerin dieses Par­teitags 2011, nämlich Olga Kowalkowa – ich kenne sie persönlich –, war jetzt im Koordi­nationskomitee der Demokratiebewegung. Sie ist gezwungen worden, das Land zu ver­lassen – momentan ist sie in Warschau – und genauso ist ja auch Zichanouskaja, die Präsidentschaftskandidatin, quasi gezwungen worden, ins Ausland zu gehen.

Ich halte es für richtig, dass die Menschen dort jetzt gesagt haben, dass sie noch bis zum 25. Oktober warten wollen. Wenn bis dahin von Lukaschenka nicht reagiert wird, dann soll es einen Generalstreik geben. Dann wird die Frage sein, wie das Regime da­rauf reagiert. Wir hier tun uns eigentlich recht leicht, weil wir in Freiheit und Frieden leben. Wir sollten schon auf der richtigen Seite stehen, und die richtige Seite kann immer nur die sein, für Demokratie und Freiheit einzutreten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


13.22.20

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Weißrussland, Belarus, das ist Europa. Die Menschen dort stehen auf für Freiheit und Demokratie. Eine Welle von Manifestationen für die Grund­rechte hat Minsk, hat Weißrussland erfasst, und die Regierung antwortet nicht mit einem nationalen Dialog, die Regierung antwortet mit brutaler Gewalt, mit schnelleren und stär­keren Schusswaffen für die Exekutive.

Es ist gut, wenn Österreich gegen diese Rechtsverletzungen auftritt. Bereits Mitte August sah die traurige Bilanz so aus: 6 000 Festnahmen, Schläge, Folter und Psychoterror, und wie mir das Menschenrechtszentrum Viasna und der Aktivist Michael Smolski be­richtet haben, Dutzende Vermisste. Eine ganze Reihe von Vermissten wurde in Wäldern, in Teichen tot aufgefunden. Das Regime spricht von Selbstmord.

Es ist daher auch höchst angebracht, in dem Zusammenhang die Frage der Todesstrafe, die ja in Weißrussland immer noch laufend exekutiert wird, zu stellen. Ich möchte daher einen Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Hel­mut Brandstätter, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „aktives Engagement für die Abschaffung der Todesstrafe“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten, werden aufgefordert,

- sich aktiv für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen und diesbezügli­che Initiativen, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen, weiterhin mit Nach­druck voranzutreiben;

- sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Kommission im Rahmen des Europäi­schen Instruments für Demokratie und Menschenrechte auch künftig einschlägige Pro­jekte fördert;


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- sich bilateral und im Rahmen der EU gegenüber Weißrussland mit Nachdruck dafür einzusetzen, alle bereits gefällten Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln;

- bilateral und im Rahmen der EU, den Dialog mit den USA mit Blick auf eine vollkom­mene Abschaffung fortzusetzen, um sich gemeinsam für die Abschaffung der Todesstra­fe in der gesamten Welt einsetzen zu können und

- sich auch weiterhin bei allen Initiativen gegen die Todesstrafe eng mit zivilgesellschaftli­chen Organisationen zusammenzuarbeiten und diese in ihrer Arbeit zu unterstützen.“

*****

Ich darf abschließend sagen: Menschenrechtsverletzungen sind zu ächten. Solidarität mit Opfern wie den verschwundenen Spitzenbeamten und -politikern in Weißrussland ist zu wenig. Solidarität gibt zwar Hoffnung, aber es geht doch auch darum, jene Menschen­rechtverletzter, Mörder, auch Schreibtischtäter und Befehlsgeber persönlich haftbar zu machen. In dem Fall sollte sich Österreich stärker mit dem Magnitsky Act auseinander­setzen, um eine starke Welle der Solidarität und der Ächtung von Mördern und Korrup­tionisten zu erreichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend aktives Engagement für die Abschaffung der Todesstrafe

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 5 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 898/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißruss­land) (374 d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates am 14. Oktober 2020

Die Todesstrafe stellt eine Verletzung der Menschenwürde dar, verstößt gegen das Recht auf Leben und ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar.

Deshalb wird sich der österreichische Nationalrat auch weiterhin gemeinsam mit seinen europäischen Partnern intensiv für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe einset­zen.

Entgegen dem globalen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe nahm nach Berichten von Amnesty International die Zahl der Hinrichtungen in Saudi-Arabien, Irak, Südsudan und Jemen im vergangenen Jahr stark zu. Die fünf Länder mit den meisten Hinrichtun­gen 2019 waren China, Iran, Saudi-Arabien, Irak und Ägypten. Im Laufe des Jahres 2019 registrierte Amnesty International mindestens 2.307 neue Todesurteile in 56 Ländern.

Der Europarat und die Europäische Union sind Vorreiter im Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe. Staatliches Töten im Namen einer vermeintlichen Gerechtigkeit wider­spricht unseren Grundwerten. Durch die Europäische Menschenrechtskonvention hat der Europarat eine todesstrafenfreie Zone geschaffen, welche 47 Länder und über 830 Millionen Menschen umfasst. Weißrussland ist das einzige europäische Land, in dem die Todesstrafe noch verhängt wird.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, werden aufgefordert,

sich aktiv für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen und diesbezügliche Initiativen, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen, weiterhin mit Nachdruck voranzutreiben;

sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Kommission im Rahmen des Europäi­schen Instruments für Demokratie und Menschenrechte auch künftig einschlägige Pro­jekte fördert;

sich bilateral und im Rahmen der EU gegenüber Weißrussland mit Nachdruck dafür ein­zusetzen, alle bereits gefällten Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln;

bilateral und im Rahmen der EU, den Dialog mit den USA mit Blick auf eine vollkommene Abschaffung fortzusetzen, um sich gemeinsam für die Abschaffung der Todesstrafe in der gesamten Welt einsetzen zu können und

sich auch weiterhin bei allen Initiativen gegen die Todesstrafe eng mit zivilgesellschaftli­chen Organisationen zusammenzuarbeiten und diese in ihrer Arbeit zu unterstützen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


13.25.45

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Die Freiheit ist kein Soforturlaub, wie wir uns das einst er­träumt haben. Der Weg zur Freiheit ist lang, nun wissen wir das. – Das sagte die bela­russische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch kürzlich angesichts der er­schütternden Ereignisse und Entwicklungen in ihrem Land.

Seit mehr als zwei Monaten gehen die Belarussen und Belarussinnen nun genauso mu­tig wie hartnäckig, muss man sagen, einen sehr beschwerlichen Weg Richtung Freiheit. Menschen jeden Alters, jeder sozialen Herkunft, vor allem aber auch viele Frauen trotzen der Gewalt, der Prügel, den Blendgranaten, dem Tränengas und riskieren damit tatsäch­lich ihr eigenes Leben und ihre Gesundheit. Sie wollen sich vom Langzeitherrscher Lu­kaschenka nicht die Wahlen und damit ihre eigene Zukunft stehlen lassen. Sie setzen deshalb lieber ihre persönliche Freiheit aufs Spiel, um die Befreiung ihres Landes aus jahrzehntelanger Diktatur zu erringen.

Die Menschen auf den Straßen von Belarus sind schon zu weit gegangen und haben zu viele Opfer gebracht, wie ich meine, als dass sie jetzt noch umdrehen könnten oder woll­ten. An fairen und freien Wahlen unter internationaler Beobachtung und einem Übergang zu demokratischen Machtverhältnissen führt deshalb zumindest mittelfristig kein Weg mehr vorbei. Es geht um nichts Geringeres als Demokratie, eine Möglichkeit, die wir in Europa, in Österreich haben, eine Möglichkeit, die auch den BelarussInnen unbedingt zusteht.

Für uns Grüne gehören Demokratie und Menschenrechte zu den größten Errungen­schaften, welche die Zivilisation in einem zähen Kampf hervorgebracht hat, und wir sehen


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deshalb die Grundfreiheiten als universell und unteilbar an. Nur dann, wenn die interna­tionale Gemeinschaft auf diese Errungenschaften Acht gibt, sie selbst als Wert be­trachtet, nur dann können wir uns gegen autoritäre Machtgelüste, und davon gibt es in der Welt genug, verteidigen.

Es liegt daher auch an uns, an Europa, diesen langen, zermürbenden Weg zur Freiheit der BelarussInnen zu verkürzen, und ich freue mich deshalb, dass es gelungen ist, hier im Parlament einen von allen Parteien – außer der FPÖ – getragenen Antrag einzubrin­gen, der eine klare Positionierung Österreichs zur aktuellen politischen Lage in Belarus zum Ausdruck bringt. Und ja, es ist richtig und wichtig, dass auch der österreichische Nationalrat ein klares Signal aussendet, und zwar nicht nur an die Diaspora, an die hier in Österreich Lebenden, sondern auch an die Zivilbevölkerung vor Ort.

Ich freue mich deshalb, dass Sie, Herr Bundesminister, einer der Aufforderungen des Parlaments bereits nachgekommen sind, nämlich für eine Umschichtung der EU-Mittel, die eigentlich für belarussische Gemeinden und Behörden gedacht waren, in Richtung der Zivilgesellschaft Sorge zu tragen, um diese zu stärken. Das sind genau die Schritte, die sich die belarussische Demokratiebewegung von uns erwartet, und ich bin sehr da­für, dass wir den vorgezeichneten Weg mit der belarussischen Zivilbevölkerung zu Ende gehen. Das mag noch lange dauern, aber die Ausdauer zahlt sich jedenfalls aus.

Der Kampf um Freiheit und Demokratie, und das weiß ich seit meinen Kindheitstagen hinter dem Eisernen Vorhang, ist nie umsonst und wird auch in Belarus nicht umsonst sein. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.


13.30.02

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe ZuseherInnen! Die Lage ist wirklich dramatisch, und wenn man sich ansieht, was Frau Zichanouskaja, die der Herr Bundesminister ja getroffen hat, sagt, dann wissen wir, dass Belarus – und damit auch ein Stück Europa – am 26. Oktober möglicherweise auf eine dramatische Art und Weise ganz anders ausschauen wird.

Ich weiß nicht, wie weit Sie das verfolgt haben, aber sie sagt, wenn nicht drei Bedingun­gen erfüllt werden – nämlich der Rücktritt Lukaschenkas, die Freilassung der vielen poli­tischen Gefangenen und auch die Abkehr von der Gewalt –, dann wird am 26. Oktober die Zivilgesellschaft des Landes aufstehen, dann wird es einen Generalstreik geben, dann werden die Menschen auf die Straße gehen, dann können und müssen wir mögli­cherweise das Schlimmste befürchten.

Deswegen ist schon meine Frage, Herr Bundesminister: Was macht denn die Europäi­sche Union in dieser Situation? Ich glaube nicht, dass wir einfach zuschauen und sagen können, hoffentlich passiert an diesem 26. Oktober nichts – weil wir dann nachher hier sitzen und sagen, eigentlich haben wir gewusst, dass dort möglicherweise ein Massaker an Menschen ausgeübt wird. Wir müssen das in der gegenwärtigen Lage befürchten, und ich fürchte, das ist sehr, sehr ernst.

Da stellt sich natürlich dann die Frage: Was macht man? Kollege Kassegger hat gemeint, Sanktionen haben keinen Sinn; Kollege Troch hat richtigerweise auf den Magnitsky Act hingewiesen – ich habe das Buch sogar da, wenn Sie wollen, „Red Notice“ von Bill Browder. Er ist der Erfinder des Magnitsky Acts, weil er in Russland beobachtet und erlebt hat, wie sein Steuerberater und Anwalt, Herr Magnitsky, aus irgendwelchen faden­scheinigen Gründen verhaftet, gefoltert und letztlich umgebracht wurde. Dieser Bill Brow­der, ein amerikanischer Investor, hat dann gesagt, die einzige Chance, wie wir gegen


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Russland vorgehen können, ist, dass wir herausfiltern, welche Persönlichkeiten Teil der Unterdrückung sind. Gegen die müsse man vorgehen, nicht gegen das Volk. Dasselbe gilt meiner Meinung nach für Belarus, deswegen ist dieser Magnitsky Act, gerade was Belarus betrifft, sehr sinnvoll.

Nun möchte ich noch ein Wort zur Lage in Armenien und in Aserbaidschan sagen, leider sind wir da wieder bei der Lage der Europäischen Union – und ich muss Herrn Erdoğan zitieren: Das ist ein einflussloses und oberflächliches Gebilde. Das müssen wir uns, meine Damen und Herren, gerade von jemandem wie Herrn Erdoğan sagen lassen – und dann müssen wir sagen: Möglicherweise hat er nicht ganz unrecht. Hoffentlich sind wir nicht oberflächlich, aber dass wir einflusslos sind, das kann man schon befürchten. Dazu gibt es einen guten Kommentar im „Economist“, mit der Überschrift „No one in charge“. Es ist ganz konkret niemand da, der sich kümmert, und dann heißt es weiter, es gibt eben ein Vakuum des Global Leadership. Das Vakuum des Global Leadership sind wir in Europa: Wir befinden uns mitten in Europa und wir haben da die Konflikte. Wenn wir diese nicht gemeinsam lösen, dann werden es entweder andere machen, oder es werden noch mehr regionale Konflikte in unserem Bereich, in Europa entstehen, und die werden Folgen haben, die natürlich in erster Linie die Menschen dort, aber indirekt auch wir zu tragen haben.

Deswegen, und ich meine das wirklich ernst, ich sage es ja sehr oft und wir beobachten es leider – ein ganz neues Buch, „Twilight of Democracy“ (das genannte Buch in die Höhe haltend) –: Es ist die Dämmerung der Demokratie. Die Autorin ist Anne Apple­baum, eine große amerikanische Journalistin, die in Polen lebt und dort mit dem früheren Außenminister Sikorski verheiratet ist, also Europa, insbesondere Polen, Ungarn und diese Länder wirklich alle sehr gut kennt. Sie analysiert in diesem Buch sehr genau, wie nun immer wieder ein Stück Demokratie verloren geht. Das darf in Europa nicht sein, das ist gegen unsere Werte, gegen unsere Tradition und gegen unsere Erfahrung – auch unsere Erfahrung in Österreich –, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir wissen auch, wie die Demokratie in Österreich verloren gegangen ist und was das letztlich für Folgen gehabt hat. Wir wissen auch, dass das mit einem Wort verbunden war, und das möchte ich auch noch einmal sagen, nämlich mit dem Wort Hass. Sie zitiert da Julien Benda, einen französischen Philosophen, der schon im Jahr 1927 gesagt hat, dass in unserem Zeitalter politischer Hass wiederkommen wird und viel zerstören wird. Dagegen können wir als Europäische Union auftreten, aber wir müssen es auch tun.

Noch einmal mein Appell, Herr Bundesminister: Die Außenminister müssen mehr sagen, als sie das momentan tun. Wir können heute etwas beschließen – wunderbar, da sind wir sehr dafür, aber die Außenminister werden in den nächsten Tagen und Wochen mehr machen müssen als eine Resolution zu beschließen. Wir werden uns intensiv um Bela­rus kümmern müssen, weil wir sonst dort das Schrecklichste befürchten müssen. – Dan­ke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.35


13.35.13

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Klubobleute, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Dann werde ich auch so vorgehen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 374 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland)“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (97/E)


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Troch, Lopatka, Ernst-Dziedzic, Brandstätter, Kassegger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „aktives Engagement für die Abschaffung der Todesstrafe“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Der Entschließungsantrag ist einstimmig so angenommen. (98/E)

13.36.206. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 807/A(E) der Abge­ordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie (375 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 780/A(E) der Abge­ordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend in Ös­terreich lebende Syrer müssen ihre Heimat wiederaufbauen (376 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zu den nächsten Tagesordnungspunkten, nämlich den Tagesordnungspunkten 6 und 7, über welche eine gemeinsame Debatte durch­geführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Axel Kassegger. – Bitte.


13.37.08

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wir behandeln jetzt bei diesem Tagesordnungs­punkt eigentlich zwei Tagesordnungspunkte in einem, nämlich erstens einen Antrag der Freiheitlichen Partei betreffend „in Österreich lebende Syrer müssen ihre Heimat wieder aufbauen“, der im Ausschuss abgelehnt wurde und deswegen hier im Plenum zur Ab­stimmung gelangt, und zweitens den Tagesordnungspunkt 6 betreffend „EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie“.

Ich komme zunächst zum Antrag der Freiheitlichen Partei, möchte ihn noch einmal erläu­tern und dann einen weiten Bogen spannen: von der allgemeinen Thematik Migration, dem europäischen Kontinent und der weltweiten Migration nach Europa, die ja in den letzten Jahren sehr starke Auswirkungen und eine starke Intensität gehabt hat, zu unse­ren Lösungsvorschlägen. Die freiheitlichen Lösungsvorschläge unterscheiden sich, und das wird Sie nicht besonders verwundern, von jenen im EU-Migrationspakt, der mo­mentan gerade in der Pipeline ist, doch in dem einen oder anderen Punkt, da wir den Migrationspakt als ungeeignetes Mittel, diese Problematik in den Griff zu bekommen, erachten.

Grundsätzlich zum Antrag: Asylrecht heißt nach unserem Selbstverständnis – Genfer Flüchtlingskonvention 1951 – Schutz auf Zeit bei Verfolgung aus politischen und sons­tigen Gründen, nach einer individuellen Einzelbeurteilung. Da hat Österreich eine lange, gute Tradition und wir Freiheitliche haben mit dieser asylrechtlichen Regelung überhaupt kein Problem, ganz im Gegenteil, wir unterstützen das. Was aber derzeit stattfindet, ist etwas ganz anderes, das wissen wir ja, und es ist illusorisch, das zu verschweigen oder die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Das, was wir jetzt haben, ist zu einem ganz erheblichen Teil Wirtschaftsmigration – wirtschaftsbedingte Migration in den euro­päischen Kontinent, wo Milch und Honig fließen, unterstützt von teilweise verbrecheri­schen Schlepperorganisationen, die den Menschen falsche Dinge vorgaukeln und fal­sche Erwartungen wecken, die den Menschen viel Geld aus der Tasche ziehen, unter­stützt durch eine unfähige Europäische Union, die da in Wahrheit keinerlei Konzept hat.


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Wir hören schon seit Jahren vom wirksamen Außengrenzschutz, wir hören seit Jahren von Dublin II – das Asylverfahren im ersten sicheren Drittland und dann nicht mehr. Das alles wurde von Frau Merkel, die ja gesagt hat: „Wir schaffen das“, mit einem Wisch weggewischt. So wurde Dublin II zu totem Recht, wird negiert, mit all den riesigen Pro­blemen, die dadurch entstehen.

Jetzt müssen wir in dieser Debatte, in der es um Menschenrechte, Flüchtlinge, et cetera geht, endlich aufhören, die Augen vor der Frage zu verschließen, was die Motive sind. Selbstverständlich ist die Aussicht auf einen erklecklichen Geldbetrag, sagen wir einmal 900 Euro bis 1 000 Euro, für jemanden ein Motiv, in ein Land X oder Y zu migrieren – X ist Deutschland, Y ist Österreich, denn die haben die meisten genehmigten Asylanträ­ge. Selbstverständlich ist das ein Motiv, alles andere wäre illusorisch und eine Verweige­rung der Realität. Nur hat diese Motivation nichts mit Menschenrechten, mit Asyl und mit der Rettung von Menschen aus kritischen Situationen zu tun. Das ist ein ganz anderes Thema.

Das heißt, wir müssen uns auf europäischer Ebene dazu durchringen – und dafür steht die Freiheitliche Partei –, diese sogenannten anziehenden Faktoren, die Pullfaktoren, die falsche Hoffnungen wecken, ehrlicherweise einzustellen. Im EU-Migrationspakt wird mit keinem Wort darauf eingegangen. Da werden sozusagen technische Maßnahmen vorgeschlagen, wie man Flüchtlinge in Europa verteilt und was man dann bei abgelehn­ten Asylverfahren macht, wie diese Menschen wieder in die Heimatländer abgeschoben werden. Dabei ist einerseits das Heimatland von jemandem, der keinen Pass hat, relativ schwer festzustellen, das funktioniert ja alles nicht. Zum anderen: Selbst wenn jemand einen Pass hat, haben die Heimatländer, aus denen die Menschen geflüchtet sind, in vielen Bereichen überhaupt nicht das Interesse, diese Menschen wieder aufzunehmen. Das heißt, sie sind im Nirgendwo. Wir wissen ja, dass ungefähr zwei Drittel der Men­schen mit negativem Asylbescheid im Land bleiben. Das kann doch kein Zustand sein, der lösungsorientiert ist und der allen Beteiligten gefallen kann!

Auch in diesem Migrationspakt sehe ich nichts Neues. Dr. Klaus Woltron hat in der „Kro­ne Bunt“ einen meines Erachtens sehr guten Artikel geschrieben, nämlich unter dem Titel: „EU-Migrationspakt als Mogelpackung“. Bei dieser Mogelpackung werden wir Frei­heitliche sicher nicht mitmachen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


13.42.49

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Uns ist beim Thema Asyl und Migration vor allem eines wichtig, und das ist Rechtsstaatlichkeit. Es geht darum, dass die Regeln, die wir haben, auch eingehalten werden. Das ist das, was wir im Zusammenhang mit diesem Thema immer wieder ein­fordern.

Zum Entschließungsantrag, den die FPÖ eingebracht hat, in dem es darum geht, dass in Österreich lebende Syrer in ihre Heimat zurückkehren und dort das Land aufbauen sollen, muss ich sagen: Das liest sich oberflächlich ganz einleuchtend. Wenn man es genauer betrachtet, gibt es da allerdings ein paar Dinge, die wir ein bisschen anders sehen.

Sie haben ja schon erwähnt, Herr Kollege Kassegger, dass Krieg pauschal kein Flucht­grund gemäß Artikel 1 der Flüchtlingskonvention ist, sondern immer eine Einzelfallprü­fung durchzuführen ist. Das ist auch jetzt noch sinnvoll, denn es gibt durchaus noch Regionen, auch in Syrien, zum Beispiel Idlib, betreffend die durchaus Fluchtgründe ge­geben sind, Regionen, in denen etwa religiöse Gruppen, beispielsweise orthodoxe Christen, verfolgt werden und daher durchaus noch Fluchtgründe hätten. Also ich glau­be, die Situation ist durchaus differenzierter zu betrachten als in diesem Antrag.


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Das Argument, das Sie vorbringen, nämlich dass es einen Braindrain gibt, dass hoch qualifizierte Syrerinnen und Syrer ausgewandert sind, die dort benötigt würden, das stimmt schon, aber das sagt sich so leicht, dass man hergeht und sagt: Okay, jetzt geht ihr wieder zurück!

Es gibt ja noch keinen vertrauenswürdigen Friedensprozess in Syrien. Die Vereinten Nationen bemühen sich zwar, diesen Friedensprozess voranzubringen, aber er stockt, weil es in der internationalen Gemeinschaft noch immer keinen eindeutigen Weg gibt und die Dynamik für Reformen im Land nicht gegeben ist.

Das heißt, die Lage ist durchaus nicht so vertrauenswürdig, dass man sagt, man nimmt Sack und Pack, geht zurück und baut das Land auf, weil einfach die Rahmenbedingun­gen noch immer desaströs sind. Da sind wir also in unserer Analyse noch nicht so positiv gestimmt, wie Sie das vielleicht sind.

Abschließend möchte ich noch etwas zu Kollegen Brandstätter sagen: Ich finde es schon ein bisschen schade, dass gerade jemand, der Respekt einfordert, so respektlos mit seinen Kolleginnen und Kollegen umgeht. Unseren Nationalratspräsidenten als „Häferl“ zu bezeichnen, ist weit weg von irgendeiner sachlichen Kritik. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Abg. Brandstätter: So hat er geschrien! – Rufe bei der ÖVP: Unglaublich! Re­spekt, Herr Brandstätter!)

Sie haben zum Beispiel mich persönlich auf Twitter als jemand bezeichnet, der eine tür­kise Festplatte eingesetzt bekommt, kein eigenes Hirn hat und ein Opfer von Bildungs­notstand ist. Das haben Sie zu mir gesagt, und ich muss ehrlich sagen: Ich finde das respektlos, so sollten wir in diesem Hohen Haus miteinander nicht umgehen. Wenn Ih­nen das Ansehen unseres Parlaments ein Anliegen ist, dann lassen Sie das! Ich finde es wirklich unangebracht. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

13.45


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte.


13.45.56

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem gegenständlichen Antrag wird die Bundesregierung ersucht, den neuen EU-Aktionsplan für Menschenrechte und De­mokratie für den Zeitraum 2020–2024 zu unterstützen. Es geht darum, unsere Auffas­sung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat in die ganze Welt hinauszu­tragen.

Soweit es dabei um Bemühungen hinsichtlich der Abschaffung der Todesstrafe geht, um die Eindämmung beziehungsweise Abschaffung von Folter und von allerschwersten Menschenrechtsverletzungen, auch im Zuge von Konflikten und kriegerischen Auseinan­dersetzungen, um die Eindämmung von Gewalt gegen Frauen, Kinder, Jugendliche, um Bemühungen hinsichtlich der Vermeidung von Zwangsverheiratung und Kinderehe, sind wir alle selbstverständlich dabei.

Ich gehe davon aus, dass es schon seit Jahrzehnten eine Maxime der Außenpolitik Ös­terreichs, aber auch anderer westlicher Länder und Mitgliedstaaten der EU ist, möglichst friedensstiftend unterwegs zu sein, Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern zu unterstützen und immer zu versuchen, die nationalen und internationalen Interessen in Einklang zu bringen. Dafür braucht man keinen EU-Aktionsplan.

Es sind aber vor allem zwei Gründe, aus denen wir mit diesem Plan nicht mitgegangen sind: Es hat viel damit zu tun, dass darin unglaublich viel Heuchelei enthalten ist und viele Ansätze, die den Interessen der Staatsbürger der Mitgliedstaaten diametral entge­genstehen.


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Es besteht nämlich immer folgendes Problem: Wenn es um den Ausbau von Menschen­rechten für die ganze Welt geht, ist das leider sehr oft mit der Einschränkung und dem massiven Abbau von Grundrechten der Staatsbürger verbunden, und das gibt es mit uns nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Warum spreche ich von Heuchelei? – Nur ein paar Punkte - -


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich würde Sie ersuchen, sich in der Aus­drucksweise zu mäßigen, weil ich Ihnen für den Begriff Heuchelei eigentlich einen Ord­nungsruf erteilen müsste. Ich bitte Sie daher, diesen Begriff zurückzunehmen und sich zu mäßigen.


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (fortsetzend): Scheinheiligkeit?


Präsidentin Doris Bures: Ebenso. (Heiterkeit bei FPÖ und NEOS.)


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (fortsetzend): Der Plan wurde von der EU-Kommis­sion Ende März dieses Jahres vorgelegt, inmitten der Coronakrise, inmitten von Aus­gangssperren, Betretungsverboten, Vernichtung wirtschaftlicher Existenzen, also in ei­ner Zeit der – zuerst natürlich – Verunsicherung und der Verwirrung, aber dann ab Ende März und in den darauffolgenden Monaten einer Zeit der größten Grundrechtseinschrän­kungen der letzten Jahrzehnte, in einer Zeit der Aussetzung des Rechtsstaates, in einer Zeit unverhältnismäßiger Einschnitte. Ich weiß nicht, ob das für die EU die richtige Zeit ist, um mit dem moralisierenden Zeigefinger auf die sogenannte Dritte Welt zu zeigen. Ich glaube, da müssen wir uns einmal mit uns selber beschäftigen.

Weiters ist in diesem Aktionsplan auch ausdrücklich vom Schutz von Meinungsfreiheit, Medienfreiheit und Vielfalt in den Onlinemedien die Rede. Da muss man schon Folgen­des sagen: Am 25. März, dem Tag, an dem dieser Plan vorgelegt wurde, wusste die EU-Kommission schon etwas, das wir nicht wussten, nämlich wie sehr die Meinungsfreiheit in unseren Staaten schon eingeschränkt ist.

Es wurden nämlich ganz konkret die Meinungen vieler, vieler Wissenschaftler und Me­diziner, die die Coronapolitik der Regierungen nicht so vertreten wollten, sondern für einen vernünftigeren Umgang mit dem Coronavirus eintraten – aufgrund der verheeren­den Kollateralschäden und Verwerfungen, die sie besser vorhergesehen haben –, un­terdrückt; die Äußerung dieser Meinungen war nicht möglich. Die Wissenschaftler und Mediziner, die sie vertraten, erhielten keine Auftrittsmöglichkeiten, es gab keine ausrei­chende öffentliche Debatte, ja es gab sogar Disziplinaranzeigen gegen diese Mediziner. Wenn sie auf die sozialen Medien auswichen, wurden ihre Videos gelöscht, als Fake­news gekennzeichnet und als gefährlicher Inhalt gebrandmarkt.

Ich glaube, wir müssen uns einmal hier mit unserem Grundrecht auf Meinungsfreiheit befassen, bevor wir in die Dritte Welt hinausziehen. Genauso werden auch der Schutz der Versammlungsfreiheit und die Stärkung der Zivilgesellschaft betont. – Na ja, auch dazu ist zu sagen, dass bei uns nur gewisse Versammlungen und eine gewisse Zivilge­sellschaft gewünscht sind. Wenn sich Menschen gegen diese Grundrechtseinschnitte wehren und auf die Straße gehen, auch gegen die Coronapolitik – das muss ja zulässig sein, gegen eine Regierungslinie zu demonstrieren –, dann ist das alles nicht erwünscht.

Am Schluss liefert dieser Aktionsplan natürlich auch einen – Zitat – menschenrechtsba­sierten Ansatz für die Migrationssteuerung. Hinter diesem eleganten Ausdruck verbirgt sich eigentlich nichts anderes als ein Hinweis auf den EU-Migrationspakt, der jetzt gera­de realisiert werden soll, auf die Stärkung der NGOs, die uns tagtäglich übers Mittelmeer neue Einwanderer liefern.

Also dazu muss ich schon sagen: Auf diesen globalen Ansatz zu Menschenrechten, der moralisierend und belehrend auf die ganze Welt zeigt, kann ich gut und gern verzichten,


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weil er nämlich mit einer massiven Beschneidung der Grundrechte der Staatsbürger ver­bunden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

13.51


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte.


13.51.28

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich möchte mich auch auf den zuletzt angesprochenen Antrag betreffend „EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie“ beziehen. Mir fehlt zwar ein bissel der Kontext, denn, es ist schon gesagt worden, der EU-Aktionsplan ist ja schon am 25. März dieses Jahres vorgestellt worden und gilt von 2020 bis 2024. Aber alles – wir unterstützen ihn trotzdem –, was mir die Gelegenheit gibt, zum folgenden Thema zu reden, ist eine gute Gelegenheit, gar keine Frage: Es geht um Wirtschaft und Menschen­rechte.

Ob in Textilien Kinderarbeit steckt, ob in Handys Konfliktmineralien verbaut sind, ob wir Palmöl oder Soja zu uns nehmen, das auf abgebrannten Urwaldflächen gepflanzt wor­den ist, das ist zum Glück vielen Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr egal. Viele wollen wissen, woher die Produkte kommen, die sie verwenden, und das ist absolut gut so. Etliche andere Länder – ich möchte nur zum Beispiel Frankreich, Großbritannien und die Niederlande erwähnen – haben schon Gesetze, die dezidiert Kinderarbeit, Skla­venarbeit und andere ausbeuterische Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette ver­bieten. Deutschland und die Schweiz sind kurz davor, solche Gesetze zu verabschieden. Auch ansonsten gibt es eine Vielzahl von Diskussionen, sowohl auf globaler als auch auf nationalstaatlicher Ebene, dass wir alle gemeinsam dieses Thema vorantreiben soll­ten, und ich finde das ausgesprochen wichtig.

EU-Kommissar Didier Reynders hat zum Beispiel für Anfang 2021 ein Regelwerk ange­kündigt, das Unternehmen, die in der EU ihre Headquarters haben, entlang der ganzen Lieferkette verpflichten soll, die Menschenrechte einzuhalten und die Umwelt zu schüt­zen. Das ist gut so, das wird ein verbindliches Instrument sein und das brauchen wir.

Genauso ist es auf UN-Ebene: Ende Oktober wird die sechste Verhandlungsrunde im Rahmen des UN-Menschenrechtsrates in Genf stattfinden, wo über den sogenannten UN Treaty weiterdiskutiert wird, einen globalen Pakt, der für jene, die ihn unterstützen, verbindlich sein wird und der auch zum Inhalt hat, dass Firmen entlang der kompletten Produktions- und Lieferkette die Menschenrechte einhalten müssen und Opfern von Menschenrechtsverletzungen in diesem Zusammenhang Zugang zu Rechtsmitteln ge­währen müssen.

Es gibt Länder wie zum Beispiel Frankreich und Spanien, EU-Mitgliedstaaten, die diesen Prozess sehr aktiv unterstützen, und es gibt Länder wie Österreich, die da sehr auf der Bremse stehen und sich auf die EU oder eine fehlende EU-Linie ausreden, was deswe­gen ganz besonders bedauerlich ist, weil wir gerade den Vorsitz im Menschenrechtsrat haben und da wesentlich aktiver sein könnten.

Zum Schluss will ich auch noch erwähnen, dass wir auch im österreichischen Parlament einen Gesetzesantrag dazu liegen haben, das sogenannte Sozialverantwortungsgesetz, das im Sozialausschuss geparkt ist, mit dem wir SozialdemokratInnen den Vorstoß ma­chen wollen, es einmal im Bereich Textil und Leder in Österreich zu versuchen, um zu schauen, wie man damit umgehen könnte.

Wie gesagt: Auf der Bremse zu stehen, sich einzumauern, wird in dieser Frage, die auf dem Tisch ist, die den KonsumentInnen immer wichtiger und wichtiger wird, auf die Dau­er nicht funktionieren, und ich hoffe sehr, dass sich speziell eine Regierungspartei da in Bälde bewegen wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 92

Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet hat sich Axel Kassegger. – Bitte.


13.55.05

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet, weil es mir ein Bedürfnis ist, einen Entschließungsantrag einzubringen, den ich im Rah­men meines ersten Redebeitrags nicht eingebracht habe, nämlich betreffend „keine Auf­nahme von ,Moria-Migranten‘ und Ablehnung des neuen EU-Migrations- und Asylpakts“.

Im Wesentlichen habe ich das Argumentarium dafür schon in meiner ersten Rede dar­gelegt, weswegen ich mich jetzt auf die Verlesung des Entschließungstextes beschränke:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Aufnahme von ,Moria-Migranten‘ und Ablehnung des neuen EU-Migrations- und Asyl­pakts“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt wird die Bundesregierung aufgefordert, keine ,Moria-Migranten‘ aufzunehmen und auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass der neue EU-Migrations- und Asylpakt mit seiner neuen Umverteilungsaktion von Migranten in der EU abgelehnt wird.“

*****

Vielen Dank.

13.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger

und weiterer Abgeordneter

betreffend keine Aufnahme von „Moria-Migranten“ und Ablehnung des neuen EU-Migra­tions- und Asylpakts

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 6, Bericht des Außen­politischen Ausschusses über den Antrag 807/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Men­schenrechte und Demokratie (375d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Oktober 2020

Die Ereignisse auf der griechischen Insel Lesbos haben in Österreich und der Europäi­schen Union eine Debatte über die Aufnahme von „Moria-Migranten“ ausgelöst. Insbe­sondere Politiker der SPÖ und der Grünen, aber auch der ÖVP und ihrer deutschen Schwesterpartei CSU fordern vordergründig die Aufnahme von Kindern und Jugendli­chen aus Moria – wohl wissend, dass darauf früher oder später der Nachzug von er­wachsenen Familienangehörigen folgen wird und eine enorme Sogwirkung entsteht, die zu einer weiteren massiven Immigrationswelle wie jener aus 2015 führen könnte.

Vor dem Hintergrund der Ereignisse des Jahres 2015, der aktuellen Corona-Pandemie und der daraus resultierenden extrem angespannten Lage am österreichischen Arbeits­markt sind diese Tendenzen besorgniserregend, besonders wenn man ins Kalkül zieht,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 93

dass das Migrantenlager mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von mit Co­rona infizierten Bewohnern des Lagers selbst in Brand gesteckt wurde.

Kurz darauf hat die EU-Kommission am 23. September 2020 ihre Vorschläge für einen Asyl- und Migrationspakt präsentiert. Grundsätzlich dürfte es der EU mit der Forderung, legale Zugangswege nach Europa für Migranten einzurichten, nur darum gehen, billige Arbeitskräfte zu bekommen. Wieder neue Vorschläge zur Steuerung auf EU-Ebene für eine bessere Verwaltung und Umsetzung der Asyl- und Migrationspolitik werden vorge­legt. Dabei wurde völlig ignoriert, dass es nicht darum geht, Migrationsströme anders zu verwalten und „gerechter“ zu verteilen, sondern die in erster Linie wirtschaftlich moti­vierte Migration nach Europa zu unterbinden und bereits illegal ohne Asylgrund einge­wanderte Fremde konsequent abzuschieben.

Der EU-Asyl- und Migrationspakt wird hingegen in einer Umverteilung von illegalen Mi­granten quer über Europa münden. Das ist der Kern der „verpflichtenden Solidarität“, welche Kommissionspräsidentin Von der Leyen und Co. einfordern. Mit den neuen Vor­schlägen wird das kriminelle Geschäft der Schlepper unterstützt. Die Europäische Union bringt schon jetzt mit ihren Rettungsmissionen Migranten in die EU, besser könnten Schlepper nicht arbeiten. Es kann aber nicht das Ziel sein, Wirtschaftsflüchtlinge aktiv in die EU zu holen.

2018 wurde die Kehrtwende in Richtung einer restriktiven und konsequenten Asyl- und Migrationspolitik eingeleitet. Die EU macht jetzt die Umkehr zulasten der eigenen Bevöl­kerung und zugunsten zigtausender illegaler Wirtschaftsmigranten und Einwanderer in das Sozialsystem.

Ein Zuzug von „Moria-Migranten“ ist daher genauso wie der neue EU-Migrations- und Asylpakt vehement abzulehnen, denn es gibt nur eine verpflichtende Solidarität – und das ist jene mit der eigenen Bevölkerung.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Vor dem Hintergrund der angespannten Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt wird die Bundesregierung aufgefordert, keine ‚Moria-Migranten‘ aufzunehmen und auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass der neue EU-Migrations- und Asylpakt mit seiner neuen Umverteilungsaktion von Migranten in der EU abgelehnt wird.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


13.56.30

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Auch wenn einige hier noch immer glauben, Österreich ist eine Insel, wir haben mit der Welt­politik überhaupt nichts zu tun, sollten uns am besten auch gar nicht einmischen, alle internationalen Verträge kündigen, die Genfer Flüchtlingskonvention sowieso ignorieren und so weiter, sind wir der Meinung, dass die EU als strategischer, selbstbewusster, wirksamer und geeigneter Partner im Außenbereich von enormer Wichtigkeit ist.

Der Aktionsplan läuft bis 2024. Ich finde es sehr, sehr gut, dass wir diesen Antrag hier im Parlament nicht nur debattieren, sondern auch beschließen können, um klarzuma­chen, dass wir uns am Aktionsplan beteiligen, denn – no na net – ohne Rechtsstaatlichkeit,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 94

ohne Demokratie, ohne Wahrung der Menschenrechte wird es nicht gehen, und wir wol­len auch nicht, dass wir davon abweichen. Insofern ist das ein richtiger und wichtiger Antrag.

Als österreichische Politiker müssen wir uns mit der internationalen Politik beschäftigen, und ich freue mich, dass es hier heute den Raum dafür gibt, unterschiedliche Bereiche, Krisen und Herausforderungen zu diskutieren, und möchte deshalb im Zuge dieser De­batte gerne einen weiteren aktuellen Konflikt, der sich auch verschärft, ansprechen, nämlich die Situation der Kurden und Kurdinnen vor allem, aber nicht nur in Syrien.

Die nach Schätzungen rund 30 Millionen Kurden und Kurdinnen stellen in der multiethni­schen Region des Nahen und Mittleren Ostens die viertgrößte ethnische Gruppe dar. Seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches – das wissen Sie vielleicht – besiedeln sie als Volk ohne eigenen Staat vor allem vier Länder: Türkei, Iran, Irak und Syrien. Die Geschichte vor allem im 20., aber auch im 21. Jahrhundert dokumentiert, wie oft diese Gruppe von Unterdrückung, von Repression, von Gewalt betroffen war. Vor allem in der Türkei hat sich die Menschenrechtssituation der kurdischen Bevölkerung in den letzten Jahren enorm verschlechtert.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass gerade die Kurden und Kurdinnen sehr wichtige Akteure im Nahen Osten sind, wenn es zum Beispiel um den Kampf gegen den IS geht. Mit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges gelang es den syrischen Kurden und Kur­dinnen im Norden des Landes nicht nur eigene Verwaltungsstrukturen aufzubauen, son­dern sich eben auch als eine Truppe gegen den IS zu etablieren.

Verbündete der Türkei, die wiederum in Syrien im Einsatz waren, sollen aber – und das ist wenig überraschend – systematisch gegen die syrische Zivilbevölkerung vor allem kurdischer Herkunft vorgegangen sein.

Ich bringe daher gemeinsam mit Reinhold Lopatka folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „die Situation der Kurdinnen und Kurden, u.a. in Syrien“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird ersucht,

- sich weiterhin auf bilateraler und EU-Ebene für eine nachhaltige politische Lösung des Konflikts in Syrien einzusetzen, die auf Basis einer glaubwürdigen politischen Transition unter Wahrung der Einheit, Souveränität und territorialen Integrität Syriens in einem alle syrischen Parteien einschließenden Prozess unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu erarbeiten ist.

- sich auf EU-Ebene weiter für humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Syrien, inklu­sive der kurdischen Bevölkerung, einzusetzen, um die humanitäre Notlage, die durch die Covid-19-Pandemie und die Wirtschaftskrise verschärft wird, zu lindern, sowie durch fortlaufende Einbeziehung aller beteiligten Stellen bestehende österreichische Bemü­hungen im Bereich der humanitären Hilfe, wie die Sicherstellung der Versorgung mit Trinkwasser, in Syrien entsprechend weiterzuverfolgen.

- sich auf bilateraler und EU-Ebene für eine Verbesserung der menschenrechtlichen Si­tuation und Achtung von Grundfreiheiten in der Türkei, insbesondere der Lage der Kur­den, einzusetzen.“

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 95

Der Kollege von der FPÖ schaut skeptisch (Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Kas­segger), das ist eigentlich ein gutes Signal an uns. Es ist gut, dass wir diesen Antrag heute beschließen, um an dem Thema dranzubleiben, um Österreich wieder auf der in­ternationalen Bühne zu stärken und konkrete Maßnahmen zu setzen, die dem Friedens­prozess dienlich sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic, Reinhold Lopatka

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Situation der Kurdinnen und Kurden, u.a. in Syrien

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 780/A(E) der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend in Österreich lebende Syrer müssen ihre Heimat wiederaufbau­en (376 d.B.)

Die nach Schätzungen rund 30 Millionen Kurdinnen und Kurden stellen in der multiethni­schen Region des Nahen und Mittleren Ostens die viertgrößte ethnische Gruppe dar. Seit dem Zerfall des Osmanischen Reiches besiedeln sie als Volk ohne eigenen Staat vor allem vier Länder: Türkei, Iran, Irak, und Syrien.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts dokumentiert, dass die kurdischen Minderheiten von den jeweiligen Regierungen mal mehr und mal weniger stark verfolgt und unter­drückt wurden. Damit einher ging auch ein regelmäßiges Erstarken der kurdischen Auto­nomieforderungen nach politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Selbstbe­stimmung sowie die gezielte Schwächung dieser Autonomiebestrebungen durch die Re­gierungen der jeweiligen Staaten. In Syrien wurde die kurdische Bevölkerung über Jahr­zehnte unterdrückt. Im Irak kam es vor allem unter der Herrschaft von Sadam Hussein zu systematischer Verfolgung und Unterdrückung an der kurdischen Minderheit. In der Türkei hat sich die Menschenrechtssituation der kurdischen Bevölkerung in den letzten Jahren sehr verschlechtert.

Die jüngere Geschichte zeigt vor allem auch, dass Kurdinnen und Kurden wichtige Ak­teure im Nahen Osten sind. So spielen kurdische bzw. kurdisch dominierte Verbände im Kampf gegen den IS/Da’esh eine tragende Rolle.

Mit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs gelang es den syrischen Kurdinnen und Kurden im Norden des Landes eigene Verwaltungsstrukturen aufzubauen und später zu einem wichtigen Partner im Kampf gegen den IS/Da’esh zu werden. Zahlreiche IS/Da’esh-Kämpfer und - Anhängerinnen und Anhänger befinden sich in Gewahrsam kurdischer bzw. kurdisch dominierter Kräfte in Nordostsyrien. Seit 2016 kam es zu völkerrechtswid­rigen türkischen Militäroffensiven und bis heute anhaltenden Besatzungen im Norden Syriens deren Folgen vor allem Kurdinnen und Kurden betrafen. Unter anderem rief die türkische Regierung eine 30 km tiefe sogenannte „Sicherheitszone“ in Nordsyrien ent­lang der türkischen-Grenze aus, an der in die Türkei geflohene Syrerinnen und Syrer ohne Rücksicht darauf, woher in Syrien sie stammen, angesiedelt werden sollen. Ein Bericht der Vereinten Nationen kritisierte kürzlich ungewöhnlich scharf das Vorgehen der Türkei in Syrien. Der Bericht spricht unter anderem von Folter, Vergewaltigungen, Plün­derungen und Zerstörungen von Weltkulturerbe und religiösen Stätten. Verbündete der Türkei, die in Syrien zum Einsatz kamen, sollen systematisch gegen die syrische Zivilbe­völkerung vor allem kurdischer Herkunft vorgegangen sein.1


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 96

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten, wird ersucht,

-             sich weiterhin auf bilateraler und EU-Ebene für eine nachhaltige politische Lö­sung des Konflikts in Syrien einzusetzen, die auf Basis einer glaubwürdigen poli­tischen Transition unter Wahrung der Einheit, Souveränität und territorialen In­tegrität Syriens in einem alle syrischen Parteien einschließenden Prozess unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu erarbeiten ist.

-             sich auf EU-Ebene weiter für humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Syrien, inklusive der kurdischen Bevölkerung, einzusetzen, um die humanitäre Notlage, die durch die Covid-19-Pandemie und die Wirtschaftskrise verschärft wird, zu lin­dern, sowie durch fortlaufende Einbeziehung aller beteiligten Stellen bestehende österreichische Bemühungen im Bereich der humanitären Hilfe, wie die Sicher­stellung der Versorgung mit Trinkwasser, in Syrien entsprechend weiterzuver­folgen.

-             sich auf bilateraler und EU-Ebene für eine Verbesserung der menschenrechtli­chen Situation und Achtung von Grundfreiheiten in der Türkei, insbesondere der Lage der Kurden, einzusetzen.“

https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/NewsDetail.aspx?NewslD=26237&LanglD=E

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


14.01.41

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Wir hier in Europa haben ja die Menschenrechte erfunden, und darauf sind wir auch sehr stolz. Wir betonen das vor allem dann, wenn wir anderen erklären wollen, dass sie sich bitte schön an die Menschenrechte zu halten haben. Was uns selbst betrifft, da sind wir manchmal ein bisschen zurückhaltender, und das sieht man dann am besten, wenn man zu seinem Wort stehen sollte. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Im Außenpolitischen Ausschuss hat das kürzlich schon einmal nicht funktioniert. Unse­ren Abänderungsantrag zum EU-Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie haben die Grünen zwar sehr gut und richtig gefunden, abgelehnt haben sie ihn aber trotzdem. Das passt leider gut zusammen, schließlich sind unserer Regierung, der ÖVP und den Grünen, die Menschenrechte dann nicht mehr so wichtig, wenn es um die Flüchtlinge geht. (Abg. Ernst-Dziedzic schüttelt den Kopf.) Man lässt sie gerne in Zelten im Matsch und ohne Trinkwasser hausen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man missbraucht diese Menschen für billige PR-Shows und Marketingstunts, denn nichts anderes ist es, wenn ein Innenminister mit einer Antonow schnell nach Griechen­land jettet, um Hilfsgüter zu liefern, um die niemand gebeten hat und die auch niemand braucht; deshalb kommen die erst einmal in Lagerhäuser. Das wird dann – unter Anfüh­rungszeichen – „Hilfe vor Ort“ genannt. Finanziert werden diese Marketingaktionen an­scheinend auch noch aus dem Budget für Entwicklungszusammenarbeit, und da gerät ja schon einiges ordentlich durcheinander.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 97

Lassen Sie mich bitte Folgendes betonen! Erstens: Eine Flagge ist keine Hilfsmaßnah­me. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Zweitens: Es löst auch keine Probleme, wenn wir Menschen in Not Dinge geben, die sie nicht brauchen, auch dann nicht, wenn der Innenminister sie persönlich vorbeibringt. Drittens: Es nützt NGOs und Hilfsorganisationen nicht, wenn wir nicht auf sie hören, wenn wir sie gar nicht fragen, was sie brauchen. Viertens: Es ist vor allem keine Hilfe vor Ort, wenn wir Menschen, die schon Tausende Kilometer hinter sich ha­ben, eine Decke in die Hand drücken. Eine Decke oder 7 400 Decken wie in Griechen­land tragen nichts dazu bei, die Situation in Syrien zu entschärfen. Eine Decke ändert nichts daran, dass junge Menschen in Westafrika – also vor Ort, dort, wo wir helfen soll­ten – keine Zukunft mehr sehen und sich auf den Weg machen. (Abg. Gödl: Das ist sehr zynisch, Frau - -!) Wenn Sie solche Aktionen als Hilfe vor Ort bezeichnen (Abg. Gödl: Sehr zynisch! Unwürdig zynisch! Unwürdig zynisch!), dann zeigt sich nur eines: Sie leis­ten überhaupt keine echte Hilfe am richtigen Ort! (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Sie ver­schwenden nur wertvolles Budget für billige PR-Aktionen. Da sollten Sie sich wirklich schämen! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Gödl: Unwürdig!) Das sollten wir immer im Kopf haben, wenn wir wieder einmal von Menschenrechten sprechen.

Wenn wir schon bei der Hilfe vor Ort sind: Statt also ungefragt irgendwelche Güter ir­gendwo hinzubringen, um die niemand gebeten hat, das Ganze dann auch noch mit einer österreichischen Flagge zu verzieren, muss man sich schon die Frage stellen (neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Gödl – Abg. Gödl zeigt mit dem Daumen nach unten): Was ist denn Hilfe vor Ort tatsächlich? Was ist Hilfe vor Ort tatsächlich?

Die Weltbank warnt zu Recht (Abg. Gödl: Menschenunwürdig!), dass Covid-19 die Fi­nanzen der ärmsten Länder der Welt an den Knackpunkt gebracht hat. Sie fordert des­halb unter anderem ein Schuldenmoratorium, damit diese Länder beispielsweise Beat­mungsgeräte kaufen können, was hundertmal gescheiter ist als eine österreichische Flagge. Das brauchen sie, damit sie keine Zinsen an die reichen Länder zahlen müssen.

Ich fordere die Grünen an dieser Stelle auf – unsere Anträge sind keine Rocketscience, sie sind auch keine vorwissenschaftlichen Arbeiten; sie beruhen auf Expertise und Betei­ligung von NGOs –: Wenn wir wieder einen unserer Anträge einbringen und Sie ihn als gut und richtig empfinden, dann stimmen Sie bitte auch mit! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

14.05


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.06.00

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren über 1 Stunde lang über Menschen­rechtsverletzungen, über Völkerrechtsverletzungen, und es waren wirklich zwei Drittel oder sogar mehr der Diskussionsbeiträge sehr wertvoll. Wir können stolz darauf sein, dass wir nicht die Augen verschließen wollen, dass wir nicht wegschauen wollen, dass uns bewusst ist, dass wir etwas tun müssen und so weiter. Das ist sehr, sehr wichtig.

Ich möchte Ihnen jetzt etwas über Menschenrechtsverletzungen, die circa 3,5 Stunden von Spielfeld entfernt, nämlich an der bosnisch-kroatischen Grenze, passieren, erzäh­len. Ich war im Dezember 2019 mit Aktivistinnen und Aktivisten der NGO SOS Bal­kanroute an der Grenze, vor allem in der Ortschaft Bihać. Dort leben Zehntausende Flüchtlinge verschiedener Nationalitäten, die ihr Glück versuchen wollen, um in Europa Asyl zu bekommen. Diese Bilder, die ich im Dezember dort gesehen habe, werte Kol­leginnen und Kollegen, bekomme ich aus meinem Kopf nicht mehr raus. Es ist men­schenunwürdig, es ist schmutzig, die Menschen brauchen nicht nur Nahrung und De­cken und Zelte, sondern sie brauchen einfach eine menschenwürdige Behandlung, und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 98

die bekommen sie nicht. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Eklatant ist, dass die Grenzpolizei Kroatiens brutalst gegen diese Menschen, die versu­chen, nach Europa zu kommen, vorgeht. Ich habe dort Verletzungen wie etwa abgeris­sene Ohren gesehen. – Das ist unglaublich, unbeschreiblich! Das können wir auch nicht zulassen, davor dürfen wir auch die Augen nicht verschließen. Das passiert auf europäi­schem Boden, 3,5 Stunden von Graz entfernt. Wir müssen nicht nur umso mehr tätig werden, je weiter weg das Land ist, sondern: Kehren wir auch vor unserer Haustür!

Werte Kolleginnen und Kollegen, aus diesem Anlass möchte ich mit meinem Kollegen Helmut Brandstätter folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, mögen sich daher mit allen Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die körperliche Gewalt gegenüber Geflüchteten an der kroatisch-bosnischen Grenze ein Ende findet, rechtswidrige und gewaltsame Zurückweisung von Migranten und Asylsu­chenden (‚push-backs‘) ein Ende finden und die europa- und asylrechtlichen Bestimmun­gen im EU-Mitgliedsland Kroatien eingehalten werden.

Insbesondere wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenhei­ten aufgefordert, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch bilateral mit den kroati­schen Regierungsmitgliedern Kontakt aufzunehmen und auf die Einhaltung menschen- und europarechtlicher Bestimmungen zu pochen.

Weiters wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die menschenrechtliche und materielle Situation in den Flüchtlingslagern in Bosnien und Herzegowina verbessert wird.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesministerin für Justiz aufgefordert, sich im Rahmen der EU im Rat für Justiz und Inneres für die Wahrung der Menschenrechte an den europäischen Grenzen auszusprechen und für die gemeinsame, menschenwürdige Unterbringung der betroffenen Geflüchteten und die Einhaltung der europa- und asyl­rechtlichen Bestimmungen einzutreten.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, diese Gewaltanwen­dungen und Menschrechtsverletzungen durch die kroatischen Behörden beim europäi­schen Prozess über einen möglichen Schengenbeitritt Kroatiens kritisch einzumelden und auf die Einhaltung der europa- und asylrechtlichen Bestimmungen als Bedingung für weitergehende Gespräche bzw. einen Abschluss ebendieser zu bestehen.“

*****

Ich bitte Sie um Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

14.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 99

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yilmaz, Dr. Helmut Brandstätter,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 6 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 807/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lo­patka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Menschenrechte und Demo­kratie (375 d.B.) in der 55. Sitzung des Nationalrates am 14. Oktober 2020

Seit Jahren werden Menschen beim Versuch, die Grenze zwischen Bosnien-Herzego­wina und Kroatien zu übertreten, gewaltsam abgehalten und zurückgedrängt. Men­schen, die diese gefährlichen Versuche unternehmen, sitzen oft seit Monaten bis Jahren im Grenzgebiet im Raum Bihać fest. Sie müssen in elenden und menschenunwürdigen Verhältnissen um ihr Überleben kämpfen.

Die kroatische Grenzpolizei agiert offen brutal und nimmt nicht nur Menschenrechtsver­letzungen an einer EU-Außengrenze in Kauf. Potenziellen Asylsuchenden wird der Zu­gang zum Asylverfahren verwehrt und dabei kommt es auch zu konkreter körperlicher Gewalt. Diese systematischen Push-Backs ganzer Gruppen von Asylsuchenden ohne Prüfung ihres Schutzanspruchs widersprechen europäischen Rechtsnormen wie der EU-Grundrechtecharta und der Flüchtlingskonvention von 1951.

500 dokumentierte Fälle vom Border Violence Monitoring Network, einem Zusammen­schluss unabhängiger NGOs, zeugen von dieser Vorgehensweise. Der Brief eines kroa­tischen Grenzpolizisten aus dem Vorjahr, in dem er die dortige Volksanwältin über die gängige Praxis der Gewalt und die Folter informiert, ist ein starkes Beweismittel und zugleich ein Geständnis, dass diese Vorfälle systematisch passieren.

Auch ein Bericht der EU-Kommission (siehe S. 13) bietet einen starken Hinweis dafür, dass der Schutz der Menschenrechte von Asylwerbern und anderen Migranten etc. eine Herausforderung bleibt. „The protection of human rights of asylum seekers and other migrants, and the allegations of denial of access to the asylum procedure and of use of force by law enforcement officials at the border remain a challenge.“1

KennerInnen der Lage vor Ort und AktivistInnen in der Flüchtlingshilfe sind seit Jahren aktiv und versuchen trotz der Corona Hürden in Kontakt zu bleiben und weiterhin für die Menschen vor Ort hilfreiche PartnerInnen zu sein. Sie haben die 500 dokumentierten Fälle und anderes Beweismaterial an die österreichische Justizministerin Zadić und eini­ge Abgeordnete zum Parlament übergeben.

Angesichts dieser anhaltenden Entwicklungen an der europäischen Außengrenze und entsprechend Österreichs Einsatz für Rechtsstaatlichkeit und für die Achtung der Men­schenrechte, die einen integralen Bestandteil der österreichischen Außenpolitik bilden, sollte die Republik Österreich insbesondere in der aktuellen Situation ihre menschen­rechtliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundhaltung verstärkt vermitteln.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten, mögen sich daher mit allen Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die körperliche Gewalt gegenüber Geflüchteten an der kroatisch-bosnischen Gren­ze ein Ende findet, rechtswidrige und gewaltsame Zurückweisung von Migranten und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 100

Asylsuchenden („push-backs“) ein Ende finden und die europa- und asylrechtlichen Be­stimmungen im EU-Mitgliedsland Kroatien eingehalten werden.

Insbesondere wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenhei­ten aufgefordert, nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch bilateral mit den kroa­tischen Regierungsmitgliedern Kontakt aufzunehmen und auf die Einhaltung menschen- und europarechtlicher Bestimmungen zu pochen.

Weiters wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die menschenrechtliche und materielle Situation in den Flüchtlingslagern in Bosnien-Herzegowina verbessert wird.

In diesem Zusammenhang wird die Bundesministerin für Justiz aufgefordert, sich im Rahmen der EU im Rat für Justiz und Inneres für die Wahrung der Menschenrechte an den europäischen Grenzen auszusprechen und für die gemeinsame, menschenwürdige Unterbringung der betroffenen Geflüchteten und die Einhaltung der europa- und asyl­rechtlichen Bestimmungen einzutreten.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, diese Gewaltanwen­dungen und Menschenrechtsverletzungen durch die kroatischen Behörden beim euro­päischen Prozess über einen möglichen Schengenbeitritt Kroatiens kritisch einzumelden und auf die Einhaltung der europa- und asylrechtlichen Bestimmungen als Bedingung für weitergehende Gespräche bzw. einen Abschluss ebendieser zu bestehen."

1             https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/
european-agenda-migration/20191022_com-2019-497-communication_en.pdf

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Michel Reimon. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.11.11

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister – noch ein­mal –! Ich möchte zu dem Syrienantrag sprechen, in dem es darum geht, Menschen, die hier sind, die Schutz gesucht haben, nach Syrien zurückzuschicken. Ich habe selten von einem gefährlicheren Antrag hier im Nationalrat gehört; das ist ein Antrag, der tatsächlich Menschenleben gefährden würde, wenn er irgendeine Chance hätte, eine Mehrheit zu finden. – Das ist das Einzige, was für den Antrag spricht: dass Sie ohnedies wissen, dass er keine Chance hat.

In Syrien gibt es, wenn man so will – das Land ist zweigeteilt –, zwei Gegenden: In der einen Gegend hat Assad die Herrschaft. Dort ist es in weiten Teilen tatsächlich relativ friedlich, da haben Sie recht, aber friedlich bedeutet auch, dass dort eine Diktatur herrscht, in der Menschen im Gefängnis gefoltert und ermordet werden – und viele der Menschen, die jetzt hier bei uns sind, sind Dissidenten, die Asyl bekommen haben, weil sie vor diesem Regime geflüchtet sind. Mit diesem Antrag sagen Sie jetzt: Da hat ein Diktator einen Krieg über weite Teile gewonnen; schicken wir ihm noch die Leute, die er im Keller foltern kann! – Ich habe im österreichischen Nationalrat selten etwas gehört, das grausamer war.

Die zweite Gegend in Syrien – der Norden und der Nordosten – ist im Wesentlichen unter kurdischer Kontrolle. Dort herrschen teilweise noch Kämpfe, dort gibt es auch noch eine Frontlinie. Wenn wir Leute dorthin zurückschicken, kann das bedeuten, dass sie de facto jederzeit in einen Kampf, in einen Konflikt geraten können, zum Beispiel wenn As­sad die Offensive wieder aufnimmt, was ja nach Corona auch jederzeit möglich sein könnte. Dann schicken wir also Leute direkt in ein Kriegsgebiet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 101

Was tatsächlich gebraucht würde, ist eine Unterstützung für diese syrisch-kurdische Re­gion, die wirklich eines der interessantesten demokratischen Projekte im Nahen Osten ist, wo man versucht, demokratische lokale Verwaltungen aufzubauen, wo man versucht, Gleichberechtigung zu leben, Menschenrechte strikt einzuhalten, auch Menschenrechte gegenüber den Gefangenen einzuhalten, und das international überwachen zu lassen. Sie brauchen Unterstützung und Hilfe – und nicht, dass man sie dann noch mit solchen Anträgen zusätzlich unter Druck bringt.

Wenn wir uns politisch dafür einsetzen, dass in Syrien irgendwann einmal erstens Frie­den herrscht und zweitens Demokratie herrscht, dann – davon bin ich überzeugt – wer­den sehr viele Leute gern in ihre Heimat zurückkehren. Vorher aber sollten wir eine an­ständige Politik machen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.13.44

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte noch kurz auf den Antrag der Kollegin Nurten Yılmaz betreffend Grenzgewalt an der bosnisch-kroatischen Grenze eingehen.

Es ist ja nicht so, dass dieses Thema neu ist. Meine Kollegin Faika El-Nagashi und ich haben rund um den Weltflüchtlingstag im Juni gemeinsam mit NGOs, die die Situation vor Ort beobachten, das Ganze thematisiert. Die NGOs haben uns diese Berichte über­geben, ich bin dann zum Außenminister gegangen, wir hatten ein langes Gespräch da­rüber, was man alles tun kann, und obwohl dazwischen Sommer und Sommerpause war, ist ja jetzt schon einiges passiert: Sie (in Richtung Bundesminister Schallenberg) haben zum einen Kontakt nicht nur mit der Polizei aufgenommen, Alma Zadić als Jus­tizministerin hat bilateral Kontakt zur Justizministerin dort aufgenommen, ich stehe in Kontakt nicht nur mit den NGOs vor Ort, sondern auch mit zahlreichen Behörden, die sich diese Situation dort genau anschauen.

Wir haben uns damals auch darauf geeinigt, dass wir die Situation natürlich weiter ver­folgen werden, die bilateralen Gespräche weiterführen werden und dass es genauso dieses Monitoring geben wird, das auf europäischer Ebene so oder so vorgesehen ist, weil ja die Situation sozusagen nicht nur uns in Österreich beschäftigt, sondern mittler­weile auch andere europäische Staaten, die besorgt nach Kroatien an die Grenze schau­en, die schauen, was dort passiert, weshalb es jetzt ein Monitoring geben soll, damit die Menschenrechte dort entsprechend gewahrt werden.

Zwei Polizisten sind aufgrund dieser Grenzgewalt mittlerweile auch suspendiert worden, und ja, die kroatische Polizei hat sich natürlich zuerst versperrt, hat gesagt: Wissen wir nicht, damit haben wir nichts zu tun!, hat aber letztendlich auch eingelenkt und gesagt, dass, sollte es solche Vorfälle in Zukunft geben, diese auch entsprechend geprüft wer­den.

Alles in allem: Nicht nur Kollegin Yılmaz ist dran, auch wir sind dran. Kollegin Gudrun Kugler hat auch über die OSZE eine Mission dorthin angedacht, und ich selber will mir die Situation auch anschauen.

Womit ich schließen möchte, ist: Danke für diesen Antrag, aber wir sind schon längst dran. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.16


14.16.17

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist daher geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 102

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich: Wünscht ein Klub 1 Minute Pause? – Nein. Dann starten wir mit dem Abstimmungsvorgang.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6, die dem Aus­schussbericht 375 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „EU Ak­tionsplan Menschenrechte und Demokratie“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (99/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „keine Aufnahme von ,Moria-Migranten‘ und Ablehnung des neuen EU-Migrations- und Asylpakts“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Nurten Yılmaz, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Außen­politischen Ausschusses, seinen Bericht 376 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Situation der Kurdinnen und Kurden, u.a. in Syrien“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig an­genommen. (100/E)

14.18.168. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiheitliches COVID-19-Maßnahmenpaket (392 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 846/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuver­sichtspaket: Reformvorschlag für treffsichere und sparsame Kurzarbeit (393 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 847/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuver­sichtspaket: Neue Arbeitsplätze ermöglichen (394 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 103

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 851/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-Blum-Bonus 2020 (395 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zu den Punkten 8 bis 11 der Tagesord­nung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.19.07

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es geht um den österreichischen Arbeitsmarkt, und der Arbeitsmarkt schaut nicht gut aus: Es ist sehr trist am Arbeitsmarkt, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, immer noch, und sie wird noch sehr viel mehr steigen, das wissen wir. Das weiß vielleicht auch die Bun­desregierung – das kann man nicht sagen.

Heute in der Früh hat hier der Finanzminister die Budgetrede gehalten. Der Finanzminis­ter hat ja gesagt, das Budget ist das in Zahlen gegossene Werk dieser Bundesregie­rung – und das (auf eine Seite der Kopie der Budgetrede weisend) ist dann übrig ge­blieben: eine halbe Seite, ganz locker geschrieben, für den Bereich Soziales, Pflege und Konsumentenschutz. Ich muss jetzt ehrlicherweise dazusagen: Da (auf eine andere Sei­te der Kopie der Budgetrede weisend) haben wir noch ein bisschen Wirtschaft.

Das ist das, was der Bundesregierung der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft tatsächlich wert sind (die Kopie der Budgetrede in die Höhe haltend), das ist das, was heute tatsäch­lich von dieser Bundesregierung gekommen ist. (Abg. Wurm: Sehr wenig!) Und das ist beschämend, das ist in einer Zeit, in der viele Menschen tatsächlich Existenzängste ha­ben, wirklich beschämend!

Diese Existenzängste kommen nicht von ungefähr und gehen auch nicht einfach so. Wenn wir wissen, wie viele Insolvenzanträge bereits fix und fertig bei der Österreichi­schen Gesundheitskasse liegen, dann können wir uns darauf vorbereiten, dass wir es nächstes Jahr mit einer Insolvenzwelle ungeahnten Ausmaßes zu tun haben werden, meine Damen und Herren. Und die Reaktion dieser Bundesregierung ist das (die Kopie der Budgetrede neuerlich in die Höhe haltend) und nicht mehr! (Abg. Zanger: Schande!) Es gibt darin überhaupt keine Maßnahmen, die tatsächlich und effektiv wirken.

Was braucht es denn jetzt? Die Bürger warten doch darauf, sie erwarten sich doch end­lich auch einmal Maßnahmen, damit sie sich wieder sicher fühlen können, damit sie nicht Angst haben müssen, dass sie vielleicht in einem Jahr arbeitslos sind und dann nicht mehr wissen, ob sie sich die Raten für ihre Wohnung überhaupt noch leisten können und ob sie überhaupt ihren Lebensstandard halten können. Diese ganze Verunsicherung ist draußen in der Bevölkerung, bei den Menschen da draußen, die Sie immer so viel be­schwören. Am Anfang haben Sie immer gesagt: „Koste es, was es wolle!“ – Das (die Kopie der Budgetrede neuerlich in die Höhe haltend) ist alles, was davon übrig geblieben ist, meine Damen und Herren! Das ist nichts, das ist beschämend. Sie sollten sich hin­setzen, sollten in sich gehen, wenn Sie nicht mehr aufzubieten haben. Das ist doch ein Wahnsinn. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt braucht es zunächst einmal Sicherheit, Planbarkeit für Unternehmen, aber das gibt es nach wie vor nicht. Das Damoklesschwert eines möglichen Lockdowns schwebt im Raum, und das kommt nicht von der Opposition – weil Sie so schauen, Herr Kollege Wöginger –, das kommt von Ihrer eigenen Wirtschaftsministerin, die das vor einer Woche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 104

gesagt hat, meine Damen und Herren, die das medial gesagt hat. (Beifall bei FPÖ und NEOS.) Was soll sich denn ein Unternehmer denken, wenn er das liest? Sie können noch so oft sagen, das seien irgendwelche Hirngespinste der Opposition – Sie selber bringen diese Gerüchte in Umlauf, weil Sie wahrscheinlich Derartiges auch planen, nur nicht genau wissen, wie Sie es tun sollen, meine Damen und Herren!

Das braucht es: Es braucht Sicherheit, es braucht Planbarkeit auf der einen Seite, und auf der anderen Seite müssen wir versuchen, den Konsum anzukurbeln. Wir haben eine enorm hohe Sparquote aus dieser Verunsicherung heraus. Wir haben schon vor Mona­ten den Österreichtausender gefordert. Es hat verschiedenste andere Initiativen gege­ben, eine Halbierung der Mehrwertsteuer beispielsweise, die Wiedereinführung des Blum-Bonus, angepasst an die Situation, die wir derzeit haben.

Es kommt nichts von dieser Bundesregierung, es wird alles weggeschoben! Es wird auch heute wieder alles abgelehnt werden, es werden auch die Anträge des Kollegen Loacker abgelehnt werden. Das kann man machen – aber nur dann, wenn man eigene Maßnah­men setzt, die die Wirtschaft wieder in Schwung bringen können und die den Bürgern draußen endlich wieder Hoffnung geben können. Die Zeit der Angst- und Panikmache ist jetzt langsam vorbei, begreifen Sie es endlich! Hören Sie endlich auf, immer nur Ängste zu schüren! Fangen Sie endlich an, den Bürgern dieses Landes wieder Sicher­heit zu geben! Das ist das, was sie endlich wieder brauchen. Das ist auch das, was die Unternehmer endlich wieder brauchen. (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Nur dann, meine Damen und Herren, wird es uns gelingen, dass wir dieses Tief auch wirklich überwinden können, dass unsere Wirtschaft nächstes Jahr auch wieder wach­sen wird. Da sind Sie gefordert, Frau Arbeitsministerin, und da reichen schöne Worte nicht aus. Sie können ankündigen, was Sie wollen, wenn das (die Kopie der Budgetrede neuerlich in die Höhe haltend) das ist, was dann letztlich für die Budgetrede übrig bleibt, wenn das das ist, was das in Zahlen gegossene Budget für die Wirtschaft in Österreich ist, dann, meine Damen und Herren, werden wir es nicht schaffen, dass wir die Wirt­schaftsleistung in Österreich wieder hinaufschrauben.

Hören Sie daher endlich mit der Panikmache auf, geben Sie den Unternehmen Sicher­heit, geben Sie der Bevölkerung Sicherheit, damit sie auch wieder konsumiert, damit sie investiert, damit es in Österreich endlich wieder bergauf geht! (Beifall bei der FPÖ.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Klubobmann August Wögin­ger. – Bitte, Herr Klubobmann.


14.24.04

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Belakowitsch, ich kann nach dem letz­ten Sonntag und auch nach der gestrigen Landesparteivorstandssitzung der FPÖ Wien ja verstehen, dass Sie etwas aufgebracht sind (Beifall bei ÖVP und Grünen), das ist alles menschlich und verständlich, aber was ich wirklich zurückweise, ist die Behauptung, dass in diesem Budget für Arbeitsmarkt, für Beschäftigung und für die Menschen, die sich in Arbeitslosigkeit befinden, zu wenig enthalten wäre. Das weise ich entschieden zurück! (Abg. Belakowitsch: Da ist gar nichts drinnen!)

Heuer und nächstes Jahr: 29 Milliarden Euro! Sie sollten vielleicht nicht nur die letzten paar Seiten lesen, Sie sollten vielleicht auch den Beginn und in der Mitte lesen, dort findet sich eine ganze Seite an Maßnahmen, die im Übrigen auch mit den vier Anträgen, die wir aus meiner Sicht im Sozialausschuss zu Recht abgelehnt haben, zusammen­hängen. Da steht: 29 Milliarden Euro heuer und nächstes Jahr für Arbeit und Beschäfti­gung, meine Damen und Herren. Wir nehmen dieses Geld in die Hand, weil es notwendig ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 105

Jetzt vielleicht auch ein paar Details dazu: Wenn hier gesagt wird, dass wir für die Lehr­linge nichts tun, dass wir für die arbeitslosen Menschen nichts tun, dass wir nichts tun, damit die Menschen wieder in Beschäftigung kommen, dann nenne ich Ihnen jetzt ein paar Beispiele, meine Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der FPÖ.

Der Lehrlingsbonus ist bereits beschlossen; es sind 2 000 Euro pro Lehrling, und wenn der Betrieb weniger als zehn Mitarbeiter hat, sind es 3 000 Euro. Das sind 55 Millionen Euro für heuer und nächstes Jahr.

Dann gab es eine Einmalzahlung von 450 Euro für arbeitslose Personen. Das macht rund 181 Millionen Euro aus. (Abg. Belakowitsch: Das ist schon vorbei!)

Wir haben heuer, übrigens gestützt durch eine breite Mehrheit hier im Haus, dafür ge­sorgt, dass niemand in die Notstandshilfe abrutscht. Die Frau Ministerin hat die Verord­nungsermächtigung bekommen, hat sie auch genutzt und die Verordnung bis Ende des Jahres verlängert, sodass das Niveau weiterhin das Arbeitslosengeld und nicht die Not­standshilfe ist. Das ist bereits umgesetzt.

Für Kurzarbeit haben wir insgesamt rund 8 Milliarden Euro eingestellt, 6,8 Milliarden Eu­ro für 2020 und 1,5 Milliarden Euro für 2021. Wir haben derzeit noch rund 270 000 Men­schen in Kurzarbeit und leider – ja, das stimmt – viel zu viele Menschen, die arbeitslos sind, aber wir haben vorgesorgt. Das Instrument, das die Sozialpartner ausgehandelt haben, das viele Menschen vor der Arbeitslosigkeit bewahrt hat – wir haben über 1,3 Mil­lionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Kurzarbeit gehabt; da können Sie rundherum in ganz Europa schauen, so ein Modell gibt es kein zweites Mal –, ist ein Erfolgsmodell, auch in einer Krisensituation. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Bela­kowitsch: Geh bitte, das stimmt ja nicht! ... es wird nicht wahrer!) – Die Schreierei hat am Sonntag nicht geholfen, und sie hilft auch heute nicht, Frau Kollegin! Es bringt einfach nichts. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Weiters geht es noch um insgesamt 700 Millionen Euro, die für Arbeitsstiftungen zur Verfügung gestellt werden. Das Stichwort wird sein: Umschulung und Qualifizierung, meine geschätzten Damen und Herren, dort werden wir investieren müssen. Das ist eine Aktion für rund 100 000 Menschen, die gestartet wird, direkt in die Wirtschaft hinein, um die Beschäftigung zu fördern und um Menschen aus der Arbeitslosigkeit heraus zu be­gleiten, damit sie wieder in die Arbeitswelt zurückkommen; 700 Millionen Euro für Um­schulungsmaßnahmen, für Stiftungen, aufgeteilt auf 2021 und 2022.

Übrigens waren in der Ausschusssitzung auch die beiden Vorstände des AMS, Johan­nes Kopf und Herbert Buchinger (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), anwesend, und beide haben bestätigt, dass das jetzt das richtige Instrument ist, dass das jetzt der rich­tige Weg ist, nämlich Stichwort Qualifizierung und Umschulung. (Abg. Belakowitsch: Waren Sie in einem anderen Ausschuss?) Wir werden damit viele Tausende Menschen aus der Arbeitslosigkeit herausbringen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) – Frau Kollegin, ich habe Ihnen zugehört, ich weiß nicht, wieso es so schwer ist, dass Sie auch einmal zuhören. Es ist einfach eine Unart, wie Sie sich benehmen, wenn ein anderer zu diesen Sozialthemen spricht. Das muss ich einmal in dieser Ent­schiedenheit sagen. (Beifall und Bravorufe bei ÖVP und Grünen.)

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel: die Pflege. Sozialminister Anschober und ich verhan­deln gerade die Pflegereform. Wir starten am 20. Oktober mit einer Auftaktveranstaltung, die großteils virtuell durchgeführt werden wird. Es geht uns darum, eine Personaloffen­sive zu starten, und diese Personaloffensive wird auch darin münden, über Stiftungen zu ermöglichen, dass wir Pflegerinnen und Pfleger für diesen sehr wichtigen Beruf be­kommen. Ich nenne das nur als ein Beispiel. Dafür stellen wir insgesamt sehr viel Geld zur Verfügung.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 106

Ich erwähne auch noch, dass wir das Versprechen, den Personalstand des AMS um insgesamt 500 Personen aufzustocken, eingehalten haben. (Abg. Heinisch-Hosek: ... vor­her weggenommen!) 350 Personen sind im Budget abgebildet – ja, Frau Heinisch-Ho­sek, Sie können sagen: ist eh schon weg, fort, jetzt kommt das Nächste! (Abg. Heinisch-Hosek: Weggenommen, schon vorher!) –, und wir haben 150 Stellen nicht abgebaut, was vorgesehen gewesen wäre. Wenn man jetzt die 350 dazuzählt, dann sind es 500, und ich hoffe, dass 150 plus 350 auch bei der SPÖ 500 ergibt – man wäre sich dabei in der Vergangenheit nicht immer sicher gewesen. Letzten Endes sind es aber 500 Stellen, die wir dort zusätzlich zur Verfügung stellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich erinnere auch an die Unterstützungen im familiären Bereich, den Kinderbonus, und an die Senkung im steuerlichen Bereich, nämlich des untersten Eingangssteuersatzes, inklusive Negativsteuer von 100 Euro. Wir haben die kleinen und mittleren Einkommen dementsprechend gestützt und gestärkt, weil das in dieser Krisensituation notwendig ist, damit die Kaufkraft der Menschen in diesem Land erhalten bleibt.

Wir haben große Pakete für die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Lande geschnürt, damit sie weiterhin die Möglichkeit haben, Menschen zu beschäftigen. Wir brauchen Unternehmerinnen und Unternehmer, die auch den Mut haben, innovativ zu sein. Mit der Investitionsprämie haben wir einen wirklichen Schub geschaffen, und wenn es leistungsfähige und leistungsbereite Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, dann werden wir es schaffen, gemeinsam durch diese Krise zu kommen – aus Verantwortung für Arbeitsplätze und Standort. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Dr. Dagmar Belakowitsch hat sich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.30.40

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Klubobmann Abgeordneter Wö­ginger hat in seiner Rede behauptet, dass österreichische Kurzarbeitsmodell sei das beste und nicht vergleichbar mit anderen auf der Welt. – Das ist unrichtig. Ich berichtige tatsächlich: Es gibt weitaus bessere Modelle wie jenes in der Schweiz oder auch in skan­dinavischen Ländern. Daher ist die Vergleichbarkeit selbstverständlich gegeben.

Des Weiteren hat Herr Abgeordneter Klubobmann Wöginger hier in seiner Rede behaup­tet, beide Vorstände des AMS hätten in der vergangenen Sitzung des Sozialausschus­ses gesagt: Die Maßnahmen, die die Bundesregierung setzt, sind eindeutig die richti­gen. – Das ist auch unrichtig. Ich berichtige tatsächlich: Vorstand Dr. Buchinger hat wört­lich gesagt: Man wird sehen, ob diese Maßnahmen jetzt die richtigen sind. – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Wöginger lügt!)

14.31

14.31.34*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Wurm, für den Zwischenruf „Wögin­ger lügt“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei der ÖVP.)

*****

Zu Wort gemeldet ist nun Mag. Gerald Loacker. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.31.44

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Wenn die Frau Ministerin von ihren Arbeitsmarktmaßnahmen spricht, ver­wendet sie gerne das Bild vom Koffer, den sie gepackt hat. Wir wissen aber nicht wirklich,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 107

was in diesem Koffer drinnen ist. Sie haben diesen geheimnisvollen Koffer, Anschober hat seine Schublade, von der wir auch nicht wissen, was drinnen ist, und Sie halten das geheim. Wir wissen jetzt also, es gibt diese Coronaarbeitsstiftung mit 700 Millionen Euro. 700 Millionen Euro – aber was machen wir damit alles? – Uh, Weiterbildung!

Es gibt drei Monate nach der Ankündigung nichts Konkretes dazu, was damit geplant ist. Sie sind ja mit den Pressekonferenzen ein bisschen hintennach, Anschober macht mehr als Sie, aber Sie sind am Aufholen. Wir wissen noch immer nicht, was in den 700 Mil­lionen Euro jetzt genau drin ist. 700 Millionen Euro sind ja auch keine Kleinigkeit, nicht wahr!? (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.) – Danke für dieses Ge­räusch. (Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS.)

In einer dieser Pressekonferenzen, die Sie in Doppelconférence mit Anschober abgehal­ten haben, hat dieser – der fachlich nicht zuständige Sozialminister – sich zum Solidari­tätsprämienmodell gemeldet und hat gesagt, das werde jetzt ausgebaut. Daraufhin habe ich Sie als fachzuständige Ministerin gefragt: Was kommt da? – Übrig geblieben ist: Na ja, wir werden die Möglichkeiten einer verstärkten Information der Unternehmen durch das AMS nutzen. – Also eigentlich nichts.

Es stimmt schon, was gesagt wurde: Die Kurzarbeit war ein wertvolles Instrument, um Arbeitsplätze zu erhalten, die sonst verloren gegangen wären. Da wurde viel Geld aus­gegeben, aber ein Arbeitsplatz, der dauerhaft gerettet wurde, sollte uns das wert sein. Was aber fehlt, sind die Rezepte, wie wir aus der Kurzarbeit bei den Arbeitsplätzen wie­der herauskommen, die jetzt, nach so vielen Monaten, immer noch in Kurzarbeit sind und keine Perspektive auf eine Besserung der Lage haben.

Deswegen haben wir unser Zuversichtspaket eingebracht, bei dem es darum geht, sich auf das Neue, das entsteht, zu konzentrieren: Eine Krise beschleunigt Veränderungspro­zesse; Sachen, die vielleicht erst in ein paar Jahren gestorben wären, sterben schneller dahin – das ist schmerzhaft –, aber es entsteht auch Neues, und auf dieses Neue sollten wir uns politisch auch ausrichten, indem wir Arbeitsplätzen, die neu entstehen können, Schwung geben.

Da ist es natürlich kontraproduktiv, wenn Ihre Kollegin Schramböck in den Medien he­rumfantasiert, ob es vielleicht einen zweiten Lockdown geben wird oder nicht. Man muss sich einmal in den Unternehmer hineinversetzen! Wenn man ein Unternehmer ist und überlegt, eine Investition zu tätigen, und dann kommt die Wirtschaftsministerin und redet von einem zweiten Lockdown, dann denkt man sich: Na, wenn sogar die über einen Lockdown nachdenkt, ist er eher wahrscheinlich.

Wissen Sie, das ist ein bisschen wie mit dem rosaroten Elefanten, an den man nicht denken soll. Denken Sie nicht an einen Lockdown! Wir planen keinen Lockdown. Es hat niemand vor, eine Mauer zu bauen. – Natürlich denken alle an einen Lockdown, wenn Sie in Ihrer Regierung immer von einem Lockdown schwätzen. (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Daher haben wir vorgeschlagen, dass die Republik für zusätzliche Arbeitsplätze, die neu entstehen, für ein Jahr die halben Lohnnebenkosten übernehmen soll. Damit wäre jenen gedient, die Neues schaffen.

Wir haben auch einen Lehrlingsbonus vorgeschlagen, der abgestuft ist, der auch großzü­giger ist als das, was die Regierung vorschlägt. Warum haben wir das gemacht? – Na­türlich sind Lehrstellen in überbetrieblichen Ausbildungszentren besser als keine Lehr­stellen, noch besser aber als diese überbetrieblichen Lehrstellen sind solche in echten Betrieben, weil dort die jungen Leute eine Chance haben, dass ihre Beschäftigung über die Lehrzeit hinaus zu einem dauerhaften Arbeitsplatz wird, und das muss ja das Ziel sein: dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ), daher unser Antrag zum Corona-Blum-Bonus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 108

Da es auch darum geht, dass Menschen vielleicht gar nicht gerne in Kurzarbeit sind, sondern jetzt weniger arbeiten, dafür aber auch weniger verdienen und ihr Haushaltsein­kommen mit weniger bestreiten müssen, müssen wir auch darauf schauen, dass wir diese Menschen, die in Kurzarbeit sind, in echte Vollzeitarbeitsverhältnisse zurückbrin­gen. Daher sollte das AMS zuständig werden, auch diesen Menschen Arbeitsplätze zu vermitteln, sie also in die Vermittlung aufzunehmen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vermitt­lung von Arbeitnehmer_innen in Kurzarbeit durch das AMS“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend, wird aufgefordert, das Arbeitsmarktservice (AMS) anzuweisen, Personen in Kurz­arbeit automatisch als arbeitssuchend und vermittelbar zu definieren, um Arbeitneh­mer_innen eine Vermittlung hin zu einem vollentlohnten und nachhaltigen Beschäfti­gungsverhältnis zu ermöglichen.“

*****

Damit schauen wir in die Zukunft. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kainz.)

14.36

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Vermittlung von Arbeitnehmer_innen in Kurzarbeit durch das AMS

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Freiheitliches COVID-19-Maßnahmenpaket (392 d.B.) – TOP 8

Am Beginn der Coronakrise war die Kurzarbeit sicherlich eine wesentliche Maßnahme zur Abschwächung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Restriktionsmaßnahmen. Aber sie ist eben nur eine Überbrückungshilfe und sie macht nur als Brücke von einem Ufer zum anderen Sinn, nicht aber als Steg hinaus in den Ozean. Daher müssen für diese Maßnahme Alternativen entwickelt werden, die auch langfristig sinnvoll sind. Je länger die Kurzarbeit dauert, umso größer ist der Anteil der gestützten Jobs, die struk­turell auch ohne Coronakrise schon problematisch und gefährdet waren. Ebenso steigt im Zeitverlauf der Anteil an Betrieben, die aufgrund öffentlicher Transfergelder überleben und damit ökonomisch gesunden Mitbewerbern Konkurrenz machen und deren Markt­position schädigen. Daher ist die Kurzarbeit auf das ökonomisch sinnvolle und notwendi­ge Maß einzuschränken.

Führende europäische Wirtschaftsforscher, wie Gabriel Felbermayr, sehen in der Ver­längerung der Kurzarbeit zunehmend ein Problem. Steuergeld darf nicht nur für die Kon­servierung kriselnder Sektoren der Wirtschaft eingesetzt werden, sondern es muss auch Platz für Neues geschaffen werden. Arbeitskräfte, die aufgrund der Corona-Krise ihren


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Job verloren haben oder sich in Kurzarbeit befinden, bringen oft Kompetenzen mit, die auch in anderen Bereichen oder Branchen gebraucht werden. Einen ähnlichen Stand­punkt vertritt auch der Vorstand des AMS, Johannes Kopf. Er betont, dass Kurzarbeit den Nachteil hat, dass sie Arbeitnehmer_innen in schwächelnden Unternehmen mit 20 oder 30 Prozent Arbeitszeit hält, aber diese Arbeitnehmer_innen in anderen Unterneh­men gebraucht werden. Eine Vermittlung von Arbeitskräften in Kurzarbeit hätte den Vor­teil, den Fachkräftemangel in gewissen Branchen abzufedern, würde aber auch einen Anreiz für Unternehmen setzen, ihre Mitarbeiter_innen nicht unnötig lange in Kurzarbeit zu halten.

Eine solche Vorgangsweise würde auch im Interesse des Arbeitsmarktservice (AMS) liegen, da ein wesentlicher Teil des Arbeitsmarktservice in der Arbeitsvermittlung liegt. So definiert das Arbeitsmarktservicegesetz – AMSG: § 29. (1) Ziel des Arbeitsmarkt­service ist, im Rahmen der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung zur Verhütung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit unter Wahrung sozialer und ökonomischer Grund­sätze im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik auf ein möglichst vollständiges, wirt­schaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken, und dadurch die Versorgung der Wirtschaft mit Arbeitskräften und die Beschäftigung aller Personen, die dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfü­gung stehen, bestmöglich zu sichern.

Um die Beschäftigung aller Personen, die dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfü­gung stehen, bestmöglich zu sichern, wäre es sinnvoll, wenn Personen in Kurzarbeit auf offene (Vollzeit-)Stellen in andere Unternehmen wechseln könnten. Bereits jetzt bietet das AMS arbeitsuchenden Personen einerseits und Unternehmen andererseits in ihrem eJob-Room ebendiese Möglichkeit. Das AMS bewirbt seine Plattform mit dem Titel: Der AMS eJob-Room verbindet alle – treffsicher, kostenlos, interaktiv. Eine Erweiterung des bestehenden Tools, um die Vermittlung von Arbeitnehmer_innen in Kurzarbeit zu ermög­lichen, wäre somit unbürokratisch und kostengünstig möglich. Neben dem Ausbau der bestehenden Plattform, soll das AMS außerdem die Möglichkeit bekommen, Personen in Kurzarbeit direkt vermitteln zu können. Daraus lassen sich folgende Vorteile ableiten:

1.          Eine bessere Chance auf einen Vollzeit-Arbeitsplatz für Arbeitnehmer_innen

2.          Eine bessere Chance auf volles Einkommen für Arbeitnehmer_innen

3.          Die AMS-Zuständigkeit beginnt schon bei Kurzarbeit und nicht erst beim Verlust des Arbeitsplatzes

4.          Eine Betreuung von Arbeitskräften schon in Kurzarbeit und nicht erst bei Ar-beitslosigkeit

5.          Arbeitgeber_innen halten Arbeitnehmer_innen nicht länger in Kurzarbeit als un­bedingt nötig, weil sie diese leichter verlieren können

Kurzarbeit gehört zu den teuersten Maßnahmen der Bundesregierung. Neben arbeits­marktpolitischen Vorteilen hätte eine Vermittlung von Arbeitnehmer_innen in Kurzarbeit auch enorme Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Arbeitslosenversicherten:

1.          Eine bessere Beitragsleistung durch mehr Beschäftigte in Vollzeitverhältnissen

2.          Einsparung von Kurzarbeitsgeldern

3.          Eine bessere und effizientere Besetzung von offenen Stellen

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 110

" Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Ju­gend, wird aufgefordert, das Arbeitsmarktservice (AMS) anzuweisen, Personen in Kurz­arbeit automatisch als arbeitssuchend und vermittelbar zu definieren, um Arbeitnehme­r_innen eine Vermittlung hin zu einem vollentlohnten und nachhaltigen Beschäftigungs­verhältnis zu ermöglichen. "

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Kollege Josef Muchitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.36.47

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich darf zum Tagesordnungspunkt 11, zum Antrag der NEOS betreffend Lehrlingsbonus, Stel­lung beziehen.

Kollege Wöginger hat gesagt: 29 Milliarden Euro, was für ein Riesenpaket! – Ja, aber wie kommt was wo an? Welche der Maßnahmen haben ihre Ziele bisher erreicht und welche nicht? – Zum Thema Lehrlinge muss man ganz offen eingestehen – die APA hat das gestern bezugnehmend auf die Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich berichtet –: 9,1 Prozent weniger Lehrlinge im ersten Lehrjahr im September 2020 im Ver­gleich zum September des Vorjahres, also 2019.

Das heißt, der aktuelle Lehrlingsbonus, der mit 2 000 bis 3 000 Euro durchaus gut ge­meint war, und auch der Antrag der NEOS, der mit 5 600 Euro im ersten Lehrjahr, abge­flacht bis 1 400 Euro im dritten Lehrjahr noch einmal eines drauflegt, führen nicht zum Erfolg. Dieses Fördermodell mit der Gießkanne ist gescheitert, und da muss man dann den Mut haben und sagen: Da müssen wir etwas ändern! Da müssen wir in der Lehr­lingsfrage, in der Jugendausbildung etwas ändern!

Was nicht gesagt wurde: Egon Blum, ein Mensch, der sich wirklich höchste Anerkennung und Wertschätzung verdient hat, ein Mensch, den ich selber am 13. Juli in Koblach in Vorarlberg treffen durfte, wo er mir seine verschiedenen Fördermodelle vorgestellt hat, hat auch ein zweites Modell. Das haben Sie nicht eingebracht. Demzufolge soll es nur bis zum fünften Lehrling eine Förderung geben. Das wäre vor allem zum Vorteil der KMUs, der kleinen und mittleren Unternehmen. Da gibt es also andere Modelle, und diese sollte man sich vielleicht auch anschauen.

In der SPÖ haben wir immer gesagt, wir brauchen in der Lehrlingsausbildung, in der Jugendausbildung zielorientierte Maßnahmen, und wir haben dazu einige Anträge ein­gebracht, denen Sie bis dato keine Zustimmung erteilt haben. Wir haben einen Antrag auf „Einrichtung eines Corona-Not-Ausbildungsfonds“ eingebracht, bei dem es darum geht, genau jene Betriebe, die durch die Coronakrise wirtschaftlichen Schaden erlitten haben, zielorientiert anders und besser zu fördern als jene, in denen sowieso eine Lehr­lingsausbildung stattfindet.

Wir haben auch gesagt, es braucht mehr Ausbildungsplätze in der überbetrieblichen Lehr­ausbildung, es braucht dazu mehr Mittel. Und bitte führen wir die Ausbildungsgarantie bis zum 25. Lebensjahr wieder ein! (Beifall bei der SPÖ.) Es muss ja unser gemeinsa­mes Ziel sein, Frau Bundesministerin, Jugendliche aus der Arbeitslosigkeit raus und rein in eine Ausbildung zu bringen. Das muss das gemeinsame Ziel sein. (Zwischenruf des Abg. Koza. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von Grünen und SPÖ.)

Letztendlich können wir auch in allen unseren Wirkungsbereichen, im öffentlichen Dienst, bei den Gemeinden, Städten und Ländern, wesentlich mehr Bewusstsein dafür


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schaffen, gerade jetzt mehr jungen Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen. Wir brau­chen Maßnahmen, die zielorientiert sind: zielorientierte Ausbildung, zielorientierte Förde­rung, weg mit dieser Gießkannenförderung! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.39


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun gelangt Herr Mag. Christian Ragger zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.40.02

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätz­te Frau Ministerin! Ich glaube, jede Fraktion in unserem Haus ist daran interessiert, eine Lösung für diese Republik, für die Menschen, aber auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen. Die Frage ist immer, welchen Zugang man wählt.

Natürlich hören wir über viele Bereiche hinweg, welche Maßnahmen zu setzen sind, aber ich glaube, heute ist dem Finanzminister ein Kardinalfehler passiert, nämlich dadurch, wie er an die Sache herangeht. (Abg. Leichtfried: Nicht nur heute!) Wenn wir uns heute unser Wirtschaftssystem in Österreich anschauen – das ist ziemlich gleich wie bei allen anderen europäischen Staaten abgebildet –, dann sehen wir, dass über 70 Prozent un­seres Bruttonationalproduktes konsumorientiert zustande kommen. Wenn wir nun Maß­nahmen setzen, die dazu führen, dass wir im Budget ein riesiges Defizit produzieren, dann haben wir, muss ich sagen, den falschen Ansatz gewählt.

Das, was wir als Erstes wählen und als Erstes machen müssen, ist nämlich, das Kon­sumverhalten nach dieser ersten Etappe der Coronaepidemie wieder anzuheben. Das gelingt uns nicht durch diese Maßnahmen, sondern ausschließlich dann, wenn wir das Konsumverhalten direkt an die einzelnen Personen anbinden und erhöhen. Das führt letztendlich zu den Maßnahmen, die wir setzen wollen, ob das jetzt der Bereich des Blum-Bonus oder der Bereich des Arbeitslosengeldes ist oder ob das die 1 000 Euro sind.

Es hilft Ihnen nichts, dass Sie in Institutionen, in das Unternehmen investieren. Sie müss­ten es in den Arbeitnehmer investieren, Sie müssten es in den Konsum investieren. Ich nenne Ihnen die Zahlen dazu: Das Bruttonationalprodukt beträgt 400 Milliarden Euro. Von diesen 400 Milliarden Euro sind 282 Milliarden Euro konsumorientiert und 25 Pro­zent sind Investitionen. Das heißt: Wenn man kein Konsumverhalten generiert, wie soll dann – erklären Sie mir das! – der Unternehmer in seinem Bereich eine Investition ma­chen? Wenn der Unternehmer keine Investition macht, wie will er dann Arbeitsplätze generieren?

Daher ist dieser Kreislauf, den Sie mit diesem Budget und letztendlich auch mit den Maßnahmen, die Sie setzen, beschließen wollen, unvollendet. Kommen Sie daher zur grundsätzlichen Struktur zurück, die wir Ihnen mit diesen 1 000 Euro auch vorgegeben haben – auch die Gewerkschaft hat erkannt, dass das Konsumverhalten in der Zukunft das Entscheidende und Ausschlaggebende sein wird, damit wir diese Coronakrise be­wältigen –, und dann sehe ich, dass wir eine gemeinsame Lösung finden können!

Ansonsten glaube ich, dass, auch nach dem, was die „Neue Zürcher Zeitung“ gestern geschrieben hat, ganz klar ist: Sie alle träumen zwar von einer Konjunkturerholung, Fak­tum wird sein, dass wir 2021 noch einmal ein Fetzendefizit machen werden. Das wird es sein. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei den NEOS.)

14.42


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Markus Ko­za. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.43.00

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal frage ich mich tatsächlich,


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in welcher Sozialausschusssitzung wir gesessen sind – es müssen zwei vollkommen unterschiedliche gewesen sein, denn was da teilweise verbreitet wird, ist schon sehr schleier- und rätselhaft. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Heiterkeit des Abg. Wöginger.)

Wir haben erfreulicherweise tatsächlich die beiden Vorstände des AMS hier gehabt, die beide unisono erklärt haben, es gibt keine Abschaffung der Ausbildungsgarantie bis 25. Es gibt sie nicht (Zwischenruf der Abg. Kucharowits), die Ausbildungsgarantie bleibt erhalten! Das Einzige, was es nicht gibt, ist die Sonderbudgetierung, aber von einer Abschaffung der Ausbildungsgarantie bis 25 ist keine Rede. Ich weiß nicht, wie oft das dort gesagt worden ist, trotzdem wird das hier permanent wiederholt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Gleichzeitig ist ständig davon die Rede: Wir wissen nicht, was passiert! Wir wissen nicht, was gemacht wird! Kein Mensch weiß, was passiert ist, da ist ein Koffer gepackt und keiner weiß, was drinnen ist! – Auch das haben die beiden Vorstände recht klar ausge­führt. Es gibt natürlich branchenweise, betriebsweise Arbeitsstiftungen in den diversen Regionen, da sind die regionalen Arbeitsmarktservices schon längst dran. Es wird Aus­bildungs- und Schulungsmaßnahmen geben, die aufgestockt werden – auch das ist ge­sagt worden. Es gibt Maßnahmen für Jugendliche, es werden die Maßnahmen für Frau­en in technischen Berufen aufgestockt und es wird ein Schwerpunkt auf die Pflege- und Sozialberufe gelegt.

All das wurde dort gesagt, und es hat danach interessanterweise auf der einen Seite nur mehr relativ wenig Fragen dazu gegeben, aber auf der anderen Seite eine Presseaus­sendung des SPÖ-Klubs, in der genau das Gegenteil von dem drinnen gestanden ist, was dort gesagt worden ist, denn es hieß: Nichts von dem, was wir wollten, wurde be­kräftigt und bestätigt! – Bitte macht die Presseaussendungen eher nachher als vorher, das macht wahrscheinlich mehr Sinn! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

So, und nun kommen wir zu den diversen Maßnahmen, die im Rahmen dieses Pakets geplant sind; ich möchte nicht mehr besonders viel darauf eingehen. Das eine ist das COVID-19-Maßnahmenpaket der FPÖ – das kennen wir –: Arbeiterkammerrücklagen auflösen – gegen die Sozialpartner bashen ist immer gut –; die Sozialhilfe vor allem für die Armen und Ärmsten mitten in der Krise verschärfen – eine sehr intelligente Maßnah­me –; sektorale Schließung des Arbeitsmarktes in Österreich für EU-BürgerInnen – na, die ÖsterreicherInnen, die in Deutschland und anderswo arbeiten, werden sich dafür herzlichst bedanken. Es wird doch keiner ernsthaft annehmen, es gäbe dann keine Maß­nahmen, die von anderen EU-Ländern dagegen gesetzt werden. – Der Antrag ist also aus unserer Sicht auf jeden Fall abzulehnen, und das ist auch gut so.

Der andere Punkt ist die Frage der Lehrlingsausbildung. Wir haben glücklicherweise –Kollege Wöginger hat es erwähnt – den Lehrlingsbonus von bis zu 3 000 Euro pro Lehr­ling eingeführt, und erfreulicherweise wirkt er auch. Es gibt über 8 000 Förderverträge und im September gab es 8 805 offene Lehrstellen bei 8 406 Lehrstellensuchenden. Das heißt, es gibt erfreulicherweise einen Lehrstellenüberschuss. Natürlich gibt es auch Pro­bleme. Die Probleme gibt es vor allem dort, wo es um Ausbildung im Städtetourismus, im Kongresstourismus, im Messetourismus geht, aber da hilft auch mehr Geld nicht. Da muss man in Wirklichkeit unmittelbar in die Wirtschaft investieren, in die jeweiligen Be­reiche investieren, diese stützen, damit sie wieder ausbilden können.

Zuletzt komme ich zum Antrag der NEOS zur Kurzarbeit, laut dem Menschen in Kurz­arbeit automatisch beim AMS als Arbeit suchend und vermittelbar definiert und in voll entlohnte und nachhaltige Beschäftigung vermittelt werden sollen. Im „Falter“ würde die­ser Antrag unter die Kategorie „Jenseits“ fallen, trotzdem ein paar Anmerkungen dazu, warum dieser Antrag schlichtweg abzulehnen ist.


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Erstens: ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit haben einen Job, im Gegensatz zu Hundert­tausenden, die wirklich arbeitslos sind und einen Job suchen. Menschen in Kurzarbeit mit Arbeitsuchenden gleichzusetzen ist sachlich so falsch wie schlichtweg unerträglich.

Zweitens: Der Kurzarbeit liegt ein aufrechtes Arbeitsverhältnis und damit ein Arbeitsver­trag zugrunde. Es wäre ein massiver Eingriff in die Vertragsfreiheit, würde das AMS die­se Menschen zwangsvermitteln können.

Es ist ehrlich gesagt schon sehr erstaunlich, dass Sie als Liberale so etwas fordern. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und das ILO-Übereinkommen sehen die Frei­heit der Berufswahl vor. Wer heute von Kurzarbeit in einen anderen Job wechseln will, der kann das natürlich heute schon. Wer in seinem Job bleiben will, der soll das bitte auch, er hat sich diesen Job auch gewählt. Alles andere wäre wirklich ein massiver Ein­griff in Freiheitsrechte. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Allein die Vorstellung, dass das AMS jemanden von einem selbst gewählten Arbeitsplatz zwangsweise in einen anderen Arbeitsplatz vermittelt, ist so unerträglich wie absurd. Letztlich: Die Kurzarbeit ist - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Loacker.) – Das steht da drinnen! Na was ist es sonst, wenn man beim AMS arbeitslos gemeldet und vermittelbar ist? (Zwischenrufe bei den NEOS.) Ihr kennt doch die Regeln im AMS, tut doch bitte nicht so! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Kurzarbeit ist weiters eine zeitlich befristete Maßnahme (Zwischenruf des Abg. Loa­cker), und bekanntermaßen ist das zeitlich vereinbarte Volumen glücklicherweise auch flexibel. Das ist ja gerade der Vorteil der Kurzarbeit, dass bei einer wirtschaftlichen Er­holung die Arbeitszeit relativ rasch wieder erhöht und angepasst werden kann. Abge­rechnet wird bekanntlich zum Schluss. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Zu derartigen Forderungen, wie sie da erhoben werden, können wir nur dreimal Nein, Nein, Nein sagen. Kurzarbeit ist eines der wirkungsvollsten Instrumente in der Krise, um Beschäftigung und Einkommen zu sichern (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), um ArbeitnehmerInnen zu unterstützen, und nicht, um noch zusätzlich Druck zu machen und existenzielle Sorgen zu verschärfen. Dabei bleibt es, dabei wird es auch bleiben. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte schön.


14.49.13

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten Wochen wurden wir in etlichen Pressekonferenzen darauf hingewiesen, welche neuen Maßnahmen gesetzt werden, um die Arbeitsmarktkrise zu überstehen. In der letzten Pressekonferenz hat uns Bundesministerin Aschbacher wieder erklärt, dass ihr arbeitsmarktpolitischer Koffer gepackt ist. Doch es wird in den etlichen Konferenzen auf einen Teil unserer Gesellschaft vergessen, obwohl er einwohnermäßig fast die Grö­ße von Klagenfurt besitzt.

85 323 der arbeitslos gemeldeten Personen sind Menschen mit Behinderung oder mit gesundheitlichen Einschränkungen. Das entspricht fast einem Viertel der Arbeitslosen in Österreich. Diese Umstände sind jedoch nichts Neues, die Coronakrise ist nur ein Ver­größerungsglas, das die Versäumnisse der letzten Jahre zum Vorschein bringt.

Ich halte hier abermals fest: Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung ist in den letzten zehn Jahren um 120 Prozent gestiegen. Hinter jeder dieser 85 323 Personen steht ein Einzelschicksal, steht der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben. Den­ken wir nur kurz daran, dass die bundesweit einheitliche persönliche Assistenz noch


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immer nicht umgesetzt wurde! Von einem inklusiven Schulsystem, wie es die UN-Behin­dertenrechtskonvention fordert, kann nicht einmal annähernd gesprochen werden, da in jedem Land unterschiedliche Gesetze gelten und demnach der Kompetenzdschungel eine enorme Lichtung benötigen würde. Schlussendlich fehlt es an allen Ecken und En­den an Sensibilisierungskampagnen in der Bevölkerung. Heute aber bleiben wir beim Arbeitsmarkt, alles Weitere würde hier den Rahmen sprengen.

Frau Bundesministerin, Sie sprechen immer davon, dass Ihr arbeitsmarktpolitischer Kof­fer gepackt ist – doch es gibt noch immer keinen Fahrplan. Sehen wir die aktuelle Krise als Chance, als Neustart, um die Forderungen, die es bereits seit Jahrzehnten von Ver­treterinnen und Vertretern diverser Organisationen gibt, endlich umzusetzen, um auch Menschen mit Behinderung neue Zuversicht zu geben! (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Kucharowits und Muchitsch.)

Viele von Ihnen werden sich hoffentlich daran erinnern: Ende letzten Jahres erhielten wir von der Volksanwaltschaft den Sonderbericht betreffend „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“. Es ist höchst an der Zeit, folgende Forderun­gen umzusetzen: die Einteilung von Menschen mit Behinderung in arbeitsfähige und nicht arbeitsfähige abzuschaffen; eine eigene, auf ihre Tätigkeit bezogene sozialversi­cherungsrechtliche Absicherung für Menschen, die in Beschäftigungstherapiewerk­stätten arbeiten, zu schaffen; und neue Modelle der Entlohnung anstelle des bisherigen Taschengeldsystems zu prüfen und dann auch umzusetzen. (Beifall bei den NEOS so­wie der Abgeordneten Kucharowits und Nussbaum.)

In Kreisen von Behindertenorganisationen und Selbstvertretern waren diese Forderun­gen keineswegs etwas Neues, aber sie seitens der Volksanwaltschaft zu hören, hat all dem natürlich noch mehr Wirkung gegeben.

Finanzminister Blümel hat heute zu Beginn gesagt, das vorliegende Budget ist als Ant­wort auf die Covid-Krise teuer, aber wir können es uns leisten. – Herr Minister, leisten Sie es sich bitte auch, Menschen mit Behinderung in Österreich in allen Bereichen zu inkludieren, so wie es unsere Verfassung vorsieht! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.52


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.52.36

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer! Bevor ich mit meinem eigent­lichen Redebeitrag starte, darf ich noch auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Rag­ger eingehen, der behauptet hat, wir hätten nichts investiert, um den Konsum anzukur­beln. Ich darf Ihnen vielleicht ein bisschen auf die Sprünge helfen: Wir haben eine Steu­ersenkung umgesetzt. Wir haben 450 Euro für Menschen, die arbeitslos sind, investiert. Wir haben 360 Euro für Kinder investiert, die jetzt im September auch ausbezahlt wur­den. All das sind Investitionen, um den Konsum anzukurbeln. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Lukas Hammer.)

Ich weiß nicht, wo Herr Kollege Ragger ist – so wie jetzt anscheinend wieder auf Urlaub. (Abg. Loacker: Haben Sie sich das angesehen in den letzten Monaten? Welcher Kon­sum?)

Herr Kollege Loacker, nun darf ich auf Ihre drei Anträge eingehen. Im ersten Antrag, den Sie eingebracht haben, Antrag 846/A(E), haben Sie einen Vorschlag für eine „treffsiche­re und sparsame Kurzarbeit“ eingebracht.

Kollege Loacker beschreibt da lobenswerterweise, dass die Kurzarbeit eine der wichtigen Maßnahmen zur Abschwächung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie


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ist. Dem stimme ich auch hundertprozentig zu. Das ist aber leider auch schon alles in diesem Antrag, dem ich zustimmen kann, denn die Idee, ein Bonus-Malus-System für die Kurzarbeit einzuführen, das erst im Nachhinein kontrolliert werden soll, widerspricht eigentlich permanent dem Kontrollwahn der NEOS und ist meines Erachtens auch viel zu kompliziert, viel zu bürokratisch und dabei auch nicht treffsicher. Ich weiß nicht, wie sich die Transparenzpartei NEOS vorgestellt hat, eine solche Kontrolle im Nach­hinein zu übernehmen.

Zusätzlich zum Bonus-Malus-System soll es einen Nachweis der ökonomischen Notwen­digkeit geben, und das soll das AMS als Abrechnungsstelle für Kurzarbeit überprüfen. Die jetzige Regelung, die wir in der Kurzarbeit Phase drei haben, sieht bereits eine wirt­schaftliche Begründung vor, nur dass im Gegenteil zu Ihrem Antrag nicht das AMS die Beurteilung vornimmt, sondern die Steuerberater, die Bilanzbuchhalter oder auch die Wirtschaftsprüfer des jeweiligen Unternehmens. Diese haben auch die Kompetenz und die Expertise für diese Beurteilung, um eine Prognoserechnung zu erstellen.

Herr Kollege Loacker gab im Ausschuss auch zu bedenken, dass die Kosten des Steuer­beraters und dergleichen für die Unternehmer viel zu hoch sind. An dieser Stelle erlaube ich mir, nachzufragen, welche Daten das AMS befähigen sollten, derartige Beurteilungen vorzunehmen, wenn Sie es im Nachhinein überprüfen möchten. (Beifall bei der ÖVP.)

Als Unternehmerin darf ich Ihnen vielleicht auch da auf die Sprünge helfen: Es sind näm­lich wieder unsere Steuerberater, unsere Buchhalter und unsere Wirtschaftsprüfer, die auch die Daten, wenn es im Nachhinein geschieht, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, an das AMS übermitteln müssten – die Kostenrechnung geht da also nicht auf. (Beifall bei der ÖVP.)

In Ihrem zweiten Antrag ist vom Zuversichtspaket die Rede, mit dem Sie Arbeitsplätze schaffen wollen. Bei diesem Antrag stellen Sie sich wie gesagt vor, dass bei Neuein­stellungen die Sozialversicherung für sechs Monate auf die Hälfte reduziert wird. Das klingt super, kommt mir aber irgendwie bekannt vor. Es ist alles andere als neu oder neo. Im Antrag klingt es nämlich sehr nach dieser berühmten Eingliederungsbeihilfe, die es beim AMS bereits gibt. Nur wird diese, im Unterschied zu Ihrem Vorschlag, nicht auto­matisch an jedes Unternehmen ausbezahlt, sondern zielgerichteter und auch individuel­ler eingesetzt. Das ist auch gut so. Ich weiß nicht, bei welchem Arbeitsmarkt Sie tätig sind, aber der Arbeitsmarkt ist kein starres Modell, sondern sehr unterschiedlich. Sie kennen das auch, wir haben unterschiedliche Anforderungen in den Bundesländern, und das ist auch gut so.

Die vorhandenen Fördermöglichkeiten wie Eingliederungsbeihilfe, Neustartbonus, Bil­dungsbonus und bald auch die Arbeitsstiftung, für die wir 700 Millionen Euro in die Hand nehmen, werden und sollten auch von uns individuell eingesetzt werden und nicht in einem starren Korsett, wie Sie es fordern, oder mit der Gießkanne verteilt werden. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Zum letzten Antrag der NEOS, in dem sie die Einführung eines Corona-Blum-Bonus fordern: Der Blum-Bonus war eine Lehrlingsförderung, die bereits 2008 abgeschafft wur­de – also auch wieder nichts Neues, sondern etwas Altes. Ich darf Ihnen ein Geheimnis verraten: Lehrlingsbonus 2020, das ist das Geheimrezept. Dafür werden wir dieses und nächstes Jahr 54,5 Millionen Euro zur Verfügung stellen, und es wurden damit bereits 7 000 Lehrlinge unterstützt.

Kollegen Muchitsch darf ich vielleicht noch eines sagen: Die Ausbildungsgarantie bis 25 – das hat AMS-Vorstand Johannes Kopf sehr wohl mitgeteilt – wurde nicht abge­schafft, sondern sie wurde im Budget nur nicht extra ausgewiesen. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


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Zu den Lehrstellensuchenden: Wir haben – die letzte Zahl im Herbst – 10 000 Lehrstel­lensuchende im Vergleich zu 12 000 offenen Lehrstellen. Sie wissen ganz genau, dass wir da leider das Problem Osten und Westen haben. Daher ist es auch wichtig, dass wir einmal die Mobilitätsfrage klären.

Ich darf hier auch die Gelegenheit nutzen und mich bei allen Unternehmerinnen und Unternehmern dafür bedanken, dass sie Lehrlinge einsetzen, denn es sind unsere Be­triebe, die heute die Facharbeiter von morgen ausbilden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Wurm, schaffen Sie Ihre Rede in 2 Minuten oder wollen Sie danach sprechen? Oder soll ich Sie um 15 Uhr unterbre­chen? – Sie wollen später sprechen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 8 bis 11 der Tagesord­nung, damit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäfts­ordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

Ich unterbreche kurz die Sitzung.

*****

(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Übrigens gab es im alten Parlament drei Uhren, und der Präsident konnte sich immer jene aussuchen, die gerade die richtige Zeit angezeigt hat. Sie waren alle etwas unter­schiedlich eingestellt. (Allgemeine Heiterkeit.)

15.00.14Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Per Presskonferenz ins Corona-Chaos: Die Verantwortung von Gesundheitsmi­nister und Bundeskanzler an der europaweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl“ (3749/J)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftli­chen Anfrage 3749/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Begründung

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergeb­nisse zu erwarten.“

Am Montag, dem 13.10. 2020, veröffentlichte die Unabhängige Expertenkommission ih­ren Bericht zum "Management Covid-19-Pandemie Tirol".


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Der Bericht zeichnet ein erschreckendes Bild im Umgang mit der Pandemie auf Seiten der Regierungsspitze. Veraltete Rechtsgrundlagen, fehlende Pandemiepläne, mangeln­de Abstimmung zwischen den verschiedenen Ebenen der Verwaltung, das Hineingrät­schen eines unzuständigen Bundeskanzlers, ein Gesundheitsminister der untätig dane­ben steht, Fehleinschätzungen von Behörden über das Ansteckungsrisiko und eine ver­fehlte Öffentlichkeitsarbeit bewirkten im Ergebnis massives Chaos. Der damit einherge­hende Schaden für den Tourismusstandort Österreich ist nachhaltig, wie ausländische Medienberichte bestätigen.

Der vernichtende Expertenbericht hält unter anderem fest:

"Am 13.03. kam es unmittelbar vor der Pressekonferenz des Landeshauptmanns zu ei­nem Telefonat zwischen diesem und dem Bundeskanzler. Der Bundeskanzler teilte mit, dass im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Gesundheitsminister die Qua­rantäne für das Paznauntal und St. Anton a. A. ausgesprochen werden soll. Der Bundes­kanzler erklärte, die Bundesregierung sei zuständig und übernehme auch die Kommu­nikation. Der Landeshauptmann erklärte sich einverstanden, verwies aber darauf, dass sich jetzt die Stäbe rasch zusammensetzen müssen, um die Details auszuarbeiten, weil es diese noch nicht gibt. Der Landeshauptmann verständigte unmittelbar nach dem Te­lefongespräch den Landesamtsdirektor, damit die erforderlichen Vorbereitungen getrof­fen werden. In die weitere Vorgehensweise erachtete sich der Landeshauptmann nicht mehr eingebunden, weil das eine Entscheidung des Bundes gewesen sei."

"Von Gesundheitsexperten gab es den Vorschlag einer Quarantäne, um zu verhindern, dass es aus dem Hotspot zu einer Weiterverbreitung kommt. Nach Absprache mit dem Gesundheitsminister und Rücksprache mit dem Landeshauptmann wurde es als sinnvoll erachtet, dass der Bundeskanzler die Verhängung der Quarantäne kommuniziert. Die Frage nach der damals geltenden Gesetzeslage beantwortete der Bundeskanzler bei seiner Anhörung dahingehend, dass er davon ausgegangen sei, dass die zuständigen Verantwortlichen die Quarantäne im Verordnungsweg vorbereiten. Die Einschätzung der Stäbe sei gewesen, dass das geltende Epidemiegesetz für die Verhängung der Quaran­täne ausreiche. Unter Stäben seien jene des Gesundheits- und des Innenministeriums sowie des Landes Tirol zu verstehen. Die Überlegungen der Beamten der Bezirkshaupt­mannschaft Landeck, die Gäste über das Wochenende nach Hause fahren zu lassen, sei nicht bis zum Bundeskanzler vorgedrungen. Nach der Erinnerung des Bundeskanz­lers sei die Verhängung der Quarantäne erst am Freitagvormittag ein Thema geworden. Am 13.03. um ca. 14:00 Uhr kündigte der Bundeskanzler im Rahmen einer gemeinsam mit Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer, MSc, gehaltenen Pressekonferenz an, dass es insbesondere in einigen Gebieten Tirols zu einer sehr ra­santen Ausbreitung des Virus komme und zielgerichtet, geographisch und punktgenau gegengesteuert werden müsse. Wörtlich führte er sodann aus: „Es werden daher das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt. Diese Gebiete werden ab sofort isoliert. Österreicherinnen und Österreicher, die in diesen Gemeinden Ischgl, See, Kappl, Galtür und St. Anton am Arlberg leben, aber auch die österreichischen Ur­lauberinnen und Urlauber dort sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Ge­meinden werden selbstverständlich bestens versorgt und werden schon in 14 Tagen die Möglichkeit haben, ihr gewohntes Leben wieder fortzusetzen. (...) Durch diese Ankündi­gung des Bundeskanzlers kam es zu Panikreaktionen von Gästen und Mitarbeitern, wodurch es zu der in der Folge beschriebenen überstürzten Abreise kam. Anhaltspunkte dafür, dass auch ohne eine derartige Ankündigung, die am Wochenende 14./15.03. mög­liche Abreise der Gäste gleichermaßen chaotisch verlaufen wäre, bestehen nicht. " (Sei­ten 26 ff)

Wie Sebastian Kurz am 13.10.2020 gegenüber Medien erklärte, waren diese Entschei­dungen alle "abgestimmt".


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"Ausgelöst durch die Pressekonferenz des Bundeskanzlers herrschte im Ort Panikstim­mung. Dazu kam, dass die Seilbahn plötzlich ab 14:54 Uhr stillstand, obwohl noch viele Gäste auf dem Berg waren. Die Gäste im Tal eilten zu ihren Autos, um möglichst rasch aus dem Ort zu gelangen. Die Hotels und Unterkünfte wurden fluchtartig verlassen.

Es kam zu Staus. Nach Aufbau der Polizeisperre mussten Gäste teilweise wieder zurück ins Hotel, um die Ausreiseformulare zu holen. Kurz nach 13:00 Uhr wurden die Beamten des Postens Ischgl von ihrem Kommandanten verständigt, dass Check-Points im Be­reich Ulmich eingerichtet werden sollen. Gegen 14:00 Uhr wurden insgesamt drei Check-Points aufgebaut. Weil die Verordnung noch nicht vorhanden war, wurden Verkehrs­kontrollen durchgeführt. Gegen 16:30 Uhr wurden die Ausreiseformulare vom Touris­musverband an die Hotels weitergegeben. Auch die Beamten der Polizeiinspektion Ischgl haben über das Bezirkskommando die Formulare bekommen und diese vielfach für die Check-Points ausgedruckt, damit Personen, die keine Formulare hatten, geholfen werden konnte. Die Verordnung selbst kam um 19:20 Uhr zur Polizeiinspektion. Der Stau erreichte eine Länge bis zu 15 km.

Die Fahrzeuge haben sich auch noch um Mitternacht gestaut. Von Rettung und Feuer­wehr wurden die Leute mit Lebensmitteln und Getränken versorgt. Für den Autobusun­ternehmer, den die Polizei informiert und um Hilfe gebeten hatte, eine ordentliche Ab­reise zustande zu bringen, war die Situation sehr herausfordernd. Die Linienbusse brachten die Leute zum Bahnhof. Die Busse, die als Skibusse normalerweise 80 bis 90 Leute fassen, konnten wegen des Gepäcks, das viel Platz beanspruchte, nur maximal 40 Personen transportieren. Die Hoteliers waren durch die Ankündigung des Bundes­kanzlers überrascht. Die Gäste, die gehört haben, dass Quarantäne über das ganze Tal verhängt wird, haben innerhalb von ein paar Minuten die Koffer gepackt und sind so schnell wie möglich aus dem Tal abgereist. Sie haben Angst gehabt, dass sie zwei, drei Wochen eingesperrt sind und nicht wegkommen. Deswegen war das totale Chaos." (S 81 ff)

"Die Ankündigung der Quarantäne über das Paznauntal und St. Anton a. A. durch den österreichischen Bundeskanzler erfolgte ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, über­raschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung. Die dadurch bewirkte unkontrollierte Abreise hat eine sinnvolle epidemiologische Kontrolle behindert. Es war ein Kommunikationsfehler, dass die Frage der durch den Bundeskanz­ler angekündigten Quarantäne davor nicht rechtzeitig unter Einbeziehung der Bezirks­hauptmannschaft Landeck abgeklärt wurde und niemand aus der Bundesregierung bzw. den dort eingerichteten Stäben oder von den Verantwortlichen des Landes Tirol den Bundeskanzler darauf hinwies, welche schwerwiegenden Konsequenzen die mediale Ankündigung einer „sofortigen“ Isolierung des Paznauntales und von St. Anton a. A. in der Praxis nach sich ziehen wird, sowie dass es dringend erforderlich ist, einen Hinweis auf die fortbestehende Ausreisemöglichkeit für ausländische Gäste bis 15.03. zu ma­chen." (S 139 ff)

"Obwohl die Beamten des im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung zuständigen Bun­desministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Covid-Entwicklung seit Dezember 2019 beobachteten, wurden die rechtlichen Grundlagen der in mittelbarer Bundesverwaltung zu ergreifenden gesundheitsschützenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet. Der in Arbeit befindliche Pandemieplan wurde nicht veröffentlicht. Das Epidemiegesetz 1950 wurde weder - für die nachgeordneten Behörden erkennbar - auf seine Anwendbarkeit in Tourismusgebieten geprüft, noch wur­den rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobi­lität anzupassen. Praktikable Auslegungsmöglichkeiten des Gesetzes wurden nicht wahrgenommen bzw. nicht an das Land und die Bezirksverwaltungsbehörden kommuniziert. Dadurch wurden die Bezirksverwaltungsbehörden in ihrer Entscheidungs­findung nicht unterstützt und das erforderliche rasche Eingreifen behindert." (S 141 ff)


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Am 13.10.2020 titelte die Kleine Zeitung: "Der Kanzler trug zum Chaos der Abreise bei". Durch das chaotische Management der Bundesregierung und die Kommunikationsfehler des Kanzlers wurde das Virus unkontrolliert quer über die Welt verteilt. Alleine auf den Hotspot Ischgl gehen weltweit 6.170 Infektionen zurück.

Heute, sieben Monate nach der berühmten Pressekonferenz des Bundeskanzlers, hat man nach wie vor den Eindruck, die Bundesregierung agiert genauso unvorbereitet und dilettantisch wie zu Beginn der Krise. Maßnahmen werden entkoppelt von der Corona-Ampel überhastet beschlossen, sodann übereilt medial verkündet ohne dass die notwen­digen Rechtsakte in Form der jeweiligen Verordnungen rechtzeitig kundgemacht wer­den. Die Normunterworfenen erfahren so erst im Nachhinein, was wirklich gilt. Ein rechts­staatlich unerträglicher Zustand.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

1.          Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission hält auf S. 139 fest, dass die Ankündigung der Quarantäne über das Paznautal und St. Anton a. A. durch Bundeskanzler Kurz "ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung" erfolgte. Die "dadurch bewirkte unkontrollierte Abreise" habe "eine sinnvolle epidemiologische Kontrolle verhindert". Teilen Sie diese Feststellung der unabhängigen Experten­kommission?

a.          Wenn ja, warum?

b.          Wenn nein, warum nicht?

2.          Besprachen Sie im Vorfeld Ihrer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Kurz am 13.03.2020 die konkreten Kommunikationsinhalte mit ihm?

a.          Wenn ja, besprachen Sie konkret, dass der Herr BK die "Quarantäne" des Paz­nauns aussprechen soll?

i.            Wenn ja, auf wessen Initiative und weshalb erfolgte die Ankündigung der Qua­rantäne ausgerechnet im Zuge der Pressekonferenz am 13.03.2020 und durch den unzuständigen Bundeskanzler?

1.          Geschah das auf Ihre Initiative, Herr Minister?

2.          Geschah das auf Initiative des Bundeskanzlers?

3.          Geschah das auf Initiative von jemand anderem?

a.          Von wem?

ii.          Wenn ja, welche konkreten organisatorischen Vorbereitungen und Koordinierun­gen wurden seitens Ihres Ressorts für die Umsetzung der Quarantäne im Vorfeld der Pressekonferenz am 13.03.2020 getroffen? Laut BK Kurz waren die Maßnah­men "immer abgestimmt zwischen den Gesundheitsbehörden und der Regie­rung, aber auch mit den Bundesländern und so war es auch mit den Entscheidun­gen in Tirol".

1.          Waren diese Koordinierungen aus Ihrer Sicht angemessen und ausreichend?

a.          Wenn ja, weshalb?

b.          Wenn nein, inwiefern nicht?

b.          Wenn, nein warum nicht?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 120

3.          War Ihnen oder dem Bundeskanzler zum Zeitpunkt der Pressekonferenz am 13.03.2020 bewusst, dass die zur Vollziehung der Quarantäne berufenen Lan­des- und Bezirksbehörden nichts von der Quarantäne wussten?

a.          Wenn ja, weshalb ließen Sie dennoch zu, dass der Herr BK die Quarantäne an­kündigt?

b.          Wenn nein, wie erklären Sie sich, dass eine derart drastische Maßnahme vom Bundeskanzler verkündet wird, ohne, dass diese vorab mit den zuständigen Be­hörden vor Ort koordiniert und von diesen angemessen vorbereitet wurde?

4.          War die gemeinsame Vorgehensweise des Bundeskanzlers und Ihnen vom 13.03.2020 geeignet, um eine geordnete Vollziehung im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung im Land Tirol sicherzustellen?

a.          Wenn ja, weshalb, wo und bei wem lag der Vollzugsfehler?

b.          Wenn nein, weshalb nicht?

5.          Haben Sie dem Bundeskanzler inzwischen geraten, in Zukunft davon Abstand zu halten, überraschend Maßnahmen anzukündigen, für die er nicht zuständig ist, bzw. von denen die zur Vollziehung berufenen Behörden nichts wissen?

a.          Wenn nein, weshalb nicht?

6.          Was werden Sie in Zukunft unternehmen, um eine - vor allem mit Blick auf die Kompetenzverteilung - ordnungsgemäße und rechtskonforme Vollziehung si­cherzustellen?

7.          Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission hält auf S. 141 fest, dass die Beamten des im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung zuständigen BMSGPK "die rechtlichen Grundlagen der in mittelbarer Bundesverwaltung zu ergreifenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet" haben, obwohl die Beamten die Covid-19-Entwicklung seit Dezember 2019 beobachteten. Das Epidemiege­setz 1950 wurde weder für die nachgeordneten Behörden erkennbar auf seine Anwendbarkeit in Tourismusgebieten geprüft, noch wurden rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobilität anzupassen. Dies behinderte laut Bericht das erforderliche rasche Eingreifen der Bezirksver­waltungsbehörden. Warum wurden die rechtlichen Grundlagen der in Ihrer Zu­ständigkeit liegenden zu ergreifenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet, obwohl Sie seit Dezember 2019 von der Covid-19-Entwicklung wuss­ten oder wissen mussten?

8.          Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission hält auf S. 141 fest, dass die Öffentlichkeitsarbeit des Landes Tirol in Form der beiden Landes-Informationen vom 05.03.2020 und 08.03.2020 "unwahr und daher schlecht war". Teilen Sie diese Auffassung?

a.          Wenn ja, welche konkreten Lehren ziehen Sie daraus für die kommenden Mo­nate?

b.          Wenn nein, warum nicht?

9.          Die unabhängige Expertenkommission gab aufgrund der im Lauf der Arbeit ge­wonnenen Erkenntnisse einige Empfehlungen ab. Unter anderem empfiehlt die Kommission dem BMSPGK, also Ihnen, die rasche Erarbeitung eines Gesetzes­entwurfes für ein modernes, umfassendes Epidemiegesetz und die Veröffentli­chung eines den modernen Erfordernissen angepassten Pandemieplans. Wer­den Sie dieser Empfehlung folgen?

a.          Wenn ja, wann ist mit einem Gesetzesentwurf zu rechnen und was sind die we­sentlichen Inhalte?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 121

b.          Wenn ja, wann ist mit der Veröffentlichung eines den modernen Erfordernissen angepassten Pandemieplans zu rechnen?

c.          Wenn nein, warum nicht?

10.        Gab es zu Beginn der Pandemie im März 2020 einen "Pandemieplan"?

a.          Wenn ja, von wann datierte dieser und unter welchem Minister wurde dieser aus­gearbeitet?

b.          Wenn nein, weshalb nicht?

11.        Gibt es jetzt einen aktualisieren "Pandemieplan", der die Erkenntnisse der letzten Monate beinhaltet?

a.          Wenn ja, seit wann und was beinhaltet er konkret?

b.          Wenn nein, weshalb nicht?

12.        Der Ischgl Bericht zeigt, wie chaotisch die "Evakuierung" des Paznauntales von­statten ging. Wurden inzwischen strukturierte Pläne für geordnete "Evakuierun­gen" von Talschaften bzw. Tourismusregionen ausgearbeitet um für den Fall des Falles vorbereitet zu sein?

a.          Wenn ja, von welchen Stellen, inwiefern und was sehen diese Pläne konkret vor?

b.          Wenn nein, weshalb nicht?

13.        Was haben Sie und Ihr Ministerium im Sommer konkret getan, um Österreich auf den pandemischen Herbst und Winter vorzubereiten?

14.        Wie stellen Sie einen rechtsstaatlichen Vollzug innerhalb Ihres Zuständigkeitsbe­reiches in den kommenden Monaten sicher?

15.        Werden Sie dafür Sorge tragen, dass die Praxis der faktischen "Rechtssetzung durch Regierungspressekonferenzen" bei Corona-Maßnahmen endlich ein Ende hat?

a.          Wenn ja, wie werden Sie das sicherstellen?

16.        Für die Bürger_innen ist zuweilen besonders schwer herauszufinden, welche Verordnung in einem bestimmten Bundesland oder in einem bestimmten Bezirk in Geltung stehen. Verschärft wird die Situation durch Verordnungskompetenzen auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung. So können Verordnungen auf­grund des COVID-19-Maßnahmengesetzes sowohl auf Bundesebene durch den Gesundheitsminister, auf Landesebene durch den Landeshauptmann oder auf Bezirksebene durch die Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden. In Summe gibt es in Österreich seit der Novelle des COVID-19 Maßnahmengesetzes 104 potentielle Verordnungsgeber. In manche Bezirken fällt das Auffinden der erlassenen und auf den digitalen Amtstafeln kundgemachten Verordnungen im Internet besonders schwer. Werden Sie dafür sorgen, dass die Verordnungen von Bund, Ländern und Bezirken aufgrund des Covid-19-Maßnahmengesetzes für die Bürger einfach und übersichtlich abrufbar sein werden?

a.          Wenn ja, wie werden Sie das sicherstellen?

b.          Wenn nein, weshalb nicht?

17.        Der VfGH sprach in seinem Erkenntnis zur gesetzwidrigen Covid-Maßnahmen­verordnung (BGBl. II Nr. 98/2020) (V 363/2020-25 vom 14. Juli 2020) aus, dass für diese Verordnungen seitens der Behörden besondere Dokumentationspflich­ten bestehen. "Der Verordnungsgeber muss die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 122

auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden kann, ob die kon­krete Verordnungsregelung dem Gesetz in der konkreten Situation entspricht."

a.         

i.            Wie wird dieser Anordnung im Gesundheitsministerium derzeit konkret nachge­kommen?

ii.          Wie wird dieser Anordnung bei den Landeshauptleuten derzeit konkret nachge­kommen?

iii.          Wie wird dieser Anordnung bei den Bezirksverwaltungsbehörden derzeit konkret nachgekommen?

18.        Wie viele Verordnungen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes sind mit Stand heute

a.         

i.            von Ihnen, Herr Bundesminister, in Kraft?

ii.          von den Landeshauptleuten in Kraft?

iii.          von den Bezirksverwaltungsbehörden in Kraft?

19.        Wieso werden die Begründungen der Verordnung aufgrund des COVID-19-Maß­nahmengesetzes nicht veröffentlicht?

a.          Werden Sie veranlassen, dass die Begründungen der Verordnung aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes künftig veröffentlicht werden?

i.            Wenn ja, ab wann und wie werden Sie das umsetzen?

ii.          Wenn nein, weshalb nicht?

20.        Haben Sie der AGES einen "Maulkorb" verpasst oder eine Weisung erteilt, nicht mit Vertreter_innen der Opposition zu sprechen?

a.          Wenn ja, weshalb?

b.          Wenn nein, weshalb betreibt die AGES dann aktive Gesprächsverweigerung?

21.        Inwiefern hat Ihr Ministerium seit Beginn der Krise juristische Kompetenz aufge­baut?

a.          Wie viele Jurist_innen hat das Gesundheitsministerium seither eingestellt?

22.        Welche konkrete Pläne haben Sie für Österreich für die kommenden Wochen und Monate angesichts steigender Infektionszahlen?

a.          Planen Sie derzeit einen zweiten Lockdown wie im Frühjahr?

i.            Wenn ja, inwiefern?

ii.          Wenn nein, weshalb nicht?

b.          Unter welchen Bedingungen wird ein zweiter Lockdown für Sie realistisch bzw. unumgänglich?

23.        Planen Sie derzeit einen partiellen Lockdown?

a.          Wenn ja, inwiefern?

b.          Wenn nein, weshalb nicht?

c.          Unter welchen Bedingungen ist ein solcher für Sie realistisch bzw. unumgäng­lich?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 123

24.        Gegenüber Medien sprachen Sie davon, noch diverse Maßnahmen in Ihrer "Schublade" zu haben?

a.          Von welche konkreten Maßnahmen, die Sie in Ihrer Schublade haben, sprachen Sie?

25.        Bereiten Sie Restriktionen für Zusammenkünfte im Privat- und Familienbereich vor?

a.          Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.          Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig Restriktionen für Zusam­menkünfte im Privat- und Familienbereich geben wird?

26.        Bereiten Sie Ausgangsverbote vor?

a.          Wenn ja, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wis­senschaftlichen Evidenz?

b.          Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig Ausgangsverbote geben wird?

27.        Bereiten Sie Sperrstunden in der Gastronomie vor?

a.          Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.          Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig bundesweite Sperrstunden in der Gastronomie geben wird?

28.        Bereiten Sie Betretungsverbote für bestimmte Orte vor?

a.          Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen?

29.        Bereiten Sie eine Maskenpflicht im Freien vor?

a.          Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.          Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig bundesweite Sperrstunden in der Gastronomie geben wird?

30.        Weshalb wurde die im Ministerialentwurf zum Epidemiegesetz noch vorgesehene Regelung zum Contact-Tracing in der Gastronomie und anderen Betrieben wie­der verworfen?

a.          Aus welchen konkreten datenschutzrechtlichen Gründen wurde die Regelung verworfen?

b.          Inwiefern sehen Sie die derzeit in Wien praktizierte Datenerfassung in der Gastro­nomie als rechtskonform und überhaupt zulässig?

c.          Ist Ihnen bekannt, dass derzeit in Wien für Gastronomen keine aktive Pflicht be­steht, die Kontaktdaten Ihrer Kund_innen zu erheben?

i.            Wie erklären Sie dann die diesbezüglich irreführende Kommunikation der Ge­meinde Wien, die von einer Erhebungspflicht spricht?

d.          Ist Ihnen bekannt, dass derzeit in Wien für Kund_innen keine aktive Pflicht be­steht, Ihre Kontaktdaten gegenüber den Gastronom_innen bekannt zu geben?

i.            Wie erklären Sie dann die diesbezüglich irreführende Kommunikation der Ge­meinde Wien, die von einer Bekanntgabepflicht für Kund_innen spricht?

e.          Bereiten Sie eine bundesweite Contact-Tracing Regelung auf gesetzlicher Grundlage für die Gastronomie oder andere Betriebe vor?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 124

i.            Wenn ja, wie ist hier der aktuelle Stand der Planung bzw. wann soll diese in Um­setzung gehen?

ii.          Wenn ja, wie soll hier der Datenschutz konkret sichergestellt werden?

iii.          Wenn nein, weshalb nicht?

31.        Wie viele Personen wurden seit März 2020 aufgrund von Strafbestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes bestraft?

a.          Wie hoch waren die aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes verhängten Verwaltungsstrafen in Summe?

32.        Wie viele Personen wurden seit März 2020 aufgrund der vom VfGH wegen Gesetzwidrigkeit aufgehobenen COVID-19-Maßnahmenverordnung (BGBl. II Nr. 98/2020) bestraft?

a.          Wie hoch waren die aufgrund der vom VfGH wegen Gesetzwidrigkeit aufge­hobenen COVID-19-Maßnahmenverordnung verhängten Verwaltungsstrafen in Summe?

33.        Bereiten Sie eine Generalamnestie für unrechtmäßige "Coronastrafen" vor, damit die wegen der gesetzwidrigen COVID-19-Maßnahmenverordnung

a.          eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden?

i.            Wenn ja, wie werden Sie das umsetzen?

ii.          Wenn nein, weshalb nicht?

b.          bereits verhängte Strafen nachgesehen werden?

i.            Wenn ja, wie werden Sie das umsetzen?

ii.          Wenn nein, weshalb nicht?

c.          bereits bezahlte Strafen rückerstattet werden?

i.            Wenn ja, wie werden Sie das umsetzen?

ii.          Wenn nein, weshalb nicht?

34.        Unter welchen behördlichen Bedingungen wird das Weihnachtsfest 2020 statt­finden?

a.          Welche konkreten Pläne haben Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich?

b.          Worauf müssen sich die Menschen in Österreich einstellen?

35.        Wurde das gesamte Schutzmaterial, das der Bund über das Österreichische Rote Kreuz beschaffen ließ, bereits geliefert?

a.          Wenn nein, was ist noch ausständig?

36.        Welche konkreten gesundheitspolitischen Leitlinien für die kommenden Monate haben Sie zur Bewältigung der Pandemie konkret in Ihrem Ressort ausgegeben?

a.          Welche Schritte haben Sie zur Verbesserung der Datenlage der Gesundheitsda­ten gesetzt, um die Krise besser zu bewältigen?

b.          Welche Schlüsse haben Sie aus COVID-19-Strategien anderer Länder gezogen und welche Maßnahmen haben Sie daraus folgend gesetzt?

i.            Welche Länder konkret sehen Sie als besondere Vorbilder, um Ihre COVID-19-Maßnahmen zu verbessern?


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 125

c.          Sie mussten medial zugeben, dass Ihnen keine Diagnose- und Arzneimitteldaten zu COVID-19-Spitalspatient_innen vorliegen. Welche Schritte haben Sie gesetzt, um den Datenaustausch zwischen den Spitälern und dem Bund hinsichtlich
ICD-10-Diagnosen und Arzneimittelcodes von COVID-19-Spitalspatient_innen zu etablieren.

d.          In welchen Intervallen melden die Spitäler ICD-10-Diagnosen und Arzneimittel­codes von COVID-19-Spitalspatient_innen?

e.          Welche Schritte haben Sie gesetzt, um von den Spitälern zu erfahren, mit wel­chen Behandlungsmethoden COVID-19-Spitalspatient_innen behandelt werden und welche Erfolge die Behandlungen mit diesen Methoden haben?

i.            Wurde dazu eine Datenbank angelegt?

1.          Wenn ja, welche Daten werden darin konkret abgelegt?

2.          Wenn ja, welche Behandlungsmethoden von COVID-19-Spitalspatient_innen zeigen Behandlungserfolge?

3.          Wenn nein, weshalb nicht?

f.            Sie haben in Ihrer Pressekonferenz am 07.05.2020 betont, dass die Behandlung von Corona-Erkrankten mit Rekonvaleszentenblutplasma eine vielversprechen­de Behandlungsmethode ist:

i.            Wurde diesbezüglich schon ein regelmäßiger Datenaustausch mit den Spende­organisationen und den Spitälern eingerichtet?

1.          Wenn ja, beschreiben Sie diesen bitte konkret.

2.          Wenn nein, wieso nicht?

ii.          Wie viele COVID-19-Patient_innen wurden bereits mit Rekonvaleszentenblut­plasma behandelt und mit welchem Behandlungserfolg?

1.          Falls Sie die Frage nicht beantworten können, wieso haben Sie diesbezüglich eine Pressekonferenz abgehalten?

g.          Welche Schritte haben Sie gesetzt, um internationale COVID-19-Datenkoopera­tionen zu etablieren?

h.          Welche Gesundheitsdaten werden dabei ausgetauscht?

i.            Gibt es auch internationale Datenaustauschaktivitäten mit ICD-10-Diagnosen und Arzneimitteldaten zu COVID-19-Erkrankten? Wenn ja, welche?

37.        Wurde das Datenkooperationsangebot der Charité Berlin bereits angenommen?

a.          Wenn nein, weshalb nicht?

b.          Wenn ja, welche Daten werden dabei in welchen Intervallen ausgetauscht?

38.        Welche Datenzugänge werden der Wissenschaft und Forschung zu Daten der COVID-19-Spitalspatient_innen ermöglicht?

a.          Auf welche konkreten Daten hat die Wissenschaft und Forschung dabei Zugriff?

b.          Wenn keine, weshalb nicht?

39.        Welche konkrete Teststrategie ist jeweils für folgende Einrichtungen vorgesehen:

a.          Schulen (Schüler_innen und Lehrer_innen)

b.          Kindergärten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 126

40.        Gibt es bundesweit einheitliche Vorgaben, wie viele PCR-Zyklen bei Testungen durchgeführt werden?

a.          Wenn ja, wie viele Zyklen werden vorgegeben?

b.          Wenn nein, warum nicht? Wie wird die Vergleichbarkeit der Testergebnisse ge­währleistet?

c.          Welche Antigenschnelltests kommen in Österreich zum Einsatz? Von welchem Hersteller wurden sie entwickelt? Wie funktioniert die Qualitätssicherung dieser Tests?

41.        Was wurde aus den Antikörperschnelltests (lateral flow; Beijing Wantai Biological Pharmacy Enterprise), die das Ministerium im März beschafft hat?

a.          Wofür werden bzw. wurden sie eingesetzt?

42.        Falls PCR-Testungen über 1450 bzw. über die Teststraßen durchgeführt werden: Wird nachverfolgt, wie viele positiv Getestete in weiterer Folge Symptome ent­wickeln, bzw. wird abgeklärt, wie viele der positiv Getesteten bereits Symptome hatten, die zum Zeitpunkt der Testung bereits abgeklungen waren?

a.          Wenn ja, werden diese Daten der Forschung zur Verfügung gestellt und wie?

b.          Wenn nein, warum nicht?

43.        Wie viele Kontaktpersonen ersten Grades sind seit März bescheidmäßig abge­sondert worden?

44.        Wie viele Kontaktpersonen ersten Grades, denen beispielsweise von 1450 münd­lich Quarantäne auferlegt wurde, waren zum Stichtag 13.10.2020 noch auf ihren Absonderungsbescheid?

45.        Wieso gibt es noch keine Verordnung zu § 742 ASVG betreffend Vergütung der Ärzte für PCR-Tests?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Mag. Loacker als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte Herr Abgeordneter.


15.00.51

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Seit Montag haben wir es schwarz auf weiß: Die unabhängige Expertenkommission hat im Auftrag des Tiroler Landtages untersucht, was beim Management des Covid-19-Problems in Ischgl denn der Fall war, und das Bild – das kann man, glaube ich, sagen – ist mehr als ernüchternd.

Auf allen Ebenen sind Fehler passiert – in der Gemeinde, im Bezirk, im Land und im Bund. Von Landesrat Tilgs: Wir haben „alles richtig gemacht“!, ist nicht viel übrig geblie­ben. Was in Tirol falsch gelaufen ist, das klärt dort der Landtag, und wir schauen uns hier an, was auf Bundesseite nicht so funktioniert hat, wie es hätte funktionieren sollen.

Wir haben nämlich einen Landesrat Tilg, politisch gesehen, auch im Bund, und der heißt Rudi Anschober. Minister Anschober hat erklärt: „Ich habe keinen Hinweis, dass auf Bun­desebene Fehler passiert sind“ – nachzulesen in der „Kronen Zeitung“ vom 29. März.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 127

Und: „Wir haben die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt“ – Presse­konferenz am 6. April 2020. Also auch das stellt sich heute nicht so dar, wie Sie es da­mals der Bevölkerung verkauft haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die unabhängige Expertenkommission sieht das anders als Sie und listet auch eine Reihe von Fehlern auf, die der Bundesebene zuzuordnen sind, davon natürlich nicht alle Ihnen persönlich, aber eine ganze Reihe schon. Es geht nicht nur um veraltete Rechts­grundlagen wie ein steinaltes Epidemiegesetz. Es geht um fehlende Pandemiepläne, es geht um die fehlende Vorbereitung der Evakuierung des Tals, um die mangelnde Abstim­mung zwischen den verschiedenen Ebenen der Verwaltung. Es geht auch um ein Hi­neingrätschen des fachlich nicht zuständigen Bundeskanzlers in gesundheitspolitische Maßnahmen, ohne das Wissen der vollziehenden Behörden, indem der Bundeskanzler Quarantänen von ganzen Tälern ankündigt.

Es geht aber auch um Sie als Gesundheitsminister, wenn Sie untätig danebenstehen und zusehen, wie der Bundeskanzler vorgeht, ohne zuständig zu sein, und sich darauf beschränken, uns sechs Monate lang die Infektionszahlen von März immer von Neuem zu erzählen.

Es geht um Fehleinschätzungen von Behörden betreffend das Ansteckungsrisiko, um eine verfehlte Öffentlichkeitsarbeit und um eine Politik, die glaubt, dass Krisenmanage­ment vor den Fernsehkameras gemacht wird und nicht mit Taten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Beginnen wir chronologisch, um dieses Bild der Konzept- und Planlosigkeit der Gesund­heitspolitik, für die Sie federführend verantwortlich sind, auch hier für die Zuhörerinnen und Zuhörer besser begreiflich zu machen!

Am 27.1. haben Sie über die „Wiener Zeitung“ erklärt: „Die echte Grippe ist aktuell bei uns viel näher und gefährlicher als das Coronavirus“. Am 12.2. haben Sie in einer Aus­sendung zusammengefasst: „Alle 105 Coronavirus Tests in Österreich negativ“, „Influen­za-Welle rollt hingegen weiter“.

Na gut, okay, da will ich jetzt nicht päpstlicher sein als der Papst. Mitte Februar haben wir über das Coronavirus noch nicht so viel gewusst. Am 23. Februar – und da war es dann schon ein bisschen unmittelbarer da – haben Sie aber erklärt, dass bei den Di­rektflügen aus China „extrem gut überprüft“ werde. Da mussten Sie dann aber später zugeben, dass es sich auf Fiebermessungen beschränkt hat und dass man bei Fieber­messungen schon einiges an Glück braucht, um einen Coronafall herauszuzuzeln.

Am 25. Februar haben Sie gesagt, dass Sie Grenzschließungen zu Italien ausschließen. Was wir wenige Tage später gehabt haben, ist bekannt, und „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ haben schon größere Geister gesagt.

Am 1. März haben die Österreicher von Ihnen via „Kronen Zeitung“ mitgeteilt bekommen, Zitat Rudi Anschober: „Wir raten der Bevölkerung auch nicht an, Schutzmasken zu tragen.“

Die „Krone“ hat dann am 29. März nachgefragt: „Werden wir alle bald mit Masken unter­wegs sein?“, und am 29. März haben Sie geantwortet: „Ich glaube nicht. Aber wir werden in einzelnen Zielgruppen testen, wie groß das Risiko einer Erkrankung ist, manche wer­den dann mit Masken ausgestattet. Eine flächendeckende Ausstattung hat aus meiner Sicht keinen Sinn. Für das Alltagsleben ist das nicht erforderlich.“

Einen Tag später – bitte: einen Tag später! – sind Sie mit Kurz dagestanden und haben die Maskenpflicht im Supermarkt, in der Trafik, im Postamt und in der Bank verkündet. Erklären Sie mir nicht, dass Sie das nicht schon einen Tag vorher gewusst hätten! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 128

Am 5. März haben Sie den Hundeblick Ihres Agur nachgeahmt und haben erklärt: „Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es ausreichend entsprechende Schutzmasken für medizinisches Personal.“ Zwei Wochen später hat ein verzweifelter Ärztekammerpräsident der Öffent­lichkeit ausgerichtet, dass sie seit Wochen händeringend Masken für die Spitäler und für den niedergelassenen Bereich brauchen, und der Ärztekammerpräsident hat gesagt: „Es klappt schlicht nicht“.

Viele Arztpraxen waren darauf angewiesen, dass sie Sachspenden aus dem privaten Bereich bekommen haben, damit sie überhaupt weiterarbeiten können. Manche Mitar­beiter aus Spitälern sind in den nächsten Spar oder Billa gegangen und haben sich dort einen Mund-Nasen-Schutz geholt, weil bei ihnen im Spital nichts mehr zu haben war.

Am 13.3., und jetzt kommen wir terminlich der Sache schon näher, hat Sie „Der Stan­dard“ gefragt: „Sie schließen Ausgehverbote aus?“ Minister Rudi Anschober antwortet: „Nichts davon ist in Planung.“ – Ja, bei den verpfuschten Verordnungen kann man na­türlich von – unter Anführungszeichen – „Planung“ nicht reden.

Am 14.3. steht in der „Kleinen Zeitung“, Zitat Rudi Anschober: „Es wird keine Ausgangs­sperren geben“, und am 16.3., zwei Tage danach, haben wir dann die Ausgangsbe­schränkungen erhalten, und da rede ich noch gar nicht vom Ostererlass, der dann einige Tage später gekommen ist, der sogar private Besuche hätte beschränken sollen – ein besonderes Highlight aus Ihrer Verordnungswerkstatt.

Also was wir Ihnen als Minister glauben können, ist anhand der genannten Zitate, glaube ich, gut unterstrichen, und, geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer, denken Sie daran, wenn der Minister nachher auf meine Fragen antwortet, wie das ist. Das kann nämlich morgen schon ganz anders ausschauen, als er es uns heute sagt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zurück zu Ischgl: Am 4. März notifiziert Island Österreich über das Early Warning and Response System, dass es Covid-19-Fälle gibt, die auf Ischgl zurückzuführen sind. Das Ministerium hat diese Information an das Land Tirol weitergegeben, und ja, nach dem Epidemiegesetz ist einmal in erster Linie der Bezirkshauptmann zuständig – aber dann ist nichts passiert. Am 5. März ist nichts passiert, am 6. März ist nichts passiert, am 7. wieder nicht. Am 8. haben sich dann die Norweger gemeldet und haben auch über das europäische Warnsystem Covid-19-Fälle mitgeteilt. (Abg. Hörl: So ein Blödsinn!) – Kol­lege Hörl wird sich nachher melden, denn er kennt die Abfolge ganz genau! (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Wo ist die Maske vom Hörl, wenn man sie braucht? (Abg. Hörl hält einen Mund-Nasen-Schutz in die Höhe.)

Der Bezirkshauptmann hat bis zum 8. März nichts gemacht, der Landeshauptmann hat bis zum 8. März nichts gemacht, und in der mittelbaren Bundesverwaltung ist natürlich der Gesundheitsminister die oberste Behörde. Wenn die unten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, dann muss die Stelle oben eine Weisung erteilen, damit die unten spuren. Sie haben aber das gemacht, was Sie am besten können: anschauen, zuschau­en und wegschauen, und das ist das, was ich anschobern nenne. Diesem säumigen Landeshauptmann und diesem säumigen Bezirkshauptmann hätte man einmal den Tur­bo aufdrehen müssen. Beim Bürgermeister von Linz haben Sie es ja gemacht! Als Luger gesagt hat: Sie können mich mit Ihrer Ampel mal!, haben Sie ihm auf Twitter ausge­richtet: Mittelbare Bundesverwaltung, ich bin der Chef und sage dir, was du zu tun hast! – Das hätten Sie aber bei den Tirolern machen sollen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeord­neten der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

Wenn jetzt die Expertenkommission zu dem Schluss kommt, dass man Ischgl spätestens am 9. März hätte schließen müssen, dann liegt die Verantwortung in erster Linie beim Bezirkshauptmann, aber eben nicht nur, weil Sie als Gesundheitsminister an der Spitze der Weisungskette stehen. Sie kannten die internationalen Warnungen und Sie hätten daher wissen müssen, dass es auch um die internationale Reputation Österreichs geht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 129

In diesen Tagen, eben am 13. März, stehen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Gesund­heitsminister Anschober und der Minister von der Flex Nehammer nebeneinander und geben eine Pressekonferenz. Es wird mitgeteilt, dass die Quarantäne über Sankt Anton und über das Paznauntal verhängt wird; und ja, das hat Herr Kurz gesagt. Warum richten wir diese Dringliche Anfrage dann an Rudi Anschober? – Gut, bitte: Wenn in einer Regie­rung vorne der Bundeskanzler steht und daneben der fachzuständige Ressortminister, und der Bundeskanzler erklärt es, dann darf doch der Bürger davon ausgehen, dass die vorher darüber miteinander geredet haben, was da präsentiert wird. Es ist ja eine Re­gierung, da darf man davon ausgehen, dass die dasselbe wollen. Man darf auch davon ausgehen, dass eine ÖVP/Grüne-Bundesregierung mit einer ÖVP/Grüne-Landesregie­rung im Gespräch ist.

Man darf daher annehmen, dass das alles abgestimmt war – und Sebastian Kurz hat gestern den Medien gesagt, es war alles abgestimmt. Daher können Sie sich als der fachzuständige Minister nicht aus der Affäre ziehen. (Beifall bei den NEOS, bei Abge­ordneten der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

Also Sie beide haben das da verkündet, und ja, es war nichts abgesprochen, wie sich aus dem Expertenbericht ergibt. Es war die Verordnung nicht fertig vorbereitet und veröf­fentlicht, es gab keinen Plan für die Evakuierung des Paznauntals, alles, was es gab, war diese Pressekonferenz – und der Rest war Chaos. Damit war der 13. März quasi der Auftakt zu einer Reihe von: Rechtsetzung durch Pressekonferenz. Wir haben es in den folgenden Wochen und Monaten immer wieder erlebt, dass in Pressekonferenzen Dinge verkündet wurden, die sich dann so im Gesetz, in der Verordnung gar nicht ge­funden haben – Stichwort: Es gibt nur vier Gründe, das Haus zu verlassen, und andere Dinge.

Dass das bedenklich ist, sollte man inzwischen gelernt haben, und dass das Konse­quenzen verlangt, sollte man inzwischen auch wissen. Am 13.3. haben Sie durch diese Rechtsetzung via Pressekonferenz nicht nur unklug gehandelt, sondern im Paznauntal ein gewaltiges Chaos verursacht und für den erfolgreichen Export des Coronavirus ge­sorgt, weil jetzt europaweit 11 000 Infektionen auf Ischgl zurückzuführen sind. Da sagen die Ischgler natürlich richtig: Wir haben es nicht erfunden!, aber der Imageschaden für das Paznauntal, für das Bundesland Tirol und für die Skidestination Österreich insge­samt ist enorm, und den müssen Sie sich auch zu einem guten Teil zuschreiben lassen. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

Inzwischen hat das System, dass Maßnahmen verkündet werden und die Normunter­worfenen, also die Bürgerinnen und Bürger, im Internet suchen müssen, ob die Verord­nung schon publiziert ist, die da angekündigt wurde. Man ist eigentlich als Bürger zur ständigen Rechtsrecherche verdammt. Das, was der Landeshauptmann von Salzburg mit der Verordnung für den Tennengau gemacht hat, war genau das Gleiche. Das war auch schon lange verkündet, aber noch lange nicht online. Da haben Sie quasi einen neuen Trend gesetzt, dem die Landeshauptleute brav folgen.

Was aber ist in den letzten sieben Monaten inhaltlich passiert? Wie sind wir weiterge­kommen? Wie ist Österreich besser geworden und wie sind wir in der Pandemiebekämp­fung krisenfester geworden?

Ich behaupte, heute, sieben Monate nach der damaligen berühmten Pressekonferenz, stehen wir im Wesentlichen dort, wo wir im März gestanden sind. Die Regierung stolpert von Woche zu Woche und man wartet immer mit Spannung auf die nächste Pressekon­ferenz, was uns dort wieder kredenzt wird. Die Wirtschaftsministerin phantasiert jetzt schon vom nächsten Lockdown, der Gesundheitsminister sagt: Nein, Lockdown wird es keiner!, aber wir wissen aus dem COVID-19-Maßnahmengesetz, dass Betretungsverbo­te auch verhängt werden können, ohne dass es ein völliger Lockdown wird – also die Unsicherheit ist gestreut.


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Ich erinnere Sie auch an die Ampelregelung, die präsentiert worden ist: Die Verordnun­gen dazu hätten Sie über den ganzen Sommer vorbereiten können, damit sie dann, wenn die Ampel geschaltet wird, auch verordnet werden können – haben Sie nicht; die Ampel blinkt in allen Farben, aber die Maßnahmen zu den Farben sind reine Willkür.

Ich habe es heute mit Kollegin Neßler schon diskutiert: Nehmen wir das Beispiel der Sperrstunde in der Gastronomie, 22 Uhr in den westlichen Bundesländern. Das haben zuerst Sie verordnet, bevor es die Landeshauptleute verordnet haben. Jetzt haben wir in Oberösterreich die Sperrstunde um 1 Uhr, in Salzburg die Sperrstunde um 22 Uhr für die Restaurants, aber für die Hotelbars gilt das nicht, und in Tirol ist es 22 Uhr im Restaurant und im Hotel. In Vorarlberg ist es dann wieder anders, und über der Grenze ist es völlig anders. Was sind die sachlichen Gründe für diese Unterschiede zwischen Oberösterreich, Salzburg und Tirol? – Die gibt es nicht, die sucht man vergebens. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Ries.)

Und obwohl der Verfassungsgerichtshof schon Verordnungen aufgehoben und darauf hingewiesen hat, dass sie nicht ausreichend fundiert waren, gibt es wieder Verordnun­gen, die sachlich nicht fundiert sind.

Was haben wir in Bezug auf die Zahlen der Covid-Erkrankten dazugelernt? – Wir wissen von den Menschen, die bei uns im Spital landen, bis heute nicht, welche Vorerkrankun­gen sie hatten, damit man das aufgliedern könnte. Wir wissen nicht, welche Medikamen­te die Covid-Patienten sonst bekommen haben. Wir wissen es nicht einmal von den Ver­storbenen, dass man vielleicht schauen könnte, welche Medikamente zu einem schlech­teren Verlauf führen oder welche einen Verlauf mildern. Das Datenmaterial ist unterir­disch, und das, was zum Beispiel die Ages hat – und die hat ja vieles –, darf sie dem Parlament gar nicht zur Verfügung stellen. Das haben vielleicht Sie als Minister, aber die Abgeordneten hier haben es nicht und bekommen es auch nicht.

Das Tracking und Tracing funktioniert nicht. Bürger bekommen die Ergebnisse ihrer Co­vid-Tests nach fünf bis zehn Tagen – ich meine, in diesem Zeitraum haben Sie fünf bis sieben Pressekonferenzen abgehalten. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Da muss ich aber nachher auch kein Tracking und Tracing mehr machen, denn in der Zwischen­zeit hat der Angesteckte schon weitere Leute angesteckt, wenn das so lange dauert. Jetzt können Sie sagen: Ja, da sind die Länder verantwortlich! – Das glaube ich nur zum Teil, denn am Schluss landet das immer oben bei Ihnen als Gesundheitsminister, weil Sie im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung dafür zuständig sind. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Amesbauer.)

Inzwischen sind weit über 100 000 Personen als Kontaktpersonen ersten Grades abge­sondert worden, aber viele von denen sehen nie einen Absonderungsbescheid, das funktioniert nicht, auch das macht die Bezirksverwaltungsbehörde in mittelbarer Bundes­verwaltung. Diese Leute brauchen einen Arbeitgeber, der gnädig über die Unfähigkeit des öffentlichen Systems hinwegsieht und den Menschen glaubt, dass sie behördlich abgesondert worden sind, weil er keinen Ärger haben will. Die können ihm aber keinen Absonderungsbescheid liefern und es ist nicht geklärt, ob bei diesen Kontaktpersonen ersten Grades die Absonderung überhaupt die gelindeste Maßnahme ist, bei dieser ge­waltigen Freiheitseinschränkung. Das haben Sie bis heute nicht geklärt, sieben Monate nach dem Beginn des Wahnsinns. Was im März noch verständlich war, weil die Krise neu war und über Österreich und andere Länder überraschend hereingebrochen ist, das kann man heute, sieben Monate danach, so nicht mehr nachsehen.

Ein anderes Beispiel: Während die Deutschen seit Monaten eine Regelung dafür haben, wie die Ärzte für die Durchführung von Covid-Tests honoriert werden, haben wir zwar eine gesetzliche Bestimmung im § 742 ASVG, aber die Verordnung dazu haben Sie bis heute nicht erlassen. Oder der Pandemieplan, den die Expertenkommission auch moniert:


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Den gibt es nicht, den hat es im März nicht gegeben, den gibt es heute nicht. Wie wird man im nächsten Winter vorgehen, falls ein Tal zu evakuieren ist? Gibt es Evakuierungs­pläne? – Gibt es nicht.

Wie Schulen offen gehalten werden, wie der Arbeitsprozess am Laufen gehalten wird, all das bleibt im Dunkeln. Sie sprechen davon, dass Sie Maßnahmen in der Schublade haben, in Ihrer Schublade. Sie sind so lange in der Politik, Herr Minister, Sie könnten wissen, dass in dem Moment, in dem Sie davon reden, dass Sie Maßnahmen in der Schublade haben, die Aufmerksamkeit wo ist? – Bei der Schublade. Jeder will jetzt wis­sen: Was plant der noch alles, was hat der noch alles vor? Damit schüren Sie Unsicher­heit, Unsicherheit bei den Menschen, bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Unter­nehmern, die investieren sollen. Sie sind verantwortlich für die Unsicherheit. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Ich resümiere also: Sieben Monate und 100 Pressekonferenzen nach dem Chaos in Ischgl ist die Regierung gleich weit wie damals, und fachlich verantwortlich sind Sie, Herr Gesundheitsminister. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

15.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich nun der Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu Wort ge­meldet. – Bitte, Herr Minister Anschober.


15.19.37

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Danke für die Anfrage, meine erste in diesem Haus; ich habe lange Monate warten müssen – Kollege Loacker, danke. (Zwischenruf des Abg. Krainer.) – Schriftliche hat es genug gegeben, das ist richtig, es waren mittlerweile fast 500.

Wir bemühen uns sehr, so wie heute, auch konkrete, korrekte Antworten zu liefern; sol­che zu erhalten, ist das legitime Recht des Hohen Hauses. Selbstverständlich stehe ich, falls wir etwas heute nicht so präzise beantworten können, wie Sie sich das wünschen, gerne für Rede und Antwort auch in anderen Bereichen des Hauses oder auf informeller Ebene zur Verfügung.

Vielleicht kurz zu Beginn, Herr Kollege Loacker: Wissen Sie, es sind schon zwei Wirklich­keiten. Sie sagen heute, alles, was wir in den letzten sieben Monaten gemacht haben, war schlecht. Wenn ich mit der Bevölkerung rede, höre ich das Gegenteil. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Ich sage es Ihnen wirklich sehr, sehr ehrlich: Mir ist es lieber, es ist so als umgekehrt. (Neuerlicher Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zweiter Punkt: Ja, Herr Kollege Loacker, es ist so, tatsächlich haben sich auch meine Erwartungshaltung, meine Einstellung, meine Einschätzung im Rahmen dieser Pande­mie immer wieder in Details verändert. Das ist so, weil halt eine Pandemie so ziemlich das am schwierigsten zu Berechnende ist, was es überhaupt gibt. Da gibt es jeden Tag neue Entwicklungen. Das kann man nicht jeweils zwei, drei Wochen im Vorhinein wis­sen – leider. Denken Sie mit mir zurück – Sie haben das ja selbst miterlebt, wir haben ja auch viel miteinander diskutiert, auch auf Ebene der Gesundheitssprecher und Gesund­heitssprecherinnen –, etwa an das Thema Maskenpflicht! Sie haben mich da zitiert – korrekt im Übrigen, wie generell korrekt zitiert – und Tatsache ist: Es gab etwa im März, April völlig unterschiedliche Aussagen von Experten und Expertinnen. Damals hat auch die Weltgesundheitsorganisation noch gesagt: Bringt nichts, macht keinen Sinn! – Das war extrem schwierig in dieser Situation, und das ist es teilweise bis heute.

Heute haben wir den großen Vorteil, dass wir viel mehr wissen als in der damaligen Situation, aber ja, die Faktoren Zeit und Tempo sind bei einer Pandemie eine ganz große


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Herausforderung und sind vor allem auch entscheidend, was das Setzen der Maß­nahmen betrifft. Ich komme dann bei der konkreten Beantwortung der Fragen darauf zurück.

Und ja, vorab gesagt, jede internationale Fachexpertengruppe sagt Ihnen, und auch die Vergleichszahlen sagen Ihnen: Österreich ist bisher vergleichsweise gut durch diesen ersten Teil der Pandemie durchgekommen, und das ist das Wichtigste. Die entscheiden­de Messlatte heißt nämlich: Wie viele Todesfälle und wie viele schwere Erkrankungen gibt es in einem Land? Ich bin stolz darauf für alle, die dazu beigetragen haben – das ist nämlich nicht nur einer, das ist nicht nur ein Ministerium, das sind wir gemeinsam in Österreich –, dass Österreich eines der ganz wenigen Industrieländer ist, die eine derart geringe Rate an Todesfällen und derart wenige schwere Erkrankungsfälle haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn wir ehrlich gemeinsam zurückschauen – erinnern wir uns gemeinsam an die ers­ten Tage des Jänners des heurigen Jahres! –, erinnern wir uns: Da sind wir alle miteinan­der vor den Fernsehgeräten gesessen, Kollege Dollinger vom ORF hat die ersten Be­richte aus Peking und aus Wuhan übermittelt, und alle haben wir überlegt: Was bedeutet das jetzt für uns? Ist es eine der vielen Epidemien, die es in den letzten Jahren und Jahrzehnten gegeben hat, oder ist es mehr? – Wir haben es in der damaligen Phase am Beginn nicht gewusst, am 5. Jänner hat dann die WHO bekannt gegeben, China melde eine neuartige Lungenerkrankung – nichts, keine Details, was die Auswirkungen sind! Am 20. Jänner war dann die WHO-Meldung schon bedeutend mehr besorgniserregend, damals wurde nämlich kommuniziert, dass es sehr, sehr starke Hinweise darauf gibt, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Das war eigentlich der größte Alarmruf in der damaligen Situation. Keine der großen Gesundheitsorganisationen hat aber damals an eine Pandemie gedacht, geschweige denn eine solche ausgerufen.

Am 24.1. hatten wir den ersten Fall in Europa, in Frankreich, am 25.2. den ersten Fall in Österreich, nämlich in Tirol zwei Fälle, konkret und korrekt gesagt. In Italien waren es damals weniger als 300 Fälle. 300 Fälle – das ist jetzt leider die Fallzahl eines Bundes­landes, um ein bisschen die Relationen zu sehen, wo wir Ende Februar in Österreich gestanden sind.

Am 25.2. hat es eben die ersten beiden Fälle in Tirol gegeben, am 27.2. den ersten Cluster in Wien. Dann ist es Schlag auf Schlag gegangen: am 28.2. die ersten Fälle in Niederösterreich und in der Steiermark, am 29.2. in Salzburg, am 5.3. in Kärnten, Ober­österreich und Vorarlberg die jeweils ersten Fälle, am 6.3. im Burgenland, und endlich, am 11.3. – ganz nahe den Daten, die Sie, Herr Kollege Loacker, genannt haben, den Expertenkommissionsbericht aus Tirol zitierend –, hat die Weltgesundheitsorganisation die Coronaepidemie zu einer Pandemie erklärt. Damals haben wir auch noch nicht ge­wusst, dass es die schwerste Pandemie seit 100 Jahren werden wird, die schwerste Pandemie mit mittlerweile 38 Millionen bestätigten Fällen und mit mittlerweile weit über einer Million Todesfälle – Schätzungen gehen eher in Richtung zwei Millionen.

Anfang bis Mitte März hat es eine ganz besondere Ausnahmesituation gegeben. Wir hatten – ich habe es schon angedeutet – damals wenig Wissen über die Pandemie, vie­le, viele widersprüchliche Bewertungen, was Lösungsansätze und was Maßnahmen be­trifft, es gab die ersten Serienausbrüche in ganz Österreich, und – ein ganz großes Pro­blem, Sie haben es auch angesprochen – es war ein Faktum, dass uns weitgehend die Schutzausrüstungen gefehlt haben, die notwendig gewesen wären.

Damals haben wir eigentlich noch geglaubt, dass sie kommen werden. Warum? – Die meisten österreichischen Firmen hatten mit deutschen Versorgern Verträge abgeschlos­sen, aber dann haben wir Europa von der schlechteren Seite kennengelernt, so wie Europa nicht sein sollte. Am 4. März hat nämlich Deutschland das erste Exportverbot für diese Schutzmaterialien erlassen – so wie Frankreich im Übrigen –, und für mich war


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das ab diesem Zeitpunkt die allerzentralste Herausforderung, denn das Wichtigste ist, dass das medizinische Personal quer durch ganz Österreich geschützt werden kann.

Wir haben nicht gewusst: Woher kriegen wir das Material? Der gesamte weltweite Markt ist zusammengebrochen. Wir haben eine neue Organisationsstruktur für die Beschaf­fung aufgebaut, wir – mehrere Mitglieder der Bundesregierung mit mir gemeinsam – ha­ben die Eigenproduktion forciert und ins Laufen gebracht. Damit ist Schritt für Schritt diese existenzielle Frage der Schutzmaterialien ins Laufen gekommen, aber es hat ge­dauert, bis wir zur vollständigen Versorgung gekommen sind; Zahlen später bei der un­mittelbaren Beantwortung der Fragen.

Am 4.3. und am 5.3. hat es die ersten Informationen über Infektionen, mögliche, wahr­scheinliche Infektionen aus Ischgl gegeben. Das waren die berühmten E-Mails, die aus Island gekommen sind. Dann sind acht herausfordernde Tage bis zum 12., 13.3. gefolgt. Ich möchte hier ganz klar betonen: Es ist sicherlich nicht alles gut gelaufen in dieser Frage. Das möchte ich bewusst so formulieren, wie es ein Kollege aus Tirol formuliert hat, nur umgedreht, umgekehrt: Ja, da sind Fehler passiert, ich sehe viele dieser Kritik­punkte, die es seitens der Untersuchungskommission gegeben hat, tatsächlich als aus meiner Sicht nachvollziehbare Kritikpunkte. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

Diese Kritikpunkte betreffen hauptsächlich das schlussendlich verantwortliche Land Tirol, aber Sie haben zu Recht einige Punkte thematisiert, auf die ich dann bei der Beant­wortung der Fragen zurückkommen werde. Ich habe bereits heute, kurz nachdem der Bericht der Untersuchungskommission in Tirol vorgelegt wurde, mit dem Tiroler Landes­hauptmann akkordiert, dass wir einen gemeinsamen Arbeitsprozess zur Umsetzung der Empfehlungen der Untersuchungskommission zwischen Bund und Land realisieren und dass wir dabei schrittweise auch andere, ähnlich betroffene Bundesländer – Stichwort Tourismus – miteinbeziehen werden. Wir nehmen diesen Untersuchungsbericht absolut ernst, und er sollte auch zeitnah, möglichst rasch und möglichst konsequent umgesetzt werden.

Ja, das waren damals Tage einer Ausnahmesituation, und ab diesem Zeitpunkt, dem 13. März, hat die Bundesregierung einerseits schrittweise die Kompetenzen an sich ge­zogen – erster Punkt –, es gab Nachbesprechungen mit den Landeshauptleuten, und zweitens haben wir – die Bundesregierung und die Länder gemeinsam – dann sehr, sehr schnell und konsequent gehandelt.

Österreich – ich habe es schon gesagt – ist mittlerweile in diesem Bereich der Bekämp­fung der Pandemie eines der erfolgreichsten Länder. Das liegt aber nicht nur an Maß­nahmen – Maßnahmen unterscheiden sich nicht zu sehr. Vielleicht eine Zahl: Einen Lockdown haben mittlerweile 82 Staaten auf dieser Welt realisiert. Mein Ziel – und ich denke, unser aller Ziel – ist es, dass wir die geeigneten Maßnahmen jetzt setzen, damit es in Österreich nie mehr einen weiteren Lockdown braucht.

Das Dritte, und das ist das Entscheidende, ist der richtige Zeitpunkt: In Zeiten einer Pandemie Politik zu machen bedeutet, die Kunst des richtigen Zeitpunktes zu realisieren. Da waren wir bisher erfolgreich. Wir wissen aus Modellierungsversuchen, dass die Um­setzung des Lockdowns – im Frühling, im März des heurigen Jahres – eine Woche spä­ter bedeutet hätte, dass wir viermal mehr Infektionen gehabt hätten. (Abg. Kickl: Eine Woche früher!) – Eine Woche früher, Herr Kollege Kickl, waren Sie dran. Der richtige Zeitpunkt der Forderung nach einem Lockdown, im Übrigen viel umfassender formuliert, als wir ihn dann umgesetzt haben - - (Abg. Stefan: Dann hätten wir nur ein Sechzehn­tel! – Abg. Kickl: Na dann hätten wir uns das erspart!) – Ich finde es ja spannend, dass einer, der Corona sonst verharmlost, jetzt darauf drängt, dass man den Lockdown früher hätte verwirklichen müssen. Nach unseren Forschungsergebnissen, nach unserer wis­senschaftlichen Evaluierung war es so, dass das eben der richtige Zeitpunkt gewesen ist, Herr Kollege Kickl. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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Meine sehr verehrten Damen und Herren, so wichtig der Blick in die Vergangenheit ist – vor allem auch deswegen, weil so etwas aufgeklärt gehört, und deswegen habe ich auch die Tiroler Untersuchungskommission immer extrem begrüßt, und weil wir in allen Berei­chen aus der Geschichte lernen müssen, ich komme nachher gleich darauf zurück –, es ist auch entscheidend, zu sehen, wo wir derzeit stehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben jetzt den Beginn der äußerst schwierigen Phase des Herbstes und des Winters. Weltweit steigen die Infektionszahlen massiv an – ich habe die aktuellen Zahlen bereits genannt – und Europa ist derzeit ab­solut hauptbetroffen. Warum? – Fast ein Drittel der weltweiten Neuinfektionen in der ers­ten Oktoberhälfte werden aus Europa gemeldet. Das ist eine alarmierende Entwicklung, was die Gesundheitssituation betrifft und auch was den Wirtschaftsstandort Europa be­trifft.

Aus Spanien, Großbritannien, Frankreich werden fast explosionsartige Zunahmen der Infektionen gemeldet. Polen: Die Zahl der positiv Getesteten hat sich in einer Woche verdoppelt. In den Niederlanden ist die Kontaktverfolgung wegen Überlastung zu einem Gutteil eingestellt worden, heute zählt man 7 400 Neuinfektionen. (Abg. Kickl: In der Schule würde man sagen: Das Thema verfehlt!) Frankreich: 17 Prozent aller Tests sind positiv, heute gibt es 22 000 Neuinfektionen, Herr Kollege Kickl. In Belgien: letzte Woche plus 78 Prozent, heute 8 326 Infektionen. (Abg. Meinl-Reisinger: ... Antworten! Das können Sie bei einer Pressekonferenz auch sagen!) Und in Tschechien haben wir im Schnitt 5 000 neue Fälle pro Tag. Mittlerweile sind in Tschechien 10 Prozent der Ärzte und 17 Prozent der Krankenpfleger infiziert. (Abg. Wurm: Schweden! Gibt es zu Schwe­den Zahlen?)

Wie sieht es heute in Österreich aus, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Wir sind bei 1 346 Neuinfektionen bei gleichzeitig 897 Neugenesenen. Wir haben aber in den letzten 24 Stunden 17 000 Testungen durchgeführt, das bedeutet viermal mehr Tests als noch im März und im April, also sind diese Zahlen nicht vergleichbar. Es sind aber einige wirklich alarmierende Daten dabei, zum Beispiel hatten wir in den letzten 24 Stunden eine Positivrate von 7,9 Prozent. Das ist, wie Sie sicherlich wissen, extrem hoch.

Auch wir – Kollege Loacker hat in seiner Begründung der Anfrage einen wichtigen Punkt angesprochen – haben Schwächen in unserem System, Bereiche, in denen wir besser werden müssen: Ein wesentlicher wurde genannt, das ist das Tempo bei den Tests und beim Contacttracing in manchen Bundesländern. Manche sind sehr, sehr schnell – der überwiegende Teil, würde ich mittlerweile sagen –, in einigen brauchen wir deutlich mehr Personal, damit der richtige Zeitfaktor auch tatsächlich geschafft wird.

Wir haben ein zweites Problem, und das ist die Verunsicherung von einem Teil der Be­völkerung – da, glaube ich, haben uns Coronaverharmloser einen schlechten Dienst er­wiesen.

Unser Plan für die nächsten Wochen, den Sie zu Recht eingefordert haben, Herr Kollege Loacker, ist erstens Bundesmaßnahmen – wir haben zwei große Verordnungen bereits im September realisiert – weiter zu evaluieren und möglicherweise in einigen entschei­denden Punkten nachzuschärfen.

Zweitens wollen wir die Ampel intensiv nützen. Sie leistet uns wirklich sehr, sehr gute Dienste im Bereich der Risikobewertung, auch die Übersetzung durch die Ampelfarben fürs Verständnis der breiten Bevölkerung funktioniert gut, und die Regionalmaßnahmen, die jetzt von den Bezirken gesetzt werden können, zeigen mittlerweile gute Ergebnisse. Unser Ziel ist es, die Peaks abzufangen.

Der dritte Punkt ist, das Tempo beim Kontaktpersonenmanagement noch massiv zu er­höhen. Wir haben deswegen eine eigene Unterstützungsgruppe der Ages gestartet, die


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die Bundesländer unterstützt, wenn es zu Zeitverzögerungen kommt. Wir wollen in dem Zusammenhang auch die Coronaapp deutlich forcieren.

Viertens: Wir werden die Teststrategie Österreichs weiter ausbauen, unter anderem unter Zuhilfenahme des Antigentests, des Lamp-Testverfahrens, und wir werden nieder­gelassene Ärzte in dieses System integrieren und ihnen ermöglichen – das ist ja mitt­lerweile legistisch auch möglich –, dass sie derartige Testungen durchführen – das ist gerade in Zeiten der vielen parallelen Infektionskrankheiten besonders wichtig –, und wir wollen, dass wir wieder eine Grundstimmung wie im Frühling erreichen, was die Umset­zung durch die Bevölkerung betrifft.

Nun konkret zu den einzelnen Detailfragen:

Zur Frage 1:

Am Vormittag des 13.3. fand eine Videokonferenz vom Herrn Bundeskanzler und von Teilen der Bundesregierung mit Landeshauptmann Platter und anderen Landeshaupt­leuten statt. Dabei hat Landeshauptmann Platter kommuniziert, dass er die Schließung des Skigebietes beauftragt habe. Wir haben das massiv unterstützt und begrüßt.

Diesbezüglich wurde bereits in der morgendlichen Sitzung des SKKM das Ausreisema­nagement für die Schließung des Skigebietes besprochen. Informationen über die virolo­gische Situation in Tirol und auf Bundesebene wurden in dieser Videokonferenz eben­falls ausgetauscht. In allen Fragen der Pandemiebekämpfung erfolgte auch in dieser Phase die interne Kommunikation über die Krisenstäbe von Bund und Land. Vor der oben angeführten Pressekonferenz am 13.3. um 14 Uhr wurden sowohl in Tirol als auch auf Bundesebene die Stäbe informiert, um Vorbereitungen zu treffen. Zu bedenken ist, dass die angestrebte geordnete Ausreise von über 10 000 Menschen – Touristen und Touristinnen – ein Prozess ist, für den es keinerlei Erfahrung gibt und der auch mit län­gerer Planungszeit nur schwer problemlos umsetzbar ist.

Zur Frage 2:

Am 13.3. fand, wie bereits betont, eine Beratung mit Landeshauptleuten statt. Inhalt wa­ren die stark steigenden Zahlen in ganz Österreich, vor allem aber auch in Tirol. Es wur­de über mögliche Maßnahmen, auch auf Basis der Modelle damals international erfolg­reicher Länder, beraten. Tirol informierte über die geplante Beendigung der Wintersaison und die Schließung des Skigebietes Ischgl.

Im Anschluss an die Sitzung telefonierte der Herr Bundeskanzler mit Landeshauptmann Platter und thematisierte die Frage der Quarantäne von Gebieten. In Tirol waren zu die­sem Zeitpunkt stark steigende Infektionszahlen zu registrieren, insbesondere auch im Bezirk Landeck. Im Anschluss an die Sitzung mit den Landeshauptleuten berieten Bun­deskanzler, Gesundheitsminister und Innenminister. Alle drei kamen zum Schluss, dass das Paznauntal und Sankt Anton isoliert werden sollen. Der Herr Bundeskanzler teilte dies Tirol mit; sowohl in Tirol als auch auf Bundesebene wurden die Stäbe informiert, um Vorbereitungen zu treffen.

Zur Frage 3:

Siehe Fragen 1 und 2. Die Frage der Quarantäne wurde auf politischer Ebene zwischen Bundesregierung und dem Landeshauptmann von Tirol diskutiert. Die Vorgangsweise ist im Epidemiegesetz klar geregelt. Die BH Landeck hat die entsprechenden Schritte in die Wege geleitet.

Zu den Fragen 3, 4, 5 und 6:

Die Prozesse sind laufend zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen. Ich stehe be­treffend die Frage der Lehren aus dem Bericht der Tiroler Untersuchungskommission in


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Kontakt zum Land Tirol. Ein gemeinsamer Prozess für die Umsetzung aller Empfeh­lungen der Untersuchungskommission wird gerade gestartet. Dieser ist bereits, wie vorhin kurz erörtert, mit dem Landeshauptmann von Tirol paktiert, und wir werden in Kürze den gemeinsamen Prozess der Umsetzung der Empfehlungen der Tiroler Unter­suchungskommission starten.

Zur Frage 7:

Siehe die Erläuterungen in den einführenden Bemerkungen am Beginn der Anfragebe­antwortung. Das Gesundheitsministerium hat bereits im Februar die entsprechenden konkretisierenden Erlässe zur Ermöglichung einer effizienten Bekämpfung der Pande­mie an die Länder übermittelt. Im März – als sich das Epidemiegesetz als zu kleinteilig und im Hinblick auf die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaften auch als wenig praktikabel herausgestellt hat – wurde der Weg gewählt, nicht das Epidemiegesetz grundsätzlich zu novellieren, sondern ein spezifisch auf die damalige Entwicklung zuge­schnittenes und auf die Zeit der Pandemie befristetes COVID-19-Maßnahmengesetz zu erlassen, was damals hier in diesem Haus einstimmig beschlossen wurde.

Zur Frage 8:

Dieser Punkt der Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit des Landes Tirol in zwei konkreten Punkten, was die Phase der ersten Hälfte des März betrifft, ist für mich aus heutiger Sicht absolut nachvollziehbar. Allerdings ist die Bewältigung der Coronapandemie, der größ­ten weltweiten Gesundheitskrise der letzten Jahrzehnte, tatsächlich eine besonders he­rausfordernde Tätigkeit für alle, natürlich auch für regionale Gesundheitsbehörden. Wir alle, Fachexperten, Behörden, Politiker und Bevölkerung, haben in den vergangenen Monaten enorm viel dazugelernt. Mein Ministerium legt daher großen Wert auf größt­mögliche Transparenz und dem Stand des aktuellen Wissens entsprechende Infor­mationsarbeit. In diesem Sinn wurden mittlerweile 76 489 schriftliche und zusätzlich 41 604 telefonische Bürgeranfragen beantwortet. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Der Redner trinkt aus dem am Rednerpult bereitgestellten Wasserglas.) – Ich danke für die kurze Trinkpause.

Zur Frage 9:

Die Arbeiten an einer umfassenden Modernisierung des Epidemiegesetzes 1950 wur­den schon vor Beginn meiner Amtszeit begonnen. Zu Amtsantritt lag ein nicht finalisierter Diskussionsentwurf vor, der aber keine ausreichenden Rechtsgrundlagen beinhaltete, wie wir sie für die derzeitige Pandemie benötigt hätten. Im Zuge der unmittelbaren Pan­demiebekämpfung wurde daher das zeitlich befristete COVID-19-Maßnahmengesetz anstatt einer grundsätzlichen Novellierung des Epidemiegesetzes geschaffen. Ich habe aber bereits den Auftrag erteilt, dass nach Ende der Pandemie eine umfassende Ge­samtüberarbeitung des Epidemiegesetzes 1950, nämlich vor allem auch in Bezug auf diese ganz schwierige Balance zwischen Grundrechtseingriffen und dem Gesundheits­schutz, vorgenommen wird. Wir können da auf gute Vorarbeiten aufbauen und zusätzlich die Erfahrungen aus der Coronapandemie miteinfließen lassen.

Zu den Fragen 10 und 11:

2005 wurde ein Influenzapandemieplan – bitte Vorsicht: in der Expertenkommission, der Untersuchungskommission wurde allgemein formuliert: Pandemieplan – für Österreich vom Gesundheitsministerium erstellt. 2016 hat die zuständige Abteilung im Gesund­heitsministerium mit der Überarbeitung unter Einbeziehung von Landessanitätsdirek­tionen und externen Stakeholdern, wie der Med-Uni Wien, der Ages et cetera, begonnen. Die Neufassung des Influenzapandemieplanes wurde jeweils den Kabinetten Oberhau­ser, Rendi-Wagner, Hartinger-Klein und Zarfl zur Veröffentlichung vorgelegt. Auch auf­grund der stetigen Wechsel der politischen Verantwortung – sehr kurzfristig – in diesem


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Ressort kam es nicht zur Veröffentlichung. Ich selbst habe aber auch erheblichen Opti­mierungsbedarf auch im Sinn der Erstellung eines nicht nur auf Influenza fokussierten, sondern generellen Pandemieplans gesehen.

Der Influenzapandemieplan beschäftigt sich, wie der Name bereits sagt, vorrangig mit einer Influenzapandemie. Er hätte die vorliegenden Herausforderungen der Covid-19-Pandemie nicht bestehen können. Alle für die Bewältigung der Covid-Pandemie wesent­lichen Punkte aus dem Influenzapandemieplan wurden kommuniziert und auch umge­setzt. Derzeit wird unter Beiziehung der Erfahrungswerte der letzten Monate sowie Ex­pertInnen und unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein genereller ös­terreichischer Pandemieplan finalisiert. Dieser wird künftig für ähnlich geartete Pande­mien eine geeignete Leitlinie sein. Dieser generelle österreichische Pandemieplan wird auf Basis der aktuellen Erfahrungen mit der Covid-Pandemie auf völlig neue Beine ge­stellt und ist, wie gesagt, derzeit in der Finalisierung.

Zur Frage 12:

Wir sind mit den betreffenden Tourismusregionen in laufendem Austausch. Es ist be­sonders wichtig, dass die Tourismusbranche selbst besonders aktiv ist. Da habe ich den Eindruck, dass das wirklich die Realität ist, um Sicherheit als zentralen Schlüssel für den Tourismus zu schaffen und um gemeinsam durch die Krise zu kommen. Wir haben ge­meinsam mit dem Tourismusministerium, den Ländern und den Branchenvertreterinnen und ‑vertretern ein Konzept für den sicheren Wintertourismus erarbeitet. Dieses Konzept zeigt, Sicherheit und Tourismus sind gut vereinbar.

In Tirol wurde ein Tiroler Krisen- und Katastrophenmanagementzentrum mit einem Lan­deskoordinator geschaffen. Darin werden die bisherigen Krisen- und Katastrophenpläne für die aktuelle Pandemiesituation überarbeitet und neu gestaltet. Man bereitet sich auf verschiedene Szenarien, darunter auch mögliche Evakuierungen und Isolationen von Talschaften und einzelnen Gebieten, vor. Diese Vorgangsweise entspricht auch den Empfehlungen des Rohrer-Berichtes, dass solche Pläne bis zum Start der Wintersaison vorliegen müssen.

Schließlich haben wir mit dem gestarteten gemeinsamen Arbeitsprozess mit dem Land Tirol speziell auch in diesem Punkt eine Empfehlung, die wir gemeinsam umsetzen wol­len.

Zur Frage 13:

Die Vorbereitung erfolgte professionell in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Res­sorts der Bundesregierung, den GesundheitsreferentInnen der Bundesländer, den Lan­dessanitätsdirektorInnen und unter Einbeziehung der Expertise aus dem medizinischen sowie dem rechtlichen Beraterstab. Eines der zentralen Ergebnisse dieser Vorberei­tungsarbeiten für den Herbst, die wir im Sommer durchgeführt haben, war ein eigener Aktionsplan gegen eine zweite Covid-19-Welle.

Der Aktionsplan gegen die zweite Covid-19-Welle wurde am 29. Juli von der Bundesre­gierung im Ministerrat beschlossen. Davon sind folgende Bereiche umfasst: Teststrate­gie, Beschaffung von Schutzausrüstung für den niedergelassenen Bereich und Aufbau des strategischen Lagers, Stärkung des Kontaktpersonenmanagements, Einhaltung der Quarantänemaßnahmen, Analyse der Infektionsketten, die Ampel als Instrument zur ef­fektiven Risikoanalyse, Beschaffung des Grippeimpfstoffes, Vorsorge und Beschaffung des Covid-19-Impfstoffes am internationalen Markt sowie die Sicherung der Medikamen­te zur Behandlung von Covid-19. Dazu kamen die Vorbereitung und das Begutachtungs­verfahren zur Novelle des Epidemiegesetzes beziehungsweise des COVID-19-Maßnah­mengesetzes sowie die Erarbeitung entsprechender Verordnungen für konkrete bundes­weite Maßnahmen.


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Zur Frage 14:

Durch die Novelle zum COVID-19-Maßnahmengesetz wurden die Landeshauptleute und die Bezirksverwaltungsbehörden verpflichtet, Verordnungen nach dem Epidemiegesetz sowie dem COVID-19-Maßnahmengesetz vor deren Inkrafttreten an das Gesundheits­ministerium zu übermitteln. Dies bietet die Möglichkeit, erforderlichenfalls mit Weisung einzugreifen.

Zur Frage 15:

Während einer Krise ist es essenziell, die Bevölkerung gut über die Entwicklung und die zu treffenden Maßnahmen zu informieren. Das sind zentrale Säulen der Krisenkommu­nikation. Ich halte es auch für wichtig, dass die Bundesregierung als Team und mit einer gemeinsamen Stimme auftritt. Selbstverständlich ist geplant, dass mit den für die Um­setzung zuständigen Stellen im Vorfeld einer Pressekonferenz natürlich auch der Sach­verhalt abgestimmt wird. Durch die Verankerung im COVID-19-Maßnahmengesetz, dass Verordnungen der Coronakommission vorgelegt werden müssen, ist auch garantiert, dass zeitgerecht eine externe inhaltliche Bewertung und Würdigung erfolgt.

Zur Frage 16:

Ja, die bundesweite Dokumentation aller Maßnahmen ist sichergestellt. Sowohl die kon­kreten Maßnahmen als auch die entsprechenden Verordnungen sind auf corona-am­pel.gv.at seit den ersten regionalen Maßnahmen abgebildet. Sie sind transparent ein­sehbar und geordnet nach Bundesländern und Bezirken dargestellt. Zudem sind all diese Informationen über Rechtsakte auch auf der Website des Sozialministeriums abrufbar.

Am 2. Oktober hat das Gesundheitsministerium aufbauend auf die entsprechenden neu­en Möglichkeiten im COVID-19-Maßnahmengesetz einen entsprechenden Erlass – er heißt konkret Erlass betreffend die Mitteilung von Verordnungen des Landeshauptman­nes und der Bezirksverwaltungsbehörden – an die Landeshauptleute gerichtet, der die jeweils zuständige Behörde verpflichtet, den genehmigten Verordnungstext vor Inkraft­treten an das Gesundheitsministerium zu übermitteln.

Zusätzlich sind auch Verordnungen zu übermitteln, mit denen solche Verordnungen wie­der außer Kraft gesetzt werden.

Mittlerweile sind auf der Website corona-ampel.gv.at alle Bundesländer eingeblendet und damit allfällige regionale Zusatzregelungen ausgewiesen.

Zur Frage 17:

Verfügbare Evidenz und fachliche Einschätzung werden Verordnungen im Akt beigege­ben. Es wird der Verfassungsdienst vor jeder Verordnungserlassung eingebunden. Au­ßerdem werden auch externe Rechtsexperten unterstützend zurate gezogen. Auch die Landeshauptleute und BVBs sind daran gebunden, wie bereits vorhin formuliert, die maßgeblichen Umstände im Verordnungserlassungsakt zu dokumentieren. Dies habe ich auch nochmals per Erlass vom 2.10.2020 in Erinnerung gerufen.

Zur Frage 18:

ad a) zwei Verordnungen,

ad b) vier,

ad c) 19.

Insgesamt sind es in Summe 119 erlassene Verordnungen, die teilweise aber bereits wieder außer Kraft sind.

Zur Frage 19:

Laut der geltenden Fassung des COVID-19-Maßnahmengesetzes muss die Corona­kommission vor Erlassung von Verordnungen gehört werden, was eine weitere Schiene


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der Qualitätssicherung darstellt. Die Risikoanalysen der Coronakommission werden auch auf der Ampel-Website veröffentlicht.

Zur Frage 20:

Die Ages hat alle Klubobleute zum Fachgespräch Corona mit den ExpertInnen der Ages eingeladen. Dazu sind mittlerweile zwei Termine vorgeschlagen worden, nämlich der 1. beziehungsweise der 9. November. Jeder, der die Äußerungen einzelner Vertreter der Ages, die manchmal auch im Widerspruch zu meiner persönlichen Position sind, in der Öffentlichkeit vernimmt, wird wissen, dass es da keinerlei Druck oder etwas Ähnliches gibt. Es ist die Notwendigkeit und die Verpflichtung eines Wissenschaftlers und einer Wissenschaftlerin, das Wissen, die Kompetenz ungeschminkt und klar darzustellen und diese auch dem Hohen Haus zur Verfügung zu stellen, wenn ein entsprechendes Inter­esse vorhanden ist. Dazu stehe ich, und das werden wir deswegen auch rasch reali­sieren. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. Wissen Sie, die KollegInnen der Ages sind im Augenblick ziemlich eingespannt, sehr eingespannt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Zur Frage 21:

Seit Februar 2020 wurden 18 JuristInnen an der Zentralleitung aufgenommen, davon 16 als VerwaltungspraktikantInnen. Die juristische Kompetenz wird im gesamten Ressort benötigt, nicht nur im Bereich Gesundheit.

Seit Juli 2020 wurde verstärkt im Gesundheitsbereich rekrutiert, von den oben genann­ten 18 VBs sind seit Juni 2020 12 ausschließlich für den Gesundheitsbereich aufgenom­men worden.

Zur Frage 22 – das ist die Antwort auch zu den Fragen 26 und 28 –:

Alle unsere Maßnahmen und unser Handeln dienen dem Ziel, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Ich bin weiterhin optimistisch, dass wir das auch schaffen. Durch die Novellierung des COVID-19-Maßnahmengesetzes ist auch klar geregelt, dass ein Lock­down nur im äußersten Fall, nämlich bei einem drohenden flächendeckenden Zusam­menbruch unseres Gesundheitssystems, und nur mit Zustimmung des Hauptausschus­ses des Parlaments möglich wäre.

Mit der Coronaampel steht Österreich zusätzlich ein hervorragendes und transparentes Risikoanalyseinstrument zur Verfügung, das nicht allein auf Infektionszahlen basiert. Sie kennen die vier konkreten Parameter für die Risikoeinstufung.

Den strategischen Plan für die nächsten Wochen und Monate habe ich unter Darstellung der konkreten Frage des Kollegen Loacker bereits in den einführenden Bemerkungen dargestellt.

Zur Frage 23:

siehe Frage 22.

Zur Frage 24:

Die Lage wird aktuell täglich evaluiert, so, wie wir das seit Wochen und Monaten machen. Natürlich gehört es zu einem professionellen Vorgehen, für alle Eventualitäten der Ent­wicklung der Pandemie und der Ausbreitungsformen vorbereitet zu sein. Der Fokus liegt dabei aber derzeit vor allem auf gezielten regionalen Maßnahmen. Die konkreten Maß­nahmen orientieren sich jeweils an der epidemiologischen Situation und der Risikobe­wertung der Ampelkommission, aber selbstverständlich evaluieren wir auch die Notwen­digkeit von weiteren bundesweiten Maßnahmen.

Zur Frage 25:

Wie bereits mehrfach von mir und den Regierungskolleginnen und -kollegen dargelegt, werden wir den privaten Lebensbereich der Menschen in Österreich nicht einschränken.


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Wir appellieren hier aber an Solidarität und Hausverstand. Es geht um kluge Alltagsent­scheidungen, die von jeder und jedem Einzelnen verantwortungsvoll zu treffen sind. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Frage 27:

Grundsätzlich beruhen sämtliche Maßnahmen auf wissenschaftlicher Evidenz. Es braucht dennoch natürlich auch pragmatische Entscheidungen der Politik am Ende, bei Vorlie­gen der entsprechenden Empfehlungen und Vorschläge.

Wir wissen, dass zum Beispiel ein Viertel weniger Sozialkontakte nahezu eine Halbie­rung des Ansteckungsrisikos bedeutet. Die epidemiologische Lage wird daher laufend evaluiert. Auf regionaler Ebene wurden aufgrund der Risikobewertung bereits restrikti­vere Maßnahmen bei der Sperrstunde verwirklicht. Wir stehen auch zu dieser Frage mit den Bundesländern weiter in Kontakt. Endgültige Entscheidungen über allfällige weitere Veränderungen sind noch nicht gefallen.

Zur Frage 28:

siehe Frage 22.

Zur Frage 29:

Für eine generelle Maskenpflicht im Freien gibt es aktuell keine Vorbereitungen.

Zur Frage 30:

Ich lege Wert auf eine datenschutzrechtskonforme Lösung in der Frage der Registrie­rung in der Gastronomie oder anderen Bereichen, um die Kontaktpersonennachverfol­gung zu erleichtern, und diese stellt sich – das wissen Sie – als nicht einfach dar. Die Möglichkeit der Gästeregistrierung ist mit Sicherheit aber eine Hilfe zur Beschleunigung des Contacttracing für die Behörden.

Alles, was bei der Eindämmung des Virus zählt, ist die Schnelligkeit bei der Kontaktnach­verfolgung. Mein Ressort hat daher einen Gesetzesvorschlag zur freiwilligen Registrie­rung für Kunden, Mitarbeiter, Besucher et cetera im Begutachtungsentwurf zum Epide­miegesetz im August vorgelegt. Nach datenschutzrechtlicher Kritik an diesem Passus, deren Berücksichtigung allerdings keine politischen Mehrheiten im Parlament erreicht hätte, da es aus verschiedenen Bereichen erhebliche Widerstände gab, wurde dieser Vorschlag wieder fallen gelassen. Derzeit können die Betriebe und die Kunden zwar nicht verpflichtet werden zu registrieren, allerdings wird dies derzeit auf freiwilliger Basis gut angenommen. Vielen Leuten ist offenbar aufgrund der Eigenverantwortung bewusst, dass sie sich und auch andere schützen, indem sie sich beim Besuch eines Gasthauses oder Cafés registrieren. Diesen Weg hat auch die Stadt Wien gewählt, und ich unter­stütze ausdrücklich das dadurch verfolgte Ziel.

Zur Frage 31:

Die Gesamtzahl der Anzeigen seit 16.3.2020 liegt konkret bei 36 739, die Gesamtzahl der Organmandate seit dem 11. April 2020 liegt bei 7 777.

Die Summe der verhängten Strafen muss man durch die Bezirksverwaltungsbehörden erheben lassen. Sie werden Verständnis dafür haben, Herr Kollege Loacker, dass das in diesen fünf Stunden noch nicht möglich war. Ich kann aber gerne anbieten, das auf schriftliche Art und Weise nachzuliefern.

Zur Frage 32:

Die Verwaltungsstrafverfahren – und da liegt jetzt natürlich dieselbe Antwort in Grund­zügen vor – werden aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes von den BVBs als zuständige Gesundheitsbehörde geführt, daher kann kurzfristig keine Aussage getroffen


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werden, sondern es müssen die zuständigen Behörden vor Ort befasst werden, und das werden wir auch machen.

Zur Frage 33:

Die Frage der Strafnachsicht im Zusammenhang von im Zuge der Coronamaßnahmen verhängten und bereits bezahlten Strafen wurde unter anderem vom Gesundheitsminis­terium ausführlich geprüft.

Unmittelbar nach dem VfGH-Erkenntnis vom Juli habe ich sowohl mein Haus als auch externe RechtsexpertInnen, dazu zählen der Verfassungsdienst sowie ausgewiesene SpitzenjuristInnen aus dem Bereich des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, beauf­tragt. Der VfGH verfügte nur eine Teilstrafnachsicht, das ist in der öffentlichen Debatte oft vermischt worden. Die im Verfahren vor dem VfGH Betroffenen sowie alle, die ein Rechtsmittel gegen die verhängten Strafen eingelegt haben und deren Verfahren im Laufen waren, mussten die Strafe nicht zahlen, beziehungsweise diese wurde rücker­stattet. Alle laufenden Verfahren zu den aufgehobenen Verordnungsteilen wurden von Amts wegen eingestellt. Grundsätzlich ist zu sagen, dass jedoch eine Generalamnestie im eigentlichen Sinne des Wortes verfassungsrechtlich nach Meinung aller Fachexper­ten nicht möglich ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nach derzeitiger Rechtslage ist auch eine Aufhebung von bereits in Rechtskraft erwach­senen Bescheiden nicht zulässig. Eine Änderung der Rechtslage könnte im Sinne eines Präzedenzfalles und Systembruchs mehr Probleme als Lösungen bringen, sagen uns die befragten Fachexperten und Fachexpertinnen.

Mit der letzten Novelle des Epidemiegesetzes und des COVID-19-Maßnahmengesetzes haben wir zudem die Strafbestimmungen neu geregelt und die Strafhöhe damit deutlich herabgesetzt. Außerdem haben wir bereits in der COVID-19-Lockerungsverordnung ge­mäß § 11a festgelegt, dass die Polizei jedenfalls von Strafen abzusehen hat, sofern durch gelindere Mittel der gesetzmäßige Zustand wiederhergestellt werden kann.

Die aktuellen Aussagen des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes haben mich al­lerdings dazu bewogen, ihn noch einmal selbst zu kontaktieren – da dies für mich eine absolut relevante Fachmeinung ist –, damit er uns kundtut, wie seine Einschätzung und Interpretation ist und wie dieser Weg aus seiner Sicht rechtskonform aussehen könnte. Dazu haben wir den entsprechenden Diskurs allerdings noch vor uns.

Zur Frage 34, damit zum 24. Dezember:

Mein Ziel ist klar: Alle Menschen in Österreich sollen ein möglichst glückliches, zufriede­nes und vor allem gesundes Weihnachtsfest feiern. Wir haben daher bereits klare Re­gelungen für Weihnachtsmärkte verankert. Das war, wie Sie sich erinnern können, in einem Paket mit den Gesamtregelungen für den Wintertourismus. Es ist ja gerade für Großstädte wie Wien ein absolut wesentlicher touristischer Bereich, dass Weihnachts­märkte möglich sind. Wir haben daher für die Weihnachtsmärkte entsprechend klare Re­gelungen verankert, vor allem Präventionskonzepte stehen im Mittelpunkt.

Für die Weihnachtsfeiern im privaten Bereich gilt, was ich schon vorhin für den privaten Bereich insgesamt dargestellt habe: Alltagsentscheidungen sollten möglichst klug, ver­antwortungsvoll und mit Rücksicht getroffen werden. Wir wissen, dass schon kleine Ver­haltensanpassungen im Alltag große Wirkungen zeigen – zum Schutz von Risikogrup­pen, aber auch zum Schutz unseres Gesundheitssystems. (Präsident Sobotka über­nimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 35:

Insgesamt wurden über diesen Prozess – es geht um den Beschaffungsprozess für Schutzmaterialien – 18 Millionen Atemschutzmasken der Qualität FFP 2 beziehungs­weise FFP 3, 73 Millionen OP-Masken, 88 Millionen Handschuhe, 1,5 Millionen Schutz­overalls, 1 Million Virustestabnahmesets, 30 000 Pulsoximeter und 685 Beatmungsgeräte


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sowie einige weitere Produkte wie Desinfektionsmittel, die ich nicht in Literangaben auf­gelistet habe, beschafft. Wir können das aber gern nachliefern, wenn Interesse besteht.

Mit Ausnahme von rund 70 000 Atemschutzmasken – also rund 0,4 Prozent der Ge­samtmenge – wurden sämtliche Produkte bereits geliefert und an die Bedarfsträger in Österreich verteilt beziehungsweise für die strategische Bevorratung für das Bundesheer vorgesehen. Die noch ausständigen Produkte werden auf jeden Fall noch heuer gelie­fert, wird uns versichert.

Zur Frage 36:

Einleitend möchte ich festhalten, dass seit Februar 2020 von unserem Ressort zahlrei­che gesundheitspolitische Leitlinien erarbeitet wurden. Diese richten sich an Behörden oder einzelne Akteure in unterschiedlichen Bereichen. All diese Informationen und Fach­informationen finden Sie auf der Homepage des Gesundheitsministeriums – extra aus­gewiesen. Zu diesen zählen aktuell neun Fachinformationen – wie Teststrategie, Kon­taktpersonenmanagement, behördlicher Umgang mit Kindern und Jugendlichen –, elf weitere Empfehlungen für den Gesundheitsbereich – Schutzmaßnahmen, Besuchsrege­lungen et cetera –, sechs Empfehlungen für Alten- und Pflegeheime beziehungsweise Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, sieben Empfehlungen und Leitlinien für andere Bereiche – von Bäderhygiene über Sexarbeit bis zu Präventionskonzepten et cetera –, fünf weitere Handlungsempfehlungen zur psychischen Gesundheit sowie die Informationsmaterialien für die Bevölkerung zu Schutzmaßnahmen.

Zur Frage 36 a:

Österreich ist dadurch, dass durch das elektronische Meldesystem EMS alle Behörden samt Ages miteinander vernetzt sind, im internationalen Vergleich in einer sehr guten Ausgangsposition, was die Datenlage des Gesundheitsbereichs betrifft. Das ist nicht meine Errungenschaft, sondern wurde lange vor meiner Zeit konzipiert und stellt europa­weit eine absolut führende Situation dar.

Die Datenlage ist auch von den Labormeldungen bestimmt. Via genormte HL7-Schnitt­stellen ist nun ein durchgängig elektronischer Prozess ohne Medienbrüche möglich.

Das Gesundheitstelefon 1450 nimmt in der Pandemie eine zentrale Rolle ein. Es wurde deshalb ein tägliches Monitoring der Anzahl der Anrufe etabliert, welches wichtige Hin­weise zum epidemiologischen Geschehen liefert. Damit können wir sehen, wo die Dun­kelziffer steigt, ob wir in bestimmten Regionen besondere Sensibilität in dieser Frage haben et cetera. Das wird selbstverständlich auch analysiert.

Mit Beginn der Covid-19-Pandemie in Österreich im März 2020 wurde eine regelmä­ßige – nämlich eine wöchentliche – Erhebung der Bettenkapazitäten in Krankenanstal­ten inklusive Rehaeinrichtungen, differenziert in Normalpflegebereich und Intensivbe­reich, sowie in zusätzlichen Einrichtungen – zum Beispiel Messehallen, Kureinrichtun­gen et cetera – im Wege der Länderkrisenstäbe eingeführt. Des Weiteren wurde auch der Stand an Beatmungsgeräten und deren aktuelle Auslastung sowie das zur Verfü­gung stehende Personal auf Intensiveinrichtungen erhoben. Darüber hinaus erfolgte eine laufende Erhebung der vorhandenen kritischen Artikel, wie zum Beispiel der ge­nannten Schutzausrüstungsgüter, Desinfektionsmittel et cetera, und deren Bedarf auf Länderebene für die Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen.

Zur Frage 36 b:

Aufgrund der Erfahrungen in anderen Staaten – zum Beispiel China, Italien und ande­ren – haben wir gesehen, dass der Anstieg von Covid-19-Fällen sehr, sehr dynamisch und rasch erfolgen kann – auch unser Nachbar Tschechien zeigt uns das seit drei Wo­chen auf eine sehr bedauernswerte Art und Weise auf – und in kurzer Zeit zu einer Über­lastung des Gesundheitswesens führen kann. Es war zweckmäßig, die Krankenanstal­ten und die weiteren Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen auf mögliche Entwicklungen


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vorzubereiten, zum Beispiel durch das Vorhalten ausreichender Bettenkapazitäten vor allem im Intensivbereich, durch Besuchsregelungen und durch Maßnahmen zum Schutz von Beschäftigten und der zu betreuenden Personen. Des Weiteren war auch rasch er­kennbar, dass es insbesondere wesentlich ist, vor allem Einrichtungen mit besonders gefährdeten Personengruppen – zum Beispiel Seniorenheime, Pflegeeinrichtungen und Behindertenheime – durch besondere Maßnahmen zu schützen.

Die Covid-Strategien anderer Länder wurden und werden in unserem Auftrag durch die Gesundheit Österreich laufend strukturiert, gemonitort und die Ergebnisse an unser Haus übermittelt. Aus heutiger Sicht können zwar grobe Ähnlichkeiten und Unterschiede in Details der jeweiligen Vorgehensweisen identifiziert werden, abschließende Aussagen darüber, welche Maßnahmen die effektivsten sind, lassen sich daraus zum jetzigen Zeit­punkt aber noch nicht vollständig ableiten.

Zu den Fragen 36 c und d:

Es wurden mit März 2020 entsprechend dem WHO-Vorschlag für die Diagnosen- und Leistungserfassung der Krankenanstalten spezielle Codenummern für Covid-19-Er­krankte und für Verdachtsfälle auf Covid-19 in allen Krankenanstalten Österreichs ein­geführt. Des Weiteren wurde mit den Landesgesundheitsfonds vereinbart, dass dem Ge­sundheitsministerium monatlich die Diagnosen- und Leistungsberichte der Krankenan­stalten übermittelt werden, um das Leistungsgeschehen in den Krankenanstalten lau­fend und zeitnah beobachten und bei Bedarf entsprechende Steuerungsmaßnahmen setzen zu können.

Zur Frage 36 e:

Gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin wurde ein Vorschlag für ein spezielles Intensivregister für Covid-19-Fälle entwickelt und eine entsprechende Erhebung aller seit Beginn der Pandemie in Öster­reich auf Intensiveinrichtungen behandelten Fälle vereinbart. Die Datenbank ist in der Gesundheit Österreich eingerichtet, ein entsprechender Verordnungsentwurf für die Da­tenmeldungen an dieses Register liegt vor. Entsprechend diesem Vorschlag sollen da­tenschutzkonform zu den intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fällen unter ande­rem folgende Informationen erhoben werden: Indikationen für den Krankenhaus- bezie­hungsweise Intensivaufenthalt, Gesundheitszustand wie Nebenerkrankungen und Komplikationen – das war ein absolut richtiger und wichtiger Punkt, den Kollege Loacker bei seiner Begründung angesprochen hat –, die Therapie inklusive der Medikation – auch wichtig –, der Therapieverlauf und die Dauer des Aufenthalts in der Intensivein­richtung.

Zur Frage 36 f – wir sind noch immer bei Frage 36 –:

Da sich eine Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann – wir haben in Österreich mehrere Fälle –, ist dies eine Möglichkeit der Behandlung, solange keine anderen Therapiemöglichkeiten wie zum Beispiel ein Impf­stoff oder antivirale Arzneimittel entwickelt, geprüft und zugelassen sind. Das heißt, wir schätzen diese Frage des Rekonvaleszentenplasmas als durchaus wichtig und bedeut­sam ein. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass derzeit keine vollständige Evidenz der positiven Wirkung dieser Therapieform betreffend eine Sars-Cov-2-Infektion generell vorliegt.

Weiters darf ich auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfragen 1664 sowie 2558 verweisen. Kollege Loacker, soll ich diese Anfragebeantwortungen zitieren? – Es ist, glaube ich, nicht notwendig – danke.

Nichtsdestotrotz werden von meiner zuständigen Fachabteilung Situation und Evidenz gemonitort. Hierzu steht mein Ressort in engem Kontakt mit der EU und hat sich an der


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Erstellung der Leitlinie für die Sammlung und Transfusion von Covid-19-Rekonvaleszen­tenplasma und deren Aktualisierung beteiligt – ich halte das für einen sehr wichtigen und vielversprechenden Weg. Weiters befindet es sich im Austausch zur Optimierung der Datenbank zu Covid-Rekonvaleszentenplasma mit der Europäischen Union, welche die Bildung von Evidenz fördern soll. Außerdem wurden unter anderem auf EU-Ebene meh­rere Projekte zur Lukrierung der Evidenz der Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma bei Covid-19-Infektionen gestartet, deren Verlauf mein Ressort interessiert verfolgt.

Mein Ressort befindet sich in ständigem Austausch mit den Blutspendezentren, von de­nen auch einige beim vorher genannten EU-CCP aktiv beteiligt sind. Darüber hinaus wurde das Austrian Institute for Health Technology Assessment im März 2020 von uns beauftragt, ein Horizon Scanning zu Therapieoptionen und Impfungen durchzuführen. Informationen sind auf der Website des Instituts ständig öffentlich verfügbar.

Zur Frage 36 f i:

Ich habe mich für eine Informationsweiterleitung entschieden, da, wie oben erwähnt, eine Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma eine Alternative darstellen kann, solange kei­ne andere Therapieform verfügbar ist, und ich bestrebt bin, die österreichische Bevöl­kerung vor allem im Sinn der Stärkung der Gesundheitskompetenz zu informieren.

Zu den Fragen 36 g und h – es ist noch immer die Frage 36 –:

Zu den Fragen g und h darf ich auf die Datenbank EU-CCP bei der Beantwortung von Frage 36 f hinweisen.

Zur Frage 36 i:

Internationale Datenaustauschaktivitäten mit ICD-10-Diagnosen und Arzneimitteldaten sind dem Fachbereich nicht bekannt. Es liegen uns derzeit auch keine Informationen zu Austauschaktivitäten auf Krankenanstalten- und Trägerebene vor. Die Gesundheit Ös­terreich ist jedoch Mitglied von Initiativen und Netzwerken von nationalen Public-Health-Instituten, Dienststellen der Europäischen Kommission und einigen nationalen Gesund­heits- beziehungsweise Datenagenturen, bei denen es einen europaweiten und da und dort auch globalen Austausch von Evidenz, Erfahrungen und möglichen Maßnahmen gibt. Des Weiteren werden die Austauschmöglichkeiten auf internationalen Kongressen vom European Health Forum Gastein bis hin zum gerade laufenden World Congress on Public Health genutzt.

Zu den Fragen 37 und 38:

Es gibt keine explizite Datenkooperation mit einzelnen wissenschaftlichen Einrichtun­gen, sondern allgemeinen Zugang für akkreditierte Institutionen. Die Bereitstellung der Daten für die Forschung erfolgt im Wege der Datenplattform Covid‑19, welche eigens für diesen Zweck eingerichtet wurde.

Die Datenbasis für die Datenplattform ist das Statistikregister gemäß § 4a des Epidemie­gesetzes. Im Statistikregister werden allerdings die Daten von SpitalspatientInnen nicht zentral erfasst. Diese Meldung erfolgt derzeit monatlich im Wege der Diagnosen- und Leistungsdokumentation im stationären Bereich auf Grundlage des Bundesgesetzes über die Dokumentation im Gesundheitswesen.

Folgende Daten werden – Sie haben das gefragt – mittels Datenplattform übermittelt: eine zufällig generierte Laufnummer, erstens: Datum der Diagnose, zweitens: Todesda­tum, drittens: Geschlecht, viertens: Alter in Einzeljahren, fünftens: Datum der Genesung, sechstens: Nationalität, siebentens: Gemeindekennziffer.

Zur Akkreditierungsstatistik: Akkreditierte Einrichtungen haben wir derzeit 46, Daten­übermittlungen 33 und in der Vertragserstellungsphase 13.


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Bezüglich der Bereitstellung von Krankenhausdaten wird ein eigenes Covid-19-Intensiv­register eingerichtet, um klinische Daten für die Forschung bereitzustellen. Da das Re­gister auch personenbezogene Daten beinhaltet, ist eine gesetzliche Grundlage erfor­derlich. Die entsprechenden Vorarbeiten sind im Laufen.

Zusätzlich sei auch angemerkt, dass das öffentliche Dashboard der Ages tagesaktuell eine Vielzahl an epidemiologischen Kennzahlen für Österreich auf nationaler wie regio­naler Ebene zur Verfügung stellt. Alle Grundlagen für die Darstellungen stehen als Download zur Verfügung und können daher auch für wissenschaftliche Zwecke herange­zogen werden.

Zur Frage 38:

Die Frage 38 wurde mit der Frage 37 auch beantwortet.

Zur Frage 39:

Die österreichische Teststrategie ist auf der Homepage des Gesundheitsministeriums abrufbar, Stand 13.10.2020. Dabei handelt es sich um fachliche Empfehlungen, die auf internationalen Vorgaben basieren.

Kinder, Kindergärten und Schulen: Für Kinder wurde über den Sommer vor Schulbeginn gemeinsam mit Kinderinfektiologen und Kinderfachärzten ein eigenes Vorgehen, wann getestet werden sollte und welche Personen in Quarantäne müssen, entwickelt. Dies ist in einem eigenen Dokument auf der Homepage vermerkt.

Zur Frage 40:

Nein, es gibt hier analog zu allen anderen diagnostischen Verfahren keine Bundesvorga­ben. Um die Qualität zu sichern und Vergleichbarkeiten herzustellen, sind die Labore verpflichtet, an Ringversuchen teilzunehmen. In den Ringversuchen zeigt sich, wie gut Labore eine infektiöse Probe entdecken. Dadurch sind die Vergleichbarkeit und die Qua­litätssicherung hergestellt.

Der PCR-Test bleibt aufgrund der niedrigen Sensitivität der aktuell verfügbaren Tests der Goldstandard, um eine Infektion mit Sars-Cov-2 auszuschließen. Antigentests kön­nen als Ergänzung und zur Schonung der PCR-Testressourcen verwendet werden. Teil der Teststrategie ist auch ein Algorithmus, der darlegt, wann Antigentests einzusetzen sind und ob sie mit PCR nachgetestet werden sollten oder eben nicht. Dabei handelt es sich um fachliche Empfehlungen, die auf internationalen Vorgaben basieren.

Zur Frage 41:

Antikörperschnelltests der Firma Wantai wurden und werden innerhalb von Studien zur Erhebung der Seroprävalenz und damit der Dunkelziffer der Personen, die die Infektion bereits durchgemacht haben, eingesetzt. Dies ist auch in Programmlinie 4 unseres Screeningprogramms abgebildet, in der auch eine repräsentative österreichweite Studie vorgesehen ist, die sich derzeit in Ausrollung befindet.

Zur Frage 42:

Diese Daten werden von der Ages bei ihren Clusteranalysen erhoben und fließen da­durch auch in die Ampelkommission ein. Entsprechende Rückschlüsse werden dann auch veröffentlicht.

Zur Frage 43:

Diese Zahl wird routinemäßig von den Bundesländern erhoben. Da es hier auch keine gesetzliche Meldeverpflichtung gibt, kann keine detaillierte Aussage hierzu getroffen wer­den. Am 31. August habe ich über den Krisenstab einmal von den Bundesländern erhe­ben lassen, wie viele Personen es generell waren – also alle Positiven und alle Kontaktper­sonen der Kategorie 1 und alle Verdachtsfälle, die einen kurzen Absonderungsbescheid


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bekommen haben, weil eben verdächtige Symptome vorlagen, dann aber doch nega­tiv getestet wurden. Die Erhebung am 31. August ergab eine Summe von rund 150 000 Personen insgesamt. Oftmals werden in den BHs „Familienbescheide“ – ich setze das unter Anführungszeichen, weil der Fachbegriff natürlich ein anderer ist – aus­gestellt. Daher ist eine ganz genaue Erhebung nicht möglich.

Nach unserer aktuellen Zahl ist der Stand aller positiven Tests bis heute – das wissen wir ja präzis – bei 58 879. Pro positivem Fall rechnen wir derzeit mit zwei bis zehn Kon­taktpersonen ersten Grades. Das heißt, wir können von einer Schätzung von rund 220 000 abgesonderten Personen insgesamt ausgehen. Eine entsprechende Erhebung bei den BVBs werden wir durchführen.

Zur Frage 44:

Hierzu liegen meinem Ressort und mir keine Informationen vor. Diese Daten werden nicht über einen wie auch immer gearteten Meldeweg an mein Ressort übermittelt.

Und zur Frage 45 – meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, das ist die letzte Frage –:

Diese Verordnung befindet sich in politischer Letztabstimmung. – Ich danke. (Anhalten­der Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie haben die umfassende Beantwortung gehört.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass jedem Redner maximal 10 Minuten Redezeit zustehen, jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


16.18.53

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler, Entschuldigung, Herr Bundesminister! – Der Herr Bundeskanzler kommt spä­ter noch dran. – Ich muss mich vorweg recht herzlich bei Ihrem Ministerium bedanken. Es wurde, wie ich glaube, bei einer Dringlichen Anfrage noch nie geschafft, bei dieser kurzen Vorbereitungszeit eine Stunde Redezeit zu füllen. Ein Teil des Applauses, den es vorher gegeben hat, gilt, glaube ich, auch der Vorbereitung. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was den Inhalt betrifft, muss ich aber ehrlich sagen, dass diese Anfrage teilweise nicht beziehungsweise nur sehr, sehr oberflächlich beantwortet wurde und man mit den Ant­worten sehr wenig anfangen kann.

Ich beginne mit der Frage zum Blutplasma, bei der Sie ja leicht süffisant zu Kollegen Loacker gesagt haben, dass es dazu schon Anfragen gab. Ja, es gab Anfragen, es gab, glaube ich, von unserer Seite sogar drei oder vier, aber Sie haben diese nie beantwortet. Sie haben nie die Zahlen, die wir haben wollten, genannt, und deswegen steht das auch in dieser Anfrage. Das muss man schon auch dazusagen.

Ich komme zu zwei meiner Lieblingsfragen, das sind die Frage 5 und die Frage 24. Die Frage 5 ist die Frage, ob Sie dem Bundeskanzler geraten haben, in Zukunft davon Ab­stand zu nehmen, Maßnahmen über Pressekonferenzen bekannt zu geben. Die Fra­ge 24 ist die Frage, welche Maßnahmen Sie bei sich in der Schublade haben. Wissen Sie, wie Sie gerade auf beide Fragen geantwortet haben? Wenn man genau zugehört hat, weiß man es: Das wird beides evaluiert. – Sie evaluieren Ihre eigene Schublade? Also das ist wirklich nicht nachzuvollziehen und das ist eher lächerlich. (Beifall bei den NEOS.)


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Ich habe es sehr spannend gefunden, wie Sie am Anfang Ihrer Anfragebeantwortung gleich einmal damit begonnen haben, über Ihre Beliebtheitswerte zu sprechen und da­rüber, dass es zwei Wirklichkeiten gibt und es Ihnen nicht so wichtig ist, ob Kollege Loa­cker Sie mag. Das kann ich persönlich nachvollziehen, aber eigentlich geht es ja in die­ser Anfrage nicht darum, wie beliebt Sie bei der Bevölkerung sind, sondern es geht da­rum, was in diesem Bericht der unabhängigen Expertenkommission zu Ischgl drinnen steht, und da steht Vernichtendes drinnen. Dass Sie da einfach abwiegeln und sagen, na ja, ich bin aber beliebt, das finde ich auch letztklassig. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Kainz und Ries.)

Generell hatte ich während Ihrer einstündigen Ausführung ein bisschen das Gefühl, dass Sie das Motto mit sich mitnehmen: Es gibt nicht für alles in unserem Leben eine Er­klärung, aber es gibt sehr wohl eine passende Ausrede. Das ist das Motto, das wir wäh­rend der Coronakrise von der gesamten Regierung die ganze Zeit hören. Es ist ein Ge­schwafel, es sind Ausreden, aber es ist eigentlich nicht der Punkt, dass man sagt: Hey, wir machen auch Fehler! – Das kommt nicht vor.

Für diese Fehler entschuldigt man sich auch nicht, Landesrat Tilg ist dafür ein Parade­beispiel. Landesrat Tilg, wir haben es schon von Kollegen Loacker gehört, ist in einem der legendären Interviews in der „Zeit im Bild 2“ – neben dem gestrigen des Herrn Präsi­denten (Heiterkeit bei den NEOS) – nur dort gesessen und hat die ganze Zeit gesagt, er hat alles richtig gemacht. Alles richtig gemacht – genau dasselbe haben wir gestern beim Herrn Bundeskanzler erlebt, der als Reaktion auf diesen Bericht gesagt hat: Alle Ent­scheidungen sind großartig abgesprochen worden. – Es stimmt nur leider nicht, wie man sieht, wenn man den Bericht aufmerksam liest.

Ich zitiere wortwörtlich, Seite 139: „Die Ankündigung der Quarantäne über das Paznaun­tal und St. Anton a. A. durch den österreichischen Bundeskanzler erfolgte ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung.“ – Der Bundeskanzler stellt sich aber hin und sagt: Wir haben alles richtig gemacht, das war alles abgesprochen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Genau das sind diese Ausreden, genau das ist dieses Leugnen, dass es da auch Fehler gibt, was wir die ganze Zeit erleben. Das ist, glaube ich, nicht nachvollziehbar bezie­hungsweise auch der Bevölkerung nicht zuzumuten. (Beifall bei den NEOS.)

Da die Bundesregierung das hier schönreden will, zitiere ich wieder auszugsweise aus dem Expertenbericht, Seite 81, da geht es um die Abreise – das ist übrigens sehr lesens­wert, weil sehr detailliert beschrieben wird, was vor Ort stattgefunden hat. Da stehen Worte wie „Panikstimmung“, die durch diese Pressekonferenz des Bundeskanzlers, bei der Sie übrigens daneben gestanden sind, ausgelöst wurde. Wenn man sich die Proto­kolle durchliest, was Sie dort gesagt haben, stellt man fest, Sie haben nicht über die Quarantäne gesprochen, die wir in Österreich haben, sondern – genau das, was Sie heute auch wieder gemacht haben – über die Zahlen von irgendwelchen anderen Län­dern (Abg. Loacker: Lombardei!) beziehungsweise von der Lombardei.

Im Bericht wird darüber gesprochen, dass die Leute „fluchtartig“ das Tal verlassen ha­ben, dass es zu Staus kam. Diese Staus waren 15 Kilometer lang. Ein paar Seiten weiter ist in diesem Bericht die Einvernahme eines Busunternehmers angeführt, der sich in diesem Stau, wie er sagt, selbst angesteckt hat, weil er „fünf bis sechs Stunden im Au­tobus“ gesessen ist. Dieser Stau, den der Herr Bundeskanzler und Sie mitverschuldet haben, ist dafür verantwortlich, dass die Menschen teilweise erkrankt sind. Das war ein Coronastau, den Sie mit Ihrem unbedachten Vorgehen ausgelöst haben. (Beifall bei den NEOS.)

Die Leute hatten Angst, es herrschte – und das zitiere ich auch aus dem Bericht – „ein totales Chaos“. Diese Bundesregierung hat nichts anderes als ein totales Chaos ge­macht. Alle stellen sich dann hin und sagen: alles richtig gemacht. Worte wie Panik,


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Chaos und so weiter sind aber durchaus zu erwähnen, und ich glaube, man darf sie nicht negieren. Genau dadurch ist ja dann etwas entstanden, was uns allen und insbesondere den Tirolerinnen und Tirolern heute sehr, sehr wehtut, nämlich dieses negative Image, das wir davongetragen haben.

Oft wird abgelenkt, und genau das tun Sie als Bundesregierung ja auch. Sie sagen: Wir waren nicht vorbereitet und man hat es nicht ahnen können!, und so weiter und schieben damit die Verantwortung lokal ab. Sie schieben die Verantwortung auf die lokalen Leute ab, und die kommen jetzt zum zweiten Mal zum Handkuss: Erstens haben sie die erste Wintertourismussaison verpasst, und durch Ihr Abschieben, durch dieses negative Image, für das Sie auch, gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler, mitverantwortlich sind, durch dieses totale Chaos, das durch die internationalen Medien gegangen ist – das weiß Kollege Hörl am besten –, ist es zweitens auch dieses Jahr so, dass es für die Seilbahnwirtschaft, für den Tourismus im Winter extrem schwierig sein wird, weil die Leute einfach nicht mehr kommen werden. Dafür ist der Bundeskanzler und dafür sind Sie verantwortlich. (Beifall bei den Neos. – Zwischenrufe des Abg. Schmidhofer.)

Es ist auch sehr spannend, in diesem Bericht zu lesen, wie das andere Gemeinden ge­macht haben, wie es in anderen Gemeinden – ohne die (mit den Händen Anführungs­zeichen andeutend) „großartige“ notwendige Hilfe der Bundesregierung – abgelaufen ist. Dort hat es nämlich funktioniert, dort gab es ein koordiniertes Abreisemanagement. Die­se Täler haben nicht diese Probleme gehabt, weil es dort eben nicht diese Situation gegeben hat, dass sich der Bundeskanzler und die übrigen Verdächtigen hingestellt und, ohne sich Gedanken zu machen, ohne darüber nachzudenken, wer eigentlich zuständig ist, wer eigentlich die Maßnahmen machen kann, und ohne Absprache mit den lokalen Behörden, einfach gesagt haben: Juhu, Pressekonferenz, wir machen hier jetzt etwas!, dessen Folgen uns allen bekannt sind.

Im Endeffekt war Ischgl eine Art Freiluftgefängnis. Die Leute hatten wirklich Angst, dass sie dort eingesperrt sind, nicht weiterkommen. Diese Panik überwog einfach, und das kommt in diesem Bericht ganz klar heraus.

Man muss offen und ehrlich sagen – und jetzt nehme ich Ihre Rechtfertigungen auf, die Sie, der Bundeskanzler und auch andere Minister immer wieder gebracht haben –: Na­türlich war das eine Ausnahmesituation. Natürlich war das eine Ausnahmesituation, in der vieles schnell geht, und es können auch hin und wieder Fehler passieren – dann sollte man sich dafür entschuldigen, das ist ein zweites Thema –, aber sie passieren umso häufiger, wenn es so ist, wie in diesem Fall: dass einem die Macht zu Kopfe steigt und man einfach keine Ahnung mehr hat, was man machen soll, und sich dementspre­chend nicht mit den lokalen Behörden abspricht, sich als Bundeskanzler nicht mit Ihnen als Gesundheitsminister abspricht, nicht mit dem Innenminister – alles das steht in die­sem Bericht drinnen –, nicht mit den Kabinettsmitarbeitern. Dann ist eben der heilige Sebastian, wenn er dort steht und seine Aussage macht und sich eben nicht abspricht, derjenige, der zum Handkuss kommt.

Solche Dinge passieren dann, wenn man den Bezug zur Realität verliert, wenn man nicht in der Realität lebt und einfach abgehoben in seinem Zirkel zu Hause ist. (Beifall bei den NEOS.) Und sie passieren insbesondere dann, wenn man vergisst, dass Regieren mehr ist, als nur Pressekonferenzen zu halten.

Genau das haben wir in den letzten Tagen und Monaten viel zu oft erlebt. Diese Presse­konferenzen sind vielleicht in normalen Zeiten nicht so gefährlich, weil es nicht so auffällt, wenn man sehr viel heiße Luft redet, wenn da nicht so viel herauskommt. Das funktio­niert. Wenn man aber in solchen Pressekonferenzen in so einer Situation Panik sät, dann wird es katastrophal und dann schadet man dem Tourismus, der Seilbahnwirtschaft, den Menschen vor Ort, der Gesundheit der Menschen vor Ort und der Republik als Ganzes


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nachhaltig, denn dieses Image wird uns noch lange begleiten, und wir können und wollen es nicht so stehen lassen, dass das einfach weiterhin abgetan wird.

Ich glaube, dass es einfach insbesondere nicht in das Konzept der ÖVP passt, dass man als Bundeskanzler auch Verantwortung wahrnehmen muss. Es ist in meiner Wahrneh­mung so, dass da nie Verantwortung übernommen wird und man das sehr gerne weg­schiebt. Das ist, glaube ich, einfach ein Grundsatz in der türkisen Bibel: Wie gehe ich vor? – Bei Erfolg stelle ich – ich komme sofort zum Schluss – den Bundeskanzler und die Ministermuppets in die erste Reihe und lasse sie ihren Erfolg feiern, aber wenn es darum geht, wirklich Verantwortung zu übernehmen, wenn einmal etwas schiefläuft, dann sind alle ruhig, dann schiebe ich es auf andere.

Genau das passiert hier, und das ist nicht zu akzeptieren. Daher wünsche ich mir, dass in Zukunft anders mit diesen Themen umgegangen wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.


16.29.29

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren, die Sie uns jetzt hören und sehen! Ich habe, wohlgemerkt, ein bisschen eine andere Wahrnehmung von dem, was wir gerade gehört haben. Ich möchte nur eines dazu sagen: Wir befinden uns jetzt seit sieben Monaten in einer Situation, in der wir alle nie waren. Wir befinden uns in der größten Gesundheits­krise, in der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, und wer sich jemals mit Krisen­management auseinandergesetzt hat, weiß, was Krise bedeutet.

Im ersten Moment heißt es: ein unheimlicher Zeitdruck, Entscheidungen zu treffen, Ver­antwortung zu übernehmen. Und das möchte ich an dieser Stelle schon betonen: Diese Bundesregierung hat vom ersten Moment an Verantwortung übernommen. (Beifall bei der ÖVP.)

In seiner Anfragebeantwortung hat der Herr Bundesminister sehr deutlich gemacht, wie die Kommunikationskette im Fall Ischgl funktioniert hat. Es gab sehr wohl eine Benach­richtigung der Behörden, es gab sehr wohl Gespräche mit dem Landeshauptmann, mit der Sanitätsdirektion, und dementsprechend ist auch das, was gestern zum Bericht Ischgl gesagt wurde, durchaus wahr: Im Großen und Ganzen hat es gut funktioniert. Ich könnte mich nicht erinnern, dass der Herr Minister jetzt gesagt hat, es gab nichts, was nicht gut gelaufen wäre. Ganz im Gegenteil! Das muss man ihm auch hoch anrechnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Gerade in Krisen wie dieser weltweiten Pandemie, die keiner von uns kennt und bei der nicht abschätzbar ist, wie sie sich weiterentwickeln wird, bedarf es besonders viel an Sensibilität und an Kommunikation. Worum geht es? – Darum, Dinge transparent zu kom­munizieren. Wir alle haben in dieser Pandemie gelernt. Es gab keine wie immer gearte­ten relevanten Daten zuvor, sondern wir mussten alles einfach wöchentlich adaptieren, Zahlen, Fakten, Daten vergleichen und dann die entsprechenden Schritte setzen; und das ist auch passiert. Was ist in dieser Situation besonders gut? – Wenn sich eine Regie­rung als Team mit dem Bundeskanzler an der Spitze präsentiert und entsprechend auf­tritt. Das verschafft allen Sicherheit und Ruhe in einer wirklich ungewohnten, herausfor­dernden Situation. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt kurz zu Tirol – meine Tiroler Kollegen werden dann noch detailliert dazu Stellung nehmen –: Was hat der Landeshauptmann getan? – Er hat sofort Wert darauf gelegt, dass Experten die Geschehnisse evaluieren und dass man daraus Schlüsse zieht – heute im Landtag gab es schon genau diese ersten Schlüsse –: Wie hat das Krisenma­nagement funktioniert? Wo liegen die Stärken? Wo liegen die Schwächen? Was können


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wir alle daraus lernen? – Das ist durchaus etwas, wovon andere Bundesländer und auch die Bundesregierung profitieren können. Das nennt man Krisenmanagement, und das hat funktioniert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Coronakrise hat uns gelehrt, dass wir nicht genügend Wissen, nicht genügend Res­sourcen hatten, um diese Krise zu beseitigen. Sie hat uns aber auch gelehrt, dass wir Schritt für Schritt mit dieser Krise zurechtkommen können, sowohl was die gesundheits­politischen als auch was die wirtschaftspolitischen Aspekte betrifft. Gesundheit funktio­niert nicht ohne Wirtschaft und Wirtschaft nicht ohne Gesundheit, das muss uns bit­te immer gegenwärtig bleiben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Jakob Schwarz.)

Lassen Sie mich mit zwei Feststellungen schließen: Das Virus ist keine parteipolitische Veranstaltung, sondern das Virus ist etwas, was uns gerade jetzt durch eine harte Zeit im Herbst und im Winter begleiten wird und dem wir alle nur gemeinsam begegnen kön­nen.

Ich habe von Prof. Hengstschläger am vergangenen Sonntag ein Interview gelesen, und da war etwas enthalten, was mir sehr gut gefallen hat, und damit möchte ich auch schließen: Er plädiert für eine Mitmachgesellschaft. Ich richte an Sie hier im Plenum und an alle, die in Österreich leben, den Appell: Seien wir doch dabei bei dieser Mitmachge­sellschaft, um dem Coronavirus in Zukunft gut begegnen zu können und gut durch diese Krise zu kommen! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Klubob­frau Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.


16.33.52

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Sehr geehrtes Hohes Haus! Das hat im Großen und Ganzen sehr gut funktio­niert. – Ich glaube, es wissen alle, wo das zu hören war, nämlich gestern im Ö1-„Mittags­journal“. Das waren die Worte unseres Bundeskanzlers zum Thema Ischgl. Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission zu Ischgl zeichnet ein ganz anderes Bild und kommt zu einem gänzlich anderen Schluss.

Blicken wir zurück – einiges wurde schon gesagt –: Am 4. März informieren die isländi­schen Behörden mittels des europäischen Frühwarnsystems, des EWRS, das Land Tirol und die Bundesregierung – es ist das Bundesministerium für Gesundheit – über Urlau­ber, die sich in Ischgl mit Corona angesteckt haben. Das sind Warnungen, Warnungen internationaler Natur, die offenbar von den Behörden, sowohl von den Tiroler Behörden als auch von den Gesundheitsbehörden im Bund, nicht wirklich ernst genommen wur­den. Sie wurden in den nächsten Tagen sogar heruntergespielt.

Es folgen Tage, an denen immer mehr Warnungen aus immer mehr Ländern in Europa eingehen, die Zahl der Infizierten in Europa steigt. Trotzdem passiert nichts, tagelang passiert nichts, acht Tage lang passiert nichts! Die Lokale, die Seilbahnen, die Pisten, alles ist weiter voll mit Tausenden, ja Zehntausenden internationalen Urlaubern. Die Bundesregierung wird nicht tätig und das Land Tirol wird nicht so tätig, wie man es erwarten dürfte. Aber alles hat im Großen und Ganzen sehr gut funktioniert, sagt Se­bastian Kurz.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses Nichthandeln, diese Zögerlichkeit, diese Un­entschlossenheit hatte, und das wissen wir spätestens heute nach diesem Bericht, dra­matische Folgen: Von Ischgl aus verbreitete sich das Virus in ganz Europa. Tausende, laut Medienberichten über 11 000 Coronainfizierte gingen allein von Tirol aus. Da waren zum Teil schwere Coronaerkrankungen dabei, es gab auch Todesfälle, die auf Ischgl


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zurückzuführen sind. Aber alles hat im Großen und Ganzen sehr gut funktioniert, so unser Bundeskanzler.

Nicht abgestimmt, nicht vorbereitet und – wie wir wissen – auch nicht zuständig kündigt Sebastian Kurz am 13. März damals in einer seiner Pressekonferenzen eine Quarantäne für das Paznauntal und Sankt Anton an. Ja, wir haben bereits gehört, was das zur Folge hatte. Es löste genau das aus, was immer passiert, wenn man nicht abgestimmt ist, wenn man nicht vorbereitet ist: Man löst Panik und Chaos aus. Also wenn man eines im Krisen­management lernt, dann dass man zwei Dinge unbedingt vermeiden muss, nämlich Pa­nik und Chaos. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Panik und Chaos haben genau zum Gegenteil einer Viruseindämmung geführt, sie ha­ben dazu geführt, und das haben wir auch schon gehört, dass Zehntausende Urlauber sich von einer Stunde zur nächsten in Busse gesetzt haben, dicht gedrängt, auch in Züge, und das Land verlassen haben. Genau dieses Chaos hat bei der Virusverbreitung in Europa wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Das war die Folge einer nicht vorberei­teten Pressekonferenz außerhalb des Zuständigkeitsbereichs. Aber alles hat im Großen und Ganzen sehr gut funktioniert – laut Sebastian Kurz.

Diese Einschätzung teilt er im Übrigen in Österreich nur mit einem, und das ist der Tiroler Gesundheitslandesrat Tilg. Auch der kam heute schon zur Sprache, weil er in einem legendären „ZIB 2“-Interview ebenfalls die Meinung vertreten hat, alles richtig gemacht zu haben. Man kann also annehmen, dass Sie zumindest in dieser Frage sehr gut mit­einander abgestimmt sind.

Ob mich das fröhlich stimmt? – Nein, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.) Die bisher bekannten Fakten und der Bericht der unabhängigen Kommission zei­gen nämlich ein völlig anderes Bild, sie zeichnen ein Bild des Multiorganversagens. Sie zeichnen ein Bild des Brechens aller Regeln des Krisenmanagements. Das ist der Suk­kus des Berichts der unabhängigen Tiroler Expertenkommission. Und ich bin dankbar und froh, dass diese Kommission letztlich auch auf Druck und Initiative der SPÖ Tirol zustande gekommen ist und vieles ans Tageslicht gebracht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Dornauer! Dornauer!) – Genau.

Diese Kommission, das wissen wir heute und das war der Auftrag, hat unter erheblichem Zeitdruck gearbeitet. Umso bemerkenswerter ist, wie umfassend und gut dieser Bericht am Ende geworden ist. Eines ist aber klar: Es konnte nicht alles aufgearbeitet werden. Da wurden viele Fragen aufgeworfen, die es in den nächsten Wochen und Monaten noch zu beantworten gilt.

Die heutige Dringliche Anfrage empfinde ich als einen wichtigen weiteren Schritt auf dem Weg der notwendigen parlamentarischen Aufklärung. Diese Aufklärung, sehr geehrte Damen und Herren, ist notwendig, weil es wichtig ist, aus Fehlern so schnell wie möglich und so rasch wie möglich zu lernen, denn Ischgl, und das haben Sie bereits gesagt, Herr Bundesminister, darf sich nicht wiederholen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hörl: Pande­miekonzept? Was ist Ihr Pandemiekonzept?)

Es ist wichtig – für die Bevölkerung, für uns als Parlament, aber vor allem auch für Sie als zuständige Behörde –, zu wissen, warum da eigentlich erst tagelang verzögert ge­handelt wurde. Warum wurde acht Tage nicht entschieden? – Acht Tage: eine lange Zeit, eine wertvolle Zeit.

Warum hat die Regierung einfach nur zugesehen oder weggeschaut? Warum wurde acht Tage lang innerhalb der Bundesregierung und innerhalb des Landes Tirol Verant­wortung herumgeschoben und abgeschoben? Bei einer Gesundheitskrise zählt nämlich jede Stunde, zählt jeder Tag – das ist aber kein Coronaspezifikum, das ist nicht überra­schend, das ist nichts Neues für uns, das hätte schon bekannt sein sollen –, und gerade


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wenn es um Infektionen geht, dann wird durch Zögern und Warten vor allem eines ge­fährlich (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer): dass es zu einer unkontrollierten weiteren Ausbreitung kommt und dass aus einem Virusschneeball eine Coronalawine wird. In acht Tagen ist es eine solche geworden, die ganz Europa erfasst hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun lassen Sie mich zum Schluss kommen – und zu einem ganz wichtigen Punkt, den ich und den wir als SPÖ seit März vehement einfordern, auch hier im Hohen Haus: Das ist Verantwortung. Das ist zentrale Verantwortung (Abg. Hörl: Wo war Ihr Konzept? Wo war Ihr Konzept?) im Kampf gegen eine Pandemie, die eine solche Dimension hat, im Kampf gegen eine Gesundheitskrise, die eine Jahrhundertkrise ist. Dieser Kampf kann nur mit einer klaren Verantwortung, mit einer zentralen Steuerung und einer zentralen Koordinierung erfolgreich sein. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ja, denn erst diese Klarheit ist Basis, Herr Wöginger, für rasches Handeln und für rasches Entscheiden. (Abg. Wöginger: ... der SPÖ!)

Genau das, dieses rasche Handeln, diese Entschlossenheit, hat in Ischgl gefehlt. Genau das war der Fehler in Ischgl: die fehlende Entscheidung, die fehlende Verantwortung – und wenn Sie so wollen, ist Ischgl die Offenbarung der Verantwortungslosigkeit (Heiter­keit der Abg. Kirchbaumer) des Coronakrisenmanagements unserer Republik. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn dieser Expertenbericht jedoch eines ermöglicht, dann die Chance, aus diesen Fehlern, die aufgezeigt wurden, zu lernen. Übernehmen Sie bitte diese Verantwortung, Herr Bundesminister, und da meine ich auch die restliche Bundesregierung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte. (Abg. Wöginger: ... Dornauer!)


16.42.34

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich muss sagen, ich habe ein leichtes Déjà-vu, wenn ich heute hier stehe. Es kommt mir ein wenig so vor wie im heurigen Frühling – im April, als es nach der Pressekonferenz von Prof. Allerberger von der Ages, der den Ischglcluster aufgeklärt hat, hier im Hohen Haus eine entspre­chende Debatte über die Vorgänge und das Krisenmanagement in Tirol gegeben hat und die Bundesregierung und der Herr Bundesminister sich hier an die Regierungsbank gestellt und behauptet haben, alles habe hervorragend funktioniert, man habe keine Feh­ler gemacht.

Heute haben wir einen Bericht einer unabhängigen Expertenkommission rund um den Vorsitzenden Dr. Ronald Rohrer vorliegen, und dieser Bericht zeigt unglaubliche Verfeh­lungen und Versäumnisse auf. Weil Sie uns als Opposition auch in der Vergangenheit nicht zugehört haben und nicht geglaubt haben, wenn wir Punkte kritisiert haben, möchte ich etwas aus dem Bericht zitieren:

Punkt 1, zu den fehlenden Vorbereitungen im Gesundheitsministerium: „Obwohl die Be­amten des im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung zuständigen Bundesministeri­ums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Covid-Entwicklung seit Dezember 2019 beobachteten, wurden die rechtlichen Grundlagen der in mittelbarer Bundesverwaltung zu ergreifenden gesundheitsschützenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet. Der in Arbeit befindliche Pandemieplan wurde nicht veröffent­licht. Das Epidemiegesetz 1950 wurde weder - für die nachgeordneten Behörden er­kennbar - auf seine Anwendbarkeit“ im Tourismus „geprüft, noch wurden rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobilität anzupassen.


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Praktikable Auslegungsmöglichkeiten des Gesetzes wurden nicht wahrgenommen bzw. nicht an das Land und die Bezirksverwaltungsbehörden kommuniziert. Dadurch wurden die Bezirksverwaltungsbehörden in ihrer Entscheidungsfindung nicht unterstützt und das erforderliche rasche Eingreifen behindert“ (Zwischenruf des Abg. Hörl – Zwischenruf bei der SPÖ) – „behindert“ schreiben die Experten da, das ist keine Aussage von mir, son­dern das haben die Experten festgestellt. (Abg. Kickl: Wenn das ein anderer gemacht hätte!) Das hat das Bundesgesundheitsministerium in der Vorbereitung dieser Krise ge­leistet.

Dann kam es zu einer völlig unzureichenden Kommunikation im unmittelbaren Akutfall, als die Krise dann schließlich eskaliert ist. Die Kommunikation zwischen den verschiede­nen Behörden auf Bezirkshauptmannschaftsebene, auf Landesebene und auf Bundes­ebene war völlig unzureichend, wurde aber Gott sei Dank auf Bundesebene hinaufge­rissen – und was die Experten dazu sagen, möchte ich Ihnen auch verlesen, denn ich gehe davon aus, dass viele von Ihnen den Bericht im Detail gar nicht so genau studiert haben.

„Am 13.03. kam es unmittelbar vor der Pressekonferenz des Landeshauptmanns zu ei­nem Telefonat zwischen diesem und dem Bundeskanzler. Der Bundeskanzler teilte mit, dass im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Gesundheitsminister die Qua­rantäne für das Paznauntal und St. Anton a. A.“ – am Arlberg – „ausgesprochen werden soll. Der Bundeskanzler erklärte, die Bundesregierung sei zuständig und übernehme auch die Kommunikation. Der Landeshauptmann erklärte sich einverstanden, verwies aber darauf, dass sich jetzt die Stäbe rasch zusammensetzen müssen, um die Details auszuarbeiten, weil es diese noch nicht gibt. Der Landeshauptmann verständigte unmit­telbar nach dem Telefongespräch den Landesamtsdirektor, damit die erforderlichen Vor­bereitungen getroffen werden. In die weitere Vorgehensweise erachtete sich der Lan­deshauptmann nicht mehr eingebunden, weil das eine Entscheidung des Bundes ge­wesen sei.“

So, was hat der Bund nun gemacht? Was hat Bundeskanzler Kurz gemacht? Was haben Sie gemacht, Herr Bundesminister Anschober? – Sie haben unmittelbar nach diesem Telefonat, als die gesamten Vorbereitungsarbeiten für die Quarantänemaßnahmen und Evakuierung noch nicht getroffen sind, um 14 Uhr eine Pressekonferenz gemacht, in der Sie die sofortige Abriegelung des Paznauntals und von Sankt Anton bekannt gegeben haben. Was damit dann ausgelöst wurde, das kann ich Ihnen auch aus dem Bericht vorlesen, falls Sie das nicht glauben: „Die Ankündigung der Quarantäne über das Paz­nauntal und St. Anton a. A. durch den österreichischen Bundeskanzler erfolgte ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, überraschend und ohne Bedachtnahme“ auf die not­wendigen substantiellen Vorbereitungen. Das hätte die Landesregierung nach dem Tele­fonat ja gerade erst veranlasst. „Die dadurch bewirkte unkontrollierte Abreise hat eine sinnvolle epidemiologische Kontrolle behindert.“

Wissen Sie, was das heißt? – Dass durch die Maßnahmen und Taten der Bundesregie­rung die Eindämmung der Epidemie maßgeblich behindert wurde.

„Es war ein Kommunikationsfehler, dass die Frage der durch den Bundeskanzler ange­kündigten Quarantäne davor nicht rechtzeitig unter Einbeziehung der Bezirkshaupt­mannschaft Landeck abgeklärt wurde und niemand aus der Bundesregierung bzw. den dort eingerichteten Stäben oder von den Verantwortlichen des Landes Tirol den Bundes­kanzler darauf hinwies, welche schwerwiegenden Konsequenzen die mediale Ankündi­gung einer ‚sofortigen‘ Isolierung des Paznauntales und von St. Anton […] in der Praxis nach sich ziehen wird, sowie dass es dringend erforderlich ist, einen Hinweis auf die fortbestehende Ausreisemöglichkeit für ausländische Gäste […] zu machen.“

So, und was war nun die Folge von diesem vollkommen unkoordinierten Vorgehen und diesem Alleingang der Bundesregierung? – Ein totales Chaos im Paznauntal, in Ischgl


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und in Sankt Anton, Panik nicht nur unter den Einheimischen, sondern auch unter den Urlaubern. Teilweise wurde Hab und Gut zurückgelassen und wirklich fluchtartig ver­sucht, das Tal zu verlassen – was aber gar nicht so leicht war, weil kurz nach dieser Pressekonferenz der Seilbahnbetrieb eingestellt wurde. Da sind Touristen auf den Ber­gen festgesessen und konnten gar nicht mehr ins Tal hinunter. Die ÖBB haben die An­bindung eingestellt, dann kursierten Gerüchte über Ausreiseformulare, die nicht vorhan­den waren – sprich das totale Chaos. 15 Kilometer lange Staus an den Polizeikontrollen, die ja anfänglich reine Verkehrskontrollen waren, weil nämlich laut dem Bericht des Expertenteams die zuständige Verordnung aus dem Bundesgesundheitsministerium die Bezirkshauptmannschaft erst um 19.20 Uhr erreicht hat – 5,5 Stunden (Bundesminister Anschober: Das kann nicht wahr sein, dass das fünfeinhalb Stunden nach der Konfe­renz war! – Abg. Kickl: Pfusch! Von vorn bis hinten!) nach der Pressekonferenz. (Zwi­schenruf bei der SPÖ. – Bundesminister Anschober: Wieder falsch – falsch, alles falsch, was er da sagt! – Abg. Kickl: Na Sie! Sie sind der Oberpfuscher! – Heiterkeit des Bun­desministers Anschober.)

Alles richtig gemacht also? Gutes Krisenmanagement von der Bundesregierung bis nach Tirol? – Wer das als gutes Krisenmanagement und alles richtig gemacht bezeichnet, der befindet sich tatsächlich in einer anderen Realität.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat offenbar bis heute nur sehr wenig aus dieser Krise und aus diesen Fehlern gelernt, denn auch wenn Herr Bundesminister Anschober heute in seinen Ausführungen sehr ausgiebig neue Maßnah­men angekündigt hat und gesagt hat, was nicht alles vorgesehen ist: Viele Dinge, die in diesem Expertenbericht kritisiert werden, werden heute noch genauso praktiziert wie vor sieben Monaten. Noch immer praktiziert die Bundesregierung eine Ankündigungspolitik ohne rechtliche Basis, ohne Grundlage für alle ihre Ankündigungen, und sorgt damit für eine vollkommene Verunsicherung nicht nur der Bürger, sondern auch der ausführenden Behörden.

Ich möchte Ihnen nur noch ein paar Beispiele in Erinnerung rufen: das Chaos um die Betretungsverbote, um Maskenpflicht – ja, nein und wo? –, um die Sperrstunden und Ostererlässe des Herrn Bundesministers, um die angekündigte Teststrategie und Scree­ninguntersuchungen an Schulen, um die Coronaampel, die durch eine Bildungsampel vorab festgestellt wurde. Dann gab es eine vierfarbige Österreich-Ampelstrategie, nun gibt es eine europaweite Ampelstrategie. Wirkliche Konsequenzen hat das alles nicht, und die rechtliche Grundlage dafür wurde teilweise im Nachhinein geschaffen und ist teilweise noch gar nicht vorhanden. Das letzte Beispiel war die ganze Debatte um die Ankündigung einer Registrierungspflicht in der Gastronomie, die Gott sei Dank von uns noch verhindert werden konnte.

All diese Dinge sorgen in keinster Weise für die nötige Sicherheit, sondern sorgen für Chaos und Unsicherheit bei Bürgern und Behörden. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Der zweite wesentliche Kritikpunkt: die rechtliche Grundlage, die Vorbereitungen, die Rahmenbedingungen, die vonseiten des Ministeriums zu schaffen gewesen wären; vor allem das Epidemiegesetz ist und bleibt eine unvollendete Baustelle. Anstatt das Epide­miegesetz über den Sommer neu aufzusetzen, was dringend angesagt gewesen wäre, hat man die Doppelgleisigkeit über das COVID-19-Maßnahmengesetz fortgesetzt.

Man hat Verschlimmbesserungen am Epidemiegesetz vorgenommen. Was hat man da alles angestellt? – Man hat den vollständigen Entschädigungsanspruch für die Betrof­fenen aus dem Epidemiegesetz herausgenommen, man hat massive und unverhältnis­mäßige Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte vorgesehen, was unter anderem auch dazu geführt hat, dass ein Gutteil der Verordnungen, die auf dem Ganzen basierten, vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sind.


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Dann hat man im Sommer – ich würde fast wagen, zu behaupten, in einer Husch-pfusch-Aktion – mit kürzester Begutachtungszeit dreimal den Anlauf unternommen, das Epide­miegesetz über eine Novelle noch weiter zu verschlimmbessern, wobei es nicht nur vom bundeskanzleramtseigenen Verfassungsdienst, sondern auch von unzähligen Experten und Fachgruppen negative, ja vernichtende Stellungnahmen gegeben hat. Auch im letz­ten Expertenhearing am Schluss wurde noch umfangreiche Kritik an der Letztfassung geübt.

All das hat die Regierung aber nicht davon abgebracht, dieses Gesetz in seiner Unvoll­kommenheit trotzdem zu beschließen, anstatt das zu machen, was die Experten fordern, nämlich sich Zeit zu nehmen und das Epidemiegesetz ordentlich neu aufzusetzen, und zwar mit folgenden Inhalten: mit einer klaren Definition der Begriffe und der auslösenden Umstände für die Maßnahmen aus diesem Epidemiegesetz, mit klaren Zuständigkeiten und klaren Kompetenzregelungen über alle Ebenen, mit einem hundertprozentigen Ent­schädigungsanspruch für alle, die von staatlichen Maßnahmen im Rahmen des Epide­miegesetzes betroffen sind, und vor allem ohne unverhältnismäßige Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte.

Sehr geehrter Herr Bundesminister – Herr Bundeskanzler Kurz ist heute leider nicht da, aber dieser Appell ist genauso auch an ihn gerichtet –, beenden Sie diese unsägliche Ankündigungspolitik! Beenden Sie diese katastrophale Politik der Angst und Einschüch­terung! Beenden Sie diese in der Zweiten Republik noch nie dagewesene Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte! Tun Sie Ihre Arbeit, schaffen Sie Klarheit und Transpa­renz und lernen Sie aus Ihren Fehlern! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Wir werden uns in weiterer Folge dafür einsetzen, dass auch das sogenannte Krisenma­nagement nach Ischgl bis heute - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um den Schlusssatz!


Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (fortsetzend): - - von unabhängigen Experten analysiert wird, genauso wie die Geschehnisse rund um Ischgl. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Maurer. – Bitte.


16.52.52

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Ischgl, das ist sieben Monate her. Manchmal fühlt es sich eher so an, als wären es schon sieben Jahre. Zum Glück haben wir seither vieles gelernt, sehr vieles, nämlich über das Virus, über den Zusammenhalt, über die Disziplin der österreichischen Bevölkerung und, ja, selbstverständlich auch über professionelles Krisenmanagement.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei der unabhängigen Expertenkommission unter der Leitung von Dr. Rohrer bedanken. Die Tiroler Grünen haben im April den Vorschlag ge­macht, dass eine solche Kommission eingerichtet werden soll. Sie haben das vorge­schlagen, und ich denke, sie hatten die richtige Idee, wie mit einer solchen Situation möglichst professionell und sachorientiert umgegangen werden kann und muss.

Die Arbeit, die die Kommission geleistet hat, ist beachtlich. Es sind über 5 000 Seiten an Dokumenten gescreent worden, es hat zahlreiche Gespräche gegeben und selbstver­ständlich auch eine Bewertung derselben. Nun liegt uns heute ein Bericht vor, der uns sehr präzise aufzeigt, an welchen Stellen zwingend nachgeschärft, umstrukturiert, ver­ändert und gehandelt werden muss, damit es nie wieder zu einer solchen tatsächlich


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höchst problematischen Situation wie in Ischgl im März kommen kann. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

Was heißt das konkret? Ich finde das vorbildlich und vor allem sehr zweckdienlich, dass Gesundheitsminister Anschober bereits beschlossen hat, dass es eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der Tiroler Landesregierung geben wird, und auch in Tirol sind schon die ersten Schritte gesetzt worden. Die Landessanitätsdirektion wird umstrukturiert wer­den beziehungsweise werden müssen, und die Empfehlungen, die aus diesem Bericht hervorgehen, müssen jetzt eine nach der anderen in Ruhe und mit Professionalität um­gesetzt werden.

So holprig der Start auch war – wir alle erinnern uns an den denkwürdigen Auftritt des Landesrates im ORF, der uns doch eher erstaunt zurückgelassen hat –: Ich bin inzwi­schen zuversichtlich, dass auch in Tirol das Fehlerbewusstsein und die Offenheit für die notwendigen Umstrukturierungen und Veränderungen gereift sind. (Abg. Leichtfried: Es wird noch eine Wortmeldung vom Kollegen Hörl ...!)

Die letzten sieben Monate waren extrem herausfordernd, und es ist zu befürchten, dass es die nächsten sieben Monate auch werden. Die Situation ist aber heute eine komplett andere. Wir wissen viel mehr über das Virus. Wir haben gesehen, welche Maßnahmen wirken und welche wenig Effekt haben. Wir wissen auch besser, welche Begleiterschei­nungen von Maßnahmen potenziell problematisch sind. Wir haben das Epidemiegesetz und damit die rechtliche Grundlage maßgeblich verbessert, auch damit, dass das Hohe Haus über den Hauptausschuss wesentlich besser eingebunden ist.

Ich denke, dass Rudi Anschober in den letzten Wochen und Monaten viele politische Qualitäten gezeigt hat: Da ist zum einen die Ruhe, die er ausstrahlt, mit der er offen­sichtlich in der Lage ist, den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern viel Sicherheit zu geben; das ist offensichtlich so. Andererseits ist es sein Engagement, mit dem er sich auch hier im Parlament einbringt. So ist beispielsweise die Anfragebeantwortung heute sehr ausführlich ausgefallen. (Abg. Leichtfried: Na ja, ...!) Rudi Anschober ist oft auch bei der Behandlung von Tagesordnungspunkten anwesend, die gar nicht quasi seine eigenen sind. Daran merkt man, dass er aus dem Parlament kommt und das Parlament tatsächlich sehr ernst nimmt.

Da wäre auch sein Engagement für die vielen Termine mit GesundheitssprecherInnen, mit besorgten BürgerInnen, mit ExpertInnen, mit Juristen und Juristinnen, bei denen er sich die Kritik, die es gibt, und die Sorgen anhört und sich sehr damit beschäftigt. Ich finde, es ist eine große politische Qualität, genau das zu tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eines finde ich besonders betonenswert, weil es etwas Unübliches und durchaus Neues ist, wie wir auch in dieser ganzen Ischglcausa gesehen haben: Ich finde, dass Rudi An­schober ein neues professionelles Verständnis von Fehlerkultur in die Politik einbringt: Dass man auch einmal sagen kann, ja, das ist nicht gut gelaufen, das war ein Fehler, das müssen wir anders machen, was auch immer. Ich finde es sehr gut, das so zu ma­chen und in aller Ruhe so an die Dinge heranzugehen, und ich denke auch, dass wir alle hier im Hohen Haus uns da eine Scheibe abschneiden und dazulernen könnten. (Zwi­schenruf des Abg. Wurm.)

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns in den nächsten Monaten und Jahren – vor allem natürlich in den nächsten Monaten, die Pandemie wird nicht weggehen – gut zusammenarbeiten und gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Pandemie nicht weiter ausbreiten kann. Ich hoffe, dass es uns gut gelingt, über diese nächsten sieben Monate gemeinsam gut rüberzukommen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Wurm: Starke Rede!)

16.58



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 157

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


16.58.40

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir alle kennen das aus diversen Kinofilmen, aus TV-Serien oder möglicherweise auch aus eigener persönli­cher Erfahrung, nämlich die Situation in einem Operationssaal, kurz bevor die Operation losgeht.

Da stehen viele komplexe technische Apparate herum, da gibt es einen Überwachungs­computer, der ständig irgendwelche Geräusche, akustische Signale abgibt, um die grundlegenden Körperfunktionen wahrnehmbar zu machen. Das Personal ist hoch kon­zentriert, kommuniziert mit kurzen, präzisen Anweisungen. Der Anästhesist verabreicht kurz vorher noch eine Entspannungsspritze und spricht beruhigend auf den Patienten ein, bevor er die Vollnarkose hochfährt. Und dann muss jeder Handgriff sitzen. Langjäh­rig ausgebildetes, meist auch erfahrenes Personal bringt seine ganze Kompetenz ein, damit die Operation zum Erfolg führt.

Hohes Haus! Sie ahnen, worauf ich mit diesem Bild hinauswill. Es ist das Gegenbild zu dem, was in Ischgl passiert ist, es ist das Gegenbild zum Krisenmanagement in Ischgl, zu dem nunmehr sozusagen der Operationsbericht vorliegt.

Die Rolle des Anästhesisten teile ich dem Herrn Bundeskanzler zu. Von ihm sind wir es ja gewohnt, dass er uns in wohlgesetzten Worten in Trance versetzen will, damit wir nicht mitbekommen, worum es eigentlich geht. (Beifall bei den NEOS.)

Es gehört nach dem Bundesministeriengesetz aber auch zu seinen Aufgaben, die Öf­fentlichkeit über die Arbeit der Regierung zu informieren. Darauf beruft sich ja auch der Herr Bundeskanzler im Zusammenhang mit seinem verhängnisvollen Ischglbeitrag.

So zeigt uns also der Expertenbericht einen Anästhesisten, der alles eher als beruhigt und deeskaliert hat, einen, der dem Patienten praktisch zugerufen hat: Es wird ganz brutal gefährlich – rette sich, wer kann!

Für mich ist das insofern sehr verwunderlich, als es ja eigentlich eine Kernkompetenz – ich möchte sagen, die einzige – unseres Bundeskanzlers ist, dass er kommunizieren kann. Dass er so einen schweren kommunikativen Fehler macht, das war wirklich über­raschend, und dieser Kommunikationsfehler hat immensen Schaden verursacht. Durch die Fehlleistung des Anästhesisten wurde aus dem Operationssaal praktisch ein Toll­haus. Die Kontrolle war komplett verloren, das wurde schon von Vorrednern ausgeführt.

In dieser Situation tritt dann Chefchirurg Anschober auf, und der tut – da er sich offenbar auf die Operation in keiner Weise vorbereitet hat – zunächst nichts. Er hat auch offenbar keine Ahnung davon, was er tun soll. Er fuchtelt zwar mit einem Skalpell, sprich mit diversen Verordnungen, herum, welche vom Verfassungsgerichtshof dann später als rechtswidrig aufgehoben werden, kann aber offenbar keinen sinnvollen Beitrag zum Ge­lingen der Operation leisten. Und es wird Sie nicht wundern, wie die Operation ausge­gangen ist.

Verlassen wir den Operationssaal, wenden wir uns der nicht viel trostreicheren Realität zu: Fehler zu machen ist das eine, diese aber dann in dieser Art und Weise abzuhandeln, zu glauben, sie mit einigen wohlgesetzten Worten abtun zu können, das ist das andere. Immerhin bekennen Sie ein, dass Sie Fehler gemacht haben – im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler, der ja nach wie vor alles richtig gemacht hat. Wir müssen aber den Blick auf Konsequenzen haben und unser Tun und Handeln wirklich so ausrichten, dass es wieder zu Vertrauen kommt. Vertrauen ist das Wichtigste, das wir jetzt brauchen, zwi­schenmenschlich und – und damit bin ich in Tirol – auch im Tourismus.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 158

Personelle Konsequenzen werden in Tirol ausgeschlossen. Es wird zwar – damit komme ich noch einmal kurz auf unser Bild vom Operationssaal zurück – im Operationssaal ein bisschen herumgeräumt, da wird ein Kastl verschoben und vielleicht das eine oder das andere verändert, aber das offenbar überforderte Personal, das sich noch dazu an diver­sen Hilfskräften abzuputzen versucht, das bleibt in Amt und Würden, und damit wächst der Schaden erst richtig an.

Die europäischen Reisewarnungen – vor allem die deutsche Reisewarnung – bleiben aufrecht. Ich habe soeben gelesen, die deutsche Bundesregierung hat ab 8. November eine neue Quarantänepflicht für Rückkehrer aus ausländischen Risikoländern angeord­net, der man sich auch nicht mit einem negativen Test entziehen kann. Das ist für unse­ren Tourismus der Todesstoß. (Abg. Hörl: Gefällt dir das, Margreiter?) Der Wintertou­rismus in Tirol wird von geschlossenen Hotels, von geschlossenen Liften geprägt sein. Der wirtschaftliche Schaden, den wir in Tirol und damit in ganz Österreich zu erwarten haben, ist unvorstellbar!

Und ich habe noch niemanden gehört, der wirklich mit Betroffenheit sein Bedauern da­rüber zum Ausdruck gebracht hätte, wie das europäische Ausland jetzt auch über diesen Ischglbericht berichtet. – Das ist verheerend! Mit all dem geht genau das verloren und wird nicht wieder aufgebaut, was im Tourismus ganz wesentlich ist, nämlich das Ver­trauen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dieses Vertrauen ist nachhaltigst geschädigt, und zwar nicht schicksalhaft durch die Pandemie, sondern vor allem wegen der dummdreisten Reaktionen der Politik auf ihre unbestreitbaren Fehlleistungen. Um einen Beitrag in Richtung Wiederaufbau des Ver­trauens zu leisten, bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erweiterung des Untersuchungsmandats der Ischgl-Kommission“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, an die ,Rohrer Kommission‘ heranzutreten und darauf hinzuwirken, diese zur umfassenden, transparenten und unabhängigen Evaluie­rung des Managements der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden mit der Erstellung eines umfassenden Berichtes, mit den in der Begründung genannten Inhalten, zu beauftragen.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

17.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Erweiterung des Untersuchungsmandats der Ischgl-Kommission

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über die Beant­wortung der dringlichen Anfrage der Abg. Loacker, K&K an BM Anschober betr. per Pressekonferenz ins Corona-Chaos: Die Verantwortung von Gesundheitsminister und Bundeskanzler an der europaweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl (3749/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 159

Gegenstand des Berichts der unabhängigen Expertenkommission unter dem Vorsitz von Dr. Ronald Rohrer und deren Prüfung war "das Management der Tiroler Behörden in Zusammenhang mit der Pandemie Covid-19. Das Verhalten von Personen und Insti­tutionen, die nicht als Behörden oder deren Mitarbeiter tätig wurden, war von der Unab­hängigen Expertenkommission nicht zu untersuchen" und wurde nur insoweit berück­sichtigt und beschrieben, "als es mit Maßnahmen der Behörden in Zusammenhang steht oder zum Verständnis der Situation erforderlich ist."

Das Gesundheitswesen ist Bundessache (Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG). Die Landes- und Bezirksbehörden wurden bei Vollziehung des Epidemiegesetzes 1950 in mittelbarer Bundesverwaltung tätig. Der Kommissionsbericht bezog daher die in der Weisungskette übergeordneten Bundesbehörden in die Bewertung der Tätigkeit der Tiroler Behörden nur insofern ein, als deren Aktivitäten "Reflexwirkung" auf die Landesbehörden hatte.

Im Lichte der bereits zu Tage getretenen Fehler im Corona-Management in der Früh­phase der Krise ist es dringend geboten, auch die Rolle der Bundesbehörden genau untersuchen zu lassen.

Die Bundesregierung möge daher an die Rohrer Kommission herantreten und darauf hinwirken, diese zur umfassenden, transparenten und unabhängigen Evaluierung des Managements der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden zwischen 1. Jänner und 15. Mai 2020 mit der Erstellung eines Berichtes beauftragen.

Sie sollen sich dabei insbesondere mit folgenden Vorgängen auseinandersetzen:

1.          Zeitpunkt und Informationsbasis für die Einrichtung der Krisenstäbe des Bundes sowie Zusammensetzung der Krisenstäbe.

2.          Alle Maßnahmen des Bundeskanzlers, des Gesundheitsministers und des Innen­ministers im Rahmen des Krisenmanagements aufgrund der Verbreitung von Covid-19 im Hinblick auf

a. ihre Notwendigkeit,

b. ihre Rechtzeitigkeit,

c. ihre Ausgestaltung,

d. ihre Durchführung.,

e. die Kontrolle ihrer Durchführung,

f. die interne und externe Kommunikation,

g. ihre rechtlichen Grundlagen,

h. ihre Vollständigkeit,

i. ihre Verhältnismäßigkeit,

j. ihre Auswirkungen,

k. ihre Vergleichbarkeit gegenüber anderen Regionen und Staaten,

l. ihre Abstimmung mit den zuständigen Bundesministern bzw. der Bundesregierung.

Als Berichtszeitraum solle der 1. Jänner bis 15. Mai 2020 festgelegt werden.

Die Expert_innen sollen ihren Bericht nach Abschluss der Untersuchung dem Nationalrat vorlegen und der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 160

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, an die "Rohrer Kommission" heranzutreten und darauf hinzuwirken, diese zur umfassenden, transparenten und unabhängigen Evaluie­rung des Managements der Covid-19-Pandemie durch die Bundesbehörden mit der Er­stellung eines umfassenden Berichtes, mit den in der Begründung genannten Inhalten, zu beauftragen."

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Smolle. – Bitte.


17.06.10

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Zuallererst möchte ich einmal ein Kompliment in Rich­tung Tirol machen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich finde es nämlich wirklich herausragend, dass man so zeitnah zu dieser problematischen Situation eine unabhängige internatio­nale Expertinnen- und Expertenkommission eingerichtet hat, mit einem großen Arbeits­auftrag, mit absoluter Transparenz, um diesen Beginn der Pandemie entsprechend auf­zuarbeiten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Tatsächlich ist das ja die Vorgangsweise und die Chance, dass man aus gewissen Vor­gängen erkennen kann: Was läuft gut, was muss verbessert werden, was lernt man für die Zukunft? – Und wenn ich sage, diese Kommission ist nur zwei Monate später schon eingerichtet worden, dann ist es einerseits, wie gesagt, zeitnah, andererseits erscheint es mir aber fast so, wie Kollegin Maurer gesagt hat, als ob sieben Jahre vergangen wä­ren, denn wir haben inzwischen enorm viel dazugelernt, und das meine ich jetzt aus ärztlicher und wissenschaftlicher Sicht.

Denken wir zurück: Die erste Meldung an die WHO, dass etwas im Busch ist, war am 31. Dezember 2019. Kurze Zeit später war das Virus sequenziert, aber erst Ende Jänner hat man offen darüber sprechen können und wurde es kommuniziert, dass die Infektion zwischen Menschen auch möglich ist, womit das Ganze eine neue Dimension gekriegt hat. Und erst zum Zeitpunkt, als das in Ischgl losging, hat sich die WHO dazu bekannt, dass hier eine globale Gesundheitskrise vorliegt.

Das heißt, das war alles sehr, sehr zeitnah und die gesamte Bundesregierung, Bundes­kanzler, Bundesminister, hat die Verantwortung übernommen, hat sich dem gestellt und in dieser schwierigen Situation, in einer Zeit der Ungewissheit die Verantwortung ge­tragen und Entscheidungen getroffen, und sie hat diese Verantwortung die ganze Zeit über in der Covid-19-Krise bis heute wahrgenommen. Das verdient Respekt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Es ist kein Zufall, dass Österreich bisher sehr, sehr gut durch diese Gesundheitskrise gekommen ist. Das ist kein Zufall, dass wir sieben Mal weniger Todesopfer, bezogen auf die Zahl der Bevölkerung, haben als vergleichbare andere westliche Länder. Das bedeu­tet, dass wir Tausenden Menschen in Österreich ein vorzeitiges Ableben erspart haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das ist keine Selbstverständlichkeit und das zeigt, dass entsprechende Kommunikation, Mut zur Entscheidung, Anpassen an die neuen Fakten und die wissenschaftlichen Er­kenntnisse ein guter Weg sind. Wir sind noch nicht am Ende angelangt, denn die Pan­demie ist weiterhin da, und die ist nicht herbeigetestet, wie manchmal behauptet wird, sondern wir haben derzeit etwa 600 Patientinnen und Patienten in Spitälern, gut 100 davon auf Intensivstationen. Die sind nicht herbeigetestet, die sind erkrankt, die sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 161

ernsthaft erkrankt, und das weist uns alle auf die gemeinsame Verantwortung hin, dass wir hier gemeinsam und solidarisch handeln müssen, um weiter gut über die Runden zu kommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich bin überzeugt davon, dass wir das schaffen, ich bin sehr optimistisch. Das Ergebnis der Wienwahl von letztem Sonntag stimmt mich noch optimistischer, denn jene politischen Mitbewerber, die ganz aktiv eine Anticoronamaßnahmenpropaganda betrieben haben, wurden dafür von den Wählerinnen und Wählern nicht honoriert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bitte beachten Sie meine Wortwahl: Ich spreche von politischen Mitbewerbern und nicht von politischen Gegnern, denn wir haben einen Gegner: Das ist dieses verdammte Virus mit all seinen Konsequenzen. Dagegen müssen wir solidarisch vorgehen – da müssen wir als Gesellschaft zusammenhalten, und dann wird das auch gelingen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leicht­fried. – Bitte.


17.11.06

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege, Sie haben das Wort „zeitnah“ verwendet. Ich darf vielleicht eine zeitnahe Reaktion der Bun­desregierung zu Beginn schildern: Am 30.1.2020 hat die WHO den Gesundheitsnotstand verkündet. Am 28.2., also einen Monat später, wurde die erste Coronataskforce in Öster­reich gegründet. – Jo, zeitnah, eh kloar, net? (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, ich möchte Ihnen, wenn schon die Komplimente durch die Gegend fliegen, auch ein Kompliment machen, nämlich für die Dauer der Beantwortung – über den Inhalt kann man diskutieren, aber an der Dauer der Beantwortung könnten sich Ihre Kolleginnen und Kollegen einmal ein Beispiel nehmen. Das war schon etwas, das man nicht so oft hört.

Aber kommen wir zum Inhalt, und da möchte ich Ihnen nur eine Frage stellen, Herr Bun­desminister, nämlich die ganz einfache Frage: Was ist da passiert?

Ich lese Ihnen ganz kurz aus einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ vor: „Die Leute sind wie verrückt abgereist. In Sportgeschäften haben sie die Skier einfach hingeschmis­sen“ – das wird schön gescheppert haben, nehme ich an – „und sind gegangen. Ein Wirt, dessen Gasthausterrasse wegen des schönen Wetters“ berstend „voll mit Gästen war, ging gegen 14:00 Uhr in den Keller, um ein Fass Bier anzuschlagen. Als er zurückkam, war die Terrasse leer. Es war Chaos. Auch die Polizei hat nicht gewusst, was zu tun ist.“

Das sind – bei allen schönen Erklärungen – die Fakten, mit denen die Menschen kon­frontiert wurden. Und ich kann Ihnen die Frage sogar beantworten, um Ihnen jetzt zu ersparen, dass Sie das selbst tun: Ich glaube, Sie haben ein einziges großes Problem in dieser Situation gehabt und wahrscheinlich insgesamt, und dieses Problem heißt Sebas­tian Kurz. Das ist das Problem, das Sie bei vernünftiger Pandemiebewältigung haben, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wurm: Aber das wird er nicht los!)

Ich habe Herrn Kaniak sehr interessiert zugehört, er hat mit einer Lust am Detail ge­schildert, was an diesem Tag geschehen ist, wie das mit den Pressekonferenzen abge­laufen ist und was da überhaupt passiert ist, und man hat da den Eindruck, dass es dem Herrn Bundeskanzler nicht um Sachpolitik gegangen ist, als er mit seiner Pressekonfe­renz vorgeprescht ist, dass es ihm nicht um die beste Lösung gegangen ist und dass es ihm schon gar nicht um die Menschen im Paznauntal gegangen ist. (Zwischenruf bei der


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ÖVP.) Nein, er möchte einfach als Erster die Pressekonferenz abhalten, das war die Idee dahinter. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren, das sieht man ja auch im System: Wer hat denn die Entscheidungen, die Entscheidungsgewalt in den Ministerien und im Bundeskanzleramt übernommen? – Es sind nicht mehr die hoch qualifizierten Beamten, es sind nicht mehr die Diplomingenieure, es sind nicht mehr die Juristen, die Verfassungsjuristen, sondern es sind die Public-Relations-Consultants, es sind die McKinseys dieser Welt – und das ist die falsche Entwicklung. Was ist dann, wenn es so ist? – Dann haben wir verfas­sungswidrige Gesetze, dann haben wir gesetzwidrige Verordnungen und dann haben wir Strafen, die nicht rechtmäßig sind. Niemand kennt sich mehr aus, keiner vertraut mehr auf das, was gilt, und das ist das Problem, das Sie haben, Herr Anschober, und das müssen Sie irgendwie in den Griff bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe Respekt – wie wahrscheinlich die meisten hier – vor dem Rechtsstaat. Das Legalitätsprinzip regelt, wer in solch einer Krise zuständig ist – wer zuständig ist, die Maßnahmen einzuleiten, wer zuständig ist, die Entscheidungen zu treffen, und das ist eben nicht Sebastian Kurz mit seinen unzähligen Beratern, der sich immer wieder vor­drängt und immer wieder vorkommen möchte (Abg. Gabriela Schwarz: ... ist schon Bun­deskanzler!), sondern das sind Sie, Herr Bundesminister, das sind in diesem Fall Sie! Es geht um das Legalitätsprinzip, und es gibt eindeutige Regelungen, wer da zuständig ist, Frau Kollegin.

Deshalb sage ich Ihnen eines: Sie hätten gewarnt sein müssen, denn als all das passiert ist, war klar, dass es einigen in der Bundesregierung egal ist, was den Menschen im Paznauntal passiert (Abg. Gabriela Schwarz: Das ist ungeheuerlich! – Abg. Otten­schläger: Unglaublich!), und dass es einigen egal zu sein scheint, dass der Effekt des­sen, was passiert ist – ja, und das ist unglaublich, Herr Kollege, da haben Sie recht (Bei­fall bei der SPÖ – Abg. Ottenschläger: Ihre Aussage ist unglaublich!) –, dass der Effekt dessen, was passiert ist, ist, dass Österreich der erste Superspreader in Europa war und Zehntausende Menschen in ganz Europa angesteckt wurden. Das ist das Unglaubliche! Dafür können Sie sich genieren, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Verantwortung heißt – jetzt für die Zukunft, um daraus zu lernen –, dass man mit Kom­petenz, mit den zuständigen Organen und mit großer Vorsicht vorgeht, dass man insbe­sondere immer abwägt, welche Grund- und Freiheitsrechte man einschränken kann und welche man nicht einschränken darf und – Herr Bundesminister, ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich das so drastisch sage, aber Sie haben diesen Ausdruck ver­wendet, Sie haben gemeint, die Menschen müssen sich ein bisserl zusammenreißen; ich würde das dann so sagen –: Die Bundesregierung muss sich jetzt bald einmal ein bisserl zusammenreißen. – Herzlichen Dank, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

17.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.


17.17.17

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Zuerst möchte ich mich beim Kollegen Loacker für sein Referat bedanken, in dem er uns chronologisch sehr schön die Causa Ischgl aufgezeigt hat und auch sehr sinnvolle und wichtige Fragen gestellt hat, die meiner Meinung nach heute nur zu einem kleinen Teil beantwortet wurden, sodass man dann wirklich gewusst hat, was genau passiert ist.


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Aber wenn man als Tiroler – und ich bin ja Tiroler, wie man unschwer hören kann – die Allmacht der ÖVP in Tirol kennt – den schwarzen Filz –, dann kann es einen auch nicht verwundern, dass bei diesem Rohrer-Bericht jetzt nicht wahnsinnig Sensationelles, Neues aufgetaucht ist. (Ruf bei der ÖVP: Das ist so eine Unterstellung!) Er ist zwar sehr umfangreich, aber es wird dort vielleicht eher ein bissl nach Bauernopfern gesucht, und das ist für mich dann schon auch ein bissl der Konnex zur Bundesregierung, denn wir haben ja mittlerweile nicht nur seit einigen Jahren in Tirol Schwarz-Grün, sondern haben jetzt auch im Bund Schwarz-Grün, und dieser Filz scheint sich jetzt von Tirol auf Wien durchzuziehen. Und dass dann wenig Transparenz und wenig echte Aufarbeitung he­rauskommen, kann, glaube ich, niemanden überraschen; nur jemand, der sehr naiv ist, hätte hier etwas anderes erwartet.

Was man schon gesehen hat, ist ein Sittenbild dieser Regierung, die sich eigentlich pri­mär auf Pressekonferenzen und Marketing konzentriert und bei der halt dann echte Ar­beit sehr oft auf der Strecke bleibt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Einige Dinge möchte ich vielleicht jetzt im Laufe der Diskussion noch einmal zur Sprache bringen: diese berühmte Pressekonferenz vom 13. März, bei der wahrscheinlich nicht einmal Minister Anscho­ber – er wird es nie zugeben – darüber informiert war, dass Bundeskanzler Kurz da of­fensichtlich die Quarantäne ausruft, völlig überraschend für alle Beteiligten und selbst­verständlich auch überraschend für die Behörden in Tirol. Man muss dazusagen, da hat man auch die Behörden, die kleinen Beamten, die Bürgermeister vor Ort, schon vor voll­endete Tatsachen gestellt, ohne ihnen wirklich zu helfen. Ich sage, da muss man schon die Schuld oben suchen und nicht bei den Beamten vor Ort in Ischgl.

Was ich aber sagen darf oder sagen muss, ist: Ausbaden wird dieses ganze Ischgldi­lemma, sage ich einmal, vor allem die Bevölkerung in Tirol, vor allem jene, die vom Tou­rismus leben. Das sind in Tirol sehr, sehr viele, und die werden für dieses Fehlverhalten einerseits der Tiroler Landesregierung – mit, ganz vorneweg, Landeshauptmann Platter, aber der bekommt ja sein Fett, wie man hört, auch bei vielen Diskussionen im Tiroler Oberland bereits täglich ab, und das zu Recht – auch einmal Verantwortung einfordern, aber das wird andererseits auch im Bund irgendwann entsprechende Konsequenzen haben müssen.

Ich darf schon auch einmal sagen: Bundeskanzler Kurz fühlt sich offensichtlich für alles zuständig, aber leider Gottes für nichts verantwortlich, und er findet es auch heute nicht der Mühe wert, sich hier eine Stunde herzusetzen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Obernosterer und Pfurtscheller.) Das muss man Minister Anschober zumindest zugu­tehalten, dass er sich hersetzt, aber Bundeskanzler Kurz scheint, wenn es irgendwie einmal spannend wird, dann immer weg zu sein. (Abg. Pfurtscheller: Die Anfrage ist ja nicht an ihn gerichtet!)

Was ich auch vermisst habe, ist ein, ich sage einmal, runder Tisch mit allen Beteiligten, wo man sich auch einmal entschuldigt hätte oder versuchen hätte sollen, eine Lösung zu finden, Entschädigungszahlungen anzubieten oder sonst etwas, weil der Kollateral­schaden für Tirol und für den ganzen Tourismus in Österreich natürlich ein ganz massi­ver ist; und die anhängigen Klagen hören ja nicht von selber auf, wie wir alle wissen.

Herr Minister Anschober, was Sie jetzt natürlich schon auch ein bisschen sanft ver­schwiegen haben, das sind diese Tage des 4. März, 5. März und die danach folgenden, an denen ja die ersten Meldungen von den Behörden aus Island beim Gesundheitsmi­nister eingetrudelt sind, woraufhin nichts passiert ist, außer dass das nach Tirol mehr oder weniger weitergeschickt und gesagt wurde: Ja, Tiroler, macht, was ihr wollt, das geht mich mehr oder weniger nichts an! – Da sind sehr, sehr schwere Versäumnisse passiert. Man darf sich auch nicht wundern, dass dann über 10 000 Personen ausgereist sind – wir haben ungefähr von einem Viertel davon die jeweiligen Ausreisedaten. Wer an diesem Wochenende in Tirol unterwegs war – und ich war es, auch am Flughafen –,


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der weiß, was sich da abgespielt hat. Das waren eigentlich filmreife Hollywoodszenen, würde ich einmal sagen.

Herr Minister, eine Antwort, die Sie bis heute auch schuldig geblieben sind, ist: Sie haben nicht genau gesagt, ob Sie dann auch – denn Sie haben ja am 5. März die genauen Namen der Betroffenen inklusive Hotels erfahren – die betreffenden Staaten, aus denen diese Gäste gekommen waren, entsprechend informiert haben. Diesbezüglich habe ich nichts gehört.

Interessant ist – und das ist jetzt auch schon einige Male aufgepoppt, dieser Sache sollte man nachgehen –, dass in den Protokollen des Krisenstabs in dieser Woche das Wort Ischgl offensichtlich nicht einmal vorkommt, wenn man diesen Protokollen trauen darf – außer die Protokolle wurden gefälscht, was ich aber in Österreich, obwohl ich ja einiges gewohnt bin, dann doch nicht annehme.

Ja, Ischgl wird uns, glaube ich, noch eine Zeit lang beschäftigen. Wie gesagt, der Scha­den ist angerichtet, und die Verantwortung für den Schaden liegt für mich schon primär, ich sage es auch noch einmal ganz deutlich, beim Gesundheitsminister und beim Bun­deskanzler, die da etwas in Gang gesetzt haben, ohne die Konsequenzen durchzuden­ken – Konsequenzen, mit denen dann in letzter Konsequenz der kleine Hotelier und Gastronom und Zulieferer in Tirol werden leben müssen.

Wir haben ja heute von einigen auch ausführliche Geschichten zum Thema Covid oder Corona gehört. Ich darf vielleicht, nachdem ich jetzt auch schon sieben Monate mit dem Thema beschäftigt bin und im Gesundheitsausschuss von Ihnen auch nicht immer be­friedigende Antworten bekommen habe, schon auch noch einmal ganz kurz zusammen­fassen:

Fragestellung: Ist dieses Coronavirus jetzt mehr oder weniger ein Killervirus – Fragezei­chen –? Antwort, ganz deutlich: Nein! Trotz dem, was Sie seit März der Bevölkerung vermitteln – und nicht nur Sie, dieser Irrsinn passiert ja in der halben Welt ‑: Dieses Kil­lervirus ist von den Zahlen her einfach nicht nachzuweisen. Punkt, aus, amen. Das be­sagen alle Zahlen, die man sich anschauen kann. (Abg. Pfurtscheller: ... die Steigerung von blöd!) Es ist nicht das Killervirus, das Sie uns seit Anfang des Jahres verkaufen wollen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Pfurtscheller: ... die Steigerung von totaler Blöd...!)

Vielleicht am Rande vermerkt, Frau Kollegin Schwarz: Auch in Ihrer Fraktion haben es die vier Abgeordneten ganz gut überstanden. (Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank!) Ich habe gesehen, auch der Kollege, der letzte Woche noch sehr schwer geschnauft hat, war heute schon gut bei Stimme und Stimmung, und es scheint ihm wieder besser zu gehen. Das freut mich auch für die ÖVP.

PCR-Tests: Sind sie zuverlässig? Was sagen sie aus? – Großes Fragezeichen. Das wä­re ein Thema für eine eigene Diskussionsstunde.

Kommen wir zur Dunkelziffer! Wie hoch ist die Dunkelziffer? (Zwischenrufe der Abge­ordneten Weratschnig und Lukas Hammer.) Da darf ich vielleicht einen kleinen Rekurs zu Ischgl machen. So viel wissen wir ja zumindest aus den Medien – denn den offiziellen Ischglbericht, was die Gesundheitsdaten betrifft, ist der Minister diesem Parlament bis heute schuldig –: 42 Prozent der Ischgler haben Antikörper. Das heißt, für das halbe Dorf dürfte die Geschichte erledigt sein. Man kann auch darauf hinweisen: Wenn Sie heuer im Winter sicher Urlaub machen wollen, dann fahren Sie nach Ischgl! Dort haben Sie die größte Wahrscheinlichkeit, dass Sie das Virus nicht erwischt, weil das halbe Dorf bereits immun ist. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Kommen wir jetzt zur Herdenimmunität, einem auch beliebten Thema: Die Schweden haben das ja ketzerischerweise ins Spiel gebracht. Es spricht ja heute kaum noch je­mand sehr gerne über Schweden. (Abg. Gabriela Schwarz: 6 000 Tote, Herr Kollege!)


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Die Frage wird sein: Wann kommen wir zu dieser Herdenimmunität? (Abg. Gabriela Schwarz: 6 000 Tote bei zehn Millionen Einwohnern!) Auch was die Fragestellung Imp­fung und natürliche Immunität betrifft: Es kommt mir ja schon so vor, als werde den Imp­fungen, die jetzt in Milliardenanzahl auf uns zurollen – weshalb sich einige Pharmafirmen die Hände reiben –, ein höherer Wert beigemessen als einer natürlichen Immunität, wie sie eben zum Beispiel 42 Prozent der Ischgler bereits haben. – Auch ein Fragezeichen; ich freue mich auf weitere Diskussionen.

Dann auch zum Gesundheitssystem in Österreich – man kann es noch einmal sagen, es war aber vom Start weg bereits Ende März, Anfang April klar –: Das Gesundheitssys­tem in Österreich ist dank der vielen Steuerzahler der letzten Jahrzehnte so gut aufge­stellt, dass es mit dieser Covid-Geschichte leicht zurande kommt. Wir haben nicht einmal annähernd irgendwelche Kapazitätsgrenzen erreicht, und ich darf es noch einmal erwäh­nen – ich habe es auch letztes Mal gesagt –: Mit dem, was Sie damals an die Wand gemalt haben – und ich kann mich noch sehr gut an Ihre Worte hier im Haus erinnern –, haben Sie allen Angst gemacht. Sie haben gesagt, die Beatmungsgeräte werden ausgehen, so nach dem Motto: Jetzt müssen wir irgendwo noch 10 000 Beatmungsgeräte kaufen, denn sonst bricht alles zusammen. Davon spricht jetzt kein Mensch mehr, weil man fest­gestellt hat, dass Intubieren die schlechteste aller Ideen ist und dass wir auch niemals ein Problem in diese Richtung hatten.

Und was Maßnahmen betrifft: Großes Fragezeichen. Alles, was Sie an Maßnahmen ge­setzt haben, war mit Kollateralschäden in der Wirtschaft, im sozialen, aber auch im ge­sundheitlichen Bereich verbunden, Kollateralschäden, die uns einige Sitzungen hindurch abendfüllend beschäftigen würden.

Ich möchte zum Schluss noch einen Satz sagen, der mir auch mit Blick auf die Phasen des Lockdowns – weil ja hier immer ein zweiter Lockdown im Raum steht – wichtig ist. Ich kann mich noch gut erinnern: Wenn ein 97-Jähriger an oder mit Covid gestorben ist, dann war das eine Schlagzeile in der Presse wert. Wenn aber im damaligen Zeitraum im Jugendschutzbereich Kinder vernachlässigt wurden, weil das ganze System zusam­mengebrochen ist, weil keiner mehr nachgeschaut hat, was in Problemfamilien passiert, dann war das in Österreich nicht einmal eine Fußnote wert. Das sind meiner Meinung nach die falschen Prioritäten, die da gesetzt wurden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Ottenschläger hat sich zu einer tat­sächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.28.27

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu Herrn Kollegen Wurm: Seine Ausführungen wären es wert, hier jetzt eine ganze Latte an tatsächlichen Berichtigungen zu formulie­ren, aber das würde wohl den Rahmen dieser Sitzung sprengen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine tatsächliche Berichtigung bezieht sich aber auf eine Aussage von Herrn Kollegen Leichtfried. Er hat in seiner Rede behauptet, dem Bundeskanzler, der Bundesregierung, dem Herrn Gesundheitsminister sei es bei ihren Entscheidungen nicht um die Menschen gegangen.

Ich berichtige tatsächlich: Bei jeder Entscheidung der Bundesregierung mit dem Bundes­kanzler und dem Gesundheitsminister – und im Übrigen auch bei den Entscheidungen, die wir hier im Hohen Haus diesbezüglich getroffen haben – ist es immer in erster Linie um die Menschen und den Schutz der Gesundheit gegangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Loacker: Das war keine tatsächliche Berichti­gung!)

17.29



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 166

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmei­ner. – Bitte.


17.29.35

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Kollege Wurm, ich weiß schon, Norditalien hat nie stattgefunden, das ist alles erstunken und erlogen, die Million Toten, das kommt alles aus einer Paralleldimen­sion. (Abg. Wurm: Das hab ich nicht behauptet!)

Na ja, Sie haben vorhin so getan, als ob es in Wirklichkeit gar kein Problem gäbe, als ob wir weltweit nicht 38 Millionen Infizierte hätten, nicht über eine Million Tote hätten. Also Sie tun so, als ob es das alles nicht gegeben hätte. Sie tun auch jetzt so, als ob wir nicht gerade 100 Leute auf der Intensivstation hätten. Kommen Sie wieder runter vom Gas, kommen wir wieder zu den Fakten! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Fakten – und dafür möchte ich mich bedanken – hat der Minister dargelegt. Er hat 45 Fragen gestellt bekommen, manche davon hat er zuvor schon neunmal beantwortet. In Vorbereitung auf die heutige Sitzung habe ich mir das einmal angesehen: Es hat ins­gesamt neun parlamentarische Anfragen sowohl von der SPÖ als auch von den NEOS gegeben, die meines Erachtens allesamt vollständig beantwortet wurden, und viele, viele Fragen aus diesen neun Anfragen sind auch in der heutigen Dringlichen Anfrage drin­nen. (Abg. Belakowitsch: Dann war es eh kein Problem!) Also danke für die Zeit und – wie soll man sagen? – auch für die Geduld, das Ganze heute zum Teil ein zehntes Mal eine Stunde lang hier vorzutragen.

Die Kolleginnen und Kollegen von den NEOS tun jetzt im Social-Media-Team so, als ob hier filibustert worden wäre. – Entschuldigung, aber genau das erwarte ich mir von einem Minister, wenn er 45 Fragen plus Unterfragen gestellt bekommt, dass er diese auch an­ständig beantwortet, und das hat er getan. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Genauso hat er alle anderen Anfragen davor bereits anständig beantwortet.

Er hat sich auch heute und auch schon davor nicht hingestellt und gesagt, alles sei super gewesen, alles sei gut gelaufen, sie hätten alles perfekt gemacht und keiner habe einen Fehler gemacht. Ganz im Gegenteil! Dieser Minister war der erste Minister, an den zu­mindest ich mich erinnern kann, der sich hier im Hohen Haus hingestellt hat und nicht nur einmal gesagt hat: Ja, hier sind Fehler passiert, hier müssen wir besser werden. Es wurden Fehler in meinem Haus gemacht, die ich zu verantworten habe. – Das hat davor kein blauer Minister gemacht, das habe ich auch von roten Ministerinnen und Ministern in der Vergangenheit nicht erlebt und, sorry, lieber Koalitionspartner, bei euch habe ich es leider auch noch nicht allzu oft erlebt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Aber gut.

Ein Teil dieses Qualitätsbewusstseins und dieses Fehlerbewusstseins, dieser Fehlerkul­tur, ist es auch, dass man sich eben dieser Fehler annimmt, dass man sich diese ansieht und dass man dann auch entsprechend darauf reagiert. Ein Beispiel dafür ist die Neu­bewertung der Kinder in der Pandemiebekämpfung. Seit 15. September – wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe – werden gemeinsam mit der Gesellschaft für Kinder- und Ju­gendheilkunde neue Vorgaben erarbeitet. Es geht darum, dass man Kinder nicht mehr automatisch als Kontaktpersonen der Kategorie 1 ansieht beziehungsweise sie auch nicht mehr automatisch testet, vor allem dann nicht, wenn sie unter zehn Jahre alt sind.

Ein anderes Beispiel für diese Fehlerkultur ist auch das, was wir hier am 23.9. beschlos­sen haben, nämlich eine Novellierung des COVID-19-Maßnahmengesetzes und eine Novellierung des Epidemiegesetzes, wobei es darum gegangen ist, wirklich rechtsstaat­liche Grundlagen, eine Balance zwischen persönlicher Freiheit auf der einen Seite und den notwendigen Maßnahmen für eine entsprechende Pandemiebekämpfung auf der anderen Seite zu schaffen. Das haben wir am 23.9. mit großer Mehrheit hier herinnen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 167

gemacht. Davor gab es ein entsprechendes parlamentarisches Verfahren, zwei Begut­achtungsverfahren, eine Expertenkommission wurde eingesetzt – also sorry, auch das ist eine Form von Fehlerkultur, eine Form der Herangehensweise, eine Form dessen, das aufzunehmen, was eben an neuen Erkenntnissen, an neuen Sichtweisen da ist, und dementsprechend auch darauf zu reagieren.

Den Kolleginnen und Kollegen, die sich heute hierhergestellt und gesagt haben, es gebe keine rechtlichen Grundlagen für die eine oder andere Maßnahme, sei daher gesagt: Sorry, aber am 23.9. haben wir hier genau diese rechtlichen Grundlagen mit großer Mehrheit geschaffen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Eine letzte Bemerkung noch, weil es hier heute einmal geheißen hat, das rosa Einhorn oder – ich glaube – der rosa Elefant, der Lockdown, wird immer und immer wieder ins Spiel gebracht: Also der Minister rennt seit Wochen sozusagen durch die Gegend und sagt in jedes Mikrofon, das ihm unter die Nase gehalten wird: Wir sind meilenweit von einem Lockdown entfernt! Warum? – Er begründet das, indem er sagt: Okay, wir haben zwar steigende Fallzahlen, Infektionszahlen, aber die Kapazitäten im Gesundheitswesen sind entsprechend vorhanden, wir sind wirklich noch auf einem guten Weg, schauen wir, dass wir die Fallzahlen runterbringen! Die Einzigen, die hier herinnen und auch draußen die Bevölkerung verunsichern, seid ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, und die Kolleginnen und Kollegen von den NEOS, die ihr euch ständig hinstellt und die ganze Zeit von einem Lockdown redet und die ganze Zeit irgendwelche entsprechenden Gerüchte streut. So schaut’s aus! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Und was hat Ministerin Schramböck gesagt?)

Das ist politisches Kleingeld der billigsten Art, das hier gewechselt wird – sorry, aber so nicht! Eine konstruktive, kooperative Oppositionsarbeit sieht meines Erachtens gänzlich anders aus. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gahr. – Bitte.


17.35.03

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit nunmehr sieben Monaten fesselt, fordert und beschäftigt uns dieser Covid-19-Virus: Er hat unser Leben verändert, das Zusammenleben verän­dert, er fordert unsere Systeme – Gesundheitssystem, Sozialsystem, Wirtschaftssys­tem –, und am Beispiel Ischgl, das ja untersucht wurde, sehen wir, wie schnell man im nationalen und internationalen Schaufenster steht. Das Land Tirol hat im Frühjahr aus Gründen von Transparenz und Nachvollziehbarkeit sehr zeitnah eine Expertenkommis­sion eingesetzt, und Vorsitzender Rohrer hat auch ganz klar festgestellt, dass alle Unter­lagen vorbereitet und bereitgestellt worden sind.

Nun liegt ein 287 Seiten langer Bericht vor, der einen Auftrag für die Zukunft darstellt. Es gab noch nie eine ähnliche Situation, es gab keine Krisenpläne, es gab wenige Erfah­rungen, es gab kein Handbuch, und es ist im Nachhinein wohl so, dass man immer ge­scheiter werden kann und einige klüger sind, wie die heutigen Reden auch zeigen.

Es gibt drei klare Botschaften. Der Bericht hat eindeutig gezeigt, dass es keinen Druck vonseiten der Wirtschaft gegeben hat und dass von den Tiroler Behörden mutige und richtige Entscheidungen getroffen wurden; so etwa die frühzeitige Beendigung der Win­tersaison.

Es gibt Verbesserungsbedarf in der Kommunikation. Daraus sollten wir lernen und Schlüsse ziehen.

Landeshauptmann Günther Platter, der heute schon einige Male erwähnt worden ist, war als Krisenmanager immer bemüht, dass wir uns für die Zukunft neu aufstellen. Es wird


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 168

eine Neustrukturierung des Krisenmanagements in Tirol geben – eingesetzt mit dem heutigen Tag.

Was wird also neu gemacht? – Es gibt vier Bereiche: Das Krisenmanagement wird auf neue Beine gestellt. Es wird ein Krisen- und Katastrophenmanagementzentrum einge­richtet, in dem alle Inhalte und Fragen behandelt werden. Es wird Erneuerungen der Krisen- und Katastrophenpläne geben. Und es ist eine Expertengruppe mit unabhängi­gen Experten eingesetzt worden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Tirol nimmt die Anregungen ernst, wir wollen für die Bevölkerung, für die Wirtschaft, für die Zukunft Sicherheit bieten. Es geht darum, dass wir Schnittstellen schaffen, es geht darum, dass wir fehlende Kompetenzen aufbauen und die Kommunikation zukünftig gestalten.

Wie heute schon erwähnt: Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter, wie der Herr Bundesminister betont hat. Wir brauchen ein Miteinander der Bezirkshaupt­mannschaften, des Landes, des Bundes und der Gemeinden. Wir müssen die Menschen in der Krisenbewältigung unterstützen und nicht schlechtmachen. Das kann nur gemein­sam gehen, wir sollten nicht mit dem Finger aufeinander zeigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt geht es ganz klar darum – und das ist entscheidend; die Krise ist noch nicht vorbei, die nächsten Wochen und Monate werden uns weiterhin fordern; gerade aktuell zeigt sich, wie schnell die Zahlen wieder nach oben gehen können –, und das ist für uns alle wichtig und unser aller Auftrag, dass wir vorbildhaft vorangehen. Jeder kann seinen Bei­trag leisten. Ich bitte eindringlich darum, dass wir die Sache nicht bagatellisieren und auch nicht kleinreden, wir sollten aber auch nicht dramatisieren. Ich glaube, es liegt an uns allen gemeinsam, an der Politik, an der Gesellschaft, an allen Bürgerinnen und Bür­gern, dass wir uns für die Zukunft so aufstellen, dass wir Krisen bewältigen können, dass wir das gemeinsam schaffen und dass wir für die Zukunft Wege und Möglichkeiten fin­den, auch schwierige Situationen zu gestalten.

Das heute vorgestellte Budget spiegelt auch den klaren Auftrag wider, dass wir Wirt­schaft und Arbeit in unserem Land in den Mittelpunkt stellen müssen, und daher glaube ich, dass wir diese Krise bewältigen können. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen. – Abg. Leichtfried: Ich glaube, der Herr Kollege Hörl hätte das realistischer darge­stellt!)

17.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


17.39.15

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Kollege Schallmeiner hat erklärt, es würde nur die Opposition von einem zweiten Lockdown reden. – Ich berichtige tatsächlich: In der Diskussion der Wiener SpitzenkandidatInnen am 6. Oktober hat Birgit Hebein einen zweiten Lockdown nicht ausgeschlossen, und am 8. Oktober konnte man in der „Kleinen Zeitung“ lesen, dass ÖVP-Ministerin Schramböck einen zweiten Lock­down nicht ausschließt. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

17.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


17.39.49

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Werter Herr Minister! Ja, es stimmt, das Virus stammt nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 169

ursprünglich aus Ischgl. Es ist ein neuartiges Virus, und wir haben heute sehr viele Mei­nungen gehört – vor allem medizinische Meinungen und Einschätzungen –; was in die­sem Land aber nicht neu ist, ist ein gut funktionierender Rechtsstaat, und darum geht es!

Es geht darum und nicht nur – mit Verlaub, Herr Minister – um Zahlen, Daten und Statis­tiken. Es geht um Menschen. Es geht um die Gesundheit der Menschen und um viele Schicksale.

Die zentrale Aussage der Untersuchungskommission ist eindeutig: Bundeskanzler Se­bastian Kurz hat mit seiner effekthascherischen PR, mit dieser Pressekonferenz am Frei­tag, dem 13., Chaos und Panik verursacht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Nun habe ich erwartet und bin davon ausgegangen – dieses Bild zeichnet sich irgendwie ab –, dass Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Rollenaufteilung dafür zuständig war, uns in Angst und Schrecken zu versetzen, und Sie, Herr Gesundheitsminister, dafür, uns zu beruhigen. Das ist zwar schön und gut, ich hätte mir aber erwartet, dass er sich heute hier auch der Verantwortung stellt und Sie nicht alleine lässt. Sie durften ja bei diesen unzähligen Pressekonferenzen auch nicht alleine auftreten, daran kann ich mich sehr gut erinnern! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir dürfen diese Diskussion nicht auf das Virus reduzieren, sehr geehrte Damen und Herren. Bei dieser Diskussion geht es um die Frage: Wie sind politisch Verantwortliche in einer Ausnahmesituation mit der Krise umgegangen?, und der Befund dieser Untersu­chungskommission – bei deren Mitgliedern ich mich an dieser Stelle ganz herzlich be­danken möchte –, die Aussage ist: Das Krisenmanagement hat nicht funktioniert!

Es bestätigt sich das Offensichtliche: Die Krisenkommunikation war dilettantisch, wider­sprüchlich, in erster Linie geprägt von effekthascherischer PR des Sebastian Kurz. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Was mich besonders ärgert, ist, dass sich immer mehr herausstellt, dass jetzt die Kleins­ten im Gefüge, die vollziehenden Beamtinnen und Beamten, zum Handkuss kommen. Das ärgert mich wirklich, denn was ist an diesem 13. März 2020 passiert? – Die Behör­den sind massiv unter Zeitdruck geraten, sie mussten innerhalb von wenigen Stunden irgendwie reagieren, weil der Kanzler verkündet hat, dass das Paznauntal unter Quaran­täne gestellt wird. Die Wortwahl war extrem missverständlich, und das hat dazu geführt, dass dieses panikartige, fluchtartige Verlassen des Urlaubsortes vonstattengegangen ist.

Nun geht es auch darum, zu fragen: Wie können wir Vertrauen wiedergewinnen? – Wir haben uns als Opposition sehr konstruktiv gezeigt und ich hätte mir gewünscht – einige VorrednerInnen der Regierungsparteien haben heute die Gemeinsamkeit beschworen ‑, dass viele unserer konstruktiven Vorschläge aufgenommen werden. Das, worüber Sie, Herr Gesundheitsminister, jetzt diskutieren, nämlich diese zentrale Schaltstelle, die zen­trale Datensammlung, hat an und für sich unsere Frau Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner schon zu Beginn vorgeschlagen! Darüber denken Sie jetzt nach – aber immerhin. (Beifall bei der SPÖ.)

Eines ist noch wichtig: Am Vormittag hat der Bundesminister für Finanzen gesagt, dass Österreich vom Export und vom Tourismus lebt. Nur, wie gewinnen wir international wieder an Image, an Vertrauen? – Sicher nicht, wenn wir sagen, wir haben alles richtig gemacht. Daher mein Appell: Wir zeigen dann eine gute Fehlerkultur, wenn wir sagen: Wir haben Fehler gemacht, wir benennen sie, wir stehen zu ihnen und betreiben Scha­denswiedergutmachung. – Das vermisse ich aber immer noch und das erwarte ich mir! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.44



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 170

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Pram­mer. – Bitte.


17.44.46

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Gesund­heitsminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Im Gesundheitswesen sind, wie wir wissen, Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Das passiert in mit­telbarer Bundesverwaltung und funktioniert so, dass die Hauptverantwortung der Minis­ter trägt und die Vollziehung durch die Landeshauptleute und die Behörden, die ihnen unterstellt sind, erfolgt.

Das ist ein System, das es in Österreich in ganz, ganz vielen Materien gibt und das sich gut bewährt hat. Dass es natürlich in so einem Sonderfall nicht immer einfach ist, von oben nach unten alle Informationen durchzubringen, hat uns der Bericht gezeigt. Der Bericht der ExpertInnenkommission hat das aufgezeigt, hat es zum Glück aufgezeigt. Er hat aufgezeigt, dass verbesserungswürdige Umstände vorlagen, und das ist auch gut so.

Es hat sich auch gezeigt, dass wir natürlich eine Novellierung des Epidemiegesetzes brauchen – das wissen wir eigentlich seit Februar/März. Aber: Wir haben jetzt eine Pan­demie! Wir sind mitten in einer Pandemie, und zwar in einer, wie wir sie seit 100 Jahren nicht hatten. Natürlich haben wir die Notwendigkeit dieser Novellierung erkannt, jetzt ist aber nicht der Zeitpunkt, an dem wir diese Änderungen vornehmen können.

Stellen Sie sich vor, Sie sind mit dem Rad unterwegs und Sie merken, Sie haben einen Patschen. Dann ist es notwendig, stehen zu bleiben und den Schlauch zu wechseln. Man kann nicht einfach weitertreten und hoffen, dass es eh geht und dass das eh nicht ganz kaputt wird, man muss stehen bleiben und den Reifen wechseln. Dafür braucht man Zeit, diese Zeit haben wir jetzt aber nicht. Was haben wir also gemacht? – Wir sind abgestiegen und sind gegangen.

Das heißt, wir haben nicht das Epidemiegesetz novelliert, sondern wir haben ein COVID-19-Maßnahmengesetz gemacht, und zwar einvernehmlich und alle gemeinsam, weil wir wussten, dass es nicht möglich ist, jetzt einen großen Wurf zu schaffen, der für alle Fälle Vorkehrungen trifft, das Gesetz so zu bereinigen und zu reparieren, dass es wieder in allen Fällen ein gutes Mittel zur Bewältigung solcher Krisen ist. Wir haben ein Hilfsmittel gebraucht, und das war zu diesem Zeitpunkt die richtige Maßnahme.

Die Evaluierung kommt am Ende, und da sind wir noch lange, lange nicht angelangt. Wir sind mitten drinnen in der Pandemie, wir sind mitten drinnen in der Krise. Ischgl konnte jetzt evaluiert werden, weil dort eine abgeschlossene Situation vorlag.

Die Expertenkommission – und sie heißt wirklich Expertenkommission, obwohl dort auch eine Virologin und eine Touristikerin drinsitzen, aber das ist halt Tirol – hat festgestellt, dass es dort Mängel gegeben hat, und darauf kann man reagieren. Das kann man mit­nehmen in die jetzigen Prozesse und in das, was wir jetzt zu tun haben, aber wir sind noch nicht am Ende der Gesamtsituation. Wir können auch noch nicht vergleichen, wel­che Maßnahmen international besser oder schlechter gewesen wären, weil wir noch nicht wissen, wie sich die Maßnahmen, die in anderen Ländern gesetzt wurden, am Ende ausgewirkt haben werden.

Das alles brauchen wir aber! Wir brauchen diese Informationen, wir brauchen diese Er­kenntnisse, diese Erfahrungen, um etwas richtig Gutes zu schaffen. Wir können das Ge­setz, das natürlich, wie wir alle wissen, geändert gehört, nur dann ändern, wenn wir alle notwendigen Informationen haben.

Wir müssen jetzt diese Krise bewältigen. Wir müssen das mit den Mitteln tun, die uns jetzt zur Verfügung stehen, und dafür haben wir hier – wir alle gemeinsam im Übrigen –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 171

die Möglichkeit gewählt, das COVID-19-Maßnahmengesetz zu beschließen. Die Verun­sicherung ist nicht dadurch entstanden. Verunsicherung entsteht auch nicht dadurch, dass die Bevölkerung laufend über alle neuen Fakten und über alle Änderungen infor­miert wird. Die Verunsicherung entsteht dadurch, dass ständig auch hier in diesem Ho­hen Haus alternative Fakten präsentiert werden. Das verursacht die Verunsicherung!

Die Verunsicherung entsteht auch nicht dadurch, dass Anfragen beantwortet werden. Sie haben eine umfangreiche Anfrage mit insgesamt 155 Detailfragen gestellt, und noch während diese Anfrage beantwortet wurde, noch während der Herr Gesundheitsminister gesprochen hat und jede einzelne Ihrer Fragen im Detail, gut recherchiert und mit Fakten unterlegt beantwortet hat, haben Sie schon getwittert: Das dauert alles viel zu lange und auch so kann man die lästige Opposition stillreden! (Abg. Meinl-Reisinger: Sie haben die entscheidenden Fragen nicht beantwortet! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) – Also was wollen Sie denn?

Wollen Sie Informationen oder wollen Sie einfach nur die Öffentlichkeit mit Fragen unter­halten? (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Ja, genau!)

Eine Änderung des Epidemiegesetzes ist notwendig und sie ist sinnvoll. Wir werden sie auch machen, wenn uns alle Fakten vorliegen, und ich hoffe, wir können das alle ge­meinsam machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.50

17.50.32*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Margreiter, ich erteile Ihnen für den Ausdruck „dummdreisten Reaktionen“ einen Ordnungsruf. Ich habe mir das Stenographische Protokoll bringen lassen, um zu sehen, ob das wirklich so in dieser Wortfolge gesagt worden ist.

*****

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hörl. – Bitte. (Ui-Rufe und weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


17.50.51

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Der Bericht der Expertenkommission, 300 Seiten stark, liegt vor. Ich gebe Ihnen recht, Frau Klubobfrau Maurer, dieser Bericht geht eigentlich schon in Rich­tung Fehlerbewusstsein und zeigt auch den unbedingten Willen, die Dinge besser zu machen. Ich glaube, das ist auch die Voraussetzung dafür, dass Tourismus überhaupt funktionieren kann. Wir müssen den Gästen auch in Zukunft Sicherheit vermitteln, denn Sicherheit und Wohlfühlen der Gäste hängen zusammen. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig gewesen, dass wir eine unabhängige Kommission einberufen haben – im Übri­gen ausgehend vom Land Tirol –, die nun diesen Bericht vorlegt.

Ich finde es befremdlich, dass man jetzt schon anfängt, vom schwarzen Filz zu reden – lieber Peter Wurm, deine Aussage enttäuscht mich sehr –, weil man den Bericht zuerst lesen sollte. Wenn man Herrn Rohrer gehört hat, muss man sagen, das war ein sehr komplexes Thema. Auch deshalb hat das so lange gedauert. Immerhin sieben Monate später – exakt sieben Monate nach dem Tag, an dem die Pressekonferenz stattgefunden hat, dem 13. Mai – ist dieser Bericht vorgelegen. Diesen 13. Mai werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen. (Ruf bei der SPÖ: 13. März!) Das war wirklich ein schwarzer Freitag für uns, für Tirol, und natürlich auch für das ganze Land. (Rufe bei der SPÖ: März!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 172

Der Freitag, der 13., war der Tag, an dem wir in Tirol verkündet haben, dass Tirol die Wintersaison beendet. Wenn heute gesagt wird, bis dahin ist nichts passiert, ist es ein­fach falsch. Die ganze Woche war ein einziges Handeln: vom Zusperren der Discos am Samstag (Zwischenruf bei der SPÖ), dem neuerlichen Zusperren der Discos in Ischgl am Dienstag bis zum Zusperren des Ischgler Skigebiets auf 14 Tage am Mittwoch und dem Zusperren von ganz Tirol am Donnerstag. Es wurde also gehandelt, und zwar an­dauernd. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Dass es natürlich, im Nachhinein gesehen, Fehler gab und man etwas hätte besser machen können, ist keine Frage.

Dieser Bericht beinhaltet Kritik, Verbesserungspotenzial, auch Bestätigung und Richtig­stellung. Er stellt zum Beispiel fest – eine gute Erkenntnis –, dass der Virus nicht in Ischgl – das sollten sich hier in diesem Hause auch ein paar hinter die Ohren schreiben (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff) – gezüchtet und geboren worden ist, sondern, wie man inzwischen weiß, aus Singapur gekommen ist (Zwischenruf bei der SPÖ) und über einen französischen Skiort nach Ischgl kam.

Die Wirtschaft, die Seilbahnen, die da immer als gierig hingestellt wurden, haben keinen Druck ausgeübt, weder auf die Bezirkshauptmannschaft noch auf die Politik (Abg. Ho­yos-Trauttmansdorff: Aber der Sebastian Kurz, oder?), im Gegenteil, es wurde das durchgeführt, was befohlen wurde. Ich glaube, das war eine der mutigsten Entscheidun­gen des Herrn Landeshauptmannes Platter, ein Land, ein Wintersportland, das in voller Blüte war, wo die Pisten voll waren, wo alles voll war und alles supergut lief, zuzusperren, obwohl nur in zwei Skigebieten Coronafälle bekannt waren. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Es waren zum damaligen Zeitpunkt – da können Sie schreien, soviel Sie wollen (Zwi­schenruf des Abg. Vogl) – positive Fälle in Ischgl bekannt, und es war ein Fall oder am Schluss zwei oder drei Fälle in Sankt Anton bekannt. Alle anderen Skigebiete waren damals von der Situation völlig unberührt, und trotzdem hat man diese Entscheidung getroffen.

Ja, es gibt Kritik an der veralteten Gesetzeslage, die vorgeherrscht hat, und an der Ab­reise der Gäste. Ich bin ganz gespannt darauf, wie Sie Evakuierungspläne für unser Land, in dem es Täler mit 20 000, 30 000, 40 000 Menschen gibt, machen wollen. Die evakuieren Sie dann in zwei Tagen? Man wird es besser machen können, aber es wird eine unglaubliche Logistik brauchen, um das überhaupt hinzubekommen. Wenn Sie al­lein an das Zillertal denken: Dort befinden sich in der Hochsaison 120 000 Personen und es gibt zwei Straßen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Innsbruck ist gleich groß, das können Sie aufgrund der vielen Straßen evakuieren. Bei uns im Lande ist das, glaube ich, nicht ganz so möglich. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ja, das Land Tirol hat reagiert. Gestern gab es bereits die Neuaufstellung des Krisen- und Katastrophenmanagements – das wurde eh schon gesagt –, dazu hat man sich Ex­perten geholt, Bruno Hersche, einen Katastrophenexperten, der auch in der Kommission saß, und den ehemaligen Militärkommandanten Othmar Commenda.

Für Tirol möchte ich schon feststellen: Was Naturkatastrophen betrifft, sind wir in unse­rem Gebirgsland Spezialisten. Es kann uns nichts passieren. Wenn es Naturkatastro­phen gibt, wenn es Muren gibt, wenn es Lawinen gibt, wenn Sie an Galtür 1999 oder an die Hochwasserereignisse im Paznaun denken: Das alles wurde hervorragend bewältigt, weil wir in jeder einzelnen Gemeinde Bürgermeister haben, die Einsatzleitungen sofort hervorrufen, und sich die Leute sehr zu helfen wissen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Nur, gegen eine Pandemie, Frau Klubobfrau - - (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) – Bitte? (Abg. Meinl-Reisinger: An der Kassa ist das Cha­os!) – Nur für eine Pandemie, Frau Klubobfrau, die wir seit 100 Jahren nicht mehr gehabt haben, können Sie keine Einsatzpläne haben. Ich bin dann gespannt, wenn sie kommen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 173

Wenn Sie nun den Gesundheitsminister dafür kritisieren, dass es diese Pandemiepläne nicht gegeben hat – ich habe das auch schon gehört –, dann, muss ich sagen, müsste man, da er erst drei Monate im Amt war, doch eher die Frage stellen (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff), ob nicht Frau Bundesminister Hartinger-Klein irgendet­was nicht richtig hergerichtet hat oder gar die Klubobfrau der SPÖ, die auch Bundes­ministerin im Gesundheitsressort war. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Viel­leicht hätte man dort früher etwas schneller arbeiten und die Dinge weiterbringen müs­sen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eines sage ich Ihnen noch: Hören Sie endlich auf, hören Sie bitte endlich auf, Ischgl dauernd zu denunzieren (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek) und Ischgl in den Dreck zu treten! (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Ischgl wird immer als die Par­tyqueen der Alpen hingestellt: Ischgl ist ein Dorf mit 1 500 fleißigen Einwohnern, mit ei­nem total super Dorfleben. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.) Ischgl hat 40 aktive Vereine. Die Blasmusikkapelle Ischgl hat über 100 Mitglieder, obwohl die Men­schen alle im Tourismus arbeiten. (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Es gibt 60 aktive Kleinbauern, Züchter. (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Für das alles gibt es Unterstützung von der Silvretta AG. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.) Die Seilbahn, die umsatzstärkste Seil­bahn des Landes, gehört den Ischglern, gehört der Talschaft, gehört den Einheimischen (Zwischenruf des Abg. Scherak), und die sehen sich auch für das Gemeinwohl in dieser Region verantwortlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Verkehr, Sportaktivitäten: Alles wird von der Seilbahn mitfinanziert. (Zwischenruf bei den NEOS.) Ischgl leistet sich derzeit ein Schwimmbad um 60 Millionen Euro. Das haben Sie in Wien vielleicht zwei Mal, aber in Ischgl wird das gebaut, weil man die Gewinne aus dem Tourismus dafür verwenden kann. Ischgl als touristischer Leuchtturm hat außerdem Restaurants mit insgesamt 29 Hauben, 82 Hotels mit vier und fünf Sternen. Das ist Tou­rismus in hochwertigster Form (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff), das ist ein absoluter Leuchtturm in Österreich, der auch international konkurrenzfähig ist. (Zwi­schenruf des Abg. Scherak.)

Der Bericht liegt vor. Es wird daran gearbeitet, das besser zu machen, und ich glaube, dass gerade der Tourismus das allerhöchste Interesse daran hat. Denken wir nun aber an die kommende Wintersaison! Die Häme und die Freude, die ich teilweise in den Ge­sichtern sehe (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS): Herr Leichtfried, das ist ein Beispiel, das ich mir nicht geben möchte. Wissen Sie eigentlich, dass wir auf eine Wintersaison zugehen, bei der gar nicht sicher ist, ob wir sie eröffnen können (neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS), dass Tausende Betriebe, Tausende Familien, Tausende Lebens­existenzen auf dem Spiel stehen?

Was wir nicht gebraucht hätten, war das, was gerade vor einer Stunde rausgekommen ist, nämlich die nächste große Eskalation in der deutschen Bundesrepublik: fünf Tage Pflichtquarantäne. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Sagen Sie mir, welcher deutsche Gast kommen soll, wenn er fünf Tage zu Hause in Quarantäne bleiben muss! (Zwischen­rufe bei SPÖ und NEOS.) Sie (in Richtung NEOS) und Ihr Kollege Oberhofer in Tirol leisten da Vorschub, und Sie machen uns und unser Land lächerlich. (Abg. Meinl-Rei­singer: Sie können doch nicht die Opposition für das verantwortlich machen, was Sie verpfuscht haben!) Schämen Sie sich und auch die anderen! Herr Margreiter, Sie über­haupt am allermeisten! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

17.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Neßler. Dann kommt eine tatsächliche Berichtigung. – Bitte. (Abg. Meinl-Reisinger: Also im Bericht steht nicht, dass die Opposition schuld ist! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS. –


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Abg. Leichtfried: Das war für den Kollegen Hörl eine sehr bedeckte Rede! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


17.58.50

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir wissen, dass wir keine tatsächliche Berichtigung von einer tatsächlichen Berichtigung machen können, aber, Herr Loacker, ich möchte das hier schon richtigstellen: Sie behaupten, Kollegin Hebein hätte gesagt, sie kann sich einen zweiten Lockdown vorstellen. Richtig ist aber, dass sie gefragt wurde, ob sie sich das vorstellen kann, und mittels Taferl hat sie Ja gesagt, mit dem Zusatz, dass sie sich das vorstellen kann, dass es aber umso wichtiger ist, dass wir ihn mit vernünftigen Maßnahmen und aller Anstrengung verhindern. (Zwi­schenruf und Heiterkeit bei FPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Wurm.) Wenn Sie gerne zitieren, dann bitte richtig. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Wurm, zu Ihnen komme ich gleich. (Abg. Loacker: Sie hat Ja gesagt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Was ich zuerst positiv erwähnen möchte – das sehen wir sicher ganz anders (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) –, ist der Ischglbericht, denn der Bericht klärt das Ganze offen, schonungslos und lückenlos auf (Zwischenrufe bei der SPÖ) und ist auch vollkommen transparent präsentiert worden. Da ist von der Expertenkommission sehr gute Arbeit geleistet worden.

Ja, Herr Wurm, Sie sehen das anders, aber in Ihre Richtung würde ich auch gerne noch etwas sagen. Ich bin froh, dass Sie jetzt, während der größten Pandemie, nicht mehr Teil der Regierung sind, denn wenn ich jetzt auf Social Media und so weiter schaue, was da an Verschwörungstheorien von der FPÖ Nahestehenden oder von FPÖ-Funktio­närInnen verbreitet wird, ja dann halleluja! (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Zurück zum Aufdecken statt zudecken: Der Bericht ist auch für das Fehlermanagement wichtig, denn – unsere Klubobfrau hat es angesprochen – Fehler zuzugeben ist nicht einfach. Niemand hier herinnen tut sich leicht, Fehler zuzugeben. Das Fehlermanage­ment in der Politik ist sehr mangelhaft, darum ist es sehr wichtig, dass da Pionierarbeit geleistet wird und dass man einfach sagt: Ja, das ist nicht so gut gelaufen, ja, das hätte man besser machen können!, und sich sogar entschuldigt. Das ist für unsere politische Kultur sehr, sehr wichtig, und dafür möchte ich mich auch bei unserem Minister bedan­ken. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sprechen wir aber über Ischgl, dann kommen wir über kurz oder lang nicht daran vorbei, darüber zu sprechen, welche Ausmaße der Wintertourismus angenommen hat. Viele werden sich an die ORF-Dokumentation zu Ischgl erinnern können – falls sie sie gese­hen haben – und waren wahrscheinlich einigermaßen erstaunt, denn wenn ernsthaft da­rüber geredet wird, dass Pinguine zur Gaudi für TouristInnen nach Ischgl gebracht wer­den, dann frage ich mich schon, ob das nicht spätestens dann eindeutig in eine falsche Richtung geht. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Leichtfried.)

Kollege Hörl, Sie können die tatsächliche Situation jetzt nicht leugnen und sagen, dass es in Ischgl mit der Wintertourismusindustrie keinen Ballermann oder sonst irgendetwas gibt. Natürlich gibt es den, das wissen wir ja alle, und genau darum ist es wichtig, dass wir uns den Wintertourismus genauer anschauen. Und ja, natürlich schaut der Wintertou­rismus aufgrund der Covid-Zeit und aufgrund der Reisewarnungen nicht rosig aus.

Ich möchte jetzt aber einen Schritt zurückgehen und den Wintertourismus anschauen, wie er davor war. Wir wissen, spätestens auch seit der Covid-Krise, dass die Branche trotz der Boomzeiten hoch verschuldet ist. Beim Wachstumswahn, gekoppelt mit dem gegenseitigen Konkurrenzdruck und dem Dogma, immer und immer größer werden zu müssen, frage ich mich schon, wohin das führen soll. Wir müssen von diesem Wettrüsten in den Alpen wegkommen. Der Tourismus muss sich grundlegend verändern, ob wir das


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wahrhaben wollen oder nicht. Die Bevölkerung, gerade in Vorarlberg, Tirol und Salzburg, hat den Wachstumswahn im Tourismus lange mitgetragen, aber mittlerweile leidet die Bevölkerung zum Teil auch darunter. Wenn man sich das anschaut: einheitliche Chalet­dörfer, Verkehrschaos, überteuerte Wohnungspreise, Ballermann in den Alpen fernab von der ursprünglichen Vorstellung, in den Alpen Urlaub zu machen. Das hat sich zum Teil auch zum Gegenpol der Bevölkerung entwickelt, und das müssen wir ernst nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist letztlich eine Abwärtsspirale, ein Wettrennen gegen die Zeit, wovon nur wenige profitieren, worunter aber viele leiden. Wir brauchen weder ein Disneyland in den Alpen mit Nachbildungen – und das gibt es tatsächlich – von Pamela Andersons Brüsten, auf denen man Skifahren kann – es gab Ideen dazu –, noch Pinguine in Ischgl (Zwischenruf des Abg. Wurm) oder irgendwelche weggesprengte Berggipfel, um noch eine Piste mit Kunstschnee zu errichten. Wir brauchen keine Massenabfertigungen mehr! Unser Win­tertourismus wird langfristig nur dann funktionieren, wenn die Natur nicht darunter leidet, die Bevölkerung davon profitiert und Wertschöpfung erzielt wird. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Leichtfried.)

Fehlermanagement braucht es auch in der Tourismuspolitik und im Wintertourismus. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Leichtfried. – Abg. Leichtfried: Das war die passende Antwort auf Kollegen Hörl!)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeord­nete Selma Yildirim zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.04.35

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Hörl hat in seiner Rede behauptet, die Seilbahn – ich gehe davon aus, dass er die Silvrettaseilbahn gemeint hat – gehört der Gemeinde Ischgl. (Abg. Pfurtscheller: Nein, den Bürgern! Er hat gemeint, den Bürgern!) Das hat den An­schein erweckt, als ob sie zu 100 Prozent im Eigentum der Gemeinde Ischgl wäre. Tat­sächlich ist es so, dass sie zu 70 Prozent der Gemeinde Ischgl gehört. Das ist ja das, was uns international ein bisschen in Verruf gebracht hat (Zwischenruf des Abg. Hörl), nämlich die Vorstellung, dass da wirtschaftliche Interessen mit Gesundheitsinteressen abgewogen worden sind. Das ist, glaube ich, eine zentrale Frage und das ist der Grund, warum wir auch an Vertrauen verloren haben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.05


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


18.05.34

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Ministerin! Hohes Haus! Man hat nach sieben Monaten oft auch nicht mehr die richtige Einschätzung, wann wir was gewusst haben, wie der Wissensstand war. Viel­leicht einmal meine persönlichen Erlebnisse: Ich bin am 20. Februar von Wien nach Rom geflogen, und als wir am Flughafen in Rom gelandet sind, waren dort schon Thermo­scans vorgeschrieben und wir wurden am Flughafen registriert. Am gleichen Wochenen­de am Sonntag ist dann ein Zug aus Rom über den Brenner gefahren, in dem zwei Ver­dachtsfälle waren, und der Herr Innenminister hat den Zug noch vor der Grenze anhalten lassen. Die Verdachtsfälle haben sich zum Glück als unbegründet erwiesen, man hat die Menschen registriert, man hat Contacttracing gemacht.

Das Problem dieser Regierung ist, dass sehr viel Show gemacht wird, denn als ich am gleichen Abend in Wien am Flughafen gelandet bin, war genau gar nichts. Das heißt, der Flieger aus Rom konnte ungehindert landen, es wurden keine Personen kontrolliert,


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es wurde kein Fieber gemessen, gar nichts. Ich glaube, das Thema ist, dass man – ge­rade auch in den größeren Parteien – Mechanismen hat, die gut trainiert sind, wenn es den Feind von außen betrifft; aber wenn es dann darum geht, vielleicht im eigenen Land hinzuschauen, dann ist es anders. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch die Worte von Herrn Landeshauptmann Platter im Ohr, als er im Wahl­kampf 2013 plakatiert hat: Wir wollen „keine italienischen Verhältnisse“. Am 23. Februar hat es in Venedig zwei Coronafälle gegeben und aufgrund dieser zwei Coronafälle wurde der gesamte Karneval in Venedig abgesagt. Wenn man dieses Wissen von damals auf jetzt umlegt, was heißt das für Ischgl? Welche Konsequenzen hätte es mit diesem Wis­sensstand und mit dieser Konsequenz, die Italien in der Coronabekämpfung bewiesen hat, gegeben?

Beim Durchschauen der Akten habe ich ein Bild von Mister Bean vor mir gehabt (Zwi­schenruf des Abg. Martin Graf) – ich weiß, die Jüngeren kennen ihn wahrscheinlich we­niger, aber die Älteren kennen ihn noch sehr gut (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) –: Mister Bean hat auf sehr einfache Art und Weise versucht, sein Zimmer neu auszumalen. Er hat in die Mitte des Raumes eine Farbdose gestellt, dann einen Schweizer Kracher mit angezündeter Zündschnur hineingeworfen und die Tür geschlossen. – So ähnlich war auch die Situation in Ischgl. Jeder hat ge­wusst: Das ist gefährlich. Jeder musste mit dem Wissensstand von damals wissen, dass man hinsichtlich dessen, welche Maßnahmen in Ischgl gesetzt werden, vorsichtig vorge­hen muss.

Man kann es bei Mister Bean als lustig empfinden, dass dieser natürlich genau in dem Moment die Tür aufreißt, in dem die Farbdose explodiert. Bei ihm war es ein Mantel, den er im Zimmer vergessen hat. Was aber war der Grund, warum man in Ischgl unkontrol­liert die Tür geöffnet hat? (Beifall bei der SPÖ.) – Der Grund war das große Ego unseres Herrn Bundeskanzlers. (Ruf bei der ÖVP: Geh bitte!) Er hat es nicht ausgehalten, dass der Bezirkshauptmann, so wie es eigentlich vorgeschrieben wäre, und was, wie ich glau­be, in dieser Situation auch angemessen gewesen wäre, diese Schließung veranlasst hätte, sondern er musste es medienwirksam verkünden. Wir haben schon darüber disku­tiert, dass das nicht geordnet passiert ist, es ist Chaos ausgebrochen.

Man kann jetzt natürlich fragen, warum wir den Bundeskanzler kritisieren, wenn doch der Herr Minister hier sitzt, und ich glaube, diese Kritik, die man an den Bundeskanzler richtet, kann man durchaus auch an den Minister richten. Denn wenn man dieses Bild der geschlossenen Tür nimmt, dann bist du (in Richtung Bundesminister Anschober) daneben gestanden, du hast gewusst, das ist gefährlich, diese Tür sollte nicht geöffnet werden, aber du hast es zugelassen. Du hast zugelassen, dass diese Tür aufgeht und das Coronavirus unkontrolliert nach Europa entsendet wird. Das ist damals passiert.

Und ja, es ist generell nicht alles richtig gelaufen, denn wenn ein Bürgermeister eine Verordnung zwei Tage nicht aufhängt, dann ist das kein Kavaliersdelikt. Nein, es wurde auf diese Krise nicht rechtzeitig reagiert, man hat zugewartet; auch das ist Realität.

Vielleicht noch zum Schluss: Ich weiß nicht, wer heute in der Früh das „Morgenjournal“ gehört hat. Dort hat eine Betroffene darüber gesprochen, wie es ihr nach dem Ableben ihres Gatten geht. Und ja, aus konsumentenschutzpolitischer Sicht sind da noch Forde­rungen offen. Es wird Verfahren geben, es wird Klagen geben, es wird Urteile geben.

Lieber Rudi, weißt du, was diese Frau aber eigentlich am liebsten gehabt hätte? – Der Schaden kann mit keinem Geld der Welt wiedergutgemacht werden, aber man könnte sich bei den Menschen für den Schaden entschuldigen, den man durch ein nicht richtiges Vorgehen angerichtet hat. Ich weiß, dass du erst in zweiter Linie dafür verantwortlich bist, entschuldigen müsste sich in dieser Situation der Herr Bundeskanzler. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 177

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.


18.10.42

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Minister! Ich möchte einmal ein allgemeines Wort in Richtung der Grünen richten: Sie waren durchaus auch einmal eine stolze Oppositionspartei, und Ihre Vorgänger haben zu kei­ner Zeit parlamentarische Instrumente infrage gestellt. Wenn Sie wie heute der Oppo­sition vorwerfen, dass sie hier eine oder mehrere Anfragen zu ein und demselben Thema (Zwischenrufe bei den Grünen) an einen Minister richtet, dann richten Sie sich schon selbst auch hinsichtlich des Parlamentarismus, denn jedem Abgeordneten ist es freige­stellt, hier herinnen das Interpellationsrecht in Bezug auf jeden Minister zu nutzen (Abg. Maurer: Korrekt! Deswegen ...!), und er hat auch das Recht, entsprechende Antworten auf seine Anfragen zu bekommen. Und wenn ich zehnmal die gleiche Frage stelle, weil mir die Antwort nicht richtig vorkommt, dann kann ich das machen. Das brauche ich mir von Ihnen nicht vorwerfen zu lassen, und auch die Kollegen von den NEOS nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Man darf sich auf knackige Fragen knackige, kurze Antworten erwarten und kein Ge­schwätz! (Zwischenrufe bei den Grünen.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Zanger, ich ersuche Sie, sich in Ihrer Aus­drucksweise zu mäßigen, vor allem was das Wort „Geschwätz“ betrifft. – Bitte. (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Abgeordneter Wolfgang Zanger (fortsetzend): Mache ich.

Ich bin aber eigentlich deswegen noch einmal herausgegangen, weil Frau Kollegin Prammer von den Grünen gesagt hat, dass die Opposition mit alternativen Informationen Verunsicherung schüre.

Also das ist mir dann schön langsam eindeutig zu viel. Alternative Informationen – also dies und jenes darf man nicht sagen. Alles, was zum Thema Corona gesagt werden darf, ist nur das, was die ÖVP und die Grünen sagen. Alles andere ist falsch und verboten (Zwischenrufe bei den Grünen), alles andere grenzt an Sektiererei. Eine öffentliche solide Diskussion wird nicht zugelassen. Da können Sie mich schon anschauen, Frau Kollegin Schwarz, es ist ja so! (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz. – Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen.)

Jeder Wissenschaftler, jeder Arzt, der eine abweichende Meinung zur Maskenpflicht, zu den Testmethoden hat (Abg. Schallmeiner: Kann sich überall dazu äußern in Öster­reich!), bekommt von Ihnen einen Maulkorb auferlegt (Zwischenruf des Abg. Lukas Ham­mer – weitere Zwischenrufe bei den Grünen), in Form des Symbols der Maske, und darf nichts mehr sagen. (Abg. Wurm: Er hat schon recht!) Alles, was zu diesem Thema zu sagen ist, kommt nur von euch. Ihr regelt auch die Kommunikation zumindest in den regierungsnahen Internetforen so, dass zuerst die Informationen der Regierung kommen und dann mögliche andere Meinungen.

Ihr lasst nichts zu. Das ist Meinungsdiktatur, das ist ÖVP-geführte Coronadiktatur. (Bei­fall bei der FPÖ.)

18.13.44*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Zanger, für den Ausdruck „Meinungsdik­tatur“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP. – Widerspruch bei der FPÖ.)

*****

18.13.58



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 178

Abgeordneter Wolfgang Zanger (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin, ich nehme das zur Kenntnis.

Ich habe aber auch einen Wunsch, ich hätte den Wunsch, dass man offen mit diesem Thema umgeht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Martin Graf und Ste­ger.) Sie schüren Angst, indem Sie den Menschen Maulkörbe in Form von Masken um­hängen. Ich glaube, dass wir dieses Virus auf Dauer nicht werden töten oder verdrän­gen – oder sonst etwas – können. Das heißt, wir müssen irgendwann einmal lernen, damit umzugehen, und dazu brauchen wir Mut! Dazu müssen wir den Menschen und dem Volk Mut machen. Ich würde mir wünschen: Mut statt Angst – und zu lernen, mit dem Virus zu leben, mutig, frei, selbstbestimmt, eigenverantwortlich damit umzugehen (Abg. Maurer: Ich habe gedacht ...!), und auch Meinungen anderer zuzulassen.

In diesem Sinne appelliere ich auch an Ihre Vernunft. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung von Frau Abgeordneter Belakowitsch vor. – Bitte.

*****


18.15.02

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Prä­sidentin, Sie haben jetzt dem Herrn Abgeordneten einen Ordnungsruf für das Wort „Meinungsdiktatur“ erteilt. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) Frau Präsidentin, ich würde Sie bitten, das noch einmal zu überdenken, denn wenn Sie das Wort „Meinungsdiktatur“ hier herinnen nicht zulassen, dann ist das für mich der erste Schritt zu einer Zensur. Ich würde daher schon bitten, das zuzulassen, denn es ist eben auch genau dieses Verhal­ten, das von den Regierungsparteien kommt, dass man für abweichende Meinungen auch schon hier herinnen als Lebensgefährder, als jemand, der auch die Bevölkerung gefährdet, beschimpft wird. Das haben wir in der letzten Sitzung auch erlebt, und daher glaube ich, dass man sich noch einmal genau anschauen muss, ob das tatsächlich einen Ordnungsruf verdient. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.16


18.16.01

Präsidentin Doris Bures: Wenn es jetzt keine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbe­handlung gibt: Frau Abgeordnete, Sie haben recht; das Wort „Meinungsdiktatur“ alleine bedingt noch keinen Ordnungsruf, es ist immer im Kontext zu sehen. Das gilt im Übrigen für alle Ordnungsrufe. Wenn die Formulierung eine war – und ich schaue mir das gerne im Protokoll noch einmal an –, wie ich sie hier gehört habe, nämlich der Vorwurf konkret an Abgeordnete, sie betrieben „Meinungsdiktatur“ (Ruf bei der FPÖ: Ist ja richtig!), dann bedingt das in diesem Kontext einen Ordnungsruf und ist auch so zu bewerten.

Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich zu jenen gehöre – so wie alle anderen, die hier den Vorsitz führen –, die sehr darauf achten, dass das Recht der freien Rede in diesem Haus auch gewahrt wird. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

*****

Nun ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich frage die Fraktionen, die Klubobleute, ob wir auch gleich in den Abstimmungsvorgang eingehen können. – Ja, gut. Dann gehen wir auch so vor.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ho­yos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erweiterung des Untersu­chungsmandats der Ischgl-Kommission“.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich diesem Entschließungsantrag anschlie­ßen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Ruf bei der FPÖ: Alles zudecken!)

18.17.44Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit nehme ich die Verhandlungen über die Punkte 8 bis 11 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.18.08

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Werter Minister! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Eine spannende Diskussion zum Thema Ischgl, Covid und Corona, aber vielleicht eine Frage, die man hier im Plenum schon noch stellen darf – und ich hoffe, dass von den Grünen oder der ÖVP jetzt nicht gleich eine sonderbare Diskussionsverbotskultur einzieht –: Wenn diese ganzen Maßnahmen, die Sie in den letzten Wochen erlassen haben – Maskenpflicht überall, Sperrstunde und so weiter –, so erfolgreich und so wirksam sind, dann stelle ich mir schon die Frage, warum die Zah­len so lange schon täglich steigen. Gibt es da einen Kausalzusammenhang oder sind die Maßnahmen einfach wirkungslos?

Ich kann mir aber schon vorstellen, was Sie jetzt wahrscheinlich als Entschuldigung an­führen: Wenn Sie diese Maßnahmen nicht gesetzt hätten, dann wären die Zahlen noch wesentlich stärker gestiegen. Das ist natürlich eine unüberprüfbare Aussage, aber offen­sichtlich haben die Maßnahmen nicht viel genützt.

Wo es aber „genützt“ hat – und deswegen ist auch die Frau Minister da; Frau Minister Aschbacher ist zuständig für Familie, aber, ganz, ganz wichtig, auch für Arbeit –: Es gibt eine Steigerung der Arbeitslosenzahlen von letzter Woche auf diese Woche um 4 500. 4 500 Personen sind zusätzlich arbeitslos geworden, da stehen Familien dahinter, und wenn das in diesem Tempo so weitergeht, dann kann man sich relativ schnell ausrech­nen, wohin uns das alles führt.

Das hängt schon wieder alles kausal mit den Maßnahmen dieser Bundesregierung seit März und mit der Grundstimmung, die Sie in diesem Land verbreiten – das ist Angst und Panik –, zusammen. Das aber, was wir für den Arbeitsmarkt brauchen würden, wären Zuversicht und Planbarkeit.

Ich darf vielleicht auch noch einmal Folgendes erwähnen, denn da dürfte es offensicht­lich Unterschiede zum letzten Sozialausschuss geben; ich kann den Zusehern vielleicht helfen, es gibt auch Protokolle, die man nachlesen kann: Wir haben Herrn Kopf und Herrn Buchinger vom AMS dagehabt, und die haben ganz erschreckende Ausführungen betreffend Arbeitsmarkt gemacht. Also ich weiß nicht, woher diese Traumdeutungen von manchen Abgeordneten kommen. Erschreckend war vor allem: Die Meldungen ans Frühwarnsystem, das es beim AMS gibt, wo man quasi größere Kündigungen rechtzeitig anmeldet, sind letzte Woche um 130 Prozent gestiegen 130 Prozent Anstieg im Früh­warnsystem des AMS.

Alle Indizien, die wir haben, zeichnen also leider ein sehr dramatisches Bild, und diese soziale Krise kündigen wir schon länger an – oder leider Gottes müssen wir sie ankün­digen. Auch die Frau Minister weisen wir darauf hin, dass man endlich wirksame Maß­nahmen ergreifen sollte, aber das verpufft leider und bringt nicht wirklich Ergebnisse.


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Eine weitere Geschichte, die irgendwann einmal zu klären sein wird, ist folgende: Wir haben ja heute die Budgetrede von Herrn Finanzminister Blümel gehört, was er uns schuldig geblieben ist, ist aber: Wie geht es danach weiter? Wer wird diese rund 100 Mil­liarden Euro, die die Coronapolitik dieser Regierung uns alle gekostet hat, zahlen? Ich bin schon sehr gespannt, ob das die arbeitende Bevölkerung oder die Pensionisten sein werden, ich weiß nicht, wen Sie da rupfen wollen und wo Sie diese 100 Milliarden Euro herholen wollen.

Von einem Wirtschaftswachstum kann nicht die Rede sein, auch das ist vonseiten des AMS ganz klar herausgekommen. Beim AMS erwartet man erst im Jahre 2024 eine Ent­spannung am Arbeitsmarkt. Das heißt, alle Geschichten, die wir von Experten gehört haben, auch in den Ausschüssen, zeichnen leider Gottes ein sehr dramatisches Bild. Ich muss sagen, Frau Minister, ich glaube, Sie bemühen sich, aber Sie werden offensichtlich sehr alleine gelassen, wie man auch an der Regierungsbank sieht. Es ist ja ein drama­tischer Zustand, den wir haben, mit über 400 000 Arbeitslosen und 300 000 Menschen in Kurzarbeit. Da sollte eigentlich die komplette Regierungsmannschaft hier sitzen und der Bevölkerung und dem Plenum erklären, was da los ist und wie man gedenkt, das in den Griff zu kriegen.

Man lässt Sie hier alleine sitzen, und ich hoffe nicht oder ich wünsche es Ihnen nicht, Frau Minister, dass Sie dann ein Bauernopfer sind, wenn es irgendwann einmal nicht mehr zu erklären ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.23


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


18.23.17

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich werde wieder auf die Kurzarbeitsan­träge der NEOS zurückkommen. Das Motto der NEOS lautet sonst ja immer: Weniger Staat, mehr privat!, und jetzt fordert Kollege Loacker plötzlich eine Förderung, unter an­derem ein Bonus-Malus-System für Unternehmen, die gar nicht auf eine Kurzarbeits­unterstützung angewiesen waren. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Scherak.)

Ein weiterer Antrag war, dass das AMS nun Menschen, die in Kurzarbeit sind, eine Voll­zeitstelle vermitteln soll. Also ich weiß nicht, was da bei euch los ist – der Sinn dieser Maßnahmen ist für uns absolut nicht nachvollziehbar. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Kurzarbeit selbst ist ja mittlerweile ein sehr bewährtes und erprobtes System, und dass die Sozialpartner zu Beginn dieser Coronapandemie in Rekordzeit ein System zur Sicherung der Arbeitsplätze verhandelt haben, war die wichtigste Maßnahme zur Stabili­sierung des Arbeitsmarktes. Die Kurzarbeit sichert aber nicht nur Arbeitsplätze, sondern fördert auch – und das ist, glaube ich, ganz wesentlich – den Erhalt der Kaufkraft, und nur so konnte ein kompletter Zusammenbruch unserer Wirtschaft verhindert werden. Das zeigt uns auch, wie wichtig es in diesem Bereich ist, rasch reagieren zu können. In der Zwischenzeit sind wir bei Kurzarbeit Phase drei angelangt; da wird die Arbeitszeit bei mindestens 30 Prozent sein müssen und es braucht auch die wirtschaftliche Begrün­dung durch den Steuerberater, warum Betriebe Kurzarbeit in Anspruch nehmen sollen.

Auch ist es jetzt, glaube ich, wichtig, dass Weiterbildungsmaßnahmen innerbetrieblich möglich sein werden. Dass das nur bis März befristet ist, ist zwar weiterhin eine wichtige Alternative, um keine Kündigungen aussprechen zu müssen – das haben die Sozialpart­ner bis jetzt einmal so vereinbart –, aber ich gehe davon aus, dass das wahrscheinlich noch weiter verlängert werden muss. Bundeskanzler Kurz hat uns ja jetzt mitgeteilt, dass Arbeitsmarktpolitik zu seiner höchsten, obersten Priorität zählen wird, und da schlage


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ich ihm, aber auch Ihnen, liebe Frau Bundesministerin, gleich noch ein Modell vor, das sich auch schon in einigen Betrieben bewährt hat und zur Stabilisierung des Arbeits­marktes und für eine gerechtere Verteilung der Arbeit sehr gut geeignet wäre: Es ist jetzt höchste Zeit für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Niss.)

Die letzte Arbeitszeitverkürzung in Österreich ist nun 45 Jahre her. Seitdem hat sich sehr viel in der Arbeitswelt getan, und wir arbeiten schneller und effizienter als je zuvor. (Ruf bei der ÖVP: Sagen Sie das den Betrieben, die ...!) Reden Sie mit den Unternehmen in Österreich, die das bereits freiwillig gemacht haben! Hören Sie sich an, welche positiven Erfahrungen diese Unternehmen machen und wie gut sich eine reduzierte Wochenar­beitszeit auf die Motivation und die Arbeitsleistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswirkt! Ich denke, wir würden alle davon profitieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.


18.26.46

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Hohes Präsidium! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Ich möchte eingangs sagen, weil hier heraußen immer wieder fällt, dass die Maßnahmen der Bundesregierung schuld daran wären, dass es in Österreich wirtschaftlich nicht so läuft (Abg. Angerer: Wieso? Was dann?): Schuld an dieser Krise ist ein Virus.

Dieses Land, meine Damen und Herren, lebt vom Export und vom Tourismus. Das sind unsere wesentlichen Bringer. Wenn die anderen Länder rund um uns, sei es Italien, die Schweiz oder Deutschland, zumachen, teilweise zumachen, dann wird uns selbst dann, wenn wir nichts schließen und alles ungehindert weiterlaufen lassen, keiner unsere Wa­ren abkaufen und es werden keine Touristen kommen. Der Effekt wäre der gleiche, au­ßer, dass wir mehr Kranke und mehr Tote hätten. Wenn Sie das wollen, dann müssen Sie das hier heraußen auch laut sagen! (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite, was ein bisschen irritierend ist: Es gibt manche AntragstellerInnen oder Redner hier heraußen, die ja quasi mehr oder weniger schon die kommende Pleitewelle feiern, sie förmlich herbeireden, sie ergötzen sich in aller Inbrunst darin und warten da­rauf, vielleicht politische Krisengewinner zu werden.

Gleichzeitig wird dann Zuversicht eingefordert und die Maßnahmen sollen aufgehoben werden. Meine Damen und Herren, es ist ein Widerspruch in sich – insbesondere in Ihrer Rede, Herr Kollege Wurm –, einerseits vorzuwerfen, dass die Bundesregierung nicht in der Lage wäre, die Krise zu managen, und gleichzeitig Zuversicht einzufordern. Diese Zuversicht, Herr Kollege Wurm, müssen wir alle miteinander nach draußen bringen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Selbstverständlich ist Wirtschaft Psychologie, und wenn wir uns hier heraußen hinstellen und uns selbst geißeln und sagen, das ist alles schlecht und es wird katastrophal, dann wird uns das auch auf den Kopf fallen.

Gleichzeitig nehme ich zur Kenntnis, dass mit Ihren Anträgen Covid auch in der Mitte der FPÖ angekommen ist, denn Sie wollen Maßnahmen, Sie wollen weiteres Geld vertei­len. Das ist gut. Selbstverständlich wollen wir in der Krise Geld verteilen, Familien helfen, Arbeitslosen helfen, Unternehmen helfen. Wir haben das nur alles längst getan, was Sie hier beantragen. Wir haben Arbeitslose mit einer Einmalzahlung unterstützt, wir haben jedem Kind im September zum Schulstart 320 Euro extra gegeben – 1,8 Millionen Kin­der. Das sind Sozialmaßnahmen, die Sie nicht übersehen dürfen. Wir haben außerdem Investitionsprämien gemacht. Wir haben bis jetzt Anträge für insgesamt über 1,6 Mil­liarden Euro, wir unterstützen Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land, da­mit sie Investitionen tätigen können. Etwas Besseres können Sie nicht machen. Wenn


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das den Konsum nicht stimuliert, dann, meine Damen und Herren, weiß ich auch nicht, was es sonst sein soll. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte zum Schluss allen eines sagen: Wir werden am Ende dieser Krise, und ein Ende wird kommen, an einem gemessen werden – und ich glaube, wir alle miteinander in der Politik und nicht nur die Bundesregierung –: Wir werden daran gemessen werden, ob wir die Gesundheit und das Leben unserer Landsleute sicherstellen, besser machen und bewahren konnten, und wir werden daran gemessen werden, wie wir wirtschaftlich durch diese Krise gekommen sind.

Dieses Austarieren ist ein schwieriges Unterfangen, aber ich glaube, dass wir das ge­meinsam schaffen können. Und es ist auch Aufgabe dieses Hauses, des österreichi­schen Nationalrates, von hier aus ein Signal zu senden, ein positives Signal, eine psy­chologische Motivation zu geben. Die österreichischen Unternehmer und die österreichi­schen Arbeitnehmer sind gut und stark genug, dass sie es mit unserer finanziellen Über­brückung, mit unserer Arbeitsmarktpolitik schaffen werden – insbesondere ein Dank an Frau Bundesministerin Aschbacher, die hier sehr aktiv die richtigen Maßnahmen voran­treibt (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer) –, und dass wir es gemeinsam schaf­fen werden, daran werden wir gemessen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Ho­sek. – Bitte, Frau Abgeordnete.


18.30.47

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Minister! Ich würde gerne noch einmal ganz kurz auf die Verantwortung des Sebastian Kurz zurückkommen. Wir erinnern uns alle, vor drei Jahren hat er angekündigt, es werde 100 Frauenhausplätze mehr geben. Wir haben null Frauenhausplätze mehr bis heute. Vor dem Sommer hat er angekündigt, es werde tatsächlich so sein, dass für ganz Öster­reich eine Arbeitsstiftung eingerichtet werden wird. Heute wissen wir, wir haben gelernt, dass das nicht so ist, sondern dass Arbeitsstiftungen ein spezielles Modell des Wieder­eingliederns von Arbeit suchenden Personen sind, ein Teil einer Zuwendung an das AMS, Frau Ministerin; diese 642 Millionen Euro auf zwei Jahre. Also die 700 Millionen Euro, die der Herr Finanzminister heute verkündet hat, werden auch auf zwei Jahre auf­geteilt, und der Großteil dieses Geldes ist dem AMS in der Vergangenheit entzogen wor­den. – So viel zur Verantwortung unseres Bundeskanzlers.

Jetzt möchte ich gerne noch auf den Antrag der Freiheitlichen betreffend Covid-19-Maß­nahmenpaket eingehen. Viele unserer Forderungen stehen in diesem Maßnahmenpa­ket, der Rest sind typische ausländer-, ausländerinnenfeindliche Forderungen der FPÖ. Daher konnte es da keine Zustimmung von uns geben. Ich hoffe, wir sind uns hier im Hohen Haus einig, dass Menschen, die hier leben und arbeiten und ihre Steuern zahlen, alle gleich zu behandeln sind und nicht unterschiedlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte zwei Maßnahmen herausgreifen, bei denen wir auf der einen Seite d’accord sind und bei denen Sie in der Verantwortung sind, Frau Ministerin – der Herr Bundes­kanzler hat diese Verantwortung bis heute nicht wahrgenommen –: Das ist, wenn Men­schen arbeitslos geworden sind und nun aufgrund der Coronakrise in die Langzeitar­beitslosigkeit schlittern. Da ist eine Einmalzahlung von 450 Euro, die übrigens nicht alle arbeitslosen Menschen bekommen haben – das muss man dazusagen –, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ich glaube, es wäre wichtig – und das steht im Antrag der Freiheitlichen; das fordern wir schon sehr lange –, dass man zumindest während dieser Coronakrise die Nettoersatz­rate, also 70 Prozent des letzten Bezuges, als Arbeitslosenzuwendung bekommen


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muss, damit man überleben kann (Beifall bei der SPÖ), damit man den Winter überlebt, damit man die Miete zahlen kann und damit es halbwegs weitergeht; mit einer Progno­se – und das ist heute auch schon gesagt worden – der beiden Vorstände des AMS, die nicht so super war. Diese rosigen Schilderungen von Ihnen: Alles wird gut, die Wirtschaft wird anziehen!, allein daran glauben viele nicht, sehr geehrte Damen und Herren, und das muss gesagt werden.

Die zweite Geschichte ist: Was kann sich eine Mutter von Ihren blumigen Ansagen, Frau Ministerin, kaufen, die bis heute aus dem Familienhärtefonds noch keine Zuwendung erhalten hat oder die – und das steht auch im Antrag der Freiheitlichen – bis heute keine Sicherheit darüber hat, wann Herr Faßmann wieder einmal irgendwie im Chaos versinkt und die Schulen schließen? Diesbezüglich muss eine Sicherheit gegeben sein, dass diese Sonderbetreuungszeit, die Sie zwar dauernd verlängern, hält. Aber davon haben die Leute nichts, haben die Mütter, haben die Väter nichts, wenn sie das mit dem Arbeit­geber vereinbaren müssen. Wenn ihnen nicht 100 Prozent des letzten Gehalts ersetzt werden und auch die Unternehmen dieses Geld aus dem Entgeltfortzahlungsfonds zu­rückerhalten, nützt das nichts.

Also was nützen die Ankündigungen, wenn uns die Leute heute zuschauen und keine Sicherheit haben, dass sie irgendetwas davon auch in Anspruch nehmen können, um halbwegs durch diese Krise zu kommen? (Beifall bei der SPÖ.)

18.34


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Christine Aschbacher zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.34.39

Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Gesundheits- und Sozialminister! Liebe Ab­geordnete! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte als Arbeits-, Fami­lien- und Jugendministerin heute hier Stellung nehmen, denn ich bin sehr dankbar dafür, dass wir als gesamte Bundesregierung unseren Schwerpunkt im Budget setzen konnten, nämlich für Arbeitsplätze zu kämpfen, diese zu sichern und auch neue zu schaffen und zugleich auch für Beschäftigung zu sorgen. Hier ein herzliches Dankeschön an alle Be­teiligten, dass das, was wir gesagt haben, auch in Umsetzung kommen wird und in Um­setzung ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zur Klarstellung noch dazu: Die Zahlen und Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind ernst, sie sind sehr ernst. Wir verzeichnen mit dieser Woche über 409 000 Arbeitsuchende oder in Schulung befindliche Menschen. Das ist eine Steigerung um 4 500 Personen zur Vorwoche. Solch eine Steigerung verzeichneten wir auch im Vorjahr. Das bedeutet, dass das derzeit saisonal bedingte Effekte sind.

Nichtsdestotrotz haben wir krisenbedingt nach wie vor 72 000 Personen, die auf Ar­beitsuche sind. Besonders diese Menschen und alle Arbeit suchenden Menschen wollen wir mit unseren konkreten Maßnahmen unterstützen, damit sie so schnell wie möglich wieder in Beschäftigung kommen oder, wenn es notwendig ist – und auch da unterstüt­zen wir massiv mit 700 Millionen Euro –, in Weiterbildung und in Qualifizierung, dass sie bessere Jobchancen haben, wenn die Wirtschaft wieder anzieht, wenn es wieder besse­re und mehr Jobs gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dementsprechend sind auch die arbeitsmarktpolitischen Ziele für das kommende Jahr gesetzt und auch im Verwaltungsrat beschlossen. Das sind fünf zentrale Ziele, die all den Maßnahmen und Programmen, die wir dann mit den Betroffenen gemeinsam umset­zen und ausführen, übergeordnet sind.

Das ist erstens die Vermittlung von Menschen, also diese schnell wieder in Beschäfti­gung zu bringen. Das ist unsere oberste Priorität. Da arbeiten alle Mitarbeiterinnen und


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Mitarbeiter im AMS auf Hochtouren, und für dieses besondere Engagement möchte ich mich auch bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zweitens: die Joboffensive. Die Joboffensive ist eine Investition in die Menschen dort, wo es notwendig ist, dort, wo wir jetzt unterstützen, damit wir die Menschen auch zukünf­tig bestmöglich vermitteln können, nämlich mit 700 Millionen Euro für 100 000 Menschen in den kommenden Jahren. Wir starten damit jetzt im Oktober, das ist ein Maßnahmen­mix. Ein zentraler Mix, eine zentrale Säule darin ist natürlich die Arbeitsstiftung, sind ver­schiedene Arbeitsstiftungen. Da setzen wir auf die bewährten Systeme auf, die regional treffsicher unterstützen, mit den verschiedenen Formen der Arbeitsstiftung.

Aber auch auf Weiterbildungsmaßnahmen setzen wir, weil die Menschen jetzt über den Herbst und Winter die Monate nutzen können, um sich in Digitalisierung, in verschiede­nen Sprachkursen und noch vielem mehr weiterzubilden. Sie sollen sich während der Kurzarbeit oder eben, wenn sie auf Arbeitsuche sind, weiterbilden. Da investieren wir auch, damit sich die Menschen das leisten können. Wir unterstützen mit einem Bildungs­bonus von insgesamt 180 Euro, wenn man länger als vier Monate die Aus- und Weiterbil­dung absolviert. Ab dem ersten Monat wird dieser Bildungsbonus mitüberwiesen.

Zugleich haben wir auch den Schwerpunkt gesetzt, Frauen, Mütter, Frauen insgesamt überproportional zu unterstützen. Das ist beispielsweise auch ein Schwerpunkt in der Joboffensive. Programme, von denen wir wissen, die brauchen noch mehr Unterstüt­zung – wie Job Navi für junge Mütter oder auch Frauen in Technik –, werden ausgebaut und bekommen auch wieder regional dort Unterstützung, wo es eben auch den Bedarf gibt. Auch der Arbeitsmarkt ist ein Markt mit Angebot und Nachfrage, diesen wollen wir weiterentwickeln und die Chance auch nutzen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn wir schauen: Selbstverständlich gibt es dort und da zurzeit einen Fachkräfteman­gel. Jetzt, in dieser Situation, ist es uns ein zentrales Anliegen – und da wird auch der Schwerpunkt im nächsten Jahr sein –, diese Lücke zu schließen, sodass wir die Men­schen mit einer verstärkten Berufsorientierung dorthin entwickeln und qualifizieren, wo sie sich auch nachhaltig am Arbeitsmarkt sehen. Wir wollen diese Lücke schließen, zu­gleich investieren wir aber auch in besondere Zielgruppen, wie dass wir beispielsweise – das wurde vorher schon angesprochen, da wurden wir in der Debatte durch die Dring­liche unterbrochen – 40 Millionen Euro zusätzliches Budget im kommenden Jahr haben, nämlich für die Integration von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt. Es geht ja auch darum, gebraucht zu werden, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen und auch eine Tagesstruktur zu haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mir in den letzten Wochen einige Beispiele angesehen, wie wir das noch besser weiterentwickeln können, um Menschen mit Behinderung bestmöglich dabei zu unter­stützen, im Arbeitsmarkt nachhaltig Fuß zu fassen.

Dementsprechend wird bei der fünften Zielsetzung der Schwerpunkt auf die Jugendli­chen gelegt. Es wurde heute schon mehrmals erwähnt, und Sie wissen, es ist mir und, ich kann sagen, der gesamten Bundesregierung ein Herzensanliegen, dass wir keine Lost Generation zurücklassen, sondern den Jugendlichen Chancen, Mut und Perspekti­ven geben. Wir haben im Zuge der Taskforce für Jugendbeschäftigung einige Maßnah­men zur Umsetzung gebracht, die ich gerne im Rahmen einer Zwischenbilanz schildern möchte.

Zuvor aber möchte ich Ihnen noch kurz den Status quo mitteilen: Wir haben 6 000 Arbeit suchende Jugendliche mehr als im Vorjahr. Zugleich ist es uns gelungen, dass wir seit dem Höchststand von Mitte April 25 000 Jugendliche wieder in Beschäftigung bringen konnten. Jede und jeder Einzelne, die/den wir wieder in Beschäftigung bringen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir tun alles dafür, um die Jugendlichen bestmöglich zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Wir konnten aus einer Lehrstellenlücke, die wir Anfang des Sommers verzeichnet haben, mit unseren konkreten Maßnahmen in den letzten Wochen und Monaten wieder einen Lehrstellenüberhang erzeugen: Wir verzeichnen österreichweit 399 offene Lehrstellen. Zugleich haben wir regionale Herausforderungen, denen wir beispielsweise mit der Just-2-Stiftung und mit dem Mobilitätspaket für insgesamt 1 000 Jugendliche begegnen. Wir er­möglichen Flexibilität, wir unterstützen beim Wohnungsumzug oder auch bei den Woh­nungskosten, wenn über das Heimatbundesland hinaus umgezogen und so Flexibilität gezeigt wird.

Dementsprechend sind das schon konkrete Maßnahmen der Taskforce für Jugendbe­schäftigung, und durch konkrete Maßnahmen wie den Lehrlingsbonus war es uns mög­lich, 8 900 Lehrlinge am ersten Arbeitsmarkt, direkt in den Betrieben unterzubringen. Da geht es darum, tagtäglich eine sinnerfüllende Tätigkeit zu machen, eine Ausbildung zu absolvieren und das Erlernte auch umzusetzen und direkt anzuwenden.

Zugleich bemühen wir uns mit einer zweiten Maßnahme um die Intensivierung der Aus­bildung bis 18. Mit dem Jugendcoaching gibt es eine berufsbegleitende Betreuung, und auch mit dem Programm AusbildungsFit. Wir haben mit 3,5 Millionen Euro aufgestockt, um zusätzliche 500 Jugendliche bestmöglich zu begleiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Um niemanden zurückzulassen, haben wir auch die überbetrieblichen Lehrstellen be­darfsorientiert aufgestockt. Die Hälfte der Aufstockungen ist in Wien notwendig, aufgrund der Situation, dass hier in der Großstadt sieben Jugendliche auf eine offene Lehrstelle kommen. Diese Herausforderungen müssen wir natürlich auch anpacken, damit wir jedem Jugendlichen entweder eine weiterführende Ausbildung oder einen Lehrplatz zur Verfügung stellen können. Dementsprechend gilt es auch, die Just-2-Stiftung – die ich schon kurz angesprochen habe – inklusive dem Mobilitätspaket nicht zu vergessen. Ich bin sehr froh, dass der Finanzminister heute das Budget für nächstes Jahr präsentieren konnte.

Auch wichtig ist: Wir haben eine enge Abstimmung und Kooperation mit dem AMS. Die AMS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind so ausgestattet, dass wir in den herausfor­dernden kommenden Wochen und Monaten so gut wie möglich durch die Krise kommen und uns aber zugleich auch schon für die Prognosen vorbereiten, die hoffentlich dann nächstes Jahr auch eintreten werden.

Unser oberstes Ziel ist, die Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen. Dementspre­chend wichtig ist es mir, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen, den Men­schen Mut machen, Perspektiven aufzeigen und ihnen im Zuge der Joboffensive ver­schiedene Programme zur Verfügung stellen, die bestmöglich arbeitsplatznah sind, damit die Menschen, die eine Aus- und Weiterbildung machen, auch konkrete Jobchan­cen haben. Herzlichen Dank für das Miteinander und das An-einem-Strang-Ziehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Alois Stöger zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.45.10

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation am Arbeitsmarkt – und das ist der Ausgangspunkt der heutigen Diskussion – ist alles andere als rosig, und das ist unter anderem – da gebe ich Kollegen Fürlinger durchaus recht – durch ein Virus bedingt. Ja, das ist richtig, sie ist durch ein Virus bedingt.

Bei manchen Dingen hat die Bundesregierung – das haben wir in der vorherigen Debatte gehabt – durchaus mitgewirkt, dass die Sache ein bisschen größer ausgefallen ist. Das


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mag sein. Die wichtigste Maßnahme im Bereich der Arbeitsmarktpolitik aber war, dass die Gewerkschaften, dass die Sozialpartnerschaft relativ schnell gezeigt hat, sie ist in der Lage, den Menschen Sicherheit zu bieten.

Gerade die Maßnahme der kurzfristig ausverhandelten Kurzarbeit, als man 1,4 Millionen Menschen in Kurzarbeit brachte – wir haben jetzt noch immer viele Menschen in Kurzar­beit –, hat bewirkt, dass Menschen in der Krise Stabilität, wenn auch bei einem niedri­geren Einkommen, und immerhin eine Perspektive gehabt haben.

Wir haben auch geschafft, dass auch die Unternehmen sicher waren, dass sie ihre Be­schäftigten wieder haben, dass die qualifizierten Personen im Betrieb bleiben, damit auch eine Entwicklung nach vorne möglich ist. Ich wollte nur dazusagen, dass die Bun­desregierung am Anfang 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, wir haben nach einem langen Kampf erreicht, dass man mittlerweile bei 12 Milliarden Euro ist. Alle er­kennen an, dass die Kurzarbeit eigentlich die größte und wichtigste Maßnahme war, um die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft zu reduzieren.

Sozialdemokratische Sozialminister oder Arbeitsminister hätten in ein paar Punkten ganz anders gehandelt. Wir hätten, so wie der Arbeitsmarkt heute aussieht, das Budget für den Arbeitsmarktbereich erhöht. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe das heute bei Herrn Blümel nicht herauslesen können, dieser Bereich ist heute auf das Niveau zurückgefal­len, das ich schon 2017 hatte. Da ist nicht mehr gekommen. Sie haben das wieder auf den Stand von 2017 gebracht, wir haben aber heute ein bisschen mehr Arbeitslosigkeit.

Wir haben das Budget des AMS erhöht, um die Betreuung und Vermittlung von Men­schen ohne Arbeit zu erleichtern, ja, das haben wir gemacht. Wir haben auch Personal aufgenommen, das hat man uns wieder weggenommen, und jetzt richtet man wieder ein bisschen etwas: 350 Personen, aber eigentlich bräuchte man noch mehr.

Was wir auch gemacht haben – ich sage das noch einmal sehr deutlich –, das war, dass wir hingeschaut haben: Welche Leute haben wirklich Probleme? – Das waren die, die über 50 und arbeitslos waren. Wir haben diesen Menschen mit der Aktion 20 000 in einer schwierigen Zeit nicht nur schöne Worte gesagt, sondern wir haben sie konkret in einem Betrieb untergebracht. (Ruf bei der ÖVP: Nein, nicht schon wieder die Aktion 20 000! Das waren keine nachhaltigen Arbeitsplätze!) Das war eine Arbeitsmarktpolitik, die die­sen Namen auch verdient hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich mag ja die Anglizismen betreffend Methoden und was man da alles so sagt, nicht. Ich höre da viele hohle Phrasen. Die halte ich eh schon nicht mehr aus, aber man ist ja einiges gewohnt. Was haben wir – da frage ich schon ganz konkret – betreffend Ziele, die das AMS beschlossen hat, gemacht? – Wir haben uns als klares Ziel gesetzt: Es muss eine Vermittlung von Menschen, die Beeinträchtigungen haben, am Arbeitsmarkt durch das AMS geben, und das war eines von fünf Zielen. Das finde ich jetzt nicht mehr. Da werden 40 Millionen Euro nicht ausreichen.

Wir haben auch ganz deutlich gesagt: Wir wollen Menschen bis 25 eine Ausbildungsga­rantie geben. Das ist der Unterschied zum Satz: Wir wollen alle schnell vermitteln! – Man kann alle schnell vermitteln, aber dann werden Menschen bis 25 nicht in Ausbildung gehen, weil das schnelle Vermitteln auf Kosten der Ausbildung geht.

In dem Sinn, denke ich, wäre es notwendig, eine moderne Politik zu machen. Das würde bedeuten, dass wir eine Bundesstiftung für Firmen und Arbeitsplätze brauchen, wir brau­chen eine aktive Arbeitsmarktpolitik, wir brauchen eine Erhöhung des Arbeitslosengel­des, wir brauchen eine Rücknahme der Halbierung der Lehrlingsentschädigung in über­betrieblichen Ausbildungen, und wir brauchen ein Gemeindeinvestitionskonzept, das die­sen Namen auch verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50


18.50.22


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 187

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zur Abstimmung schreiten können. – Gut, dann gehe ich so vor.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 392 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vermittlung von Arbeitnehmer_innen in Kurzarbeit durch das AMS“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? (Unruhe im Saal.) – Das ist mit Mehrheit an­genommen. (101/E) (Beifall der Abg. Meinl-Reisinger.)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 393 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme des Berichts aus? – Das ist mit Mehrheit an­genommen. (Unruhe im Saal.) – Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir im Abstim­mungsvorgang sind.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Aus­schusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 394 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 395 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. (Unruhe im Saal.) – Ich würde wirklich um ein wenig mehr Aufmerksamkeit ersuchen, wenn wir im Abstim­mungsvorgang sind. Danke.

Wer ist für die Kenntnisnahme dieses Berichts? – Er ist mit Mehrheit zur Kenntnis ge­nommen.

18.52.5412. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 549/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ände­rung der Arbeiterkammer-RHO: detaillierte Finanzergebnis-Darstellung gem. Wirt­schaftskammer-HO (396 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu Tagesordnungspunkt 12.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.


18.53.29

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Unser Antrag richtet sich darauf, dass betreffend Wertpapierge­schäfte für die Arbeiterkammer dieselben Regelungen wie für die Wirtschaftskammer


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 188

gelten sollen. Die beiden Kammern schwimmen ja im Geld und haben dreistellige Millio­nenbeträge in Wertpapiere investiert. Während die Wirtschaftskammern bei ihren jährli­chen Abschlüssen – so eine Kammer macht ja keine echte Bilanz, die macht ja nur eine Form von Abschluss (Zwischenruf des Abg. Hörl) – ausweisen muss, wie viel Wertpa­piergewinne und ‑verluste sie macht und das der Aufsicht, nämlich der Frau Wirtschafts­ministerin, bekannt ist, muss die Arbeiterkammer das nicht machen, sondern diese sal­diert die Wertpapiergeschäfte und weist nur eine Gesamtsumme an Wertpapiererträgen aus.

Unser Ansinnen ist es, dass das auch die Arbeiterkammer aufgliedert, damit die einzel­nen Finanzanlagen und deren Gewinne und Verluste separat ausgewiesen werden – also die gleichen Regeln für alle Kammern. Man würde meinen, es wäre nicht zu viel verlangt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrer Kammer auch das wissen, was die Selbstständigen von ihrer Kammer erfahren.

Sie werden nachher bei den Gegenargumenten ganz eigenartige Dinge hören, wie zum Beispiel, dass das ein Anschlag auf die Selbstverwaltung sei. – Moment, also wenn die Wirtschaftskammer das offenlegen muss, ist es kein Anschlag auf die Selbstverwaltung, aber bei der Arbeiterkammer soll es einer sein? – Das ist nicht logisch. In Wirklichkeit geht es da um ein Machtkartell von ÖVP und SPÖ, weil natürlich die ÖVP fürchtet: Oje, wenn man jetzt bei der Arbeiterkammer mehr Transparenz schafft, dann könnte ja je­mand auf die Idee kommen, man wolle bei der Wirtschaftskammer auch noch etwas mehr Transparenz haben; und Transparenz wollen wir ja gar nicht. – In Wirklichkeit geht es also darum, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrer Kammer gleich viel erfahren wie die Selbstständigen.

Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, hören Sie sich jetzt einmal an, mit welchen hanebüchenen Argumenten argumentiert wird, warum Sie nicht wissen sollen, was mit Ihrem Geld passiert! (Beifall bei den NEOS.)

Ich muss noch einen Entschließungsantrag einbringen.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, eine Sekunde, denn jetzt muss ich Ihre Redezeit noch einmal starten, weil das natürlich auf Ihre Redezeit geht. – So, jetzt geht es, bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (fortsetzend): Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ände­rung des Arbeiterkammer-Gesetzes: detaillierte Finanzergebnis-Darstellung gemäß der Wirtschaftskammer-Haushaltsordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, eine Regierungs­vorlage zur Änderung des Arbeiterkammergesetzes vorzulegen, die eine detaillierte Dar­stellung der Arbeiterkammer-Finanzergebnisse analog zur Haushaltsordnung der Wirt­schaftskammern vorsieht.“

*****

(Beifall bei den NEOS.)

18.56

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 189

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Änderung des Arbeiterkammer-Gesetzes: detaillierte Finanzergebnis-Dar­stellung gemäß der Wirtschaftskammer-Haushaltsordnung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 55. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 549/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der Arbeiterkammer-RHO: detaillierte Finanzergebnis-Darstellung gem. Wirtschaftskammer-HO (396 d.B.) – TOP 12

Während die Wirtschaftskammern in ihren Rechnungsabschlüssen ein relativ de-taillier­tes Finanzergebnis darstellen (20 Positionen), wobei u. a. auch die Wertpapierverluste dargestellt werden, stellen die Arbeiterkammern nur das saldierte Finanzergebnis dar. Aus den Arbeiterkammer-Rechnungsabschlüssen kann man deshalb beispielsweise die Wertpapierverluste nicht herauslesen. Weder den Mit-gliedern, noch der Aufsicht - dem Arbeitsministerium - sind diese Verluste bekannt. Diese Intransparenz ist nicht zufrieden­stellend. Die Arbeiterkammern müssen ihre Finanzergebnisse in den Rechnungsab­schlüssen künftig zumindest entsprechend der Haushaltsordnung der Wirtschaftskam­mern darstellen.

Untergliederung des Finanzerfolgs der Wirtschaftskammern gem. WK-Haushaltsordnung

https://www.wko.at/service/oe/Haushaltsordnung.pdf

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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 190

"Die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend wird aufgefordert, eine Regie­rungsvorlage zur Änderung des Arbeiterkammergesetzes vorzulegen, die eine detaillier­te Darstellung der Arbeiterkammer-Finanzergebnisse analog zur Haushaltsordnung der Wirtschaftskammern vorsieht."

*****


Präsidentin Doris Bures: So, jetzt ist dieser Entschließungsantrag auch ordnungsge­mäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


18.56.37

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir, der Nationalrat, sind die gewählte Volksvertretung, und unsere Aufgabe ist es, best­mögliche Rahmenbedingungen für die Menschen in Österreich zu schaffen. Das hat bei der Arbeiterkammer bereits 1918 – vor über 100 Jahren – begonnen. Die Arbeiterkam­mer ist eine Institution, die sich für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzt und ihre Interessen vertritt. Andere Länder wären froh, wenn sie eine solche Institution hätten.

Die Arbeiterkammer unterliegt ebenso wie die Wirtschaftskammer und die Landwirt­schaftskammer der Selbstverwaltung. Das bedeutet, dass staatliche Organe nur durch die Gesetzgebung Einfluss nehmen können. Das System ist seit Jahren gewachsen, hat sich stetig weiterentwickelt, und das Wichtigste: Es hat sich vor allem in den letzten Jah­ren profiliert. Diese Institutionen, unsere Kammern, tun alles in ihrer Macht Stehende, um ihre Mitglieder in den unterschiedlichsten Situationen bestmöglich zu beraten und zu vertreten. Wir sollten nicht noch weitere Instrumente installieren, sondern die Kammern unterstützen und fachspezifische Unterstützung fördern.

Bei einer Befragung haben 80 Prozent der Mitglieder die Arbeiterkammer mit mindestens Gut bewertet. Was ist das Erfolgsrezept? – Das Wort Selbstverwaltung sagt schon alles: Die unterschiedlichen Arbeitsgruppen können und sollen sich selbst verwalten. Das be­deutet: Bei Entscheidungen reden nur Leute mit, die selbst genau wissen, worum es geht. Genau das ist es, was diese Institutionen ausmacht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Daher ist es der falsche Weg, einfach ein obligatorisches Regelwerk zu erschaffen.

Geschätzter Herr Loacker, Sie haben jetzt mit Ihrem Antrag die Kammer mit ihrer Art von Bilanzierung und Offenlegung der Rechnungsabschlüsse infrage gestellt, dazu nun Fol­gendes: Es gibt neun Länderkammern. Erstens wird jede Länderkammer vom Bundes­rechnungshof geprüft. Zweitens wird zusätzlich ein Kontrollausschuss gebildet, bei dem der oder die Vorsitzende nicht aus der Mehrheitsfraktion kommt. Drittens wird jede Län­derkammer von einem Wirtschaftsprüfer geprüft. – Jetzt meine Frage, Herr Loacker: Was soll daran nicht in Ordnung sein?

Die Kammern haben sich über die Jahre hindurch selbst ein eigenes Kontrollsystem auferlegt, sogar dreifach. Die Kammern vertreten ihre Mitglieder nach bestem Wissen und Gewissen und stehen ihren Mitgliedern immer in jeder Lebenssituation mit Rat und Tat zur Seite. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie jetzt aber immer noch das Gefühl haben, sich in Zukunft für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer in der Kammer einsetzen zu wollen oder gerne am System etwas ändern möchten, dann bitte, kandidieren Sie und fassen Sie Fuß, denn meine Devise ist es: Zuerst mitwirken, dann mitreden und erst dann mitentscheiden! (Beifall bei der ÖVP.)

19.00



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 191

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


19.00.46

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Nun, wir haben im Tagesordnungspunkt 12 eine Aufforde­rung an die Frau Bundesminister, eine Änderung der Rahmen-Haushaltsordnung der Arbeiterkammern vorzunehmen, vorliegen. Diese Aufforderung wäre für sie wahrschein­lich eine riesige Gefahr, um nicht vielleicht rücktrittsreif zu sein, weil sie grundsätzlich in die Selbstverwaltung eingreifen würde und gar nicht die Möglichkeit hätte, dies ohne gesetzliche Grundlage vorzunehmen. Gott sei Dank hat Kollege Loacker durch den neu­erlichen Entschließungsantrag diese gesetzliche Lücke und auch den möglichen Rück­tritt der Frau Bundesminister verhindern können.

Nun, grundsätzlich, Herr Kollege Loacker, meine ich, ich werde nicht in dasselbe Horn blasen und in dieselbe Kerbe schlagen wie viele andere, die sagen würden: Na ja, schon wieder ein Antrag vom Loacker! – seit 2018 haben Sie insgesamt 35 Anträge gegen Kammern, insbesondere die Arbeiterkammer, gestellt –, und ich werde auch nicht, wie gesagt, in die Kerbe schlagen und sagen, das ist ein Angriff auf die Sozialpartnerschaft beziehungsweise auch auf die Selbstverwaltung.

Ich würde Ihnen heute gerne Tipps geben und auch eine Einladung aussprechen. Ein Tipp oder eine mögliche Variante, um aus diesem Dilemma, in dem Sie stecken, heraus­zukommen – denn Sie kommen mir oft wie Don Quijote vor, der gegen Windmühlen kämpft, wenn es um das Kammersystem und die gesetzlichen Interessenvertretungen geht –, ist der, dass Sie gerade in diesem Fall wirklich auch anerkennen, dass es Ge­setze gibt. Aufgrund dieser Gesetze wurde eine Rahmen-Haushaltsordnung erstellt, und diese Rahmen-Haushaltsordnung wird von den Selbstverwaltungsträgern gemacht und durchgeführt und in weiterer Folge von der Aufsichtsbehörde kontrolliert und überprüft. Das ist nichts Neues, das ist richtig, das ist korrekt, das ist gesetzlich, und das haben wir alle geschaffen.

Der zweite Punkt oder die zweite Möglichkeit, Sie zu überzeugen, ist die, dass ich Ihnen vorhalte, dass es einen Vertrauensindex gibt, und in diesem Vertrauensindex ist die Ar­beiterkammer knapp einen Punkt hinter dem Bundespräsidenten und noch vor dem Rechnungshof sehr hoch mit Vertrauen beschenkt. Es wäre jetzt wirklich auch Ihrerseits eine Idee, dass Sie sagen: Dieses Vertrauen der Bevölkerung möchte ich zurückgeben und akzeptiere, dass die Arbeiterkammer und auch die anderen gesetzlichen Interessen­vertretungen gute Arbeit machen.

Der dritte Punkt, den ich als Tipp mitgebe, ist diese Folie: „im Einsatz für die Gerechtig­keit“. (Der Redner hält ein Schriftstück mit der entsprechenden Überschrift in die Höhe.) Die Arbeiterkammer hat im Jahr 2019 insgesamt 538 Millionen Euro erstritten, zwei Mil­lionen Beratungen gemacht und im Endeffekt 93 400 Rechtsvertretungen durchgeführt. Das ist die wahre Visitenkarte der Arbeiterkammer und die Antwort auf Ihren heutigen Antrag.

In dem Sinne abschließend die Einladung: Ich lade Sie, auch nach Rücksprache mit dem Direktor der Bundesarbeitskammer, gerne zu einem persönlichen Gespräch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen ein, denn Offenheit und Transparenz sind wichtig, und viel­leicht kann man gerade aufgrund Ihres Antrages freiwillig noch gewisse Änderungen durchführen. Ich glaube, das ist der Weg, wie man gemeinsam Politik macht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.03


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 192

19.04.01

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei allen politischen und inhaltli­chen Unterschieden, die es zwischen NEOS und FPÖ geben mag, in einem Punkt treffen sie sich regelmäßig wieder, nämlich dort, wo es irgendwie gegen die gesetzlichen Inter­essenvertretungen in Österreich, also gegen die Kammern, in unserem heutigen Fall insbesondere auch gegen die Arbeiterkammer, geht. Mit diesem Antrag soll offenbar der Eindruck irgendwelcher undurchsichtiger, intransparenter finanzieller Machenschaften in der AK, die dringend von außen behoben werden müssen, erweckt werden, sonst würde er so nicht gestellt werden.

Inzwischen dürfte Kollegen Loacker auch klar geworden sein, dass das BMAFJ für die Rahmen-Haushaltsordnung und etwaige Änderungen derselben gar nicht zuständig ist, weil diese laut AK-Gesetz die demokratisch gewählten Selbstverwaltungsorgane be­schließen. Also wollen die NEOS jetzt halt einfach das Gesetz ändern.

Fakt ist, die finanziellen Mittel der Arbeiterkammern kommen von den Mitgliedern selbst. Die Verwendung dieser Mittel, das Budget wird von den Mitgliedern selbst über die de­mokratisch gewählten Organe beschlossen, verwendet und kontrolliert. Weiters: Das Ar­beiterkammergesetz – genau nämlich in den §§ 61 ff. – regelt die Finanzierungsgeba­rungsgrundsätze der Arbeiterkammer und legt in § 63 die Mindestinhalte der Rahmen-Haushaltsordnung fest, die von der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer, ihrem demokratisch gewählten Selbstverwaltungsorgan, zu beschließen sind. Die Auf­sichtsbehörde, also das Arbeitsministerium, muss diese genehmigen.

Wie der Beschluss obliegt auch eine Änderung der Rahmen-Haushaltsordnung den de­mokratisch gewählten Organen der Selbstverwaltung. Die aktuell bestehende Rahmen-Haushaltsordnung ist natürlich auch gesetzeskonform, sonst wäre sie nicht genehmigt worden.

Rechtlich klar ist damit einmal, dass der erste Antrag des Kollegen Loacker, nämlich dass die Aufsichtsbehörde in die Selbstverwaltung eingreifen solle, rechtlich gar nicht möglich ist, weil es ein unzulässiger Eingriff in die Selbstverwaltung und somit letztlich auch gesetzeswidrig wäre. Daraufhin wollen die NEOS, weil sie zu spät draufgekommen sind, das Gesetz ändern.

Liebe NEOS, wir werden das Gesetz natürlich nicht ändern, weil für uns die Selbstver­waltung, die Organisation und Verwaltung der Interessen durch die Betroffenen selbst, ein hohes demokratisches Gut ist. Ich mache euch einen Vorschlag: Stellt euch der Ar­beiterkammerwahl, dann werdet im Rahmen der Selbstverwaltung aktiv und könnt dort die entsprechenden Initiativen stellen, oder macht eine Mitgliederpetition – auch das ist möglich –, die dann in der AK entsprechend behandelt wird, oder ruft einfach in der Ar­beiterkammer an, bringt eure Anliegen und Bedenken vor, trefft euch mit AK-Direktor Klein – einem sehr sympathischen Menschen, der gerne mit euch redet! Habt keine Angst, macht den Schritt! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbau­mer. – Bitte.


19.07.30

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Frau Bundesmi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die NEOS haben ja schon länger ein Problem mit der Sozialpartnerschaft und mit dem Prinzip, das dahinter steht. Es ist für die NEOS einfach unverständlich, dass man zwischen Arbeit­geberInnen und ArbeitnehmerInnen eine Lohnverhandlung am Tisch führen und die Rahmenbedingungen für MitarbeiterInnen und ArbeitgeberInnen, die für beide Seiten Rechtssicherheit und -schutz garantieren, verhandeln kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 193

In unserem Nachbarland Deutschland gibt es diese Sozialpartnerschaft nicht, es gibt aber zahlreiche Vereine, die horrende Mitgliedersummen erzielen, um sie dann in ihren Interessen – mal recht, mal schlecht – zu vertreten. Unsere Sozialpartnerschaft hat in Österreich über Jahrzehnte hindurch großartige Arbeit geleistet, und wir sind auch darauf stolz, dass wir diese Kammern haben, die für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und ja, auch für die Landwirtschaft und für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer da sind. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Maurer und Ernst-Dziedzic.)

Die Abgeordneten der NEOS haben vielleicht nicht ganz verstanden, dass es sich in dieser Zeit der Krise um eine gesundheitliche und eine wirtschaftliche Krise und nicht um eine finanzielle Krise der beiden beziehungsweise der drei Kammern handelt, auf die sie grundsätzlich mit schon 35 Anträgen draufhauen. So muss man auch sagen, dass sich ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnenvertreter bei den Lohnverhandlungen der Me­taller den gigantischen Herausforderungen gestellt haben und mit bestem Beispiel vo­rangegangen sind.

Herr Abgeordneter Loacker, ich bin schon seit vielen Jahren Mitglied der Lohnverhand­lungsrunde und kann Ihnen sagen: Eine so gute Zusammenarbeit habe ich noch nie erlebt, und ich bin sehr stolz darauf, dass wir in genau so einer Krise zusammengewach­sen sind. Aus diesem Grund möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Vertreterinnen und Vertretern der Verhandlungspartner für diese großartige Zusammenarbeit bedan­ken. – Danke schön dafür, dass wir in dieser Krise nicht auseinandergetrieben werden, sondern zusammenhalten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Nun komme ich aber zum vorliegenden Antrag des Kollegen Loacker unter dem Motto: Und täglich grüßt das Murmeltier. Wie schon gesagt – 35 Anträge, die die Kammern betreffen, haben wir seit 2017 schon gehört. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Die NEOS wollen das Selbstverwaltungsrecht aushebeln. Konkret geht es um die Rahmen-Haus­haltsordnung der Kammern, und dabei wollt ihr eine detailliertere Ausformulierung ha­ben. Ich glaube, dass es schon im Wort steckt: Selbstverwaltung heißt auch selbstbe­stimmt. Wir haben da kein Recht einzugreifen, und das gilt auch für die Wirtschaftskammer.

Die NEOS sind einst als liberale Wirtschaftspartei angetreten; mittlerweile sind sie zur Reglementierungs- und Strafpartei mutiert. In dieser Zeit der Pandemie ist es nicht ziel­führend, einen Keil zwischen die Sozialpartner zu treiben, sondern wir müssen mit Ab­stand zusammenhalten, damit wir diese Krise bestmöglich bewältigen. Halten wir mit Abstand zusammen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.11


19.11.18

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Gut, dann kommen wir zu den Abstimmungen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 396 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme des Berichtes ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Loa­cker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung des Arbeiterkammer-Gesetzes: detaillierte Finanzergebnis-Darstellung gemäß der Wirtschaftskammer-Haushaltsordnung“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 194

19.12.2013. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 658/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der Überziehungszinsen bei Banken auf fünf Prozent (391 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 13.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Markus Vogl. – Bitte.


19.12.50

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Den Herrn Minister sehe ich jetzt nicht im Raum. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war die zweite Sitzung des Konsumentenschutzausschusses in dieser Regierungsperio­de: neun Anträge – ein Antrag gemeinsam von SPÖ und FPÖ, vier Anträge von der SPÖ, vier Anträge von der FPÖ. Man sieht schon: Neun Anträge und es bleibt nichts übrig. Das heißt: Was macht die Regierung im Bereich Konsumentenschutz? – Zum zweiten Mal macht sie nichts. Das ist es, was die Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Land auch hören sollten. Man kann natürlich sagen, dass es zum Konsumentenschutz vielleicht keine Themen gibt, weil die Coronakrise ist, und man dazu vielleicht auch nichts zu machen braucht.

Ich glaube aber, dass es sehr viele Themen gibt, bei denen es Regelungen braucht. Was, glaube ich, im Ausschuss schon erschreckend war, ist dieses Desinteresse, das seitens der Abgeordneten zum Teil eindeutig zum Ausdruck gekommen ist. Ich möchte mich bei den NEOS bedanken, die sich, obwohl sie keine eigenen Anträge hatten, sehr lebhaft und intensiv an der Diskussion beteiligt und auch durchaus kontroversielle Wort­beiträge eingebracht haben. Genau so, glaube ich, muss Parlamentarismus sein: ein Austausch von Argumenten, Kampf um Standpunkte. Ich danke für diese lebhafte Dis­kussion im Ausschuss. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir selbst werden dem Antrag der Freiheitlichen zur Deckelung der Überziehungszinsen nicht zustimmen, obwohl er ein wichtiges Thema anspricht, denn natürlich wissen wir alle: Am Ende des Geldes ist oft noch verdammt viel Monat übrig. Das ist ein Phänomen, das viele Menschen in diesem Land kennen. Nur wenige in diesem Land wissen, was es heißt, Negativzinsen zu zahlen – auch das gibt es sicher in diesem Land –, aber die meisten von uns wissen, was Überziehungszinsen sind. Wenn heute das Zinsniveau bei null ist und man Überziehungszinsen von 10, 12 Prozent hat, versteht das kein Mensch. Natürlich ist es ein richtiger Vorschlag des Kollegen Wurm, das beim jetzigen Zinsniveau mit 5 Prozent zu deckeln, aber wir wollen eine Lösung, die nachhaltig ist, und wir glau­ben, dass es eines Aufschlags auf den Leitzinssatz bedarf, der fix geregelt sein soll – auch ungefähr in der Höhe von 5 Prozent –, diese starre Grenze von 5 Prozent lehnen wir aber ab.

Was machen die Regierungsparteien? – Ganz ohne etwas wollten sie beim Konsumen­tenschutz dann auch nicht dastehen, also machen sie einen §-27-Antrag, das heißt, sie setzen sich auf einen bestehenden Antrag drauf. Da denkt man sich: Jetzt werden sie aber wirklich konkrete Forderungen stellen, jetzt werden sie nicht nur ein bisschen Schmäh führen. Die konkrete Forderung: Finanzbildung soll in die heimischen Lehrpläne aufgenommen werden – total konkret.

Zur Information über das gesetzliche Recht zum kostenlosen Kontowechsel: Der Herr Bundeskanzler hat 60 Leute in seiner Pressestelle; im Vergleich dazu: Die Schuldner­beratung hat 120 Leute. Wenn ihr das wollt, sagt einfach Herrn Kurz, er soll seine Pres­sestelle damit beauftragen. Dann ist es erledigt und wir brauchen dazu keinen eigenen Antrag.


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Das nächste Thema ist Information über den Bankenrechner – das ist eine Arbeiterkam­merleistung. Es ist schön, wenn ihr die Arbeiterkammer unterstützen wollt, ich habe nur nicht gesehen, wie viel ihr ihr zahlen wollt, damit sie die Info geben und ihren Banken­rechner bewerben kann.

Informationsarbeit zum Basiskonto: Das gebe ich gleich wieder zurück an das Bundes­kanzleramt.

Das Letzte – und das ist dann wirklich die Chuzpe –, die Information über Beratungsan­gebote zur Schuldnerberatung: Wir haben einen Antrag gestellt, dass es eine höhere Dotierung der Schuldnerberatungen braucht, denn wir haben, glaube ich, in der letzten Debatte sehr eindrücklich aufgezeigt, wie schnell aus einer einfachen Schuld von ein paar Hundert Euro, die durchaus leicht zu handeln ist, auf einmal eine Forderung von ein paar Tausend Euro werden kann. Das passiert, wenn man nicht rechtzeitig reagiert. Die Schuldnerberatungen brauchen zusätzliches Geld und zusätzliches Personal.

Was passiert im Ausschuss? – Es wird mit dem Argument vertagt: Das schauen wir uns gerade an, das wird gerade geprüft. – Dann schreibt der Geschäftsführer der Schuldner­beratung: Ihr prüft das gerade? Wieso redet keiner mit uns? – Dann kommt die Rückmel­dung aus dem ÖVP-Klub: Es wäre eh ganz nett, wenn Sie uns ein bisschen sagen wür­den, was Sie in der Schuldnerberatung machen, damit wir ein bisschen etwas wissen.

Sagt einmal, wie ernst nehmt ihr denn das Thema? Es gibt das Instrument der Beratung, der Schuldnerberatung, es gibt einen Finanzführerschein – wenn ihr das ernst gemeint hättet und wirklich konkret etwas machen wolltet, hättet in euren Antrag geschrieben: 100 000, 200 000 Euro zusätzlich für die Schuldnerberatung, um diese Schulungen zum Finanzführerschein zu machen. – Nichts ist passiert. Bei euch geht es nur um Show.

Es sind wirklich wichtige Themen für die Konsumentinnen und Konsumenten. Neben diesem Antrag hatten wir auch den Antrag zur Finanzierung des VKI. Wir haben das schon einmal gemeinsam beschlossen, aber es wird von euch nicht umgesetzt. Der Ge­schäftsführer ist hier gesessen und hat uns erzählt, wie es dem VKI geht. Er hat gesagt, er brauche 5 Millionen Euro. Danach ist er tot umgefallen, als er draufgekommen ist, dass ihr den Antrag wieder vertagt habt, denn er hat geglaubt, was der Minister gesagt hat – nämlich dass es Rechts- und Planungssicherheit für die Beschäftigten braucht. Er hat das geglaubt. Als er dann draufgekommen ist, dass ihr das schon wieder vertagt habt, hat er die Welt nicht mehr verstanden, aber genau so macht ihr Konsumenten­schutzpolitik – große Ankündigungspolitik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Deimek und Wurm.)

Zum Schluss noch: Wir haben festgestellt – gerade bei diesen 450 Euro für arbeitslose Menschen –, dass es eine Absicherung des nicht pfändbaren Existenzminimums braucht. Was habt ihr mit diesem Antrag gemacht? – Wieder vertagt. Ihr macht für die Menschen in diesem Land nichts außer Showpolitik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Ab­geordneten Deimek und Wurm. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

19.18


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ulrike Fischer. – Bitte.


19.18.16

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Natürlich ist das Thema Überschuldung ernst, und der Antrag von Herrn Ab­geordnetem Wurm hat durchaus etwas für sich. Wenn man sich den Euribor anschaut, muss man durchaus über die Überziehungszinsen sprechen. Das wird aber nicht so funktionieren, dass man in einem Ausschuss eine Empfehlung ausspricht und sagt: Jetzt machen wir Überziehungszinsen bis höchstens 5 Prozent. – Es wäre aber schon höchst


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an der Zeit, dass man die Stakeholder – die Banken, die zuständigen Ministerien, auch die Verbraucherschutzorganisationen – an einen Tisch holt, um eine gemeinsame Lö­sung zu finden. Diese Maßnahme kann jedoch nur mittelfristig funktionieren.

Was aber momentan schon funktioniert – und dafür bin ich sehr dankbar –, ist das Kredit­moratorium. Sie wissen alle, meine Damen und Herren, dass Kreditforderungen derzeit gestundet werden. Das ist eine wirksame Maßnahme, damit es nicht zu Überschuldun­gen kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wissen, das Wichtigste, um nicht zu sehr in die Schuldenfalle zu kommen, ist, dass man rechtzeitig reagiert. Ich sehe das bei mir in der Gemeinde. Nicht die Leute, die wirklich Sorgen und Schulden haben, kommen zu uns und suchen um Stundungen und Ratenzahlungen an, sondern die, die es sich eh leisten könnten, denn diejenigen, die wirklich arm sind, sind oft zu schamvoll, um hinzuschauen. Ich glaube, da ist es ganz wichtig – bleiben wir bei unserem Antrag –, dass wir entsprechende Informationen bie­ten, wie man aus der Schuldenfalle herauskommt. Angesprochen seien die Schuldner­beratung oder das Basiskonto, ich kann kostenlos mein Konto wechseln – all diese Din­ge müssen transparenter gemacht werden.

Wie von den NEOS oft angesprochen ist natürlich die Bildung von jungen Personen, von jungen Menschen ganz wichtig – das sagt auch die Schuldnerberatung –, damit es spä­ter nicht zu einer Überschuldung kommt. Da können wir ansetzen. Es braucht mehr Infor­mation, und das steht auch im Regierungsprogramm transparent drinnen.

Natürlich muss die Finanzbildung von jungen Menschen rechtzeitig ansetzen. Und dabei ist es nicht die richtige Anreizpolitik, wenn ich sage, die Überschuldung soll steigen, denn das ist in Wirklichkeit eine Einstiegsdroge in die Welt der Überschuldung.

Ich möchte unseren Antrag noch einmal zusammenfassen und ihn nicht kleinreden. Ich glaube, da ist einiges drinnen, was uns helfen wird, dass Schulden in Zukunft leichter handelbar sind.

„Die Bundesregierung wird ersucht, Maßnahmen auszuarbeiten, wie Verbraucherinnen und Verbraucher künftig verstärkt [...] informiert werden können. Dazu gehören insbe­sondere

- eine verstärkte Eingliederung der Finanzbildung in heimische Lehrpläne,

- Informationsangebote über das gesetzliche Recht zum kostenlosen Wechsel des Zah­lungskontos,

- die Information über den Bankenrechner [...]

- die Fortführung der Informationsarbeit zum Basiskonto“.

Jeder, der sonst kein Konto haben kann, kann mit einem Basiskonto am gesellschaftli­chen Leben teilhaben.

Ganz wichtig ist auch, dass wir die gesetzlich anerkannten Schuldnerberatungsstellen entsprechend dotieren. Da bin ich ganz bei Kollegen Vogl.

Daher ersuche ich Sie um Zustimmung, dass wir in die Bewusstseinsbildung und in die jungen Menschen investieren, damit Schuldenpolitik sinnvoll ist und gut umgesetzt wer­den kann. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte. (Abg. Fischer holt den zuvor am Rednerpult vergessenen Mund-Nasen-Schutz. – Bun­desminister Anschober: Ich glaube nicht, dass wir den brauchen! – Abg. Wurm – auf dem Weg zum Rednerpult –: Na, ich habe ja eine Maske selbstverständlich, mehrere sogar, Herr Minister! Ich bin ja auch ein braver Staatsbürger! So ist es nicht!)



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19.22.30

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Konsumentenschutz ist, wie alle wissen, die schon länger in dem Ausschuss tätig sind, natürlich das Bohren sehr, sehr harter Bretter. Ich bin hier seit den letzten Jahren einiges gewohnt. Als verantwortlicher Obmann des Ausschusses glaube ich, wir versuchen im Ausschuss grundsätzlich, zusammenzuarbeiten und für Konsumenten et­was zu erreichen. Das, was für Konsumenten herauskommt, ist aber – und das kann ich euch beiden als Regierungsparteien natürlich nicht ersparen – ein Desaster.

Ich habe jetzt noch einmal nachgeschaut, ich habe bereits im Jahr 2014 die ersten An­träge geschrieben, um quasi diesen Zinswucher, diese Abzocke von Konsumenten, die durch die Banken stattfindet, zu stoppen – 2014, vor sechs Jahren!

Wir haben jetzt schon länger diese Niedrigzinsphase, und bereits damals war ganz klar ersichtlich, dass nicht mehr seriös ist, was sich abspielt, dass man teilweise als Konsu­ment, wenn man in diese Situation hineingezwungen wird, in Summe 13, 14 oder 15 Pro­zent Überziehungszinsen bezahlen muss.

Das ist also eine Geschichte, die ja grundsätzlich jedem einleuchten muss. Es geht im Übrigen ja auch Kleinunternehmen, EPUs, und nicht nur Einzelpersonen und Familien so. Das heißt, es ist eine Geschichte, die relativ simpel erklärbar ist: Wir haben ein Null­zinsniveau für die Banken, das heißt, diese brauchen nichts zu bezahlen, wenn sie Geld ausborgen, sie verlangen aber teilweise bis zu 13, 14, 15 Prozent von den Konsumenten.

Unser Vorschlag war ganz pragmatisch, einfach einmal eine Grenze mit 5 Prozent einzu­ziehen, das heißt, die Banken verdienen immer noch genug an den Überziehungszinsen, aber es ist nicht so eine große Schweinerei wie mit 13, 14, 15 Prozent.

Ich darf auch die Grünen darauf hinweisen, ich habe extra noch einmal nachgeschaut: Kollegin Berivan Aslan hat im Jahr 2015 mit mir gemeinsam einen gleichlautenden Antrag eingebracht, aber damals waren die Grünen halt noch in der Opposition. Damals waren die Grünen noch wirklich die Grünen, jetzt sind sie halt ein bissel ein Beiwagerl der ÖVP. Das ist ja okay, das verstehe ich ja. Wenn man an den Futtertrögen der Macht sitzt, vergisst man halt viele Dinge. Man vergisst auch die armen Menschen, und die Grünen haben die armen Menschen in Österreich vergessen. Diesen Vorwurf müsst ihr euch gefallen lassen, da gibt es nichts, um drüberzustehen! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) – Eben, jetzt haben wir sogar auch noch einen grünen Mi­nister, es ist also eigentlich ein Drama.

Das heißt, wenn dieser Antrag vor sechs Jahren sinnvoll war (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober), dann ist er jetzt in Coronazeiten ja zehnmal mehr sinnvoll, Herr Minister, da gerade jetzt – und Sie wissen es ja, wir haben es heute mehrmals besprochen – eine echte Sozialkrise ist, Zehntausende Familien in die Armut schlittern und das Konto überziehen müssen. Und ihr von ÖVP und Grünen lasst sie im Regen stehen, und sie müssen weiterhin jedes Monat diese Überziehungszinsen zahlen. Euer Vorschlag, den ihr eingebracht habt, damit irgendetwas von euch zum Konsumenten­schutz kommt, ist, um es für die Zuschauer einfach zu machen, dass ihr die Konsumen­ten informieren und bilden wollt.

Das ist so, wie wenn ich einem Ertrinkenden im offenen Meer keinen Rettungsring zu­schmeiße, sondern ihm sage: Ich erkläre dir jetzt im offenen Meer, warum du ertrinken wirst. Das erkläre ich dir. Was Menschen im offenen Meer aber brauchen, wäre ein Ret­tungsring. Diese Verpflichtung haben wir – auch Sie, Herr Minister! Entdecken Sie bitte Ihr grünes Herz, falls Sie noch eines haben, um den Konsumenten zu helfen und da eine Decke bei 5 Prozent einzuziehen. Das wäre ganz, ganz wichtig!

Ich kann es nur noch einmal sagen: Vielleicht lässt sich zumindest die grüne Fraktion erweichen, bei meinem Antrag mitzugehen, um wirklich Zehntausenden Familien Hilfe


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zu leisten und sie nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu vertrösten. Sie helfen nur den Banken. Dass die Grünen jetzt Bankenretter sind, ist mir auch neu, aber in Zeiten wie diesen lernt man ja einiges dazu. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.27


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Weidinger. – Bitte.


19.27.14

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätz­ter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Österreicherinnen und liebe Österreicher! Heute Vormittag hat Finanzminister Gernot Blümel das größte Verbraucherschutzbudget aller Zeiten vorgestellt: 50 Milliarden Euro für Österreich, 29 Milliarden Euro für die Be­schäftigung, für die Sicherheit von Arbeitsplätzen, für die Kurzarbeit, für den Familienhär­tefonds, für den Kinderbonus, für den Lehrstellenbonus, für die Menschen in unserer Republik, damit sie genug Geld in ihren Taschen haben und dementsprechend ihren Beitrag auch in Sicherheit leisten können, weil die Regierung, weil die Parlamentsmehr­heit auf sie schaut. Sie schaut, dass man rechtzeitig darauf schaut, dass man es hat, wenn man es braucht – nämlich jetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir gehen auch einen Schritt weiter, meine Damen und Herren. Es ist von der Opposition die Kritik gekommen, dass die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in dieser Re­publik nur viel Applaus erhalten – das auch zu Recht –, aber sie erhalten auch Geld in Form von den Unterstützungen der Parlamentsmehrheit und der Regierung. Das ist mo­ralisch richtig, das ist richtig für die Zukunft dieses Landes und das ist richtig für die Verbraucherinnen und für die Verbraucher. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Zum Antrag, meine Damen und Herren: Da fallen Ausdrücke wie Schweinerei, Zinswu­cher, Abzocke. Das ist eine Wortwahl, die genau das Gegenteil von dem ist, was wir in Österreich benötigen. (Abg. Wurm: Alles wahr, Herr Kollege! Alles wahr!) – Herr Kollege Wurm, genau das Gegenteil brauchen wir! Wir brauchen eine Haltung des Zusammen­haltens; und der Bankensektor ist für uns ein entscheidender Partner. Wenn ihr den Bankensektor verstaatlichen wollt, dann sagt es bitte, nennt es doch beim Namen. Wir sind Anhänger davon, dass ein Bankensektor klare gute Spielregeln benötigt, damit er als guter Partner mithilft, durch die Krise zu kommen – was er jetzt auch bewiesen hat.

Ich möchte festhalten, meine Damen und Herren: Die Bargeldversorgung war immer gesichert. Auch in den ersten Tagen der Krise, als dreimal mehr abgehoben wurde, hat das Filialnetz funktioniert. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Es hat auch der Zahlungsverkehr digital und analog funktioniert, meine Damen und Her­ren. Das ist richtig und gut so. Die Bankmitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter haben vom ersten Tag an verstanden, dass sie ihren Beitrag leisten, wenn Pensionistinnen und Pen­sionisten, wie es viele gern tun, am Tag der Auszahlung der Pension in die Filialen kom­men – ich habe mir das in Villach selber angeschaut – und sie darauf schauen, dass der Babyelefant immer dazwischen passte, sodass gerade diese Zielgruppe dort auch sicher ihren Geldgeschäften nachkommen konnte. Da möchte ich mich ausdrücklich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bankensektor herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden deinen Antrag, Herr Kollege Wurm, nicht unterstützen. Wir werden ihn des­wegen nicht unterstützen, weil er erstens inhaltlich Äpfel mit Birnen verwechselt; weil wir zweitens im Verbraucherzahlungskontogesetz auch eine Regelung dafür vorgesehen haben, dass einem nahegelegt wird, wenn man ein großes Minus hat, dass es zu einer Abänderung in einen Ratenkredit kommt; und weil drittens alle Menschen in der Re­publik, die aufgrund von Corona Schwierigkeiten mit der Arbeitslosigkeit oder mit der


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Kurzarbeit haben, auf individuelle Lösungen bei ihren Bankinstituten vertrauen können, um auch entsprechend sicher gemeinsam durch die Krise zu kommen.

Meine Damen und Herren, wir stellen einen Antrag. Dieser Antrag wurde von Kollegen Vogl so abgetan, aber ich glaube, das ist typisch SPÖ: Immer wenn es darum geht, das Individuum zu stärken, es aus der Abhängigkeit herauszuführen, haben viele Sozialisten ein großes Problem damit. Wir gehen den umgekehrten Weg. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Wir werden mit diesem Antrag, wenn er eine Mehrheit findet, Finanzwissen und Wissenskompetenz im Wirtschaftsbereich in den heimischen Lehrplänen fest­schreiben.

Warum ist das richtig und warum ist das gut, meine Damen und Herren? – So wie der Babyelefant notwendig ist, damit wir die Infektionszahlen unten halten, brauchen wir ein Sparschwein (Heiterkeit bei den NEOS), jeder für sich zu Hause, und auch das Wissen, wie man es gut füttert. Das lernt man von Kindesbeinen an – wir lassen kein Kind zu­rück –, das wird in der Schule vermittelt. Zum Beispiel wird dann ermöglicht, dass der Werkunterricht und der Geografie- und Wirtschaftsunterricht gemeinsam geführt werden, sodass schon die Schulkinder lernen, wie man gemeinsam Materialien aussucht, wie man etwas bearbeitet, wie man das dann auch verkauft. Das heißt, sie lernen die Grund­prinzipien von Angebot und Nachfrage, von Konsum und Produktion. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, die Frage ist, wie man sich in einer immer schwierigeren und komplexer werdenden Welt zurechtfindet. Wenn man in den Nachrichten hört, wie viele Konzerne es auf der Welt gibt, welche Geschäftsmodelle sie haben, dann ist es hin­sichtlich einer entsprechenden Teilhabe notwendig, dass die Österreicherinnen und Ös­terreicher das von Kindesbeinen an lernen. Abgeordnete Gaby Schwarz hat es heute auch ausgedrückt: Wir wünschen uns eine Mitmachgesellschaft. – Ja, das wollen wir, mit gesellschaftlicher Teilhabe. Wissen ist dafür eine Voraussetzung – und ich bin sehr, sehr froh darüber, dass wir eine solide Parlamentsmehrheit haben, die das auch so sieht, die das Individuum stärken will.

Abschließend, meine Damen und Herren: Wir werden mit diesem Beschluss auch ganz klar in die Fußstapfen von Julius Raab treten, der 1958 gesagt hat: Es geht um die Si­cherstellung der Freiheit der Menschen und ihrer Würde. – Meine Damen und Herren, mit diesem Beschluss leisten wir die beste Art von Konsumentenschutz, nämlich durch Bildungs- und Finanzkompetenz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer. – Bitte.


19.33.14

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Herr Minister! Ich kann mich den Ausführungen meines Vorredners nur anschließen, was das Plädoyer für Finanzbildung betrifft. Das ist etwas, was wir NEOS schon lange fordern und von dem wir auch sagen, dass dadurch sicher der beste und nachhaltigste Konsumentenschutz passiert.

Welche Probleme fehlende Wirtschafts- und Finanzbildung mit sich bringt, sehen wir am vorliegenden Antrag der FPÖ. Kollege Wurm hat ja schon einmal Höchstpreise gefordert, damals war es für Verbrauchsgüter oder Lebensmittel. Das hat bei Diokletian 301 vor Christus nicht funktioniert, das hat im Sozialismus nicht funktioniert und das würde auch heutzutage nicht funktionieren. Es war gut, dass dieser Antrag damals keine Mehrheit fand und dass auch der heutige Antrag keine Mehrheit finden wird.

Bei der Ausnützung eines Überziehungsrahmens entsteht ein Kredit und für diesen Kre­dit zahlt man natürlich Zinsen. Diese sind höher als bei einem normalen Kredit, weil auch


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die Rahmenbedingungen und die Kosten andere sind als bei einem normalen Kredit. Dazu muss man kurz noch ein paar Punkte sagen: Sie sind höher als bei einem normalen Kredit, weil die vereinbarte Kreditlinie von der Bank jederzeit vorgehalten werden muss und die Bank mit diesem Geld ja nicht arbeiten kann. Sie sind höher, weil die Bank den Liquiditätsbedarf nicht verlässlich planen kann, und sie sind höher, weil die Bank, anders als früher, Eigenkapital hinterlegen muss. Aus diesen Gründen sind auch die Zinsen höher als bei dem herkömmlichen Kredit, den wir alle meinen, wenn wir von Kredit spre­chen.

Ja, Überziehungskredite sind gefährlich. Ja, es braucht da mehr Finanzbildung, es braucht da für die Konsumenten auch mehr Transparenz. Es darf kein Gewöhnungsef­fekt eintreten, und wir müssen uns alle darum kümmern, dass nicht zu viele Menschen in der Schuldenfalle landen, weil oft auch klar ist: einmal in der Überziehung, immer in der Überziehung. Wir plädieren deshalb auch dafür, die Schuldnerberatungen besser auszustatten. Ich schließe mich da auch dem Plädoyer meiner Vorrednerin, Kollegin Fi­scher, an, und ich glaube, der Herr Minister sieht das auch ähnlich.

Da können wir am meisten hebeln; mit dem vorliegenden Antrag, glaube ich, können wir das nicht, denn seien es 5 Prozent, seien es 6 Prozent, seien es 10 Prozent: Ich halte es nicht für richtig, das hier im Parlament zu verordnen, sondern das ist etwas, was man mit den Banken gemeinsam und aus den Banken heraus regeln muss. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fischer.)

19.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Corinna Scharzen­berger. – Bitte.


19.35.39

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute zu einem Antrag der FPÖ über eine gesetzliche Beschränkung der Überziehungszinsen sowie über einen Antrag der Regierungsparteien über eine bes­sere Verbraucherinformation im Bereich der Finanzdienstleistungen reden.

Der Antrag der FPÖ zielt darauf ab, die Überziehungszinsen mit 5 Prozent zu deckeln – so weit, so gut. Es schaut aber ganz danach aus, als ob in diesem Antrag der Wurm drin ist. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Es sind da nämlich einige Begriffe zumindest unklar oder überhaupt gleich ganz falsch verwendet worden: Die Zinsen, die Sie als Überziehungs­zinsen bezeichnen, heißen nämlich eigentlich Sollzinsen, und die Zinsen, die Sie als Strafzinsen bezeichnen, heißen eigentlich Überziehungszinsen. (Heiterkeit und Zwi­schenruf des Abg. Wurm.)

Zusätzlich wurde bei diesem Antrag neben der falschen Verwendung der Begriffe an­scheinend auch der Sinn eines Überziehungsrahmens nicht bedacht. Der Kontokorrent­kredit oder Überziehungsrahmen ist nämlich nicht als langfristiger Kredit gedacht, son­dern, wenn man so will, als Polster für Einkommensschwankungen, also dafür, kurzfris­tige Kontoüberziehungen abzufedern. Für längerfristige Ausgaben gibt es Konsumkre­dite, und für diese Kredite zahlt man auch nur einen Bruchteil des Zinssatzes des Über­ziehungsrahmens.

Außerdem wird in dem Antrag gefordert, dass die Strafzinsen ausgesetzt werden sollen, wenn ein Konto überzogen wird. Abgesehen davon, dass der Begriff Strafzinsen in dem Zusammenhang ohnehin falsch verwendet worden ist, ist für diesen Schritt auch keine Notwendigkeit gegeben, weil gerade Überziehungsrahmen sehr einfach und unbüro­kratisch erhöht und verlängert werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Wurm, ein wiederholtes Überschreiten des Rahmens ist daher auch in Co­ronazeiten nicht nötig. Es reicht, den Rahmen anzupassen. Weiters wird gefordert, dass


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die Banken den Kontorahmen nicht überraschend kürzen oder kündigen sollen. Aller­dings sind beim Überziehungsrahmen – wie im Übrigen bei jedem anderen Kreditvertrag auch – Änderungen sowieso nur im Einvernehmen mit dem Kunden möglich.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nach Durchsicht des Antrages bleibt also nicht mehr viel über, dem man noch zustimmen könnte. Die Kolleginnen und Kollegen der FPÖ sollten sich überlegen, ob sie nicht doch dem Antrag der Regierungsparteien zu­stimmen. Man sieht im Antrag des Kollegen Wurm nämlich, dass anscheinend auch in Teilen der Freiheitlichen Partei ein dringender Bedarf an Nachhilfe in Sachen Finanzbil­dung besteht. (Beifall bei der ÖVP und Abgeordneten der Grünen.) Genau aus diesem Grund ist eine Eingliederung der Finanzbildung in die heimischen Lehrpläne so wichtig.

Seine eigenen Finanzen im Griff zu haben, das ist nicht nur für Unternehmer wichtig sondern auch für Arbeiter, für Angestellte, für Schüler und für Studenten. Wir haben be­reits einige gesetzliche Bestimmungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher im Be­reich der Finanzdienstleister unterstützen sollen, nur müssen wir auch Informationsarbeit leisten. Das gilt einerseits für die Rechte der Konsumenten im Zusammenhang mit den Finanzdienstleistern, andererseits aber auch für die Möglichkeit, bei finanziellen Proble­men Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Manchmal sind es nur kleine Änderungen im Finanzverhalten der Betroffenen, die durch eine entsprechende Schuldnerberatung herbeigeführt werden und so ihre finanzielle La­ge verbessern. Damit diese Maßnahmen in Zukunft öfter früh genug gesetzt werden und den Betroffenen so geholfen werden kann, braucht es einen einfacheren Zugang zur Schuldnerberatung. Wir brauchen eine Informationsoffensive für Verbraucherinnen und Verbraucher im Finanzbereich, und das am besten schon in der Schule. Was wir nicht brauchen ist eine zusätzliche Bestimmung, die dann im Endeffekt in der Praxis nieman­dem wirklich hilft. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.39


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Agnes Totter. – Bitte.


19.39.50

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Werte Abgeordnete! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bild­schirmen! Finanzminister Gernot Blümel präsentierte heute die Eckpunkte des Bud­gets 2021. Dieses steht wie auch die laufenden Ausgaben im Jahr 2020 ganz im Zeichen der Bewältigung der Coronakrise als Gesundheitskrise und ihrer Folgen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Mit zahlreichen Hilfspaketen wird und wurde bereits geholfen. Noch nie in der Geschichte Österreichs wurde mehr Geld für Arbeit und Beschäftigung ausgegeben. Im heurigen Jahr sind bereits 6,8 Milliarden Euro für Kurzarbeit, 182 Millio­nen Euro Einmalzahlungen an arbeitslose Menschen, 90 Millionen Euro befristete Auf­stockung für die Notstandshilfe, 15 Millionen Euro für die Implementierung einer dreiwö­chigen Sonderbetreuungszeit beschlossen worden.

Auch für das Jahr 2021 sieht unsere Bundesregierung zahlreiche notwendige Konjunk­tur- und Hilfsmaßnahmen vor. Weil das meiner Ansicht nach so wichtig ist, streiche ich es gerne nochmals hervor: Es gibt und gab Hilfe und Unterstützung für Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer, Unternehmerinnen und Unternehmer, Landwirtinnen und Land­wirte, junge und ältere Menschen sowie Menschen ohne Beschäftigung oder in Ausbil­dung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

So wird seitens der Bundesregierung dafür gesorgt, dass niemand zurückgelassen wird. Neben all diesen Maßnahmen ist es aber auch wichtig, allen Österreicherinnen und Ös­terreichern die nötige Hilfe zur Selbsthilfe im Sinne der Prävention, also wichtige Instru­mente zur Selbsthilfe in finanziellen Belangen in die Hand zu geben. Aus dem Grund kann man den vorliegenden Entschließungsantrag nur begrüßen.


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Unter dem Titel „Verbraucherbildung und Informationsmaßnahmen für KonsumentInnen im Bereich der Finanzdienstleistungen“ wird in diesem Zusammenhang die Bundesre­gierung „ersucht, Maßnahmen auszuarbeiten, wie Verbraucherinnen und Verbraucher künftig verstärkt über die für sie maßgeblichen bereits vorhandenen gesetzlichen Be­stimmungen im Bereich der Finanzdienstleistungen sowie über Möglichkeiten zur Schul­denprävention informiert werden können.“

Als Pädagogin weiß ich, dass eine verstärkte Eingliederung der Finanzbildung in heimi­sche Lehrpläne effizient und daher unumgänglich ist. Speziell junge Menschen müssen im richtigen, verantwortungsvollen Umgang mit Geld geschult werden. Nur wenn jemand in jungen Jahren schon weiß, wie man richtig haushaltet, wird er sich ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben ohne Überschuldung aufbauen können.

Weiters soll es für Konsumentinnen und Konsumenten aller Altersgruppen in Zukunft Informationsangaben über das gesetzliche Recht zum kostenlosen Wechsel der Zah­lungskontos geben.

Zur Vergleichbarkeit des Angebots der Banken soll darüber hinaus die Information über den Bankenrechner ausgeweitet werden. Wichtig ist die Fortführung der Informationsar­beit zum Basiskonto und über existierende Beratungsangebote der gesetzlich anerkann­ten Schuldnerberatungsstellen. In allererster Linie gilt es aber, die Österreicherinnen und Österreicher vor dem Hineintappen in die Schuldenfalle zu bewahren und daher in prä­ventive Maßnahmen zu investieren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mau­rer und Jakob Schwarz.)

Ich bin überzeugt davon, dass wir mit Finanzbildung an unseren Schulen einerseits und dem Ausbau des Informationsangebotes auf der anderen Seite auf dem absolut richtigen Weg sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.44


Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal hat sich Herr Abgeordneter Peter Wurm zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.44.21

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Ja, vielleicht doch noch ganz kurz: Also die Wort­spiele mit meinem Familiennamen halte ich ja relativ leicht aus, Frau Kollegin. Ich darf aber, wenn Sie mir mangelndes Finanzwissen vorwerfen, schon darauf hinweisen, dass ich doch einige Dinge aufklären müsste oder sollte.

Zum Ersten würde ich es einfach fair finden, vor allem von der ÖVP, aber zum Teil auch von den NEOS, wenn man vielleicht erklärt, warum man sich für die Banken derartig ins Zeug haut. Das sollte man ganz klar sagen. Natürlich gibt es Banken, die ein gutes Lobbying betreiben, auch über Abgeordnete, sodass halt die Interessen der Banken dann stärker sind als die der Konsumenten.

Zum Fachlichen darf ich auf Folgendes hinweisen – das wissen wahrscheinlich auch in Ihren Reihen nur Abgeordnete, die vielleicht schon länger als zwei Jahre im Parlament sind –: Wir haben bei der SVS, also bei der Sozialversicherung der Selbständigen, be­reits einen Deckel von maximal 4,5 Prozent für Verzugszinsen eingezogen. Fragen Sie da bei den entsprechenden Kollegen der ÖVP einmal nach! Das geht also sehr wohl. Wenn es die Sozialversicherung der Selbständigen nicht als kommunistisch empfindet, dann sollte man, glaube ich, auch im Sinne der Konsumenten darüber nachdenken, ei­nen gewissen Deckel einzuziehen.

Ich bleibe dabei: Es gibt das UWG, und dieses UWG sagt grundsätzlich ganz klar, dass Preiswucher verboten ist. Was sich im Bereich der Überziehungszinsen in Österreich abspielt, ist Preiswucher zum Schaden der Konsumenten.


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Vielleicht noch einmal kurz zu den Ausführungen des Kollegen Wöginger, der sich jetzt so über das Ergebnis vom Sonntag in Wien – diese 20 Prozent – freut. Ich gratuliere ihm recht herzlich. 20 Prozent sind super. Wir haben schon mehr gehabt, wir werden auch wieder mehr haben. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) Ein bisschen Demut würde ich jedoch auch der ÖVP raten; das stünde Ihnen ganz gut an, glaube ich.

Genau für solche Sachen kämpfen wir. Die Menschen werden auch wieder merken, dass nur die Freiheitlichen für sie da sind, wenn es dann einmal eng wird. Sie werden das merken, und die Wähler werden (Widerspruch bei der ÖVP) – ja, ich spüre schon leichte Angst aufkommen – uns wieder Vertrauen schenken, weil sie merken werden, dass in letzter Konsequenz die Freiheitlichen die soziale Heimatpartei und für sie da sind. – Dan­ke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.46


19.46.58

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ein Schlusswort wünscht. – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich frage die Klubobleute, ob wir gleich zur Abstimmung kommen können. – Gut, dann komme ich zur Abstimmung.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 391 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 658/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so an­genommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 391 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Verbraucherbildung und Informationsmaß­nahmen für KonsumentInnen im Bereich der Finanzdienstleistungen“.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (102/E)

19.48.0814. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 901/A(E) der Ab­geordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Initiativen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Erhöhung des niedri­gen Strafmündigkeitsalters in zahlreichen Staaten außerhalb Europas (389 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Bundesministerin Zadić bei dieser Debatte und erteile Herrn Abgeord­netem Harald Stefan als erstem Redner das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.48.49

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Justizminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es geht um einen Appell an die Regierung, dass sie sich auf internationaler Ebene dafür einsetzt, dass in anderen Staaten das Strafmündigkeitsalter angehoben wird. Ich muss sagen, das ist schon ein­mal ein Thema, bei dem wir als FPÖ ein Problem haben, wenn man so aus der warmen Stube heraus auf andere mit dem moralischen Zeigefinger zeigt, andere Gesellschaften vielleicht sogar für das, was sie machen, ächtet und damit sich selbst moralisch erhöhen


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will. Das ist jedenfalls nicht unser Ansatz, und ich werde darauf noch ein bisschen näher eingehen.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin weder für eine Anhebung noch für eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters in Österreich. Alles, was ich jetzt sage, muss man unter die Prämisse setzen, dass wir nicht dafür sind, das Strafmündigkeitsalter abzusen­ken. Trotzdem muss man anerkennen, dass in anderen Gesellschaften die Dinge anders gesehen werden.

Wenn man sich nun hier darüber auslässt, dass es in anderen Staaten eben ein niedri­geres Strafmündigkeitsalter gibt, muss man schon einmal sagen: Es gibt auch sehr hoch entwickelte Rechtsstaaten, die eine niedrigere Altersgrenze haben: England: zehn Jahre, Schottland gar acht Jahre, die Niederlande, die nicht so weit weg sind: zwölf Jah­re, Neuseeland: zehn Jahre – und es gibt auch andere Staaten. Es ist folglich nicht so, dass man sagen kann, eine niedrigere Strafmündigkeitsgrenze bedeutet automatisch, dass das ein Staat ist, der sich nicht normal mit Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und so weiter auseinandersetzt. Das kann man diesen Staaten beispielsweise nicht vor­werfen.

Außerdem muss man ehrlicherweise schon sagen: Auch wir in Österreich haben ein gesellschaftliches Problem mit unmündigen Minderjährigen – das heißt also mit Minder­jährigen, die unter 14 Jahre alt sind. Wir haben ein Phänomen, dass zunehmend Strafta­ten von Personen begangen werden, die halt nicht strafmündig sind, sie können daher im Sinne des Strafrechts nicht bestraft werden. Wir kennen allerdings Fälle von Teil­nahme an Gruppenvergewaltigungen, Überfällen, Drogenhandel. Auch in der Bettelei und so weiter werden oft strafunmündige unter 14-Jährige eingesetzt oder begehen von sich aus solche Straftaten.

Das heißt, in Wahrheit müssen wir uns als Gesellschaft in Österreich damit auseinan­dersetzen, wie wir hierzulande richtig vorgehen. Wie gesagt, ich bin nicht dafür, dass wir die Strafmündigkeitsgrenze absenken, aber das ist ein Phänomen, das in den letzten Jahren durchaus zugenommen hat. Man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, dass man sagt, dass es ein Erschwerungsgrund ist, wenn jemand einen unmündigen Minder­jährigen anstiftet – weil wir ja wissen, dass eben oft Kinder herangezogen werden, in der Bettelei und so weiter. Sie werden vielleicht aber auch zu Diebstahl, Taschendiebstahl und Ähnlichem angeleitet und können dann eben nicht belangt werden. Der Auftragge­ber kann sich damit abputzen, weil da kein Verfahren durchgeführt wird. Es ist also ein gesellschaftliches Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

Außerdem stört mich immer dieses Mit-zweierlei-Maß-Messen. Wir haben heute ja schon über Sanktionen gegen Weißrussland debattiert. Da war ein Argument: Weißruss­land hat ja die Todesstrafe. Ja, ich bin absolut gegen die Todesstrafe, aber ich weiß, dass wir mit anderen Staaten, die auch die Todesstrafe haben, durchaus gute Bezie­hungen pflegen, auch wirtschaftlich gute Beziehungen. Ich denke an China und die USA, da wird das nicht als Argument gesehen, dass man mit denen nicht mehr kooperieren könnte oder bei jedem Zusammentreffen darauf hinweisen müsste, dass sie die Todes­strafe abschaffen – weil es halt ins Konzept passt, und daher wird diesbezüglich mit zweierlei Maß gemessen.

Ein anderer typischer Fall ist das König-Abdullah-Zentrum in Wien. Saudi-Arabien hat keine kodifizierte Strafmündigkeit, soweit ich das gefunden habe. Man geht davon aus, dass vielleicht zwölf Jahre die Grenze zur Strafmündigkeit sind. Nun gibt es jedenfalls Medienberichte, dass jemand, der als Zehnjähriger an einer Demonstration teilgenom­men hat, derzeit mit der Todesstrafe bedroht ist. Dieses König-Abdullah-Zentrum, das weitgehend von Saudi-Arabien finanziert wird, das haben wir allerdings hier in Wien. Da geht es immer darum: Dialog ist wichtig, mit denen müssen wir einen Dialog führen. Da wird nicht gesagt: Nein, das ist undenkbar, mit einem Staat, in dem so etwas passiert,


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der auch mit Kindern so umgeht, der vielleicht sogar die Todesstrafe für so jemanden einsetzt, können wir auch nicht zusammenarbeiten. Das ist ja in Wien, das ist nicht im Ausland. Wir reden nicht davon, dass wir irgendwelche anderen Staaten dazu anleiten, dass sie sich anders verhalten sollten, sondern das findet hier in Wien statt, dieses Zen­trum befindet sich hier in Wien (Zwischenruf der Abg. Ernst-Dziedzic) – und es wird letztendlich mit Steuergeld von uns allen unterstützt. Es ist folglich zweierlei Maß, mit dem wir da messen.

Weißrussland übrigens hat eine Strafmündigkeitsgrenze von 16 beziehungsweise 14 Jah­ren. Auch damit verhält es sich zum Beispiel ganz anders.

Wie schon gesagt: Ich denke, wir sollten uns um die Probleme im eigenen Land küm­mern. Beschäftigen wir uns also besser damit, wie wir das hier besser machen, bevor wir mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zeigen! (Beifall bei der FPÖ.)

19.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Barbara Neßler. – Bitte.


19.54.32

Abgeordnete Barbara Neßler (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! In einem Jugendgefängnis in Uruguay müssen Kinder täglich 22 Stunden in den Zellen verbringen. Das dortige System ist rein auf körperliche Bestrafung aufgebaut, es gibt keinerlei Lern- oder Arbeits­möglichkeiten für die Kinder und es gibt auch keine Resozialisierungsmaßnahmen.

Schauplatz Kasachstan: Auch dort gehören körperliche Bestrafungen zur Tagesord­nung. – Diese Schilderungen stammen vom Menschenrechtsexperten Manfred Nowak, der sich vor Ort ein Bild von den grausamen Zuständen und von den Kindern und Ju­gendlichen, die dem weltweit ausgesetzt sind, gemacht hat. Die Strafmündigkeitsgrenze liegt weltweit in 120 Staaten bei unter 14 Jahren, und über sieben Millionen Kinder wer­den weltweit ihrer persönlichen Freiheit beraubt. Da frage ich mich: Haben diese Kinder, die ein solch hartes Schicksal erlebt haben, einen solchen Umgang verdient? Haben sie es verdient, jeden Tag psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt zu sein? Haben sie es verdient, dass ihnen das Recht auf Freiheit, das Recht auf Geborgenheit und auf Entwicklung entzogen wird? Und haben sie es verdient, dass sie ihrer Kindheit beraubt werden? – Ich sage ganz klar: Nein, kein Kind auf der Welt hat das verdient. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Die überwiegende Mehrheit hier im Haus sieht das auch so. Es gibt eine traurige Aus­nahme und das ist die FPÖ, die im Ausschuss bereits dagegengestimmt hat. Da geht es nicht, wie von Ihnen angesprochen, Herr Kollege Stefan, um eine eigene Erhöhung oder wie auch immer Sie das genannt haben, sondern es geht hier um internationales Han­deln.

Da Sie die Situation vor Ort, die Problematik vor Ort angesprochen haben: Ich glaube, man muss das Problem bei den Wurzeln packen, und das heißt, wir müssen bei der Bildung anfangen. Wir müssen bei Gewalt gegen Kinder anfangen, und diesbezüglich hat unsere Ministerin schon wichtige und großartige Maßnahmen gesetzt. Wir müssen bei der Armutsbekämpfung anfangen und nicht darüber nachdenken, ob wir nun die Strafen ausdehnen oder was auch immer. Packen wir stattdessen das Problem bei den Wurzeln an! Es geht um den Freiheitsentzug von sieben Millionen Kindern, Kindern, denen ihre Kindheit geraubt wird.

Vergessen wir eines nicht: Kinder sind Kinder und keine jungen Erwachsenen. In der Kindheit entwickeln sich die Persönlichkeit, emotionale Beziehungen, soziale Kompeten­zen und Talente. Die Haft nimmt den Kindern nicht nur ihre Kindheit, sondern auch ihre Zukunft.


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Ich freue mich über den Antrag und bedanke mich auch für die Zusammenarbeit mit Kollegin Kugler von der ÖVP und möchte nochmals Richtung FPÖ appellieren: Stimmen Sie diesem Antrag zu! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Harald Troch. – Bitte.


19.58.11

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht heute hier nicht nur um Kinder, Justiz und Gefäng­nis, sondern es geht einfach auch darum, dass Kinder und Jugendliche in ihrer eigenen Todeszelle aufwachsen. Für mich bedeutet Politik gerade auch, nicht wegzuschauen. Nicht wegzuschauen muss gerade dann auch ein Faktum sein, wenn in 120 Ländern dieser Erde die Strafmündigkeitsgrenze unter 14 Jahren ist. In manchen Ländern landen bekannterweise ja schon Siebenjährige – Siebenjährige! – im Gefängnis, und darum geht es eben heute auch. Sieben Millionen Kinder, diese Zahl ist bereits genannt worden, sind durch verschiedene Formen der Haft staatlich ihrer Freiheit beraubt. (Präsident Ho­fer übernimmt den Vorsitz.)

Ja, ich möchte hier ein drastisches Beispiel bringen, und dieses drastische Beispiel sind Todesurteile und Hinrichtungen von Kindern und Jugendlichen im Iran. Es geht dabei um die von Menschenrechtsorganisationen belegten und bekannten Fälle – offizielle Zahlen gibt es im Iran nicht, es sind in Wirklichkeit also noch viel mehr. In den Jahren 2005 bis 2015 sind 73 Hinrichtungen von Kindern und Jugendlichen erfolgt, davon acht Kinder zwischen zwölf und 14 Jahren und 51 Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, beim Rest war das Alter nicht ganz klar feststellbar.

Jedes Todesurteil ist traurig, aber manche Todesurteile empören mich ganz einfach auch ob der Vorgeschichte. Im Iran gibt es auch Hinrichtungen wegen sogenannter Feind­schaft zu Gott, wegen homosexuellen Geschlechtsverkehrs und wegen Drogendelikten.

Udo Jesionek, der langjährige und legendäre Präsident des 2002 aufgelösten Jugendge­richtshofs, kritisierte diese fixe Idee: Wenn ich eine strengere Strafe vorsehe, gibt es weniger Kriminalität. Es ist bequemer, nach einer Strafe zu rufen, als sich zu überlegen, wie man das an den Wurzeln packen kann. Es geht daher darum, Kindern selbst bei schlimmen Taten eine Chance zu geben. Es geht um die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und im besten Fall geht es sogar um eine Wiedergutmachung.

Es ist einfach ein Faktum, dass mit Erziehung, mit Beschäftigung und Ausbildung die Zukunft von Kindern zu sichern und mehr zu erreichen ist als mit Todesstrafe, mit Hin­richtung, mit Auspeitschung oder mit Kerker. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

20.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Gudrun Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.01.10

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Zuerst einmal, glaube ich, muss man dem Ludwig Boltzmann Ins­titut für Menschenrechte und auch Manfred Nowak Danke sagen, der im November 2019 diese Studie vorgelegt hat, die nicht nur in Österreich rezipiert wurde, sondern auf der ganzen Welt, in der UNO hohe Beachtung fand. Ich habe ihm noch einmal eine E-Mail geschickt und ihn gefragt: Herr Professor, was geben Sie mir heute mit, wenn dieses Thema ins Parlament kommt?, worauf er mir ein paar Sätze geschrieben hat, die ich Ihnen jetzt vorlesen möchte. Das sind ganz starke Gedanken darüber, was er persönlich während der Erstellung dieser Studie erlebt hat.


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Er hat gesagt – Herr Kollege Stefan, das gibt dir vielleicht ein paar Antworten auf deine Rede –: Ich habe mit acht- und neunjährigen Kindern in einem Kindergefängnis in Togo gesprochen. Es handelte sich um Straßenkinder, die wegen Diebstahls und ähnlicher geringfügiger Delikte, die sie begangen hatten, um ihr Überleben zu sichern, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden waren. Für diese Kinder war es besonders fürchterlich, dass sie in kleinen Zellen eingesperrt waren, die sie immer nur für kurze Zeit verlassen durften, um im Gefängnishof ein wenig herumzulaufen. Sie hatten keinen Zugang zu Bildung im Gefängnis und keinerlei Zukunftsperspektive, da sie nach ihrer Entlassung in Ermangelung jeglicher Rehabilitierungsmaßnahmen und sozialer Unterstützung wieder auf der Straße landen würden. Solch traurige Kinderschicksale gibt es leider in vielen Staaten der Welt. – Zitatende.

Die internationale Konvention der Kinderrechte sagt ganz klar, und das steht komplett außer Streit: Strafmündigkeit ab 14 Jahren, wenn, dann Unterbringung in familienähnli­chen Strukturen, Gefängnis nur als allerletztes Mittel, und für diese Kinder und Jugendli­chen muss der Fokus immer auf der persönlichen Entwicklung, Ausbildung, Sozialisie­rung beziehungsweise Resozialisierung liegen.

Warum stellen wir solch einen Antrag heute im österreichischen Parlament und warum richtet sich das an unsere Justizministerin? – Weil Österreich sowohl bilateral als auch multilateral – und du wirst das aufgreifen, Frau Minister –, aber auch innerhalb der Euro­päischen Union in dieser Frage sehr wohl einen Beitrag leisten kann. In einer globali­sierten Welt geht uns das etwas an, was anderswo passiert, und, Herr Kollege Stefan, das ist kein Mit-dem-Finger-Zeigen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die internationale Gemeinschaft zusammengesetzt und sich mit der Frage beschäftigt: Wie können wir solche Verbrechen in Zukunft verhin­dern?, und dann hat man gemeinsam die Menschenrechte definiert. Es ist richtig, dass wir nicht in jeder Angelegenheit, in jedem Land immer jedem unsere Meinung aufok­troyieren wollen oder sollen, aber es gibt Grundstrukturen, Grundstandards, hinsichtlich derer wir füreinander Verantwortung übernehmen müssen – die Kinder in diesem Ge­fängnis in Togo können es selber nicht. Österreich und die Europäische Union haben politisches Gewicht, haben wirtschaftliches Gewicht und dieses soll für die Einhaltung dieser Grundstandards auch unbedingt genützt werden. Ich finde es deshalb sehr, sehr schade, dass die FPÖ diesem Antrag nicht zustimmen wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn wir aber jetzt über Kinder in Unfreiheit reden, dann können wir auch andere For­men der Unfreiheit, die nicht mit Institutionen und staatlicher Gewalt zusammenhängen, betrachten und uns Gedanken darüber machen, ob es nicht auch in Österreich Hand­lungsbedarf gibt. Ich habe mir die Empfehlungen des Ausschusses für Kinderrechte der UNO angeschaut, die im März 2020 veröffentlicht wurden, und da heißt es, dass Ös­terreich in einigen Punkten noch Handlungsbedarf hat, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Kinderhandel – das ist auch eine Form von Unfreiheit –, bei der Bekämpfung von Kinderehen – auch das gibt es bei uns – und bei der Bekämpfung von sexueller Ausbeu­tung insbesondere durch Kinderpornografie.

Ich glaube, wir müssen uns das Problem genauer ansehen. Wenn in Deutschland ein Kinderpornografiering ausgehoben wird, gigantische Datenmengen, Abbildungen von schwerem sexuellem Kindesmissbrauch sichergestellt werden, dann müssen wir auch in Österreich dafür sorgen, dass so etwas aufgedeckt wird, dass das bekämpft wird, dass so etwas nicht vorkommt. Interessanterweise sind die Anzeigen im Bereich Kinderporno­grafie rasant angestiegen, ich habe die Zahl im „Standard“ gelesen: Von 2017 auf 2018 sind die Anzeigen um 58 Prozent gestiegen.

Ich glaube, dass das ein Thema ist, das wir uns auf jeden Fall in Österreich anschauen müssen. Diese Schauplätze müssen wir ernst oder vielleicht auch ernster nehmen, denn Kinder, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kinder sind das Wertvollste, das wir


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haben. Wir dürfen ihnen ihre Kindheit nicht rauben und wir dürfen ihre kleinen Wesen nicht verletzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Brandstätter: Siehe Moria!)

20.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Dr. Johannes Margreiter. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.06.18

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Der vorliegende Antrag ist großartig und findet natürlich unsere Zustim­mung, der ist ganz wunderbar – und trotzdem empfinde ich einen üblen Beigeschmack.

Auch die Worte von dir, Kollegin Neßler, waren sehr empathisch, haben sehr empathisch geklungen, und trotzdem geht es mir nicht gut dabei. Und wissen Sie, warum? – Heute Vormittag haben Sie einen Antrag abgelehnt, mit dem 100 Kinder aus Moria gerettet werden sollten.

Liebe Barbara, du kannst in deiner Rede die Ortsbezeichnungen austauschen. Setz bitte Moria ein, und dann weißt du, warum ich diesen Antrag so empfinde. Ich sage das Eigen­schaftswort jetzt nicht, weil ich heute schon einen Ordnungsruf ausgefasst habe, aber ich bin empört über diese Doppelzüngigkeit. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kinderschutz ist unteilbar. Auch die Kinder von Moria haben Anspruch auf diesen Schutz, gerade jetzt, wo die ersten Herbst- und Regenstürme in der Ägäis sie absaufen lassen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Diesen Schutz verweigern Sie nach wie vor, weil Sie glauben, dass es Stimmen bringt, und da werden Sie auch recht haben. Das ist leider so, es funktioniert noch immer. Wenn wir das Ressentiment ansprechen und nicht den Anstand und den Verstand der Men­schen, dann können wir Stimmen machen. Das scheint zu funktionieren. Das Ressenti­ment ist das Doping der Politik. Doping im Sport führt zum Erfolg, da gewinne ich – aber es ist verwerflich und der Erfolg steht auf tönernen Füßen. Genauso ist das mit dem politischen Erfolg, den Sie deshalb erzielen, weil Sie hier herinnen unterscheiden zwi­schen Kindern, die vielleicht als Migranten zu uns kommen könnten, und Kindern, die ganz weit weg in dunklen Gefängnissen weggesperrt sind. So kann das nicht funktionie­ren! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nach den Erfahrungen zweier Weltkriege hat es viele Jahrzehnte wirklich den Konsens gegeben: Mit dem Ressentiment machen wir keine Politik, das tun wir nicht! Es war die FPÖ unter Jörg Haider, die diesen Konsens erstmals gebrochen hat, und es ist schau­derhaft, dass und wie jetzt die ÖVP auf diesen verhängnisvollen Zug aufgesprungen ist. Der Erfolg gibt ihr zunächst recht, aber ich sage es noch einmal: Dieser Erfolg ist ein kurzfristiger, der ist nicht nachhaltig. Der ist genauso verwerflich wie ein Sieg im Sport, der durch Doping erschwindelt worden ist. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich appelliere noch einmal an dieses Hohe Haus: Verzichten wir darauf, unsere Politik auf das billige Ressentiment abzustellen! Lasst uns den Verstand und den Anstand der Menschen ansprechen! Nur so werden wir nachhaltigen Erfolg für unser Gemeinwesen erzielen. Und: Holen wir Kinder aus Moria, und zwar sofort! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 209

20.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Alma Zadić zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


20.09.55

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich begrüße diesen Antrag der Abgeordneten Kugler, Ernst-Dziedzic, Plakolm und Neßler. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass wir als Bundesregierung uns dafür einsetzen, dass die Strafmündigkeitsgrenze auch weltweit auf das empfohlene Niveau hinaufgesetzt wird, nämlich auf das empfohlene Niveau von 14 Jahren.

Wenn wir uns beispielsweise Österreich anschauen, in Österreich ist einiges umgesetzt worden: Zum einen haben wir natürlich die Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren, aber zum anderen sieht unser Jugendstrafrecht auch darüber hinaus mildere Bestrafungen bei Personen bis zum jungen Erwachsenenalter vor.

Warum ist das so? – Das ist so, weil bei den Kindern und Jugendlichen eine Sache im Vordergrund steht, nämlich die Resozialisierung, die Unterstützung der Kinder und Ju­gendlichen, sodass sie in der Gesellschaft wieder Fuß fassen können und mit Unterstüt­zung – gemeinsam auch mit PsychologInnen, mit BetreuerInnen – auch sichere Wege aus einer kriminellen Umgebung finden und ein menschenwürdiges Leben führen kön­nen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Die Forschung gibt uns ja auch recht. Die Forschung zeigt, dass sich das Gehirn und damit die Reife noch bis ins Alter eines jungen Erwachsenen entwickelt. In dieser Zeit ist das Kind oder der Jugendliche natürlich viel größeren Veränderungen ausgesetzt und das Gehirn kann sich verändern. Das heißt, das ist eine sehr prägende Zeit für einen Menschen. Wenn man zu früh Strafen verhängt oder Kinder und Jugendliche gar ein­sperrt, dann wird das sehr negative Auswirkungen auf die Entwicklung dieses Kindes haben. (Ruf bei der SPÖ: Moria!) Vielleicht verfestigt sich sogar die kriminelle Karriere der Jugendlichen in diesem Alter.

Wenn man sich internationale Beispiele anschaut – viele davon wurden ja heute in den einzelnen Reden erwähnt –, erkennt man – und das ist unerträglich und unmenschlich ‑, wie jung Kinder eingesperrt werden. Sieben Millionen Kinder leben in Unfreiheit, und dagegen müssen wir auch etwas tun. (Ruf bei der SPÖ: ... Moria auch!)

Daher werde ich mich natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten, auch gemeinsam mit dem Außenminister, dafür einsetzen, dass die Strafmündigkeitsgrenze weltweit auf das empfohlene Niveau hinaufgesetzt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da Sie es, Frau Abgeordnete (in Richtung Abg. Kugler), angesprochen haben: Der Kampf gegen Kinderpornografie und natürlich auch gegen Kinderhandel ist mir ein gro­ßes Anliegen, denn  Sie haben die Zahlen richtig zitiert – die Anzeigen im Bereich der Kinderpornografie sind enorm gestiegen. Wir haben uns sowohl in einer informellen Sit­zung des Europäischen Rates als auch mit deutschsprachigen JustizministerInnen darü­ber ausgetauscht, was wir gemeinsam als Europäische Union unternehmen können, um dem eine Grenze und auch dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben. Wir sehen, dass in Deutschland die Zahlen steigen – und sie steigen auch in Österreich. Es ist eine organisierte Kriminalität, die wir nur gemeinsam bekämpfen können. In diesem Sinne vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Katharina Ku­charowits. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.13.50

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseherinnen und Zuse­her! Ich möchte heute einfach mit einem Danke beginnen. – Danke für den Antrag, in


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diesem Fall an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, weil ich diesen Antrag und vor allem den Inhalt für ganz zentral und ganz wichtig halte. Da geht es um Kinder, da geht es um deren Schutz und da geht es um deren Rechte. Ich finde, da darf man nie ruhiggestellt werden, sondern man muss immer laut dafür kämpfen. Ich finde es zentral, dass wir das heute gemeinschaftlich tun. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von Grünen und NEOS.)

Es ist erwähnt worden: Sieben Millionen Kinder und Jugendliche werden ihrer Freiheit beraubt. Das ist unvorstellbar – oder? –, wirklich unvorstellbar: sieben Millionen Kinder und Jugendliche!

Es ist bereits erwähnt worden, aber ich möchte es noch einmal untermauern: Die UN-Kinderrechtskonvention sagt ganz klar: Freiheitsberaubung ist das letzte, letzte Mittel für Kinder und Jugendliche, und diese Freiheitsberaubung soll so knapp und kurz wie mög­lich gehalten werden. Wir haben gesagt, es muss auch dringend sozusagen adäquat und sehr, sehr kindgerecht gestaltet sein.

Wir haben im Menschenrechtsausschuss von Ihnen, Frau Justizministerin, gehört, dass auch in Österreich an neuen Konzepten gearbeitet wird, was straffällige Jugendliche, die Unterbringung und die bessere Begleitung anlangt. Ich finde das wichtig und gut so; ein Danke auch dafür an dieser Stelle. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass es ungemein viele Länder gibt, in denen das Alter für das Erreichen der Strafmündigkeit ganz klar unter 14 Jahren liegt; Kollegin Bayr hat im Ausschuss von Neunjährigen gesprochen, Kollege Troch hat heute von Sieben­jährigen gesprochen. Wir müssen wirklich ganz, ganz laut, vehement und ohne Kompro­misse für die Erhöhung des Alters für das Erreichen der Strafmündigkeit eintreten – für Kinderrechte immer laut, vehement und ohne Kompromisse!

Wir müssen uns immer dafür einsetzen – der Kollege von den NEOS hat es schon ange­sprochen –, und ich muss Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der ÖVP, aber auch der Grünen, an dieser Stelle sagen: Kinderrechte sind unteilbar. Man kann nicht einmal dafür sein und dann dagegen. Das geht sich nicht aus, das geht sich bei Kin­derrechten und bei Menschenrechten ganz einfach nicht aus! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich frage Sie ganz ehrlich: Wie viele Anträge sollen wir hier von dieser Stelle aus noch stellen? Wie viele Institutionen, wie viele NGOs und wie viele kirchliche Institutionen be­nötigen Sie, um endlich Ja zu sagen? Evakuieren wir die Kinder aus dem Schlamm in Moria, von der Insel Lesbos. Es ist unsere Pflicht, unsere menschliche Verpflichtung! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Eypeltauer.)

Ich möchte diesen Appell wirklich an dieser Stelle noch einmal an Sie richten. Es versteht Sie niemand mehr. Wie schaffen Sie das, dass Sie da für Kinderrechte eintreten und dort nicht? Das geht sich nicht aus. Ich verstehe es nicht, und ich glaube, das versteht wirklich niemand mehr.

Deshalb eine große Bitte: Leben wir Kinderrechte, wenn es um Freiheitsberaubung geht – so wie Sie das in Ihrem Antrag zum Ausdruck bringen, volle Unterstützung –, aber leben wir auch Kinderrechte, wenn es darum geht, ein menschenwürdiges und kindge­rechtes Leben für alle Kinder auf die Beine zu stellen.

Also raus mit den Kindern aus den Camps, und zwar jetzt! Danke schön. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

20.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte schön.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 211

20.17.24

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Minis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ich habe mich zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort gemeldet, weil ich letztens der Sit­zung des Menschenrechtsausschusses beiwohnen durfte und von diesem Thema be­rührt war, von diesem Thema, das eine unfassbare Situation zeigt, die von internationa­len Standards einfach abweicht.

Ich bin dankbar dafür, dass ich heute auch dazu sprechen und diese Debatte abschlie­ßen darf; eine Debatte, die sich einmal nicht um Corona, nicht um das Budget und nicht um Parteipolitik dreht. Das tut irgendwie gut, auch wenn das Thema ein sehr, sehr sen­sibles und ein sehr, sehr bedrückendes ist.

Zum Kollegen Stefan: Ich glaube, Herr Kollege, wir sind es nicht, die sich irgendwo einzu­mischen haben, das geht für mich schon mit unserer Neutralität nicht ganz zusammen. Wenn man sich aber internationale Standards vor Augen führt, dann muss es erlaubt sein und es muss auch unserer Rolle entsprechen, dass wir einen Dialog führen und dass wir unsere Ministerin beauftragen, diesen Dialog auf internationaler und europäi­scher Ebene zu führen.

Ich bin weit davon entfernt, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und zu sagen: Du machst es falsch! Wir müssen uns bewusst sein – und darin gebe ich Ihnen recht –, dass andere Länder und andere Kulturen andere gesellschaftliche Entwicklungen haben. Es gibt aber internationale Standards, die als vereinbart gelten, und über diese Standards muss man diskutieren dürfen.

Wenn Österreich diesbezüglich eine klare Haltung einnimmt, dann, glaube ich, ist das nur recht und billig, und darum bitte ich auch die FPÖ, diesem Antrag, der diese Auffor­derung mit sich bringt, zuzustimmen.

Zum Zweiten bitte ich die Kollegen und Kolleginnen von SPÖ und NEOS, hier keine Vermischung zu betreiben: Ohne das Thema Moria zu verniedlichen muss man dabei festhalten, dass es um zwei völlig getrennte Themenbereiche geht.

Zum einen: In Moria gibt es Kinder, die zum Teil allein, zum Teil mit ihren Eltern auf der Flucht sind und auf ein Asylverfahren warten; sie sind in einem anderen rechtlichen Kon­text. Wir wissen – das wurde zur Genüge ausdiskutiert –, dass es, wenn wir oder ein anderes Land 100 Kinder aus Moria holen – auch wenn die in Moria das vielleicht gar nicht wollen –, einen Pulleffekt nach sich zieht, den wir nicht wollen und den Europa nicht will.

Das ist eine unzulässige Vermischung von zwei Themenbereichen, denn im anderen Bereich geht es darum, dass Staaten, dass Rechtssysteme es billigen, dass Kinder hin­ter Gittern sitzen. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Stellen Sie sich einfach Ihr Kind oder Ihr Enkelkind vor, das vielleicht fünf, sieben oder zehn Jahre alt ist, in behüteter Umgebung aufwachsen darf – und dann sitzt dieses Kind in einer Zelle und hat keine Perspektive, gar keine Perspektive!

Darüber, meine Damen und Herren, muss und darf gesprochen werden, und ich unter­streiche deshalb den Antrag, dass wir unsere Frau Ministerin beauftragen, dies auf inter­nationaler Ebene zu thematisieren und darüber zu sprechen, um langfristig gesehen eine Meinungsänderung herbeizuführen, um einem zu dienen: dass Kinder Kind sein dürfen – nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.21


20.21.07

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 212

Wünschen die Klubs vor dem Abstimmungsvorgang eine Sitzungsunterbrechung? – Ei­nen solchen Wunsch kann ich nicht erkennen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 389 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Initiativen der Bundesregierung auf EU-Ebene zur Erhöhung des niedrigen Strafmündigkeitsalters in zahlreichen Staaten außer­halb Europas“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (103/E)

20.21.4615. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (349 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (382 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Ing. Reinhold Einwallner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.22.18

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich gehe es jetzt ein bisschen langsamer an, weil ich ja eigentlich noch die Hoffnung habe, dass der zuständige Minister zu uns stößt. (Bundesminister Nehammer betritt den Saal.) – Ich sehe ihn schon, wunderbar. Herzlich willkommen, Herr Innenmi­nister! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, es geht bei der vorliegenden Gesetzesnovelle zum Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz in erster Linie um Erleichterungen für Personen, die zum erweiterten Angehörigenkreis von Unionsbürgern gehören. Diese Personengruppe soll dadurch auf der einen Seite leichter eine Niederlassungsbewilligung bekommen, damit verbunden allerdings auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, einer selbstständigen Tätigkeit nachzugehen und schon nach sehr kurzer Zeit auch einen Aufenthaltstitel unter dem Titel Rot-Weiß-Rot-Karte plus zu bekommen und auf diese Weise umzusteigen.

Das sehen wir deshalb sehr kritisch, weil wir nicht der Meinung sind – und ich werde das später noch ausführen –, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um Zuwanderung zu för­dern. Sehr kritisch sehen wir zusätzlich, dass die Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte künf­tig nicht mehr voraussetzt, dass man eine ortsübliche Unterkunft nachweisen kann. Der Entfall dieser Voraussetzung bringt aus unserer Sicht das Risiko mit sich, dass Zuwan­derer dann in prekären Wohnverhältnissen leben, wirklich in einen prekären Wohnungs­markt gedrängt werden, oder – eigentlich noch viel schlimmer – auch die Gefahr, dass es Massenquartiere und Massenunterkünfte gibt. Gerade im Lichte einer Pandemie, in der wir uns nach wie vor befinden, ist das ein kritischer Zustand. Wir wissen, was für ein Herd gerade solche Massenunterkünfte und Massenquartiere auch sein können und dass dort Cluster entstehen. Ich glaube, da muss man vorsichtig sein. Das birgt ein Ri­siko in sich, das wir nicht eingehen sollten.

Wie so oft bei Gesetzestexten und Gesetzentwürfen ist es allerdings so, dass auch durchaus positive Aspekte beinhaltet sind, und ich möchte auch diese erwähnen, weil ich glaube, es sollte auch gesagt werden, was wir sinnvoll finden und welchen Punkten wir zustimmen. Zum einen begrüßen wir die Verkürzung der Verfahrenszeit und auch die Möglichkeit, dass man den Antrag auf die Rot-Weiß-Rot-Karte im Inland stellen kann. Genauso begrüßen wir, dass es die im Zuge des Brexits notwendigen Klarstellungen für die Bürger aus Großbritannien, die es braucht, gibt.


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Zusammenfassend ist allerdings festzuhalten, dass es in Bezug auf diese Regierungs­vorlage durchaus Licht und Schatten gibt, und wenn wir es abwägen müssen, dann stel­len wir fest, dass aus unserer Sicht leider die Nachteile dieser Regierungsvorlage ganz eindeutig überwiegen.

Wir befinden uns in einer der größten Arbeitsmarktkrisen und in der größten Arbeits­marktkrise in der Zweiten Republik. In einer Zeit höchster Arbeitslosigkeit können und wollen wir nicht befürworten, dass zusätzlich noch Arbeitskräfte aus Drittstaaten ins Land geholt werden. Jetzt gilt es zuerst und als Allererstes, Maßnahmen zu setzen, um den heimischen Arbeitsmarkt fit zu machen, auch für den Fachkräftemangel, den es in dem einen oder anderen Bereich gibt. Jetzt braucht es eine Intensivierung der Umschulun­gen, Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für die heimischen Arbeitslosen, Ini­tiativen zur Lehrlingsausbildung genau in diesen Mangelberufen, in denen wir Probleme haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Schritte müssen zuerst gesetzt werden. Für uns ist jetzt nicht der richtige Zeit­punkt, um noch zusätzlich Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Österreich zu holen.

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ich möchte noch ein zusätzliches Thema an­sprechen. Es ist ein bisschen ein Sidestep, aber ich erlaube es mir, weil der Grund­komplex auch Gegenstand des nächsten Tagesordnungspunkts ist. Es geht um die Poli­zistinnen und Polizisten, die im Frontex-Dienst sind, die einen wichtigen und sehr verant­wortungsvollen Job machen. Mein Kollege Christian Drobits und ich machen in diesem Zusammenhang – wir sind da seit geraumer Zeit dran – auf einen Missstand aufmerk­sam, und ich möchte ihn hier formulieren. Es fällt zwar in den Bereich des Finanzminis­ters, aber ich spreche es hier an, denn wir alle wissen, dass wir nicht den besten Finanz­minister haben. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Daher deponiere ich dieses Anliegen auch bei Ihnen, Herr Innenminister, weil es Ihre Beamtinnen und Beamten betrifft.

Es geht um die Taggelder, die von Frontex ausbezahlt werden. Dazu gibt es ein Höchst­gerichtsurteil, dass diese zu Unrecht versteuert wurden, und nach wie vor üben die ös­terreichischen Finanzämter eine unterschiedliche Praxis bei der Versteuerung dieser Taggelder, die ausbezahlt werden, aus. Es ist nicht einzusehen und nicht nachvollzieh­bar, dass ein Polizist oder eine Polizistin benachteiligt wird, weil er beziehungsweise sie bei einem anderen Finanzamt seinen beziehungsweise ihren Lohnsteuerausgleich macht (Abg. Gerstl: ... zum Budget!), und es ist auch nicht nachvollziehbar, dass es Polizistinnen und Polizisten gibt, die schon eine Veranlagung gemacht haben, die den Lohnsteuerausgleich schon gemacht haben und jetzt - - (Abg. Gerstl: Die Zeit ist abge­laufen!) – Herr Kollege Gerstl, Sie sind der Nächste, der dran ist. Ich weiß schon, das ist das typische Spiel der ÖVP: Wenn es um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, wenn es um die Polizistinnen und Polizisten geht, wenn es darum geht, gerecht zu be­steuern, bombardieren Sie einen mit Zwischenrufen. Das ist typisch! (Beifall bei der SPÖ.) Das ist offenbar der Stil der neuen Volkspartei: Wenn es um Steuergerechtigkeit geht, dann schreien Sie ganz laut – aber nicht für die, die ungerecht behandelt werden. (Abg. Gerstl: Typisches Bashing!)

Ich will Gerechtigkeit! (Abg. Gerstl: Reines Bashing!) Ich will Gerechtigkeit für die Poli­zistinnen und Polizisten, für all jene, bei denen zu Unrecht bei diesen Frontex-Taggel­dern die Lohnsteuer einbehalten wurde. Da ist eine einheitliche Regelung notwendig, eine Rückvergütung aller Steuern, die zu Unrecht abgezogen wurden, und, Herr Minister, da sind meines Erachtens Sie als Innenminister und noch viel mehr Finanzminister Blü­mel in der Pflicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Wolfgang Gerstl. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Leichtfried: Das wird jetzt eine sehr schlechte Rede, fürchte ich! –


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 214

Abg. Gerstl – erheitert, auf dem Weg zum Rednerpult –: Da werde ich dich enttäuschen müssen! – Ruf bei der ÖVP – in Richtung Abg. Leichtfried –: Das ist so was von respekt­los ...! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


20.29.07

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! (Abg. Leichtfried: Ich mein’, bis jetzt geht’s! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.) Ich möchte zuerst einmal für Sie, Herr Kollege Leichtfried, zur Erklärung festhalten: Es gibt eine klare Trennung zwischen Asyl und Arbeitsmigration. Asyl steht für Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt werden oder die fürchten müssen, verfolgt zu werden – sei es aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität oder aus sozialen oder politischen Gründen. Diesen Menschen helfen wir. Das ist unsere humanitäre, christlich-soziale Haltung, Herr Kollege Leichtfried. Wir helfen, indem wir nachhaltige Lö­sungen schaffen – durch einen EU-Außengrenzschutz und durch Hilfe vor Ort. So helfen wir auf lange Sicht und entziehen Schleppern ihre Geschäftsgrundlage. (Beifall bei der ÖVP.) Und selbstverständlich erhalten alle Flüchtlinge bei uns ein faires, dem rechts­staatlichen Prinzip entsprechendes Asylverfahren.

Wir beschließen heute, dass Großbritannien auch nach dem Austritt aus der EU ein si­cherer Herkunftsstaat ist, aus dem keine Flucht nach Österreich möglich oder nötig ist.

Mit diesem heutigen Beschluss stärken wir die freiwillige Rückkehr und Reintegration von Fremden in ihre Heimat.

Es gibt einen weiteren Punkt, in dem es um die Zuwanderung geht, aber dieser hat nichts mit Asyl zu tun. Für die Zuwanderung stärken wir die Rot-Weiß-Rot-Karte durch den Entfall von bürokratischen Hindernissen. Herr Kollege Einwallner, da geht es nicht um den Entfall des Nachweises, dass man einen Aufenthaltsort in Österreich hat, sondern es geht darum, dass diese hoch qualifizierten Schlüsselarbeitskräfte sehr wohl nachwei­sen müssen, dass sie einen Wohnort in Österreich haben, aber es genügt, dass sie ihn hier erbringen. Es geht immer um qualifizierte Arbeitskräfte, die nie im Leben die Min­destverdienstsumme von 2 000 Euro unterschreiten, die nie im Leben in einem Massen­quartier sein wollen. Hier unterliegen Sie einem Irrtum, Herr Kollege Einwallner.

Österreich hat einen Mangel an so manchen Spezialisten. Es gibt eine ganze Liste von Spezialisten, die Österreich braucht. Darunter fallen zum Beispiel Maschinenbautech­niker, aber auch Augenoptiker und Pflasterer. Vielleicht, Herr Kollege Einwallner, hinter­fragen Sie, warum es Ihnen bisher nicht gelungen ist, genügend Österreicher dazu zu bringen, in eine solche Lehre oder Ausbildung zu gehen. Das lag auch sehr lange in Ihrer Verantwortung. Wir müssen uns heute manchmal Spezialisten aus dem Ausland holen, weil wir damit Arbeitsplätze und vor allem Wirtschaft und Unternehmen, die auch weitere Arbeitsplätze produzieren, sichern wollen.

Daher: Helfen wir Menschen vor Ort, unter anderem durch eine Verzehnfachung der Mittel des Auslandskatastrophenfonds, und fördern wir auf der anderen Seite Zuwande­rung von qualifizierten Arbeitskräften, und zwar nur von solchen, welche wir in Österreich brauchen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

20.32


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.32.40

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Innenminister! Geschätzte Damen und Herren! In den vorliegenden Gesetzentwür­fen sind einige Dinge enthalten, die wir auch begrüßen; so zum Beispiel das, was Kollege


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Gerstl gesagt hat, nämlich das Vereinigte Königreich als sicheren Herkunftsstaat beizu­behalten. No na, selbstverständlich sind wir auch dafür, alles andere wäre ja auch völlig absurd.

Es sind aber auch Dinge und Vorhaben darin festgeschrieben, die nicht unsere Zustim­mung finden – ganz im Gegenteil. So wird zum Beispiel die Erlangung eines Aufent­haltstitels gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz massiv erleichtert und auch beschleunigt, also vereinfacht. Den Entfall des Nachweises einer ortsüblichen Un­terkunft als Voraussetzung bei Beantragung einer Rot-Weiß-Rot-Karte sehen wir über­haupt nicht ein.

Sie haben jetzt zwischen Asyl und Arbeitsmigration unterschieden. Es freut mich, dass endlich auch in der Regierung angekommen ist, dass es da einen massiven Unterschied gibt. Selbstverständlich, auch wir sind dafür, dass wir uns aussuchen können, wer zu uns kommt, dass wir das steuern können, Stichwort Schlüsselarbeitskräfte, aber ich glaube – und da bin ich bei Kollegen Einwallner, dem ich da zustimme –, dass es gerade in Zeiten wie diesen, in denen viele Menschen in Kurzarbeit sind, in denen wir es mit einer Rekordarbeitslosigkeit zu tun haben, der völlig falsche Ansatz ist, irgendwelche Erleichterungen für einen zusätzlichen Zuzug nach Österreich zu schaffen. Das ist das völlig falsche Signal in der jetzigen Situation, meine Damen und Herren! Also wir sind entschieden dagegen, irgendwelche Vereinfachungen zu unterstützen, die den Aufent­haltstitel in Österreich einfacher und schneller möglich machen.

Meine Damen und Herren! Abgesehen davon, dass es den Druck auf den Arbeitsmarkt weiter erhöhen wird, wenn wir jetzt den Zuzug nach Österreich erleichtern, sollten wir uns in Bezug auf den Fachkräftemangel, den es ja anscheinend in Zeiten der Rekordar­beitslosigkeit immer noch in gewissen Bereichen gibt, die Frage stellen und unsere Bildungspolitik dahin gehend überdenken, ob wir nicht nach wie vor an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei ausbilden. Das wäre unserer Ansicht nach der richtige Ansatz.

Kurz gesagt, Herr Innenminister – und das auch als klare Botschaft an Sie –: Sorgen Sie endlich für einen effizienten Grenzschutz, sorgen Sie endlich für eine konsequente Ab­schiebung von Straftätern und Asylbetrügern und setzen Sie sich bitte nicht dafür ein, dass die Erlangung eines Aufenthaltstitels für Fremde vereinfacht und beschleunigt wird! Das ist absurd und gerade in einer Krisensituation, in der Zigtausende Menschen in Österreich, in der Hunderttausende Menschen in Österreich arbeitslos sind, in Kurzarbeit sind, nicht wissen, wie sie ihr Leben finanzieren sollen, das völlig falsche Signal. Jetzt muss es mehr denn je lauten: Österreich zuerst! (Beifall bei der FPÖ.)

20.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Agnes Sirkka Prammer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.35.54

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Innenminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir verab­schieden heute Änderungen im Asylgesetz und im Niederlassungs- und Aufenthaltsge­setz. Eine sehr wichtige Änderung betrifft eine Klarstellung im Asylgesetz, die notwendig war, um eine als verfassungswidrig erkannte Bestimmung zu ändern. Grundsätzlich kön­nen Familienangehörige den asylrechtlichen Status eines nahen Angehörigen teilen, und bisher war die verfassungswidrige Situation die, dass gesetzliche Vertreter von Minder­jährigen diesen Status übernehmen konnten, dass das umgekehrt allerdings nicht mög­lich war. Das wird jetzt saniert; das ist ein Formalakt, der notwendig ist.

Weiters gibt es eine Änderung im BFA-Verfahrensgesetz. Dadurch soll erreicht werden, dass eine frühzeitige freiwillige Rückkehr und Reintegration möglich ist. Wichtig für das


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 216

Gelingen dieser Intention wird sein, dass die Vollziehung dieser verpflichtenden Rück­kehrberatung nicht nur ein Formaltermin ist, bei dem man gefragt wird: Wollen Sie freiwillig zurückkehren? Nein? Wenn nicht, dann werden Sie abgeschoben! – Vielmehr müssen die Menschen auf solche Institutionen wie zum Beispiel die Rückkehrhilfe der Caritas hingewiesen werden. Das ist eine Institution, die den Menschen auch tatsächlich Hilfe und Unterstützung bietet, und zwar nicht nur bei der Abreise, sondern vor allem und vielmehr auch bei der Ankunft und den ersten Schritten in ein neues Leben im Her­kunftsland. Das ist sinnvoll, und es ist wichtig, dass das gemacht wird.

Umgekehrt ist es notwendig, dass den BeraterInnen bewusst ist, dass Menschen, die sagen, dass sie nicht freiwillig zurückkehren wollen, das in der Regel auch nach einem zweiten, dritten, vierten oder fünften Termin nicht wollen. Sie haben dafür im Normalfall ihre Gründe, und es ist wichtig, das zu respektieren. (Beifall bei den Grünen.)

Macht man das nämlich nicht, schadet es allen Beteiligten – den Abgelehnten, den Bera­terInnen und den Verantwortlichen. Wenn nicht qualitative und unterstützende Beratung angeboten wird, sondern Termine einfach nur aneinandergereiht werden, entspricht das nicht der Intention des Gesetzes, hilft niemandem, verursacht unnötigen Verfahrensauf­wand und Kosten und Frustration und Leid bei den Betroffenen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Mag. Felix Eypeltauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.38.40

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Dass die unsägliche Voraussetzung eines Nachweises einer Unterkunft in Österreich für die Rot-Weiß-Rot-Karte jetzt endlich fällt, begrüßen wir NEOS sehr. Wir sagen schon seit langer Zeit: Für viele Fachkräfte, die aus dem Ausland zu uns kommen wollen, aber auch für viele Betriebe, für die Industrie, für Forschungseinrichtungen ist das einfach völlig unmöglich, so werden durch Bürokratie Steine in den Weg gelegt. Es ist auch vollkommen lebensfremd, denn wenn man eine Wohnung in Österreich mieten möchte, dann möchte der Vermieter in der Regel wissen, ob man hier auch einen Aufenthaltstitel und einen Job hat. Wenn man aber einen Auf­enthaltstitel wollte, brauchte man bis jetzt für die Rot-Weiß-Rot-Karte eine Wohnung. Da hat sich die Katze in den Schwanz gebissen, und es ist gut, dass das endlich ein Ende hat. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Warum aber braucht es für viele dieser begrüßenswerten Verbesserungen, die hier heu­te passieren, erst ein Vertragsverletzungsverfahren? – Das können Sie gleich im ersten Satz der Erläuterungen in der Vorlage, die wir hier diskutieren, nachlesen.

Ja, die Rot-Weiß-Rot-Karte haben Sie, geschätzte Regierung, jetzt aus eigenem Antrieb verbessert – aber glauben Sie nicht, dass wir uns in jeder Hinsicht darum bemühen sollten, dass die besten Köpfe aus aller Welt zu uns kommen? Glauben Sie nicht, dass es für diese besten Köpfe aus aller Welt, für diese Fachkräfte, relevant ist, zu wissen, wie bürokratisch oder unbürokratisch sie zum Beispiel ihre Lebensgefährten zu sich nach Österreich holen können?

Wir brauchen viel mehr als das, was hier heute wieder im Klein-Klein passiert, denn das Aufenthaltsrecht, Herr Minister, ist Kraut und Rüben! Es fehlt eine klare Migrationsstrate­gie, es gibt viel zu viele verschiedene Gesetze und es gibt viel zu viel Bürokratie. All das hemmt die Wirtschaft, all das hemmt unsere Betriebe. Es schadet unserer Industrie und unserem Wissensstandort, weil all diese Stakeholder sich auf einem globalen Markt um die besten Köpfe bemühen, um sie raufen. Wir dürfen ihnen keine Steine in den Weg legen. (Beifall bei den NEOS.)


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Was bräuchten wir also? – Machen wir es einfach: Wenn ein oberösterreichischer Arbeit­geber und ein israelischer Programmierer sich finden, dann muss dieser Programmierer auf dem rot-weiß-roten Teppich von Tel Aviv nach Linz spazieren. Das muss so einfach, so unbürokratisch und so flüssig gehen wie nur irgend möglich. Das wäre einmal wirklich eine Vision für Migrationspolitik in Österreich! (Beifall bei den NEOS.)

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, beziehungsweise der Kanzler und Landes­hauptmann Stelzer wollen jetzt in Oberösterreich eine technische Universität für Digitali­sierung hinstellen. Gestern haben der besagte Bundeskanzler, der Wissenschaftsminis­ter, der Landeshauptmann und der von mir sehr geschätzte Unirektor Meinhard Lukas dazu eine in manchen Teilen verblüffende Pressekonferenz abgehalten.

So viele Kalendersprüche, so viel Beratersprech hört man auf keinem drittklassigen Moti­vationsseminar für Vertriebler – just ein Jahr vor der Landtagswahl, so wie damals 2013/2014 bei der Medizinischen Fakultät in Linz. Sie wissen nicht einmal, was das kos­tet, was da geplant ist! Es gab mehrfache Nachfragen von Journalisten, ob es einen groben Rahmen gibt, ungefähr, irgendetwas – keine Antwort! Beratersprech, Worthülsen!

Ich kann versuchen, Ihnen ein bisschen Nachhilfe zu geben und damit den Menschen da draußen eine Vorstellung, worüber wir reden: Die ETH Zürich, die sicher so ein inter­nationaler Leuchtturm ist, wie das hier in Oberösterreich einer werden soll, hat ein Jah­resbudget von 1,7 Milliarden Euro. Das Karlsruher Institut für Technologie hat ein Jah­resbudget von 9 Milliarden Euro, und selbst unsere TU in Wien braucht ungefähr 300 Mil­lionen Euro im Jahr.

Für diese Universität, von der wir noch nicht einmal wissen, was sie eigentlich kostet und was genau sie machen soll – auf jeden Fall aber kommt sie, und rechtzeitig vor der Landtagswahl haben wir das noch rausgekriegt –, brauchen wir die besten Köpfe, so viel steht fest. Da sollen nämlich international graduates kommen, die ihre Doktorate machen sollen, forschen sollen, Grundlagenforschung machen und den Standort stärken sollen.

Ja, wissen Sie, wenn Sie so eine Idee vortragen, die darauf fußt, dass internationale Topleute zu uns kommen, dann fangen Sie doch einmal an und schaffen Sie ein ein­heitliches, übersichtliches, transparentes und verständliches Migrationsrecht, damit die Menschen, die unsere Wirtschaft braucht und die die Wissenschaft braucht, auch gerne zu uns nach Österreich kommen! Damit würden Sie den Standort auf jeden Fall stärken und damit können Sie sofort anfangen, das kostet nämlich keinen Cent. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.43


20.43.25

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, frage ich die Klubs, ob eine Unterbre­chung gewünscht ist. – Das ist offenbar nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 349 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


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20.44.0716. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge (360 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kennzeichnung von Schusswaffen und wesentlichen Bestandteilen von Schusswaffen (Schuss­waffenkennzeichnungsgesetz – SchKG) erlassen und das EU-Polizeikooperations­gesetz geändert wird (383 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.44.35

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Präsident! Ge­schätzte Damen und Herren! Bei der geplanten Änderung des Schusswaffenkennzeich­nungsgesetzes, die auf die berühmt-berüchtigte EU-Feuerwaffenrichtlinie, mit der wir es ja schon bei der Novelle des Waffengesetzes in der letzten Gesetzgebungsperiode zu tun gehabt haben, zurückzuführen ist, geht es im Wesentlichen um die Kennzeichnung von Schusswaffen und Bestandteilen von Schusswaffen.

Das klingt jetzt einmal harmlos, man muss aber schon sagen, dass der erste Ministe­rialentwurf, der massive Eingriffe bis hin zu Entwertungen für Legalwaffenbesitzer vorge­sehen hätte, eine Katastrophe war.

Ich muss Ihnen, Herr Innenminister, und Ihrem Ressort zugutehalten, dass Sie die zahl­reichen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren sehr weitgehend berücksichtigt und eingearbeitet haben. Das ist gut. Es hat sicher auch damit zu tun, dass viele Schüt­zenvereine, Waffensammler, Besitzer historischer Waffen Angst gehabt haben – berech­tigte Angst –, dass ihr Eigentum entwertet wird. Es ist also positiv anzumerken, dass die Begutachtungen wirklich berücksichtigt wurden – das passiert bei Entwürfen ja nicht immer.

Ich möchte aber kurz ausführen, warum wir als Freiheitliche Partei diesem Gesetzent­wurf unsere Zustimmung dennoch nicht erteilen werden. Wie ich anfangs schon erwähnt habe, geht der Entwurf auf die EU-Feuerwaffenrichtlinie zurück. Was aber wollte die EU mit dieser Feuerwaffenrichtlinie grundsätzlich bezwecken? – Sie wollte damit den Ter­rorismus bekämpfen. Das war immer der Vorwand. Das war auch beim Waffengesetz der Vorwand, und wir können froh sein, dass das Waffengesetz in einer Zeit novelliert wurde, in der wir in der Regierung waren und den Innenminister gestellt haben. So konn­ten wir die ärgsten Grauslichkeiten, welche die EU vorgehabt hat, noch entschärfen – um bei diesem Terminus, der zum Waffengesetz passt, zu bleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das gesamte Denken, die gesamte Intention der EU war von Anfang an falsch und zum Scheitern verurteilt. Der Ausgangspunkt wa­ren ja die damaligen Terroranschläge in Paris, aber: ein Gesetz, Richtlinien und Ände­rungen, die Verschärfungen von Bestimmungen und gesetzlichen Auflagen für legale Waffenbesitzer vorsehen – und da geht es um Menschen, die im Regelfall ein psycho­logisches Gutachten haben, die die Ausbildung für einen Waffenführerschein absolviert haben, bei der sie den Umgang mit Feuerwaffen gelernt haben, die die Waffen sicher verwahren müssen und die auch regelmäßig von der Polizei kontrolliert werden, ob ihre Verlässlichkeit noch gegeben ist – und diese Menschen drangsalieren, sind bitte der völlig falsche Ansatz.

All diese Attentate – Paris war ja nur eines von vielen –, die im Regelfall von Islamisten begangen wurden, wurden allesamt mit vollautomatischen Waffen begangen, meistens mit Kalaschnikows, die ja aufgrund der Balkankriege nach wie vor in großen Mengen


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quasi zum Kilopreis verfügbar sind. Ein Legalwaffenbesitzer aber, der sich seiner Verant­wortung, eine Waffe zu besitzen, bewusst ist, verübt keine Terroranschläge, schon gar nicht mit historischen Waffen, bei denen das Magazin sehr klein ist – sofern es überhaupt ein Magazin gibt –; und auch das Kaliber hat eine Größe und Wirksamkeit, die das völlig sinnlos machen würde, weil es gar nicht funktionieren würde.

Meine Damen und Herren, meine Botschaft also, mein Appell lautet – und das richtet sich auch an den Innenminister und an die ÖVP; vor allem die ÖVP hat sich in den letzten Jahren nicht als besonders großer Freund des Legalwaffenbesitzers erwiesen, obwohl sie das bei Jagdstammtischen und dergleichen immer wieder vorgibt –: Bekämpfen Sie den illegalen Waffenhandel, bekämpfen Sie die illegalen Waffen, die massenhaft ins Land gebracht werden! Das ist wichtig, da haben Sie unsere volle Unterstützung. Lassen Sie aber die Legalwaffenbesitzer in Ruhe! Das sind ordentliche, rechtschaffene Bürger. (Beifall bei der FPÖ.)

20.48


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Hermann Gahr. – Bitte schön.


20.48.32

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um eine Gesetzesänderung zur Schusswaffenkenn­zeichnungspflicht. Danke für die Vorlage, Herr Bundesminister, wir setzen damit ja eine EU-Richtlinie um. Kollege Amesbauer hat positiv erwähnt, dass die Stellungnahmen ein­geflossen sind und Bedenken ausgeräumt werden konnten, und ich glaube, das klingt durchaus schon ein bisschen positiver, als es im Ausschuss geklungen hat.

Worum geht es in dieser Regierungsvorlage genau? – Wesentliche Bestandteile von Schusswaffen und Munition sollen zukünftig eindeutig und umfassend gekennzeichnet werden. Es geht darum, die Rückverfolgbarkeit von Schusswaffen zu erleichtern und die missbräuchliche Verwendung von Schusswaffen für kriminelle Zwecke zu bekämpfen. Insgesamt ist das natürlich eine klare Ansage und eine Herausforderung für die Sicher­heit.

Grundsätzlich dient dieses Gesetz dazu, den Erwerb und missbräuchlichen Einsatz von Waffen nachvollziehen zu können, besonders die Kennzeichnung der Munition soll den Behörden schnell helfen, den Besitzer der Waffe ausfindig zu machen. Die Pflicht zur lesbaren, dauerhaften und eindeutigen Kennzeichnung soll die Nachvollziehbarkeit der Schusswaffen bis zu ihrem Hersteller beziehungsweise Importeur gewährleisten.

Ich habe schon gesagt, wir setzen damit eine EU-Waffenrichtlinie aus dem Jahr 2017 noch zeitgerecht um. Erklärtes Ziel ist es, den Waffenmissbrauch zu bekämpfen. Es ist aber natürlich auch erklärtes Ziel, auf europäischer Ebene einheitliche Standards zu schaffen.

In Kraft treten soll das Gesetz mit Anfang 2021. Schusswaffen, die vor dem 14. Septem­ber 2018 im Besitz von Endverbrauchern standen, sind ausgenommen. Die Übergangs­regelungen sind dazu da, um die Eingriffe in das Eigentum so gering wie möglich zu halten. Ausnahmen – das hat Kollege Amesbauer schon gesagt – gibt es eben für histo­rische Feuerwaffen sowie Druckluft- und CO2-Waffen bis Kaliber 6 Millimeter. Ausnah­men gelten auch für den Erwerb durch Streitkräfte, Polizei oder Behörden.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Bundesregierung setzt hiermit ein wichtiges Gesetz zur Eindämmung von Terrorismus und Kriminalität um. Die Bedenken von Waf­fensammlern konnten aus dem Weg geräumt werden, und somit steht einer Gesetz­werdung nichts im Wege. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.50



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 220

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte schön.


20.51.01

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir behan­deln zwei Gesetzentwürfe unter diesem Tagesordnungspunkt. Das eine Gesetz ist von meinen Vorrednern schon sehr ausführlich diskutiert und dargelegt worden, dabei geht es um den wesentlichen Bestandteil von Schusswaffen. Das zweite ist das EU-Polizeiko­operationsgesetz, das auch in diesem Tagesordnungspunkt mitbehandelt wird. Für mich ist unverständlich, warum man gerade das Schusswaffenkennzeichnungsgesetz und das EU-Polizeikooperationsgesetz in einem Tagesordnungspunkt zusammenfasst, man hätte es auch trennen können.

Was besagt das EU-Polizeikooperationsgesetz? – Die personelle Ausstattung der Fron­tex, also der Grenz- und Küstenwache der EU, bedingt die Adaptierung im EU-Polizeiko­operationsgesetz. Die gesetzliche Ergänzung soll es ermöglichen, dass sogenanntes Statutspersonal, das heißt direkt bei Frontex angestelltes Personal, auch im österreichischen Bundesgebiet mit Aufgaben betraut werden kann. Das gilt auch für alle anderen Länder. Das heißt, das ist eine Feststellung der EU, dass die Frontex-Bediens­teten auch in jedem EU-Land eingesetzt werden können. Dem stimmen wir selbstver­ständlich zu.

Jetzt noch zum Schusswaffenkennzeichnungsgesetz: Es ist schon gesagt worden, das betrifft Teile der Schusswaffen wie den Lauf, die Trommel, den Verschluss, die gekenn­zeichnet werden sollen. Dem stimmen wir zu. Das aber, was ich nicht verstehe – ich habe das auch im Ausschuss schon gesagt, und ich habe auch die Antwort, die ich dort bekommen habe, einfach nicht verstanden –, ist, dass Schusswaffen, die vor dem 14. September 2018 im Besitz von Endverbrauchern standen, ausgenommen sind. Das heißt, wenn man diese Waffen nicht kennzeichnet, wie es vorhin schon so schön ge­heißen hat, kann man sie für terroristische Zwecke verwenden, weil da der Lauf, die Trommel und so weiter keine Kennzeichnung haben. Die, die ab dem 15. September 2018 herangezogen wurden, müssen, wenn die Waffen zerlegt werden, gekennzeichnet werden. Meiner Meinung nach ist dieser Termin, der da festgelegt wurde, der Umstand, dass dieser Stichtag genommen wurde, unverständlich. Ich verstehe es nicht, Herr Mi­nister. Ich würde mich freuen, wenn ich darauf wirklich eine gescheite Antwort bekäme.

Vorweg erlauben Sie mir noch eines – ich habe das schon öfter angesprochen –, und zwar möchte ich auch hier sagen: Die Bundesausbildner der Polizeidiensthunde haben im Sommer dieses Jahres die Prüfung zum tierschutzqualifizierten Hundetrainer abge­legt – das ist die höchste Prüfung, die man überhaupt ablegen kann, und die gibt es auch nur in Österreich mit einer staatlichen Prüfung –, und man sollte jetzt die Zertifikate über­reichen, weil das, glaube ich, etwas ist, was wirklich ausgezeichnet ist. Da gibt es nicht viele und im Exekutivbereich nur diese zehn.

Ich hätte die Bitte, dass wir uns endlich einmal einen Termin ausmachen, damit man diesen zehn Trainern auch die Zertifikate überreichen kann, denn sie haben es verdient. Ich glaube, das ist wirklich eine ausgezeichnete Prüfung und sie hebt das Image der Polizeidiensthundeführer wirklich sehr, sehr in die Höhe. (Beifall bei der SPÖ.)

20.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Eva Blim­linger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.54.03

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Mir stehen Schusswaffen eigentlich ziemlich fern, überhaupt


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 221

Waffen ganz im Allgemeinen – höchstens am Kirtag oder im Prater, wenn es darum geht, Rosen zu schießen. Da Kollege Bürstmayr aber krank ist und ich mich vor allen Dingen mit der Kennzeichnungspflicht der historischen Waffen in diesem Gesetz beschäftigt ha­be, ist es an mich gekommen, dazu zu reden. Das heißt, ich werde mich vor allen Dingen auf diesen Bereich der historischen Waffen beschränken.

Wie Kollege Amesbauer ausgeführt hat – und wozu er auch eine parlamentarische An­frage an den Herrn Innenminister gestellt hat –, glaube ich, sieht er nicht ganz den Sinn, wozu man eine Kennzeichnungspflicht für historische Waffen braucht. Ich sehe ihn sehr wohl, weil es natürlich auch da sehr notwendig ist, zu wissen, wem sie gehören und wo sie sich befinden. Bei diesen Waffen wird die Bezirkshauptmannschaft dann gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt feststellen, ob es sich um eine historische Waffen handelt.

Die Befürchtung der FPÖ – daran sieht man, dass es Ihnen nicht um Sicherheit geht – ist ja die, dass es ein Eingriff in das Eigentumsrecht ist, auch von denen, die historische Waffen sammeln. Ich kann das nicht erkennen. Ganz im Gegenteil: Wenn das BDA eine Waffe als historisch klassifiziert, wird sie für den Sammler, die Sammlerin im Wert eigent­lich noch steigen. Die Befürchtung, dass sie an Wert verliert, wenn eine Nummer drauf ist, ist natürlich blanker Unsinn. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht ja um Waffen, die nach dem 1. Jänner 1900 entstanden sind. Der 1. Jänner 1900 wurde gewählt, weil es da um die technischen Fragen geht, um zu sagen, da gibt es eine Zäsur – also ganz im Gegenteil. In diesem Sinne werden wir das selbstverständlich mitbeschließen. Die Einzigen, die sich gegen diese Sicherheitsfrage wehren, ist die FPÖ; da geht es immer mehr um das Eigentum als um die Sicherheit.

Am Ende wie immer und hier noch besonders passend, wenn wir von Schusswaffen sprechen: Ich bin ich dafür, die Klagenfurter Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Ka­serne umzubenennen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.56


20.56.42

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir in den Abstimmungsvorgang eingehen, stelle ich wieder die Frage, ob eine Unterbrechung gewünscht ist. – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 360 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Ge­setzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.57.2517. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 365/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung einer Strategie zur Thematik und Risiken von Deepfakes (384 d.B.)


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18. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 369/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Maßnahmen zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit im Cyberbereich (385 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zu den Punkten 17 und 18 der Tagesord­nung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auch hier wurde auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Maximilian Köllner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.57.59

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Ausschuss auf Initiative des Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff zum Thema Deepfakes diskutiert. Ich möchte das aufgreifen, denn, Herr Minister, haben Sie eigentlich gewusst, dass Sie selbst in einem Deepfake­video vorkommen? Ich habe ein Bild davon mitgebracht. Es wirkt ja auf den ersten Blick lustig (eine Tafel mit einer Abbildung von Peter Alexander in Richtung Bundesminister Nehammer haltend und danach auf das Rednerpult stellend): Das ist Peter Alexander in der „ZDF-Hitparade“ 1982. Das (eine Tafel ähnlich der ersten, nur mit dem Unterschied, dass das Gesicht von Bundesminister Nehammer statt jenem von Peter Alexander zu sehen ist, in Richtung Bundesminister Nehammer haltend und danach auf das Redner­pult stellend) ist der Deepfake, der Sie als Peter Alexander darstellen soll. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich weiß nicht, ob Sie selbst darüber schmunzeln können, aber Sie wissen sicherlich, dass es bei Deepfakevideos oder -fotos nicht nur Satire gibt. Deepfakes wirken zwar täuschend echt, wie täuschend echte Medieninhalte, sind es aber einfach nicht, denn sie sind Fälschungen. Die Erstellung ist keine große Kunst. Im Netz existieren mittlerweile zahlreiche Programme, die auch technisch wenig versierten Nutzern erlauben, Gesichter in täuschend echt aussehenden Videos mit anderen Gesichtern auszutauschen. Damit können aber auch Fakenews rasant und einfach in sozialen Kanälen verbreitet werden. Genau darin liegt eben die Gefahr.

Die Opfer sind nicht nur Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sondern auch Unter­nehmen und Privatpersonen. Es gibt Fälle, in denen Gesichter von jungen Frauen in pornografische Aufnahmen hineingeschnitten wurden, oder von Politikern, die in Reden zu sehen sind, die sie nie gehalten haben. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass die Realität in Zweifel gezogen wird. Donald Trump hat sich einst für eine abfällige Aussage über Frauen entschuldigt, später aber die Echtheit der Aufnahme in Frage gestellt. Fakt ist, dass solche Fälschungen nicht nur Rufschädigung oder Erpressung zur Folge haben können, sie haben sogar das Potenzial, demokratische Prozesse ins Wanken zu bringen.

Es gibt bereits Staaten, die sich dieser heiklen Thematik angenommen haben, aber Ös­terreich hinkt da noch etwas nach. Herr Minister, Sie sind gefordert, Maßnahmen zu erarbeiten, um den negativen Auswirkungen von Deepfakeproduktionen aktiv entgegen­zutreten und damit die Sicherheit – darum geht es letzten Endes – der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Koza.)

Apropos Sicherheit: Als anwesenden Minister bitte ich Sie, Folgendes innerhalb der Re­gierung nochmals zu thematisieren, auch wenn es nicht direkt in Ihre Zuständigkeit fällt, aber es ist mir in der heutigen Debatte zum Tourismus zu kurz gekommen und es geht auch da um eine sichere Zukunft, denn neben der Hotellerie und der Gastronomie weiß nämlich auch die Reisebranche nicht, wie sie überleben soll.


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Ich habe erst gestern wieder persönlich mit Vertretern der Reisebranche gesprochen, diese können nicht planen, weil es keine europaweiten Richtlinien gibt. Maßnahmen wer­den erlassen, dann gelockert, sodass von den Menschen wieder Urlaube gebucht wer­den, dann gibt es wieder Reisewarnungen und -beschränkungen, und die Urlaube wer­den wieder storniert.

Diese Branche ist von der Krise ohnehin schwer gebeutelt, Reiseveranstalter und Reise­büros müssen jedes Mal in Vorleistungen gehen und den Kunden bei Stornierungen die Provisionen zurückzahlen. Irgendwann sind aber die Geldreserven verbraucht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Geben wir daher, wenn wir schon über Sicherheit reden, auch dieser Branche wieder Zuversicht, Mut und Sicherheit zurück! Die Betriebe kämpfen um jeden Arbeitsplatz, und ich glaube, wir alle zusammen sollten das auch tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher noch einmal die Bitte, Herr Minister: Reden Sie bitte mit Ihrer Kollegin Ministerin Köstinger, schenken Sie den echten Experten aus der Praxis Gehör und unterstützen Sie sie nach bestem Wissen und Gewissen! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.01


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmel­bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.01.55

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt be­handeln wir zwei Entschließungsanträge des Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff und ich darf mit dem zweiten zum Thema Cybersicherheit in Zusammenhang mit dem Angriff auf das österreichische Außenministerium Anfang des Jahres beginnen.

Ich darf in diesem Zusammenhang unsere Ablehnung begründen, die darauf zurückzu­führen ist, dass die Aufforderungen, die im Entschließungsantrag enthalten sind, bereits überholt sind: Zum einen beginnt es damit, dass Informationen ausgetauscht werden. Ich glaube, unser Außenminister Schallenberg war während des ganzen Prozesses ge­meinsam mit dem Innenministerium immer wieder bereit, über das, was betroffen war, Auskunft zu geben, nicht nur hier im Plenum, wo das thematisiert worden ist, sondern aufgrund der Sensibilität der Informationen, die da gehandhabt worden sind, vor allem auch im zuständigen Ausschuss. Er hat aber nicht nur Auskunft über die Informationen betreffend den Angriff gegeben, sondern auch über die Strategien, die das Ministerium verfolgt und vor allem in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen entwickelt hat, in diesem Zusammenhang natürlich auch über die Präventionsmaßnahmen, die im Minis­terium getätigt worden sind und die in anderen Ministerien und vor allem in öffentlichen Einrichtungen erfolgen.

Ein offener Punkt, für den natürlich im Antrag auch eingetreten wird, ist die personelle Ausstattung. Ich glaube aber auch, dass bei den zuständigen Ministerien – beim BMI, aber auch beim Bundesministerium für Landesverteidigung als auch beim Bundeskanz­leramt – der starke Wille vorhanden ist, diese Bereiche zu stärken. Unser Finanzminister hat das heute noch einmal bekräftigt, indem er die Budgetzahlen vorgelegt und auch gesondert ausgewiesen hat, dass die Cybersicherheit und die personelle Aufstockung ganz wichtige Themen sind.

Blicken wir aber auf die Debatten zuvor zurück, so ist in diesem Zusammenhang natür­lich der Fachkräftemangel in diesem Bereich ein großes Thema, und dieser spiegelt sich leider Gottes auch in unseren Ministerien in den IT-Abteilungen und da bei den IT-Sicher­heitsfachkräften wider.

Beim letzten Punkt des Antrages betreffend die Sicherheitsstandards kann man, wie ich glaube, den IT-Verantwortlichen in den Ministerien und öffentlichen Einrichtungen


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unbestritten nachsagen, dass sie die höchsten Sicherheitsstandards, vor allem aufgrund der sensiblen Infrastruktur, verfolgen. Dementsprechend ist auch das ein Punkt, der im­mer wieder aufs Neue nachgewiesen wird.

Zum Antrag betreffend Deepfakes hat Kollege Köllner schon vieles angesprochen, was sich in diesem Antrag wiederfindet. Da darf ich, wie auch im Ausschuss schon angespro­chen, die Zustimmung vonseiten unserer Fraktion vorausschicken.

Es ist richtigerweise schon angesprochen worden, dass Deepfakes sehr starke Konse­quenzen in verschiedenen Bereichen haben können: politisch natürlich, denn wenn man einen Politiker eine Kriegserklärung gegen ein anderes Land aussprechen lässt, dann kann das Auswirkungen auf die geopolitische Lage haben; oder ein Unternehmer, dem Worte in den Mund gelegt werden, um die Aktienmärkte zu beeinflussen; oder, wie ange­sprochen – Rachepornos sind leider Gottes keine Seltenheit –, wenn sozusagen das Gesicht, der Körper, die Stimme der Exfreundin in solch pornografisches Material einge­gliedert werden, dann muss und soll man auch dagegen vorgehen.

Die Technologie, die dahintersteckt, ist an sich nicht schlecht, sondern die Nutzung die­ser. Diesbezüglich können wir dem Antrag natürlich auch nähertreten, dass man da Maßnahmen setzt und auch in Zukunft gemeinsam mit Wissenschaftlern, Forschern und Sicherheitsexperten Maßnahmen setzen wird. Das betrifft natürlich zum einen die Strafen, aber auch dazu gibt es in unserem Strafgesetzbuch schon sehr vieles.

Ich glaube, ein ganz wesentlicher Punkt ist das Thema Medienbildung, digitale Bildung. Da gilt es, kritisch zu sein, wenn es um Inhalte im Internet geht, sich mit Quellen ausein­anderzusetzen, Quellen zu recherchieren und nachzufragen. Ich denke, wenn wir uns daran halten, werden wir auf der sicheren Seite sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

21.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.06.31

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Bereits in den letzten Jahren war im Bereich der Kriminalstatistik zu beobachten, dass sich die Eigentumskriminalität immer mehr von der Begehung vor Ort weg hin zum virtuellen Tatort entwickelt hat.

Die Gründe dafür sind relativ simpel: wenig finanzieller Aufwand in der Vorbereitung, das Betreten auf frischer Tat ist eher unwahrscheinlich, man setzt keine daktyloskopischen oder serologischen Spuren, man hat einen weltweiten Aktionsradius, höhere Beute, kurz gesagt: geringes Risiko.

In der Coronakrise war die Kriminalstatistik zwar rückläufig, aber was den Bereich Cyber­crime betrifft, gewinnt dieser immer noch zunehmend an Bedeutung. Dieser Trend wird sich nicht umkehren, nicht mit und nicht ohne Corona. Diese Branche wird boomen. Der rasend schnellen Technisierung der Tätergruppen haben die Strafverfolgungsbehörden leider immer noch wenig entgegenzusetzen.

Bereits vor über zehn Jahren war es Ministerin Fekter, die den Begriff der Cybercops für die Polizei geprägt hat. Es wurden damals Hunderte Planstellen in Aussicht gestellt, aber das war mehr Theaterdonner als Realität. Aktuell gibt es gerade einmal 60 Planstellen im BKA. Diese Zahl soll verdoppelt werden, das ist gut, aber es muss wirklich schnell gehen, Herr Minister!

Aber nicht nur im BKA braucht es Spezialisten, auch im BVT sind diese gefragt, denn der britische MI5 und der deutsche Verfassungsschutz haben die Lücken im veralteten System des BVT wirklich gnadenlos aufgedeckt. Der BVT-Untersuchungsausschuss hat


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ebenfalls aufgedeckt, dass der Umgang mit vertraulichen und geheimen Daten dort eher sorglos war, was die damalige Leitung zwar wusste, aber sie war mit Rangkämpfen be­schäftigt. Jetzt sind Sie es, Herr Bundesminister, der handeln muss. Nehmen Sie Geld in die Hand und machen Sie das bitte schnell!

Der ÖVP-Sicherheitssprecher hat hier an dieser Stelle vor einer Woche mit schelmi­schem Lächeln ausgetrommelt – möchte ich fast sagen –, dass die Polizeipferde des Herbert Kickl entfernt wurden. Das ist aber nicht nur Huftieren schon passiert, Herr Kol­lege, auch anderen hohen Tieren im Ministerium soll das schon passiert sein, wenn sich die Farbenlandschaft ändert.

Wenn Sie jetzt schon Geld eingespart haben, dann stecken wir das doch bitte rasch in gutes Personal, in Fachpersonal! Da meine ich keines aus dem ÖVP-Klub, das hat sich im BMI nicht bewährt, das wissen wir. (Beifall bei der FPÖ.) Stecken Sie es in Hardware und Software, die brauchen wir zur Bekämpfung von Cybercrime. Kleckern wir nicht he­rum, klotzen wir, denn das Verbrechen wartet nicht auf uns! (Beifall bei der FPÖ.)

21.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Süleyman Zorba. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.09.41

Abgeordneter Süleyman Zorba (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Der vor­liegende Antrag betreffend Deepfakes befasst sich mit einer Materie, die Sicherheits­expertInnen schon länger erhebliche Kopfschmerzen bereitet. Mit der Weiterentwicklung technologischer Möglichkeiten wird es immer einfacher, täuschend echte Deepfakes zu erstellen. Somit ist es möglich, Menschen Aussagen und Handlungen anzulasten, die sie in Wahrheit gar nicht getätigt haben. Dabei handelt es sich großteils um Videoda­teien, die mit Einsatz von künstlicher Intelligenz manipuliert beziehungsweise generiert werden. Durch die scheinbare Echtheit dieser Videos bedeutet das für den öffentlichen Bereich zum Beispiel, dass es möglich ist, berühmten und bekannten Persönlichkeiten auf sehr einfache Art Handlungen anzulasten, die nicht der Realität entsprechen.

Natürlich können es auch satirische Inhalte sein, die ganz lustig sind, wie wir vorhin ge­sehen haben. Es besteht aber eben auch die Möglichkeit, dass das in eine problema­tische Richtung geht. Deepfakes können Persönlichkeitsrechte verletzen und in Anschul­digungen, Verwicklungen und Auseinandersetzungen münden, die im politischen Umfeld eine gesellschaftliche Tragweite und Dynamik entwickeln, die gefährlich sein kann. Ge­rade in einer Zeit, in der Fakenews immer gezielter eingesetzt werden, um demokrati­sche Willensbildung zu beeinflussen, muss uns die zunehmende Verbreitung von Deep­fakes Sorgen bereiten.

Doch auch für Privatpersonen ist die Gefahr, die von Deepfakes für die eigenen Per­sönlichkeitsrechte ausgeht, nicht zu unterschätzen. Egal ob es um Cybermobbing oder um Rachepornos geht: Zunehmend besteht das Risiko, dass Frauen mit der Veröffentli­chung von manipulierten pornografischen Videoaufnahmen bedroht oder erpresst wer­den, denn für die Erstellung von Deepfakes braucht es keine hoch komplizierte Technik mehr. Ein ganz normaler PC, den die meisten von uns zu Hause haben, sowie 15 bis 20 Bilder einer Person reichen bereits aus, um täuschend echte Videos zu generieren.

Noch vor wenigen Jahren hätte es einen immensen Aufwand bedeutet, Videos in dieser Qualität zu manipulieren und zu fälschen. Heute stehen diese technischen Möglichkeiten einer breiten Öffentlichkeit gratis zur Verfügung. Das führt auch dazu, dass laut Deep­trace mittlerweile ein Großteil aller veröffentlichten Deepfakes in die Kategorie der por­nografischen Inhalte fällt. Auch um diesem frauenfeindlichen Trend Einhalt zu gebieten, braucht es eine Strategie seitens der Bundesregierung im Umgang mit Deepfakes.


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Um auf diese genannten bedrohlichen Entwicklungen zu reagieren, haben wir bereits im Regierungsprogramm Punkte vereinbart, die sich mit der Bekämpfung von Cyberkrimi­nalität beschäftigen. Zwar bietet unser Recht jetzt schon Möglichkeiten, sich gegen die Veröffentlichung und Verbreitung von Deepfakes zur Wehr zu setzen – beispielsweise im Strafrecht –, jedoch stellt diese Art der Technologie zweifelsohne eine neue und um­fassende Art der Bedrohung dar.

Die KI-Entwicklungen werden zu immer besseren Ergebnissen mit immer weniger Auf­wand führen. Das ist eine Entwicklung, die es notwendig macht, sich dem Ganzen mit einer umfassenden Strategie entgegenzusetzen. Aus diesen Gründen möchte ich Kolle­gen Hoyos danken, dass er dieses wichtige Thema mit seinem Entschließungsantrag aufgegriffen hat. Dieser Entschließungsantrag wird unsere Zustimmung finden.

Gehen wir es also an und machen wir uns an die Erarbeitung der im Antrag geforderten Strategie zu Deepfakes, um unsere demokratischen Institutionen zu schützen, um Per­sönlichkeitsrechte zu stärken und frauenfeindlichen Praktiken einen Riegel vorzuschie­ben! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.13


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.13.43

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Bevor ich auf den Deepfakeantrag eingehe, würde ich noch ganz gerne ein Wort zum Thema Cyberdefence verlieren, weil ja auch von der ÖVP schon angesprochen wurde, warum dieser Antrag nicht unterstützt wird. Ich kann das nicht wirklich nachvollziehen, weil ich glaube, dass das eine der Zukunftsherausfor­derungen ist, die wir im Sicherheitsbereich haben. Ich glaube auch – was meine Vorred­nerin angesprochen hat –, dass 20 Millionen Euro, die im neuen Budget dafür enthalten sind und investiert werden, bei Weitem nicht ausreichen, um uns wirklich strukturell gut vorzubereiten, denn Geld alleine gibt in diesem Bereich nicht den Ton an. Da gehört sehr viel mehr dazu, und genau das hätten wir mit diesem Antrag weiterbringen können. Er wird heute leider nicht angenommen.

Umso erfreuter bin ich darüber, dass unser Deepfakeantrag angenommen wurde. Das ist ein Thema, das natürlich immer wieder in den Medien ist und das auch in der aktuellen Zeit eine sehr große Thematik darstellt.

Das Thema KI – auch im Regierungsprogramm ist dem, glaube ich, ein eigenes Unterka­pitel gewidmet – ist so ein Modethema, auf das Unternehmen immer wieder draufsprin­gen und sagen: Ja, wir müssen mehr in KI investieren! Wir müssen in die KI, in die For­schung rund um KI investieren!

Das alles sind Themen, die die ganze Zeit präsent sind, aber man muss sich auch an­schauen, welche Gefahren mit diesen Dingen einhergehen. Das sind nicht die bösen Roboter, die dann schlecht programmiert sind oder Ähnliches, sondern das sind meis­tens technische Unzulänglichkeiten, die von Menschenhand gemacht werden. Selbstler­nende Technologien kommen im Ursprung trotzdem von Menschen.

Beispielsweise wurde vor wenigen Monaten eine Studie der ETH Zürich veröffentlicht. Da ging es um Gesichtsscanner, um die Frage, wie Gesichtsscanner agieren, und da­rum, dass es beispielsweise sehr oft die Problematik gibt, dass Menschen mit dunklerer Hautfarbe schlechter erkannt werden. Dann hat man sich angeschaut, warum: Das ist deswegen, weil in der Programmierung, um genau zu sein in den neuronalen Netzen, die dahinterliegen, gewisse Themen einfach schlechter behandelt werden und es da­durch zu diesen Veränderungen gekommen ist; deswegen war das dort anwendbar.


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Dementsprechend kann KI auch zu einer Diskriminierung führen, die gar nicht gewollt ist.

Wenn wir uns das Thema Deepfakes im Detail anschauen, sieht man natürlich auch, wie weit so etwas führen kann. Sie wurden hinsichtlich eines Deepfake von Ihnen, Herr Bun­desminister, angesprochen: Das ist ja etwas, das tagtäglich passiert und mittlerweile auch nicht eine besondere Software erfordert, die man um viel Geld einkaufen muss. Die meisten Anwendungen wie Snapchat oder Instagram haben ja Filter, die genau das machen; es gibt Faceswap, einen klassischen Filter, den viele von Ihnen, von den Zu­schauern zu Hause vielleicht schon angewendet haben. Genau das sind solche Vor­stufen von künstlicher Intelligenz, die dann für Deepfakes eingesetzt werden; da können genau solche Veränderungen stattfinden.

Das birgt eine riesige Gefahr, wenn wir uns anschauen, was passieren kann, wenn das Politiker betrifft, wenn es einen wichtigen Regierungschef betreffen würde, der beispiels­weise einen Krieg ausrufen würde. Das betrifft aber auch ganz viele Personen in ihrem privaten Umfeld: Plötzlich gibt es pornografische Darstellungen, in die man hineingebet­tet wird, oder andere Dinge, die einen im Job, im Beruf oder wo auch immer nachhängen können. Das ist kein Kavaliersdelikt und da muss man, glaube ich, genau hinschauen und schauen, wie wir als Republik, wie wir als Gesetzgeber uns dieses Themas anneh­men. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir hier heute gemeinsam einen ersten Schritt gehen, um dieses Thema auch wirklich ankommen zu lassen und erstmals hier im österreichischen Parlament auch darüber debattieren, weil es unsere Gesellschaft auch langfristig massiv verändern wird.

Was darüber hinaus, glaube ich, wichtig ist, ist, zu schauen, was wir jetzt aus diesem Antrag rausnehmen können. Dieser Antrag ist ein erster Aufschlag dazu, aber es stellt sich natürlich die Frage: Was sind die Konsequenzen, die Sie im Ministerium entwickeln werden? Ich glaube, da gibt es ganz viele Beispiele, zu denen man hin entwickeln kann, bei denen wir uns auch erwarten, dass Schritte gesetzt werden. Das betrifft einerseits das Thema Forschung, gerade KI-Forschung – etwas sehr Wichtiges –, aber auch Si­cherheitsforschung in Kombination mit künstlicher Intelligenz. Das ist etwas, wozu in ganz Europa bisher viel zu wenig stattfindet und bei dem ich auch glaube, dass Öster­reich eine Vorreiterrolle übernehmen kann.

Das Thema Bildung ist natürlich ein ganz großes, das immer im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz genannt werden muss, weil wir auch wissen: Wenn junge Men­schen darauf vorbereitet sind und wissen, was solche Technologien bedeuten und was die Folgen dieser Technologien sind, dann können sie auch besser mit solchen Techno­logien umgehen.

Darüber hinaus glaube ich auch, dass es die Aufgabe der Bundesregierung wäre, jetzt Schritte zu setzen, um in breitere Informationskampagnen zu gehen, um breiter über diese Phänomene zu informieren, damit nicht nur auf irgendwelchen kleinen Portalen oder in Onlinemedien darüber diskutiert wird, wo eben sogenannte Nerds sich darüber unterhalten, sondern damit wirklich ein breiter öffentlicher Diskurs über die Veränderun­gen, die damit einhergehen, möglich ist.

Auch die Frage, wie wir im Strafrecht mit solchen Themen umgehen, ist eine, die, glaube ich, in den Ministerien zu diskutieren ist und zu der auch dieser Antrag ein erster Auf­schlag ist. Wie ich vorhin schon gesagt habe, darf es natürlich kein Kavaliersdelikt sein, wenn man Menschen in andere Situationen bringt, ihnen andere Texte unterlegt, ihnen andere Mimik und Gestik gibt. All das hat Auswirkungen auf das Privatleben, und ich glaube, das darf kein Kavaliersdelikt sein.

Dementsprechend bin ich sehr froh, dass wir hier heute gemeinsam diese weiteren Schritte auf den Weg bringen. Ich freue mich sehr auf die Maßnahmen, die Sie als


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Minister und ich hoffe auch Ihre Kolleginnen und Kollegen setzen. – Danke schön. (Be­ifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


21.20.01

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kollegen im Hohen Haus! Geschätzte Zuseher zu Hause! Ich bin sehr dankbar für den Antrag des Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff. Der Cyberangriff auf unser Außenministerium war keine Kleinigkeit, sondern eine sehr pro­fessionell geführte Attacke. Es geht um kritische Infrastruktur, Datensicherheit, Spionage und die Souveränität unseres Staates Österreich. Besonders erschreckend ist, dass so ein Angriff oft lange Zeit unbemerkt bleibt. Seit Jahren mehren sich weltweit die Berichte von unzähligen Vorfällen, von Angriffen auf Spitäler bis hin zu Angriffen auf verschie­denste lebensnotwendige staatliche Einrichtungen.

In unserem Regierungsprogramm ist der Bereich Cyberdefence mehrfach abgebildet. Dort findet sich ein ganz klares Bekenntnis zur Weiterentwicklung der österreichischen Sicherheitsbehörden, um diesen zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Unsere Sicherheitsminister, im speziellen unser Herr Bundesinnenminister, treiben die­sen Bereich mit großem Nachdruck voran. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Opposition hat da unsere vollste Wertschätzung, aber es wurden alle Punkte im An­trag abgearbeitet. Erstens: Der Cyberangriff auf das Außenministerium wurde erfolgreich abgewehrt. Zweitens: Alle Sicherheitslücken wurden geschlossen. Drittens: Selbstver­ständlich wurde auch die Strafverfolgung eingeleitet. Viertens: Von keinem anderen Res­sort wurden weitere Angriffe gemeldet. Fünftens: Es wurden bereits Maßnahmen zur Umsetzung im Sinne des NISG, Netz- und Informationssystemsicherheitsgesetzes, ins­besondere für eine robuste Cybersicherheitsarchitektur, gesetzt. Daher ist dieser Antrag abzulehnen.

Last but not least gebührt ein ganz großes Dankeschön allen involvierten Beamten und Kräften des Innenministeriums und des Landesverteidigungsministeriums, die mitgewirkt und mitgeholfen haben, diese Cyberattacke abzuwehren. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.22


21.22.31

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ist eine Sitzungsunterbrechung gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17, die dem Ausschussbe­richt 384 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Entwicklung einer Strategie zur Thematik und Risiken von Deepfakes“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (104/E)

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18, Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 385 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 229

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

21.23.2219. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 577/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schluss mit dem diskriminierenden Erlass gegen intergeschlechtliche Menschen (386 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


21.23.46

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ja, es ist so etwas wie die Neverending Story: die Diskriminierung von Inter- und Transpersonen in Österreich. Worüber reden wir da überhaupt? – Viele Menschen leben eine Geschlechts­identität, die sich nicht in das klassische Mann-Frau-Schema einordnen lässt. Sie leben eine eigene Geschlechtsidentität. Erwartungsgemäß sind auch in Österreich Inter- und Transpersonen täglich Anfeindungen und Diskriminierung ausgesetzt.

Die Erhebung der Europäischen Grundrechteagentur in diesem Jahr hat ergeben, dass 24 Prozent der Transpersonen in Österreich aus Angst vor Hass und Gewalt vermeiden, ihr gelebtes Geschlecht erkennbar zu machen. Mehr als die Hälfte war im vergangenen Jahr Diskriminierungen im Privatleben und ein Drittel Diskriminierungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Auch wir haben dringenden Handlungsbedarf, wenn es darum geht, endlich alle Diskriminierungen aus dem Weg zu schaffen, die diese Gruppe betreffen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

2018 hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis entschieden, dass Menschen ein Recht auf adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister haben. Insbesondere die eigenständige Identität von intergeschlechtlichen Personen sei anzuerkennen, sie sind vor fremdbestimmter Geschlechtszuweisung zu schützen. 2018 – wir erinnern uns noch – war Kickl Innenminister der schwarz-blauen Bundesregierung, und er war verant­wortlich für einen Erlass, der den dritten Geschlechtseintrag nur dann ermöglicht hat, wenn dies medizinisch über sogenannte Medizinerboards entschieden wurde. Das wi­derspricht allen Forderungen nach einem barrierefreien Zugang zum dritten Geschlecht, und das wurde auch zu Recht hinlänglich kritisiert. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der NEOS.)

Kickl ist mittlerweile als Innenminister Geschichte, seine Polizeipferde sind es auch. Der Erlass zum dritten Geschlecht ist es erst seit September 2020. Nach mehr als zwei Jah­ren hat der Innenminister – der jetzt gerade nicht hier ist – sozusagen einen neuen Er­lass herausgegeben und den diskriminierenden Kickl-Erlass ersetzt.

Ja, wir anerkennen, dass es da Teilerfolge gibt, aber nach wie vor gibt es kein Recht auf einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag. Der Erlass wirkt weiter pathologisierend. Gelebte Geschlechtsidentität kann weiter nicht Basis für den dritten Geschlechtseintrag sein und schließt Transpersonen somit weiter aus. Das ist aber die große Forderung der Community, und wir kämpfen Seite an Seite mit der Community, bis auch diese Diskri­minierung letztlich beseitigt ist. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Shetty.)

21.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 230

21.26.49

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Der Antrag der SPÖ wurde im Mai eingebracht und ja, damals hat er ein Thema behandelt, das wirklich wichtig ist. Es hat Probleme mit dem Erlass des Innenministeriums gegeben, in dem es um die Eintragung des dritten Geschlechts im Zentralen Personenstandsregister geht. In der Zwischenzeit haben wir aber Oktober, und in diesen paar Monaten hat unser Innenminister gehandelt und die Realität hat sozusagen das parlamentarische Verfahren überholt. Also ich verstehe gar nicht, warum Kollegin Schatz von einer Neverending Sto­ry spricht, denn von Mai bis jetzt sind es circa vier Monate. (Abg. Kucharowits: Weil es nicht erfüllt ist! ...! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Der Herr Innenminister hat also einen Erlass erlassen, und der erfüllt en gros wirklich alle Forderungen (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter), denn es gibt jetzt sechs Eintragungsmöglichkeiten, und mit diesen sechs Möglichkeiten sind wir tatsäch­lich im internationalen Spitzenfeld, das ist ein Novum. Wer sich also nicht als weiblich oder männlich deklarieren kann oder einstufen möchte, der kann sich jetzt als divers, inter, offen eintragen oder den Geschlechtseintrag streichen lassen. Es geht uns darum, dass alleine schon der Weg zum Amt keine Diskriminierung darstellt. Dass das nicht nur auf den Ämtern so ist, ist uns ein Anliegen, denn es braucht ein gesellschaftliches Umdenken. Ich bin nämlich wirklich der festen Überzeugung, dass es aufgrund des Ge­schlechtes keine Diskriminierung geben darf, und im Jahr 2020 ist es wirklich aller­höchste Zeit dafür.

Ich möchte meine Redezeit auch noch kurz nutzen, um auf ein Herzensthema von mir einzugehen. Am Sonntag war nicht nur für die Volkspartei Wien ein erfreulicher Tag, sondern es war auch der Internationale Mädchentag. Das Ziel dieses Tages ist, auf die Situation von Mädchen und Frauen in allen Ländern dieser Welt aufmerksam zu machen, die mit schwierigen Rahmenbedingungen zu tun haben. Zwangsehen, aber auch die Förderung von Frauen und Mädchen durch Bildung sind wichtige Anliegen. Auch die konsequente Umsetzung von Antidiskriminierungsgesetzen – wie wir es heute tun – steht da im Mittelpunkt.

Eine weitere Forderung ist auch: Keine Toleranz für Gewalt gegen Frauen und Mädchen! In diesem Punkt haben unsere Ministerinnen Bogner-Strauß, Edtstadler und Raab schon sehr viele Initiativen gesetzt, und so lassen wir keine Frau zurück, die mit solchen Pro­blemen konfrontiert ist.

Vor Kurzem hat es auch noch ein Gedankenexperiment einer deutschen Influencerin gegeben, einige von Ihnen werden es wahrscheinlich gesehen haben. Isabell Gersten­berger hat ihre circa 40 000 Follower gefragt, was wäre, wenn es einen Tag lang keine Männer geben oder einen Tag lang keine Frauen geben würde. Die Männer haben ge­antwortet: Na ja, wenn es einen Tag lang keine Frauen geben würde, würde sich nicht wesentlich etwas ändern, sie würden dasselbe machen wie immer.

Die Frauen haben hingegen geantwortet, sie würden ins Fitnessstudio gehen und dort unbeobachtet oder in Ruhe trainieren können, sie würden in der Nacht durch die Stadt spazieren gehen oder in Ruhe joggen gehen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss uns vor Augen führen, dass wir am subjektiven Sicherheitsempfinden der Frauen in unserem Land wirklich, wirklich arbeiten müssen.

Der letzte Punkt, bevor ich zum Schluss komme: Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, tragen mit unserer Arbeit dazu bei, dass wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Gleichbehandlung schaffen. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir nun auch das ge­sellschaftliche Umdenken vorantreiben, denn nur wenn wir die Barrieren in den Köpfen der Gesellschaft niederreißen, kann es uns auch gelingen, dass wir die finanziellen Un­terschiede beim Einkommen zwischen den Geschlechtern abschaffen können. Ich glaube,


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dass es im Jahr 2020, um auf den Anfang meiner Rede zurückzukommen, wirklich höchst an der Zeit ist, dies zu tun, egal, welchem Geschlecht man auch angehört. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.31.08

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Kolleginnen haben es schon angespro­chen, es geht um diesen schikanösen Kickl-Erlass, der Gott sei Dank mittlerweile Ge­schichte ist. Das ist ein wichtiger Teilerfolg und ein Schritt in die richtige Richtung im Sinne einer Gleichberechtigung und Anerkennung intergeschlechtlicher Personen.

Vielleicht aber ein bisschen grundsätzlicher: Seien wir ehrlich! Es ist doch beschämend, dass wir im Jahr 2020 immer noch hier stehen und für jeden kleinen Teil der Grundrechte sexueller Minderheiten kämpfen müssen – noch dazu, da es in diesem Fall nur um eine adäquate Bezeichnung im Personenstandsregister geht, über die der VfGH eigentlich schon längst entschieden hat. Das ist beschämend. Es ist aber noch beschämender, dass der Innenminister der letzten Regierung, der türkis-blauen Regierung, in einer rechtswidrigen Art die Umsetzung dieses VfGH-Erkenntnisses mit einem menschenver­achtenden Erlass geradezu ausgehebelt hat. Am beschämendsten ist aber, dass der derzeitige Innenminister in einer türkis-grünen Bundesregierung an diesem unsäglichen Erlass für Monate festgehalten und intergeschlechtliche Menschen weiterhin völlig unnö­tig diskriminiert hat.

Es hat unseren Druck gebraucht. Es hat den Druck der Zivilgesellschaft gebraucht, zum Beispiel durch Rechtsanwalt Dr. Graupner, der den Herrn Innenminister bei der Korrup­tionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch angezeigt hat. Das hat es gebraucht, damit ein bisschen Schwung in diese Sache reinkommt und der Erlass zurückgenommen wird. Es hat natürlich die beharrliche Arbeit von NGOs wie der Hosi oder des Vimö gebraucht. Unser Druck hat gewirkt, und der diskriminierende Erlass ist zumindest weitgehend Geschichte.

Das ist aber nur ein erster Schritt in Richtung gleiche Rechte für intergeschlechtliche Menschen. Intergeschlechtliche Menschen – Kollegin Schatz hat es schon gesagt – sind immer noch massiv Diskriminierungen ausgesetzt; aber nicht nur sie, sondern die Zahlen der erwähnten Studie zeigen auch, dass 2020 zwar rechtlich viel erreicht ist, aber noch großer gesellschaftlicher Nachholbedarf besteht. Die größte je durchgeführte Studie zur Situation von LGBT-Menschen – nämlich jene der EU-Grundrechteagentur – zeigt: 40 Pro­zent der in Österreich Befragten hatten in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal in der Arbeitswelt eine Diskriminierungserfahrung. 33 Prozent geben an, innerhalb des letzten Jahres belästigt worden zu sein. Und 11 Prozent – stellen Sie sich das einmal vor! –, also jede zehnte Person war in den letzten fünf Jahren einem physischen Über­griff ausgesetzt. 60 Prozent der befragten lesbischen und schwulen Pärchen geben an, in der Öffentlichkeit aus Angst vor Übergriffen nie Händchen zu halten.

Ich glaube, diese Zahlen zeigen, dass gesellschaftlich noch wahnsinnig viel zu tun ist, sowohl beim Kampf für die Gleichstellung von intergeschlechtlichen Personen, aber auch in allen anderen Bereichen. Wir werden weiterhin Druck auf die Regierungsparteien ausüben und dieser Druck wird notwendig sein. Er wird notwendig sein, weil die Grünen ohne Druck aus der Opposition nicht umsetzungsfähig sind und weil der Koalitionspart­ner, die ÖVP, mittlerweile in gesellschaftlichen Fragen zu einer Rechtspartei geworden ist.


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Von KollegInnen der ÖVP haben wir in den letzten Wochen im Wahlkampf in Wien immer wieder gehört, die NEOS seien ja so weit nach links gerückt. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor allem von der ÖVP! Das ist immer eine Frage der Perspektive. In aller Deutlichkeit: Wer ganz rechts außen abbiegt, dem kommt so ziemlich alles andere links vor. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Ein Beispiel dafür ist Ihre aktuelle Liste für die Wiener Landtagswahl. Bei den Vorzugs­stimmen landete auf Platz zwei hinter Gernot Blümel, also vor dem amtierenden Stadtrat und vor der amtierenden Klubobfrau, ein Kandidat des fundamental klerikalen Flügels. Er lehnt zum Beispiel das Recht auf Abtreibung ab und bezeichnet die LGBT-freien Zo­nen in Polen als Fakenews.

Für Grund- und Menschenrechte einzustehen ist nicht links; es ist grundliberal und vor allem eine Selbstverständlichkeit einer politischen Mitte, dafür einzustehen. Wir haben aus der Opposition heraus den Eintrag des dritten Geschlechts erkämpft. Wir haben – das freut mich besonders – das Ende des Blutspendeverbots für homo- und bisexuelle Männer erkämpft. Wir werden beharrlich damit weitermachen und uns als nächstes Thema das endgültige gesetzliche Verbot von Konversions- und Umpolungstherapien an Minderjährigen vornehmen.

Wir werden das als verlässlicher Partner für all jene machen, die in dieser Bundesregie­rung leider keinen haben. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.35


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dzie­dzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


21.35.42

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Also der Reihe nach: Es gibt tatsächlich noch immer Men­schen, die trotz medizinischer Fakten der Meinung sind, es gäbe nur Männlein und Weib­lein. Diesem Irrglauben hat der Verfassungsgerichtshof 2018 ein Ende gesetzt. Auf Basis einer Klage der intergeschlechtlichen Person Alex Jürgen hat der Verfassungsgerichts­hof ein für alle Mal festgehalten, dass die Geschlechtsidentität von intergeschlechtlichen Menschen rechtlich anerkannt werden muss, auch wenn sie eben nicht weiblich oder männlich ist. Leider – und nur deshalb diskutieren wir heute noch immer über dieses Thema – setzte der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes katastrophal und nicht konform mit den Inhalten dieser Ent­scheidung um.

Über 60 zivilgesellschaftliche Organisationen, SPÖ, NEOS, Grüne, viele andere be­kämpften diesen Kickl-Erlass monate-, ja jahrelang, und endlich liegen jetzt Ergebnisse vor. Was sind das nun für Ergebnisse? – Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen!

Erstens: Der Ausdruck dritte Option ist in Österreich seit September Geschichte, denn in Österreich gibt es dank unserer hartnäckigen gemeinsamen Arbeit nicht drei, sondern sechs Möglichkeiten beim Geschlechtseintrag, nämlich: divers, männlich, weiblich, inter, offen – und sogar die Streichung des Geschlechtseintrags ist von nun an möglich. Sechs Möglichkeiten beim Geschlechtseintrag inklusive einer möglichen Streichung: Das ist in­ternational einzigartig und ja, das ist ein verdammt großer Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Es müssen keine neuerlichen Gutachten eingeholt werden. (Abg. Zanger: Was ist das ...?) Nach dem Kickl-Erlass mussten intergeschlechtliche Menschen neue Gutachten vorlegen, die ihre Variation der Geschlechtsmerkmale bestätigen. Diesem Unfug haben wir eine klare Absage erteilt. Mit dem neuen Erlass werden auch bereits


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 233

bestehende Unterlagen als Voraussetzung für einen Geschlechtseintrag anerkannt – und das ist gut so.

Drittens: Es wird keine Untersuchungen durch ein sogenanntes Varianten-der-Ge­schlechtsentwicklung-Board als Voraussetzung für den Geschlechtseintrag mehr geben. Auch diese Schikane durch den ehemaligen Innenminister haben wir abgestellt – und das ist ganz entscheidend. (Beifall bei den Grünen.)

Verpflichtende Untersuchungen von Menschen, die nicht gewünschte medizinische Eingriffe bis hin zur Genitalverstümmelung erlebt haben, bergen eine große Gefahr von Retraumatisierungen bei den Betroffen. Das wird es mit uns Grünen ganz sicher nicht geben. Und ja, es stimmt, es ist nicht alles perfekt an diesem neuen Erlass, aber alleine diese drei Punkte, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, sind entscheidende Verbesse­rungen im Sinne der betroffenen Menschen.

Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zur parlamentarischen Arbeit hier im Hohen Haus sagen! Der Antrag der Kollegin Bayr ist ein gutes Beispiel dafür, dass Anträge nicht in der Schublade oder im Nirwana verschwinden oder ein Begräbnis erster Klasse erleben, wie wir das immer von der Opposition hören – im Gegenteil! –; abgesehen davon, dass Sie vielleicht vorher, bevor Sie Anträge stellen, das Regierungsprogramm lesen und schauen sollten, was dort bereits vereinbart worden ist, denn dann können Sie davon ausgehen, dass wir daran arbeiten. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.)

Yannick, noch ein Wort in deine Richtung: Mach dich nicht so wichtig! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Lopatka: Bravo! Sehr gut!) Beim Verbot der Blutspende sind das Ge­sundheitsministerium und der Gesundheitsminister zuständig, und es gibt unsere Ver­einbarung dazu, dieses Verbot zu bekämpfen. (Abg. Loacker: Also wenn sich da eine Person wichtig nimmt, dann sind Sie das!) Betreffend LGBT-freie Zonen in Polen gab es einen Antrag der beiden Regierungsparteien, der eine Mehrheit hatte. Genauso betref­fend den Kickl-Erlass: Es steht nicht nur im Regierungsprogramm, sondern du hast ge­wusst, dass wir das seit Monaten verhandeln. So viel zu deiner seriösen Oppositions­arbeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Loacker: Bei so viel Applaus von der ÖVP sollte man ...! – Zwischenruf des Abg. Bernhard. – Unruhe im Saal.)

Wie auch immer: Ja, was Gleichstellung anbelangt, sind weitere Schritte notwendig, vor allem wenn es um den Zugang zum Geschlechtseintrag für – da hast du zufälligerweise recht – transidente Menschen in Zukunft geht oder aber auch um den Schutz der körper­lichen Integrität von Kleinkindern und Jugendlichen, wenn sie intergeschlechtlich sind und hier in Österreich nach wie vor operiert werden. Auch das debattieren wir, auch das schauen wir uns an. Da brauchen wir, wie gesagt, keine unseriöse Oppositionsarbeit, sondern wir werden mit unserem Regierungspartner daran arbeiten, dass sich die Situa­tion in Österreich für alle Personen, ungeachtet dessen, welchen Geschlechts sie sich zugehörig fühlen, verbessert. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.41


21.41.28

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich glaube, es wird keine Unterbrechung gewünscht.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegen­heiten, seinen Bericht 386 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 234

21.42.0920. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 771/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend den „Mahn­stein gegen Krieg und Faschismus“ in Braunau (387 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Kollegin Sabine Schatz. – Bitte Frau Abgeordnete.


21.42.28

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Erlauben Sie mir, bevor ich jetzt zu diesem Punkt spreche, noch auf die Ausführungen von Kollegin Ernst-Dziedzic einzugehen: Sehr verehrte Frau Kollegin, der Standort bestimmt offenbar den Standpunkt. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Als Opposition ist es unser gutes Recht, Anträge zu stellen. Das ist das Wesen einer parlamentarischen Demokratie. (Bei­fall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Jetzt aber zu dem vorliegenden Antrag: „Für Frieden Freiheit und Demokratie“, „Nie wie­der Faschismus“, „Millionen Tote mahnen“ – das ist die Innschrift des Mahnmals in der Salzburger Vorstadt 15 in Braunau, direkt vor dem Hitler-Geburtshaus. Offenbar ist die­ser Mahnstein 75 Jahre nach der Befreiung vom Nazifaschismus tatsächlich zu einem Stein des Anstoßes geworden.

Wie kommt das? Anfang Juni haben Sie, Herr Innenminister, die Pläne für den Umbau des Hitler-Geburtshauses präsentiert. Man wolle den Ort neutralisieren, heißt es da. Einen Raum, der an die Verbrechen der Nazis erinnert, soll es bewusst nicht geben, und der Mahnstein vor dem Haus – ein Stein aus dem KZ Mauthausen – soll ins Haus der Geschichte wandern.

Diese Ankündigung hat für massiven Protest unter anderem von Opfer- und Gedenkver­bänden gesorgt – zu Recht! Daraufhin hat der Braunauer Bürgermeister Post aus dem Innenministerium erhalten: Man möge den Mahnstein, der sich im Besitz der Stadtge­meinde befindet, an einen anderen, öffentlich zugänglichen Ort in Braunau verfrachten, aber aus der Salzburger Vorstadt 15 wegbringen.

Die Debatte, die wir hier heute führen, gibt es aus genau einem Grund, nämlich weil Sie, Herr Innenminister, den Verbleib des Mahnsteins in Braunau an genau diesem Ort mehr­fach infrage gestellt haben. Argumentieren Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, Ihre Ablehnung dieses Antrages deswegen heute nicht mit der Nichtzuständigkeit des Minis­ters! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Eypeltauer.)

Und ja, ich halte es für richtig und wichtig, dass wir uns endlich dieser Thematik anneh­men, dass endlich gehandelt wird und dem Haus eine andere Bedeutung gegeben wird. Über die Umsetzung kann und soll man diskutieren. Ist die Geschichte damit für Braunau unsichtbar, neutralisiert, wie es heißt? Geht das, Geschichte neutralisieren? Wollen wir das – Geschichte unsichtbar machen – in diesem Zusammenhang? – Ich meine nein. Wir tragen Verantwortung und wir müssen schauen, dass diese Geschichte nicht un­sichtbar gemacht wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Wird dadurch der vermeintliche Zweck, nämlich rechtsextreme Touristen vom Hitler-Ge­burtshaus in Braunau fernzuhalten, erfüllt? Auf der einschlägigen Website Unwidersteh­lich freut man sich über die Entfernung des antifaschistischen Mahnmahls und die Zu­rückversetzung des Hauses in den Originalzustand. – Das würde die Touristen beson­ders freuen.

Zwischenzeitlich hat sich die Stadtgemeinde Braunau klar und deutlich für den Verbleib des Mahnmahls an genau dieser Stelle ausgesprochen. Ich erwarte mir von Ihnen, Herr


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Minister, heute hier an dieser Stelle nicht mehr, aber auch nicht weniger, als klar und deutlich zu sagen: der Stein soll dort bleiben!, und ihn nicht weiter infrage zu stellen.

In diesem Sinne: „Für Frieden Freiheit und Demokratie“, „Nie wieder Faschismus“, „Mil­lionen Tote mahnen“. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

21.46


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Mag. Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


21.46.26

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Kollegin Schatz, Sie haben heute nur einen Teil der gesamten Geschichte präsentiert. Tatsächlich lehnen wir diesen Antrag ab. Sie schreiben im Antrag: „Der Bundesminister für Inneres wird aufge­fordert, sicherzustellen, dass der Mahnstein gegen Krieg und Faschismus‘ in Braunau im Zuge der Bauarbeiten und darüber hinaus nicht entfernt, sondern an dieser Stelle bestehen bleibt.“

Der Herr Bundesminister könnte diesen Auftrag nicht einmal erfüllen, wenn er wollte, denn es ist völlig klar, dass dieses Grundstück und auch dieser Mahnstein im Eigentum der Stadtgemeinde Braunau stehen. Es ist in unserem Rechtssystem eindeutig geregelt, dass die Gemeinde im Zuge des Rechts der Selbstverwaltung darüber entscheiden kann.

Die Geschichte der letzten Monate zeigt auch, dass das so ist. Der Herr Bürgermeister hat klargemacht – nämlich schon lange, bevor Sie den Antrag zu diesem Thema hier eingebracht haben; lange vorher: Sie haben diesen Antrag am 8.7. eingebracht und bereits im Juni gab es dazu eine Presseaussendung des Bürgermeisters aus Braunau ‑, dass die Bevölkerung vor Ort entscheiden wird, wie mit diesem Mahnstein, der im Eigen­tum der Stadtgemeinde und auf Grundeigentum der Stadtgemeinde steht, umgegangen wird.

Es war nicht ein Minister und es war auch nicht der jetzige Innenminister, der aufgefor­dert hat, diesen Mahnstein irgendwo anders hinzuverlegen, sondern es gab eine Exper­tenkommission, die sich im Vorfeld mit dem Geburtshaus von Hitler befasst hatte – das wissen Sie ganz genau und Sie kennen ganz sicher auch die Expertise dazu –, und das war eine Empfehlung. Darunter waren namhafte Experten wie etwa Clemens Jabloner oder Oliver Rathkolb – also wirklich namhafte Experten –, die sich mit dem Thema vor Ort befasst haben – und zwar nicht nur irgendwie oberflächlich, sondern eingehend.

Ich kann mich auch an viele Diskussionen seinerzeit im Bundesrat erinnern. Mein Kol­lege David Stögmüller von den Grünen wird dann noch dazu sprechen. Wir haben viele Male diskutiert, wie wir mit diesem Haus, mit dem Geburtshaus Hitlers umgehen, dass es eben kein Anziehungspunkt für Neonazis und dergleichen sein soll. Im Zuge dessen wurde auch überlegt, wie mit diesem Mahnstein umgegangen werden soll. Es gab dazu eine Expertenkommission, aber es stand zum Beispiel nie zur Debatte, dass der Bund etwa auch dieses Grundstück enteignen wolle, um etwas anderes zu machen, sondern es war immer im Eigentum der Gemeinde und damit war es auch in der Verantwortung der Gemeinde, da etwas zu machen. Dass es die Empfehlung gab, keine Frage, aber darüber darf man reden und darüber darf man auch ohne Schaum vor dem Mund disku­tieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir lehnen diesen Antrag eben aus zweierlei Gründen ab: Der Bundesminister kann we­der sicherstellen, dass etwas passiert, noch, dass etwas nicht passiert, weil er überhaupt nicht zuständig ist. Als Kommunalpolitiker würde ich mich auch dagegen wehren, dass sich das Parlament Dinge anmaßt, wofür es keine Zuständigkeit gibt – das ist der eine Grund.


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Der zweite ist: Auch die zeitliche Abfolge, Frau Kollegin, spricht nicht für Ihren Antrag. Dieses Problem war schon längst geklärt, als Sie es hier ins Haus brachten, und auch deswegen lehnen wir Ihren Antrag ganz entschieden ab. Mein Kollege David Stögmüller, der auch Gemeinderat vor Ort ist, wird Ihnen das noch einmal ganz genau erklären. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.49


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Mag. Felix Eypeltauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.50.03

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bun­desminister! Wir beschäftigen uns hier im Hohen Haus zu verschiedensten Anlässen und in unterschiedlichstem Kontext mit den dunkelsten Kapiteln der Geschichte unserer Republik – und das ist auch gut so.

Letzten Herbst haben wir beschlossen, Verfolgten des NS-Regimes und deren Nach­kommen die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. In etwa 7 000 Personen bekundeten Interesse, in etwa 500 Anträge wurden gestellt, und dem ersten Antragsteller wurde die Staatsbürgerschaft auch schon verliehen. So müs­sen wir der Geschichte unseres Landes begegnen: reflektiert, verantwortungsvoll und vor allem konsequent.

Was ist also das Verantwortungsvolle, das Richtige und das Konsequente im Fall des Geburtshauses Adolf Hitlers in Braunau? Diese Frage bringt die SPÖ mit dem gegen­ständlichen Antrag auch ins Hohe Haus, und ich finde es richtig, dass wir sie hier disku­tieren. Ich finde es auch wichtig, dass man die Frage inhaltlich behandelt, auch wenn es dagegen rechtliche und kompetenzrechtliche Argumente gibt. Ich finde es auch deshalb wichtig, weil die Angelegenheit – und das wurde von meiner Vorrednerin schon ausge­führt – zu entgleiten drohte, auch aufgrund der Haltung oder der Aussagen von Ihnen, Herr Innenminister.

Wiewohl die Entscheidung über das Haus selbst bereits gefallen ist – da ist jetzt das Bezirkspolizeikommando drinnen –, wiewohl der Umgang mit dem Gedenkstein Angele­genheit der Gemeinde Braunau und gleichfalls entschieden ist, ist es gut, dass wir heute darüber reden.

Die Stadt Braunau hat entschieden, wir haben es schon gehört, den Gedenkstein, den Mahnstein gegen Krieg und Faschismus dort zu belassen, wo er ist, vor dem Haus. Wir befürworten diese Entscheidung, denn wir sind überzeugt davon, Erinnerungskultur muss vor allem auch in situ stattfinden: nicht unkenntlich machen, tilgen, schleifen, wie das der Präsident unseres Hauses einmal gesagt hat, oder verstecken, sondern sich stellen, sichtbar lassen, sichtbar machen und kontextualisieren, denn das Potenzial für Schreckliches, für Abscheuliches, für systematische Unmenschlichkeit wohnt uns allen und unserer Gesellschaft auch heute noch genauso inne wie damals.

Deshalb ist es wichtig, dass sich auch meine Generation und kommende Generationen aktiv mit der Geschichte unseres Landes auseinandersetzen und dass dieser laufende Prozess, der nie abgeschlossen werden kann, auch weitergeführt wird.

Ich habe Ihnen heute in Anlehnung an meinen Kollegen Brandstätter ein Buch mitge­bracht. Mein Urgroßvater Ernst Koref entging im September 1944 nur knapp der Depor­tation aus Linz nach Dachau und damit dem sicheren Tod. (Der Redner stellt das Buch „Die Gezeiten meines Lebens“ auf das Rednerpult.) Er war politischer Gefangener, als ehemaliger sozialdemokratischer Nationalratsabgeordneter war er nach dem Stauffen­berg-Attentat mit vielen ehemaligen Mandataren – christlich-sozialen wie sozialdemo­kratischen – in Präventivhaft. Sein Urgroßvater war Jude.


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Dass ich heute vor Ihnen stehen und zu Ihnen sprechen kann, verdanke ich seinem Ansehen bei der Linzer Bevölkerung und der Sympathie, und das verdanke ich Akten der Menschlichkeit eines Polizeibeamten und des von den Nazis eingesetzten Linzer Oberbürgermeisters Langoth, der bei Kaltenbrunner in Berlin die Freilassung meines Ur­großvaters erwirkte. Der in Oberösterreich machthabende Gauleiter Eigruber hatte der Familie meines Urgroßvaters schon vielsagend dessen gesunde Gartenarbeit in Dachau avisiert.

Dass ich also heute hier stehen und zu Ihnen sprechen kann, verdanke ich Regungen der Menschlichkeit und des Anstandes, die manchen damals vielleicht als unvernünftig erscheinen mochten. Viele Zehntausende, Hunderttausende gibt es nicht, weil es ihre Eltern nie gab, weil ihre Großeltern oder ihre Urgroßeltern ermordet wurden.

Lassen Sie uns nie vergessen, dass Menschlichkeit nicht relativierbar ist und nicht ver­handelbar sein darf! (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Lassen Sie uns immer den Anfängen der Verrohung und der Entmenschlichung wehren! Daran erinnert dieser Gedenkstein, um den es heute geht, vor dem Geburtshaus Adolf Hitlers, und daran soll er noch viele Generationen nach uns erinnern. – Danke schön. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

21.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.55.07

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ja, ich kann den Antrag der Kollegin Schatz von der SPÖ in keinster Weise nachvollziehen (Widerspruch bei der SPÖ), und ich muss auch sagen – bei allem Verständnis für die bewegende Familiengeschichte des Kollegen Eypeltauer –: Das geht alles an der Sache vorbei. Wir sind das österreichische Parla­ment, wir richten das an den Innenminister, aber da geht es um die Gemeinde Braunau.

Dieser Mahnstein, der durchaus seine Berechtigung hat, steht auf einem Grundstück, das der Gemeinde Braunau gehört, und auch der Stein selbst, so wie ich das vernom­men habe, gehört der Gemeinde Braunau. Es hat auch eine Willensbekundung des Gemeinderates der Gemeinde Braunau in welcher Form auch immer gegeben – ob es einen Beschluss gibt oder nicht, weiß ich jetzt nicht (Zwischenruf des Abg. Hafen­ecker) –, dass dieser Stein dort stehen bleibt. Auch mit der SPÖ hat man da gesprochen.

Als Kommunalpolitiker verwehre ich mich wirklich entschieden dagegen, dass wir hier im Parlament oder auch der Innenminister ohne Zuständigkeit in das Recht der Selbstver­waltung der Kommunen eingreifen. Das ist nicht unsere Aufgabe, und somit ist die De­batte eigentlich erledigt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.56


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.56.31

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Eypeltauer, vielen Dank für diese doch ergrei­fenden Worte zu deiner Familiengeschichte. Ich finde es immer wieder sehr interessant und auch berührend, wenn Leute erzählen, wie das mit ihrer eigenen Familiengeschichte zusammenhängt.

Als Gemeindebürger der Stadt Braunau begleitet mich diese Thematik um das Geburts­haus von Adolf Hitler natürlich immer wieder – schon seit Jahren, schon seit Ewigkeiten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 238

und auch in Zukunft. Was passiert mit dem Hitler-Geburtshaus? Auch persönlich setze ich mich schon seit Jahren dafür ein, dass endlich eine Lösung bei dieser Thematik ge­funden wird. Ich bin auch froh, dass schon etwas konkret geplant ist und auch kommen wird. Das ist auch gut so, und es ist auch wirklich sinnvoll, dass wir da endlich Zeichen setzen.

Ich kann Ihnen auch eines sagen: Egal wo man auf dieser Welt ist, wenn man sagt, man kommt aus Braunau am Inn, kommt gleich als Erstes die Thematik des Hitler-Geburts­hauses und die Frage, was damit passiert. Das ist nicht nur ein Ärgernis, sondern auch eine Belastung für die Menschen in der Stadt. Viele Stadtbewohner sind immer wieder damit konfrontiert, aber eigentlich ist jahrelang, jahrzehntelang nichts passiert. Auch die ewige Diskussion und Spekulation weltweit, was damit passieren soll, hat uns immer wieder auch voneinander getrennt. Ich bin ja selber, wie der Kollege schon gesagt hat, Gemeinderat in der Stadt Braunau, und es steht auch auf meiner politischen Agenda sehr weit oben, dass da eine Lösung gefunden wird.

Seit 2011 steht das Haus in der Salzburger Vorstadt leer. Es verrottet mitten in der Stadt vor sich hin. Vor schon fast drei Jahren ist das Gesetz zu diesem Haus ergangen. Seit der Enteignung warten wir darauf, dass endlich etwas passiert. Es hat einen Beirat im Ministerium gegeben, der unabhängig – na ja, unabhängig, aber zumindest ein nicht wirklich einer Partei angehöriges Gremium – darüber beraten hat, was mit diesem Haus passieren soll. Da ist auch eine Entscheidung gefallen.

Ich bin auch froh darüber, dass dieses Jahr von der Bundesseite die Entscheidung ge­kommen ist, dass endlich auch etwas vorangetrieben wird, und dass vom BMI konkrete Pläne präsentiert worden sind. Es ist wichtig, dass endlich etwas geschieht, denn die Realität ist schon so – Kollegin Schatz hat es ausgeführt –, dass noch immer Menschen gerade aus dem rechten und rechtsextremen Eck von diesem Haus regelrecht angezo­gen werden. Das passiert in sehr unterschiedlichen Formen. Das geht vom normalen Touristen, der einfach nur ein Foto vom Haus macht, bis hin zu Rechtsextremen, die Fotos mit eindeutigen Handzeichen oder mit rechtsextremen T-Shirts vor dem Haus ma­chen oder sogar Putz vom Haus herunterhauen, damit man etwas für die Ewigkeit hat, damit man etwas von Hitler in Röhrchen zu Hause hat, um es aufzubewahren. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Man sieht also, dass es da immer eine Konfrontation mit dem rechten, mit dem rechts­extremen Eck gibt. Es ist nicht unbegründet, dass das Problem dieses Anziehungspunk­tes einer Lösung zugeführt werden muss.

„Für Frieden Freiheit und Demokratie“, „Nie wieder Faschismus“, „Millionen Tote mah­nen“ – das steht auf dem Mahnstein vor dem Hitler-Geburtshaus.

Liebe Kollegin Schatz, du weißt ganz genau, ich schätze dein Engagement wirklich sehr, gerade was den Kampf gegen Antisemitismus, gegen Rechtsextremismus anbelangt. Du bist da überaus aktiv und weißt, du hast mit mir immer einen Kämpfer an der Seite, wenn es um diese Themen geht. Ich habe nach der ersten Presseinformation aus dem BMI, dass der Mahnstein vor dem Haus weg soll, sofort reagiert und gefordert, dass der Mahnstein vor dem Haus bleiben muss. Ich habe mit Ihren (in Richtung Bundesminister Nehammer) Beamten diesbezüglich telefoniert, da es auch mich schockiert hat, weil es nicht in Ordnung ist, dass wir als Stadt Braunau nicht wirklich etwas davon gewusst ha­ben. – Das war nicht in Ordnung.

Zum Glück wurde die Meldung revidiert, denn die Entscheidung, ob der Mahnstein weg muss, obliegt nur der Gemeinde, und Sie werden mir verzeihen, Herr Innenminister: Da können Sie noch so viel mitreden wollen, wie Sie wollen, aber es ist die Entscheidung der Stadt Braunau, und als Stadt Braunau sind wir schon ein – ja! – mutiger Gemeinderat und lassen uns von Wien – egal ob es vom BMI oder dementsprechend von anderen Parteien ist – sehr wenig einreden.


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Als Stadt, als Beirat haben wir uns entschieden, dass der Stein vor Ort bleibt, dass der Stein auf Gemeindegebiet und zum Glück vor dem Haus bleibt, denn wir wollen es sicht­bar machen, wir wollen eine Kontextualisierung, dass dieses Haus in der Vergangenheit auch ein Haus mit viel Geschichte gewesen ist, dass da etwas passiert ist. Das soll dementsprechend dargestellt werden, und das ist auch gut so, denn es ist unsere Ver­antwortung, dass wir die nächste Generation daran erinnern, nie zu vergessen: „Für Frieden Freiheit und Demokratie“, „Nie wieder Faschismus“, „Millionen Tote mahnen“. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.01


22.01.45

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor wir zum Abstimmungsvorgang kommen, darf ich fragen, ob die Klubobleute eine Sitzungsunterbrechung wollen. – Da dem nicht so ist, können wir zur Abstimmung schreiten.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angele­genheiten, seinen Bericht 387 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge bitte ein dementsprechendes Zeichen geben. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

22.02.3421. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 877/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, David Stögmüller, Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verrechtlichung des gesamtstaatli­chen Krisenmanagements (388 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen schließlich zum 21. Tagesordnungs­punkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hofinger. – Bitte.


22.03.05

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt: Die Coronakrise hat alle Österrei­cherinnen und Österreicher, alle Verantwortungsträger, aber vor allem die Regierung vor große Herausforderungen und auf eine harte Probe gestellt. Es stimmt auch, was man­che jetzt sagen, das eine oder andere hätte man besser machen können, aber Krisen haben einen Haken: Man sieht sie meist nicht kommen, und sie treffen einen meist un­vorbereitet.

Daher ist es auch müßig, wie wir heute schon öfter gehört haben, sich die Schuld gegen­seitig zuzuschieben, sondern es ist viel wichtiger, aus diesen Herausforderungen zu lernen, es in Zukunft besser zu machen und das Gemeinsame zu suchen. Genau das machen wir heute mit unserem Antrag, für den ich auch Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff danken möchte. Wir haben ihn nach längeren Diskussionen im Ausschuss gemeinsam erarbeitet. Es geht darum, dass wir in unserem staatlichen Katastrophen- und Krisenma­nagement eine einheitliche Regelung brauchen, wenn es eine bundesweite Pandemie, eine internationale Pandemie gibt. Ich möchte dazu plakativ einen Bereich herausneh­men, sodass man sich dies etwas besser vorstellen kann, und zwar die Aufteilung der Zuständigkeiten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 240

Während Maßnahmen zur Abwehr und Beseitigung von Naturkatastrophen, wie etwa Lawinenkatastrophen, Hochwasser oder auch technische Katastrophen in den Kompe­tenzbereich der Länder fallen und dort auch geregelt werden, fehlen entsprechende Regelungen, wenn es um eine bundesweite Pandemie oder Katastrophe geht. Jeder, der bei einer Feuerwehr, beim Roten Kreuz oder auch bei einer anderen Blaulichtorga­nisation tätig ist – freiwillig oder beruflich –, weiß, wie wichtig eine funktionierende Hand­lungskette ist, in der die Zuständigkeiten genau geregelt sind, sodass in einer Krise jeder weiß, wer was zu tun hat.

Auf Bundesebene haben wir momentan folgende Regelung: Im Bundesministerienge­setz ist genau festgelegt, wenn eine bundesweite, eine überregionale, eine internatio­nale Krise auftritt, dass das Bundeskanzleramt und für die Koordinierung das Innenmi­nisterium im staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement zuständig ist. Letzteres haben wir 2003 gegründet, eine Verrechtlichung ist aber noch ausständig.

Eckpunkte dieses Mehrparteienantrages sind eine klare Definition des Krisenfalls und das Verfahren zu dessen Ausrufung, genauso aber die Strukturen der Zuständigkeiten – wie wir sie gerade angesprochen haben – mit Bedacht auf die Bundes- und die Länder­kompetenzen. Eine wichtige Regelung sollte auch enthalten sein, die das Informations­management, aber auch die Dokumentation und Protokollpflichten beinhaltet.

Weiters wollen wir in diese rechtlichen Regeln auch die vulnerablen Gruppen – die Kin­der, die alten Menschen – einbeziehen. All diese Regeln sollen dabei helfen, dass das SKKM effizienter und noch transparenter arbeiten kann. – Das ist das Wesentlichste überhaupt.

All diese Regeln sind wichtig – keine Frage –, die Wichtigsten aber sind unsere Bürge­rinnen und Bürger. Bei ihnen möchte ich mich besonders bedanken, denn in einer sol­chen Krise, wie wir sie momentan haben, müssen die Bürger im gesundheitlichen, aber auch im wirtschaftlichen Bereich auf viel verzichten. Alle Regeln, die wir seitens der Bundesregierung gemacht haben, dienen nur zur Erhaltung der Gesundheit der Bürger und zur Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Staates sowie der Arbeits­plätze.

Wir alle haben uns diese Krise nicht gewünscht, und ich glaube, wir können alle mitein­ander auch hier im Saal froh sein – und es macht uns auch stolz –, dass wir als Öster­reich durch diese internationale Krise gemeinsam ganz gut durchgekommen sind. (Bei­fall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Ich möchte mich auch bei allen Menschen in Österreich, bei allen Bürgerinnen und Bür­gern, die die Maßnahmen der Regierung eingehalten haben, bedanken. Es ist nicht ganz einfach, noch dazu je länger diese Krise dauert.

Man hat in dieser Krise aber auch gesehen, wer tatsächlich das System am Laufen hält: Es sind die wichtigen Leute im medizinischen Bereich, in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen; es sind aber genauso das Personal im Handel, Putzkräfte und alle, die für den Transport von Waren und Menschen von A nach B verantwortlich sind; es sind die LehrerInnen, die PädagogInnen, die KindergärtnerInnen, aber genauso die Bäuerin­nen und Bauern, die in einer Krise für gesunde regionale Lebensmittel sorgen; genauso sind es die Polizisten, die Soldaten und alle Freiwilligen, die sich gemeldet haben, um die Behörden bei den Testungen und beim Contacttracing zu unterstützen.

Sie helfen uns mit ihrem Engagement, dass wir die Krise in den Griff bekommen. Wir sind aber leider noch nicht über den Berg, denn die Zahlen bei den Infektionen steigen wieder, und es erhöht sich auch die Zahl der Menschen, die in Krankenhäusern oder Intensivstationen sind. Daher mein eindringlicher Wunsch: Helfen wir gemeinsam, schützen wir uns, unseren Nächsten, um die Ansteckung mit dem Virus zu verhindern,


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damit wir gemeinsam und gestärkt aus dieser Krise herauskommen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Ernst-Dziedzic und Jakob Schwarz.)

22.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.


22.09.28

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden diesen Entschließungsantrag selbst­verständlich unterstützen und finden es mehr als notwendig, dass dieses Krisenmanage­ment einmal verrechtlicht wird.

Es hätte auch ein Fünfparteienantrag sein können. Soweit ich informiert bin, wird ihn auch die FPÖ unterstützen; aber sei’s drum: Die Regierungsparteien haben ihn mit den NEOS initiiert. Es ist auch wirklich so, dass die Initiative von Kollegen Hoyos-Trautt­mansdorff kam, und deswegen stehen die NEOS im Entschließungsantrag. Wir werden ihn unterstützen.

Als gelernte Österreicherin hätte ich bei einem Punkt schon sehr gern gewusst, was er bedeutet: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten“. – Was heißt das? Man könnte auch ein Datum nen­nen, damit wir das so schnell wie möglich beschließen. Es ist ja Krisenmanagement. Haben Sie Zeit? (Abg. Wöginger: Das ist eine übliche Formulierung!) – Nein, man kann auch ein Datum hinschreiben: zum Beispiel bis 31.12., bis 31.10. – das kann man schon machen. „Ehestmöglich“ ist immer so vage. Dass wir dringend ein Krisenmanagement brauchen, haben die letzten Wochen und Monate gezeigt, und deswegen: Schauen wir einmal, was Sie unter ehestmöglich verstehen. (Abg. Wöginger: Na ja, schau her!) – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

22.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte.


22.11.21

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Auch die Freiheitliche Partei wird diesem Entschlie­ßungsantrag betreffend „Verrechtlichung des gesamtstaatlichen Krisenmanagements“ ihre Zustimmung erteilen, wie wir das auch schon im Innenausschuss gemacht haben.

Es ist höchst an der Zeit, dass wir eine klare Definition des Krisenfalls und dessen Aus­rufung bekommen. Es ist höchst an der Zeit, dass es klare Strukturen und Kompetenzen gibt, die auch gesetzlich geregelt sind. Es ist höchst an der Zeit, dass es ein Mitwirkungs­protokoll und Dokumentationspflichten gibt, dass Informationsflüsse und Abläufe des Kri­senmanagements in Normal- und Krisenzeiten transparent und nachvollziehbar gemacht werden.

Wir sehen, dass diese Transparenz und diese Nachvollziehbarkeit äußerst wichtig sind, wenn wir uns das Chaos im Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement – im SKKM – in Erinnerung rufen, in dem es ja angeblich nicht einmal Protokolle von Sit­zungen gegeben hat. Das ist ein Umstand, der mich nach wie vor fassungslos macht. Ich kann nach wie vor nicht ganz glauben, dass es überhaupt möglich ist, dass es nicht einmal eine Mitschrift oder irgendetwas dergleichen gibt – aber sei’s drum.

Ich hoffe, dass Sie das jetzt ernst meinen, denn es ist so: Die Bevölkerung hat natürlich ein klares Recht auf Transparenz. Es werden dabei weitreichendste Entscheidungen getroffen – vor allem, wenn es um Eingriffe in unsere Grundrechte geht. Die Entschei­dungen müssen nachvollziehbar sein. Die Bevölkerung muss wissen, welche Experten die Regierung beraten und welche Positionen von den einzelnen Experten vertreten


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werden, weil ja wohl logisch ist, dass nicht jeder Experte die gleiche Position vertritt. Das sickert ja ohnehin immer nach und nach durch. Auf welcher Grundlage werden Ihre Ent­scheidungen getroffen, meine Damen und Herren? – Ich sehe das jetzt wirklich als Chance, denn bisher haben uns in dieser Krise schon sehr stark Chaos und Willkür be­gleitet. Sie haben Maßnahmen getroffen, die nicht verhältnismäßig, nicht gerechtfertigt und in keinster Weise nachvollziehbar sind.

Es gibt auch eine klare Erwartungshaltung für unsere heutige Zustimmung: nämlich dass rasch ein Gesetzentwurf vorliegt und es nicht bei dieser Entschließung bleibt. Es stellt sich auch die Frage: Was haben Sie von der Bundesregierung den ganzen Sommer über gemacht? Es wäre ja lang – monatelang – Zeit gewesen, diese Verrechtlichung sicher­zustellen.

Meine Damen und Herren, ich habe noch eine Erwartungshaltung außer dem Umstand, dass ich hoffe, dass der Gesetzentwurf bald auf dem Tisch liegt und auch alle Inhalte dieser heutigen Entschließung berücksichtigt und umgesetzt werden. Die andere Erwar­tungshaltung ist, dass Sie endlich Ihren Umgang mit Kritikern und Menschen, die andere Meinungen vertreten, ändern. Es ist nicht redlich und auch keine Kultur in der Demokra­tie, dass man Leute, die einzelne Maßnahmen kritisieren, pauschal als Verschwörer, Leug­ner, Spinner oder gar als Lebensgefährder hinstellt. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Führen wir endlich einen offenen Diskurs! Diesen Diskurs hat es in Österreich im Ge­gensatz zu anderen Ländern zu keinem Zeitpunkt gegeben, und er ist auch nicht er­wünscht – und das muss sich ändern. Hören Sie mit Ihrem erhobenen Zeigefinger – vor allem von der ÖVP – und Ihren scheinheiligen Moralpredigten, auch hier im Plenum, auf! (He-Rufe bei der ÖVP.) Das braucht niemand. Wir brauchen Transparenz und einen offenen Diskurs. Das haben sich die Menschen, deren Grundrechte beschnitten werden, verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

22.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte. (Ruf: Das mit den Ordnungsrufen üben wir noch!)


22.15.39

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit Anfang des Jahres befinden wir uns in der größten Gesundheitskrise in diesem Jahrhundert. Die Covid-19-Pandemie hat uns bes­tens gezeigt, wie wichtig ein koordiniertes Vorgehen im Krisenfall ist, und genauso, dass in so einer Ausnahmesituation rasches Handeln unbedingt notwendig ist.

Im Bereich der Katastrophenabwehr ist auf Ebene der Bundesländer einiges geregelt. Während Maßnahmen zur Abwehr, Beseitigung und Linderung der Auswirkungen einge­tretener und drohender Katastrophen – insbesondere Naturkatastrophen und techni­scher Katastrophen – in den Kompetenzbereich der Bundesländer fallen und diese dort entsprechend geregelt sind, liegt die Verantwortung für eine entsprechend klare, gezielte Regelung für das Management von Krisen auf Bundesebene. Da gibt es einfach eine Regelungslücke.

Es hakt oft an unklaren Kompetenzen, und das hat man bei der Coronapandemie in den letzten Monaten auch gesehen. Um dem entgegenzuwirken, haben wir gemeinsam mit den Kollegen von ÖVP und NEOS einen Antrag eingebracht, der genau darauf abzielt, diese Regelungslücke, die entstanden ist und die wir in den letzten Monaten auch gese­hen haben, zu füllen. Vielen Dank für diese wichtige Initiative an Kollegen Hoyos-Trautt­mansdorff. Ich glaube, sie ist notwendig, um gerade für zukünftige Epidemien und Natur­katastrophen bis hin zu Blackouts entsprechend gewappnet zu sein.

Die beste Krise ist und bleibt jene, die niemals eintritt. Wenn sie allerdings kommt, sollten wir bestmöglich darauf vorbereitet sein, um im Krisenfall rasch handeln zu können.


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Deshalb braucht es eine rechtliche Klarstellung für Krisen, eine Mitwirkungsverpflichtung der involvierten Akteure sowie eine klare Regelung des Informationsmanagements, aber auch Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen müssen ebenso wie Ar­beitsweise, Zusammensetzung und Dokumentation von Abläufen und Diskussionser­gebnissen in der Krisenbewältigung klar geregelt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den wir im Rahmen des Antrags bestanden haben, ist die Berücksichtigung und Einbeziehung der vulnerablen Gruppen, die gerade – und das ist ganz wichtig – in Krisenzeiten besondere Bedürfnisse haben. Isolation, Arbeitsplatz­verlust, Angst um die eigene Gesundheit – das sind Themen, die während der Covid-19-Pandemie Menschen mit Behinderung genauso betreffen wie Menschen ohne körper­liche oder geistige Einschränkungen. Doch in der Krise haben viele Menschen mit Behin­derung besondere Bedürfnisse, die in Krisenstrategien mitgedacht werden müssen. Wir als Grüne empfehlen deshalb dringend die Einbindung von VertreterInnen dieser Grup­pen. Es hat sich nämlich während der Covid-19-Krise gezeigt, dass durch die Einbindung von Menschen mit Behinderung in den Krisenstab des Gesundheitsministers viele Be­reiche abgedeckt wurden, die sonst nicht abgedeckt sind. Daher empfehlen wir Ihnen, Herr Minister, das bei der Gesetzesschreibung entsprechend zu berücksichtigen.

Uns Grünen ist es wichtig, dass das Credo: Nichts über uns ohne uns!, von allen Minis­terien im Krisenfall eingehalten wird. Dementsprechend hoffen wir, dass dies im kom­menden Gesetzesvorschlag berücksichtigt wird.

Ich bin mir jedoch sicher, dass der Innenminister rasch einen Gesetzesvorschlag vorle­gen wird, mit dem wir diese Gesetzeslücke so bald wie möglich schließen können und werden und mit dem wir das gesamtstaatliche Krisenmanagement auf eine umfassen­de – auch gesetzliche – Grundlage stellen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

22.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte.


22.19.25

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Innen­minister! Hohes Haus! Ein letztes Mal: Ich freue mich sehr, dass dieser Antrag durch­geht, und möchte mich an dieser Stelle insbesondere bei den Grünen und bei der ÖVP für die Zusammenarbeit bedanken. Das ist ja der zweite Antrag, den wir gemeinsam eingebracht haben, um das SKKM auf neue rechtliche Beine zu stellen und für mehr Transparenz zu sorgen.

Wir haben heute schon eine Dringliche Anfrage debattiert, die sehr genau gezeigt hat, dass diese Transparenz, diese Offenheit und dieser Dialog auch zwischen Bundeslän­dern und dem Bund nicht immer optimal funktioniert haben, ohne jetzt noch einmal diese Diskussion aufzukochen.

Genau da ist ein starkes und klar strukturiertes SKKM, nämlich als gemeinschaftliches Gremium, in dem die Bundesländer und alle Stakeholder zusammenkommen und ge­meinsam darüber diskutieren, was wie zu funktionieren hat, was wie und wo funktioniert, ganz essenziell. Ich glaube, dass wir mit diesem Antrag einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gehen, damit es hier mehr Klarheit, mehr Transparenz gibt.

Ich glaube, es ist unumstritten, dass wir in der Krise durchaus gemerkt haben, dass es Nachholbedarf gibt. Es hat keine Protokolle gegeben, sondern nur Tagesbriefings, aus denen viel nicht herauszulesen war. Es wurde nicht aufgezeichnet, wer an welcher Sit­zung teilgenommen hat, und so weiter. Das sind Dinge, die eigentlich zum Einmaleins der Transparenz gehören, Einmaleins jeder Sitzung sein sollten. Ich glaube, jeder von


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uns, der in Vereinen aktiv ist, weiß das auch und kennt das von den Vereinen. Dement­sprechend sollten wir natürlich auch die staatlichen Funktionen so aufstellen, dass sie bestmöglich arbeiten können und auch genau diese Transparenz walten lassen.

Ich bin deswegen sehr froh darüber, dass wir das heute gemeinsam auf den Weg brin­gen, und glaube, in diesem Sinne sollte das Parlament auch in anderen Bereichen, in denen wir in der Krise gelernt haben, wenn wir Dinge gesehen haben, die nicht optimal funktionieren, selbstbewusst nach vorne gehen. Wir sollten auch dort an die Hebel grei­fen und gemeinsame Initiativen setzen, damit wir wirklich aus dieser Krise herauskom­men und sagen: Wir haben Dinge gelernt, wir haben Dinge verbessert, damit so eine Krise in dieser Form nicht mehr vorkommt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

22.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ries. – Bitte.


22.21.57

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Innenminister! Werte Damen und Herren! Hinter der sperrigen Abkürzung SKKM verbirgt sich, wie schon gesagt wurde, Staatliches Krisen- und Katastrophenschutzmanagement, das koordinierend zwischen den Ländern und den Organisationen tätig werden soll, denn bei den Ländern liegt ja im Regelfall die Zuständigkeit. Dafür gibt es auch eine legistische Grundlage, und diese soll jetzt auch im Bund geschaffen werden, denn es gibt viel zu regeln: Wann liegt eine Katastrophe vor? Wer ist wofür zuständig? Wer sitzt im Krisen­stab? Wo liegt die Kompetenz beim Bund, wo beim Land? Welche Vorsorgemaßnahmen sind zu treffen? Wie geschieht die Dokumentation?

In den Bundesländern wurden bei der Polizei in der Coronakrise BAOs eingerichtet, so­genannte Besondere Aufbauorganisationen. In diesen BAOs sind dienstführende, lei­tende und Beamte des gehobenen Dienstes. Es gibt klare Zuständigkeiten, und jeder weiß, was zu tun ist. Das hat sich nicht nur jetzt, sondern auch im Jahr 2015 bewährt. Zur Erinnerung: Damals hatten wir die Flüchtlingskrise, damals war die Hälfte der Bun­desregierung untergetaucht und die andere Hälfte war mit Begrüßungsritualen be­schäftigt. Auch damals haben die BAOs funktioniert.

Sie haben damals das getan, wofür Polizeibeamte ausgebildet wurden. Es wurden auf Basis von Gesetzen, Erlässen und Verordnungen Entscheidungen getroffen, und dies wurde peinlich genau dokumentiert. Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass heuer in der Covid-Krise im BMI auch getagt wurde, wahrscheinlich auch Entscheidungen getrof­fen wurden, man aber nichts dokumentiert hat. Was hier passiert ist, Herr Bundesmi­nister, entspricht nicht den Anforderungen professionellen Handelns. Es mutet eher chaotisch an, wenn nichts dokumentiert ist. Man könnte auch den Verdacht haben, es soll nichts dokumentiert werden, damit man bei einer Fehlentscheidung das Ganze auch nicht nachweisen kann.

Ich frage mich, was die Führungskräfte im BMI getan hätten, wenn die Länder nicht ord­nungsgemäß ihre Tätigkeit dokumentiert hätten. Deshalb, Herr Bundesminister, sorgen Sie für Ordnung im BMI, denn was den Ländern zumutbar ist, ist auch dem Bund, der Zentralstelle zumutbar! (Beifall bei der FPÖ.)

22.24


22.24.20

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Können wir zum Abstimmungsvorgang übergehen? – Ja.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 14. Oktober 2020 / Seite 245

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 388 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Verrechtlichung des gesamtstaatlichen Krisen­managements“.

Ich darf die Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen. (105/E)

22.25.09Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 167/A der Abgeordneten Leichtfried, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittel­gesetz 2011 geändert wird“, eine Frist bis zum 19.11.2020 zu setzen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

22.25.42Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 919/A(E) bis 958/A eingebracht worden sind.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.26 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.26.09Schluss der Sitzung: 22.26 Uhr

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