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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

47. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 9. Juli 2020

 

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

47. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                    Donnerstag, 9. Juli 2020

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 9. Juli 2020: 10.00 – 20.29 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz geändert wird

2. Punkt: Bericht über den Antrag 285/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und Forschung im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen

3. Punkt: Bericht über den Antrag 604/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Ste­phanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untersagung der ultranationalis­tisch-faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk

4. Punkt: Bericht über den Antrag 618/A(E) der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Sabine Schatz, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untersagung der Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“

5. Punkt: Bericht über den Antrag 731/A(E) der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Sabine Schatz, Mag. Georg Bürstmayr, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Untersagung der Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“

6. Punkt: Bericht und Antrag über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Fa­milienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Epide­miegesetz 1950 geändert werden

7. Punkt: Bericht über den Antrag 556/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des Corona Krisenstabs im Innenministerium

8. Punkt: Bericht über den Antrag 730/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, Mag. Georg Bürstmayr, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Transparenz im Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzma­nagement

9. Punkt: Bericht über den Antrag 741/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientie­rung, Geschlechtsidentität


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 186/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Kriminalstatistik Straftaten gegen LGBTI

11. Punkt: Bericht über die Bürgerinitiative Nr. 4/BI: Bürgerinitiative betreffend „Wir Ös­terreicher wollen keine Organe aus China haben, für die unschuldige Menschen getötet wurden.“

12. Punkt: Bericht über den Antrag 724/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Bekämp­fung des Menschenhandels

13. Punkt: Bericht über den Antrag 725/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer unabhängigen Beschwerde- und Untersuchungsstelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibe­amtinnen und Polizeibeamte

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020, geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 650/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Ausrichtung der österreichischen Land­wirtschaft

18. Punkt: Bericht über die Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Beratungs­gremiums „Human Biomonitoring“, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

19. Punkt: Bericht über den Antrag 688/A(E) der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung des Störfalls im AKW Temelín und für einen weltweiten Atomausstieg

20. Punkt: Bericht über den Antrag 208/A(E) der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung des 1-2-3-Österreich-Tickets

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Wiener Staatsoper GmbH – Reihe BUND 2018/32

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Burgtheater GmbH; Follow-up-Über­prüfung – Reihe BUND 2019/35

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichische Nationalbibliothek – Reihe BUND 2019/40

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend ORF: Standortkonsolidierung – 1. Bau­phase – Reihe BUND 2020/14

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 3

Antrag des Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, dem Gesundheitsaus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 775/A(E) betreffend „Keine zwangs­weise Trennung von internationalen, unverheirateten Paaren mehr“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 13. Juli 2020 zu setzen – Zurückziehung (siehe Amtli­ches Protokoll) ....................................................  40

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG      ............................................................................................................................... 41

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 41

Antrag des Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, den Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bun­desgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kommunal­steuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (337 d.B.), ge­mäß § 53 Abs. 6 Z 2 GOG an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie rückzuverweisen – Ablehnung .........................................................  77, 102

Fragestunde (3.)

Frauen und Integration ................................................................................................ 16

Mag. Ernst Gödl (31/M)

Gabriele Heinisch-Hosek (37/M); Mag. Maria Smodics-Neumann, Mag. Sibylle Ha­mann

Rosa Ecker, MBA (20/M); Petra Bayr, MA MLS

Mag. Faika El-Nagashi (29/M); Edith Mühlberghuber

Yannick Shetty (35/M)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (32/M); Henrike Brandstötter, Philip Kucher

Sabine Schatz (38/M); Kira Grünberg

Dr. Dagmar Belakowitsch (21/M); Michael Seemayer, Nico Marchetti

Mag. Meri Disoski (30/M)

Henrike Brandstötter (36/M); Rosa Ecker, MBA

Norbert Sieber (33/M); Heike Grebien

Nurten Yılmaz (39/M); Dr. Gudrun Kugler, Yannick Shetty

Mag. Romana Deckenbacher (34/M)

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 40

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (283 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzge­setz geändert wird (327 d.B.)    41

RednerInnen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 4

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 41

Karl Mahrer ................................................................................................................... 43

Mag. Hannes Amesbauer, BA ..................................................................................... 45

Mag. Georg Bürstmayr ................................................................................................ 46

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 47

Bundesminister Karl Nehammer, MSc ....................................................................... 48

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 50

Christian Ries ............................................................................................................... 51

Mag. Hannes Amesbauer, BA (tatsächliche Berichtigung) ......................................... 51

Hermann Gahr .............................................................................................................. 52

Annahme des Gesetzentwurfes in 327 d.B. ................................................................ 102

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 285/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und Forschung im Bereich häusliche Gewalt und Ge­walt gegen Frauen (329 d.B.) ............................. 53

RednerInnen:

Mag. Selma Yildirim ..................................................................................................... 53

Mag. Johanna Jachs .................................................................................................... 54

Mag. Selma Yildirim (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 55

Rosa Ecker, MBA .......................................................................................................... 55

Mag. Meri Disoski ......................................................................................................... 56

Henrike Brandstötter ................................................................................................... 57

Bundesminister Karl Nehammer, MSc ....................................................................... 59

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 329 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 285/A(E)    103

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 329 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Studie zu Auswirkungen der COVID-19 Krise auf Gewalt in der Privatsphäre“ (80/E)     103

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 604/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Stephanie Krisper, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Untersagung der ultranationalistisch-faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk (330 d.B.)           60

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 618/A(E) der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Sabine Schatz, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unter­sagung der Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“ (331 d.B.) ........................................................................................................ 60

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 731/A(E) der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Sabine Schatz, Mag. Ge­org Bürstmayr, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untersa­gung der Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“ (332 d.B.) ........................................................................................................ 60

RednerInnen:

Sabine Schatz ............................................................................................................... 60

Mag. Peter Weidinger ................................................................................................... 61

Mag. Hannes Amesbauer, BA ..................................................................................... 63

Dipl.-Ing. Olga Voglauer .............................................................................................. 64

Dr. Stephanie Krisper .................................................................................................. 65

Mag. Georg Bürstmayr ................................................................................................ 66


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 5

Dr. Dagmar Belakowitsch ............................................................................................ 67

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 330 und 331 d.B. ............................. 103

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 332 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Untersagung der Feier im Gedenken an das ,Massaker von Bleiburg‘“ (81/E) ......... 103

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 332 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Evaluierung der Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hin­sichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierung“ (82/E) ............................................................................................................................ 103

6. Punkt: Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Ener­gie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenaus­gleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Epidemiege­setz 1950 geändert werden (337 d.B.)           ............................................................................................................................... 68

RednerInnen:

Philip Kucher ................................................................................................................ 68

Mag. Klaus Fürlinger .................................................................................................... 70

Mag. Gerhard Kaniak ................................................................................................... 73

Ralph Schallmeiner ...................................................................................................... 74

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 76

Bundesminister Rudolf Anschober ........................................................................... 78

Ing. Reinhold Einwallner ............................................................................................. 80

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 81

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Keine zwangsweise Trennung von internationalen, unverheirateten Paaren mehr“ – Annahme (83/E)                                                                 83, 104

Annahme des Gesetzentwurfes in 337 d.B. ................................................................ 104

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 556/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des Corona Krisen­stabs im Innenministerium (333 d.B.) ......... 85

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 730/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, Mag. Georg Bürstmayr, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Transparenz im Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (334 d.B.) ................................................................. 85

RednerInnen:

Philip Kucher ................................................................................................................ 85

Ing. Manfred Hofinger .................................................................................................. 86

Mag. Hannes Amesbauer, BA ..................................................................................... 87

Mag. Georg Bürstmayr ................................................................................................ 88

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ................................................................................ 89

Mag. Ernst Gödl ............................................................................................................ 90

Mag. Philipp Schrangl .................................................................................................. 92

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 333 d.B. ..................................................... 104


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 6

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 334 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Transparenz im Staatlichen Krisen- und Katastrophen­schutzmanagement“ (84/E)          105

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 741/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Georg Bürstmayr, Kol­leginnen und Kollegen betreffend der Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Ge­schlechtsidentität (335 d.B.) ........................................................................................... 93

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den An­trag 186/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Kriminalstatistik Straftaten gegen LGBTI (328 d.B.) ............................................................................................................ 93

RednerInnen:

Nurten Yılmaz ............................................................................................................... 94

Dr. Gudrun Kugler ........................................................................................................ 95

Christian Ries ............................................................................................................... 97

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ................................................................................................ 98

Yannick Shetty .............................................................................................................. 98

Michael Seemayer ...................................................................................................... 100

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 100

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 101

Entschließungsantrag der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Yannick Shetty, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „zügige Umsetzung von Maßnahmen betr. Si­cherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren und Grundversorgung“ – Ab­lehnung .............................................  94, 105

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 335 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität“ (85/E)                                                                                                                 105

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 328 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 186/A(E)    105

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 328 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Erfassung von hassmotivierten Übergriffen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung“ (86/E) ............................................................................................................................ 105

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über die Bürgerinitiative Nr. 4/BI: Bürgerinitiative betreffend „Wir Österreicher wollen keine Organe aus China haben, für die unschuldige Menschen getötet wurden.“ (246 d.B.) ........................................................................ 105

RednerInnen:

Kira Grünberg ............................................................................................................. 105

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 107

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 108

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 109

Dr. Helmut Brandstätter ............................................................................................. 110

Mag. Faika El-Nagashi ............................................................................................... 113


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 7

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verletzung der Grund- und Freiheitsrechte von in Hong­kong aufhältigen Menschen“ – Ablehnung ...........................................................................................................  111, 127

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 246 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „illegalen Organhandel in China“ (87/E) ...................................................................... 127

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den An­trag 724/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschen­handels (247 d.B.) ........................................................... 114

RednerInnen:

Dr. Gudrun Kugler ...................................................................................................... 114

Petra Wimmer ............................................................................................................. 116

Rosa Ecker, MBA ........................................................................................................ 116

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic .............................................................................................. 117

Kira Grünberg ............................................................................................................. 118

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 247 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels“ (88/E)                                                 127

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 725/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer unabhängigen Beschwerde- und Untersu­chungsstelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizei­beamte (248 d.B.) ........................................................ 119

RednerInnen:

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................... 119

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 120

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 121

Christian Lausch ........................................................................................................ 122

Mag. Georg Bürstmayr .............................................................................................. 123

Dr. Stephanie Krisper ................................................................................................ 124

Michael Schnedlitz ..................................................................................................... 125

Mag. Corinna Scharzenberger .................................................................................. 125

Sabine Schatz ............................................................................................................. 126

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 248 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Schaffung einer unabhängigen Beschwerde- und Untersu­chungsstelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizei­beamte“ (89/E) ................................................. 128

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungsvorlage (233 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 ge­ändert wird (256 d.B.)             ............................................................................................................................. 128

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Re­gierungsvorlage (236 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelge­setz 2011 geändert wird (257 d.B.)         ............................................................................................................................. 128

RednerInnen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 8

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 128

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 130

Cornelia Ecker (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 132

Alois Kainz .................................................................................................................. 133

Dipl.-Ing. Olga Voglauer ............................................................................................ 133

Bundesministerin Elisabeth Köstinger .................................................................... 134

Andreas Kühberger .................................................................................................... 135

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 136

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ – Ab­lehnung ................................  136, 161

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 256 und 257 d.B. ........................................ 161

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungsvorlage (238 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020, geändert wird (258 d.B.) ... 138

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 138

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 139

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 140

Dr. Astrid Rössler ....................................................................................................... 141

Ing. Markus Vogl (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 142

Bundesministerin Elisabeth Köstinger .................................................................... 142

Franz Hörl .................................................................................................................... 144

Michael Seemayer ................................................................................................... ... 145

Julia Elisabeth Herr .................................................................................................... 145

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 147

Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „rasche Umsetzung der Klimaschutzmilliarde“ – Ablehnung                                       146, 162

Annahme des Gesetzentwurfes in 258 d.B. ................................................................ 162

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 650/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Ausrichtung der österreichischen Landwirtschaft (259 d.B.)                                                                                    148

RednerInnen:

Peter Schmiedlechner ............................................................................................... 148

Ing. Klaus Lindinger, BSc .......................................................................................... 149

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................... 150

Klaus Köchl ................................................................................................................. 152

Nikolaus Prinz (tatsächliche Berichtigung) ................................................................ 152

Erwin Angerer ............................................................................................................. 153

Clemens Stammler ..................................................................................................... 155

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 156

Lukas Brandweiner .................................................................................................... 159

Dipl.-Ing. Georg Strasser ........................................................................................... 160

Entschließungsantrag der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Änderung der FFH-Richtlinien zur Sicherung der heimischen Almwirtschaft“ – Ablehnung           154, 162


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 9

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Förderobergrenze für land- und forstwirt­schaftliche Betriebe auf 70.000 Euro pro Betrieb und Jahr aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs“ – Ablehnung  157, 162

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 259 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 650/A(E)    162

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 259 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Evaluierung und gesetzliche Verankerung der GAP-Stra­tegie im bestehenden gesetzlichen Rahmen“ (90/E) ............................................................................................................................ 162

18. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Bericht über die Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Beratungsgremiums „Human Biomonitoring“, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-131/254 d.B.) 162

RednerInnen:

Dr. Astrid Rössler ....................................................................................................... 163

Cornelia Ecker ............................................................................................................ 165

Johannes Schmuckenschlager ................................................................................ 166

Michael Bernhard ....................................................................................................... 167

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................. 168

Mag. Ernst Gödl .......................................................................................................... 170

Joachim Schnabel ...................................................................................................... 171

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmu­ckenschlager, Michael Bernhard, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Aktionsplan Mikroplastik“ – Annahme (91/E) .........................................................................  164, 180

Kenntnisnahme des Berichtes III-131 d.B. .................................................................. 180

19. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 688/A(E) der Ab­geordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung des Störfalls im AKW Temelín und für einen weltweiten Atomausstieg (255 d.B.)                                                                                                172

RednerInnen:

Julia Elisabeth Herr .................................................................................................... 172

Ing. Martin Litschauer ................................................................................................ 173

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 175

Nikolaus Prinz ............................................................................................................. 176

Robert Laimer ............................................................................................................. 176

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ............................................................. 177

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 178

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................................................ 179

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Nikolaus Prinz, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufklärung des Zwischenfalls und Stilllegung des AKW Teme­lín“ – Annahme (93/E) ...............  174, 181

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 255 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 688/A(E)    180


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 10

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 255 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „tschechische Atommüll-Endlagerproblematik, Informa­tionen über Ereignisse in Atomkraftwerken sowie europäischer und weltweiter Aus­stieg aus Atomkraft“ (92/E) ..................................... 180

 

20. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 208/A(E) der Ab­geordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung des 1-2-3-Österreich-Tickets (297 d.B.) ...................................................................................................................... 181

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé .......................................................................................  181, 189

Hermann Weratschnig, MBA MSc ............................................................................ 182

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ......................................................................................... 182

Andreas Ottenschläger .............................................................................................. 183

Dr. Johannes Margreiter ............................................................................................ 184

Bundesministerin Leonore Gewessler, BA ....................................................  185, 189

Johann Singer ............................................................................................................ 186

Alois Schroll ............................................................................................................... 186

Joachim Schnabel ...................................................................................................... 187

Franz Leonhard Eßl .................................................................................................... 188

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 297 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 208/A(E)    190

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 297 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „stufenweise Einführung des 1-2-3 Österreich-Tickets“ (94/E)                                                  190

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Wiener Staatsoper GmbH – Reihe BUND 2018/32 (III-7/250 d.B.) ............................ 190

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Burgtheater GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/35 (III­50/251 d.B.)      190

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Österreichische Nationalbibliothek – Reihe BUND 2019/40 (III-55/252 d.B.) ............. 190

RednerInnen:

Hans Stefan Hintner ................................................................................................... 190

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 191

Wolfgang Zanger ........................................................................................................ 192

David Stögmüller ........................................................................................................ 193

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .............................................................................. 194

Laurenz Pöttinger ....................................................................................................... 195

Mag. Christian Drobits ............................................................................................... 195

Mag. Eva Blimlinger ................................................................................................... 196

Andreas Minnich ........................................................................................................ 197

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 197

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 198

Kenntnisnahme der drei Berichte III-7, III-50 und III-55 d.B. ....................................... 206


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 11

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungs­hofes betreffend ORF: Standortkonsolidierung – 1. Bauphase – Reihe BUND 2020/14 (III­109/253 d.B.) ........ 200

RednerInnen:

Hermann Gahr ............................................................................................................ 200

Mag. Thomas Drozda ................................................................................................. 201

Alois Kainz .................................................................................................................. 202

David Stögmüller ........................................................................................................ 203

Henrike Brandstötter ................................................................................................. 204

Michael Seemayer ...................................................................................................... 205

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker .......................................................... 205

Kenntnisnahme des Berichtes III-109 d.B. .................................................................. 207

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Maximilian Köllner, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Umsetzung der tägli­chen Bewegungs- und Sporteinheit bedeutet bessere Gesundheit und Fitness unserer Kinder“ (778/A)(E)

Robert Laimer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesmi­nisterin für Landesverteidigung (779/A)(E)

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend In Österreich le­bende Syrer müssen ihre Heimat wiederaufbauen (780/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatzlose Streichung des fiktiven Ausgedinges (781/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zum ös­terreichischen Gesundheitssystem nach COVID-19 (782/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gesundheitspolitische Ini­tiativen für die Stärkung des niedergelassenen Bereichs (783/A)(E)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend Facharztausbildung für Kie­ferorthopädie in Österreich (784/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Gemeindeeinnah­menausgleichsfonds (785/A)(E)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verdoppelung der Fami­lienbeihilfe in Monaten mit coronabedingter Schulschließung (786/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (787/A)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend CO2 durch Humusaufbau binden (788/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer Förder­obergrenze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf 70.000 Euro pro Betrieb und Jahr aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs (789/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 12

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesgenossen­schaft für Pflege und Betreuung (790/A)(E)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ersatzlose Streichung des fiktiven Ausgedinges (791/A)(E)

Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze (792/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte und faire Zuteilung von PolizistInnen nach Favoriten (793/A)(E)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr höhere Schulen für Favoriten (794/A)(E)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (795/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Tuberkulosegesetz geändert wird (796/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheitsqualitätsgesetz geändert wird (797/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 geändert wird (798/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (799/A)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Rege­lungen für Homeoffice/Telearbeit (800/A)(E)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona-bedingte Kurzar­beit darf nicht zu Nachteilen bei Schwerarbeitspension führen! (801/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend leichteren Zugriff auf Abfertigungsgelder (802/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein starkes öffentliches Gesund­heitssystem (803/A)(E)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert wird (804/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Härtefallfondsgesetz geändert wird (805/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 und das Körper­schaftsteuergesetz 1988 geändert werden (806/A)

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Kolleginnen und Kollegen betreffend EU Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie (807/A)(E)

Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung der Klimaschutzmilliarde (808/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 13

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend deutsche Reisegutscheine statt Barab­löse (2699/J)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend Dokumentationsstelle für politischen Islam (2700/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Folge­anfrage zum Quartalsbericht der Reisekosten Q1 2020 im Bundeskanzleramt (2701/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Subven­tionen und Förderungen für die NGO „Global 2000“ (2702/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Kli­maschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Radfahrer im Straßenverkehr (2703/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend fehlerhafte Zahlen zu den Corona-Infektionen (2704/J)

Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Um­welt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Nichthandeln in Klima­krise kostet Österreich heuer 15 Milliarden Euro (2705/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Verunglimpfung des Begriffs „Heimat“ in Schul­büchern (2706/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Datenschutz-Folgenabschätzung bei Online-Kommunikationswerkzeugen für Schulen (2707/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Familienbeihilfe für subsidiär Schutzberechtigte mit Be­hinderungen (2708/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Verfahrensdauer für Gewährung der erhöhten Familien­beihilfe (2709/J)

Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Verfahrensdauer für Ge­währung der erhöhten Familienbeihilfe (2710/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Covid 19-Kurzarbeit Leitfaden für Personalverrechnung (2711/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Schulschließungen in den Bezirken Wels und Wels-Land am 3. Juli 2020 (2712/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Dienstwägen in seinem Ressort (2713/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 14

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Dienstwägen in seinem Ressort (2714/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Dienstwägen in seinem Ressort (2715/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Dienstwägen in seinem Ressort (2716/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Fa­milie und Jugend betreffend Dienstwägen in ihrem Ressort (2717/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Dienstwägen in seinem Ressort (2718/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Dienstwägen in ihrem Ressort (2719/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Dienstwägen in seinem Ressort (2720/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend Dienstwägen in seinem Ressort (2721/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Dienstwägen in ihrem Ressort (2722/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Dienstwägen in ihrem Ressort (2723/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisie­rung und Wirtschaftsstandort betreffend Dienstwägen in ihrem Ressort (2724/J)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesver­teidigung betreffend Dienstwägen in ihrem Ressort (2725/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend skandalöse Machenschaften im Finanzamt Scheibbs (2726/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend unentgeltlichen Zugang zum eigenen Bargeld (2727/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend unentgeltlichen Zugang zum eigenen Bargeld (2728/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Erhebung von Daten vermisster unbegleiteter Kinder auf der Flucht (2729/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Missstände im Bereich der Erntearbeit (2730/J)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Förderung der Haltung von Tieren auf Vollspalten­böden durch die Landwirtschaftsministerin mit öffentlichen Steuermitteln (2731/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 15

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend betreffend Missstände im Bereich der Erntearbeit (2732/J)

Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Masterplan Digitalisierung (2733/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Fragen zum Pensionskonto (2734/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Corona-Ausbruch in Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben in OÖ (2735/J)

Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung (2736/J)

Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Meldung des Falter 28/20 „Neue Chefin für Bun­desgärten: Türkiser Postenschacher“ (2737/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abschiebung und Inhaftierung afghanischer Geflüchteter (2738/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Datenübermittlung bei Stalkingfällen (2739/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Datenübermittlung bei Stalkingfällen (2740/J)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Strafen und Anzeigen nach COVID-19-Maßnahmen (2741/J)

Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend menschenrechtsverachtende Gerichts­prozesse in der Türkei (2742/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 16

10.00.56Beginn der Sitzung: 10.00 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Drit­ter Präsident Ing. Norbert Hofer.

10.00.57*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie herzlich ersuchen, Platz zu nehmen, und darf die 47. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären.

Dies ist unser dritter Tag, der letzte Tag vor der Sommerpause. Das ist allerdings keine Pause, in der 75 Tage lang nichts getan wird, sondern man muss auch klar festhalten, dass unsere Abgeordneten des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates in den Wahlkreisen unterwegs sind und Vorbereitungsarbeiten leisten – dies auch als Klarstel­lung für die Medienvertreter, die ich herzlich begrüße. (Allgemeiner Beifall.) Auch an die Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernsehgeräten: Seien Sie am dritten Tag herzlich willkommen geheißen!

Eine Anmerkung zu gestern und dem Feueralarm: Wir werden unsere Sicherheitspläne noch einmal überarbeiten, um ein wirklich geordnetes und für alle Mandatare auch nach­vollziehbares Räumen des Saales zu ermöglichen. Mir ist das ein besonderes Anliegen, und da bitte ich auch, dass wir das im Herbst einmal mit einem Übungsalarm probieren, weil ich glaube, es ist notwendig, dass das, was jede Schule macht, auch wir im Hohen Haus einmal tun, indem wir uns die Zeit dafür nehmen. Die Sicherheit war uns gerade in Coronazeiten wichtig; sie sollte uns auch in solchen Situationen wichtig sein, damit wir alle wissen, was wie und wo zu tun ist.

Vereinbarungsgemäß sitzen wir wieder in einer gelockerten Sitzordnung. Ein Teil der Abgeordneten hat auf der Galerie Platz genommen.

Die Abstimmungen über die Verhandlungsgegenstände finden jeweils am Ende der Ver­handlungen über alle Vorlagen eines Ausschusses statt. Darüber hinaus kann die Sit­zung davor natürlich auch unterbrochen werden.

Die Amtlichen Protokolle der 43. und der 44. Sitzung vom 7. Juli 2020 sind in der Parla­mentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Angela Baumgartner, Mag. Mi­chael Hammer, Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler, Mag. Michaela Steinacker, Diet­mar Keck, Andreas Kollross, Mag. Verena Nussbaum, Mag. Dr. Petra Oberrauner, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Bedrana Ribo, MA und Josef Schellhorn.

*****

Ich darf bekannt geben, dass der ORF heute wie üblich die Sitzung bis 13 Uhr in ORF 2 überträgt. ORF III überträgt die Sitzung bis 19.15 Uhr; anschließend wird sie wieder kom­mentiert in der TVthek übertragen.

10.03.52Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Usancen sind bekannt.

Ich begrüße Frau Bundesminister Raab und darf sie gleich bitten, zum Rednerpult zu kommen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 17

Frauen und Integration


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur 1. Anfrage, die Abgeordneter Gödl stellt. – Bitte.

10.04.16


Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Vor ziemlich genau zwei Wochen kam es im Bereich von Favoriten in Wien zu Ausschreitungen, zu Zusammenstößen zwischen einer demonstrierenden Gruppe und türkischen Nationalisten, Rechtsauslegern. Da es dort offensichtlich Parallelgesellschaf­ten gibt, darf ich an Sie folgende Frage stellen: Was gedenken Sie angesichts dieser Vorfälle in Favoriten zu tun? Welche Maßnahmen gedenken Sie da zu ergreifen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 31/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was sind Ihre Maßnahmen bezüglich der aktuellen Ausschreitungen in Wien-Favo­riten?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesminister, Sie haben 2 Minuten für die Antwort auf die Erstfrage und 1 Minute für die Antwort auf eine allfällige Zusatzfrage. Bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abge­ordnete! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für diese Frage. Ich freue mich, heute hier zu sein und Ihnen Rede und Antwort stehen zu dürfen.

Wir alle haben, davon bin ich überzeugt, ein gemeinsames Ziel, nämlich: Österreich darf nicht Austragungsort von ausländischen Konflikten, von Konflikten aus der Türkei wer­den. Wir dulden es nicht, dass extremistische Gruppen auf österreichischem Boden – mitten in Wien, in Favoriten – türkische Politik ausleben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe daher gemeinsam mit dem Innenminister einen Aktionsplan ausgearbeitet, der auf drei Ebenen wirkt: Zum Ersten geht es natürlich auch um außenpolitische Maßnah­men, zum Zweiten um sicherheitspolitische Maßnahmen und zum Dritten um Präven­tionsmaßnahmen im Integrationsbereich.

Eine erste Krisensitzung, zu der wir jene Vereine, die indirekt oder auch direkt mit diesen Ausschreitungen zu tun haben, eingeladen haben, konnte nicht stattfinden. Die Fronten, das haben unsere Vorgespräche gezeigt, sind dermaßen verhärtet, dass es nicht mög­lich ist, gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Deshalb werden wir unsere österreichische Position den Vereinen auch weiterhin mit Nachdruck kundtun.

Es geht mir auch darum, dass wir kommunizieren, was wir von österreichischen Ver­einen, die auch Menschen, Jugendliche mit Migrationshintergrund erreichen, wollen. Was erwarten wir von ihnen im Integrationsbereich? – Wir erwarten von ihnen, dass Rechtsstaat, Demokratie, unsere Werteordnung, dass all das gelebt und auch umgesetzt wird. Daher werden wir nun gemeinsam mit dem Verfassungsschutz die Vereine einzeln laden.

Darüber hinaus werden wir in den nächsten Wochen eine Dokumentationsstelle für den politischen Islam auf den Boden bringen. Diese Einrichtung soll einen wichtigen Beitrag


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 18

dazu leisten, einfach mehr über die Rolle, den Einfluss des politischen Islam in Öster­reich, über ausländische Einflussnahme, genauso über die Netzwerke und Strukturen in den Vereinen, die wieder auf Jugendliche mit Migrationshintergrund wirken, in Erfahrung zu bringen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): Es ist uns wichtig, einmal Licht ins Dunkel zu bringen, damit wir gegen diesen ausländischen Einfluss, gegen den Extremismus, gegen Parallelge­sellschaften, die Nährboden für diesen Extremismus bilden, ankämpfen können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Es besteht kein Wunsch nach einer Zusatzfrage.

Die 2. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

10.07.22


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Schönen guten Morgen, Frau Bun­desministerin! Mir liegt die Lebenssituation von Frauen natürlich sehr am Herzen – und zwar immer, aber besonders jetzt während der Covid-Krise. Die Frage, die sich uns stellen muss, die wir uns stellen müssen, die natürlich auch Sie sich stellen, lautet: Wie schaut es dann nach der Krise mit den Frauen, mit den Kindern, mit der Mehrfachbe­lastung aus? In diese Richtung geht auch meine Frage, wobei ich mich gleich ent­schuldigen möchte: Da ist ein Wort falsch, aber ich werde die Frage jetzt korrekt vor­tragen.

Es geht darum, welche Maßnahmen Sie, Frau Ministerin, treffen werden, um die Mehr­fachbelastung von Frauen in dieser Covid-19-Krise infolge des Homeoffice auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch des Arbeitens in systemrelevanten Bereichen zusätzlich zum Homeschooling, zum Haushalt, zu Pflegetätigkeiten zu verringern – und nicht, wie in der eingebrachten Anfrage steht, zu erleichtern?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 37/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um die Mehrfachbelastung von Frauen in der COVID-19-Krise infolge von Home-Office oder einer Beschäftigung in den systemre­levanten Bereichen, zusätzlich zu Homeschooling, Haushalt und Pflegetätigkeiten zu er­leichtern?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Vielen Dank, Frau Abgeordnete! Ja, viele Familien und vor allem viele Frauen und Mütter waren während der Krise enormen Mehrfachbelastungen ausgesetzt und sind es natürlich nach wie vor – es gibt ja wieder große Herausforderungen, wenn es zu Schulschließungen in einzelnen Regionen kommt. Wir haben in der ersten Phase der Coronakrise und auch jetzt in der zweiten Phase, wenn ich das so bezeichnen darf, immer ganz zentral die Frauen- und auch die Mütterperspektive mitgedacht, und das müssen wir bei all unseren Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen auch weiterhin tun.

Wenn ich nur ein paar Beispiele nennen darf: die Sonderbetreuungszeit für Personen mit Betreuungspflichten, der Kinderbonus, der Kinderzuschuss, wobei ich auch dem Par­lament herzlich danken möchte, dass es ihn verabschiedet hat, sodass die Frauen, die


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Familien im September für jedes Kind 360 Euro überwiesen bekommen, der Coronafa­milienhärteausgleich, ein Fonds, der bis zu 1 200 Euro pro Monat für drei Monate, also insgesamt 3 600 Euro, für Familien zur Verfügung stellt, der Familienkrisenfonds für ein­kommensschwache Familien.

Wir haben darüber hinaus natürlich die Situation gesehen, dass viele Familien jetzt im Sommer keine Möglichkeit mehr haben, Kinderbetreuung zu leisten, weil viele Mütter und Väter ihren Urlaub schon während der Coronazeit verbraucht haben. Deshalb war es uns wichtig, dass wir eine kostenfreie Kinderbetreuung ermöglichen. Daher haben wir im Rahmen des Gemeindepakets auch bis zu 30 Millionen Euro für Gemeinden für die kostenlose Kinderbetreuung im Sommer zur Verfügung gestellt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Die Situation der Frauen und die Fra­ge, wie man Frauen im Zusammenhang mit der Mehrfachbelastung unterstützt, hätten mich jetzt interessiert, aber die Zusatzfrage behandelt ein ebenso wichtiges Thema, nämlich den Alltagssexismus, der uns ja in der Werbung, im Netz, aber auch in der Politik oder in Karikaturen begegnet.

Frau Ministerin, wir haben einen Antrag eingebracht, den wir im Herbst im Gleichbehand­lungsausschuss diskutieren wollen. Was werden Sie als Frauenministerin unternehmen, um gegen den strukturellen Sexismus in unserer Gesellschaft aufzutreten? Was können Sie als Ministerin tun?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Also zum einen: Sexismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Es ist wichtig, dass wir als Frauen darauf aufmerksam machen, wenn es zu sexistischen Über­griffen kommt, egal in welcher Form.

Zwei Punkte, die mir dabei besonders wichtig sind, betreffen zum einen natürlich den Rechtsschutz – wenn es zu Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts kommt, gibt es einen starken Rechtsschutz; die Gleichbehandlungsanwaltschaft in meinem Ressort be­handelt solche Fälle, mir ist es wichtig, sie zu stärken –, und zum anderen möchte ich sagen: Wir sehen vielfach auch sexistische Übergriffe online, als Form von Hass im Netz, als Form von Gewalt im Netz. Viele Frauen und insbesondere auch viele Mädchen sind davon betroffen – ein Thema, das ich heute im Anschluss an diese Fragestunde gemein­sam mit Verfassungsministerin Edtstadler und Justizministerin Zadić behandeln darf.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): Wir haben da ein umfassendes Maßnahmenpaket geschnürt, das insbesondere vielen Frauen und Mädchen Unterstützung zukommen lassen soll, denn – wir haben eine Umfrage gemacht – von 1 000 Frauen und Mädchen haben zwei Drittel schon einmal Gewalt erfahren, das reicht von Drohungen bis hin zu sexuellen Übergriffen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die zweite Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Smodics-Neumann. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herr Präsident! Schönen guten Morgen, Frau Bundesminister! Ich darf vielleicht noch einmal auf die Sonderbelastung aufgrund der Coronakrise zurückkommen, als Unternehmervertreterin im Speziellen, was die Unternehmerinnen betrifft.


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Sie haben jetzt natürlich einen umfassenden Überblick, wie denn die Auswirkungen sind, beziehungsweise werden Sie diesbezüglich auch noch Informationen bekommen. Wel­che Möglichkeiten haben wir in Bezug auf Unternehmerinnen, die besonders belastet waren und möglicherweise auch noch weiterhin belastet sind, zum einen mit Blick auf veränderte Arbeitswelten, aber auch in Bezug auf ihre Mitarbeiterinnen – mit kleinem I geschrieben? Was können Sie sich da vorstellen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Vielen Dank für die Frage, ich finde, sie zeigt Folgendes: Es gibt ja nicht die Gesellschaft und daneben die Frauen. Wenn wir als Regierung Entlastungen und Unterstützungen für die Österreicherinnen und Österreicher vornehmen, dann soll und muss das natürlich vielfach auch den Frauen in Österreich zugutekommen und dement­sprechend beispielsweise auch den Unternehmerinnen.

Es gibt eine Palette von Hilfsmaßnahmen, die besonders auch den Einpersonenunter­nehmen – der Frauenanteil liegt da laut Wirtschaftskammer bei 52 Prozent – zugute­kommt: den Härtefallfonds, der mit 2 Milliarden Euro dotiert ist, für die Lebenshaltungs­kosten von Klein- und Kleinstunternehmern, genauso wie den Coronahilfsfonds oder den Fixkostenzuschuss und natürlich all die Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur wie die Investitionsprämie oder auch die Möglichkeit, dass SVA-Beiträge gestundet wer­den.

Es zeigt sich, wie stark Frauen auch im Wirtschaftsbereich vertreten sind: Rund 41 Pro­zent der AntragstellerInnen des ausgerufenen Härtefallfonds sind Frauen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): Also von diesen Maßnahmen profitieren auch viele Unterneh­merinnen und Unternehmer und natürlich deren MitarbeiterInnen, beispielsweise von der Kurzarbeit.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Hamann. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Ja, liebe Frau Bundesministerin! Von den erwerbstätigen Frauen und auch den Auswirkungen von Corona auf diese große Gruppe war bereits die Rede. Es gibt aber auch viele ältere Frauen, die schon vor Corona ar­mutsgefährdet waren – ich denke da speziell an Pensionistinnen –, und die sind immer noch armutsgefährdet.

Was gedenken Sie als Frauenministerin speziell für diese besonders verwundbare Grup­pe zu tun?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, Altersarmut bei Frauen in Österreich ist ein großes Thema. Frauen bekommen netto im Durchschnitt 43 Prozent weniger Pension als Männer, und dement­sprechend ist das natürlich auch ein Treiber für die Altersarmut.

Zwei konkrete Gedanken dazu: Zum einen gibt es ein umfassendes Projekt in meinem Ressort, das sogenannte Projekt Trapez, in dem es um die Schaffung von Bewusstsein betreffend die eigene Pension geht, auch in Bezug auf die pensionsnahen Jahrgänge; es geht um das Thema pflegende Angehörige, aber natürlich auch um Arbeitgeberinnen, die an der Schnittstelle zur Pension stehen.


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Es geht nicht nur um Maßnahmen, die die Pension und sozusagen die monetäre Si­tuation betreffen, sondern es geht natürlich auch stark um die eigene Gesundheit, be­sonders in diesem Lebensalter; daher werden wir gemeinsam mit dem Gesundheits­minister im Aktionsplan Frauengesundheit auch spezifische Maßnahmen für ältere Frau­en und für die Stärkung ihrer Gesundheit vorsehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): Im Rahmen der Projektförderung war es mir wichtig, diese Menschen, ältere Frauen, besonders zu adressieren. Zur Bekämpfung von Frauenarmut fördern wir für diese Zielgruppe in diesem Jahr 13 Projekte.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 3. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.

10.15.59


Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Frau Minister! Die Doppelbelastung durch Be­ruf und Familie ist eine der Hauptquellen von Burn-out, und Frauen verfolgen in Stress­situationen noch verstärkter die Strategie tend and befriend, das heißt, sich kümmern und behilflich sein. Derzeit sind sehr viele Frauen mit einer großen Überbelastung kon­frontiert. Die Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Burn-out sind demnach höchst notwendig – und damit komme ich zu meiner Frage:

20/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie – in der aktuellen Situation – zur Unterstützung von Frauen mit Corona bedingtem Burn-out, insbesondere in Hinblick auf mögliche Auswir­kungen auf das Familien- und Erwerbsleben?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Die Coronakrise war und ist für viele Familien, insbesondere für viele Frauen, eine enorme Mehrfachbelastung. Ich bin selbst Psychologin und weiß, wie wich­tig es ist, dass man auch auf das seelische Wohlbefinden, auf die seelische Gesundheit achtgibt. Bereits im April habe ich daher ein Gesamtpaket für die Alltagsbewältigung, zur Unterstützung bei außergewöhnlichen Belastungen und der seelischen Gesundheit in der Krise geschaffen. Gemeinsam mit den Krankenkassen haben wir auch einen erleich­terten Zugang zu Psychotherapie, zu psychologischer, fachlicher Unterstützung ge­schaffen.

Natürlich geht es auch darum, dass die Belastung für viele Frauen auch eine monetäre ist, deshalb ist es uns wichtig, mit dem Kinderzuschuss Entlastung zu schaffen, deshalb ist es uns wichtig, mit der Ferienbetreuung Entlastung zu schaffen, auch mit der Senkung des Einkommensteuersatzes von 25 auf 20 Prozent. All das sind Entlastungsmaßnah­men, von denen wir uns erhoffen, dass Frauen, die in einer schwierigen Situation waren, vor allem Alleinerzieherinnen, Unterstützung erfahren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Besonders gefordert sind auch jene Frauen, die die häusliche Pflege von Familienangehörigen übernehmen. Welche unterstützen­den Angebote gibt es Ihrerseits für diese Frauen, die dem Staat und damit uns durch die Übernahme der Betreuung und Pflege sehr viel Geld ersparen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Richtig, ich kenne das auch aus meinem eigenen Verwandtenkreis, dass


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vielfach Frauen die Pflege von Eltern und Großeltern übernehmen. Wir haben uns im gemeinsamen Regierungsprogramm darauf verständigt, dass das auch ein Schwerpunkt sein muss, dass wir unterstützende Maßnahmen für jene Frauen, die in der Pflege so viel leisten, treffen, damit sie unterstützt und entlastet werden. Ich glaube, es braucht noch viel mehr, nämlich einen gesamtgesellschaftlichen, einen gesamthaften Zugang der Bundesregierung – der Arbeitsministerin, des Gesundheitsministers –; das ist einer unserer Schwerpunkte im Regierungsprogramm.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.


Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Guten Morgen, Frau Ministerin! Corona hat ja auch ein bisschen wie ein Brennglas, wie eine Lupe gewirkt und hat latente Probleme, die wir haben, größer gemacht und deutlicher gezeigt, so auch im Zusammenhang mit der Frage der Vereinbarkeit.

Es ist ja nach wie vor so: Wenn in Oberösterreich quasi überfallsartig Bildungseinrich­tungen beziehungsweise Kinderbetreuungseinrichtungen schließen und Eltern von ei­nem Tag auf den anderen managen müssen, zu einer Kinderbetreuung zu kommen, zeigt das, wie schwierig die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern, speziell für Frauen, ist.

Um evidenzbasierte und sinnvolle Politik zur besseren Vereinbarkeit machen zu können, braucht es Daten, braucht es Grundlagen. Österreich nimmt meines Wissens nicht an der EU-weiten Zeitverwendungsstudie teil, aber um zu wissen, was man tut, wäre es ja wichtig, zu wissen, wer wann warum was bezahlt oder unbezahlt macht.

Wie werden Sie da zu Daten für Österreich kommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Also die aktuelle EU-weite Zeitverwendungsstudie ist momentan aufgrund der Coronakrise nicht nur in Österreich, sondern EU-weit ausgesetzt. Ich bin absolut dafür, dass Österreich sich daran beteiligt, damit wir da zu Zahlen und Daten kommen. Wir werden die Eurostat und auch die Europäische Kommission, die da den Lead haben, natürlich unterstützen und den Werdegang der Zeitverwendungsstudie in Österreich ge­nauer betrachten.

Eines möchte ich noch sagen: Ja, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch aus meiner Sicht die Grundlage dafür, dass jede Frau selbstbestimmt das Lebensmodell wählen kann, das sie leben möchte. Das ist mein Zugang, und daher werde ich gemein­sam mit der Familienministerin auch weiterhin daran arbeiten, dass Kinderbetreuungs­möglichkeiten, aber auch neue, in der Krise entstandene Chancen wie beispielsweise das Homeoffice besser genützt werden können, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 4. Anfrage stellt Frau Abgeordnete El-Na­gashi. – Bitte.

10.20.34


Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Die Do­kustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus hat vor Kurzem die Fall­zahlen für das Jahr 2019 präsentiert. Seit der Gründung der Dokustelle gibt es einen stetigen Anstieg an Fällen von antimuslimischem Rassismus gegen Menschen und Ein­richtungen, die in der letzten Zeit nicht nur an Quantität, sondern auch an Intensität zugenommen haben. Die Ergebnisse zeigen, dass muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, überproportional stark davon betroffen sind. Ein intersektionaler Zugang könnte einen besseren Schutz und eine bessere Prävention vor Diskriminierung und Hassver­brechen bieten.

Meine Frage an Sie ist:


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29/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie als Integrationsministerin und Frauenministerin um muslimische Mädchen und Frauen als MultiplikatorInnen zu stärken und zu unterstützen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Es geht mir als Frauenministerin einmal ganz stark und ganz zentral um die Stärkung von Mädchen in Österreich, aber als Integrationsministerin natürlich auch um die Stärkung von Mädchen mit Migrationshintergrund. Ja, wir sehen vielfach, dass es patriarchale Rollenbilder in Familien gibt, weshalb wir die Mädchen unterstützen müs­sen, damit sie diese Rollenbilder durchbrechen. Wir wollen auch nicht, dass es durch die Migration nach Österreich zu traditionalisierten Rollenbildern kommt.

Das heißt, einer meiner Schwerpunkte ist die Stärkung von Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund hier in Österreich. Dementsprechend habe ich auch einen Förder­schwerpunkt ausgerufen, bei dem wir gemeinsam mit vielen zivilgesellschaftlichen Ein­richtungen diese Stärkung unterstützen.

Ja, jeder Fall von Rassismus ist ein Fall zu viel. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, auch was den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus betrifft.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Um noch einmal zurück zum Punkt der Islamophobie und des antimuslimischen Rassismus zu kommen: Es gibt einen hohen Grad an Islamophobie und der öffentliche Diskurs ist immer fremdenfeindlicher gewor­den. Zu diesem Schluss kommt auch der Antidiskriminierungsausschuss des Europara­tes in seinem sechsten Bericht zu Österreich.

Daher meine Nachfrage: Welche Maßnahmen setzen Sie, um rassistische und antimusli­mische Übergriffe, die besonders Frauen zu einem überproportional hohen Anteil treffen, zu verhindern?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Mir ist wichtig, in der Integrationsarbeit folgenden Zugang zu etablieren: dass man Herausforderungen natürlich klar beim Namen nennt, aber auch zeigt, wo Integration gut gelingt. In vielen Fällen funktioniert in Österreich und in ganz vielen Her­kunftscommunitys Integration gut. Wir haben so viele Menschen mit Migrationshinter­grund, die unser Leben in Österreich bereichern, die ganz viel zu unserem Land beitra­gen. Mir ist es wichtig, das auch darzustellen sowie zu zeigen, wo Integration gelingt, denn ich glaube, dass das eine gute strategische Präventionsmaßnahme ist – auch ge­gen Diskriminierung.

Zum anderen: Ja, wir haben einen guten Rechtsschutz in Österreich. Mir ist es wichtig, dass Diskriminierung nicht als Kavaliersdelikt gesehen wird, sondern dass wir den Rechtsschutz auch stärken. Wir haben ganz viele Antidiskriminierungsstellen in Öster­reich. Das Problem ist nicht, dass wir zu wenig Möglichkeiten haben, sich dagegen zu wehren; das Problem ist vielfach, dass der Zugang nicht ganz klar ist, weil es eben so viele Stellen gibt. Wir haben im Bundeskanzleramt eine zentrale Koordinationsstelle, eine Hotline, bei der man anrufen kann, damit man, wenn man Opfer von Diskriminierung geworden ist, auch schnell zur richtigen Stelle und zum richtigen Rechtsmittel gelangt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.


Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesminister! In Österreich leben Schätzungen zufolge etwa 8 000 Frauen – die Dunkelziffer soll wesent­lich höher sein –, die von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen sind, und auch für


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Mädchen, die in Österreich leben, besteht die Gefahr, dass sie beschnitten werden. Eine Aufklärung dazu ist natürlich eine ganz wichtige Aufgabe.

Welche Maßnahmen setzen Sie, um Beschneidung zu verhindern, um Frauen und Mäd­chen zu stärken, damit sie ein selbstbestimmtes, autonomes Leben führen können?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, richtig, kulturell bedingte Gewalt an Frauen: Sie sprechen weibliche Genitalverstümmelung an. Dazu kommen natürlich noch Kinderehe und die Zwangs­verheiratung, also all diese perfiden Formen von Gewalt, von kulturell bedingter Gewalt, die nach Österreich getragen wird. Dagegen müssen wir uns aussprechen und dagegen müssen wir mit aller Kraft ankämpfen.

Ich habe im Rahmen meines Integrationsbudgets 2 Millionen Euro als Schwerpunkt ge­gen kulturell bedingte Gewalt an Frauen und Mädchen zur Verfügung gestellt. Beispiels­weise unterstützen wir das Frauengesundheitszentrum FEM Süd, dass in ganz Öster­reich Beratungen etabliert, damit Frauen, die von weiblicher Genitalverstümmelung be­troffen sind, die Opfer von Körperverletzung geworden sind, die Möglichkeit von Bera­tung, Unterstützung und, wenn sie möchten, auch Rückoperationen haben.

Das ist mir aus Integrationssicht, aber auch aus Frauensicht ein ganz wichtiges Anliegen. Ich möchte nicht, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Gleichstellung von Mann und Frau durch traditionell und patriarchal geprägte Gewalt an Frauen in Ös­terreich Rückschritte erfahren muss. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 5. Anfrage stellt Abgeordneter Shetty. – Bitte.

10.26.11


Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Schönen Vormittag, Frau Bundesministerin! Wissen Sie, ich finde es ja ein bisschen schade – ich weiß nicht, ob Ihnen das aufgefallen ist –, dass wir über Integrationspolitik immer nur in einem negativen Kontext sprechen, auch in den vergangenen Monaten. Ich finde das schade, weil Integrationspolitik mehr ist als nur eine Extremismusdebatte, wie wir sie derzeit führen. Wo aber natürlich ein Punkt getroffen ist, ist, dass Integration und Extremismus sich treffen, wenn extremisti­sche Gruppierungen einen negativen Einfluss auf eine gelingende Integration haben.

Es ist schon lange bekannt, dass die Türkei über diverse Vereine versucht, eine funk­tionierende Integration vor allem der aus der Türkei stammenden Bevölkerung in Öster­reich zu zerschießen. Daher meine Frage, vielleicht mit der Betonung auf konkret: Wel­che konkreten Maßnahmen planen Sie, um in Zukunft politisch motivierte, demokratiege­fährdende und nationalistische Einflussnahme über Vereinsnetzwerke wie zum Beispiel die ATF – auch bekannt als Graue Wölfe –, die IF und Atib – da fehlt im Text ein I – in Österreich zu unterbinden?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 35/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um in Zukunft politisch motivierte, demokra­tiegefährdende und nationalistische Einflussnahme über Vereinsnetzwerke (wie z. B. die ATF, die IF und ATB) in Österreich zu unterbinden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Vielen Dank für die Frage. Ja, wenn sich Gewalteskalationen von Men­schen mit Migrationshintergrund, von Migrantengruppen in Österreich, getrieben durch


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Vereine aus dem Ausland, die in Österreich wirksam sind, mitten in Favoriten ereignen, müssen wir darüber sprechen und müssen wir uns gesamtgesellschaftlich überlegen, was wir dagegen tun. Daher ist auch der Kampf gegen diese Gewalteskalationen aktuell mein Schwerpunkt und der des Innenministers.

Zum Ersten: Ja, es braucht wie gesagt einen außenpolitischen Zugang. Es geht um Ein­flussnahme der Türkei auf Vereine in Österreich. Daher hat der Herr Außenminister diese Gewalteskalationen auch mit der Türkei und auch mit dem türkischen Botschafter besprochen und diese ganz klar verurteilt. Das wünschen wir uns natürlich auch stärker von der Türkei, da wünschen wir uns natürlich auch eine klare Absage an durch türkische Vereine getriebene Gewalteskalationen.

Zum Zweiten: Wir werden wie bereits gesagt die Dokumentationsstelle für politischen Islam ins Leben rufen, die diese Netzwerke auch durchleuchten soll und die auch prä­ventiv Strategien erarbeiten soll, wie man gegen Parallelgesellschaften wirkt.

Mir ist nämlich noch wichtig – das ist der dritte Punkt –: Wenn man nicht erkennt, dass wir hier in Wien parallelgesellschaftliche Strukturen haben, wenn man nicht sieht, dass das, was wir gesehen haben – Hunderte Menschen, die mit türkischen Fahnen und türki­schen Parolen auf die Straßen gehen –, ein Integrationsproblem ist, dann hat man nicht verstanden, was Integration bedeutet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Dementsprechend ist es mir wichtig, dass wir frühzeitig gegen solche parallelgesell­schaftlichen Strukturen in Österreich ankämpfen und frühzeitig genau dort hinzeigen, wo diese parallelgesellschaftlichen Strukturen entstehen. Daher werde ich auch ein Früh­warnsystem für diese parallelgesellschaftlichen Strukturen für die Zukunft Österreichs einrichten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Ich habe noch eine Zusatzfrage, die sich ei­gentlich auch auf die Beantwortung der Hauptfrage bezieht. Vielleicht noch ganz kurz vorweg: Ich verstehe nicht, warum man das immer als Integrationsproblem benennen muss, denn es ist, glaube ich, vorwiegend ein Sicherheitsproblem, das vielleicht auch negative Auswirkungen auf die Integration hat; aber das sagt ja auch ein bisschen etwas darüber aus, wie man das Ganze framen möchte.

Ich habe befürchtet – das haben Sie jetzt nur in Ausschnitten gemacht –, dass Sie auf diesen Fünfpunkteplan eingehen, den Sie präsentiert haben, bei dem ich nicht ganz verstanden habe, dass ihn die Medien so schlucken, weil der Fünfpunkteplan eigentlich nur aus einem Punkt besteht, der wieder aufgewärmt wurde, nämlich dieser Dokumenta­tionsstelle für den politischen Islam.

Deswegen lautet meine Zusatzfrage, die die Hauptfrage vielleicht noch einmal konkre­tisiert: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die Einflussnahme über diese Vereinsnetzwerke zu unterbinden, wenn das Anliegen wirklich das ist, die Integration zu fördern und diese problematischen Vereine besser unter die Lupe zu nehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Das ist genau das Problem, Herr Abgeordneter Shetty. Es ist nämlich kein Sicherheitsproblem – das Sicherheitsproblem ist die Spitze des Eisbergs! Wenn es zu Gewalteskalationen kommt, dann ist es ein Sicherheitsproblem, aber in der Prävention, im Nährboden dieser Gewalt ist es ein Integrationsproblem. Wie gesagt, wenn Hunderte Menschen, Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund gewaltbereit durch Favori­ten ziehen, dann muss man erkennen, dass es ein Integrationsproblem ist, und dann


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funktioniert der Zugang zu Integration, nämlich dass wir jahrelang geglaubt haben, es reicht, wenn man tolerant genug ist, und sich das dann schon irgendwie geben wird, nicht. Das sehen wir an diesen Gewalteskalationen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Zum einen werden wir die Dokumentationsstelle ins Leben rufen, und wir werden uns selbstverständlich auch diese Vereine genau ansehen. Unser erster Zugang wäre ge­wesen, Vertreter dieser Vereine zu uns zu holen, mit ihnen zu sprechen, auch über die Gewalteskalation und die Frage, wie man so etwas verhindern kann. Die Fronten sind aber so verhärtet, dass das nicht möglich ist, daher werden wir jetzt einzeln mit ihnen sprechen. Und Sie wissen, Herr Abgeordneter, Vereinsrecht ist in Österreich ein hohes Gut, ein verfassungsrechtlich hohes Gut. Eingriffe in dieses Vereinsrecht kann man nicht leichtfertig machen, aber wir werden sicherheitspolitisch und auch rechtlich alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 6. Anfrage stellt Abgeordnete Pfurtscheller. – Bitte.

10.31.45


Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Guten Morgen, Frau Mi­nisterin! Am 30.7. begehen wir den Equal Pension Day. Dieses Datum markiert jenen Tag, an welchem Männer bereits so viel Pension bekommen haben, wie Frauen erst bis Jahresende erhalten haben werden. Wir sehen also, Frauen haben wesentlich weniger Pension zur Verfügung als Männer. Wir wissen, es gibt ganz viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen, um diese Situation für die Zukunft zu verbessern. Jetzt haben wir im Regierungsprogramm auch das automatische Pensionssplitting vorgesehen, und meine Frage lautet, da es ja nicht nur Ihr Ressort betrifft:

32/M

„Wie setzen Sie sich für das Thema Pensions-Splitting ein?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Danke, Frau Abgeordnete! Wie Sie sagen: Frauen bekommen im Durch­schnitt 1 000 Euro Pension, Männer 1 700 Euro; das ergibt sich aufgrund der Kinderbe­treuungszeiten und aufgrund der Tatsache, dass Frauen eben dementsprechend weni­ger Pensionsjahre ansammeln können. Ich finde, das ist einfach unfair. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wenn man gemeinsam ein Kind in die Welt setzt und ein Partner vermehrt in der Kinderbetreuung tätig ist, während der andere Partner im Erwerbsleben steht, dann ist es einfach unfair, dass, wenn man gemeinsam ein Kind hat, der eine Partner Pensionsjahre sammelt und der andere nicht.

Das ist nicht meine Vorstellung von Gleichberechtigung innerhalb einer Familie. Deshalb werde ich mich intensiv für das automatische Pensionssplitting einsetzen, damit insbe­sondere Frauen, die weniger Pension erhalten, weil sie in der Kinderbetreuung einge­setzt sind, weil sie vielfach Teilzeit arbeiten, dann vom Partner Pensionsjahre bekom­men, damit der Kampf gegen Altersarmut auch Fahrt aufnimmt. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Dieses Pensionssplitting, das wir jetzt besprochen haben, nützt ja jenen Frauen, die sich derzeit noch im Erwerbs­leben befinden. Der Pensionsgap wirkt sich aber auf jene Frauen aus, die schon in Pension sind; daher ist meine Frage: Was tun Sie aktuell für jene Frauen, die schon in Pension sind und nicht so viel Geld bekommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 27

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, es ist für mich als Ministerin auch wichtig, dass man lebensphasen­orientierte Ansätze verfolgt, dass man Frauen in ihren unterschiedlichen Lebensphasen sieht und ihre dementsprechenden Probleme anerkennt. Ich habe die Projektförderung in meinem Ressort auch dementsprechend strukturiert, damit wir für ältere Frauen, die oft keinen solchen Zugang zu Beratungsangeboten haben wie jüngere Frauen, spezielle Projekte, spezielle Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung stellen.

Das Projekt Trapez für die pensionsnahen Jahrgänge habe ich vorhin angesprochen (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), dass man darüber informiert, welche Möglich­keiten es in der Pension auch noch gibt, und der Aktionsplan Frauengesundheit, den ich auch vorhin angesprochen habe, ist für mich persönlich auch ein Riesenthema. Ich glaube, Gendermedizin, Frauengesundheit, sozusagen die Gesundheit, wie wir als Frau­en und die Körper der Frauen da speziell reagieren, das ist ein Thema, das wir uns ansehen müssen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Brand­stötter. – Bitte.


Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie und die ÖVP sprechen ja gerne von Wahlfreiheit, wenn es um die Berufstätigkeit der Frau geht, aber leider werden dabei die langen Folgen von Abwesenheiten aus dem Job unter den Teppich gekehrt. Das heißt, früherer Pensionsantritt, jahrelange Teilzeitarbeit führen eben auch dazu, dass Frauen 42 Prozent weniger Pension erhalten als Männer.

Wie wollen Sie Frauen über die Möglichkeit des Pensionssplittings hinaus auch darauf aufmerksam machen, dass ihre persönliche Freiheit in ihrer eigenen Geldbörse beginnt und dass sie diese Freiheit nicht aufgeben sollten? Haben Sie Pläne für nachhaltige Kampagnen oder weitergehende Konzepte?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, also aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir Frauen aktuell darüber informieren, welche Auswirkungen beispielsweise eine Teil­zeittätigkeit auf deren Pension hat. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir haben eine Plattform, die von meinem Ressort betrieben wird, und da ist es natürlich wichtig, dass wir besonders jene Frauen adressieren, die gerade jetzt ein Kind bekommen ha­ben, die gerade mit der Kinderbetreuung befasst sind.

Das ist aber der jetzige Ansatz. Aus meiner Sicht sollte das alles nicht mehr notwendig sein, wenn wir ein automatisches Pensionssplitting einführen, wenn wir genau das ein­führen, sodass diese Situation, die Sie jetzt beschrieben haben – dass Frauen 42 Pro­zent weniger Pension bekommen –, nicht mehr entsteht. (Zwischenruf der Abg. Hei­nisch-Hosek.) Daher ist unser Ansatz, das Problem selbst zu bekämpfen und nicht da­rüber zu informieren, was das Problem ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Abgeordneter Kucher. – Bitte.


Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Bundesministerin, mir war die Anfragebe­antwortung in Richtung Kollegin Pfurtscheller ein bisschen zu abstrakt. Sie hat gefragt, was Sie konkret machen werden, um die Armut von Frauen in der Pension, um Altersar­mut zu bekämpfen, und Sie sagen, Sie werden informieren. Das ist ja nicht wirklich viel.

Deswegen möchte ich konkreter werden: Was sind drei ganz konkrete Maßnahmen von Ihnen, die Sie setzen werden, um die Einkommenssituation von Frauen zu verbessern und damit auch höhere Frauenpensionen zu ermöglichen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 28

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrter Abgeordneter, als Frauenministerin ist es einmal meine primäre Aufgabe, auch den Querschnittscharakter der Frauenagenden in allen Lebens­bereichen abzudecken, daher ist es zum einen natürlich auch meine Aufgabe, mit dem Sozialminister, mit der Arbeitsministerin, mit der Justizministerin über Frauenthemen in ihren Bereichen zu sprechen, konkret auch was die Pension betrifft.

Zum Zweiten: Erstens ist es mir wichtig, dass wir die Mädchen frühzeitig in besser be­zahlte Branchen bekommen. Wir werden daher auch in die Förderung von Mädchen in technischen Berufen investieren. Das sollte auch helfen, damit Mädchen besser ent­lohnte Berufe bekommen, beispielsweise auch durch die Förderung von sogenannten Mint-Ecken schon in Kindergärten. Zweitens, wie gesagt, wenn man das Einkommen von Frauen über die Lebensdauer sieht, dann ist es mir wichtig, dass wir das Pensions­splitting einführen; das ist ja auch ein Teil davon, wie sich der gesamte Genderpaygap zusammensetzt. (Abg. Kucher: Und das Dritte?)

Zum Dritten: Österreich hat ein umfassendes Netzwerk an Frauen- und Mädchenbera­tungsstellen – wir haben eine über 80-prozentige Abdeckung pro Bezirk ‑, in denen Frau­en, Mädchen und natürlich auch ältere Frauen Unterstützung und Beratung bekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit!


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): Da ist meine Aufgabe, auch in meinem Ressort, auch mit meinen Fördermitteln, dass diese Projektunterstützung für alle Zielgruppen, sei es für Frauen in älteren Lebensjahren, für Frauen mit Behinderung, für Mädchen, für Frauen mit sexualisierten Problemen, für all diese Themen auch zur Verfügung stehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 7. Anfrage stellt Abgeordnete Schatz. – Bitte.

10.38.57


Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wir wis­sen, die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine großartige und wichtige Einrichtung, um gegen Diskriminierung im Alltag, ganz egal ob im Arbeitsleben oder im alltäglichen Le­ben, vorzugehen, und daher lautet meine Frage:

38/M

„Welche Schritte werden Sie setzen, damit die im Regierungsprogramm vorgesehene Maßnahme ‚Gleichbehandlungsanwaltschaft stärken und niederschwellige Angebote für Anti-Diskriminierung schaffen‘ umgesetzt, und das dazu dringend erforderliche Personal zügig aufgestockt wird?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ich gebe Ihnen recht, die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist eine ganz zentrale Einrichtung. Sie hat als eine der wenigen nationalen Einrichtungen auch euro­paweit Zweigniederlassungen und außerdem Regionalbüros in Innsbruck, Graz, Klagen­furt und Linz. Das ist grundsätzlich schon einmal eine gute Struktur. Ich kann Ihnen nur sagen, Frau Abgeordnete, ich werde alles dafür tun, damit diese Struktur gestärkt wird. (Zwischenruf der Abgeordneten Heinisch-Hosek.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Ich möchte noch eine konkrete Frage mit einem konkreten Beispiel verbinden.

Es geht um zwei lesbische Mütter, denen mit ihren Kindern an einem Badesee in der Steiermark eine ermäßigte Familienkarte verweigert wird. Jetzt weigert sich die ÖVP seit


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zehn Jahren, etwas beim Levelling-up voranzutreiben. Wie werden Sie in Ihrer Funktion als Gleichbehandlungsministerin dafür sorgen, dass diese Formen von Diskriminierung zukünftig nicht mehr stattfinden können?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, gern kann ich mir diesen Fall auch an­sehen, gerne können wir persönlich dann auch darüber sprechen, er ist mir jetzt nicht bekannt. (Abg. Greiner: Klare Positionierung ...!) Klar ist für mich aber natürlich, dass ich jede Form von Diskriminierung, auch aufgrund der sexuellen Orientierung, ablehne. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Kira Grünberg. – Bitte.


Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Geschätzte Frau Ministerin! Frauen erleben Be­nachteiligungen aufgrund ihres Geschlechts, und Menschen mit Behinderungen erleben Diskriminierung und Ausgrenzung durch eine Gesellschaft und eine Umwelt voller Bar­rieren. Deshalb ist das Leben von Frauen mit Behinderung oft von Mehrfachdiskrimi­nierung geprägt.

Wie setzen Sie sich in diesem Zusammenhang für Frauen mit Behinderungen in Öster­reich ein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Vielen Dank für die Frage, Frau Abgeordnete! Mir ist wichtig – und das haben auch meine VorgängerInnen, auch im Frauenressort, schon vorangetrieben –, dass einmal alle Beratungseinrichtungen, die wir von staatlicher Seite unterstützen, auch barrierefrei zur Verfügung stehen und dass sie diskriminierungsfrei zur Verfügung ste­hen. Deshalb unterstütze und fördere ich auch aktiv die Übersiedelung von Frauenorga­nisationen in barrierefreie Räumlichkeiten, die Erstellung von barrierefreien Websites, es gibt auch kostenlose Beratungspakete für Barrierefreiheit sowie Weiterbildungen zum Thema Barrierefreiheit, aber auch zum Thema Diskriminierung von Menschen mit Behin­derung in Österreich.

Ich habe all diesen Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen nunmehr eine Förder­erhöhung von 12 Prozent gegeben, und ein Großteil dieser Erhöhung wird besonders für jene Einrichtungen, die Menschen mit Behinderung adressieren, und deren Barriere­freiheit und Zugang verwendet, damit Menschen mit Behinderung diese Organisationen leichter erreichen können und dort Unterstützung bekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 8. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.

10.42.25


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Minister! Frau Minister, Sie haben jetzt schon mehrere Fragen auch im Zusammenhang mit der Integration beziehungsweise mit dem Scheitern der Integration, auch im Zusam­menhang mit den Ausschreitungen in Wien Favoriten beantwortet. Ich habe mir da auf­geschrieben, was Sie Kollegen Gödl geantwortet haben, Sie haben nämlich gesagt: „Ös­terreich darf nicht Austragungsort von ausländischen Konflikten [...] werden.“ – Frau Mi­nister, es ist bereits Austragungsort von ausländischen Konflikten, das heißt, diese Ant­wort war bereits überholt, als Sie sie gegeben haben.

Des Weiteren haben Sie auf Fragen schon mehrmals die Antwort gegeben: Ja, die Fron­ten sind so verhärtet, dass man nicht einmal alle an einen Tisch bekommt. – Das heißt ja nichts anderes, als dass es da eine ganz massive Ablehnung einer Gemeinsamkeit gibt, auch eine Ablehnung, sich integrieren zu wollen.

In diesem Zusammenhang möchte ich meine Frage stellen, Frau Bundesministerin:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 30

21/M

„Wie wollen Sie mit jenen Personen, die türkische Konflikte in Österreich ausleben, ver­fahren, zumal diese Personen offenkundig nicht integrationswillig sind?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Frau Abgeordnete, dazu braucht es natürlich einen Zugang auf verschie­denen Ebenen, das Problem ist ja nicht leicht zu lösen. Wir haben unterschiedliche und besondere Herausforderungen.

Zum Ersten: Es handelt sich vielfach um Jugendliche, die in der zweiten oder dritten Generation hier sind, die also schon österreichische Staatsbürger sind. Das heißt, man muss mit diesen Menschen auch arbeiten, mit diesen Jugendlichen arbeiten, man muss ihnen in Kursen gemeinsam mit der Polizei auch unseren Rechtsstaat, unsere Demokra­tie näherbringen.

Zum Zweiten: Wir müssen uns natürlich die Vereine ansehen, die hier am Werk sind, die die Jugendlichen auch immer wieder beeinflussen, die den politischen Einfluss aus dem Ausland nach Österreich tragen. Ja, wir sind als liberale Demokratie im Herzen Europas natürlich ein Land, das Grund- und Freiheitsrechte, die Meinungsfreiheit, die Vereinsfrei­heit, auch die Religionsfreiheit hochhält, aber aus meiner Sicht haben diese Freiheiten natürlich auch Grenzen, nämlich dort, wo die Rechte von Einzelnen oder von Gruppie­rungen und das friedvolle Zusammenleben gefährdet sind.

Ja, ich gebe Ihnen recht, wir haben gesehen, dass sich die Konflikte aus dem Ausland, aus der Türkei hier in Österreich bereits manifestiert haben. Wir wollen nur verhindern – das ist der gemeinsame Zugang vonseiten des Innenministers und von mir –, dass so etwas wieder passiert, daher: verstärkte sicherheitspolitische Maßnahmen, verstärkte Polizeipräsenz, die Ausforschung der Hintermänner und natürlich auch die Ausfor­schung der Vereine, die hier am Wirken sind, durch die Dokumentationsstelle.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Bundesminister, das klingt alles gut, das klingt alles sehr schön und sehr nett, dazu aber eine weitere Nachfrage: Haben Sie sich diese Maßnahmen jetzt direkt im Anschluss an die Vorfälle in Favoriten überlegt, und wenn das so ist: Was ist in den letzten Jahren in der Integration passiert?

Wir haben seit 2012 Integrationsstaatssekretäre beziehungsweise Integrationsminister gehabt (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), Sie selbst waren Sektionschefin in diesem Bereich. Also was ist da bis zu diesen Ausschreitungen in Favoriten konkret passiert? Wenn Sie nämlich sagen, wir werden uns diese Vereine anschauen, impliziert das für mich, dass da bisher gar nichts passiert ist. (Abg. Greiner: Sehen wir auch so!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Frau Abgeordnete, es ist so: Wir sehen da, insbesondere bei den Aus­schreitungen in Favoriten, natürlich die Versäumnisse von jahrzehntelanger verfehlter Integrationspolitik (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Heinisch-Hosek: Genau! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), nämlich seit der Gastar­beiterzuwanderung in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als immer wieder der Zugang etabliert wurde - - (Abg. Loacker: 34 Jahre regiert Ihre Partei! – Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich würde Sie bitten, die Frau Minister antworten zu lassen! Es kann ja jeder noch eine Frage stellen, die diesen Umstand erhellen würde. Das ist auch für unsere Fernsehzuschauer nicht wirklich gut.

Frau Minister, Sie sind am Wort. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 31

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): In den Sechziger- und Siebzigerjahren, als Menschen aus der Türkei, die jetzt in zweiter, dritter Generation hier leben, nach Österreich gekommen sind, gab es immer den Zugang: Wir müssen nur alle tolerant genug sein, dann wird sich das mit der Integration schon ergeben! – All das wurde jahrzehntelang propagiert, und ja, in den letzten Jahren haben wir genau diesen Zugang verändert. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es gibt mittlerweile eine Integrationspflicht, das bedeutet, jeder, der nach Österreich einwandert, muss einen Deutschkurs machen, muss einen Wertekurs machen, muss genauso Integrationsberatungen machen, bei sonstiger Kürzung von Sozialleistungen. Das heißt, natürlich ist unser neuer Zugang, den wir insbesondere nach der Flüchtlings­welle 2015/2016 etabliert haben, völlig anders als der Zugang, der über Jahrzehnte so­zusagen die romantische Vorstellung von Multikulturalität entwickelt hat. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Nur, Frau Abgeordnete, sehe ich diesen Zugang leider nicht bei allen verändert. Wenn wir die Gewalteskalationen in Favoriten sehen, und die Stadt Wien sagt, es ist kein Inte­grationsproblem (Abg. Heinisch-Hosek: Das ist ja genau das Problem!), dann merkt man genau, dass man nicht erkannt hat, was Integration bedeutet, nämlich fördern ja, aber auch einfordern. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Dieser Zugang des Förderns und Forderns bei sonstiger Kürzung von Sozialleistungen, den wir auch 2017 im Integrationsgesetz etabliert haben, muss natürlich, und das ist mein letztes Wort dazu, mit einem restriktiven Migrationskurs einhergehen, den wir auch im Regierungsprogramm verankert haben, denn Integration hängt natürlich unmittelbar damit zusammen, wie viele Menschen nach Österreich zuwandern. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit!


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab (fortsetzend): Daher ist mein Zugang: fördern und fordern, ein restriktiver Migrationskurs. (Abg. Heinisch-Hosek – in Richtung Präsident Sobotka –: Sie sind nicht neutral!) Jetzt aktuell muss man natürlich gegen diese Probleme ankämpfen, verfas­sungsrechtlich, aber auch sicherheitspolitisch. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Die Zusatzfrage stellt Herr Abge­ordneter Seemayer. – Bitte.


Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Der weitaus größere Teil der in Österreich lebenden Migrantinnen und Migranten gehört ja nicht zu jener Gruppe, die Frau Abgeordnete Belakowitsch gerade angesprochen hat (Rufe bei der SPÖ: Genau!), deswegen meine Frage:

Was werden Sie, Frau Bundesministerin, tun, um die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten, die das Miteinander in Österreich leben und Österreich als ihre Heimat be­zeichnen, vor diskriminierender Vorverurteilung zu schützen? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Sehr gut!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Vielen Dank für die Frage! Insbesondere wenn solche Vorkommnisse wie jetzt in Favoriten passieren (Abg. Heinisch-Hosek: Das war nicht die Frage!), dann ist natürlich das Spotlight sehr stark auf die Probleme und die Herausforderungen im Inte­grationsbereich gerichtet, und es ist natürlich unsere Arbeit als Minister, diese Probleme


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 32

auch zu adressieren und gemeinsam mit allen – Integration ist ja ein Querschnittsthema und braucht das Zusammenwirken von Bund über Stadt bis zur Bezirksebene – zu lösen. Mir ist aber auch wichtig, dass wir die Chancen sehen, die sich natürlich auch durch Zuwanderinnen und Zuwanderer, durch Menschen mit Migrationshintergrund in Öster­reich ergeben.

Ich kann Ihnen sagen, insbesondere wenn man unsere Wertekurse besucht, wenn man unsere Deutschkurse besucht, auch wenn man sich die Flüchtlingszuwande­rung 2015/2016 ansieht, dann merkt man, wie viel positive Energie es gibt und wie viel Bemühen es vielfach von den Menschen, die zu uns zuwandern, gibt, sich auch in die Gesellschaft zu integrieren. Und ja, ich möchte auch diese positiven Beispiele vor den Vorhang holen. Viele gute Programme, wie jene der Integrationsbotschafter – wir haben 300 Integrationsbotschafter, die in unsere Schulen gehen –, werden dabei helfen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Nico Marchetti. – Bitte.


Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bevor ich zu meiner Frage komme, noch eine Anmerkung: Allen, die da so hämisch klatschen und versuchen, den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben, würde ich nur gerne sagen: Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und ein Grund, weshalb sie nicht funktioniert, ist, dass Sie Ihre Verantwortung in diesem Bereich nicht wahrnehmen. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Scherak: Die klatschen jetzt aber nicht hämisch, oder?)

Welche Schritte unternehmen Sie als Bundesministerin vor allem in Bezug auf das Pro­blem, dass ausländische Politik sich in unsere Gesellschaft einmischt, seien das jetzt Regierungen, sogar Geheimdienste, wie es scheint, oder auch Parteien wie die AKP? Welche Schritte können wir da als Staat Österreich setzen und welche haben Sie konkret in Planung oder in Umsetzung?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ich glaube, das Wichtigste ist einmal, dass wir uns diese Vereine, wie gesagt, ansehen, um zwei Dinge zu tun: Das Erste ist, den ausländischen Einfluss, der sich da manifestiert hat, offenzulegen, denn es geht nicht, dass womöglich öffentliche Einrichtungen diese Organisationen auch noch mit Steuergeld fördern. Das habe ich in den letzten Jahren auch im Integrationsbereich vielfach gesehen, dass Vereine, die vom Ausland, insbesondere von der Türkei, aber genauso gut von Katar oder anderen Län­dern finanziert werden, teilweise noch gefördert werden. Diese werden auch noch mit österreichischem Steuergeld genährt, und das geht nicht. Dem wird sich auch die Doku­mentationsstelle genauer annehmen, damit wir da die Hintermänner, die Netzwerke – auch in andere Länder – offenlegen, um dagegen ankämpfen zu können.

Das Zweite ist natürlich der sicherheitspolizeiliche Zugang: Wenn da Geheimdienste am Werk sind, wenn es da zu Verletzungen von Strafrecht kommt, dann sind die Polizei und natürlich die Justiz gefordert, und der Innenminister ist da mit vollem Einsatz am Werk. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 9. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Disoski. – Bitte.

10.52.23


Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Guten Morgen, Frau Ministerin! Ich freue mich sehr darüber, dass Sie hier im Rahmen der bisherigen Beantwortungen der Fragen noch einmal sehr klar festgehalten haben, dass Österreich an einer Zeitverwendungs­studie sehr wohl teilnehmen wird. Ich bitte auch die Oppositionspartien, das jetzt endlich zur Kenntnis zu nehmen. Österreich wird das tun, und das ist gut und wichtig so.

Meine Hauptfrage:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 33

30/M

„Welches waren die zentralen Maßnahmen aus frauen- und gleichstellungspolitischer Sicht in den bisherigen Konjunkturpaketen?“

*****

Ich habe diese Hauptfrage schon beantwortet bekommen, deswegen komme ich gleich zur Zusatzfrage: Frau Ministerin, coronabedingt sehen sich Familien damit konfrontiert, dass schon überwunden geglaubte Rollenbilder wieder zurückkehren. Diesen Befund bestätigen auch mehrere Studien, beispielsweise jene der Ökonomin Katharina Mader von der Wirtschaftsuniversität Wien. Demnach gibt fast die Hälfte aller Mütter an, dass sie während der Coronakrise doppelt so viel Zeit in Kindererziehungsarbeit investiert hat als zuvor, während das bei den Männern nur 30 Prozent getan haben.

Um da einem gleichstellungspolitischen Backlash entgegenzusteuern, schlagen Ökono­minnen und Ökonomen drei sehr zentrale strukturelle Veränderungen vor: Das sind, ers­tens, die Aufwertung von Berufen mit einem hohen Frauenanteil, zweitens, ein Kinderka­renzmodell mit gleichen Zeiten für Mütter und Väter, und, drittens, eine Arbeitszeitver­kürzung bei vollem Lohnausgleich. Meine Fraktion und insbesondere ich als Frauenspre­cherin begrüßen bekanntermaßen alle diese Vorschläge und hegen eine Sympathie da­für.

Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht künftig noch zu setzen, um einem gleichstel­lungspolitischen Backlash durch die Coronakrise entgegenzuwirken?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ich möchte schon einmal sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass viele Familien in Österreich die gesamte Coronakrise bisher ausgezeichnet bewältigt haben. Viele Familien sind zusammengewachsen, zusammengestanden und haben im Fami­lienverband auch die schwierige Zeit und die Belastung durch die Coronakrise ausge­zeichnet gemeistert. Ich möchte da den Familien auch danken, natürlich besonders den Frauen, aber auch den Kindern und Jugendlichen, über die sehr selten gesprochen wird. (Beifall bei der ÖVP.) Ein großes Dankeschön an alle Familien!

Ja, man hat vielfach gesehen, dass wieder Frauen ganz schnell diese Aufgabe der Orga­nisation der Familie übernommen haben, dass Frauen besonderen Mehrfachbelastun­gen ausgesetzt sind. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir Frauen uns nicht in die Fünfziger- und Sechzigerjahre zurückkatapultieren lassen, sondern dass wir Frauen alles tun werden, damit wir jetzt, da die staatlichen Unterstützungsstrukturen wieder grei­fen, auch wieder unsere Rolle und unsere Selbstbestimmung in dieser Gesellschaft wahr­nehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Für mich ist das Wichtigste, zum einen, dass jetzt die Arbeitsmarktintegration der Frauen wieder funktioniert, dass Frauen auf demselben Level, auf dem sie womöglich vor der Coronakrise oder in der Coronakrise ihre Arbeit verloren haben, wieder einsteigen, und zum anderen, dass wir auch die Chancen dieser Krise sehen.

Frau Abgeordnete, Sie haben die Zahlen genannt: Viele Männer haben in der Krise auch verstärkt Kinderbetreuung wahrgenommen. Sehr viele Männer, auch viele von Ihnen, haben mir berichtet, dass es eine schöne Zeit war und dass auch der Wert, dass man mehr Zeit mit dem Kind verbringt, ein hoher ist, den man weitertragen möchte, und dass das eine Chance ist. Die zweite Chance, die ich mit der Arbeitsministerin bespreche, ist, wie man Homeoffice in der Zukunft besser gestalten kann, sodass auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt wird.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur 10. Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Brandstötter. – Bitte.

10.55.53


Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Ministerin! In diversen Interviews haben Sie gesagt, dass die Dokumentationsstelle für politischen Islam mit einer Frau als Leiterin besetzt wird, weil patriarchale Strukturen bekämpft werden müs­sen. Ich bin davon überzeugt, dass sich für sehr viele Leitungspositionen in Österreich sehr viele talentierte Frauen finden, und begrüße es, wenn sich diese Erkenntnis auch in konservativen Parteien durchsetzt. Jedoch ist die bisher kolportierte Schwerpunktset­zung auf die Diskriminierung von Frauen im politischen Islam, meiner Meinung nach, zu kurz gegriffen.

Daher lautet meine konkrete Frage:

36/M

„Welche Schwerpunkte wollen Sie bei der Dokumentationsstelle für politischen Islam über die Diskriminierung von Frauen hinaus setzen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, ich wünsche mir eine Frau für diese Stelle, aber das wird natürlich die Ausschreibung zeigen. Ich bin aber dafür, dass immer mehr Frauen auch in Leitungs­funktionen Fuß fassen, das ist mir auch wichtig.

Ja, der Kampf gegen patriarchale Strukturen ist sicherlich ein Schwerpunkt der Integra­tionsarbeit und ein Schwerpunkt, den ich auch in der Dokumentationsstelle setze – aber nicht nur. Primär wird diese Dokumentationsstelle insbesondere den Nährboden für Ge­walt, für Extremismus, für Segregation, für radikales Gedankengut ausforschen, also Strukturen und Netzwerke beispielsweise in den sozialen Medien, beispielsweise in Bil­dungseinrichtungen, beispielsweise auch in islamischen Kindergärten. All dieser The­men wird sich die Dokumentationsstelle annehmen, das ist zumindest mein Wunsch und mein Fahrplan.

Mir ist aber auch wichtig, dass diese Dokumentationsstelle wissenschaftlich unabhängig arbeitet und sich selbst Schwerpunkte setzt, nämlich dort, wo die Dokumentationsstelle und die wissenschaftlichen Experten glauben, dass es wichtig ist, hinzusehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Der politische Islam schafft massive Probleme, und ein Problemfeld sind die Schulen. An vielen Schulen hat sich mittlerweile unter männlichen Teenagern eine islamistische Jugendkultur entwickelt, eine Generation Haram, welche sich die Scharia zum Vorbild nimmt und Mitschüler und Mitschülerinnen, LehrerInnen drangsaliert.

Wie wird da die Dokumentationsstelle tätig, um in diesen muslimischen Communitys den Jugendlichen unser modernes Gesellschaftsbild, aber insbesondere auch unser moder­nes Frauenbild zu vermitteln?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, auch ich sehe in unserer Integrationsarbeit und insbesondere in der Arbeit an Schulen, dass wir da auch patriarchales Gedankengut haben, das sich in der Jugendkultur verbreitet. Es gibt spezielle Projekte, die es wert sind, anzusehen, wie bei­spielsweise das Projekt Heroes, bei dem jugendliche Burschen mit Migrationshinter­grund selbst ihre Erfahrungen aus den patriarchalen Ehrkulturen weitergeben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 35

Wie konkret die Dokumentationsstelle auch gegen patriarchale Ehrkulturen ankämpfen wird, werden die Wissenschaftler sowie die Expertinnen und Experten dieser Dokumen­tationsstelle erarbeiten. Das ist ja genau der Sinn dieser Dokumentationsstelle. Ich als Ministerin werde auf der Grundlage unseres gemeinsamen Regierungsprogramms, Frau Abgeordnete, diese Dokumentationsstelle einrichten. Diese soll genau diese Dinge tun, die Sie beschrieben haben, daher brauchen wir sie ja auch, daher ist ja die Einrichtung auch ein richtiger Schritt.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 11. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.

10.59.17


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Minister! Wenig überraschend kann man feststellen, dass dieser Regierung aus Schwarz und Grün Frauenpolitik ex­trem wichtig ist (Beifall bei der ÖVP – Abg. Heinisch-Hosek: Nein, bitte!), und Ihnen, Frau Minister, ist es gelungen, das auch im Budget festzumachen, denn Sie haben eine Steigerung des Budgets um 2 Millionen Euro erreicht.

Meine Frage, Frau Minister, ist: Wie werden Sie diese 2 Millionen Euro einsetzen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 33/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was machen Sie mit den zusätzlichen 2 Millionen Euro für das Frauenbudget 2020?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Vielen Dank für die Frage! Es ist die erste Budgeterhöhung für das Frauenbudget seit nunmehr zehn Jahren, und ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, diese Budgeterhöhung zugunsten der Frauen und auch der Frauen- und Mädchenbe­ratungseinrichtungen in Österreich zu tätigen. Prioritär habe ich Folgendes gemacht:

Zum einen: Wir haben ein gutes Netzwerk an Beratungseinrichtungen in ganz Öster­reich. Ich habe die Mittel für all diese Strukturen jetzt um 12 Prozent erhöht, auch für die Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen, die während der Coronakrise wirklich Großartiges geleistet haben, um trotz der schwierigen Bedingungen Frauen und Mäd­chen zu beraten.

Zum Zweiten: Abseits dieser 12-prozentigen Erhöhung werde ich einen Großteil der rest­lichen Mittel in den Gewaltschutz investieren. Aus meiner Sicht muss jede Frau, jedes Mädchen in Österreich vor Gewalt geschützt werden. Ein gewaltfreies Leben ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Da habe ich aktuell einen Projektaufruf im Gesamtvolumen von 1,25 Millionen Euro offen, um Gewaltpräventionsprojekte zu stär­ken. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Frau Minister, wenn hier einige Personen über diese Steigerung lachen, dann entspringt das der Verbitterung darüber, dass sie in ihrer eigenen Verantwortung das, was Sie erreicht haben, nicht geschafft haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Republik, die gesamte Gesellschaft wurde durch die Coronakrise vor immense He­rausforderungen gestellt. Auch wenn wir viele Maßnahmen gesetzt haben, um die Ge­sellschaft, um unsere Familien entsprechend zu unterstützen, war in diesem Lockdown dennoch eine Steigerung der Gewaltbereitschaft spürbar.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 36

Frau Minister, welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um den Gewaltschutz in der Co­ronakrise entsprechend zu stärken?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Es war uns wichtig, dass jede Frau von Beginn der Coronakrise an weiß, sie hat Unterstützung, Frauenberatungs- und -serviceeinrichtungen sind für sie da und der Zugang zu den Frauenhäusern ist natürlich gewahrt. Wir haben sofort auch die fi­nanzielle Stärkung der Frauenhelpline vorgenommen, sodass sich jede Frau zu jeder Tages- und Nachtzeit auch an Expertinnen wenden kann. Wir haben auch die Onlinebe­ratung massiv ausgebaut, weil viele Frauen in den eigenen vier Wänden nicht telefo­nieren können und deshalb das Schreiben ein adäquateres Mittel ist.

Uns war es wichtig, dass unsere Unterstützungsangebote auch zu den Frauen kommen, deshalb haben wir gemeinsam mit dem Handelsverband Informationen für Frauen – auch zu den Unterstützungseinrichtungen – in Form von Foldern in den Supermärkten aufgelegt, weil das sozusagen die einzige Möglichkeit war, Frauen noch zu erreichen, denn einkaufen gegangen sind alle. Diese umfassende Informationsoffensive hat gut gewirkt, denn die Frauen- und Mädchenberatungseinrichtungen melden mir zurück, dass ihr Beratungsangebot sehr gut in Anspruch genommen wurde.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Grebien. – Bitte.


Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Ministerin, aus der Studie „Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderungen“ wissen wir, dass unter ande­rem Frauen mit Lernschwierigkeiten besonders häufig von sexuellem Missbrauch be­troffen sind. Einer der Hauptgründe sind vor allem die fehlenden sexualpädagogischen Aufklärungen und Bemühungen dazu.

Daher lautet meine Frage: Mit welchen gezielten Angeboten werden Sie Frauen mit Lernschwierigkeiten unterstützen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, natürlich, weil Frauen dadurch besonders vulnerable Gruppen sind. Also wir haben spezielle vulnerable Gruppen, bei denen eine Mehrfachbelastung dazu­kommt. Frauen mit besonderen Lernbedürfnissen, auch Frauen mit körperlichen Ein­schränkungen: All das sind besonders vulnerable Gruppen, und solche vulnerablen Gruppen können oft nicht mit einem Nullachtfünfzehn-Angebot von Frauen- und Mäd­chenberatungseinrichtungen adressiert werden. Deshalb braucht es da spezielle Ange­bote.

Gerne kann ich Ihnen die Adressen der konkreten Fachberatungsstellen zukommen lassen, die wir für von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen zur Verfügung stellen. Es gibt jetzt in jedem Bundesland eine solche Fachberatungsstelle für Betroffene von se­xualisierter Gewalt. Diese Fachberatungsstellen gibt es erst seit letztem Jahr flächen­deckend in jedem Bundesland, ich habe sie als Frauenministerin jetzt weiter gestärkt, und mir ist es wichtig, dass diese Fachberatungsstellen auch weiter existieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 12. Anfrage stellt Frau Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.

11.04.26


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Ministerin! Sie haben vor Kurzem mehrmals in der Öffentlichkeit gesagt, dass die Dokumenta­tionsstelle für den politischen Islam noch im Juli zu arbeiten beginnen wird. Mich würde Folgendes interessieren:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 37

39/M

„Warum wurde die umfassende Dokumentations- und Forschungsstelle für Antisemitis­mus, für den religiös motivierten Extremismus (politischer Islam) und für den Rassismus im 21. Jahrhundert, die im Regierungsprogramm vorgesehen war, nunmehr lediglich auf den politisch motivierten Islam eingeschränkt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Wir haben im Integrationskapitel in unserem Regierungsprogramm ein klares Bekenntnis zur Schaffung einer unabhängigen, staatlich legitimierten Dokumenta­tionsstelle für den religiös motivierten politischen Extremismus, sprich politischen Islam.

Frau Abgeordnete, all die angesprochenen Maßnahmen, der Kampf gegen den Antise­mitismus, der Kampf gegen den Rassismus, sind Maßnahmen, die wir als Regierung umfassend in unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen adressieren müssen, was wir auch machen. Da gibt es verschiedene Maßnahmen wie natürlich auch den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, den Kampf gegen Antisemitismus, der auch im Geden­ken ein ganz wichtiger ist.

Wir wollen jetzt für den blinden Fleck des politischen Islam diese Dokumentationsstelle schaffen. Wir meinen, das, was das Dokumentationsarchiv des österreichischen Wider­standes für den Rechtsextremismus ist, braucht es auch für den politischen Islam. Da haben wir einen blinden Fleck in der Extremismusforschung, und daher ist mir dieser Schwerpunkt an der Schnittstelle zu Migration und Integration so wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Ministerin, Sie haben heute auch schon ge­sagt, dass sich der Zugang der Bundesregierung zu Integration geändert hätte, und ha­ben von Integrationspflicht und vom restriktiven Integrationskurs gesprochen.

Mich würde interessieren, mit welchen Maßnahmen Sie als zuständige Bundesministerin die Kürzungen beim gesetzlichen Integrationsjahr abfedern werden.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Frau Abgeordnete, hier im Parlament wurden das Integrationsbudget und die erhöhten Mittel, die jetzt für Integration zur Verfügung stehen, beschlossen, und ich halte das auch für wichtig. Für mich ist es wichtig, dass es Maßnahmen gibt wie zum Beispiel jene, dass jeder einen Deutschkurs bekommt, dass jeder mit unseren Werten vertraut gemacht wird, dass es Integrationsberatung für jeden, der zu uns kommt, gibt, dass es Maßnahmen gibt, mit denen insbesondere Frauen und Mädchen gestärkt wer­den. Für all das haben wir Mittel und all das werden wir auch machen.

Aber ja, mein Zugang ist – und das möchte ich betonen –, dass Österreich und die Bun­desregierung in die Integration von Menschen, die zu uns kommen, ganz viel investieren, aber dass wir erwarten, dass es auch Selbstverantwortung und Eigenengagement auf diesem Integrationsweg gibt, denn sonst funktioniert das nicht, sonst kommt es zu paral­lelgesellschaftlichen Strukturen, und das haben wir jetzt auch gesehen.

Ich möchte, dass alle Beteiligten in Österreich – von den Städten über den Bund, über die Gemeinden, über die Bezirke bis hin zu den Menschen mit Migrationshintergrund – den Zugang haben, dass es Integrationsmaßnahmen und eine Integrationspflicht gibt, dass es ein Fördern und Fordern braucht, damit wir ein gemeinsames Verständnis davon haben. Das ist mir wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 38

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Guten Morgen, Frau Minister! Ich glaube, man darf restriktive Migrationspolitik nicht mit restriktiver Integrationspolitik verwechseln. Sie haben jetzt die Gemeinden angesprochen, und wie so oft zeigt sich auch, wenn wir über den politischen Islam sprechen, dass Wien anders ist. Dass Wien anders ist, hat mit sozioökonomischen Gegebenheiten zu tun, hat mit Bevölkerungsstruktur zu tun, hat aber auch mit der Verantwortung zu tun, die vonseiten der Politik übernommen wird.

Darum meine Frage an dich, Frau Minister: Warum ist es gerade in Wien so wichtig, dass man bei Parallelgesellschaften und beim politischen Islam nicht wegschaut?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Ja, es fehlt da einfach vielfach an Problembewusstsein – das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Es fehlt da an Problembewusstsein, an Bewusstsein für die Herausforderungen, die Integration und auch der hohe Anteil von Menschen mit Migra­tionshintergrund hier in Wien mit sich bringen. Wir haben in Wien doppelt so viele Men­schen mit Migrationshintergrund wie im Rest von Österreich, 45 Prozent der Menschen, die in Wien leben, haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Da reicht eine ro­mantische Vorstellung von Multikulturalität nicht, sondern da muss man sich der Pro­bleme und der parallelgesellschaftlichen Strukturen auch annehmen.

Unsere Hand ist dahin gehend weiter ausgestreckt. Wir als Bundesregierung werden in unserem Zuständigkeitsbereich Maßnahmen treffen, aber das wird nicht alleine gehen, da braucht es natürlich auch den richtigen Zugang der Stadt Wien bis hinunter auf Be­zirksebene. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Shetty. – Bitte.


Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Frau Bundesministerin! Bevor ich zur Ausfüh­rung meiner Zusatzfrage komme, muss ich etwas berichtigen, was Sie hier wiederholt haben, was auch Bundeskanzler Kurz schon gesagt hat, nämlich diesen Vorwurf, dass die Integrationspolitik der letzten Jahre versagt hat.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die ÖVP seit 34 Jahren in Regierungsverantwor­tung ist, Bundeskanzler Kurz seit 2011 Mitglied der Bundesregierung ist und davon vier Jahre als weisungsfreier Minister an der Spitze des Integrationsministeriums gestanden ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Bravoruf bei der SPÖ.)

Sie können diesen Vorwurf also schon äußern, aber er ist an den Bundeskanzler zu richten, der heute wieder einmal bei dieser wichtigen Debatte nicht da ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich komme aber zu meiner Zusatzfrage: Zentrales Anliegen – das haben Sie ja schon gesagt – ist diese Dokumentationsstelle für den politischen Islam. Abgesehen davon, dass die Namenswahl – das muss auch einmal gesagt sein –, anscheinend angelehnt an das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, von einer gewissen Geschichtsvergessenheit und auch Pietätlosigkeit zeugt, haben Sie mehrfach gesagt, dass diese Dokumentationsstelle verfassungsfeindliche Tendenzen verorten und be­kämpfen soll.

Daher lautet meine Frage: Warum schafft die Regierung eine neue Stelle, wo doch be­reits mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eine voll zuständige Behörde existiert?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Also zum einen, Herr Abgeordneter: Ich bin davon überzeugt, dass wir als Bundesregierung den richtigen Zugang zu Integration haben; ich sehe nur, es hat nicht


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jeder diesen Zugang. Mir geht es hier nicht immer um Schuldzuweisungen. Man kann jetzt zwar die Schuld von A nach B schieben, aber was mir wichtig ist: Wir sehen in diesen Gewalteskalationen in Favoriten, dass es betreffend die Gruppierungen von Men­schen mit Migrationshintergrund zu Segregation kommt, dass es eben nicht zu einem Teilen unseres Werte-, unseres Rechtssystems kommt. Da muss man doch etwas tun. Da muss man doch gemeinsam etwas tun.

Wir versuchen das als Bundesregierung, aber das wird natürlich nicht funktionieren, wenn nicht alle Beteiligten, auch alle beteiligten Institutionen, auch alle beteiligten politi­schen Ebenen an einem Strang ziehen. Das ist mir schon wichtig, zu betonen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Zweiten: Es gibt die sicherheitspolizeiliche Relevanz, den Verfassungsschutz, der auf Basis des SPG und auch der Rechtsnormen fungiert, aber es gibt viel davor. Nicht alles, was da passiert, ist schon sicherheitspolizeilich relevant, daher haben wir da einen blinden Fleck in der Extremismusbekämpfung. Sollten sich Erkenntnisse, die sicherheits­polizeilich relevant sind, in dieser Dokumentationsstelle ergeben, werden sie dem Ver­fassungsschutz mitgeteilt. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf nur klarstellen: Wir befinden uns nicht in einer Debatte, sondern in der Fragestunde, Herr Abgeordneter – dass das nicht ver­wechselt wird!

Frau Abgeordnete Deckenbacher stellt die 13. und letzte Anfrage. – Bitte.

11.12.55


Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Integration steht unter anderem natürlich immer auch im Zusammen­hang mit dem Erwerb von Sprache, Bildung und in weiterer Konsequenz mit der wichti­gen Möglichkeit, auch am Arbeitslatz Fuß zu fassen. Auch das Wissen über unsere Wer­te, über unsere Kultur, aber vor allem auch das Bekenntnis zu unserer gelebten Demo­kratie und zu unserem Rechtsstaat sind ganz wesentlich.

Ich möchte jetzt noch einmal auf Herrn Shetty Bezug nehmen: Die aktuelle Situation und die Geschehnisse in Wien Favoriten beunruhigen mich als Wienerin und vor allem auch den Großteil der Bevölkerung sehr wohl. Das ist ein großes Wiener Problem.

Sie, Frau Minister, starten diesbezüglich eine Tour durch Österreich – es wurde heute schon ein paar Mal erwähnt –, unter dem Motto: Fördern und fordern! Meine Frage dazu:

34/M

„Was verstehen Sie unter dem Motto in der österreichischen Integrationspolitik ‚Fördern und fordern‘?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Der Grundzugang ist, dass Integration in Österreich nicht von selbst passiert, dass Integration in Österreich aktives Bemühen von allen Seiten braucht, dass wir Integration unterstützen, was wir als Bundesregierung auch tun. Wir haben neun In­tegrationszentren, wir haben im letzten Jahr 160 000 Integrationsberatungen durchge­führt, 18 000 Deutschkursplätze zur Verfügung gestellt. Also da passiert wirklich sehr viel, aber wenn diese Angebote nicht angenommen werden, dann kommt es zur Kürzung von Sozialleistungen, da brauchen wir auch die Unterstützung aller Bundesländer in Ös­terreich.

Deshalb bin ich auf Bundesländertour, damit ich diesen Zugang auch in den Bundeslän­dern, die für die Sozialhilfe verantwortlich sind, etabliere. Wir brauchen einen zweiseiti­gen Integrationsprozess, denn wenn wir diesen Zugang, den wir erst seit wenigen Jahren


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 40

in Österreich etabliert haben, nicht leben, dann kommt es auch in der jetzigen Flücht­lingsgeneration im Zuge der Flüchtlingszuwanderung zu solchen parallelgesellschaftli­chen Strukturen, wie wir sie nun als Folge der Zuwanderung aus der Türkei aus den Sechziger- und Siebzigerjahren erleben.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Um diese Ziele zu erreichen, braucht es natürlich sehr konkrete Maßnahmen. Welche haben Sie da im Auge?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Wie gesagt werden wir unsere gesetzlichen Verpflichtungen umsetzen. Wir werden weiterhin Deutschkurse, Werte- und Orientierungskurse anbieten. Jeder, der nach Österreich kommt, muss eine sogenannte Integrationserklärung unterzeichnen, in der er auch mit unserem Werte- und Rechtssystem vertraut gemacht wird. Man muss Integrationsprüfungen ablegen.

Wir haben in unserem Ressort bereits 128 unterschiedliche Integrationsprojekte, die sich an Menschen mit Migrationshintergrund richten: Das geht beispielsweise von den Ju­gendlichen über Arbeitsmarktintegration und Stärkung der Bildungsbeteiligung bis hin zur Stärkung von Frauen und dem Ausbruch aus patriarchalen Kulturen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Deckenbacher: Herzlichen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären und mich herzlich bei der Frau Bundesministerin bedanken.

11.16.12Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftlichen Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 2699/J bis 2742/J

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Budgetausschuss:

Bundesgesetz, mit dem die Begründung von Vorbelastungen durch die Bundesminis­terin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort genehmigt wird (343 d.B.)

Umweltausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (342 d.B.)

*****

Fristsetzungsantrag


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Vor Eingang in die Tagesordnung darf ich mit­teilen, dass Abgeordneter Scherak beantragt hat, dem Gesundheitsausschuss zur Be­richterstattung über den Antrag 775/A(E) eine Frist bis zum 13. Juli 2020 zu setzen.


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Der Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatten über die Punkte 3 bis 5, 7 und 8, 9 und 10, 14 und 15 sowie 21 bis 23 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß entfällt die Tagesblock­zeit von 7,5 „Wiener Stunden“ folgendermaßen auf die Parteien: 146 Minuten für die ÖVP, 101 Minuten für die SPÖ, 83 Minuten für die FPÖ, 75 Minuten für die Grünen sowie 60 Minuten für die NEOS.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Ta­gesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 30 Minuten. Die Redezeit pro Debatte wird auf 5 Minuten beschränkt.

Ich darf gleich zur Abstimmung über die Redezeiten kommen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen somit in die Tagesordnung ein.

11.17.511. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorla­ge  (283 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz geän­dert wird (327 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 1.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Einwallner. (Abg. Matznetter: Wollen Sie nicht unterbrechen, Herr Präsident, bis Herr Nehammer da ist?)

Ich unterbreche die Sitzung, bis der Herr Innenminister da ist.

*****

(Die Sitzung wird für einige Sekunden unterbrochen.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Unterbrechung aufheben und die Sitzung wieder aufnehmen, begrüße den Herrn Innenminister und darf Herrn Abgeord­neten Einwallner zum Rednerpult bitten.


11.18.52

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Schönen guten Morgen! Herr Präsi­dent! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 42

Zuschauer! Die Novelle zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz ist eigentlich der erste kleine Schritt in Richtung einer BVT-Reform. Wir können dem grundsätzlichen Ansinnen, das da verfolgt wird, natürlich etwas abgewinnen. Es geht darum, dass bei Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern im BVT eine vertiefende Vertrauensprüfung durchzuführen ist.

Das halten wir für gut und für richtig, allerdings, meine Damen und Herren, die Umset­zung ist das Problem. Diese Novelle hat aus unserer Sicht mehrere Schwachpunkte. Einer davon ist zum Beispiel: Was passiert mit einem Mitarbeiter, wenn diese Vertrau­ensprüfung nicht positiv ausfällt? Wohin kann er sich dann wenden? Welchen Rechts­weg hat er, um dagegen Einspruch zu erheben? Nirgends in dieser Novelle steht, welche Wege da gegangen werden müssen.

Die Frage ist, ob diese Vertrauensprüfung in weiterer Folge eine objektive Stellenbeset­zung ersetzt. Genau da komme ich zum absoluten Kritikpunkt – das können wir in die­sem Vorschlag der Bundesregierung überhaupt nicht nachvollziehen –: Es sollen Krite­rien für die Vertrauensprüfung festgesetzt werden, aber nicht unter Einbindung des Par­laments, nein, der Minister ganz allein will die Kriterien am Verordnungsweg festlegen, sodass es keine Kontrolle gibt, sodass es keine Einbindung des Parlaments gibt. Das kann nur einen Sinn haben, meine Damen und Herren, und zwar, dass die ÖVP ihre Personalpolitik im Innenressort so fortführt, wie sie es bisher gemacht hat. Das ist reine Parteipolitik, die auch dort wieder ihren Fortgang findet. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenruf des Abg. Ofenauer.)

Eines muss ich Ihnen sagen: Das BVT hat durch die Vorkommnisse im Frühjahr 2018 großen Schaden erlitten. Inzwischen aber glaube ich, dass der nachhaltigere Schaden die Art und Weise ist, wie ÖVP-Minister dort Stellen besetzt und Mitarbeiter eingestellt haben. Auch das ist ein Problem des BVT, das den Ruf des BVT nachhaltig schädigt. (Abg. Ofenauer: Der Ruf des BVT ... zerstört!)

Die große Frage, die sich stellt, ist: Warum tun die Grünen bei diesem Spiel mit? Warum tun die Grünen mit, wenn es darum geht, das Parlament zu umgehen? Warum gehen die Grünen mit, wenn es keine Kontrolle gibt? (Abg. Kassegger: Das versteht jetzt echt keiner!) Warum gehen die Grünen da mit, wenn sie immer Transparenz fordern? – Nein, man macht es am Verordnungsweg, damit Herr Nehammer die Entscheidungen freihän­dig treffen kann. Das wollen wir nicht. Ich glaube, wir brauchen da eine andere Kul­tur, davon müssen wir einmal wegkommen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Geschätzte Damen und Herren, das kann so nicht sein. Wir haben einen Vorschlag ein­gebracht. Wir haben einen Vorschlag eingebracht, mit dem wir sagen, wie man das lösen könnte. Unser Vorschlag ist, dass man sagt: Binden wir doch zumindest den Hauptaus­schuss des Parlaments ein, dass der Minister die Verordnung zumindest dem Hauptaus­schuss vorlegen muss! Und dazu möchte ich auch einen Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Dr. Stepha­nie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Verordnungsermächtigung an den Bundesminister für Inneres in § 2a Abs. 4 PStSG“

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

In Z 4 der Regierungsvorlage 283 d. B. in der Fassung des Ausschussberichtes 327 d. B. wird in § 2a Abs. 4 zwischen dem ersten und dem zweiten Satz folgender Satz eingefügt:

„Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses.“

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 43

Meine Damen und Herren, das ist ein kleiner Punkt, aber er zeigt, dass es transparent geht, dass es transparent gehen muss. Ich weiß nicht, warum Sie das so scheuen, wa­rum Sie Transparenz in diesem Bereich so scheuen. Das entspricht auch nicht all Ihren Ankündigungen. Ob im Regierungsprogramm, in Arbeitsgruppen oder im Ausschuss: Die Einbindung des Parlaments wurde immer hochgehalten. Es reicht uns nicht, wenn Sie das nur in Sonntagsreden machen. Hier ist die Nagelprobe, ob Sie die Einbindung des Parlaments wirklich wollen oder nicht. Und wie es scheint, wollen weder die ÖVP noch die Grünen sie. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Ries. – Abg. Ofenauer: SPÖ und FPÖ gemeinsam ...!)

11.23

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Dr. Stepha­nie Krisper

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Verordnungsermächtigung an den Bundesminister für Inneres

in § 2a Abs. 4 PStSG

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

In Z4 der Regierungsvorlage 283 d.B. in der Fassung des Ausschussberichtes 327 d.B. wird in § 2a Abs. 4 zwischen dem ersten und dem zweiten Satz folgender Satz eingefügt:

„Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Hauptausschusses.“

Begründung

Da es sich bei dem Verordnungsinhalt um sensible Eingriffe in Grundrechte handelt, soll die Verordnung für ihre Gültigkeit der Zustimmung des Hauptausschusses bedürfen.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mahrer. – Bitte.


11.24.02

Abgeordneter Karl Mahrer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich gebe ja Kollegen Einwallner in eini­gem recht, unter anderem gebe ich ihm recht, dass die – das ist ja auch nachweisbar – unangemessen durchgeführte Hausdurchsuchung am 28.2.2018 und die daraus resul­tierenden Folgen und Erkenntnisse es notwendig gemacht haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung neu aufzustellen.

Meine Damen und Herren, da geht es ja um etwas. Wir wollen das nationale und das internationale Vertrauen wiederherstellen. Wir wollen den Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern Klarheit geben, und das in einer Situation, in der das BVT gerade in den letzten Monaten bewiesen hat – unter anderem bei der Bekämpfung des Cyberangriffs auf das Außenministerium; Sie erinnern sich, das ist noch gar nicht so lange her –, dass es gut arbeitet. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BVT, die seit 2018 unter schwierigsten Rahmenbedingungen arbeiten mussten und müssen, ein herzliches Dankeschön auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)


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Zum Zweiten danke ich sehr wohl Innenminister Karl Nehammer, der vom ersten Tag seiner Amtsübernahme an keine Sonntagsreden gehalten hat, wie das gesagt worden ist, sondern das Parlament ganz aktiv eingebunden hat (Abg. Einwallner: Wo denn?) – die Sicherheitssprecher, die Ausschüsse: in allen Bereichen wurde diskutiert, gespro­chen – und sehr offen über den Fortgang des Reformprojekts berichtet hat. Ein Bera­tungsgremium wurde eingerichtet, externe Experten wurden eingebunden. Dafür, sehr geehrter Herr Innenminister, vielen Dank! Auch wenn die Meinungen unterschiedlich sind, ich stehe dazu: Sie binden das Parlament in vorbildhafter Weise ein. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)

So, jetzt geht es aber darum, die Reform zügig umzusetzen. Heute setzen wir den ersten Schritt dazu, heute beschließen wir Änderungen im Polizeilichen Staatsschutzgesetz. Es geht um die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar nicht in irgend­einer Form, sondern auf international vergleichbar höchstem Niveau. Und es geht auch um die Auswahlkriterien, mittels derer darauf Rücksicht genommen wird, dass die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter natürlich in einem besonders sensiblen Aufgabenbereich tä­tig sind. Damit sind auch internationale Standards für die Auswahl zu berücksichtigen.

Die bisher geltende Sicherheitsüberprüfung im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes wird daher für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staatsschutzes auf eine eigene Vertrauenswürdigkeitsprüfung im Polizeilichen Staatsschutzgesetz erweitert. Und dabei orientieren wir uns, meine Damen und Herren – das wird noch eine Bedeutung haben –, am österreichischen Militärbefugnisgesetz und auch am deutschen Sicherheitsüberprü­fungsgesetz.

Und ja, Herr Kollege Einwallner, unser Anliegen war und ist es, diesen Reformprozess auf eine ganz breite Basis aller im Parlament vertretenen Fraktionen zu stellen. Das ist mit diesem heutigen ersten Schritt teilweise gelungen – teilweise gelungen. Sie wissen, Herr Abgeordneter Einwallner, im Begutachtungsverfahren war Ihre Anregung betref­fend Hauptausschuss noch kein Thema; das kam dann wenige Tage vor dem Innenaus­schuss. Wir haben es ganz genau geprüft.

In diesem Abänderungsantrag geht es tatsächlich darum, dass der Innenminister seine Verordnung betreffend Vertrauenswürdigkeitsprüfung von einer Zustimmung des Haupt­ausschusses abhängig machen soll. Da haben wir nach genauer und reiflicher Prüfung gesagt: Nein, das geht nicht! Und zwar geht es deshalb nicht – deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass wir diesem Abänderungsantrag nicht zustimmen können –, da dies einen völlig unüblichen Eingriff in die Verantwortungsbereiche eines Regierungsmit­glieds bedeuten würde, und darüber hinaus bei einer vergleichbaren Verlässlichkeits­überprüfung nach dem Militärbefugnisgesetz die Befassung des Hauptausschusses ja auch nicht notwendig ist.

Sie sehen aber auf der anderen Seite – und damit komme ich zu den NEOS –, dass wir dem Vorschlag der NEOS im Rahmen einer Ausschussfeststellung – noch einmal zu präzisieren, dass die Nebenbeschäftigungen von BVT-Mitarbeitern einer besonders strikten Überprüfung zuzuführen sind – gerne nachgekommen sind.

Ich hoffe, Sie spüren daher, meine Damen und Herren, es ist zumindest unser ehrliches Bemühen um eine gemeinsame Lösung da. Dazu gehört es aber auch manchmal, ganz klipp und klar zu sagen, wo die einzelnen Standpunkte liegen, und diese bitte auch ge­genseitig zu akzeptieren. Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und damit die Neuaufstellung des BVT sollte ein gemeinsames Anliegen aller Parteien hier im Natio­nalrat sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr.)

Abschließend freue ich mich über die weiteren Diskussionen, die uns natürlich in den nächsten Monaten begleiten werden. Ich möchte mich heute explizit bei meinem Pen­dant bei den Grünen, bei Sicherheitssprecher Mag. Georg Bürstmayr, für die konstruk­tive Zusammenarbeit und für das enge und vertrauensvolle Miteinander bedanken. Und


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ich bedanke mich auch bei den Expertinnen und Experten des Innenministeriums – auch da war die Zusammenarbeit wieder hervorragend.

Zum Schluss kommend, meine Damen und Herren: Ich ersuche wirklich alle Fraktionen ausdrücklich, ich ersuche Sie, ich fordere Sie auf, ich bitte Sie darum, im Rahmen der nun bevorstehenden Abstimmungen im Nationalrat und im Bundesrat alles dafür zu tun, um diese so wichtigen Gesetzesänderungen im Polizeilichen Staatsschutzgesetz so rasch wie möglich in Kraft zu setzen, denn, und das ist auch Ihre Verantwortung, es geht hier – und hier ganz besonders! – um die Sicherheit der Menschen in Österreich. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Amesbauer. – Bitte.


11.30.27

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Anschließend an die Ausführun­gen des Kollegen Mahrer muss ich schon einiges zurechtrücken. Es ist ja nicht so, dass das massive Misstrauen, das dem BVT auch aufseiten des Berner Clubs entgegenge­bracht wurde, primär ein Ergebnis der Hausdurchsuchung damals war, sondern in dem Bericht wurden ganz andere Gründe und Probleme, die lange davor bestanden haben, aufgeführt.

Wir wissen – das ist auch alles in den Medien gelandet, was auch nicht hätte passieren sollen –, dass in dem Bericht des Berner Clubs zum Beispiel angeführt wurde, dass die verwendeten IT-Systeme, was beispielsweise den Virenschutz oder den Schutz vor Cyberangriffen betrifft, veraltet sind, problematisch sind, nicht für diesen hochsensiblen Bereich ausgerichtet sind. Es wurde auch berichtet, dass es erlaubt war, dass Mitarbeiter des BVT private Handys und Laptops in die Hochsicherheitszonen des BVT-Gebäudes, der BVT-Zentrale mitnehmen. Und es ist auch bemängelt worden, dass das Ganze löchrig wie ein Sieb ist, dass immer wieder vertrauliche, sensible Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind. – Also das nur einmal vorweg.

Den grundsätzlichen Entwurf, diesen Gesetzentwurf über das Polizeiliche Staatsschutz­gesetz, finden wir gut, dahinter stehen wir, das haben wir auch im Ausschuss mehrmals bekundet, und soweit ich mich erinnere, haben das auch alle Oppositionsparteien bekun­det, denn es ist in unser aller Interesse, dass dieser sensible Bereich wieder Vertrauen genießt, dass sich die Bevölkerung, dass sich die Bürger in Österreich darauf verlassen können, dass dort ordentlich gearbeitet wird. Letztendlich geht es ja um die Sicherheit unserer Republik und all der Menschen, die in Österreich leben.

Also wir sind dafür, dass diese Vertrauenswürdigkeitsprüfung für den Polizeilichen Staatsschutz eingeführt wird, dass die Menschen, die dort arbeiten wollen, genau durch­leuchtet werden. Es gibt aber natürlich auch das Problem, dass das Ganze einen sen­siblen Eingriff in Grundrechte bedeutet, dessen muss man sich bewusst sein, wenn man in diesem Bereich arbeitet. Das ist ganz klar, aber ich verstehe jetzt diese ablehnende Haltung nicht, wenn man will, dass die Verordnungsermächtigung des Innenministe­riums den Hauptausschuss passieren soll. Wo ist da bitte das große Problem? Da geht es ja um Transparenz!

Das wird auch ein bisschen falsch transportiert: Das Parlament will nicht in die Perso­nalentscheidungen des Herrn Innenministers eingreifen, mitnichten, überhaupt nicht, das ist überhaupt nicht das Thema. Es gibt auch zum jetzigen Zeitpunkt noch überhaupt keinen einzigen Bewerber, weil der Kriterienkatalog ja noch nicht vorliegt. Dass man sich aber dagegen verwahrt, dass der Verordnungsinhalt einmalig im Hauptausschuss disku­tiert werden soll, sodass auch die Parlamentarier sehen, nach welchen Kriterien künftig das Personal ausgewählt wird, das verstehe ich überhaupt nicht.


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Da geht es um Transparenz, und Sie, Herr Innenminister, haben die Einbindung des Parlaments, aller Parteien immer wieder angekündigt. Ich war wirklich sehr positiv ge­stimmt, auch in den Ausschüssen, im Innenausschuss und im Ständigen Unteraus­schuss, dass das von Ihnen auch ehrlich gemeint wird, aber wenn Sie es wirklich ernst meinen und für Transparenz sorgen wollen, dann müssen oder sollten Sie dem zustim­men; da fällt Ihnen von der ÖVP sicher kein Zacken aus der Krone.

Wenn wir es schaffen, dass man den Verordnungsinhalt dem Hauptausschuss zur Zu­stimmung vorlegt – und wenn Sie jetzt vom Termin reden: das kann man sicher schnell organisieren; es ist ja nicht unmöglich, dass man jetzt eine Hauptausschusssitzung ein­beruft und das auf die Tagesordnung setzt, da fällt Ihnen sicher kein Zacken aus der Krone –, dann bin ich zuversichtlich, dass wir heute auch einen einstimmigen Beschluss fassen könnten. Es wäre gut, wenn das Parlament geschlossen hinter dieser Reform stehen könnte. – Wir stehen dahinter, wir stehen hinter diesen Änderungen, wir wollen aber Transparenz.

Bei der ÖVP wundert es mich nicht wirklich, dass Sie da ein bisschen die Intransparenz erhalten wollen, was Personalbesetzungen betrifft, das kennen wir – aber gerade die Grünen, weil ich Kollegen Bürstmayr gerade sehe? Sie sind doch die Partei, die für Transparenz steht, für parlamentarische Kontrolle, für parlamentarische Einbindung. Al­so bitte stimmen Sie diesem Abänderungsantrag zu! Dann haben wir die Chance, dass wir heute ein starkes Zeichen des Parlaments setzen, einen einstimmigen Beschluss zustande bringen und dem BVT die Chance zu einer Neuaufstellung geben, hinter der das österreichische Parlament auch steht. (Beifall bei der FPÖ.)

11.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr.

Ich darf noch bekannt geben, dass der Abänderungsantrag der Kollegen Einwallner, Amesbauer, Krisper, Kolleginnen und Kollegen ordnungsgemäß eingebracht und ausrei­chend unterstützt ist und somit in Verhandlung steht.

Herr Abgeordneter Bürstmayr, das Wort steht bei Ihnen.


11.35.19

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Über verschüttete Milch soll man zwar nicht weinen, aber im Zusammenhang mit dem BVT muss man doch festhalten, dass der großartigste, beste und fantastischste Innenminister aller Zeiten, Herbert Kickl (Abg. Belakowitsch: Richtig!), einen ganzen Milchsee hinterlassen hat. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Das ist wieder falsch! Aber dass er der großar­tigste, beste und fantastischste Innenminister war, ist richtig! Dass gerade Sie das sa­gen?!)

Jetzt stehen wir also vor der Aufgabe, einen Nachrichtendienst, der mehr oder weniger in Trümmern vor uns liegt, wiederaufzubauen, und wir setzen heute mit der Festlegung bestimmter Rahmenbedingungen, was die Rekrutierung des Personals betrifft, einen ersten Schritt. Warum ist das so wichtig? – Parteipolitik, Günstlingswirtschaft und Inkom­petenz sind in allen Bereichen teuer und schlimm, wenn es um den öffentlichen Dienst oder um Betriebe, die im Eigentum der Republik stehen, geht, wenn es aber um einen Nachrichtendienst geht, dann kosten sie nicht nur Geld, sondern sie kosten die Sicher­heit der Republik und im schlimmsten Falle Menschenleben. Deshalb sind die Kriterien, nach denen dieses Personal ausgewählt wird, tatsächlich von Bedeutung.

Jetzt sagen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, es wäre intransparent, diese Verordnung, die der Herr Innenminister zu erlassen hat, nicht an die Zustimmung des Hauptausschusses zu binden. Intransparenz ist in diesem Zusammenhang schlicht


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das falsche Wort, denn eine Verordnung wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, Wort für Wort, mit Punkt und Beistrich. (Abg. Amesbauer: Das wurde aber vereinbart! Ist zu­gesagt!) Jeder und jede kann nachsehen, nach welchen Kriterien dieses Personal rekru­tiert werden soll und nach welchen nicht, und daran kann die öffentliche Kritik ansetzen.

Wir legen heute nicht nur einen Grundstein für die Rekrutierung des Personals, sondern auch für dessen Ausbildung, die deutlich professionalisiert werden soll.

Ich bedanke mich abschließend auch für den Hinweis der NEOS, der zu einer Aus­schussfeststellung betreffend die Nebenbeschäftigungen von zukünftigen Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern dieses BVT geführt hat. Auch das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Das haben wir aufgenommen, und wir werden auch weitere Kritikpunkte und Hinweise, die von der Opposition kommen, beim weiteren Aufbau des BVT aufnehmen.

Es liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, heute haben wir den ersten Schritt gesetzt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte.


11.38.30

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zu­seherinnen und Zuseher! Sehr geehrter Herr Innenminister! Wieder steht ein Top unter dem Schlagwort Vertrauen. Dass das BVT in den letzten Monaten und auch jetzt noch nicht das nötige Vertrauen der internationalen Partner und anderer Organisationen ge­nießt, das es braucht, um effizient für die Sicherheit im Lande zu arbeiten, ist evident, und seit die ÖVP nicht mehr in einer Koalition mit der FPÖ ist, gibt sie das auch zu, auch heute. Warum erst jetzt? – Natürlich lag es daran, dass das Vertrauen schwand, weil die FPÖ in einer Regierung mit der ÖVP war, weil der FPÖ das Innenministerium überlassen wurde und weil es zu dieser Hausdurchsuchung im BVT, im Extremismusreferat, kam.

Wir NEOS haben für die Sicherheit im Land immer auf eine zügige Reform des BVT gedrängt. Und gerade die letzten Tage – Stichwort Graue Wölfe, Stichwort Unruhen in Favoriten, Stichwort Ermordung eines Kadyrow-Gegners auf österreichischem Boden – haben gezeigt, wie wichtig das BVT ist und wie viel es da zu tun gäbe, und das, weil wir in Wahrheit viel zu wenig Schimmer davon haben, welche antidemokratischen und staatsschutzrelevanten Entwicklungen es in unserem Lande gibt. Das sage nicht nur ich, sondern das sieht man, wenn man sich zum Vergleich den Verfassungsschutzbericht der Deutschen ansieht, in dem viel mehr Analysetätigkeit, selbst öffentlich, erkennbar ist. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass heute der erste kleine Schritt in Richtung BVT-Reform getan und auf Schiene gebracht wird. Es geht im Kern um die schon genannte vertiefte Vertrauenswürdigkeitsprüfung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BVT. Das ist ein wichtiger Schritt, um die personelle Integrität und die Vertrauenswürdigkeit auf ein neues Level zu heben und neue Standards zu setzen, die garantieren, dass es keine divided loyalties gibt, um das so auszudrücken.

Ich freue mich auch über die Zustimmung zu unserer Ausschussfeststellung, weil es uns NEOS wichtig war, dass auch klar ist, dass BVTler keine Nebenbeschäftigungen, die nicht kompatibel sind, auszuüben haben. Das war ja auch im BVT-Untersuchungsaus­schuss ein Thema. Danke für die zustimmende Aufnahme dieser Idee der Opposition, aber genauso wichtig wäre es uns geschlossen als Opposition, dass diese Verordnung zur Vertrauenswürdigkeitsprüfung durch den Hauptausschuss des Nationalrates geneh­migt wird. Warum? – Weil dann eben eine Änderung oder Zurücknahme der Verordnung auch durch den Hauptausschuss gehen müsste, und das ist für uns natürlich sehr wich­tig, wenn wir diese Vertrauenswürdigkeitsprüfung schon nicht auf Gesetzesebene imple­mentieren.


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Kollege Mahrer, die Verfassung sieht das in Art. 55 Abs. 4 explizit vor. Warum das nicht nützen und Dinge üblich machen, die Sicherheit und Reglements auf klare Ebenen he­ben? Wir erachten das für das BVT für notwendig, weil es einfach um eine ganz heikle Materie in diesem Gesetzgebungsprozess geht.

Man hört ja auch, dass es im Bundesrat vielleicht zu Verzögerungen kommen wird, wenn dieser Oppositionsidee von den Regierungsparteien nicht entsprechend entgegenge­kommen wird, was ich für sehr bedauerlich empfände, Herr Minister, weil dieses Anlie­gen sehr leicht zu akzeptieren gewesen wäre.

Wie kann es besser gehen? – Ich hoffe, im Sommer wird es jetzt sehr konkret mit Geset­zesideen und Reformkonzepten, und ich hoffe, dass unsere Expertinnen und Experten, die so wie wir von den NEOS bereitstehen, entsprechend früh und wirklich respektabel eingebunden werden und unsere konstruktiven Ideen übernommen werden. Das würde ich mir erwarten und das erwarten sich insbesondere auch unsere Experten. – Vielen Dank, Herr Minister. (Beifall bei den NEOS.)

11.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister für Inneres. – Bitte.


11.42.09

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätztes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie diese Sitzung verfol­gen! Ich danke für die Beiträge der Vorrednerinnen und Vorredner. Das BVT, der Verfas­sungsschutz, ist eine der wesentlichsten Säulen, wenn es um die Frage der Sicherheits­architektur in einer demokratischen Republik geht. Und ja, das BVT hat in den letzten Jahren schwere Erschütterungen erlebt, vielleicht – es wurde schon der Ausdruck ver­gossene Milch benutzt – eine Ergänzung dazu: Das, was das Vertrauen der Partner­dienste in den Verfassungsschutz tatsächlich massiv erschüttert hat, war, dass infolge der durch ein Gericht festgestellten rechtswidrigen Hausdurchsuchung schriftliche Hin­weise eines Partnerdienstes an die Öffentlichkeit gelangt sind.

Wenn es um das Zusammenwirken geht, um terroristische Aktivitäten und organisierte Kriminalität zu bekämpfen, dann braucht es – das kann man sich vorstellen – Vertrauen der Partner, die gemeinsam daran arbeiten. Und dieses Vertrauen ist dadurch nachhaltig gestört. Warum sorgen sich Partnerdienste, wenn so etwas passiert? – Weil sie Angst um ihre Informanten, die ihnen diese wichtigen Hinweise geben, haben. Da geht es um ein sehr ernstes Problem, und wir haben jetzt sehr intensiv daran gearbeitet, uns das Vertrauen der Partnerdienste, die wir brauchen, um gemeinsam gegen globale, terroristi­sche Bedrohungen vorzugehen, wieder zu erwerben.

Die gute Nachricht ist: Der Berner Club, in dem diese Partnerdienste versammelt sind und durch den sie aufzeigen, was sie als notwendig erachten, welche Standards Ge­heimdienste, Nachrichtendienste, der Verfassungsschutz zu erfüllen haben, schenken uns wieder Schritt für Schritt mehr Vertrauen, weil sie diesen Prozess, den wir gerade gemeinsam gestalten, als positiv bewerten.

Mir ist das gemeinsame Gestalten da sehr wichtig. In unser Projekt sind die Expertinnen und Experten aller hier vertretenen Parlamentsfraktionen miteingebunden. Ich führe ei­nen intensiven Austausch mit den Sicherheitssprechern auch in den geheimen Sitzun­gen des Ständigen Unterausschusses; auch dieses Gremium ist durch die Folge der Sitzungen, die wir führen, deutlich aufgewertet worden. Es finden auch viel mehr Sitzun­gen des Innenausschusses statt als zuvor, um eben genau das, was Abgeordnete zu Recht einfordern, nämlich Transparenz und Einbindung des Parlaments, sicherzustellen.

Ich bitte Sie auch, diesen Weg des Gemeinsamen fortzusetzen, weil er für das Projekt Verfassungsschutz Neu so wichtig ist, und ja, es ist auch parlamentarische Kultur, dass


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es Unterschiede in der Auffassung, welche Maßnahme notwendig ist und welche nicht, geben kann.

Aus unserer Sicht ist es nicht notwendig, dass die Verordnung durch den Hauptaus­schuss genehmigt wird. Warum? – Weil das eine Lex specialis für den Verfassungs­schutz wäre, und es gibt ganz viele sensible Aufgabenbereiche in der Zweiten Republik, und das würde bedeuten, dass jeder Minister, der sensible Bereiche mit seinen Beam­tinnen und Beamten wahrzunehmen hat, gefordert wäre, das plötzlich in den Hauptaus­schuss zu bringen.

Da appelliere ich schon auch an die parlamentarische Redlichkeit, Transparenz einzu­fordern, die auch durch das Gesetz gewährleistet ist, wie auch schon von Kollegen Bürst­mayr beschrieben wurde: durch die Veröffentlichung, durch das vorangegangene Ge­spräch mit Ihnen als Sicherheitssprecher, durch das Einbinden Ihrer Expertinnen und Experten. Der Projektleiter und Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Dr. Franz Ruf – und das wissen Sie alle – bemüht sich redlich, hier einen intensiven Austausch zu führen, denn, Herr Abgeordneter Einwallner, und das kennen Sie auch von mir, es ist uns wichtig, dass der Verfassungsschutz neues Vertrauen genießt.

Wir haben ja viel vor: Den nachrichtendienstlichen Teil vom staatspolizeilichen zu tren­nen ist ein völlig neuer Weg in der Zweiten Republik, erfordert viel Feingefühl, interna­tionale Expertise, aber ebenso die von Ihnen auch dargestellte Expertise durch die Ex­pertinnen und Experten der hier vertretenen Parlamentsparteien.

Mein Ziel ist es weiterhin, den gesamten Entwicklungsprozess transparent darzustellen. Ich freue mich, dass wir den Verfassungsschutz gemeinsam besuchen werden, wodurch Sie sich selbst ein Bild verschaffen können, wie der Verfassungsschutz jetzt arbeitet.

Weil Frau Abgeordnete Krisper das angesprochen hat: Frau Abgeordnete, ich korrigiere ungern Abgeordnete zum Nationalrat, aber in diesem Fall muss ich es tun: Der Verfas­sungsschutz steht ganz vielen Herausforderungen gegenüber, da haben Sie völlig recht, aber die Menschen, die dort arbeiten, leisten gerade derzeit ganz intensive Arbeit, ganz viel Gefahrenaufklärung im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in Favoriten (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), bei der es auch darum geht, wer die Hinter­männer bei diesen Auseinandersetzungen sind. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie hat ja nicht das Gegenteil behauptet!) Sie leisten derzeit herausragende Arbeit, wenn es darum geht, Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten zu identifizieren, um genau da auch auf Strukturen draufzukommen, weil wir mit Sorge sehen (Abg. Kassegger: Was ist jetzt die Richtigstellung zu dem, was Krisper gesagt hat? – Abg. Belakowitsch: Nichts, er sagt es nur schöner!), dass die Gewaltbereitschaft in der rechtsextremen Szene über die Bundesrepublik Deutschland auch nach Österreich schwappen kann. Und sie beobach­ten auch ganz genau – obwohl sie schon schwierige Voraussetzungen haben – die links­extreme Szene und auch die Radikalisierung, wenn es um den politischen Islam geht. Das sind ihre Aufgaben, die sie jetzt wahrnehmen.

Das, was wir jetzt gemeinsam tun und wozu ich Sie einlade, ist, den Verfassungsschutz noch stärker, noch effizienter zu machen, aus den Fehlern der Vergangenheit – und da stimmen wir wieder überein, Frau Abgeordnete Krisper – lernend; ja, auch bei dem The­ma Personalbesetzung, auch bei dem Thema Ausbildungsqualifikation, auch bei dem Thema, dass wir die Sicherheitsüberprüfung brauchen, um den internationalen Stan­dards gerecht zu werden.

Das, was wir vorhaben, ist viel, und Sie werden erleben, dass ich Sie offensiv einbinde, denn der Verfassungsschutz gehört niemandem außer der Zweiten Republik und den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Genau dazu dient diese Reform, und Sie werden weiter meine ausgestreckte Hand ha­ben, wenn es darum geht, dass wir den Verfassungsschutz inhaltlich zu dem machen,


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was wir gemeinsam wollen: zu einem modernen, effizienten Instrumentarium, um die sogenannten hybriden Bedrohungen, sei es Terrorismus, sei es Extremismus, frühzeitig erkennen und bekämpfen zu können.

Ich lade Sie daher weiterhin zur Zusammenarbeit ein, ich bin auch zuversichtlich, dass das gelingt, weil wir viele konstruktive Gespräche führen. Es sei mir gestattet, von dieser Stelle aus – es ist heute auch schon viel von Dank gesprochen worden – auch ein gro­ßes Danke an die Beamtinnen und Beamten des Verfassungsschutzes zu richten, die jetzt gerade Dienst tun, die Aufklärungsarbeit leisten, um uns alle vor größeren Gefahren zu schützen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


11.49.03

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Zuseherinnen und Zuse­her! Vielen Dank, Herr Bundesminister, für Ihre Worte. Sie haben gezeigt: Besonnenheit, Klarheit und Einbindung des Parlaments, und sie stehen dafür, dass Österreich wieder sicher ist und dass wir Vertrauen in die wichtigsten Einrichtungen des Staates wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung haben können. Vielen, vielen Dank, Herr Bundesminister! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Warum ist diese besonnene Vorgangsweise heute so wichtig? (Ruf bei der FPÖ: Wa­rum? – Abg. Belakowitsch: Und warum? Begründung?!) – Es ist nur etwas mehr als ein Jahr her, dass „Der Standard“ getitelt hat: „Deutscher Verfassungsschutz spricht Öster­reich Misstrauen aus“. Das war ganz kurze Zeit, bevor das Ibizavideo bekannt wurde, ganz knapp davor (Ah-Ruf bei der ÖVP), und das, meine Damen und Herren, lag woran?

Blicken wir ganz kurz zurück: Der sogenannte beste Innenminister der Zweiten Republik (Abg. Belakowitsch: Nicht sogenannte!) war ganz kurz im Amt, da gab es einen Anruf des sozialdemokratischen Rechtsanwaltes Lansky im Kabinett des Verteidigungsminis­ters Kickl (Abg. Wöginger: Innenministers! – Abg. Belakowitsch: Der war nie Verteidi­gungsminister!), um ein Konvolut, das zwei Jahre alt war, wieder hochzubringen und mit diesem Konvolut mithilfe einer vielleicht naiven Staatsanwältin eine rechtswidrige Haus­durchsuchung bei gleichzeitiger Beeinflussung von Zeugen im Kabinett des Innenminis­ters voranzubringen. (Abg. Belakowitsch: Kollege Gerstl, Hochmut kommt vor dem Fall! Aufpassen! Aufpassen, Kollege Gerstl!) Vergessen wir nicht, welche Rolle das Kabinett und der Herr Innenminister der Freiheitlichen Partei damals gespielt haben! Das ist die Grundlage! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das ist die Grundlage für dieses heutige besonnene Handeln. Der Auslöser war der so­zialdemokratische Rechtsanwalt Lansky, und die FPÖ ist hinterhergehirscht. Das war der Punkt, der diese Vertrauenskrise gegenüber Österreich gebracht hat.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dieses Vertrauen wiederherzustellen. (Abg. Belakowitsch: Das ist aber auch spannend, dass Sie genau in den Chor der SPÖ mit­einstimmen! Das ist spannend!) Dazu dient nun der Vorschlag, der eingebracht wurde, und es ist heute wichtig, dass wir und Sie als Opposition hier nicht die Bundesregierung blockieren und behindern wollen (Abg. Einwallner: Das Parlament einbinden! Das ist ganz was anderes! Das Parlament einbinden!), denn die Österreicherinnen und Österrei­cher wollen etwas ganz anderes: Die wollen, dass alle, die hier sind, gemeinsam für Österreich arbeiten – und nicht gegeneinander, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Abg. Belakowitsch: Arbeiten Sie nicht im­mer gegen die Opposition! Binden Sie die Opposition ein!)


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Daher gehen wir diesen Weg für die Sicherheit Österreichs mit Innenminister Karl Ne­hammer voran. – Vielen, vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

11.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.


11.52.26

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Abg. Hörl: Jetzt bin ich gespannt, wie man sich da herausredet!) Sehr geehrter Herr Innenminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn man bei einer Hausdurchsuchung, die im Übrigen angeordnet war und nicht aus Eigenem durchgeführt wurde – also nicht auf An­ordnung des Innenministers; bleiben wir bei der Wahrheit! –, etwas findet, nach dem man eigentlich gar nicht gesucht hat, dann nennt man das Zufallsfund – und einen sol­chen Zufallsfund hatten wir zweifelsfrei, was den bedenklichen Zustand im Inneren des BVT betrifft, wie wir im U-Ausschuss festgestellt haben.

Auch die Überprüfung seitens der ausländischen befreundeten Geheimdienste brachte dasselbe Resultat und eine ellenlange To-do-Liste an das Innenministerium. Es wurde schon gesagt, speziell die IT entsprach nicht mehr dem aktuellen Stand, und auch die hohe Zahl der Nebenbeschäftigungen von BVT-Mitarbeitern verwunderte einigermaßen.

Wir standen und stehen auch heute noch dazu, dass es unumgänglich ist, das BVT zu reformieren, und wir stehen auch dazu, dass es tiefer greifende Vertrauenswürdigkeits­überprüfungen bei Staatsschützern, die bereits aktiv sind, und auch bei Bewerbern für das BVT geben muss. Auch die Etablierung einer wirklichen Spezialausbildung ist natür­lich positiv und als angebracht anzusehen.

Wenn es nun aber schon kein Gesetz ist, in dem geregelt wird, was die Aufnahmekrite­rien und die Ausbildung betrifft, sondern nur eine Verordnung, dann würden wir uns auch erwarten, dass diese Verordnung den Hauptausschuss des Nationalrates passiert.

Warum? – Wir sind der Meinung, dass der Verfassungsschutz zum Schutz der freiheit­lich-demokratischen Rechtsordnung eingerichtet wurde, und eben in diesem Parlament schlägt das Herz der Demokratie. Es geht uns bei der Vorlageverpflichtung nicht darum, dass wir wissen wollen, wer ad personam im BVT verpflichtet wird, sondern wir wollen lediglich wissen, was die Grundpfeiler der Ausbildung sind und was die Erfordernisse für eine Ernennung auf eine Planstelle im BVT sind – klare Parameter, transparent und fair.

Wie gesagt, aus dem BVT-U-Ausschuss wissen wir nur allzu gut, dass eine Parteizuge­hörigkeit einer Karriere im Staatsschutz mitunter förderlicher sein kann als jahrelange Erfahrung und Linienkarriere im Polizeiapparat. Darum wollen wir, dass eben dieser Parteieinfluss zurückgedrängt wird, und darum wollen wir, dass der Hauptausschuss eingebunden wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Amesbauer zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Bedingungen für eine tatsächliche Berichtigung. Bitte.


11.55.26

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollege Gerstl hat hier mehrere Falschbehauptungen aufgestellt und Verdrehungen vor­genommen. Er hat davon gesprochen, dass es einen Anruf von der Kanzlei Lansky gab und dass dieser im Verteidigungsministerium, im Kabinett des Verteidigungsministers Kickl aufgeschlagen ist (Abg. Ofenauer: Das war ja der Innenminister, der Kickl!), und er hat auch behauptet, dass die Hausdurchsuchung im BVT damals der Grund für den Vertrauensverlust war, den wir bei internationalen Diensten und befreundeten Partner­diensten erlitten haben.


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Ich berichtige tatsächlich: Erstens, Herbert Kickl war nie Verteidigungsminister. (Neuerli­cher Zwischenruf des Abg. Ofenauer. – Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.)

Zweitens, die Kontaktaufnahme erfolgte nicht über das Kabinett, weder im Verteidigungs­ministerium noch im Innenministerium, sondern über das Generalsekretariat. (Lebhafte Heiterkeit des Abg. Gerstl. – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belako­witsch: Was findet ihr so lustig dran?) – Ja, wenn wir schon bei der Wahrheit bleiben, dann müssen wir all das auch aufzählen. (Abg. Belakowitsch: Sehr peinlich, Herr Kol­lege Gerstl!)

Ich berichtige weiter tatsächlich: Drittens, die Hausdurchsuchung war nicht der alleinige Grund für den Vertrauensverlust beim Berner Club, sondern ein Sammelsurium von Gründen – ich habe es aufgezählt: das veraltete IT-System, die mangelnde Sicherheit, die Probleme im Gebäude, die Probleme mit Mitarbeitern. Das alles ist bekannt, das alles war in den Medien nachzulesen, und Sie, Herr Kollege, kennen das ganz genau.

Viertens – das muss auch wieder einmal gesagt werden –: Herbert Kickl war nicht an­geblich der beste Innenminister aller Zeiten, sondern tatsächlich. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das Vierte war keine tatsächliche Berichtigung, sondern ein Redebeitrag. (Abg. Belakowitsch: Das war mehr tatsächliche Berichtigung als ...!)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gahr. – Bitte.


11.57.12

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wir blicken zurück ins Frühjahr 2018. Es be­gann mit einer Hausdurchsuchung, von der sich ja im Nachhinein herausgestellt hat, dass sie rechtswidrig war. (Abg. Amesbauer: Teilweise!) Es hat eine intensive politische Diskussion in einem Untersuchungsausschuss gegeben, und heute, über zwei Jahre später, dürfen wir ein Gesetz verabschieden, das uns für die Zukunft fit macht und das wieder Vertrauen in den Verfassungsschutz bringen wird (Abg. Belakowitsch: Das glaub ich nicht!) und bringen soll.

Die tatsächliche Berichtigung hat ja gezeigt: Es stand eine Suspendierung der Mitglied­schaft im Berner Club, dem europäischen Geheimdienstnetzwerk, im Raum. Wir haben darauf reagiert, und unser Bundesminister legt heute ein Gesetz vor, das uns für die Zukunft fit macht. Es startet mit dem ersten Schritt, bei dem es hauptsächlich um perso­nelle Anforderungen und Herausforderungen geht.

Unser Bundesminister hat es soeben erwähnt: Aktuell gibt es riesige Herausforderun­gen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verfassungsschutz zu bewältigen ha­ben, die uns wieder Sicherheit geben. Die Eckpunkte der Sicherheit sind unsere Mitar­beiter! Es wird eine erweiterte Sicherheitsprüfung, eine Reform der Ausbildung und eine neue Aufnahmerichtlinie geben.

Was ändert sich da eigentlich? – Wir passen die Anforderungen an. Es wird Eignungs­tests, psychologische Interviews, Hearings und eine sogenannte BVT-Kommission ge­ben. Es wird eine Erhebung relevanter personenbezogener Daten geben, und das Bun­desamt für Verfassungsschutz wird ermächtigt, Auskünfte von Gebietskörperschaften und ausländischen Sicherheitsbehörden zu verlangen. Diese Vertrauenswürdigkeitsprü­fung wird alle sechs Jahre wiederholt und bei Verdachtsfällen sofort.

Zusammenfassend kann man sagen: Der Verfassungsschutz in Österreich wird neu auf­gestellt, er wird an die Anforderungen und Herausforderungen angepasst. Es gibt ja in


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der Zwischenzeit bereits positive Signale, dass dieser in Österreich gesetzte Schritt aus dem Berner Club und auch aus Deutschland begrüßt wird. (Präsidentin Bures über­nimmt den Vorsitz.)

Herr Bundesminister, dieser erste Schritt ist wichtig. Wir müssen gemeinsam, und ich glaube – man hat es im Ausschuss auch mitbekommen –, wir wollen auch gemeinsam all das weiterentwickeln und auf neue Beine stellen.

In diesem Sinne: Danke für die Mitarbeit, für die Zusammenarbeit, danke an die Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter im BVT, danke an das BMI, an unseren Herrn Bundesminister und an alle, die da einen positiven Beitrag geleistet haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.00


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart werde ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für innere Angelegenheiten verlegen.

12.00.352. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 285/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Da­tenerhebung und Forschung im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frau­en (329 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen damit zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Selma Yildirim, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


12.01.02

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wer die heutigen 1,5 Stunden der Fragestunde mit der Frauen- und Integrationsministerin auf­merksam mitverfolgt hat, wird sich vielleicht an unsere Kritik erinnern, dass es ein fataler Fehler war, Frauen und Integration in einem Ministerium zusammenzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben in diesen 1,5 Stunden für die Österreicherinnen, für die Frauen, die hier in Österreich darunter leiden, dass sie einen geringeren Lohn erhalten, dass sie Beruf und Familie nicht vereinbaren können, keine einzige konkrete Antwort bekommen. Wir haben keine Antwort zu einem Lohntransparenzgesetz bekommen, keine Antwort darauf, wie das denn gehen soll, dass man aus dieser Teilzeitfalle herauskommt, in der sich sehr viele Frauen unfreiwillig befinden. Sehen Sie sich bitte die ÖVP-geführten Länder an! Sehen Sie sich an, wie die Situation der Frauen aussieht!

Wir sprechen heute hier über Gewaltschutz. Wie soll Gewaltschutz funktionieren, Herr Minister, wenn vielen Frauen das selbstbestimmte Leben de facto nicht möglich ist? – Schöne Worte zu sagen, total NLP-geschulte Ministerinnen hier stehen zu haben, die sagen, was sie alles Gutes tun, das hilft keiner einzigen Frau (Beifall bei der SPÖ), und die Vermischung der Situation der Frauen in Österreich mit der Zuwanderung ist unzu­lässig und eine Verhöhnung der Frauen, die darunter leiden und oft aus dieser Gewalt­spirale gar nicht herauskommen – das muss ich einfach anmerken! (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich habe nicht schlecht gestaunt, als die Ministerin hier stand und sagte, Sexismus sei ein Problem. – Super! Diese Erkenntnis ist wichtig! Und Sexismus ist natürlich auch im­portiert – aber nicht nur, es wäre auch wichtig, das zu sagen! Es wurde auch gesagt, dass es Fachstellen in jedem Bundesland gibt – da habe ich mir gedacht: Schau einmal! Ist da in der ÖVP der Feminismus ausgebrochen?

Nichts davon stimmt! Es war Frauenministerin Ines Stilling (Zwischenruf des Abg. Han­ger), die Vorgängerin, die ihre knappe Zeit genützt hat, um in jedem Bundesland zumin­dest eine Fachstelle zu unterstützen. So sieht es aus! (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit und Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Ich möchte auch daran erinnern, dass Anfang 2017 die ÖVP-geführte Regierung 100 Ge­waltschutzplätze PR-technisch perfekt mehrfach debattiert und präsentiert hat. Bis heute fehlt die Umsetzung jedes dieser Versprechen! Nur ein PR-Gag!

Weil die Frauenministerin heute gesagt hat, Sie werde die Gleichbehandlungsanwalt­schaft personell aufstocken, möchte ich auch daran erinnern, dass wir im Novem­ber 2018 den Bericht der Gleichbehandlungsanwältin zum Anlass genommen und genau das gefordert haben. Dazu gibt es sogar eine Entschließung, die in diesem Parlament mit Mehrheit beschlossen wurde. Wo ist denn die Umsetzung? Was ist denn jetzt wirklich mit den Frauenrechten? Wer bremst denn in frauenpolitischen Fragen?, das frage ich Sie als ÖVP-Abgeordnete! (Beifall bei der SPÖ.) In welchen Bereichen gibt es denn ein Problem, wenn wir über Kinderbetreuung und den Ausbau von Kinderbetreuungseinrich­tungen sowie Lohngleichheit reden?

Eines aber ist positiv: Sie haben meinen Antrag zumindest zum Anlass für eine Aus­schussentschließung genommen und es wird eine Studie in Auftrag gegeben.

Lassen Sie es mich zum Schluss aber ganz klar bekennen: Es geht in der Frage des Gewaltschutzes um Leben und Tod. Deshalb mein Appell an jede und jeden Einzelnen – auch an Sie, Herr Minister –, alles zu unternehmen, um häusliche Gewalt zu verhindern und betroffenen Frauen bestmöglich zu helfen, statt wie derzeit um jeden Frauenhaus­platz, um jede Verbesserung jahrelang diskutieren zu müssen!

Hören Sie auf mit Frauenbashing! Hören Sie auf mit SPÖ-Politikerinnen-Bashing! Dass wir beim Schutz gegen häusliche Gewalt als Vorzeigeland dastehen, ist eine Errungen­schaft der SPÖ-Frauenpolitikerinnen! Nehmen Sie das zur Kenntnis und unterlassen Sie diese Beschuldigungen, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben! (Beifall bei der SPÖ.)

12.05


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.


12.05.35

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr In­nenminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Yildirim, nach Ihrem Redebeitrag stellt sich für mich schon die Frage, ob Sie in der Fragestunde mit Ministerin Raab wirklich anwesend waren. (Zwischenruf der Abg. Yildirim.) Anscheinend haben Sie wirklich nicht richtig zugehört und die Stille Post im Sektor dort drüben hat nicht richtig funktioniert; aber das kennen wir ja: Beim Stille-Post-Spielen ist das Endergebnis nach­her immer ein bisschen verzerrt. Offensichtlich waren Sie nicht da (Ruf bei der SPÖ: Waren Sie da?) und offensichtlich haben da jetzt wirklich der Frust und die Enttäuschung über die vergangenen Jahre in der Frauenpolitik aus Ihnen gesprochen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Frauendebatte positiv sehen (Zwischenruf der Abg. Yildirim), und es ist schön, dass wir uns darin einig sind, dass jeder Fall von Gewalt an Frauen ein Fall zu viel ist.


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Im Regierungsprogramm ist auch das Ziel verankert, dass Frauen und Kinder in Öster­reich frei von Gewalt leben können sollen. Darüber sollten wir heute sprechen und nicht über die Vergangenheitsbewältigung, die in der SPÖ anscheinend nicht so gut funktio­niert. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade in Krisenzeiten steigt die häusliche Gewalt leider umso mehr an, das haben wir seit Beginn der Covid-Krise auch gesehen. Während des Lockdowns und seit dem Lock­down sind leider die Fälle gestiegen und auch die Zahl der Annäherungsverbote ist ge­stiegen. Ich möchte dazusagen: Die Annäherungsverbote gibt es ja erst seit Jänner die­ses Jahres, und darum ist es wichtig, dass wir uns mit dieser Studie auch ansehen, was die Annäherungsverbote gebracht haben.

Wir müssen auch schauen, welche Faktoren der Grund dafür sind, dass die Gewalt in Krisenzeiten steigt, sei es, dass Ausgehmöglichkeiten geschlossen haben, sei es der vermehrte Kontakt in den Familien auf engem Raum oder auch ein zusätzlich belasten­der Faktor, zum Beispiel der Verlust des Arbeitsplatzes. Diese Faktoren und diese Um­stände – das möchte ich explizit festhalten – rechtfertigen aber keine Gewalt an Frauen und Kindern, das muss uns auch klar sein!

Ein wirksames Mittel sind auch die sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Wir werden diese weiterentwickeln, unter Einbeziehung der Opferschutzeinrichtungen – ich glaube, das ist auch als sehr positiv festzuhalten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich bin wirklich davon überzeugt, dass diese Studie ein wesentlicher Beitrag dazu sein wird, dass wir Frauen und Kinder in Zukunft besser vor häuslicher Gewalt schützen kön­nen und dass wir vor allem Präventionsmaßnahmen viel zielgerichteter einsetzen kön­nen. Darum lade ich Sie ein, liebe Kolleginnen und natürlich auch liebe Kollegen: Neh­men wir dann das Ergebnis der Studie, schauen wir, wie wir Frauen und Kinder besser vor Gewalt schützen können, denn es soll wirklich nicht sein, dass man sich zu Hause vor Gewalt oder vor Übergriffen fürchten muss! Das ist die Aufgabe der Politik, das ist unsere Aufgabe – und ich bitte Sie darum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeord­nete Selma Yildirim zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.08.50

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Abgeordnete Jachs hat in ihrer Rede be­hauptet, dass ich während der Fragestunde, in diesen 1,5 Stunden, nicht da war. (Abg. Hanger: Zugehört!) – Das ist nicht richtig.

Der richtige Sachverhalt lautet: Ich war anwesend und ich habe sehr aufmerksam zu­gehört, und ich bitte Sie, hier nicht Tatsachen zu verdrehen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

12.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte.


12.09.20

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geschätz­ter Herr Minister! Hohes Haus! Österreich gilt laut dem SPÖ-Antrag als Vorreiter im Be­reich des Gewaltschutzes in puncto häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen.

Zu Frau Kollegin Jachs: Ja, wir haben heute – ich war auch hier und habe auch zuge­hört – so wie in jeder Sitzung von einem großen Portfolio gehört, was denn das Ministe­rium und die Frau Minister nicht alles an Gutem dazu tun. Das sei ihr unbenommen,


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aber: Es gibt auch heuer wieder viel zu viele Morde und viel zu viele Gewalttaten. Wo also sind die positiven Auswirkungen dieser Maßnahmen?

Diese vielen Morde und diese vielen Gewalttaten, die Frauen betreffen, sind unabhängig von Covid, und – wir haben es alle befürchtet – sie haben durch Covid weiter zugenom­men. Daher ist eine Weiterentwicklung der Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt unbe­dingt nötig.

Ich wiederhole nur kurz, was wir heuer von so vielen Frauen und auch von einigen Män­nern immer wieder gehört haben: In Österreich wird jede fünfte in einer Beziehung le­bende Frau von ihrem Ehemann oder von ihrem Lebensgefährten misshandelt. Jede dritte Frau in Österreich war bereits Opfer von sexualisierter Gewalt, sie wurde verge­waltigt, zu sexuellen Handlungen genötigt. Mehr als die Hälfte aller Frauen haben kör­perliche Gewalt erfahren. Von der sogenannten leichten gsunden Watschn für Kinder bis zum Verprügeln, bis zur psychischen Gewalt ist laut der österreichischen Prävalenzstu­die alles dabei.

Wir hören immer, was nicht alles gemacht wird, aber wenn es um Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Österreich geht, stehen den steigenden Zahlen wenig Daten ge­genüber. Die Messung, in welchem Ausmaß die Umsetzung der geplanten Maßnahmen zum Beispiel beim Annäherungsverbot erfolgt und natürlich auch der Auswirkungen die­ser Maßnahmen, ist im Sinne einer zielorientierten Gewaltschutzpolitik einfach notwen­dig. Wir müssen ja wissen, was hilft, wo es Nachbesserung oder einen neuen Ansatz braucht. Wir sind für bestmöglichen Schutz vor Gewalt, und eine Statistik kann unter­stützen, um geeignete weitere Schritte zu setzen. Es braucht dazu aber auch ordentliche spürbare Maßnahmen, damit nicht jeden Tag in der Zeitung von einer weiteren Gewalttat berichtet wird. (Beifall bei der FPÖ.)

12.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Meri Disoski. – Bitte.


12.11.57

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Innenminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Yildirim, Sie haben gesagt, im Gewaltschutz geht es um Leben und Tod. – Ja, das tut es! Während wir gestern hier debattiert haben, ist auf orf.at folgende Meldung online gegangen: „Mann soll 29-Jährige schwer verletzt haben“. Im Burgenland hat am vergangenen Wochenende ein Mann einer Frau sehr schwere Stich­verletzungen zugefügt, „die Polizei ermittelt wegen Mordversuchs“. Und erst am 28. Juni, also eine Woche davor, hat ein Mann in Tirol seine Frau getötet, und das war der elfte Frauenmord in Österreich in diesem Jahr.

Ich möchte gerne mit Ihnen gemeinsam einen Moment innehalten, um uns daran zu erinnern: Das sind nicht nur irgendwelche Zahlen, hinter jeder Zahl steht ein Mensch, eine Frau, eine Freundin, eine Partnerin, eine Schwester, eine Enkelin, eine Mutter, eine Tochter.

Jeder dieser Morde fußt auf einem Fundament, das auf Männergewalt, auf Misogynie, auf Sexismus und auf Frauenverachtung aufgebaut ist. Gegen dieses Fundament und gegen die dahinterstehenden Werte, Kolleginnen und Kollegen, müssen wir jenseits von Parteifarben gemeinsam kämpfen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Im Kampf gegen Gewalt an Frauen und Mädchen hat der Europarat ein Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt aus­gearbeitet, nach ihrem Unterzeichnungsort wird es Istanbulkonvention genannt. Sie alle wissen, Österreich hat diese Konvention 2013 ratifiziert. Sie ist vor zwei Jahren von einer unabhängigen ExpertInnengruppe, der sogenannten Grevio-Kommission, hinsichtlich


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des Umsetzungsstands geprüft worden, und die ExpertInnen haben einige Kritikpunkte herausgefiltert, die gleichsam auch die Versäumnisse der vergangenen Regierungen darstellen.

Was wir jetzt gemacht haben, ist, uns im Regierungsübereinkommen auf die bestmög­liche Umsetzung dieser Istanbulkonvention zu verständigen. Das bedeutet natürlich auch, dass wir Schritt für Schritt für Schritt all jene Kritikpunkte, die von der Grevio-Kom­mission zu Recht vorgebracht worden sind, abarbeiten wollen.

Was heißt das konkret? – Lassen Sie mich konkreter werden: Einiges haben wir schon geschafft. Von wegen Ankündigungspolitik, Kollegin Yildirim: Wir haben zum ersten Mal seit Langem mehr Geld im Frauen- und Gleichstellungsbereich zustande gebracht. Das bedeutet natürlich auch mehr Geld für den Gewaltschutz. Mehr Mittel für den Gewalt­schutz sind wichtig und ganz zentral. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Was haben wir außerdem geschafft? – Wir haben wichtige erste Schritte für ein Gesamt­paket zum Kampf gegen Hass im Netz gemacht. Während wir hier debattieren, läuft ge­rade eine Pressekonferenz der Ministerinnen, um da – wie Frau Ministerin Raab vorhin gesagt hat – die nächsten Schritte vorzustellen. Wir wissen, dass Hass im Netz, Hass und Gewalt im virtuellen Raum ein massives Problem ist. Das kritisieren die ExpertInnen schon seit Langem. Was tun wir? – Wir handeln! (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Wir sind also mitten im Abarbeiten dieser Kritikpunkte, und deshalb haben wir im inhaltli­chen Zusammenhang mit Ihrem Antrag, Kollegin Yildirim, gemäß § 27 Abs. 3 einen ei­genen Antrag eingebracht. Ich möchte Sie alle, die Sie hier sitzen, bitten, diesen auch zu unterstützen. Was wollen wir mit diesem Antrag? – Eine Studie soll erheben, ob und warum es im Rahmen von Covid zu einem Anstieg bei Gewalt an Frauen gekommen ist. Auf Basis dieser Daten sollen dann weitere Maßnahmen im Gewaltschutz erarbeitet wer­den. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Warum beschränken wir uns da auf die Covid-Krise? – Ganz einfach: Wir wollen einen Zeitraum haben, der abgegrenzt ist, damit wir schneller Studienergebnisse haben, auf deren Basis wir weiterarbeiten können. Der Innenminister hat gesagt, dass die Studie bereits in Auftrag gegeben worden ist, und erste Ergebnisse sind für August zu erwarten.

Nicht zuletzt geht es auch um die Weiterentwicklung der multiinstitutionalen Hochrisiko­fallkonferenzen. Zentral ist mir dabei die Einbindung von Opferschutzeinrichtungen, ihre Expertise wollen wir nutzen, auf ihre Erfahrungen wollen wir aufbauen. Das ist zentral im Gewaltschutz. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf Sie abschließend nochmals um breite Unterstützung unseres Antrags bitten und komme zum Schluss: Ich möchte noch einmal auf etwas hinweisen, so wie ich es schon das letzte Mal getan habe: Gewalt gegen Frauen und Mädchen beginnt auch bei der sprachlichen und bildlichen Darstellung von Frauen. Sexistische Beschimpfungen durch hochrangige Landespolitiker, ein frauenverachtendes Banner in einem Fußballstadion und auch eine wirklich grindigste sexistische Karikatur einer Spitzenpolitikerin in einer Zeitung – Sexismus ist Sexismus und bleibt Sexismus! Dagegen müssen wir alle jenseits von allen Parteifarben hier gemeinsam vorgehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen so­wie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

12.16


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


12.16.21

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Corona erlebt ja jeder und jede anders.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 58

Die einen versuchen sich an Namaste und im Yogieren, andere haben ihre Liebe zum Stricken entdeckt, wiederum andere entschleunigen nach allen Regeln der Kunst. Man­che müssen Verwandte und ihnen nahestehende Menschen bei schweren Erkrankun­gen begleiten und haben auch neue Arbeitsformen kennengelernt. Viele müssen ihre Kinder, das Homeoffice und den Haushalt balancieren. Andere wiederum machen sich große Sorgen um ihren Job, um beide Jobs, um das Familieneinkommen. Und zu allem Überfluss ist dann da auch noch ein schlecht gelaunter Partner.

Covid-19 bestimmt das Leben von uns allen, und wir müssen alles tun, um das, was mit diesem Virus zu tun hat, gut aufzubereiten, zu analysieren und zu dokumentieren. Die Gesundheitszahlen sind ja mittlerweile ganz gut erfasst. Die Wirtschaftsdaten haben wir auch im Blick, auch wenn es hier unterschiedliche Perspektiven gibt. Wir brauchen diese Daten, um steuern zu können, um Handlungsoptionen abzuleiten, um zu sehen, was wir besser und anders machen können.

Über die eigentliche Situation der Familien zu Hause wissen wir noch viel zu wenig. Wir waren ja auch alle erstaunt, wie viele Kinder für ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht er­reichbar waren. Das hätten wir alle in dieser Dimension nicht gedacht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Über die Situation der Frauen, über die Entwicklung häuslicher Gewalt während der Co­ronakrise wissen wir ebenfalls sehr wenig. Wir kennen immer nur die ganz besonders tragischen Fälle, wenn wieder eine Frau von ihrem Partner ermordet wird. Diese Unwis­senheit ist einer der Gründe, weshalb wir auch zu wenig gegen häusliche Gewalt tun können.

Wir brauchen daher Informationen, wir brauchen Daten, um Entscheidungen treffen zu können, und zwar die richtigen Entscheidungen auf Basis von Evidenz. Wir erleben zwar mit Covid-19 gemeinsam eine Situation, die so noch nie da gewesen ist, und wir üben uns auch in vielerlei Hinsicht in einem neuen Zusammenhalt, aber gleichzeitig sind die Herausforderungen und Auswirkungen für jeden Menschen, für jede Familie und vor al­lem für jede Frau verschiedene.

Genau dieser Frage, nämlich wie sich Stimmungslagen, Einstellungen, Verhaltenswei­sen und Informiertheit der Bevölkerung im Laufe der Krise entwickeln, widmet sich das Austrian Corona Panel Project der Universität Wien. Da arbeitet ein Team von Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen daran, wichtige Fra­gen zu beantworten, etwa: Wie sehen Menschen die Bedrohungen auf gesundheitlicher und wirtschaftlicher Ebene? Wie stehen sie zu den getroffenen politischen Maßnahmen? Was denken sie von den demokratiepolitischen und kommunikativen Herausforderungen?

Kern der Studie ist eine Panelumfrage mit 1 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Panelumfrage bedeutet, dass dieselben Personen wiederholt befragt werden, um auf diese Art und Weise Veränderungen in einer Zeit rascher Umbrüche nachverfolgen zu können.

Ich mache deshalb auf dieses wichtige Projekt aufmerksam, weil es zeigt, wie wichtig Studien, wie wichtig wissenschaftliche Aufbereitungen generell sind, und in dieser Krise ganz besonders, denn nur das, was gemessen wird, findet offiziell auch statt, und Gewalt gegen Frauen findet statt: jeden einzelnen Tag, auf vielfältige Arten. Wir unterstützen daher selbstverständlich jede fundierte Initiative, jede wissenschaftliche Studie, die Ge­walt gegen Frauen untersucht und natürlich auch Handlungsoptionen ableitet. – Vielen Dank.

Ich möchte noch ein Mail vorlesen, das mich vorhin gerade erreicht hat, von Frau Pospi­schil: „Sehr geehrte Frau Abgeordnete,

Ich verfolge soeben die Fragestunde an die Frauenministerin und möchte


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 59

Auf die Gruppe Frauen hinweisen, die oft Jahrzehnte ihr Söhne und Töchter die mit einer Behinderung leben, betreuen, pflegen und begleiten hinweisen. Viele haben während der Coronakrise von heute auf morgen die Betreuung rund um die Uhr übernommen und damit einen großen Beitrag zur Bewältigung der Krise geleistet und verdienen sich bei Euren Diskussion nicht vergessen zu werden.“

Frau Pospischil, Sie haben vollkommen recht, und ich habe damit Ihr Anliegen auch meinen Kolleginnen und Kollegen vorgetragen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.20


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Karl Nehammer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


12.20.32

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete des Hauses! Ich bitte um Nachsicht, dass ich jetzt zu diesem Punkt der Letzte auf der Rednerliste bin; das ist normalerweise nicht die Usance. Mir ist es nur wichtig, noch auf eines hinzuweisen: Gewalt – und das ist Grundkonsens dieses Hau­ses – hat weder im öffentlichen noch im privaten Raum irgendeinen Platz. Der private Raum, sprich häusliche Gewalt, Gewalt in der Familie, ist aber oft deshalb so schwer polizeilich zu greifen, weil es dazu die Verständigung der Polizei braucht, es braucht die Anzeige.

Wenn man hinter die Kulissen schaut, nach den Ursachen forscht, was in der Coronavi­ruszeit passiert ist, und das, so wie Frau Abgeordnete Disoski zu Recht eingefordert hat, jetzt auch zeitnahe erfolgt, sodass diese Studie dann im August vom Innenministerium präsentiert werden kann, so erkennt man, dass es über die Coronaviruszeit hinaus auf jeden Fall immer eine Herausforderung gibt, und zwar die, dass die Opfer Angst haben, dass ihnen nicht ausreichend geholfen werden kann.

Jede Diskussion ist, finde ich, eine Gelegenheit, an diejenigen, die von Gewalt bedroht sind, deren Kinder bedroht sind, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlen, weil sie Angst haben, dass sie nicht wieder in ihr Zuhause zurückkehren können, auch von dieser Stelle aus die klare Botschaft zu richten: Es kann geholfen werden, und es wird geholfen, wenn wir gerufen werden. Die Polizei, 133, ist der sicherste Notruf, wenn man von Gewalt bedroht ist. Es gibt ein fein ziseliertes Netzwerk – auch mit der Zivilgesellschaft –, sodass all denen nachhaltig geholfen werden kann, die Angst haben, dass sie nicht mehr in ihre eigenen vier Wände zurückkommen können. Es gibt viele nachhaltige Kooperationen, sodass wir Frauen und auch ihren Kindern Schutz gewähren können, wenn sie bedroht sind. Es gibt seit 1997 diese enge Kooperation zwischen Zivilgesellschaft, Polizei und Justiz, damit wir nachhaltig helfen können, und es gibt jetzt vor allem ein Instrumenta­rium, das wichtig ist, um als Polizei im Ernstfall noch schneller eingreifen zu können – ich sage das hier deshalb nochmals, damit sich potenziell bedrohte Opfer sicher fühlen können, weil wir ihnen nachhaltig helfen können –: Es gibt auch das Annäherungsverbot.

Es wird gegenüber dem Gewalttäter ein Betretungsverbot ausgesprochen, aber auch ein Annäherungsverbot. Warum ist das so wichtig? – Das Annäherungsverbot versetzt die Polizei in die Lage, noch schneller eingreifen zu können, noch schneller helfen zu kön­nen, wenn der Gewalttäter seine Grenzen im wahrsten Sinne des Wortes wieder über­schreitet.

Meine große Bitte ist, dass wir jede Gelegenheit in der Öffentlichkeit nutzen, um Men­schen darüber zu informieren. Das war auch der Grund dafür, warum ich in der Coro­naviruszeit gemeinsam mit der Frauenministerin eine Informationskampagne dahin ge­hend gestartet habe, wo und wie geholfen werden kann, welche Telefonnummern zur Verfügung stehen, sei es betreffend Beratung oder eben der Polizeinotruf 133, wenn es darum geht, dass schnell und unmittelbar geholfen wird.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 60

Die Beamtinnen und Beamten vor Ort sind gut ausgebildet, die entscheiden in Bruch­teilen von Sekunden, was zu tun ist, sprechen das Betretungsverbot aus, sprechen dann auch das Annäherungsverbot aus. Das sind wichtige Maßnahmen.

Für mich war es jetzt wichtig, die Gelegenheit zu nutzen und den Frauen, die sich von Gewalt bedroht fühlen, zu signalisieren: Es kann geholfen werden! Wichtig ist, dass die Polizei gerufen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Innenausschusses.

12.24.233. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 604/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Untersagung der ultranationalistisch-faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk (330 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 618/A(E) der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Sabine Schatz, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untersagung der Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“ (331 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 731/A(E) der Abgeordneten Mag. Peter Weidinger, Sabine Schatz, Mag. Georg Bürstmayr, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untersagung der Feier im Gedenken an das „Massaker von Bleiburg“ (332 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir fahren in der Tagesordnung fort. Wir gelangen zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 5, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Sabine Schatz. – Bitte.


12.25.28

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Jedes Jahr Mitte Mai kommen in Bleiburg 10 000, 15 000, ja bis zu 30 000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zusammen, um dort die Erinnerung an den kroatischen NDH-Staat, seine Wehrverbände und die Soldaten der faschistischen Ustascha zu zelebrieren, aber auch der Angehörigen der Waffen-SS und der Wehrmacht zu gedenken. Es gilt als das größte Treffen von Faschisten und Neonazis in Europa.

Veranstalter des Treffens ist der Bleiburger Ehrenzug, dem vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes eine geschichtsverfälschende und revisionistische Tendenz zugeschrieben wird. Die Veranstaltung, bei der offen Hitlergrüße gezeigt wer­den, in deren Gefolge es immer wieder zu Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz


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kommt, bei der vor allem aber Fahnen und Abzeichen der faschistischen Ustascha ge­zeigt werden, faschistische Parolen geschrien werden, faschistische Lieder gesungen werden, könnte in dieser Form in Kroatien nicht stattfinden.

Verfassungsjurist Heinz Mayer hat ein Rechtsgutachten verfasst, in dem es heißt: „[...] ist die Untersagung der geplanten Gedenkveranstaltung nicht nur zulässig, sondern ge­boten.“

Das 2018 unter Innenminister Kickl geänderte Symbole-Gesetz hat sich auch dort als zahnloser Tiger erwiesen. Das umgedrehte Schachbrettmuster sowie die Flagge mit dem umgedrehten Schachbrettmuster, die in Kroatien verboten sind, und ganz viele an­dere faschistische Symbole der Ustascha können immer noch offen zur Schau gestellt werden. Deswegen braucht es dringend eine Evaluierung des Symbole-Gesetzes, damit diese Symbole auch wirklich alle umfasst sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeord­neten Bürstmayr und Krisper.)

Bisher hatte es ja den Anschein, als könnte einzig eine Pandemie wie im Jahr 2020 diese Veranstaltung verhindern, und es freut mich wirklich, dass es nach langem Ringen end­lich gelungen ist, einen Vierparteienantrag zustande zu bringen, dass diese Veranstal­tung künftig auch tatsächlich vor Ort untersagt werden soll.

Wir wollen kein faschistisches Treffen im Jahr 2021 und darüber hinaus, und wir wollen verhindern, dass Grundstücksankäufe getätigt werden können, die eine Untersagung erschweren würden. Darin sind wir uns einig, und ich bedanke mich wirklich, dass es gelungen ist, das zu viert, also mit vier Parteien tatsächlich voranzutreiben. Herzlichen Dank! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Im Innenausschuss hat ja die FPÖ sogar noch mitgestimmt – und dann nachher auf ei­nen Abstimmungsfehler hingewiesen. Vielleicht können Sie auch heute mitstimmen. (Abg. Angerer: Sicher nicht! Wir werden das erklären!)

Ich freue mich wirklich, dass es gelingt, heute hier die Verantwortung aus unserer Ge­schichte heraus wahrzunehmen und ein klares Zeichen zu setzen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich beim Mauthausen-Komitee Österreich, bei der Israelitischen Kultusgemeinde, bei der Katholischen Aktion und beim Dokumentationsarchiv des öster­reichischen Widerstandes bedanken, die uns im sogenannten Arbeitskreis Bleiburg seit Jahren unterstützen, um diese Veranstaltung vor Ort zu untersagen. Ich freue mich, dass das gelingt. Ein herzliches Danke für die Unterstützung! Herr Innenminister, jetzt sind Sie am Zug. Nie wieder Faschismus! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordne­ten von ÖVP und NEOS.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Peter Weidin­ger. – Bitte.


12.28.49

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Österrei­cherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die in unserem Land leben! Das Ge­denkjahr 2020 ist ein besonderes: 75 Jahre Kriegsende, 75 Jahre Gründung der Ver­einten Nationen, 100 Jahre Verfassung und natürlich für die Kärntnerinnen und für die Kärntner und damit auch für mich persönlich 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung.

Kärnten ist ein großartiges Land, das nicht nur durch seine Schönheit hervorsticht, son­dern auch durch die Besonderheiten und die Eigenheiten der Menschen und die Vielfalt der Leistungen in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft. – Dafür ein herzliches Dankeschön allen Kärntnerinnen und Kärntnern und allen Men­schen, die im Süden unserer Republik leben! (Beifall bei der ÖVP.)


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Eine Demokratie wird immer auch daran gemessen, wie sie mit streitbaren Themen um­geht, die in den Menschen Emotionen auslösen, Emotionen, die oft mit historischen Ge­schehnissen oder mit deren Interpretationen verbunden sind.

Unsere besondere Verantwortung ist es, die Menschen zusammenzuführen und nicht die Gesellschaft zu spalten. Diese Verantwortung ist nicht delegierbar. Das ist der Grundkonsens, die Lehre und das Versprechen der Zweiten Republik: eine wehrhafte Demokratie, ein lebendiger Föderalismus und ein funktionierender Rechtsstaat, um Frie­den zu sichern und Wohlstand zu ermöglichen.

Frieden ist aber immer mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Uns als Politikerinnen und Politikern ist das in jeder unserer Handlungen bewusst. Uns ist klar: Wir dulden keinen Extremismus, egal von welcher Seite, wir setzen auf den Dialog. Wir dulden nicht, dass es zu einer Umdeutung der Geschichte, vereinnahmt durch extremistische Grup­pierungen, kommt. Wir dulden keine Provokationen, sei es von Einzelpersonen oder von Organisationen, die bewusst die Geschichte anders erzählen wollen, um eigene Ziele zu verfolgen. Auch dulden wir keinerlei Einmischung von Drittstaaten oder Gruppierungen, egal ob aus der Türkei oder von einem anderen Staat.

Als Kärntner bin ich froh, dass wir die Debatten und Streitigkeiten, die uns in meiner Heimat über Jahrzehnte beschäftigt haben, endlich hinter uns gelassen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Mit einem neuen Kärntner Selbstbewusstsein stellen wir uns unserer Verantwortung, die nicht delegierbar ist. In Bleiburg zum Beispiel werden heuer im Herbst die Bleiburger Dialogtage stattfinden, eine Diskussionsveranstaltung, die es sich zum Ziel gemacht hat, miteinander zu reden und nicht übereinander, eine Initiative, die Anerkennung verdient und der wir viel Erfolg wünschen.

Ich habe in den letzten Wochen viele Telefonate und persönliche Gespräche mit Men­schen geführt, die zu den Geschehnissen am Loibacher Feld einen besonderen Bezug haben. Dabei habe ich auch Menschen kennengelernt, die keine Schwärmerei in Bezug auf die Uniform haben, sondern den Wunsch hegen, ein Gedenken an ein verstorbenes Familienmitglied oder an einen Angehörigen begehen zu können. Auch der christlichen Tradition kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. (Abg. Belakowitsch: Und wer verbietet das?) Wir anerkennen und respektieren den Wunsch von kroatischen Familien, ein würdiges und angemessenes Totengedenken zu begehen.

Gedenken kann nur in einem friedlichen Geist, ohne politische Instrumentalisierung statt­finden. Es ist unsere Verantwortung, dieses Gedenken vor Missbrauch zu schützen, und das tun wir auch! (Abg. Belakowitsch: Ihr schützt es nicht, ihr schafft es ab!) Daher erwarten wir uns auch von den Organisatoren ein klares Bekenntnis und eine Absage an extremistische Kräfte sowie ein klare Distanzierung der teilnehmenden Vereinigun­gen von rechtsfaschistischer Ideologie und der Zurschaustellung von Ustascha-Symbo­len.

Dieser Antrag legt ein eindeutiges Bekenntnis dazu ab, dass keine extremistische Veran­staltung, geprägt von Nationalismus und Rechtsfaschismus, in Österreich geduldet wird. Dazu braucht es einen intensiven Dialog, wie zum Beispiel durch Einsetzung einer inter­disziplinären Arbeitsgruppe, um innenpolitische, außenpolitische, aber auch europapoli­tische Dimensionen zu erfassen, unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft sowie der Be­zirkshauptmannschaft.

Ich danke dem Innenminister für seine klare Haltung, seine Position, allzeit bereit dem Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen. Der Dank gilt auch der Polizei und den Or­ganen unseres Rechtsstaates, dass sie auf die Einhaltung der Gesetze achten und dabei wesentliche Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit schützen. Unser Selbstverständ­nis basiert auf den europäischen Werten: der Achtung der Menschenwürde, der Freiheit,


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der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschen­rechte. Ich danke allen Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien, die dem die Zustim­mung geben!

Auch wenn es nicht beabsichtigt war, hat die FPÖ im Innenausschuss die Zustimmung zu diesem Antrag gegeben. (Abg. Belakowitsch: ... sicher mit Absicht!) Mit Ihrer mög­lichen Ablehnung heute verpassen Sie die Chance, einen gemeinsamen und verantwor­tungsbewussten Weg in dieser relevanten Angelegenheit einzuschlagen. Unser Ziel ist es, im Jahr 2021 wie auch in den Folgejahren ein Gedenken ohne extremistische Verein­nahmungen zu ermöglichen. (Abg. Belakowitsch: Das könntet ihr machen! Aber nicht verbieten!) Das machen wir aus Überzeugung, gerade weil wir aus unserer Geschichte gelernt haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

12.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


12.34.29

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir bewegen uns hier meiner Meinung nach auf einem sehr schwierigen oder auch gefährlichen Terrain. Man muss ein bisschen aufpassen, dass man da, auch wenn man etwas vielleicht gut meint oder glaubt, es gut zu meinen, nicht über das Ziel hinausschießt.

Das Versammlungsrecht und die Versammlungsfreiheit in Österreich ist ein sehr, sehr hohes Gut, ebenso wie die Meinungsfreiheit. Ich habe in den letzten Tagen einige Zu­schriften von Teilnehmern und Veranstaltern dieses Gedenktreffens bekommen. Die ver­wahren sich dagegen, dass sie pauschal als Faschisten verunglimpft werden – Kollege Weidinger hat ja probiert, die Kurve zu kratzen –; das trifft ja bei Weitem nicht auf alle Teilnehmer zu, sondern das ist eine kleine Minderheit.

Da muss man auch dazusagen, dass in der letzten Gesetzgebungsperiode unter Herbert Kickl das Symbole-Gesetz so verschärft und angepasst wurde, dass die Symbole der Ustascha davon erfasst werden und somit auch verbotene Symbole sind. Der Evaluie­rung dieses Symbole-Gesetzes – dass man sich das noch einmal genau ansieht – haben wir im zuständigen Innenausschuss auch zugestimmt.

Man muss aber schon ein bisschen aufpassen, dass man nicht übers Ziel hinausschießt. Es ist nicht die Aufgabe des Parlaments, jetzt darüber zu urteilen, welche Versammlung, welche Veranstaltung man mag oder nicht. Das kann man sagen: Man mag das nicht, das gefällt mir nicht. Man muss dieses Treffen dort nicht mögen, aber die Meinungsfrei­heit und die Versammlungsfreiheit sind in einer Demokratie ein sehr, sehr hohes Gut, und man muss es auch aushalten, wenn man inhaltlich nicht mit allem übereinstimmt, was dort passiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Innenminister, ich erinnere Sie daran, dass vorgestern, als wir über die türkisch-kurdischen Straßenschlachten in Wien Favoriten gesprochen haben, Sie auch gesagt haben, man kann das nicht pauschal untersagen, weil die Versammlungsfreiheit eben ein hohes Gut ist; da muss man sehr, sehr vorsichtig sein bei einer Veranstaltung, die ja grundlegend friedlich abläuft, auch wenn es da vielleicht einige Vorkommnisse mit verbo­tenen Symbolen gibt – das wollen wir auch abstellen.

Als Parlament jetzt aber herzugehen und das pauschal untersagen zu wollen – bitte, das ist nicht unsere Aufgabe! Es gibt den rechtlichen Rahmen: Es gibt das Strafrecht, das Versammlungsrecht, das Symbole-Gesetz und das Verbotsgesetz. Die zuständige Be­hörde – das würde in diesem Fall die Bezirksverwaltungsbehörde sein – wird auf Grund­lage der gültigen Gesetze zu überprüfen haben – und das passiert ja auch –, ob die


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Veranstaltung zulässig ist oder nicht. Wenn wir das jetzt im Parlament – oder das Innen­ministerium als übergeordnete Behörde – machen und der BH sagen, das ist zu untersa­gen, dann ist das in meinen Augen überheblich und eine Anmaßung.

Es gibt die gültigen Gesetze. Wenn es zu Verstößen kommt, ist dort einzugreifen – das ist ja auch in der Vergangenheit passiert –, und wenn das gegen unsere Rechtsordnung verstößt, ist diese Veranstaltung zu untersagen – aber nicht per Antrag und per Willens­bekundung dieses Hauses. Das ist eine Anmaßung und eine Überheblichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gelten für alle, solange sie sich auf dem Boden unserer Gesetze bewegen! (Beifall bei der FPÖ.)

12.37


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer. – Bitte.


12.38.03

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovana gospa prezidentka! Spoš­tovani gospod minister! Spoštovane kolegice in kolegi! Dragi poslušalci in gledalci in gle­dalke! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Untersagung der ultra­nationalistischen, faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk ist zu untersagen, und dass wir heute hier diesen Beschluss fassen, ist schon längst überfällig – da gibt es keine Diskussion! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Abg. Belakowitsch: Die Untersagung ist zu untersagen!)

Es gibt eine österreichische historische Verantwortung, und dieser Beschluss ist Teil dieser historischen Verantwortung, werte Kollegen von der FPÖ! (Abg. Amesbauer: Sie kennen die historische Wahrheit!) Bereits 2019 kam die Diözese Gurk zum Beschluss, dass es da um kein Gedenken geht und dass es da auch um keine Gedenkmesse geht. Die Diözese Gurk hat dem Bleiburger Ehrenzug und der Bischofskonferenz in Kroatien ganz deutlich mitgeteilt, diese heilige Messe am Bleiburger Feld sei eindeutig „Teil einer Veranstaltung, die politisch instrumentalisiert und Teil eines politisch-nationalen Rituals ist, das einer selektiven Wahrnehmung und Deutung von Geschichte dient“ – also ein­deutig Geschichtsrevisionismus. (Zwischenrufe des Abg. Amesbauer.)

Mit der offenen Huldigung des Unabhängigen Staates Kroatien und der Ustascha wird hier bei uns, auf österreichischem Boden, einer faschistischen Bewegung gedacht, die ideologisch maßgeblich durch den Nationalsozialismus beeinflusst war. Dieses Regime der Ustascha übernahm in Kroatien sofort die Nürnberger Rassengesetze und begann mit der systematischen Verfolgung von Juden, Roma, Serben und oppositionellen Kroaten.

Es ist unter Ustascha-Führung zum KZ Jasenovac gekommen. Das KZ Jasenovac ist vielen auch als das Auschwitz des Balkans bekannt, und die Tatsache eines unter komplett eigener Führung stehenden KZ-Systems ist einzigartig im Dritten Reich. Wer den Unabhängigen Staat Kroatien hochleben lässt, lässt dessen eliminatorischen Anti­semitismus, Antiziganismus und seinen antiserbischen Rassismus hochleben. All das findet in Bleiburg statt. Es ist Geschichtsrevisionismus, wie wir ihn aus den Geschichts­büchern kennen. Dafür steht Bleiburg/Pliberk. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wir haben schon gehört – Frau Kollegin Schatz hat es erwähnt –, es ist das größte Tref­fen dieser Art von Ustascha-Anhängern, Neonazis und Anhängern des Unabhängigen Staates Kroatien. Dokumente im Österreichischen Staatsarchiv beweisen, dass dieser revisionistische Charakter der Veranstaltung nicht erst die letzten Jahre besteht. Die Staatspolizei wusste also seit 1955 genau, wessen dort in Bleiburg gedacht wird.

Noch etwas: Ich war auf vielen Gedenkveranstaltungen, auf vielen antifaschistischen Ge­denkveranstaltungen, meine Verwandten wurden im Zuge des Zweiten Weltkriegs de­portiert, meine Großeltern waren im Widerstand. Ich habe keine einzige Gedenkveran­staltung, bei der wir der Opfer gedacht haben, erlebt, in der es feierlich ausgelassen mit


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Dosenbier dazu kam, dass Verbotsgesetze übertreten wurden. Das gibt es bei Opfer­gedenken nicht, beim Gedenken in Bleiburg aber sehr wohl: regelmäßige Übertretungen des Verbotsgesetzes, regelmäßiges Zeigen des Ustascha-Symbols auf Fahnen, auf
T-Shirts und sehr oft in Kombination mit der gehobenen rechten Hand und Dosenbier. Das ist kein Opfergedenken. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

In Kroatien ist genauso wie bei uns der Hitlergruß verboten, es ist der Spruch „Za dom – spremni!“ verpönt und das Ustascha-Symbol nicht erlaubt. Deshalb kommt es nicht von irgendwo, dass sich Ustascha-AnhängerInnen in Bleiburg/Pliberk treffen, um dieses Symbol hochleben zu lassen, und es dort einen Gedenkstein gibt, auf dem dieses Sym­bol abgebildet ist. Bei diesem verbotenen Symbol hat der kroatische Botschafter heuer einen Kranz niedergelegt – auch das sollte uns zu denken geben.

Ich freue mich sehr, dass wir nun die Symbole-Bezeichnungs-Verordnung überarbeiten und evaluieren wollen und dass auch eine Evaluierung des Abzeichengesetzes ansteht.

Nikoli ne bomo pozabili, in nikoli vec vojne! Niemals vergessen: Das ist ein Auftrag an uns alle. Es ist ein Auftrag, als BürgerInnen, als Behörden, als politische VertreterInnen und als höchste RepräsentantInnen dieser Republik hinzusehen und zu handeln.

Antifaschismus ist unsere Grundhaltung. Ein Gedenken mit faschistischen Symbolen kann kein Opfergedenken sein, es ist eine Täterverherrlichung, und dafür – in aller Deut­lichkeit – gibt es bei uns in Österreich keinen Platz. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

12.43


Präsidentin Doris Bures: Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Stephanie Kris­per. – Bitte.


12.43.40

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrter Herr Innenminister! Mit dem heutigen Be­schluss des Nationalrates setzen wir ein eindrucksvolles Zeichen im Sinne der Grund­werte unserer Zweiten Republik.

Indem wir uns heute mit breiter Mehrheit gegen den alljährlichen Bleiburger Aufmarsch aussprechen, geben wir klar zu verstehen, was wir als österreichisches Parlament von Veranstaltungen halten, die – wie es Kollege Bürstmayr so schön formulierte – im dia­metralen Widerspruch zu jenem Versprechen stehen, auf dem wir unsere Zweite Re­publik gebaut haben: dem im Staatsvertrag von 1955, also vor genau 65 Jahren, feierlich abgegebenen Versprechen, als Staat alles zu unternehmen, damit das Gedankengut oder die Ideologie des Nationalsozialismus und des Faschismus hier in Österreich, auf österreichischem Boden nie wieder um sich greifen kann.

Noch einmal in aller Deutlichkeit für alle, die es noch immer nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen – und damit richte ich mich direkt an jene, die auch unsere Ini­tiative bekämpft haben –: Die 1929 gegründete kroatische Ustascha-Bewegung hatte das Ziel, die Unabhängigkeit Kroatiens mit terroristischen Methoden zu erkämpfen. Sie orientierte sich an den Vorbildern Hitler und Mussolini und herrschte in Kroatien von 1941 bis 1945 als Handlangerin der deutschen Nazis und der italienischen Faschisten. Dieser Nazi-Vasallenstaat regierte als totalitäre Diktatur, erließ Rassengesetze, errichtete Kon­zentrationslager nach dem Vorbild des Deutschen Reiches. Das Ustascha-Regime war für den Genozid an verschiedenen ethnischen Gruppierungen, besonders an Serben, Juden und Roma, sowie für die Ermordung zahlreicher politischer Oppositioneller verant­wortlich. Das ist die Geschichte hinter den Symbolen, die wir bis jetzt alljährlich in Blei­burg zu Gesicht bekamen.

Wenn die jährlichen Gedenkfeiern in Bleiburg auch kroatischen Opfern der Vergeltung seitens der Einheiten Titos gewidmet sind, wurden diese in den vergangenen Jahren


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immer mehr zu Veranstaltungen von neonazistischen Gruppierungen aus Kroatien und aus anderen Teilen Europas, die unter dem Titel des Gedenkens eigene politische Agenden verfolgten. Dahinter steht vor allem die Verehrung des Ustascha-Regimes, die Kriegsverbrecher werden als Helden im Kampf gegen den Kommunismus geehrt. Dieses Treffen war bis zuletzt ein enormer Anziehungspunkt für Rechtsextreme. Alljährlich gab es Fälle von Wiederbetätigung, wurden SS-Symbole zur Schau gestellt, der Hitlergruß war zu sehen und es erfolgten rechtsextreme und faschistische Kundgebungen im Um­feld. Damit wird rechtsextreme Propaganda verbreitet und einem faschistischen Regime gehuldigt. Ihre Gesinnung drücken viele Teilnehmer etwa durch das Tragen von Symbo­len wie Uniformen, Fahnen und andere einschlägige Erkennungsmerkmale des faschisti­schen Staates aus. Obwohl die dort offen zur Schau gestellten Symbole einer faschisti­schen Einheit zugehörig sind, die sich aufseiten der Deutschen Wehrmacht am Zweiten Weltkrieg beteiligte, schauten wir als Österreich bisher zu.

Damit ist jetzt ein für alle Mal Schluss, und ich bin froh, dass wir mit den heutigen zwei Beschlüssen – jenem zur Versammlung selbst wie auch jenem zur Novellierung der Symbole-Gesetz-Durchführungsverordnung – diesem für unsere Zweite Republik un­würdigen Schauspiel endlich ein Ende setzen. 65 Jahre nach dem Staatsvertrag erneu­ern wir damit unser Versprechen nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten.

Ich danke den zivilgesellschaftlichen Organisationen, allen voran dem Mauthausen-Ko­mitee und der Arbeitsgruppe Bleiburg, die an der Genese dieses Antrags intensiv mit­gewirkt und den heutigen Beschluss ermöglicht haben. Diese Initiative ist dadurch auch für mich ein großartiges Beispiel für gelebten demokratischen Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft.

Ich danke auch den Abgeordnetenkollegen, insbesondere Kollegin Sabine Schatz, für ihr vehementes Engagement für diese Initiative und allen Kolleginnen und Kollegen, die diese Initiative nun unterstützen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

12.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.


12.47.57

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum In­halt dieses Antrages und zu seiner Bedeutung ist schon viel gesagt worden. Ich möchte einige Worte zur Genese, zur Entstehung dieses Antrages, die nicht ganz ohne Beson­derheit ist, sagen.

Im vorletzten Innenausschuss wurde ein Vierparteienantrag eingebracht, mit dem der Herr Bundesminister aufgefordert werden sollte, auf dem Boden des Rechtsstaates Schritte zu suchen, diesen faschistischen Aufmarsch zu unterbinden. Dieser Vierpartei­enantrag wurde vertagt. Nun bedeutet eine Vertagung normalerweise, dass ein Antrag ein Begräbnis zweiter Klasse erfährt, nie wieder hervorgeholt wird (Abg. Scherak: Erster Klasse!) und einfach im Orkus verschwindet. Das jedenfalls ist lang gelebte parlamenta­rische Praxis, und es hat einige Aufregung um die Vertagung eines Vierparteienantrages durch die Regierungsparteien gegeben.

Nun, warum haben wir das gemacht? – Weil gemeinsam mit diesem Vierparteienantrag von den NEOS ein fast gleichlautender eigener Antrag und relativ kurz vor dem vor­letzten Innenausschuss noch ein dritter Antrag, in dem es um einen weiteren Aspekt dieser Veranstaltung gegangen ist, eingebracht worden sind. Daraufhin haben wir uns gesagt, wir wollen, dass ein Antrag von allen Parteien gemeinsam getragen wird, und dafür war schlichtweg die Zeit nicht mehr vorhanden.


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Wir haben anders gehandelt, als es bisher parlamentarische Praxis war, und einen ein­mal vertagten Antrag sofort mit allen Parteien weiter besprochen, weiter verhandelt, und es zustande gebracht, dass es im darauffolgenden Innenausschuss, bei dem der Antrag wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden ist, tatsächlich eine Einigung gegeben hat.

Es hätte eine Einigung aller fünf Parlamentsparteien gegeben, denn die FPÖ-Abgeord­neten haben diesem Antrag im Innenausschuss zugestimmt. Wahrscheinlich ist es un­mittelbar danach zu einem erbosten Anruf eines schlagenden Burschenschafters oder von ich weiß nicht wem gekommen (Abg. Belakowitsch: Wahrscheinlich, ja!); dann wur­de erklärt: Nein, es liegt ein Abstimmungsfehler vor!

Meine Damen und Herren von der FPÖ, es zieht sich wie ein roter Faden – man ist fast versucht zu sagen, wie ein brauner Faden – durch diese drei Plenartage, dass Sie es einfach nicht fertigbringen, mit dem Faschismus – egal, ob er Kroatisch spricht oder Tür­kisch (Abg. Amesbauer: Das ist eine Unterstellung und das ist falsch, das wissen Sie! Das ist eine Demokratie!) oder Englisch oder Rätoromanisch –, vernünftig und so umzu­gehen, wie wir das in der Zweiten Republik zu tun haben. Ich bedaure das. (Beifall bei den NEOS.)

Umso mehr freue ich mich, dass es diesen Vierparteienantrag gibt. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

12.50


Präsidentin Doris Bures: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch zu Wort. – Bitte.


12.51.06

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Werte Damen und Herren! Werte Mitglieder des Bleiburger Ehrenzuges! Meine Da­men und Herren, Sie alle hier herinnen haben eine E-Mail von den Mitgliedern des Blei­burger Ehrenzuges, allesamt Nachkommen und Familienangehörige von Ermordeten, bekommen, und dann geht Herr Kollege Weidinger hierher und sagt: Ich akzeptiere das – ich habe es mitgeschrieben! –, ich anerkenne und würdige, dass die Angehörigen, die Nachkommen hier gedenken wollen. – Gleichzeitig werden Sie aber heute dafür stim­men, dass dieses Gedenken nicht mehr stattfinden darf, meine Damen und Herren, auch Sie von der ÖVP. Und da stelle ich mir jetzt schon die Frage: Wie anerkennen Sie es denn? Indem Sie ihnen die Möglichkeit nehmen?

Jetzt kommen wir zu dem, was hier permanent gesagt worden ist: Es gab verbotene Symbole – Kollegin Krisper hat das sehr blumig ausgeführt. Es gibt ein Symbole-Gesetz, es gibt die Möglichkeit, bestimmte Dinge zu ahnden, zu verbieten, und wenn ein Geden­ken politisch missbraucht wird, dann haben diejenigen, die es missbrauchen – indem sie gegen österreichische Gesetze, wie gegen das Symbole-Gesetz, gegen das Verbotsge­setz, gegen welches auch immer, verstoßen –, zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Das gibt der Rechtsstaat in Österreich her, aber stattdessen gehen wir her und fangen an, die Versammlungsfreiheit in Österreich zu beschneiden. Wir beschneiden sie auf Zuruf jener, die hier den Antifaschismus nach außen tragen, diesen hier permanent zur Schau stellen und sich selbst darin zu überbieten versuchen, wer denn nicht noch anti­faschistischer ist. Das hat es in Europa schon einmal gegeben, bis hin zum Bau eines antifaschistischen Schutzwalls, und genau das wollen wir hier in Österreich nicht haben! (Beifall bei der FPÖ.) Wir wollen hier keine neuen Mauern aufziehen!

Und jetzt weiß ich, dass es hier, in diesem Sektor (in Richtung linke Saalhälfte weisend) einige gibt, denen es am liebsten wäre, dass die freiheitlichen Abgeordneten alle ins Speziallager Nr. 4 nach Bautzen kommen. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Ich


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weiß, dass auch einige in diesen Reihen (in Richtung ÖVP weisend) sitzen, die wahr­scheinlich von dieser Gruppierung (wieder in Richtung linke Saalhälfte weisend) dort hingeschickt würden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Genau das, meine Damen und Herren, ist es, was wir hier nicht wollen! Die Meinungs­freiheit wird von einer Seite massiv beschnitten, sie wird mit fadenscheinigen Vorwänden beschnitten. Es muss doch in einer gelebten Demokratie, in einer Demokratie wie der in Österreich, möglich sein, auch andere Meinungen zu haben. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Amesbauer.)

Es muss auch möglich sein, dass Menschen eine andere Meinung als eine linke anti­faschistische Meinung haben, als eine Meinung, die dem Kommunismus huldigt – denn man sollte nicht vergessen, dass die Kroaten von den kommunistischen Tito-Partisanen getötet wurden! Es muss doch in einer entwickelten Demokratie, wie es Österreich ist, möglich sein – ich bin davon überzeugt, dass Österreich das aushält –, dass man eine andere Meinung hat.

Und noch einmal: Wenn dort verbotene Symbole verwendet werden, wenn es zu Verstö­ßen gegen Gesetze kommt, dann ist das zu ahnden, aber hier wird etwas anderes ge­macht: Hier wird ein antifaschistischer Schutzwall gebaut, noch nicht mit Steinen, aber es wird vorgebaut, und da sollten Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, ganz, ganz vorsichtig sein, vor welchen Karren Sie sich da spannen lassen. Das ist eine ganz gefährliche Entwicklung, und ich möchte diese Entwicklung für Österreich nicht haben!

Ich möchte, dass die österreichische Demokratie bestehen bleibt, ich möchte Meinungs­pluralität in diesem Land haben! Österreich kann das vertragen. Eine Demokratie braucht verschiedene Meinungen, ein Meinungsspektrum, das ist nämlich das Wesen der Demokratie – und nicht die Monotonie, die sich manche in diesem linken Sektor hier wünschen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.54


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit schließe ich diese Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorla­gen des Innenausschusses.

12.55.166. Punkt

Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsge­setz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geän­dert werden (337 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte.


12.55.50

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte leere Regierungs­bank! Herr Bundeskanzler! Schön, dass jetzt alle da sind. Wir diskutieren also im Wirt­schaftsausschuss plötzlich Fragen des Epidemiegesetzes. Es geht darum, wer in Zu­kunft Krankheitssymptome von Covid feststellen darf: ob das weiterhin Ärztinnen und Ärzte und die Gesundheitsbehörden machen oder ob das zukünftig Sache der Polizei ist. – Ich finde es sehr spannend, dass jetzt weder Minister Anschober noch Minister Nehammer anwesend ist, obwohl wir massive Änderungen in Österreich diskutieren.


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So weit sind wir: Am Sonntagnachmittag kriegen wir alle hier im Parlament einen – wie­der einmal – Husch-pfusch-Antrag, in dem steht, dass die Ermittlung von Krankheits­symptomen in Zukunft Aufgabe der Polizei ist. Nachdem man wochenlang nicht in der Lage war, unseren starken öffentlichen Gesundheitsdienst auszubauen, damit wir genug Leute haben, die die Nachverfolgung von Corona übernehmen können, kommt der Herr Innenminister gemeinsam mit Minister Anschober drauf, das soll die Polizei machen! (Bundesminister Nehammer betritt den Sitzungssaal.) Willkommen zurück, lieber Karl! (Abg. Scherak: Der Herr Nehammer mit der Flex!) Wir reden gerade über das Epide­miegesetz, das klammheimlich am Montagabend im Wirtschaftsausschuss behandelt worden ist.

Niemand hat gewusst, worum es geht. Frau Ministerin Schramböck ist dort gesessen, hat keine Ahnung gehabt. Sie hat ja nicht gewusst: Teststrategie?! Ich bin ja gar nicht zuständig! – Das war das Lustige, aber sie war diejenige, die dieses Gesetz sozusagen eingebracht hat.

Worum geht es? – Die Zeitungen haben geschrieben: Rechts die Waffe, links das Fie­berthermometer. – Es kann doch nicht euer Ernst sein, dass wir so, in dieser Art und Weise, arbeiten und wieder einmal husch, pfusch drüberfahren!? (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Mit dem Parlament kann man es machen! Die Frechheit ist in Wahrheit aber, dass man mit den Heldinnen und Helden des Lockdowns, jenen Leuten, die in der schwierigen Zeit für uns da waren – die Ärztinnen und Ärzte, die Menschen in den Gesundheitsberufen, aber auch unsere Polizistinnen und Polizisten –, nicht ein Wort geredet und gefragt hat: Wollt ihr das, die Nachverfolgung von kranken Menschen, überhaupt machen? Ihr könnt euch dabei vielleicht selber anstecken; wie schaut es aus? – Man hat mit ihnen nicht einmal geredet, nein. Weil der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich Stelzer an­scheinend in den letzten Wochen in der Pendeluhr geschlafen hat und nicht in der Lage war, entsprechende Strukturen aufzubauen, ist es auf einmal so, dass die Polizei aushel­fen soll. So kann man nicht miteinander arbeiten, das haben sich unsere Polizistinnen und Polizisten nicht verdient! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Das alles, was hier kommen soll, ist Teil der ärztlichen Diagnostik. In Zukunft heißt es dann nämlich: Frau Maier! Frau Maier, ist das eher ein trockener Husten oder ist das eher ein feuchter Husten? Und da wird die Frau Maier fragen: Ja, Herr Inspektor, was ist denn da der Unterschied? – Ich kenne mich nicht aus! – Genau da sind wir beim Punkt: Es kann nicht sein, dass Tätigkeiten der Gesundheitsbehörden dann auf einmal an den Bereich der Polizei sozusagen delegiert werden. So können wir nicht arbeiten!

Der Grund dafür ist, dass wir in Österreich im Bereich der Teststrategie leider nicht wei­tergekommen sind. Ihr alle erinnert euch: Am 24. März hat Sebastian Kurz gesagt: Tes­ten, testen, testen!, und hat ergänzt: Jetzt werden wir in Österreich jeden Tag 15 000 Men­schen testen. – Wie oft haben wir denn seit dem 24. März, an dem Sebastian Kurz das versprochen hat, die 15 000 Tests pro Tag erreicht? Wie oft? (Abg. Hörl: Wir in Tirol mehr wie ...! – Ruf: Gar nicht!) – In Tirol, Herr Hörl? – Ja, das glaube ich nicht; dann hätten wir in Ischgl anders ausgeschaut!

Also 15 000 waren es nicht! An keinem einzigen Tag wurde das Versprechen von Sebas­tian Kurz gehalten. Und dann kommt Eli Köstinger ins Spiel, die Tourismusministerin. Deutschland hat Christian Drosten, wir haben Eli Köstinger als Chefepidemiologin, und sie sagt: Wenn wir die 15 000 Tests am Tag nicht schaffen, dann machen wir etwas Neues, nämlich 65 000 Tests pro Woche im Tourismus. – Das hat sie auch nicht ge­schafft.

Wisst ihr, was ich meine? Wir schaffen keine 15 000 Tests, wir schaffen keine 65 000 Tests. Eli hat gedacht, minus mal minus ist plus, das wird schon irgendwie zusammenpassen! – So kann man nicht arbeiten!


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Ich bitte also wirklich: Wenn wir eine zweite Welle verhindern wollen, werden wir jetzt Gas geben müssen, dann werden wir jetzt schauen müssen, dass die Gesundheitsbe­hörden auch das nötige Geld haben, dann müssen wir jetzt in die Digitalisierung inves­tieren, dann müssen wir jetzt schauen, dass die PCR-Testergebnisse nicht per Fax he­rumgeschickt werden – da wäre genug zu tun! Aber herumzupfuschen und dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Ganze der Polizei umzuhängen, das ist kein professionel­les Krisenmanagement, das ist Husch-Pfusch. (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Sche­rak: Ich glaube, Rechtsanwälte sollten diagnostizieren!)

12.59


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.


13.00.01

Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP): Ein berühmter deutscher Dichter hat ein­mal gesagt, man soll jeden Tag ein schönes Bild ansehen, ein gutes Buch lesen und, wenn es geht, auch nur einen einzigen vernünftigen Satz sagen. Kollege Kucher, das war es, was ich an deiner Rede vermisst habe. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Meine Damen und Herren, es ist ja spannend, dass man solche Kleinigkeiten wie die, die wir hier wollen, nicht auf sachlicher Ebene diskutieren kann. Diese Regierung, dieses Haus, wir gemeinsam haben in den letzten Wochen zur Bekämpfung der Pandemie viele sinnvolle Maßnahmen beschlossen, viele Regeln gemacht, die Gott sei Dank von den Menschen eingehalten worden sind. Jetzt besteht in meinem Heimatbundesland, in dem niemand schläft und in dem es einen guten Krisenstab – geführt von Herrn Landeshaupt­mann Stelzer und Frau Landeshauptmannstellvertreterin Haberlander – gegeben hat und immer noch gibt, eine Sondersituation, dass Mitglieder von Bekenntnisgemeinschaf­ten durch das Land reisen – einige sesshaft, einige weniger sesshaft –, die sich an diese Regeln schlichtweg nicht halten. Selbst dann, wenn sie unter Quarantäne gestellt sind, halten sie sich nicht an diese Regeln.

Die Polizei teilt uns nun mit, dass sie nicht in der Lage ist, das Recht, das wir eigentlich haben, und die Regeln, die wir gesetzt haben, durchzusetzen. Nichts, aber auch gar nichts anderes wollen wir, als dass wir der Polizei zumindest die Möglichkeit und eine Handhabe geben, diese Regeln durchzusetzen. (Abg. Loacker – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Das steht nicht drin!) Es ist ein ganz, ganz simpler Antrag, den wir ein­gebracht haben. (Abg. Einwallner: Ein schlechter!) Wir haben letztlich auch nichts an­deres getan, als alle eure Bedenken, lieber Philip Kucher, in diesen Antrag einzuarbei­ten. (Abg. Einwallner: Heute in der Früh rausgetan!) Wir haben es heute in der Früh noch verbrieft. Alles, was ihr wollt, haben wir heute noch verbrieft.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass euch Oberösterreich ein bisschen zu wenig wert ist, dass euch egal ist, dass es dort 200 Neuerkrankungen gibt, das werden wir - - (Abg. Kucher: Was hat denn der Stelzer gemacht? Entschuldigung, er hat vier Monate Zeit gehabt! Was hat er denn getan? – Abg. Haubner: Na, na!) – Ganz ruhig! Er ist nicht von Ru­mänien hereingefahren und hat einen Cluster durch Verletzung der Abstandsregeln her­vorgerufen. (Abg. Kucher: ...! Hat er vergessen zu testen?) – Philip Kucher, diese un­sachlichen Vorwürfe gegen den Landeshauptmann von Oberösterreich werde ich an die­ser Stelle nicht mehr kommentieren. Kümmere dich um deinen Laden in Kärnten und lass mich da heraußen fertigreden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, um dem Ganzen einen guten und versöhnlichen Anstrich zu geben – es ist unser Versuch, allen hier im Haus entgegenzugehen –, bringe ich noch einen heute Morgen verhandelten Abänderungsantrag ein.


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Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Mahrer, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kom­munalsteuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (337 der Bei­lagen)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben genannte Antrag (337 d. B.) wird wie folgt geändert:

1. In Art. 3 (Änderung des Epidemiegesetzes 1950) lautet Z 3:

„3. Nach § 28a Abs. 1a wird folgender Abs. 1b eingefügt:

‚(1b) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben nach Maßgabe der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen auf Ersuchen der nach diesem Bundesgesetz zu­ständigen Behörden – sofern dringend erforderlich – an Maßnahmen gemäß § 5 mitzu­wirken. Die Mitwirkungspflicht umfasst

1. die Erhebung von Identitätsdaten (Name, Wohnsitz),

2. die Erfragung allfälliger Krankheitssymptome und

3. die Erhebung von Kontaktdaten (Telefonnummer, E-Mail-Adresse)

von kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen als Auf­tragsverarbeiter (Art. 4 Z 8 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABI. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABI. Nr. L 127 vom 23.5.2018 S. 2) für die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden. Zu diesem Zweck dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Abfragen aus dem Zentralen Melderegister durchführen. Diese Daten sind den nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden in elektronischer Form über eine gesicherte Leitung unverzüglich nach der Erhebung zu übermitteln. Die von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erhobenen Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Kontaktierung der betroffenen Person verarbeitet werden und sind nach Übermittlung an die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Be­hörden unverzüglich zu löschen. Eine Verarbeitung der Daten zu anderen Zwecken ist nicht zulässig.‘“

2. In Art. 3 (Änderung des Epidemiegesetzes 1950) wird nach der Z 3 folgende Z 4 an­gefügt:

„4. Nach § 50 Abs. 12 wird folgender Abs. 13 angefügt:

‚(13) § 28 Abs. 1b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. xx/2020 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft.‘“

*****

Meine Damen und Herren, ich ersuche höflich um Zustimmung zu diesem sehr kon­sensual erstellten Antrag. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karl Mahrer, Ralph Schallmeiner,

Kolleginnen und Kollegen


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betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (337 der Beilagen) TOP 6

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben genannte Antrag (337 d. B.) wird wie folgt geändert:

1. In Art. 3 (Änderung des Epidemiegesetzes 1950) lautet Z 3:

„3. Nach § 28a Abs. 1a wird folgender Abs. 1b eingefügt:

,(1b) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben nach Maßgabe der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen auf Ersuchen der nach diesem Bundesgesetz zu­ständigen Behörden – sofern dringend erforderlich – an Maßnahmen gemäß § 5 mitzu­wirken. Die Mitwirkungspflicht umfasst

              1.          die Erhebung von Identitätsdaten (Name, Wohnsitz),

              2.          die Erfragung allfälliger Krankheitssymptome und

              3.          die Erhebung von Kontaktdaten (Telefonnummer, E-Mail-Adresse)

von kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen als Auf­tragsverarbeiter (Art. 4 Z 8 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Per­sonen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 127 vom 23.5.2018 S. 2) für die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden. Zu diesem Zweck dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Abfragen aus dem Zentralen Melderegister durchführen. Diese Daten sind den nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden in elektronischer Form über eine gesicherte Leitung unverzüglich nach der Erhebung zu übermitteln. Die von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erhobenen Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Kontaktierung der betroffenen Person verarbeitet werden und sind nach Übermittlung an die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Be­hörden unverzüglich zu löschen. Eine Verarbeitung der Daten zu anderen Zwecken ist nicht zulässig.‘“

2. In Art. 3 (Änderung des Epidemiegesetzes 1950) wird nach der Z 3 folgende Z 4 angefügt:

„4. Nach § 50 Abs. 12 wird folgender Abs. 13 angefügt:

,(13) § 28 Abs. 1b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2020 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft.‘“

Begründung

Zu Z 3 (§ 28a Abs. 1b):

Mit der Änderung soll bereits auf Gesetzesebene klargestellt werden, wie weit die Un­terstützungsleistungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes tatsächlich ge­hen und welche Informationen sie konkret zu erheben haben. Daher wird deutlich ge­macht, dass die Informationen zum Gesundheitszustand von den Betroffenen selbst zu erfragen sind. Nur das hat in den Bericht an die Gesundheitsbehörde einzugehen. Eine Feststellung des Gesundheitszustandes durch die Organe ist damit ausgeschlossen, sie haben diesen in keiner Weise selbst zu beurteilen oder einzuschätzen.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Gesundheitsbehörde den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes ein Formular zur Verfügung stellt, das die notwendigen Fragestellungen vorgibt und von diesen nur abzuarbeiten ist.


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Zu Z 4 (§ 50 Abs. 13):

Ergänzt wird die Befristung der Geltungsdauer dieser Bestimmung. Vor einer allfälligen Verlängerung der Geltungsdauer wäre diese zu evaluieren.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak, Sie gelangen nun zu Wort.


13.05.39

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat gerade ver­sucht, sehr konsensual den Antrag in ein rechtes Licht zu rücken, aber ich muss Kollegen Kucher recht geben. Wir haben es wieder einmal mit einer Materie zu tun – einer Erwei­terung der Befugnisse der Polizei über das Epidemiegesetz –, die sich in einem Tages­ordnungspunkt versteckt, in dem es eigentlich noch um zwei ganz andere Themen geht: um das Kommunalsteuergesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz. (Zwischenruf des Abg. Einwallner.) Zu diesen beiden Punkten haben wir ja auch überhaupt keine Einwände und signalisieren klare Zustimmung. Dass diese Änderung des Epidemie­gesetzes über den Wirtschaftsausschuss wieder in den Tagesordnungspunkt hinein­gepackt worden ist, ist eine Unart, die sich in den letzten Monaten etabliert hat und die wir ganz klar ablehnen. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Nun zur Sache selber: Niemand streitet ab, dass in einer Krise, in einem echten Notfall auch die polizeilichen Sicherheitskräfte den Gesundheitsbehörden unterstützend zur Seite eilen sollen und dürfen. Das haben wir im Epidemiegesetz schon festgehalten, und dafür sind wir auch zu haben. Wir sind aber ganz klar dagegen, dass die Polizei nun angehalten ist, Gesundheitsdaten der Bevölkerung zu sammeln. Es gibt kaum sensiblere Daten in unserem Land als Gesundheitsdaten von Herrn und Frau Österreicher, und diese gehören in die verantwortungsvollen Hände der Gesundheitsbehörden und nicht in die Hände der Polizei oder eines machtbesessenen Innenministers, der am liebsten die eigene Bevölkerung bis in die eigenen vier Wände bespitzeln und ausspionieren möchte – ich sage nur Bundestrojaner. (Zwischenruf des Abg. Zarits.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, sich in Ihrer Ausdrucks­weise zu mäßigen.


Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (fortsetzend): Jawohl! – Jetzt möchte er auch noch alle Gesundheitsdaten haben. Die haben dort nichts verloren, sie sind bei den Ge­sundheitsbehörden am besten aufgehoben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn tatsächlich 100 Neuinfektionen pro Tag unsere Gesundheitsbehörden in der Kon­taktnachverfolgung vor unlösbare Aufgaben stellen, frage ich mich, Herr Gesundheitsmi­nister: Was haben wir denn in den letzten vier Monaten in Österreich gemacht? (Bundes­minister Anschober: Gearbeitet!) Wo ist denn die notwendige personelle Aufstockung bei den Gesundheitsbehörden, damit die von Ihnen versprochene Kontaktnachverfol­gung binnen 24 Stunden auch tatsächlich umgesetzt werden kann? Warum hat man denn nicht personell aufgestockt?

Wenn schon ein Hilfsansuchen gestellt werden muss: Warum wird nicht zum Beispiel bei der ÖGK nach den Chefärzten des Medizinischen Dienstes gefragt, oder warum re­krutiert man nicht Schulärzte? All das wäre im Rahmen des Epidemiegesetzes möglich. Warum greift man nicht auf die mehr als 500 arbeitslosen Ärztinnen und Ärzte zurück,


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engagiert sie, gibt ihnen eine berufliche Perspektive und lässt sie im Sinne der Gesund­heit und der Gesundheitsbehörden arbeiten? Das wären die richtigen Maßnahmen. Da­für braucht man nicht die Polizei und auch nicht das Bundesheer. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesminister Anschober: Weil das nicht möglich ist!) Natürlich geht das nicht von einem Tag auf den anderen, aber wir haben dafür jetzt vier Monate Zeit gehabt, Herr Bundesminister. (Bundesminister Anschober: Ja, Sie vielleicht, wir haben es anders gemacht!)

Das bringt mich zum nächsten Thema. Ich glaube, wir brauchen einen Paradigmen­wechsel. Wir brauchen kein ziel- und planloses Testen, Testen, Testen mehr, sondern wir brauchen Daten, Daten, Daten. Wir brauchen eine evidente Zahlenbasis dafür, was wir denn überhaupt planen müssen, mit welchen Ressourcen wir planen müssen und wie wir in dieser Krise weiter vorgehen. Wir müssen endlich eine echte Teststrategie fahren. Sie müssen sich ein bisschen ein Beispiel an Oberösterreich oder Wien nehmen, wo jetzt endlich die Teststrategie dahin gehend geändert wurde, dass auch Kontaktper­sonen, die noch keine Symptome zeigen, getestet werden. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

Wir brauchen auch die zusätzlichen Zahlen darüber, wie hoch die falsch positiven Zahlen bei den PCR-Tests tatsächlich sind: Haben wir 1 Prozent, 10 Prozent oder 50 Prozent falsch positiv Getestete? Wann erfahren wir endlich, wie exakt die PCR-Tests sind? Wann erfahren wir endlich, wie hoch die Durchseuchungsrate in Österreich ist? Wann kommen endlich die flächendeckenden Antikörpertests, über die wir uns schon seit ein­einhalb Monaten unterhalten? Die Ischgl-Studie hat ja gezeigt, dass die Zahlen so va­riieren können, dass uns nur eine flächendeckende Erhebung Sicherheit geben kann. Wann kommen endlich die Obduktionen, damit wir wissen, ob jemand nur mit oder an dem Coronavirus gestorben ist?

Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich glaube, die Österreicherinnen und Österreicher haben es verdient, dass wir auf wissenschaftlicher Datenbasis Entscheidungen treffen und die Krise mit den gelindestmöglichen Maßnahmen bekämpfen. Eine Zwangsvergat­terung der Polizei zur Erfassung von Gesundheitsdaten gehört mit Sicherheit nicht dazu. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

13.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte. (Abg. Loacker: Jetzt die Grünen im Einsatz für die Polizei! – Abg. Schallmeiner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Soll es geben, Herr Kollege Loacker!)


13.10.23

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Seit Montag geht es doch ein bissel rund hier in Öster­reich. Es wird gerade so getan, als ob nun die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land mit der Dienstwaffe in der einen Hand und dem Thermometer in der anderen Hand ausrücken – so war, glaube ich, vorhin der Vergleich von Kollegen Kucher –, und zwar deswegen, weil wir den Polizistinnen und Polizisten eine Möglichkeit mehr geben wür­den, nämlich die Möglichkeit, nach Krankheitssymptomen zu fragen, in dem Moment, in dem sie von den Gesundheitsbehörden sozusagen angefordert werden, weil diese mit einer Situation nicht mehr zurande kommen. (Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Also wirklich: Wenn, wenn, wenn – dann kommen im Endeffekt laut unserem Antrag oder laut unserem Vorschlag die Polizistinnen und Polizisten zum Einsatz und dürfen dann das tun, was sie bis jetzt schon machen durften, nämlich Kontakt aufnehmen, Kontakt­daten ermitteln, plus eben noch fragen: Haben Sie Fieber, haben Sie Husten? – Darum geht es. Diese Daten, die sie dabei erheben, geben sie dann bei den Gesundheitsbehör­den ab und vernichten allfällige Kopien, beziehungsweise sie machen am besten gleich


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gar keine Kopien, sondern übergeben einfach die Daten, und die Sache ist erledigt. – So, darum und um nichts anderes geht es. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Sche­rak: Machen sie jetzt Kopien oder nicht? Machen sie welche? – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich verstehe, dass es natürlich Aufregung gibt, keine Frage (Abg. Kucher: Wenn der Stelzer ...!), Kollege Loacker hat es mit seiner süffisanten Eingangsbemerkung ja durch­aus auch angesprochen. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Kucher.) Die Grünen sind na­türlich immer sehr, sehr zurückhaltend bei der Übergabe von Möglichkeiten an die Exe­kutive, keine Frage. Auf der anderen Seite geht es nun darum, dass wir - - (Abg. Sche­rak: Das war einmal so, das war der grüne Parlamentsklub früher!) – Du kannst eh dann nachher reden, Kollege Scherak! Du kannst das gerne nochmals erwähnen, wie es da­mals war.

Fakt ist im Endeffekt: Es geht im Moment darum, dass wir eine Möglichkeit für den Fall schaffen, dass die Gesundheitsbehörden nicht mehr zurande kommen. Ich finde es gut, wenn sich beispielsweise in Wien Stadtrat Hacker hinstellt und sagt: Brauche ich nicht! Diese Möglichkeit brauche ich nicht, ich habe gut genug vorgebaut! – Das ist in Ordnung. Es gibt aber auch Landeshauptleute, es gibt eben auch Länder, bei denen das vielleicht nicht der Fall ist, wo man nicht so schnell mit der Situation zurande kommt. Das ist auch okay, aber dann müssen wir halt diese Möglichkeit schaffen.

Gleichzeitig erachte ich den heutigen Antrag, erachte ich diese Initiative von uns auch als Auftrag an die Gesundheitsbehörden in den Ländern, durch Sicherstellung entspre­chender Kapazitäten vorzubauen und darauf zu achten, dass in Wirklichkeit dieses Ge­setz, das wir hier heute einbringen und hoffentlich auch beschließen werden, gar nicht erst zur Anwendung kommt – das ist nämlich der Optimalfall; dann sind nämlich die Ge­sundheitsbehörden und die Sanitätsbehörden in den Ländern so ausgebaut, dass das gar nicht zum Einsatz kommt.

Fakt aber ist: Die Darstellung, wie sie vorhin auch von Kollegen Kucher gebracht wurde, dass nun die Polizei von sich aus ermittelnd durch die Gegend läuft und nach Krank­heitssymptomen fragt, entbehrt jeglicher Grundlage. (Zwischenruf des Abg. Ofenauer. – Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Dafür ist dieses Gesetz keine Grundlage. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein Wort noch zum Schluss: Ja, wir haben die Kritik gehört. Es waren einige Dinge de­finitiv in diesem ersten Gesetzentwurf nicht genau drinnen, deswegen gab es auch den Abänderungsantrag, den Kollege Fürlinger vorhin eingebracht hat. Wir haben die Kritik sowohl von der Opposition als auch von Expertinnen und Experten gehört, wie bei­spielsweise von Heinz Mayer, der gestern in der Früh im Ö1-„Morgenjournal“ ja eigent­lich recht anschaulich dargelegt hat, worum es geht, wo die Kritikpunkte sind.

Auf all diese Kritikpunkte gehen wir mit diesem Abänderungsantrag auch ein. Wir klären, dass die Polizei von sich aus nicht aktiv wird, sondern wirklich erst dann, wenn die Ge­sundheitsbehörden nicht anders können. Wir klären ab, dass es wirklich nur ein Erfragen ist und kein Ermitteln. Wir klären ab, dass das Ganze auch eine zeitliche Begrenzung bekommt.

Wir gehen also wirklich auf all diese Einwürfe ein und versuchen, da entgegenzukom­men. Das ist auch eine Form des Miteinanders. Ich würde mir eigentlich schon wün­schen – nachdem wir da nun überall darauf eingegangen sind –, dass wir das hier heute zumindest mit einer Vierparteieneinigung oder vielleicht sogar mit einer Fünfparteieneini­gung über die Bühne bringen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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13.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


13.14.41

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Kollege Schallmeiner, man muss schon sagen, bei dem Entwurf, den Sie uns am Sonntag übermittelt haben, ist Ermitteln drinnen gestanden (Abg. Sche­rak: Kottan! – Zwischenruf des Abg. Schallmeiner), und aufgrund des Wirbels sind nun die Mehrheitsfraktionen zurückgerudert und haben gesagt, okay, lassen wir die Polizei nur erheben. (Ruf bei den Grünen: Erfragen!) Wir lassen dann die Feinspitze austüfteln, was der Unterschied zwischen ermitteln und erheben ist. (Abg. Hoyos-Trauttmans­dorff: Das ist dem Sebastian eh egal!)

Die Polizei hat jeden Tag schwierige Aufgaben zu erledigen, und diese Aufgaben sind in der Covid-Krise nicht einfacher geworden. Diese Aufgaben sind durch schlechte Verord­nungen aus dem Hause Anschober noch einmal schwieriger geworden, weil die Polizis­ten gar nicht mehr gewusst haben, was die Leute nun eigentlich dürfen, was sie ahnden müssen und was nicht. Wie viele Fehler dabei passiert sind, sehen wir an den ganzen Entscheidungen, die jetzt von den diversen Gerichten aufgehoben werden.

Die Aufgabe der Polizei ist wie gesagt eine schwierige, aber Gesundheitsarbeit gehört sicher nicht zu den Aufgaben der Polizei. Dafür haben wir Pflegekräfte, medizinisch-technische Dienste, Ärzte, aber eben nicht die Polizei. (Abg. Leichtfried: Ich glaube, da hat der Loacker recht! – Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Nun kommt wieder einmal, Herr Minister, muss ich Ihnen sagen, legistischer Schrott aus Ihrem Hause daher und bringt die Polizeikräfte in eine peinliche Lage, weil es nicht der Job des Polizisten ist, Menschen zu ihren gesundheitlichen Symptomen zu befragen. Man muss sich gedanklich einmal aus Wien hinaus und in die ländliche Gegend bege­ben, wo man einander kennt. Da muss der Polizeimitarbeiter einen Bekannten fragen, wie es mit seinem Husten und mit dem Fieber ist und wie lange er das schon hat. Das ist für beide hoch unangenehm! Das bringt die Polizei in eine peinliche Lage und die Bürger genauso.

Kollege Fürlinger kommt nun hier heraus und sagt, in Oberösterreich gibt es Bekennt­nisgemeinschaften, die sich nicht an die Quarantäne halten. Ich meine, dafür braucht man dieses Gesetz nicht, damit sich jemand an die Quarantäne hält, denn wenn sich jemand nicht daran hält, kann man das heute schon ahnden. Was wird besser, wenn da einer mit dem Polizeikapperl daherkommt? Glauben Sie, das Vertrauen dieser rumäni­schen Glaubensgemeinschaft ins öffentliche Gesundheitswesen steigt, wenn die Polizis­ten mit dem Kapperl vorfahren? – Das bezweifle ich. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Anschober.)

Dass man in Oberösterreich gerne mit dem Holzhammer hineinfährt und dass Minister Anschober das unterstützt – der ist gewöhnt, immer das zu tun, was Stelzer von ihm will (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ) –, hat man gesehen, als in einer Freikirche 30 Covid-Fälle aufgetreten sind und daraufhin 315 Schulen mit 86 000 Schü­lern geschlossen worden sind. Das ist die oberösterreichische Logik, und diesen Unfug sollen wir nun in ein Gesetz gießen – also ich finde es eigentlich peinlich. (Bundesminis­ter Anschober: Ist eh recht!)

Man sieht auch, dass das, was Sie gesagt haben – in 24 Stunden wird man getestet und nach 24 Stunden hat man ein Ergebnis und nach 24 Stunden sind die Kontakte ge­trackt –, eben nicht funktioniert, dass es eine leere Versprechung war, die Sie gemacht haben, offensichtlich wissend, dass die Personalkapazitäten nicht ausreichen. Ihnen ist aber immer die Pressekonferenz wichtiger als die echte Arbeit, darum machen Sie auch heute am Nachmittag wieder eine Pressekonferenz. (Zwischenbemerkung von Bundes­minister Anschober.)

Ich bin von dieser Kommunikationspolitik, die mit null Inhalt unterfüttert ist, ziemlich an­gesäuert. (Abg. Gödl: Das sagt jemand, der keine Verantwortung hat!) – Ja, klar! – Dann


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ist der Gesundheitsminister überfordert und dann kommt die Polizeifraktion (Zwischenruf des Abg. Kucher), mit Innenminister of the Flex Nehammer flexen wir es durch (Zwi­schenrufe bei der ÖVP), und Polizeivizepräsident Mahrer und Polizeijurist Gerstl liefern uns dann einen Gesetzentwurf, mit dem die Polizei da einschreiten kann.

Das ist so nicht gut, nicht richtig und nicht im Sinne der Bürger. Deswegen bringen wir einen Abänderungsantrag ein, der die Polizei auf ihre Kompetenzen beschränkt, näm­lich Daten zu erheben, Kontaktdaten, Adressen zu erheben und an die Gesundheitsbe­hörden weiterzugeben. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

*****

Dieses Gesetz gehört eigentlich noch einmal vom Verfassungsdienst angeschaut, vom Datenschutzrat gehört es noch einmal angeschaut, und deswegen stellen wir auch den Antrag auf Rückverweisung. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Litschauer.)

13.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (337 d.B.) - TOP 6

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem eingangs bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

Artikel 3 (Änderung des Epidemiegesetzes 1950) wird wie folgt geändert:

1.          In Art. 3 lautet Z 3:

„3. Nach § 28a Abs. 1a wird folgender Abs. 1b eingefügt:

„(1b) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben nach Maßgabe der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen auf Ersuchen der nach diesem Bundesgesetz zu­ständigen Behörden – sofern dringend erforderlich – an Maßnahmen gemäß § 5 mitzu­wirken. Die Mitwirkungspflicht umfasst

1.          die Erhebung von Identitätsdaten (Name, Wohnsitz),

2.          die Erhebung von Kontaktdaten (Telefonnummer, E-Mail-Adresse)

von kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen als Auf­tragsverarbeiter (Art. 4 Z 8 der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 127 vom 23.5.2018 S. 2) für die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden. Zu diesem Zweck dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Abfragen aus dem Zentralen Melderegister durchführen. Diese Daten sind den nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden in elektronischer Form über eine gesicherte Leitung unverzüglich nach der Erhebung zu übermitteln. Die von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erhobenen Daten


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dürfen ausschließlich zum Zweck der Kontaktierung der betroffenen Person verarbeitet werden und sind nach Übermittlung an die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Be­hörden unverzüglich zu löschen. Eine Verarbeitung der Daten zu anderen Zwecken ist nicht zulässig.““

2. In Art. 3 wird nach der Z 3 folgende Z 4 angefügt:

„4. Nach § 50 Abs. 12 wird folgender Abs. 13 angefügt:

„(13) § 28 Abs. 1b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2020 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2021 außer Kraft.““

Begründung

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sollen nicht zur Ermittlung von „allfälli­gen Krankheitssymptomen“ verpflichtet werden können und der neue § 28a 1b Epide­miegesetz 1950 soll nur befristet gelten.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, an alle Abgeordneten verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Nun hat sich Herr Bundesminister Rudolf Anschober zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


13.19.30

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kehren wir doch zur Sachlichkeit zurück! Worum geht es wirklich?

Es geht nicht um Quarantänemaßnahmen, es geht nicht um Polizeimaßnahmen, es geht nicht um all das, was jetzt groß miteinander vermischt wurde, sondern der Sachverhalt ist eigentlich ein sehr einfacher und gut durchschaubarer, wenn er auch – und das kon­zediere ich absolut, wir haben das gerade im Dialog gehabt – sehr, sehr kurzfristig ins Haus kommt. Das ist absolut richtig und diese Kritik kann ich absolut nachvollziehen.

Ausgangssituation ist aber diese: Wir sind jetzt betreffend Coronapandemie und deren Bekämpfung in Phase drei. Phase eins ist dank dieses Hauses und vieler, vieler Men­schen in diesem Land sehr, sehr gut gelungen. Wir haben es geschafft, dass wir die enormen Tageszuwächse von 40, 45, 50, 55 Prozent auf mittlerweile 0,3, 0,5, 0,7 Pro­zent abdämpfen. Das ist ein großes Unterfangen gewesen, und das ist gelungen.

Phase zwei war seit dem 14. April die Phase der Öffnungsschritte, und auch diese Phase ist gut gelungen. Es hat nämlich in diesen Bereichen, in denen es wieder zu Öff­nungsschritten gekommen ist, keine wesentlichen Erhöhungen hinsichtlich der Ausbrei­tung und der Infektionszahlen gegeben.

Jetzt sind wir in Phase drei, der Stabilisierung nach den Öffnungsschritten: Diese Phase ist immer davon gekennzeichnet gewesen – und davon sind wir ausgegangen –, dass es zu regionalen Ausbrüchen kommen kann; das hatten wir in Niederösterreich, das hat­ten wir in Wien, das haben wir jetzt in Oberösterreich. Und ja, dieser Oberösterreich­cluster ist keine Kleinigkeit, er ist besonders und auf ihn müssen wir extrem wachsam zugehen. Das Ziel bei all diesen regionalen Ausbrüchen ist, eine rasche Abgrenzung jener Personen durchzuführen, die eine entsprechende positive Testung erhalten haben und die entsprechende Erkrankungssignale haben. – Das ist die Situation.

Wir haben in Österreich mittlerweile das Ziel, dass innerhalb von 24 Stunden die Befra­gung dieser betroffenen Personen erfolgen muss. Ich halte es für ganz, ganz wichtig,


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das als Ziel zu definieren, denn je länger es bis zu diesen Befragungen dauert, desto mehr kann es zu Ausgrenzungen und vor allem zur Ausbreitung des Virus kommen; das heißt, Tempo bringt da Erfolg. Je länger wir bei diesen Erhebungen, bei diesem Kontakt­personenmanagement brauchen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es zu Ausbreitun­gen kommt, und das wollen wir doch alle miteinander vermeiden.

Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: erstens die Möglichkeit, dass wir ausreichend Per­sonal für die Personen, die es zu befragen gibt, haben. Das ist offensichtlich nicht in allen Regionen der Fall, denn sonst hätten wir nicht ein Ersuchen aus Oberösterreich bekommen, in dem darum gebeten wird, dass die Exekutive da unterstützt.

Die zweite Möglichkeit wäre, dass wir zusätzliche Kräfte in diesem Bereich trainieren, ausbilden, damit sie bei diesem Kontaktpersonenmanagement unterstützen. Das ma­chen wir gerade. Bis September wird es Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Einsatz­kräfte, der Rettungskräfte geben, die genau diesen Job lernen und dann, wenn es re­gional zu einem Ausbruch kommt, unterstützend tätig sein können. Bis September haben wir aber die Situation, dass wir trotzdem regionale Ausbrüche haben, und die müssen wir möglichst in den Griff kriegen.

Zur Situation noch einmal ganz einfach, Herr Kollege Loacker –: Wir haben das, was ihr im Abänderungsantrag fordert, ja längst als Rechtslage. Wir haben die Rechtslage, dass die Exekutive auf Ersuchen einer Gesundheitsbehörde diese Befragungen, die Identität und die Kontakte betreffend, durchführen kann und das mittlerweile in Öster­reich in Tausenden Fällen gemacht hat, und wenn die Gesundheitsbehörde das nicht will, dann beauftragt sie das nicht. Deswegen macht die Stadt Wien – und ich akzeptiere und schätze das sehr, was Kollege Hacker da als eigenen Kurs realisiert (Abg. Bela­kowitsch: Ja, der macht das auch gut!) – das nicht, und das ist legitim. Wenn ein an­deres Land das in dieser Situation braucht, dann halte ich es auch für legitim und für gut umsetzbar. Diese Schritte wurden bisher schon realisiert.

Jetzt ist das Folgende Faktum: Nach der Frage: Mit welchen Personen haben Sie Kon­takt gehabt?, muss der Exekutivbeamte aufstehen und den Raum verlassen. Er darf die Frage: Welche Symptome haben Sie und seit wann? – die ihm von den Gesundheitsbe­hörden vorgegeben ist –, nicht mehr stellen, sondern muss den Raum verlassen. Dann kommt der Gesundheitsbeamte in denselben Raum und stellt diese eine Frage noch. – Macht das Sinn? Ist das wirklich effizient in einer Akutsituation? Genau darum geht es: dass er diese eine Frage noch stellen kann, dass er die Antwort auf die Frage nach den Symptomen noch aufschreiben kann, der Gesundheitsbehörde übermittelt und in seinem Bereich löscht.

Ich gehe davon aus, dass das in Österreich korrekt und gesetzestreu passiert und um­gesetzt wird. Also bitte, da von Rechtsstaatsfragen und von großen Problematiken zu reden verstehe ich prinzipiell, aber in der Realität schaut es aus meiner Sicht wirklich anders aus. (Beifall bei den Grünen.)

Ich gehe davon aus – und das muss man auch sehen und das muss man auch wirklich bedenken –, dass in Bereichen, in denen es sensibel sein kann und in denen wir Bevöl­kerungsgruppen haben, die davon betroffen sind – Stichwort Menschen mit einem schwierigen Aufenthaltsstatus –, die Gesundheitsbehörden diese Sensibilität haben. Diese Anweisung werden Sie von mir selbstverständlich auch kriegen, dass sie da nicht die Exekutive hinschicken, sondern das als erste Priorität im eigenen Zuständigkeitsbe­reich selbst machen.

Wir könnten damit zwei Dinge erreichen: Wir könnten korrekt vorgehen, denn ich finde es nicht gescheit, wenn ich dann von einzelnen Kritikern höre: Das passiert ja eh, aber wir brauchen es nicht in das Gesetz zu schreiben! – Ja, wir müssen es in das Gesetz schreiben, weil ich großen Wert darauf lege, dass das korrekt umgesetzt wird und wir


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nicht so schludrige Regelungen realisieren. (Zwischenruf des Abg. Drobits.– Na ja, gerade aus eurem Bereich habe ich genau das gehört!

Das Zweite ist: Wer, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann es verantworten, dass diese Befragungen und das Kontaktpersonenmanagement und damit die Abgren­zung dieser Ausbrüche nicht innerhalb von 24 Stunden geschafft werden, sondern dass man dafür Tage und möglicherweise sogar die eine oder andere Woche braucht? Das wäre bei der Bekämpfung der Pandemie meiner tiefsten Überzeugung nach verantwor­tungslos, und deswegen ersuche ich persönlich um Zustimmung. (Beifall bei den Grünen.)

13.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Reinhold Einwallner. – Bitte.


13.26.49

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Es geht darum, dass die Polizei mit mehr Aufgaben belastet wird, und der Innenminister verlässt den Raum und nimmt an der Debatte nicht teil. Ich halte das nur einmal fest! Daran sieht man auch die Wichtigkeit, die der Innenminister diesem Thema offenbar zuordnet, wenn es darum geht, dass die Polizei zusätzliche Aufgaben bekommen soll. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeord­neten Amesbauer und Schmiedlechner.)

Meine geschätzten Damen und Herren von der Regierung! Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen bewusst ist, was Sie mit dieser Gesetzesänderung machen. Da kommt in Ös­terreich ein Gefühl hoch, das wir eigentlich nicht wollen. Das beginnt schon bei der Sprache. Die oft zitierten „Glutnester“, die Herr Innenminister Nehammer auslöschen wollte, von denen haben wir immer wieder gehört. Das ist ein Teil dieser Sprache, die ich verurteile. Gestern hat der Herr Bundeskanzler gesagt, es gibt Ausbrecher aus der Quarantäne, die verfolgt werden müssen. Im Gesetzentwurf, den Sie jetzt hier verteidigt haben, Herr Gesundheitsminister, steht das Wort „Ansteckungsverdächtige“. (Abg. Bela­kowitsch: ... ein Lebensgefährder ...!)

Meine Damen und Herren, wer Krankheitssymptome zeigt, vielleicht krank ist, ist noch lange kein Verdächtiger. Ich glaube, da ist einfach der Ausdruck ein falscher. Ich wäre froh, wenn Sie sich als Gesundheitsminister einmal hinstellen und sich für diese Ausrut­scher, die da passieren, entschuldigen! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeord­neten der FPÖ. Abg. Gödl: ... geh ...!)

Die Sprache ist das eine, was etwas auslöst. Das Zweite ist, dass man zu Menschen, die in Sorge sind, ob sie krank sind oder nicht, die Polizei hinschickt. Ich denke, das ist der falsche Weg. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.) Die Polizei hat viele Aufgaben, hat viele Dinge zu erfüllen, hat ein vielfältiges Spektrum, aber sie muss nicht zusätzlich noch Krankheitssymptome aufnehmen.

Herr Bundesminister, Sie wissen eines genauso gut wie ich: Die Ermittlung von Krank­heitssymptomen ist der erste Teil einer Diagnostik, und dazu braucht es Gesundheitsbe­hörden und nicht die Polizei! Das ist der falsche Weg, den wir da einschlagen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Die Polizistinnen und Polizisten wollen das nicht tun (Abg. Belakowitsch: ... sollen es auch nicht tun!), und ich glaube, sie brauchen das auch nicht zu tun. Das müssen andere tun, damit es auch im Vertrauen der Bevölkerung geschieht. (Bundesminister Anscho­ber: Herr Kollege, wer?!) – Das sollen die Gesundheitsbehörden tun, Herr Bundesminis­ter! Und wenn Oberösterreich da etwas verschlafen hat, dann hat es Oberösterreich ver­schlafen und nicht jemand anderer. Da müssen wir etwas tun! (Bundesminister Anscho­ber: Das kann ... wurscht sein!) – Nein, es ist uns nicht egal! Wir können hier jetzt


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kein Zwiegespräch führen, das können wir gerne im Anschluss machen, aber klar ist: Wenn das Bundesland Oberösterreich die Hausaufgaben nicht macht, können wir nicht für ganz Österreich die Polizei ausschicken. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Zarits.)

Was es brauchen würde, sind nicht nur Ziele, wie Sie in Ihren permanenten Stellung­nahmen hier und bei Pressekonferenzen sagen: Wir haben uns Ziele gesetzt, Ziele ge­setzt und Ziele gesetzt! – Ergebnisse würde es jetzt einmal brauchen, Herr Bundesminis­ter, und nicht nur Zielsetzungen.

Es braucht eine durchgängige und schlüssige Teststrategie und nicht nur eine Mehrbe­lastung der österreichischen Polizei. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober.)

13.30


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


13.30.16

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesmi­nister! Kollege Schallmeiner hat vorhin gemeint, dass die Argumente des Kollegen Loacker jeglicher Grundlage entbehren. Die Frage, was denn hier jeglicher Grundlage entbehrt, trifft es ganz gut, das sind nämlich leider in vielen Bereichen die Verordnungen und gesetzlichen Bestimmungen des Herrn Bundesministers Anschober.

Wir erinnern uns: Wir dürfen niemanden zu Hause besuchen! – Diese Aussage hat jeg­licher Grundlage entbehrt, denn diese gesetzliche Regelung gab es einfach nie. Wir er­innern uns: Man muss, wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt, 1 Meter Abstand halten! – Laut dem Landesverwaltungsgericht Wien entbehrt auch diese Aussage jegli­cher Grundlage. Wir erinnern uns auch noch daran, dass der Herr Bundesminister ur­sprünglich wollte, dass die Polizei bei jemandem zu Hause einfach so anläuten und Nachschau halten kann – auch das hätte jeglicher Grundlage entbehrt. Das ist auch der Grund, wieso wir bei den Maßnahmen, die der Herr Bundesminister hier vorschlägt und die jetzt auch noch abgeändert werden, so kritisch sind: weil das Vertrauen schlichtweg nicht mehr da ist, dass das, was aus dem Ministerium kommt, richtig funktioniert. (Beifall bei den NEOS.)

Die Skurrilität ist insbesondere, dass das jetzt von den Grünen kommt, dass die Polizei da mit zusätzlichen Möglichkeiten ausgestattet werden soll – und wir erinnern uns: Sie soll Nachschau halten, vorbeugende Rechtsbelehrungen im öffentlichen Raum machen. Also wenn ich 1,19 Meter von Frau Kollegin Belakowitsch entfernt gehe, kommt die Poli­zei vorbei und sagt: Passen Sie auf, denn es könnte sein, dass Sie jetzt bald diesen 1 Meter Abstand, der jetzt laut Landesverwaltungsgericht eigentlich eh nicht mehr vorge­schrieben ist, Sie wissen, unterschreiten! – Das ist schon irritierend.

Jetzt kommt etwas dazu, nämlich dass die Polizei offensichtlich Arbeit machen soll – so wirkt es zumindest, dann gibt es ein paar Klarstellungen, aber in erster Linie wirkt es so ‑, die eigentlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten ist. Es ist gerade nicht so, dass sie diagnostizieren sollen, sie sollen nur nachfragen, steht jetzt drinnen. Ich stelle mir das dann sehr spannend vor, abgesehen davon, dass sie Daten sammeln und vielleicht – das hat Kollege Schallmeiner gesagt – die Kopie hoffentlich nachher wegschmeißen. Ich frage mich: Was ist, wenn sie die Kopie nicht wegschmeißen? – Das wäre irritierend.

Wir haben ja so etwas Ähnliches schon gehabt, nämlich dass Gesundheitsdaten an Bür­germeisterinnen und Bürgermeister weitergegeben werden sollen. Ich habe das hier scharf kritisiert. Es gab dann einen Bürgermeister, der auch hier bei uns im Hohen Haus ist, Kollegen Christoph Stark, der selbst gesagt hat – obwohl er da mitgestimmt hat –, er


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will das nicht, weil er diese Gesundheitsdaten als sehr sensibel ansieht und das dem­entsprechend auch nicht haben will.

Herr Bundesminister, ich bin der Meinung, dass es nicht die Aufgabe der Polizei ist, Gesundheitsdaten zu sammeln, und auch nicht, Bürgerinnen und Bürger zu fragen, was sie denn eventuell für Krankheitssymptome haben. (Abg. Belakowitsch: Eine Anamne­se zu erheben!) Ich stelle mir das sehr spannend vor, Kollege Kucher hat es schön ausgeführt: Haben Sie einen trockenen Husten? Haben Sie einen feuchten Husten?

Ich habe dann überlegt, Herr Bundesminister, und an meine Zeit als Rettungssanitäter zurückgedacht. Ich bin ausgebildeter Rettungssanitäter und war Zivildiener; ich darf jetzt nicht mehr als Rettungssanitäter tätig sein, weil ich die Prüfungen nicht gemacht habe, aber ich erinnere mich an die Ausbildung: Zwei Monate lang hat man uns ausgebildet, uns erklärt, wie Krankheitssymptome ausschauen, was das denn bedeutet, damit wir als wirklich einfache Rettungssanitäter ein bisschen einordnen können, was das denn be­deutet, wenn jemand sagt, er hat Schmerzen im Brustkorb oder Bauchweh oder einen Husten. Man hat uns immer – zu Recht – eingetrichtert, dass wir keinesfalls darüber hinausgehend – außer diese Fragen zu stellen – irgendetwas diagnostizieren dürfen; al­lerhöchstens eine Verdachtsdiagnose, denn die Diagnostik obliegt Ärztinnen und Ärzten.

Ich habe dann später auch unterrichtet, habe Zivildiener unterrichtet und ihnen erklärt, was sie rechtlich dürfen. Ich habe jetzt während der ganzen Debatte an einen Straftat­bestand zurückdenken müssen, bei dem ich immer gesagt habe: Da müsst ihr aufpas­sen! Das ist der § 184 des StGB, Kurpfuscherei. (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Da steht drinnen: „Wer, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Berufes erforderliche Ausbildung erhalten zu haben, eine Tätigkeit, die den Ärzten“ - - (Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Abg. Meinl-Reisinger: Es ist ja so!) – Gibt es nicht mehr? Haben Sie gesagt, das gibt es nicht mehr? (Bundesminister Anschober: Nein, ich habe gesagt, das gibt es in der Politik ...!) – Ach so!

Jedenfalls ist es in Österreich strafbar: „Wer, ohne die zur Ausübung des ärztlichen Beru­fes erforderliche Ausbildung erhalten zu haben, eine Tätigkeit, die den Ärzten vorbehal­ten ist, in bezug auf eine größere Zahl von Menschen gewerbsmäßig“ – das ist in dem Fall nicht vorgesehen; wobei: die Polizistinnen und Polizisten kriegen ja Geld dafür, dass sie es machen, also vielleicht ist es sogar gewerbsmäßig – „ausübt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten [...] zu bestrafen.“ (Bundesminister Anschober: ... nicht lustig!) – Nein, das ist überhaupt nicht lustig, Herr Bundesminister. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deswegen hat der Gesetzgeber ja auch festgeschrieben, dass gewisse Aufgaben Ärztin­nen und Ärzten und dem Gesundheitspersonal vorbehalten sind; deswegen gibt es das, weil es eben nicht lustig ist. (Beifall bei NEOS und FPÖ, bei Abgeordneten der SPÖ sowie Bravoruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Anschober. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt, Herr Bundesminister, aber noch etwas Versöhnliches, das auch dazu passt: Es gibt eine Verordnung aus Ihrem Haus, die für einzelne Personen offensichtlich nicht nachvollziehbar und verständlich ist. Es haben sich in den letzten Wochen mehrere binationale Paare an uns gewandt, haben auch über Twitter und Facebook unter den Hashtags Love is not Tourism und Love is essential auf ihre Situation aufmerksam ge­macht, nämlich dass es schwierig ist, sich als binationales Paar zu treffen, wenn man nicht schon verheiratet ist oder im gleichen Haushalt lebt und so weiter und so fort.

Das Problem ist ganz einfach, dass da eine Verordnung von Ihnen zumindest nicht so klar verstanden wird. (Bundesminister Anschober: Schon klargestellt! Wichtiger Punkt!) – Das ist mir klar, Sie haben es klargestellt, doch es ist von diesen Paaren bis heute nicht so verstanden worden, dass sie wissen, dass sie sich wieder treffen dürfen. Deswegen


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bin ich auch sehr froh, dass ich gemeinsam mit Frau Kollegin Neßler und Herrn Kollegen Sieber hier einen Antrag zustande gebracht habe, der das auch klarstellt, sodass auch für alle binationalen Paare wieder klar ist, dass sie – natürlich nach der Quarantäne oder den entsprechenden Testungen – wieder die Möglichkeit haben, sich zu treffen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Keine zwangsweise Trennung von internationalen, unver­heirateten Paaren mehr“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, klarzustellen, dass unter ‚besonders be­rücksichtigungswürdigen Gründen im familiären Kreis im Einzelfall‘ nach § 3 Z 3 der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 auch Besuche durch nicht-verpartnerte und unverheiratete Partner bzw. Partnerinnen von in Österreich ansässigen Personen unabhängig vom Herkunfts­land und unabhängig von einem gemeinsamen Haushalt zu verstehen sind.“

*****

Herr Bundesminister, stellen Sie das so laut klar, wie es irgendwie möglich ist (Bun­desminister Anschober: Schon passiert!), und schauen Sie auch gemeinsam mit den Beamtinnen und Beamten, die die Grenzkontrollen machen und an den Flughäfen Dienst tun, dass das klar ist, weil es sicher komplex ist, kundzutun und zu beweisen, dass ich hier einen Partner oder eine Partnerin habe, mit dem oder der ich in einer Beziehung lebe, nicht verheiratet bin, nicht im selben Haushalt lebe. Diese Menschen haben sich seit Wochen, seit Monaten nicht gesehen und haben ein dringendes Bedürfnis, das wie­der zu tun. Ich glaube, wir sollten alles daransetzen, dass das wieder möglich ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

13.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nikolaus Scherak‚ Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Keine zwangsweise Trennung von internationalen, unverheirateten Paaren mehr

eingebracht im Zuge der Debatte in der 47. Sitzung des Nationalrats über den Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kom­munalsteuergesetz 1993 und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden (337 d.B.) – TOP 6

Durch den Antrag des Wirtschaftsausschusses (337 d.B.) wird anlässlich der Covid-19-Pandemie im Epidemiegesetz eine Bestimmung eingeführt, die es Polizist_innen ermög­licht, Krankheitssymptome bei Corona-Verdachtsfällen zu erheben. Eine weitere Aufga­be der Sicherheitsbehörden in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ist für die Vollziehung der Corona-Einreisebestimmungen zu sorgen. Dafür braucht es aber auch klare Vorgaben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 84

In den vergangenen Tagen und Wochen wurden Fälle von internationalen Paaren be­kannt, die verzweifelt sind, da sie sich auf Grund der Corona-Krise nicht sehen können und auch nicht absehbar ist, wann dies wieder der Fall sein wird. Unter dem Hashtag #LoveIsNotTourism und #LoveIsEssential machen hunderte internationale, unverheira­tete Paare online auf ihre schwierige Situation aufmerksam. Auch die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, unterstützt die Anliegen der Betroffenen und hat die Re­gierungen der Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen den Begriff der "Partnerschaft" so weit wie möglich zu fassen und Lebenspartner_innen von EU-Bürger_innen oder EU-Einwohne­r_innen von den aktuellen Corona-Einreisebeschränkungen auszunehmen (https://twit­ter.com/YlvaJohansson/status/1278622428298649602).

Österreich hat die Einreisebeschränkungen innerhalb des Schengenraums sowie mit einigen anderen europäischen Ländern gelockert, aber für die meisten Staaten (wie bei­spielsweise die USA) gelten weiterhin strenge Einreiseverbote. Ausnahmen gibt es nur wenige, unter anderem für im gleichen Haushalt lebende Familienangehörige. Das sind aber im Fall von Liebesbeziehungen nur Ehegatt_innen oder eingetragene Partner_in­nen im gemeinsamen Haushalt. Weiters gibt es eine Einreisemöglichkeit "aus besonders berücksichigungswürdigen Gründen im familiären Kreis im Einzelfall". Dazu zählen laut der Webseite des BMSGPK "z.B. Besuche von Familienangehörigen bei Krankheit oder eigener Kinder im Rahmen von Obsorgepflichten, ein Besuch der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. Zudem besondere Anlässe wie z.B. Taufe, Geburtstag, Begräbnis oder Hochzeit. Der besonders berücksichtigungswürdige Grund im familiären Kreis muss bei der Kontrolle nachgewiesen werden, beispielsweise durch die Vorlage einer Geburtsurkunde, einer Meldebestätigung oder Passkopie des Familienmitgliedes." (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeu­fig-gestellte-Fragen/FAQ--Reisen-und-KonsumentInnenschutz.html - Stand: 06.07.2020, 14:30).

Klarheit über die geltenden Bedingungen ist sowohl für die betroffenen Paare dringend notwendig, also auch für die vollziehenden Beamt_innen.

In Dänemark gelten Ausnahmen auch für "sweethearts", es ist dabei kein gemeinsamer Haushalt erforderlich (https://politi.dk/en/coronavirus-in-denmark/travelling-in-or-out-of-denmark/persons-resident-in-banned-countries). Dazu stellen die dänischen Behörden sogar ein eigenes Formular zur Verfügung, welches als Beweis für das Bestehen der Beziehung bei der Einreise vorgelegt werden muss (https://politi.dk/en/-/media/medie­filer/corona/rejseerklaeringer/04-declaration-solemn-declaration-on-relationship-for-use-in-connection-with-entry.pdf). Darin muss bestätigt werden, dass die Beziehung seit min­destens drei Monaten besteht und bereits persönliche Treffen erfolgt sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, klarzustellen, dass unter „besonders be­rücksichtigungswürdigen Gründen im familiären Kreis im Einzelfall“ nach § 3 Z 3 der Verordnung über die Einreise nach Österreich in Zusammenhang mit der Eindämmung von SARS-CoV-2 auch Besuche durch nicht-verpartnerte und unverheiratete Partner bzw. Partnerinnen von in Österreich ansässigen Personen unabhängig vom Herkunfts­land und unabhängig von einem gemeinsamen Haushalt zu verstehen sind.“

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Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 85

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht.

Zu Wort ist zu diesem Tagesordnungspunkt niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung werde ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für innere Angelegenheiten – das ist TOP 10 – verlegen, und ich fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.

13.37.457. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 556/A(E) der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des Corona Krisenstabs im In­nenministerium (333 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 730/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, Mag. Georg Bürstmayr, Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Trans­parenz im Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (334 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)


13.38.43

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Wir wissen, glaube ich, alle, so fair können wir sein – und alle Parlamentsparteien haben ja am Anfang auch gemeinsam viele Krisen­maßnahmen mitgetragen, weil diese Coronakrise für Österreich eine gewaltige Heraus­forderung darstellt –, dass natürlich auch Fehler passiert sind. Die Frage ist nur: Wie gehen wir mit diesen Fehlern um und wie lernen wir daraus, dass diese Fehler sich in Zukunft nie mehr wiederholen?

Eine zentrale Grundlage für uns alle, dass diese Fehler sich nicht wiederholen, ist das Vorliegen der Entscheidungsgrundlagen, von Protokollen. Es ist, glaube ich, unser Job, zu schauen: Was hat nicht gut funktioniert und wo müssen wir besser werden? Jetzt sind wir aber in der Situation, dass Frau Ministerin Edtstadler gestern irgendetwas von einem gläsernen Staat, den sie schaffen möchte, herumphilosophiert, dass sie da jetzt Gesetze vorlegen wird. Wenn wir aber nachfragen, ob es auch Unterlagen zur Krisenbewältigung gibt, dann kriegen wir hier im Parlament nahezu keine Antworten. Einige Abgeordnete können ein Lied davon singen. Es ist unglaublich, wie man hier damit umgeht und Fragen nicht beantwortet. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Meinl-Reisinger: Das stimmt!)

Das ist kein Selbstzweck, da haben Menschen ihre Existenzen verloren, da hat es Men­schen in Altersheimen gegeben, die plötzlich nicht mehr auf die Straße durften, die man de facto eingesperrt hat. Da sind viele Dinge passiert, die wir alle miteinander aufarbeiten müssen.

Sebastian Kurz hat in Sitzungen intern gesagt: Man muss den Menschen Angst machen und ihnen erzählen, dass die eigenen Eltern, dass Oma und Opa sterben werden!, und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 86

er hat von 100 000 Toten gesprochen. – Diese Protokolle sind dann plötzlich verschwun­den. Wenn man dann im Innenausschuss den Herrn Innenminister fragt, was denn mit dem Krisenstab des Innenministeriums sei, dann sagt er als erste Antwort: Na, Protokolle haben wir gar nicht!, und dann wird darüber diskutiert, was denn eigentlich ein Protokoll sei. Das ist eine philosophische Frage (Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger), was ein Protokoll ist und was nicht.

Ich meine, das sind die klassischen Ausreden. Das Parlament hat das Recht, auch alle Unterlagen zu bekommen, und ich bin da deswegen so skeptisch, weil wir alle wissen, dass Sebastian Kurz da eine Vorgeschichte hat. Ich bin der letzte, der ihm irgendetwas unterstellen möchte, aber Sebastian Kurz ist bekannt geworden dadurch, dass er Unter­lagen schreddern hat lassen, dass seine Leute mit den Festplatten durch halb Wien mar­schieren. Ich habe Angst, dass Sebastian Kurz wieder schreddern lässt und Protokolle ändern lässt (Abg. Meinl-Reisinger: Kalendereinträge, SMS!), das können wir alle nicht ausschließen.

Das ist kein Selbstzweck, denn es ist unser Job, dafür zu sorgen, dass das Krisenma­nagement in Zukunft besser wird. Es geht da um Menschenleben, es geht um die Re­publik, es geht um die Gesundheit, um die Wirtschaft in Österreich. Die Protokolle müs­sen vorgelegt werden, und nicht: schreddern und verheimlichen! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Matznetter: Vielleicht hat Karl Nehammer auch den Laptop verloren wie der Blümel!)

13.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Manfred Hofinger. – Bitte.


13.41.20

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Philip, ganz kurz ein paar Worte zu dir: Diese Verdächtigungen, die du jetzt angesprochen hast, entbehren, glaube ich, jeder Grundlage, und das ist absolut nicht angebracht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Was für Verdächtigungen ...? – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Mit dem Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement, dem SKKM, eigent­lich der oberste Krisenstab unseres Staates und im Innenministerium angesiedelt, hat das Innenministerium eine koordinierende Stelle zwischen den Bundesländern, den ein­zelnen Bundesministerien sowie natürlich den Einsatzorganisationen und den kritischen Infrastrukturen. Dieser Meinungsaustausch zwischen den einzelnen Entscheidungsträ­gern ist wichtige Beurteilungsgrundlage in Bezug auf die aktuelle Lage dieser Corona­krise. Klargestellt werden muss aber, dass das Innenministerium nur eine koordinierende Funktion erfüllt und natürlich das Covid-19-Lagebild die Grundlage für die Handlungen der einzelnen Akteure in diesem Krisenstab und auch für die Entscheidungen ist, die die einzelnen Ministerien dann treffen. Ich denke, dass wir mit diesem Modus der Krisenbe­wältigung in den herausfordernden letzten Monaten gut gefahren sind, und ich bedanke mich hier ausdrücklich bei den Verantwortlichen im Innenministerium, dass sie diese verantwortungsvolle Aufgabe übernommen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abge­ordneten Jakob Schwarz und Stögmüller.)

Generell glaube ich, dass das Krisenmanagement der Bundesregierung sich wirklich sehen lassen kann, es ist nämlich nicht einfach, in einer solch herausfordernden Zeit zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu treffen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Ich glaube, wir haben mit unserem Bundeskanzler Sebastian Kurz, mit In­nenminister Karl Nehammer und mit Gesundheitsminister Rudi Anschober Profis am Werk, die zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen im Sinne der Gesundheit unse­rer Bevölkerung, im Sinne unser Wirtschaft in Österreich getroffen haben. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Jakob Schwarz und Stögmüller.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 87

Das Vertrauen in politische Entscheidungen muss und kann jedoch stets verbessert wer­den. Das tun wir heute mit diesem gemeinsamen Entschließungsantrag, mit dem wir Transparenz und Nachvollziehbarkeit in Bezug auf die vorhin erwähnten Lagebilder, die im SKKM erarbeitet werden, fordern. Diese Covid-19-Lagebilder sollen künftig nach Möglichkeit nicht nur den Akteuren des SKKM, sondern auch dem Nationalrat zur Verfü­gung stehen. Da wir im Innenausschuss den Antrag aufgrund unterschiedlicher Begriff­lichkeiten ursprünglich vertagt hatten, gab es Gespräche mit allen Fraktionsführern, und wir haben eine gemeinsame Linie gefunden. Ich möchte mich hier bei allen Fraktions­führern und natürlich bei unserem Ausschussobmann Karl Mahrer recht herzlich dafür bedanken. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben mit diesem gemeinsamen Antrag einen guten Weg gefunden, die Transpa­renz bei der Entscheidungsfindung zu erhöhen, ohne mehr bürokratischen Aufwand be­treiben zu müssen. Die Lagebriefings sollen künftig dem Nationalrat unter Festlegung einer Klassifizierung durch das Innenministerium vorliegen.

Durch diese Vorgangsweise können wir Entscheidungen, die in den einzelnen Minis­terien getroffen werden, nachvollziehbarer machen. Das ist, glaube ich, unser aller Wunsch. Dass das Krisenmanagement in Österreich funktioniert und die Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt wurden, beweist ein Blick über unsere Grenzen: nach Schweden, das immer wieder von jenen, die den Lockdown eigentlich nicht wollten, ge­nannt wird und wo es eine Mehrzahl von Todesfällen im Vergleich zu den anderen eu­ropäischen Ländern gibt; neben Nord- und Südamerika – heute in den Zeitungen: in Nordamerika sind es über 3 Millionen Infizierte – oder auch neben Israel, wo sich sehr viele Schüler in der Schule und bei den Feiern angesteckt haben. Ja, es stimmt, auch bei uns gehen die Zahlen leider wieder nach oben und entstehen immer mehr Corona­cluster. Wir haben diese aber aufgrund des Contacttracings der einzelnen Bezirksver­waltungsbehörden im Griff, was ganz wichtig ist. Ich möchte mich ausdrücklich bei diesen Behörden herzlich bedanken. Es ist sehr, sehr viel Arbeit und sie machen ihre Aufgabe sehr gut. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Österreich ist einen verantwortungsvollen Weg gegangen, und das ist gut so. Die Ge­sundheitsversorgung ist zu jedem Zeitpunkt gegeben, und mit den Entlastungs- und Un­terstützungspaketen für die Wirtschaft, für die Landwirtschaft, für die Gemeinden, für die Familien, für die Künstler, für die Arbeitslosen können wir den mühsam erarbeiteten volkswirtschaftlichen Wohlstand erhalten. Diese Krise ist nicht vorbei, daher sind wir alle aufgerufen – und ich bitte alle –, mit viel Eigenverantwortung die Verbreitung dieses Co­ronavirus zu verhindern, denn es ist mir bewusst, dass nach den Lockerungen eine gewisse Coronamüdigkeit Einzug gehalten hat. In diesem Sinne: Bleiben wir wachsam, halten wir die Hygienemaßnahmen und den nötigen Abstand ein! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.47


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hannes Amesbauer. – Bitte.


13.47.11

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Innenminister! Herr Gesundheitsminister! Geschätzte Damen und Herren! Diese De­batte zeigt wieder einmal eindrucksvoll, wie sehr den Regierungsparteien und insbeson­dere der ÖVP daran gelegen ist, wichtige Informationen, die zu schwerwiegenden Ent­scheidungen führen, nämlich in der Coronakrise, in der es die größten Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte in der Geschichte der Zweiten Republik gegeben hat, zuzudecken; nämlich die Entscheidungsfindungen und die Diskussionen, die zu den Ent­scheidungen geführt haben, zuzudecken und von der Öffentlichkeit möglichst fernzuhal­ten. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff. – Abg. Obernosterer: Na, na, na!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 88

Das ist ja wirklich bemerkenswert, dass im Innenministerium ein Krisenstab eingerichtet wird, von dem überhaupt nichts nach außen dringt. Im Innenausschuss erklärt dann der Herr Innenminister, dass bei diesem Krisenstab im Innenministerium keine Protokolle geführt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Ha, ha, ha!) Ich muss jetzt ganz ehrlich und offen hier sagen, Herr Innenminister: Ich glaube Ihnen das nicht! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.) Ich will jetzt gar nicht über die Begrifflichkeit diskutie­ren, darüber, was ein Protokoll ist. Irgendeine Mitschrift von der Veranstaltung, die dort stattgefunden hat, von diesen Treffen und von diesen Beratungen wird es ja wohl geben. Wie ist denn das dann weitertransportiert worden? – Es wird ja Ergebnisse bei diesen Besprechungen gegeben haben, denn sonst muss man sich die Frage stellen, zu wel­chem Zweck sich diese Runde überhaupt getroffen hat. Vielleicht können Sie das ja noch erläutern.

Die Sensibilität bei diesem ganzen Thema haben wir ja – Kollege Kucher hat das kurz angesprochen – bei dieser Taskforce Corona gesehen, wobei dann durch ein Leak mit Zeitverzögerung nach außen gedrungen ist, was dort gesprochen wurde, wie Bundes­kanzler Sebastian Kurz dort in diesen Sitzungen – und davon gibt es ja glücklicherweise Protokolle – gesagt hat, dass er zu wenig Angst in der Bevölkerung verspürt, dass er will, dass die Menschen Angst davor haben, dass ihre Eltern oder Großeltern an Corona sterben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Da brauche ich nicht aufzupassen, das ist alles nachzulesen. (Abg. Belakowitsch: Steht im Protokoll! – Abg. Gödl: Nein, ist nicht nach­zulesen, sicher nicht!) – Na sicher ist das nachzulesen! Das hat er gesagt, und solange das nicht widerlegt wird, bin ich auch davon überzeugt, dass er es gesagt hat. Das passt übrigens auch zu dem, was er öffentlich gesagt hat, er hat nämlich gesagt: Jeder wird jemanden kennen, der an Corona gestorben ist, wir werden 100 000 Tote haben. – Das ist glücklicherweise nicht eingetroffen, aber sicherlich nicht deswegen, weil Herr Kurz der große Heilsbringer ist, und schon gar nicht deswegen, weil er sich über viele Wochen und Monate als Angst-, Panik- und Weltuntergangskanzler präsentiert hat, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja bemerkenswert, dass es erst den Druck der Oppositionsparteien braucht – und da stehe ich nicht an, auch dem Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff zu danken, dass er da nicht lockergelassen hat –, dass Sie jetzt zumindest vorgeben, wenigstens ein zartes Pflänzchen an Transparenz sicherstellen zu wollen. Das kann es nicht sein! Das kann es nicht sein, dass es einen Krisenstab in Ihrem Ressort gibt, in dem weitreichende Entscheidungen vorbesprochen und vorbereitet werden, und Sie sagen, da gibt es kein Protokoll, keine Mitschrift oder irgendetwas.

Also entweder haben Sie es schreddern lassen, durch den Reißwolf gejagt oder Sie sagen hier bewusst die Unwahrheit. Ich glaube es nicht, dass es bei so einem hochkarä­tigen Gremium wie diesem Krisenstab im Innenministerium kein Protokoll gibt.

Geben Sie uns die Antworten, die Sie schuldig sind – denn die sind Sie dem Parlament schuldig, die sind Sie vor allem aber den Bürgern schuldig, die ja die Betroffenen Ihrer Maßnahmen waren –, und hören Sie auf mit dieser ewigen Zudeckungs- und Vertu­schungspolitik! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

13.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr. – Bitte.


13.51.13

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Was wir hier in dieser Debatte erleben, ist das mehrfache Anwenden eines alten rhetorischen Modells, nämlich das vom Strohmann, das sogenannte Strohmannargument.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 89

Was ist damit gemeint? – Wenn Sie Ihren Gegner kritisieren wollen, aber nichts Geschei­tes finden, mit dem Sie ihn kritisieren können, dann unterstellen Sie ihm eine bestimmte Haltung oder eine bestimmte Handlung, und die kritisieren Sie dann vehement.

Meine Damen und Herren, wenn Sie dieser Debatte folgen, dann sollten Sie sich immer dann fragen, ob wir es nicht mit einem sogenannten Strohmannargument zu tun haben, wenn die Empörung ganz besonders laut wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn Sie, Kollege Amesbauer, hergehen und sagen (laut und empört sprechend): Herr Bundesminister, ich glaube Ihnen nicht, dass es keine Protokolle gibt! Es muss Proto­kolle geben! Es ist eine Schweinerei, dass Sie das nicht - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, das Wort Schweinerei ist nicht gefallen, denn da hätte es einen Ordnungsruf gegeben – also bitte auch nicht wiederholen.


Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (fortsetzend): Ich nehme das Wort Schweinerei zurück, aber Sie wissen, was gemeint ist: die gespielte, die aufgesetzte Empörung. Ich unterstelle dem Gegner eine bestimmte Haltung, ein bestimmtes Argument, und auf das gehe ich dann los. Das passiert hier nicht nur hinsichtlich der Protokolle oder Mit­schriften – ja, es wird Notizen geben, aber formelle Protokolle offensichtlich nicht –, es passiert genauso, meine Damen und Herren von der SPÖ, wenn Sie davon sprechen, dass die Polizei dazu ermächtigt werden soll, Handlungen auszuführen, die den Gesund­heitsberufen vorbehalten sind. Schauen Sie sich den Antrag an, der dem Parlament vorliegt: Davon ist nicht die Rede! Das ist absolut ausgeschlossen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kucher: Ist so drinnen gestanden!)

Ich würde für den weiteren Verlauf der Debatte doch dafür plädieren, dass wir möglichst wenig auf Strohmänner losgehen und uns möglichst damit auseinandersetzen, was uns tatsächlich vorliegt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.53


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte.


13.53.57

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr In­nenminister! Herr Gesundheitsminister! Dass ich einmal hier stehe und den Kollegen Amesbauer verteidige, hätte ich auch nicht gedacht. Leider muss ich ihn aber in diesem Fall verteidigen, denn, Herr Bürstmayr, Sie haben eine Sache, eine Kleinigkeit, die der Herr Bundesminister im Ausschuss auch gesagt hat, vergessen. Er hat gesagt, es gibt keine Protokolle aus dem SKKM, aber es gibt möglicherweise irgendwo Mitschriften, die allerdings keine offiziellen Protokolle sind. Dementsprechend ist das natürlich kein Stroh­mannargument, sondern es ist ganz klar, dass hier versucht wird, etwas zumindest zu kaschieren. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich wollte aber eigentlich als Erstes noch zu dem Antrag kommen. Ich möchte mich recht herzlich bedanken, insbesondere bei Kollegen Mahrer, der sehr intensiv, nach einem durchaus schwierigen Ausschuss, versucht hat, eine gemeinsame Lösung zu finden. Ich finde, auch das sollte man respektieren. (Beifall bei Abgeordneten von NEOS, SPÖ und ÖVP.) Wir sollten schauen, dass wir genau diese Zusammenarbeit, nämlich zwischen Opposition und Regierung, in so wichtigen Fragen vorantreiben, weil es durchaus not­wendig ist, gerade in Zeiten der Krise, Vertrauen in die Politik zu schaffen, und für Ver­trauen braucht es auch eine gewisse Transparenz.

Und das ist genau das, was im SKKM fehlt – generell, in allen Krisenstäben. Das betrifft ja nicht nur den Krisenstab des Innenministeriums, um den es jetzt geht, sondern auch den Krisenstab des Gesundheitsministeriums, aber zum Beispiel auch der Tiroler Lan­desregierung, Stichwort Ischgl; auch dort haben wir ein massives Transparenzdefizit.


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Und es geht darum, genau diese Transparenz herzustellen – aus zwei Gründen aus meiner Sicht: einerseits, um nachvollziehen zu können, auf welcher Basis Entscheidun­gen getroffen werden, also die politische Verantwortung klären zu können, und anderer­seits, um nachvollziehen zu können, was passiert ist, um Lehren daraus zu ziehen und unser staatliches Krisenmanagement weiterzuentwickeln, damit wir bei der nächsten Kri­se besser vorbereitet sind als diesmal.

Der Antrag geht insofern aus meiner Sicht nicht weit genug, da sind wir aber noch in weiteren Gesprächen. Wir reden jetzt darüber, dass diese Briefings veröffentlicht wer­den. Ich glaube aber, es braucht wesentlich mehr. Ich glaube, dass von einem Krisen­stab nicht nur irgendwelche Briefings, Powerpoint-Folien veröffentlicht werden sollten, sondern dass man sich langfristig auch überlegen sollte, in welcher Art und Weise wir zusammenarbeiten, eine Art Geschäftsordnung, in der genau drinnen steht: Wie schaut ein Protokoll aus, wie agieren wir?

Viele von Ihnen sind wahrscheinlich in Vereinen aktiv. Jeder Vereinsvorstand hat eine Geschäftsordnung, in der klar festgelegt ist: Wer nimmt an welcher Sitzung teil, warum, wozu, weshalb?

Ich glaube, dass das insbesondere aus einem Grund wichtig ist, und da komme ich zum Kollegen Hofinger. Sie haben gesagt, wie großartig alles gelaufen ist, vom großartigen Krisenmanagement der Bundesregierung haben Sie gesprochen. Da muss man schon genau hinschauen, und dafür brauchen wir wieder Protokolle aus den diversen Krisen­stäben.

Wenn wir uns an das Thema Ischgl zurückerinnern: Ischgl ist der Ausgangspunkt – da sind sich alle Experten in Europa einig – von Corona in Zentraleuropa. Und da hat die Bundesregierung weggeschaut. Die Bundesregierung und der Krisenstab in Tirol haben weggeschaut, über Monate hinweg. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.) – Schreien Sie nicht so, Frau Kollegin! Es bringt uns nicht weiter, wenn ÖVP und auch die Grünen, die hier auch zur Verantwortung zu ziehen sind, versuchen, da wegzuschauen, abzulenken und Aufklärung zu verhindern. (Präsi­dent Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn ich mir anschaue, wie es momentan in Tirol abläuft: Da gibt es eine Anzeige und da wird versucht, diese Anzeige kleinzuhalten, nicht weitergehen zu lassen; die Staats­anwaltschaft in Tirol wartet nach wie vor auf die Protokolle – nämlich genau auf die Pro­tokolle aus dem Tiroler Krisenstab! Da stelle ich mir schon die Frage: Was läuft da im Hintergrund? (Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube und ich bin sogar davon überzeugt, dass diese Aufklärungsarbeit auf uns, auf das Parlament zukommen muss: aufzuklären, was damals schiefgegangen ist, nämlich aus einem einfachen Grund: dass wir daraus lernen, dass so etwas nie wieder vor­kommt, dass es in Österreich nie wieder vorkommt, dass der zentrale Herd einer Pan­demie in Österreich, in Ischgl, ist, ohne dass die Bundesregierung, ohne dass die Lan­desregierung in Tirol etwas dagegen tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Kollege Ernst Gödl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.58.35

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Herr Gesundheitsminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich glaube, die Entwicklung der Covid-19-Fallzahlen in den letzten Tagen sowohl international wie auch national beweist sehr deutlich, wie wichtig


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und richtig es war, dass die österreichische Bundesregierung, auch im Zusammenwirken mit dem österreichischen Parlament und ganz besonders mit der Unterstützung der Be­völkerung, zu Beginn der Pandemie entschlossen, konsequent und schnell gehandelt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich glaube, es gibt niemand, der in Österreich lebt, der mit jemand aus einem anderen Land tauschen möchte. Wir haben es geschafft, wie gesagt, mit der gemeinsamen An­strengung der Bevölkerung, diese Pandemie sehr schnell in den Griff zu bekommen. Dazu bedurfte es natürlich einer Vielzahl von Entscheidungen und vor allem eines schnellen Handelns.

Sebastian Kurz als Regierungschef hat es gemeinsam mit seinem Vizekanzler, mit dem Gesundheitsminister und mit dem Innenminister und auch allen weiteren Fachministern bewiesen, dass die Regierung imstande ist, eine derart schwierige Krisensituation in den Griff zu bekommen.

Dazu bedarf es natürlich eines Krisenstabes, bei dem Meinungen und Informationen zu­sammenlaufen. Ich glaube, viele von euch haben sich auch immer wieder informiert, ich selbst habe zum Beispiel mit großer Begeisterung immer wieder die Podcasts von Dr. Drosten aus Deutschland und auch andere Podcasts mit anderen Meinungen ange­hört. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Natürlich gibt es in einer Krisenphase viele ver­schiedene Meinungen, die zusammenkommen, aber am Ende des Tages ist es wichtig, dass schnelle Entscheidungen getroffen werden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

Dass unsere Bundesregierung schnelle Entscheidungen getroffen hat und dass die Be­völkerung damit einverstanden ist, das ist ja das, was Sie so schmerzt, was euch so schmerzt. Dass nämlich das Vertrauen der Bevölkerung in diese Bundesregierung, in den Bundeskanzler, in den Gesundheitsminister, in den Innenminister so hoch ist, das liegt ja auf der Hand, weil sie schnell und konsequent gehandelt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

In einer international angelegten Studie aus England hat eine britische Forschergruppe, die sich Economist Intelligence Unit nennt, ja auch bestätigt, dass Österreich interna­tional gemessen an zweiter Stelle eines Indexes liegt, wenn es darum geht, wie die Krise im eigenen Land bewältigt wurde. Österreich ist an zweiter Stelle hinter Neuseeland ex aequo mit Deutschland. Allein diese Studie beweist, dass unsere Bundesregierung mit unserer Mithilfe, der Mithilfe des Parlaments, im Einklang mit der Bevölkerung äußerst richtig gehandelt hat und daher auch das große Vertrauen in der Bevölkerung verdient. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie kritisieren zum Beispiel immer wieder, dass so viele Pressenkonferenzen abgehalten wurden. Ich möchte nicht wissen, was Sie sagen würden, wenn wir den schwedischen Weg gewählt hätten, so wie es zwischenzeitlich gefordert wurde – jetzt ist es ganz still geworden um den schwedischen Weg, den die Freiheitlichen hier auch ganz stark vorge­tragen haben –, wenn nämlich nicht die Politiker vorne gestanden wären. In Schweden wurde eben dieser Virologe Anders Tegnell vorgeschickt, der jetzt ganz stark kritisiert wird. In Schweden gibt es inzwischen eine Untersuchungskommission, die natürlich jetzt der Politik Vorwürfe macht und fragt: Unter welchen Gesichtspunkten hat sich die Politik da in der Entscheidungsfindung zurückgenommen? (Abg. Amesbauer: Die sind trans­parent und geben Fehler zu!) Wie kann man heute rechtfertigen, dass es in Schweden im Vergleich zu anderen Ländern, zu Dänemark, zu Österreich, zu Norwegen, zehnmal so viele Todesfälle gibt?

Das heißt, es war richtig, dass die Politik vorangegangen ist und schnelle Entscheidun­gen getroffen hat. (Abg. Meinl-Reisinger: Ischgl!) Und dass es in Zeiten der Krise na­türlich wichtig ist, schnelle Entscheidungen zu treffen, hat man jetzt auch bei den Ge­meinderatswahlen in der Steiermark sehr gut gesehen. Es hat sich gezeigt, dass die


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Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, egal welcher Farbe, egal ob Türkis, ob Rot, ob von einer Namensliste, in ihren Ämtern vor zwei Wochen bestätigt wurden, weil sie sich in der Krise auch ganz stark dieser Aufgabe der Krisenbewältigung angenommen haben.

Es war natürlich kein leichtes Unterfangen für jene Parteien, die eben nicht den Bür­germeister stellen. Ich glaube, Kollege Amesbauer kann davon ein Lied singen, denn auch in seiner Gemeinde war es ja so, dass der Bürgermeister zum Beispiel stark von der Bevölkerung unterstützt wurde, großes Vertrauen aufbauen konnte und andere Par­teien – und auch du, glaube ich – in seiner Gemeinde eben an Vertrauen verloren haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Amesbauer: 30 Stimmen ...! – Abg. Belakowitsch: Die Poli­tik hat ein Vertrauensproblem! Das sieht man an der Wahlbeteiligung!)

Das ist auch ein Beweis dafür, dass gutes Krisenmanagement und schnelles Handeln auch Vertrauen schaffen. (Abg. Belakowitsch: Deshalb haben wir ein Minus von 10 Pro­zent bei der Wahlbeteiligung! ...!) Meine Damen und Herren, die knappste Ressource in der Politik ist das Vertrauen. (Abg. Amesbauer: ... Kurz! Auch sein Tag wird kommen!) Unsere Bundesregierung mit Sebastian Kurz an der Spitze, mit Minister Nehammer und mit Minister Anschober genießt dieses große Vertrauen in der Bevölkerung aufgrund einer sehr guten Performance während dieser Pandemie. (Zwischenruf des Abg. Ames­bauer. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Deswegen, meine Damen und Herren, wird es Ihnen nicht gelingen, an diesem Vertrau­en zu kratzen. Es war richtig, dass unsere Bundesregierung entschieden gehandelt hat. Dafür, meine Herren Bundesminister, darf ich Ihnen nochmals ein ganz großes Danke auch im Namen der österreichischen Bevölkerung aussprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Minus 10 Prozent Wahlbeteili­gung!)

14.04


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl. – Bitte schön.


14.04.06

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Herr Kollege Gödl von der ÖVP, Sie ha­ben hier von diesem Pult aus wieder das getan, was die ÖVP sehr oft tut: Sie verdrehen die Tatsachen, stellen Dinge anders dar und stellen die Opposition so hin, als ob sie nicht von Anfang an auch einen Kampf für die Bevölkerung geführt hätte. (Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Richtig ist viel mehr, dass hier in diesem Hohen Haus am 14. März – ich weiß das so genau, weil das mein Geburtstag war – die gesamte Opposition hinter der Bundesregie­rung gestanden ist und wir schnell mitgeholfen haben, Österreicherinnen und Österrei­cher zu schützen.

Es ist aber die Aufgabe einer Opposition, die Mächtigen zu kontrollieren, die Regierung zu kontrollieren – und Sie behindern uns dabei. Wir haben auch hier in den folgenden zwei Wochen Informationen gefordert, warum sich die Menschen in Österreich die schwerwiegendsten Eingriffe in die bürgerlichen Freiheitsrechte in der Zweiten Republik gefallen lassen müssen.

Da ist es nur verständlich und absolut eine Aufgabe der Opposition, Protokolle und Infor­mationen darüber einzuholen, warum Sie die Menschen in Österreich eingesperrt haben, viel zu lange eingesperrt haben; Sie wissen das, man hätte zwei Wochen später, ab 1. April, schon etwas ändern können. Dann würden nämlich die Menschen heute, jetzt auch nicht so leiden, denn sie leiden nämlich nicht an einer Krankheit, sondern unter den Maßnahmen, die diese Bundesregierung aus eigenen marketingtechnischen Gründen viel zu lange durchgesetzt hat. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Genau deswegen, weil nämlich unter diesem Deckmantel der Angst die Beliebtheits­werte der Regierung am Anfang so hinaufgeschossen sind, haben Sie sich gedacht, wir ziehen das jetzt noch länger durch, je mehr Angst, desto mehr Zustimmung. – So kommt uns das hier vor.

Herr Kollege Gödl, Sie haben behauptet, der Bundeskanzler hätte das nicht gesagt. Viel mehr ist Folgendes wahr, meine Damen und Herren: Laut Berichterstattung im Ö1-„Mor­genjournal“ vom 27.4.2020 – Sie können das nachlesen – sprach Bundeskanzler Kurz davon: „Die Bevölkerung sollte Angst vor einer Infektion beziehungsweise dem Tod von nahen Angehörigen haben.“ – Und das hat er auch noch einmal wiederholt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was da besonders perfide ist oder was mich besonders schreckt, ist, dass die Grünen da mit dabei sind, die Grünen, die eigentlich den Nimbus der Aufdeckerpartei Österreichs hatten: Den habt ihr komplett verloren! Das mit dem „Wen würde der Anstand wählen?“ – Kollege Scherak sagt es eh immer wieder, da hat er vollkommen recht –: Der Anstand wählt sicher nie wieder Grün, denn das, was ihr hier zudeckt, geht auf keine Kuhhaut mehr. (Beifall bei FPÖ und NEOS sowie des Abg. Kucher.)

Dass es Protokolle einer Taskforce Corona im Gesundheitsministerium gibt, aber keine Protokolle im Innenministerium gibt, Herr Bundesminister Nehammer, glaube auch ich Ihnen nicht. Es geht nicht darum, vielleicht alles aufzudecken, was dort gesagt worden ist – man sagt einmal in der Schnelligkeit auch Dinge, die man vielleicht nicht so meint ‑, aber dass es keine Protokolle gibt, das glaube ich Ihnen nicht. Die Bürger und auch dieses Parlament haben ein Recht darauf, zu erfahren, aufgrund welcher Informationen Sie diese Eingriffe in die bürgerlichen Freiheitsrechte vorgenommen haben. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Kucher.)

14.08


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für innere Angelegenheiten und fahre mit der Erledigung der Tagesordnung fort.

14.08.149. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 741/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht auf­grund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Geschlechtsidenti­tät (335 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Antrag 186/A(E) der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kriminal­statistik Straftaten gegen LGBTI (328 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tages­ordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Nurten Yılmaz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 94

14.08.58

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Herren Bundesminister! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Wir diskutieren beziehungsweise werden demnächst einen wun­derbaren Entschließungsantrag der Regierungsparteien beschließen, nämlich betref­fend „Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität“.

Dieser wunderbare Antrag hat einen Schönheitsfehler, er bleibt nämlich unverbindlich. Irgendwann, irgendwo, irgendwie wird er vielleicht umgesetzt oder auch nicht. Wir haben den Antrag im Ausschuss zwar unterstützt, ich habe aber, gemeinsam mit meinem Kol­legen Yannick Shetty von den NEOS, einen Abänderungsantrag eingebracht, der die­sem wunderbaren Antrag nur ein Datum hinzufügt. Wir wollten nämlich, dass dieses Vorhaben bis 1. Dezember 2020 umgesetzt wird. (Abg. Leichtfried: Das wird sich ja wohl ausgehen!)

Die Ablehnung wurde mehrheitlich damit begründet, dass man Leute umschulen müsse und man dazu Zeit und Strukturen brauche, und so weiter und so fort. Ich habe in meiner Rede gesagt: Okay, sagt uns, wann wir es machen können! Wann glaubt ihr, können wir das umsetzen? – Bis jetzt haben wir nichts vernommen. Kollege Shetty und ich haben uns gedacht, wir versuchen es noch einmal und geben Ihnen mehr Zeit.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zügige Umsetzung von Maßnahmen betr. Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asyl­verfahren und Grundversorgung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die beschlossenen Maßnahmen betreffend Si­cherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren und Grundversorgung, im Zusam­menhang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität bis zum 1. Mai 2021 um­zusetzen.“

*****

Werte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien, das sind, wenn man den Juli nicht dazuzählt, zehn Monate! (Abg. Vogl: Das müsste sich ausgehen!) Fangen wir jetzt an! Ich glaube, in zehn Monaten kann man ein solches Projekt – Leute umschulen, Struk­turen aufbauen – auf die Beine stellen. Es geht sich aus! Unterstützen wir es! Es wird eine große Mehrheit finden. Ich nehme an, die FPÖ wird das wieder nicht unterstützen, weil es ihr nicht weit genug geht. – Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

14.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Nurten Yilmaz, Yannick Shetty,

Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 95

betreffend zügige Umsetzung von Maßnahmen betr. Sicherstellung von fairen, qualitäts­vollen Asylverfahren und Grundversorgung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegen­heiten über den Antrag 741/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Karl Mahrer, BA, Mag. Georg Bürstmayr, Mag. Faika EI-Nagashi, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic betreffend der Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit beson­ders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität (335 d.B.)

Eine zügige Umsetzung der geplanten Maßnahmen ist sicherzustellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die beschlossenen Maßnahmen betreffend Si­cherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren und Grundversorgung, im Zusam­menhang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität bis zum 1. Mai 2021 umzu­setzen.“

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ist ordnungsge­mäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Dr. Gudrun Kugler. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.12.32

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem Frau Kollegin Yılmaz! Sie haben im Zusammenhang mit unserem Antrag mehrfach das Wort wunderbar verwendet, da wird mir ganz warm ums Herz. – Danke.

Ich möchte aber trotzdem sagen, dass Sie keine Angst zu haben brauchen, dass wir unsere eigenen Anträge nicht ernst nehmen. Und Sie brauchen auch nicht dem Herrn Innenminister schulmeisterlich auszurichten, an welche Fristen er sich zu halten hat. (Zwischenrufe der Abgeordneten Bayr und Yılmaz.) Das kennen wir aus der Grund­schule, vielleicht aus der Oberstufe. Wir werden unsere Anträge selbstverständlich ernst nehmen, sonst bräuchten wir sie auch nicht zu schreiben. (Abg. Shetty: Warum macht ihr es dann nicht einfach?) So ist das, Frau Kollegin Yılmaz. (Abg. Leichtfried: Ich glau­be, so ist das nicht!)

So, nun zum Inhalt des TOP 9: Wir haben im Regierungsprogramm vorgesehen, dass wir faire und qualitätsvolle Asylverfahren sicherstellen wollen. Da muss ich vielleicht noch eine Erklärung voranstellen, nämlich: Wir haben uns im Regierungsprogramm na­türlich auch auf eine restriktive Migrationspolitik geeinigt. Um diese beiden Dinge – eine restriktive Migrationspolitik und trotzdem Asylverfahren, die sensibel und menschen­rechtskonform sind und die Menschenwürde achten – geht es in diesem Antrag, das widerspricht sich nicht.

Wir haben hier zwei vulnerable Gruppen hervorgehoben, weil wir in der Praxis gesehen haben, dass gerade dort die meisten Probleme liegen. Das sind einerseits Menschen mit einer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung und andererseits Menschen, die


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sich vom Islam einer anderen Religion – und das ist laut Statistik meistens das Chris­tentum – zuwenden. In vielen Ländern der Welt – man möge es nicht glauben – sind diese beiden Gruppen mit Tod und Gefängnis bedroht. Wenn so jemand zu uns kommt, dann hat er bei uns in Österreich einen Asylgrund nach der Genfer Flüchtlingskonven­tion, stößt aber trotzdem auf Schwierigkeiten.

Ich möchte Ihnen jetzt drei Problembereiche nennen, in denen so jemand in Österreich Schwierigkeiten haben kann. Das erste ist, dass er einer Scheinkonversion, um hier bleiben zu können, verdächtigt wird, oder ihm unterstellt wird, die sexuelle Orientierung nur vorzugeben, weil er Asyl haben möchte. Ich gestehe zu, dass es Fälle geben wird, in denen so etwas vorgeschoben wird. Wir können aber nicht zulassen, dass da ein Generalverdacht ausgesprochen wird.

Es ist ganz wichtig, dass die Behörde in einem Verfahren feststellt, was stimmt und was nicht stimmt, und im Zuge dieser Feststellung zuerst einmal sensibel vorgeht. Das betrifft auch die Fragestellung: Es ist uns eine Reihe von Schwierigkeiten zu Ohren gekommen betreffend Fragen, die man einfach nicht so stellen kann, die auch nicht aussagekräftig sind. Das Bundesministerium für Inneres hat ein eigenes Referat für Qualität und Ausbil­dung eingerichtet, um dieser Frage gerecht zu werden.

Gleichzeitig aber wünschten wir uns, dass in der Einschätzung durch die Behörde ernst genommen wird, was zum Beispiel eine gesetzlich anerkannte Kirche sagt. Wenn zum Beispiel eine gesetzlich anerkannte Kirche sagt: Ich habe mir den angeschaut, ich habe den ein Jahr lang vorbereitet, habe den getauft!, dann ist das natürlich für die Behörde relevant. Und diese Relevanz wollen wir unterstreichen. Das Gleiche gilt für zivilgesell­schaftliche Organisationen, die diese Leute betreuen. Auch die sollen miteinbezogen werden. – Das ist Punkt eins: keine Verdächtigung, kein Generalverdacht von vorge­schobenen Argumenten.

Punkt zwei: Flüchtlinge, die aus diesen beiden betroffenen Gruppen kommen, berichten immer wieder, dass ihre Aussagen falsch übersetzt worden sind, dass sie erlebt haben, dass der Übersetzer, der natürlich teilweise aus dem Kulturkreis kommt, selber Vorbe­halte gegen zum Beispiel die sexuelle Orientierung oder gegen die Konversion dieses Menschen hat. Da ist es ganz wichtig, dass wir sicherstellen, dass die Dolmetscher ge­eignet sind und keine persönlichen Abneigungen mitbringen.

Ein dritter Problembereich sind die Asylheime. Ich habe Zahlen aus Deutschland, die nicht ganz aktuell sind – wir haben dazu keine Statistiken –, aber sie helfen, um zu il­lustrieren: In Deutschland ist 2017 von 750 Übergriffen auf Konvertiten in Asylheimen berichtet worden. Ich weiß, 2017 ist nicht 2020, es ist Deutschland und nicht Österreich, aber dennoch kann man etwas aus dieser Zahl mitnehmen. Was sind das für Übergrif­fe? – Zum Beispiel ein Ausschluss von der Küchenbenützung oder der Benützung des gemeinsamen Bades, weil man sagt, der sei unrein. Das kennt man aus den Her­kunftsländern. Das haben wir auch in den Asylheimen. Das deutsche Bundeskriminalamt hat im Jahr 2017 insgesamt 100 christenfeindliche Straftaten in diesem Kontext vermel­det. Das müssen wir uns anschauen.

Die Erzdiözese Wien ist Anlaufstelle für Konversionen jener, die katholisch werden wol­len, und da gibt es einmal im Jahr eine Zulassungsfeier. Sie sagt interessanterweise, dass sie diese Zulassungsfeier aus Sicherheitsgründen immer an unterschiedlichen Or­ten machen will, und nie im Stephansdom, weil das zu gefährlich sei. Die Evangelische Kirche spricht von ähnlichen Vorkommnissen. Das alles wirft nur Lichter auf ein größeres Problem.

Was unterm Strich übrig bleibt – und darum unser Antrag –: Bei vulnerablen Gruppen müssen wir besonders sensibel sein, wir müssen besonders wachsam sein und wir müs­sen die Menschen so schützen, wie sie es brauchen. Faire Asylverfahren sind, auch


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wenn man eine restriktive Migrationspolitik betreibt, einfach eine Frage des Anstands, der Menschenrechte und der Menschenwürde. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.18


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.18.39

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Faire und qualitätsvolle Asylverfahren, wie sie in diesem Antrag gefordert werden, sind schon jetzt ein Erkennungsmerkmal der Re­publik Österreich. Im Detail bezieht sich Ihr Antrag aber darauf, dass Menschen, die einer besonders verletzlichen Personengruppe angehören, zum Beispiel Muslime, die zum Christentum wechseln wollen oder schon gewechselt haben, oder Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Verfolgung befürchten müssen, besonders schüt­zenswert sind.

Betreffend die sexuelle Orientierung als Asylgrund habe ich keine validen Daten gefun­den, speziell im Hinblick darauf, wie viele Personen das schon bei der Erstbefragung angegeben haben. Als Polizeibeamter muss ich schon sagen: Die Erstbefragung ist jene Befragung, die am wichtigsten ist; da gab es noch keine Beeinflussung, da sind die Da­ten am glaubhaftesten.

Auch zu in der Regel muslimischen Asylwerbern, die plötzlich den dringenden Wunsch verspüren, zum Christentum zu konvertieren, findet man nicht viel öffentliches Zahlen­material. Da würde mich auch interessieren, wann genau im Asylverfahren dieser Wunsch aufgekommen ist.

Was ich aber gefunden habe, ist ein interessantes Seminarangebot der Asylkoordination Österreich. Um wohlfeile 107 Euro wird ein Tagesseminar für Flüchtlingsberater mit dem Titel „Konversion zum Christentum & Asyl“ angeboten. Ich darf Ihnen kurz den Stunden­plan zur Kenntnis bringen: Vormittags: Motivation, Vorbereitung und Begleitung bei Ein­vernahme, und dann – ganz wichtig – Glaubhaftmachung einer Konversion bei BFA und BVwG, beim Bundesverwaltungsgericht. (Ruf bei der SPÖ: Alles transparent!)

Nachmittags werden dann Erkenntnisse des VwGH und VfGH studiert und Folgeanträge besprochen. (Abg. Ernst-Dziedzic: Ja und? – Abg. Shetty: Was ist daran schlecht?)

Also, werte Damen und Herren, wenn ich mir dieses Seminarangebot anschaue, dann erweckt das in mir einen ganz unchristlichen Verdacht, muss ich sagen. Für mich liest sich das ein bisschen wie ein Trainingslager für Asylgrundfindung; das lese ich dabei heraus. (Zwischenruf der Abg. El-Nagashi.)

Werte Damen und Herren! Wir werden den Antrag ablehnen, weil wir meinen, dass dem Schulungsgrad der österreichischen Behörden durch Seminare wie „A world of differ­ence“ schon besonders gut und flächendeckend entsprochen wurde. (Neuerlicher Zwi­schenruf der Abg. El-Nagashi.) – Ja, Sie können es dann sagen.

Zum anderen lehnen wir ihn deshalb ab, weil wir meinen, dass der Asylgrund zu keiner Bevorzugung führen sollte. Asylwerber sollen wissen, dass bei uns die Gleichheit vor dem Gesetz gilt – und deswegen sind sie ja schließlich auch zu uns geflüchtet. (Beifall bei der FPÖ.)


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14.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.21.44

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Also bei all der oppositionellen Aufregung, auf der einen Seite weil es nicht schnell genug geht, auf der anderen Seite weil überhaupt etwas geht, möchte ich schon festhalten: Diese zwei Anträge sind enorm wichtig sowohl für die ÖVP als auch für die Grünen, wenn es darum geht, Menschenrechte nicht nur zu achten, sondern genau dorthin zu schauen, wo wir noch Defizite haben.

Kollegin Gudrun Kugler hat es schon gesagt, vulnerable Gruppen sind diejenigen, wo wir genauer hinschauen müssen, weil es sehr oft im Asylverfahren so ist, dass sie tat­sächlich nicht sofort Gründe angeben, gerade wenn sie aus Staaten kommen, in denen auf Homosexualität noch immer die Todesstrafe steht. Sie sagen dann, aus welchem Grund auch immer sie verfolgt werden, weil sie nicht wissen, wie die Herkunftscommu­nity auf sie hier in Österreich reagieren wird beziehungsweise wie überhaupt auf sie reagiert wird. Dann haben sie es möglicherweise noch mit DolmetscherInnen zu tun, die mit dem Thema selber nichts anfangen können. Das sind Dinge, die wir genau ansehen wollen, weil wir diesen Menschen faire Asylverfahren in Österreich garantieren wollen, und das ist gut so.

Zum zweiten Antrag – weil der Kollege von der FPÖ gemeint hat, wo Daten und Fakten seien –: Sie sollten zumindest den zweiten Antrag unterstützen, da geht es nämlich um die Erfassung von Hatecrimes, nämlich gegenüber LGBTI-Personen. Wir wissen näm­lich eine Zahl: Nur 1 Prozent von diesen bringen es in Österreich zur Anzeige, wenn sie mit Übergriffen konfrontiert sind. Wieso? – Die meisten sagen, sie wissen nicht ganz recht, wie die Polizei damit umgehen würde und was dann eben mit dem passiert, was sie selber erzählen.

Das gilt es tatsächlich zu durchbrechen. Dazu gibt es ein laufendes Projekt im Innenmi­nisterium, und der Herr Innenminister wird aufgefordert, uns die Ergebnisse zu präsen­tieren, damit wir davon Maßnahmen ableiten können und es in Zukunft für die Polizei möglich wird, aufzuzeichnen, was die Motivlage ist oder gewesen ist, das heißt, ob je­mand aufgrund eben sexueller Orientierung verprügelt worden ist oder aufgrund der Her­kunft oder des Geschlechts und so weiter. Ich denke, das ist ein sehr, sehr wichtiger Schritt, gegen den eigentlich niemand etwas einwenden sollte. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es sind jedenfalls aus meiner Sicht zwei wichtige Anträge, ein wichtiger Startpunkt eben, um im Menschenrechtsbereich in Österreich weiterzukommen. Und vielleicht überlegt sich die Opposition schon noch einmal genauer, ob sie hier nur dagegen wettern möchte oder nicht doch sagt, dass das wichtig ist – trotz vielleicht der eigenen parteipolitischen Kritik.

In diesem Sinne hoffe ich auf breite Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.24.51

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht um zwei Anträge, und ich halte vielleicht meinen Beitrag zu dem Antrag, der von uns gekommen ist, ganz kurz, weil das etwas Erfreuliches ist, und ich freue mich auch, dass ÖVP und Grüne diesem Antrag zumindest inhaltlich zustimmen werden. Es soll erfasst werden, wie viele Hassverbrechen gegen­über Menschen aus der LGBTI-Community jährlich passieren. Ich glaube, Evidenz ist


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etwas ganz Wichtiges in der Politik, und ich freue mich, dass wir da einen Erfolg erzielen konnten.

Ich muss aber leider auch auf etwas Unerfreuliches zu sprechen kommen, nämlich auf den zweiten Antrag, jenen der Regierungsparteien. Es geht dabei um Asylverfahren, die in erster Instanz vor dem BFA, also vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, geführt werden. Ich möchte in Erinnerung rufen: 2018 gab es eine recht breite mediale Berichterstattung darüber, dass ein 18-jähriger Afghane, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung nach Österreich geflüchtet ist und hier um Schutz angesucht hat – ge­flüchtet ist er, weil er in Afghanistan aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt wird –, einen negativen Asylbescheid des BFA erhalten hat.

Ich zitiere aus diesem negativen Bescheid, damit man sich einmal vor Augen führt, wa­rum diese Maßnahme, die wir diskutieren, so notwendig wäre. Zitat aus dem Bescheid: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten.“

Wenn ich ein 18-jähriger Afghane wäre, würde ich, so wie ich hier heute angezogen bin, so wie ich wahrscheinlich hierhergegangen bin, wahrscheinlich nach Afghanistan abge­schoben werden. So ist es auch diesem gegangen, zumindest in erster Instanz, und ich glaube, das können wir nicht hinnehmen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Grünen.)

Aber auch die Zahlen belegen, dass im BFA, in dieser Behörde, einiges massiv schief­läuft. Die Zahlen belegen, dass 40 Prozent – 42 Prozent, um genau zu sein – aller Ent­scheidungen dieser Behörde vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben werden. Ich meine, da muss man ja auch hinterfragen, was denn da schiefläuft, wenn nahezu jede zweite Entscheidung gerichtlich aufgehoben wird. Deswegen bin ich froh darüber, dass Grüne und ÖVP nun unsere langjährige Forderung auch umsetzen möchten, nämlich dass eine Qualitätssicherung vor allem beim BFA, aber auch beim Bundesverwaltungs­gericht Einzug hält, dass die sich vielleicht einmal damit auseinandersetzen müssen, dass Homosexualität nicht eine Frage des Ganges oder der Kleidung oder des Ausse­hens ist, sondern eine ganz andere Kategorie.

Das begrüßen wir grundsätzlich, nur wundere ich mich auch da wieder, dass Regie­rungsparteien, die eigentlich selbst etwas umsetzen können, selber einen Entschlie­ßungsantrag einbringen müssen, damit es irgendwann umgesetzt wird. Und leider bin ich da weniger optimistisch als die Vertreterin der Grünen, die meint, das sei notwendig, dass wir dieses Vorgehen wählen, dass der Herr Minister das nicht einfach umsetzt.

Deswegen, weil diese Skurrilität vielleicht auch aufgezeigt werden muss, diese Aufträge an sich selbst, die dann irgendwann doch nicht umgesetzt werden, haben wir gemein­sam mit der SPÖ – Kollegin Yılmaz hat es ja auch schon vorgetragen – einen, wie ich glaube, ganz, ganz einfachen Kompromiss vorgeschlagen, nämlich: Bringen wir den An­trag wortident ein – wir haben ihn wirklich wortgleich eingebracht, auch mit allen Bei­strichfehlern, die drinnen waren –, und wir haben ihn wortident eingebracht, mit dem einzigen Zusatz, dass das bis 1. Mai 2021 umgesetzt werden soll. Bis 1. Mai 2021 des­wegen, weil Kollege Bürstmayr im Ausschuss gesagt hat, dass bis 1. Dezember die Zeit zu kurz wäre.

Ich denke, zehn Monate sollten reichen, um etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, umzusetzen. Also bitte, ÖVP und Grüne, stimmen Sie diesem Antrag auch zu! Wenn Sie es ehrlich meinen in dieser Sache, wenn Sie wollen, dass diese Asylver­fahren schneller, qualitätsvoller werden, wenn Sie wollen, dass nicht mehr 40 Prozent aller Bescheide vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben werden, dann stimmen Sie unserem Antrag zu, dass diese Maßnahmen auch wirklich bis 1. Mai umgesetzt werden! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

14.28



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 100

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael See­mayer. – Bitte schön.


14.28.49

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zu TOP 10, zum Antrag des Kollegen Shetty ein paar Worte: Diverse Opferschutzeinrich­tungen wie zum Beispiel der Weisse Ring weisen immer wieder darauf hin, dass es in Österreich eine hohe Dunkelziffer an Hassverbrechen gegen LGBTI-Personen gibt. Einer IHS-Studie der Stadt Wien zufolge haben Personen mit nicht heterosexueller Orientierung ein zehnfach höheres Risiko, Opfer einer Straftat zu werden. Eine bereits 2013 veröffentlichte Studie zeigt, dass es auch in Österreich große Missstände gibt; demgemäß haben damals 48 Prozent der Befragten angegeben, aufgrund ihrer sexuel­len Orientierung Ziel von Diskriminierung gewesen zu sein.

Leider ist es nicht möglich, zu sagen, ob sich die Situation in Österreich verbessert oder vielleicht verschlechtert hat, und zwar deswegen, weil es keine gesicherten Daten gibt, die regelmäßig erhoben werden. Die Erfassung, Auswertung und Veröffentlichung ent­sprechender Daten, wie dies zum Beispiel auch in Deutschland gegeben ist, ist immer noch nicht umgesetzt. Das Fehlen von Statistiken erweckt den Anschein, als ob Hass und Gewalt gegen LGBTI-Personen in Österreich nicht vorkomme, um nicht zu sagen, verdrängt werden solle.

Unser ehemaliger Abgeordneter Mario Lindner hat die Erhebung und Erfassung solch gesicherter Daten bereits vor einiger Zeit in diesem Haus gefordert, und es ist jetzt an der Zeit, dies auch umzusetzen! (Beifall bei der SPÖ.)

Dass die Erfassung von LGBTI-feindlichen Hasstaten einen großen Verwaltungsauf­wand oder hohe Ressourcenbindung verursacht, darf nicht die Rechtfertigung dafür sein, das nicht zu machen. Auch müssen Straftaten wegen Diskriminierung als solche identi­fiziert werden können, und dazu braucht es eine Sensibilisierung unserer Polizistinnen und Polizisten. Sie, Herr Bundesminister, planen ja, die Polizisten flächendeckend zu schulen, was diese Sache angeht. Ich denke, es braucht zusätzlich ausgebildetes Perso­nal, wie es bei anderen Straftaten auch üblich ist, um sicherzustellen, dass diese Sensi­bilisierung auch nachhaltig ist.

Leider gibt es noch immer Länder, in denen jegliche andere als heterosexuelle Orientie­rung negiert, unterdrückt, diskriminiert oder verfolgt wird, aber es gibt auch viele Länder, die zeigen und gute Beispiele dafür sind, wie die Erhebung solcher Daten, die Auswer­tung und Veröffentlichung solcher Straftaten dazu beitragen können, die Lebenssituation von LGBTI-Personen zu verbessern. Österreich soll auch zu diesen gehören. (Beifall bei der SPÖ.)

14.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmel­bauer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.31.52

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf ebenfalls zu Tagesordnungs­punkt 10 sprechen, dem Antrag des Kollegen Shetty betreffend „Kriminalstatistik Straf­taten gegen LGBTI“, aber auch zu unserem Antrag, den wir im Ausschuss eingebracht haben, betreffend „Erfassung von hassmotivierten Übergriffen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung“.

Wir wissen aus Studien – der Kollege vor mir hat es auch zitiert –, aber auch aus per­sönlichen Gesprächen, dass viele LGBTI-Personen von Diskriminierung, von verbalen, physischen Attacken betroffen sind, waren und immer noch sind. Obwohl man subjektiv


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vielleicht meinen könnte, dass Akzeptanz und Toleranz in den letzten Jahren, Jahrzehn­ten gestiegen sind, ist das für diese Personen einfach traurige Realität.

Ein Punkt aus den Studien, der noch unerwähnt geblieben ist und der nachdenklich stimmt, ist, dass viele Betroffene solche Attacken gar nicht melden. Nur 1 Prozent der Betroffenen meldet Straftaten, die sich aufgrund von Hass gegen ihre sexuelle Orientie­rung oder ihre Geschlechtsidentität richten, der Polizei.

Daher trifft dieser Antrag des Kollegen Shetty einen absolut wichtigen Punkt, den wir als Regierungsparteien auch entsprechend aufgenommen haben. Wir brauchen belastbare Daten, und wir brauchen auch eine systematische Erfassung, um Hasskriminalität, die sich eben gegen sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität richtet, aufzuklären und dieser überhaupt entgegenzuwirken.

Im Zusammenhang mit dem Antrag des Kollegen Shetty – im Gegensatz dazu – muss ich aber auch zu bedenken geben, gerade aus der datenschutzrechtlichen Sicht, aber auch aus dem Recht der Privatsphäre heraus müssen wir uns überlegen, wie wir diese Daten erfassen können. Ich möchte ungern haben, dass die Polizistinnen und Polizisten bei einer Strafanzeige nach der sexuellen Orientierung fragen, wenn diese nicht relevant ist. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre (Beifall der Abg. Yılmaz), ich möchte das nur betonen, aber es ist natürlich nicht immer offensichtlich und nicht immer wird es von Opfern oder auch Tätern benannt.

Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, einen Antrag einzubringen – gemeinsam erarbeitet mit dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie –, eine systematische Er­fassung zu ermöglichen, um diese Datenerfassung zu verbessern. Wir legen auch gro­ßen Wert darauf – das ist schon angesprochen worden –, die Polizistinnen und Polizis­ten zu schulen. – Danke, Herr Minister, dass dieser Weg schon beschritten worden ist. – Und nicht zu vergessen ist natürlich die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, damit wir hier in diesem wichtigen Bereich auch Taten setzen können.

Herr Minister, danke schön, und Ihnen, meine Damen und Herren, ein Dankeschön für die Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.34


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag.a Faika El-Nagashi. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.34.53

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Zum Kollegen von der FPÖ (in Richtung Abg. Ries): Diskreditieren Sie nicht die Arbeit der NGOs! Diffamieren Sie nicht die Arbeit der NGOs! Die engagierte Arbeit der NGOs, wie der Asylkoordination, sichert die unab­hängige Asylrechtsberatung. Sie sind wichtige Partnerinnen in unserer Arbeit. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Der Besuch eines Beratungsseminars, Herr Kollege, wird Sie weder besonders schwul noch besonders christlich machen, aber vielleicht besuchen Sie einmal eines dieser Se­minare und werden etwas menschlicher! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Qualitätsvolle Asylverfahren sind eine rechtsstaatliche Grundlage, und es ist eine große Erleichterung für Verfolgte aus LGBTIQ-Communities und auch für Verfolgte aufgrund ihrer Religion oder aufgrund dessen, dass sie ihre Religion ändern, dass wir jetzt dieses Thema angehen, dass wir darüber sprechen und dass wir hier das benennen, was wir davor in Medienberichten gehört haben, was wir aus den Communities gehört haben, von Betroffenen gehört haben und vor allem von Beratungsstellen gehört haben.

Alle an den Verfahren Beteiligten müssen über die nötige Sensibilität verfügen, und sie müssen die Betroffenen vorurteilsfrei unterstützen können. Die Betroffenen sind oft auf


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sich gestellt, sie erleben hier dieselbe Verfolgung, vor der sie selbst geflohen sind, und sie erleben eine vielfältige Verfolgung, Bedrohung und Gewalt in unterschiedlichen Si­tuationen. Und in diesem Zusammenhang geht mein großer Dank an die Organisationen, die hier unterstützen, Organisationen wie die Queer Base oder Afro Rainbow Austria, die die Betroffenen nicht alleinlassen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch einen zweiten Punkt ansprechen, näm­lich die systematische Erfassung von Hassverbrechen, Hassverbrechen motiviert auf­grund von Homophobie, Biphobie, Transphobie, aber auch rassistisch motivierte Hass­verbrechen, religiös motivierte Hassverbrechen. Wir wissen durch die engagierte Arbeit von NGOs wie Zara, aber auch wie die Dokumentationsstelle Islamfeindlichkeit und anti­muslimischer Rassismus, wie viele Fälle da jedes Jahr dokumentiert werden, und diese Fälle sind nur die Spitze des Eisberges. Es ist das ein Bereich, wo wir eine Faktenlage brauchen, eine Datenlage, um daraus Handlungsanleitungen ableiten zu können.

Ich habe das auch heute in der Früh in der Fragestunde mit der Frau Ministerin ange­sprochen, nämlich welche Maßnahmen wir da setzen können, um der steigenden Zahl von Hassverbrechen, die Ausdruck einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind, begegnen zu können, und wo wir insbesondere im präventiven Bereich ansetzen müssen.

Daher freue ich mich über die zwei Anträge, die wir heute hier beschließen werden, und hoffe auf breite Unterstützung Ihrerseits. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart, verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Abstimmungen über die Vorlagen des Ausschusses für innere Angelegenheiten.

14.38.24Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 1 bis 10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Ausschusses für innere Angelegenheiten sowie über den Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie, die ich über jeden Tages­ordnungspunkt getrennt vornehme.

Bevor ich in den Abstimmungsvorgang eingehe, die Frage: Wird vonseiten der Klubs eine Unterbrechung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nunmehr zunächst zur Abstimmung über den Rückverweisungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker zu TOP 6, den Ausschussbericht 337 der Beilagen an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie rückzuverweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Polizeiliche Staatsschutzgesetz geändert wird, in 283 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Ing. Einwallner, Mag. Amesbauer, Dr. Krisper, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.


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Die Abgeordneten Ing. Einwallner, Mag. Amesbauer, Dr. Krisper, Kolleginnen und Kolle­gen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 4 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist ab­gelehnt.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung über diesen Teil in der Fassung der Regie­rungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahen­des Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvor­lage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbe­zügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 2, und zwar zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 329 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 285/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 329 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Studie zu Auswirkungen der COVID-19 Krise auf Gewalt in der Privatsphäre“.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zei­chen. – Das ist einstimmig angenommen. (80/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 330 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 331 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 5.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 332 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Untersagung der Feier im Gedenken an das ,Massaker von Bleiburg‘“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (81/E)

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 332 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Evaluierung der Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hinsichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierung“.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (82/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz, das Kommunalsteuerge­setz und das Epidemiegesetz geändert werden, in 337 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mah­rer, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen vor. Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Mag. Kaniak vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsanträgen sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile, der Systematik des Gesetzentwurfes folgend, und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen sogleich zur getrennten Abstimmung über Artikel 1 und 2 in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für diese Teile des Gesetzentwurfes aus­sprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungs­antrag betreffend Art. 3 Z 3 eingebracht.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abge­lehnt.

Die Abgeordneten Mahrer, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben ebenfalls ei­nen Abänderungsantrag betreffend Art. 3 Z 3 eingebracht.

Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.

Die Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen und die Abgeordneten Mah­rer, Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben jeweils einen gleichlautenden Zu­satzantrag betreffend Einfügung einer Z 4 in Art. 3 eingebracht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Nun komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Ge­setzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Norbert Sieber, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Keine zwangsweise Trennung von internationalen, unverheirateten Paaren mehr“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (83/E)

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschus­ses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 333 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechen­des Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8, die dem Ausschuss­bericht 334 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Transparenz im Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement“.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (84/E)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9, die dem Ausschuss­bericht 335 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren, vor allem im Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen wie z.B. bei Flucht aufgrund von religiöser Konversion oder sexueller Orientie­rung, Geschlechtsidentität“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen. (85/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Nur­ten Yılmaz, Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zügige Umsetzung von Maßnahmen betr. Sicherstellung von fairen, qualitätsvollen Asylverfahren und Grund­versorgung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zu den Abstimmungen über Tagesordnungspunkt 10.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 328 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 186/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 328 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Erfassung von hassmotivierten Übergriffen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. (86/E)

14.46.1711. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über die Bürgerinitiative Nr. 4/BI: Bürgerinitiative betreffend „Wir Österreicher wollen keine Organe aus China ha­ben, für die unschuldige Menschen getötet wurden.“ (246 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Kollegin Kira Grünberg. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.46.56

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Bürger­initiative „Wir Österreicher wollen keine Organe aus China haben, für die unschuldige Menschen getötet wurden.“ fordert den Nationalrat auf, illegale Organentnahmen in Chi­na zu verurteilen und den Organtransplantationstourismus zu unterbinden. Es handelt


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sich dabei um ein wichtiges globales Anliegen. Die Bürgerinitiative wurde zur weiteren Behandlung dem Menschenrechtsausschuss zugeleitet und dort auch diskutiert.

Staatlich erzwungene Organentnahme und Organraub an Gefangenen sowie an reli­giösen und ethnischen Minderheiten sind in der Volksrepublik China aktuell traurige und unfassbar brutale Realität. Auch wenn die chinesische Regierung das Gegenteil behaup­tet, so gibt es immer wieder stichhaltige Indizien dafür, dass Abertausende Menschen getötet werden, um an deren Organe zu kommen – wir reden da im selben Atemzug von der Todesstrafe. Wie viele Menschen jährlich hingerichtet werden, ist nicht bekannt, denn China hüllt sich in Schweigen.

2016 wurde im EU-Parlament ein Bericht über Organraub in China präsentiert. Aus die­sem geht hervor, dass in China in einem Zeitraum von etwa 15 Jahren möglicherweise 1,5 Millionen Menschen mit der Absicht von Organentnahme getötet wurden. Die War­tezeiten auf Organtransplantationen sind in China überraschenderweise sehr kurz und im Vergleich zu anderen Ländern noch deutlich kürzer. Die Herkunft Tausender Spen­derorgane in China ist meist unklar. (Unruhe im Saal.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Entschuldigen Sie, Frau Abgeordnete! Es ist unerträglich laut im Raum (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, nämlich ausgerechnet bei der ÖVP!) und ich bitte um Aufmerksamkeit. (Abg. Brandstätter: Danke, Herr Präsident!) – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)


Abgeordnete Kira Grünberg (fortsetzend): Unsere parlamentarische Auseinanderset­zung mit der Bürgerinitiative wurde in einen Entschließungsantrag gegossen. Danke an Kollegin Kugler, die dabei federführend mitgewirkt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

Wir wollen damit betonen, dass wir diese Praktiken aus ethischer und menschenrechtli­cher Perspektive absolut ablehnen.

Ich habe eingangs die Verfolgung ethnischer und religiöser Minderheiten in China er­wähnt. Abschließend möchte ich Ihnen das Buch einer mutigen Frau namens Sayragul Sauytbay empfehlen, das von schockierenden Praktiken berichtet. 2017 werden in China Uiguren und Kasachen vom Kind bis zum Greis in Straflagern festgehalten, um sie poli­tisch umzuerziehen. Sie sollen ihre Identität und ihren muslimischen Glauben aufgeben.

Das Buch trägt den Titel „Die Kronzeugin“ und erzählt von einer kasachischen Staats­beamtin und Direktorin mehrerer Vorschulen. Als Angehörige einer Minderheit in China gerät sie 2017 in die Mühlen des chinesischen Unterdrückungsapparats. Sie wird mehr­mals verhört und schlussendlich in eines dieser Umerziehungslager verbannt, wo sie als Lehrerin den Mitgefangenen die chinesische Sprache, Kultur und Politik eindrillen muss.

In ihrem Buch schreibt sie: „Kaum hatte ich den ersten Fuß in den Raum gesetzt, erho­ben sich 56 Menschen mit klirrenden Fußketten und riefen: ,Wir sind bereit!‘ Alle trugen blaue Hemden und Hosen. Ihre Köpfe waren kahl rasiert. Die Haut totenbleich. Vor der Tafel musste ich stramm stehen, seitlich flankiert von zwei Wachen mit automatischen Schnellfeuerwaffen. Kurz geriet ich ins Schwanken, so unvorbereitet und so heftig hat mich dieser Anblick getroffen.“

China nennt diese Lager beschönigenderweise Berufsbildungslager. Dort wird Sayragul Sauytbay Zeugin von Gehirnwäsche, Folter, Medikamentenmissbrauch und Vergewalti­gungen. 2018 kommt sie überraschend frei und flieht nach Kasachstan. Seither hat sie es sich zum Ziel gesetzt, die Welt über Chinas Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuklären.

Es ist auch unsere menschliche Pflicht, die Vorgänge in China genauestens unter die Lupe zu nehmen, denn der illegale Organhandel und die Verfolgung von Minderheiten


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hat globale Dimensionen. Wegschauen ist keine Option, denn das ist tödlich für die In­haftierten. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Petra Bayr. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.52.11

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Netzhaut, Herz, Lunge, Niere, Haut – der Organhandel hat mittler­weile die Dimensionen von Waffenhandel, Drogenhandel und Menschenhandel erreicht. Es gibt quasi nichts, was man nicht kaufen könnte. Das Geschäftsmodell ist im Großen und Ganzen immer das gleiche: Reiche, die es sich leisten können, kaufen sich Organe von Armen, die es sich anders nicht leisten könnten, zu überleben. Diese Organernte, wie sie auch zynisch genannt wird, passiert einerseits an Hingerichteten, andererseits aber auch an armen Menschen in Favelas oder an verzweifelten Menschen in Flücht­lingslagern.

Sehr viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, weshalb es in China besonders schlimm ist. In vielen Ländern, in denen es die Todesstrafe gibt, ist es ähnlich schlimm, in China aber kommt dazu, dass auch politisch unerwünschte Menschen wie etwa Praktizierende der Falun-Gong-Bewegung Opfer von Hinrichtungen werden. Es gibt, habe ich mir ein­mal sagen lassen, in manchen Provinzen Chinas sogar eine Sollquote an Hinrichtungen. Dort werden Menschen nach spendbaren Organen selektiert, um dann hingerichtet zu werden.

Ich möchte im Zuge dieser gesamten Diskussion speziell zwei Namen erwähnen: Das ist einerseits Roswitha Wang-Moritz, die seit vielen Jahren in Österreich aktiv darüber aufklärt, was in China mit Falun-Gong-Praktizierenden passiert, andererseits Stefan Schennach, einer unserer Bundesräte, der erst im Jänner in der Parlamentarischen Ver­sammlung des Europarates einen Bericht über Organhandel gelegt hat, in dem er sich unter anderem die Situation in Israel angeschaut hat. Er beschreibt, dass bis 2008 reiche Israelis in Kliniken in Kolumbien, Indien und anderen Ländern frisch entnommene Or­gane in hoher Qualität gleich direkt transplantiert bekommen konnten, Israel dann aber 2009 ein sehr, sehr vorbildliches, sehr strenges Organspendegesetz erlassen hat, laut dem jede Organverpflanzung anmeldepflichtig und genehmigungspflichtig ist, auch wenn sie im Ausland passiert.

Es gibt eine Europaratskonvention gegen Organhandel, die Österreich 2015 unterschrie­ben, aber leider nie ratifiziert hat. Wir haben uns im Zuge der Diskussion im Menschen­rechtsausschuss und auch danach darüber unterhalten, dass wir da wirklich eine ge­meinsame, überparteiliche Initiative starten sollten, um auch in Österreich hohe Kriterien zu etablieren. Ich glaube, dass niemand von uns will, dass wir selber oder Angehörige oder Leute, die wir kennen, irgendwelche gestohlenen Organe, von wem auch immer, eingepflanzt bekommen, vollkommen egal übrigens, ob das Schuldige oder Unschuldige sind. Ich will von niemandem geraubte Nieren, Herzen, Lungen oder Netzhäute haben.

Ich würde es fein finden, wenn wir diese Konvention – dazu gibt es auch ein Handbuch für ParlamentarierInnen (einen Ausdruck des „Handbook For Parlamentarians. The Council of Europe Convention against Trafficking in Human Organs. (CETS No. 216)“ in die Höhe haltend), das man leicht im Netz finden kann – als Grundlage nehmen würden, um da gemeinsam etwas zu tun. Auch Stefan Schennach ist gerne bereit, sich einzubrin­gen, weil er mittlerweile eine Menge Expertise hat. Ich würde mich über eine gemeinsa­me Arbeit diesbezüglich sehr freuen. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

14.55



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 108

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.55.50

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ja: keine Organe aus China nach Österreich. Wir haben jetzt gehört, wie die Lage in China ist. Wie schaut es eigentlich in Österreich betreffend Trans­plantationen aus? – Das ist ja ein Thema, mit dem wir uns an sich nicht so gerne be­schäftigen.

In Österreich sind Transplantationen ganz klar geregelt: die Grundsätze der Spende, der Transport von Organen, die Rückverfolgbarkeit genauso wie der internationale Organ­tausch. In Österreich ist man im Fall des Ablebens automatisch Organspender. Wenn man das nicht möchte, muss man es schriftlich deponieren, in der Krankenakte oder im Widerspruchsregister.

Organ- und Stammzellentransplantationen erleichtern schwerkranken Menschen das Leben und sie retten Leben. In Österreich wird das an vier Standorten gemacht, und zwar an den Unikliniken in Graz, Innsbruck und Wien sowie bei uns in Oberösterreich im Krankenhaus der Elisabethinen – dort werden Nierentransplantationen gemacht.

Für Lebendspender, die sehr oft aus dem näheren Familienkreis kommen, gibt es ein sehr gutes Nachsorgeprogramm, um auch die Gesundheit der Organspender sicherzu­stellen. Auch Lebendspender werden immer wieder gesucht.

2018 wurden laut Gesundheitsministerium in Österreich knapp 800 Organe transplan­tiert. Mehr als die Hälfte davon betrafen Nieren, danach folgen Leber-, Lunge- und Herz­spenden.

In Österreich gibt es wirklich eine klare gesetzliche Regelung. Um die Zahl der Organ­spender konstant zu halten und möglicherweise doch noch zu erhöhen, gibt es ein För­derprogramm, das auch im Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz festgehalten ist. Das ist notwendig und wichtig, weil Organe in Österreich eben nur freiwillig und unent­geltlich gespendet werden dürfen, also ohne Nebengeschäfte, ohne Spenden, ohne an­dere Vorteilsannahme – das ist verboten, genauso wie sämtliche Formen des Organhan­dels verboten sind, bereits der Versuch ist strafbar.

Österreich ist eines der acht Mitglieder von Eurotransplant; Organe werden nur über Eurotransplant vermittelt, dazu gibt es ganz klare Kriterien – nach Dringlichkeit, nach medizinischer Notwendigkeit. Das heißt, in Österreich eingesetzte Organe sind unbe­denklich und werden legal transplantiert. Das möchte ich auf diesem Wege auch den Zusehern mitgeben, die vielleicht aufgrund der aktuellen Diskussion hier jetzt etwas be­denklich gestimmt sind.

Ich bin wie Kollegin Bayr davon überzeugt, dass keiner von uns im Fall des Falles ein Organ erhalten möchte, das durch Organraub oder illegale Entnahme verfügbar gewor­den ist.

Zur Beruhigung: Es gibt auch eine Anfragebeantwortung des Sozialministeriums aus dem Dezember 2018, in der festgehalten wird, dass bis dahin noch kein Organ aus China in Österreich transplantiert wurde. Ich gehe davon aus, dass die handelnden Per­sonen in Österreich sich auch weiterhin an die Gesetze halten.

Organhandel ist ganz entschieden abzulehnen. Österreich unterstützt zahlreiche Initia­tiven gegen Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme sowie gegen den Organ­handel an sich. Natürlich stimmen wir dem Anliegen dieser Bürgerinitiative und damit diesem Antrag zu. (Beifall bei der FPÖ.)

14.59



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 109

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.59.17

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wir hören immer wieder Berichte über illegalen Handel mit menschlichen Organen aus und in China, der klarerweise im Widerspruch zu allen menschenrechtli­chen, aber auch ethischen Standards steht.

Vor allem in Gefängnissen sollen systematische Organentnahmen und dadurch auch oft Ermordungen stattfinden. Besonders betroffen sind ethnische, aber auch religiöse Min­derheiten, wie zum Beispiel Angehörige der Uiguren, Falun-Gong-Praktizierende oder aber auch Christen.

Berichte über Organraub an Falun-Gong-Praktizierenden gibt es in der breiten Öffent­lichkeit seit circa 2006. Das wird im Moment wieder aktueller, es wenden sich auch viele Menschen an uns, weil viele von ihnen in Hongkong leben. Wir hatten gestern schon das Thema, dass Hongkong im Moment irrsinnig unter Beschuss steht und diese Menschen Angst haben, dass sie nicht einmal dort davor geschützt sind, zu Opfern zu werden.

Man kann es sich schwer vorstellen, dass diese Menschenrechtsverletzung in diesem Ausmaß und als eigener Wirtschaftszweig betrieben wird. Dazu zeige ich Ihnen ein Bild (ein Bild mit der Silhouette eines Menschen im Lotossitz mit Preisangaben zu Organen in die Höhe haltend), das ich ausgedruckt habe, damit man ein Gefühl bekommt, wie das beworben wird und wie man sich einkaufen kann. Von einer Hornhaut bis hin zu einer Lunge – um 170 000 US-Dollar ist man dabei.

Wieso zeige ich das her? – China allein trägt natürlich nicht die Verantwortung, solange es in den anderen Staaten Abnehmer gibt, und die gibt es leider zuhauf. Die gibt es zum Beispiel in der Ärzteschaft, die sich der Organe bedient, um an Publikationen zu kom­men. Das Gleiche gilt für Pharmafirmen, die auch bei diesem größten Transplantations­system der Welt einkaufen, um eben beispielsweise Medikamente zu testen und so weiter. In den wissenschaftlichen Berichten steht dann sehr oft, die Todesursache war Hirnverletzung, obwohl wir wissen, dass das übersetzt nichts anderes als Kopfschuss heißt.

Trotzdem darf man China nicht aus der Verantwortung nehmen. Es gibt nun schon länger das sogenannte China Tribunal, eine internationale Vereinigung von Menschen­rechtsanwälten und -anwältinnen, die versuchen, das zum Thema zu machen, Aufklä­rung zu leisten und auf die Diskrepanz hinzuweisen. Die chinesische Regierung meldet nämlich circa 10 000 Fälle pro Jahr, die Krankenhäuser sprechen von Hunderttausen­den, und dazu kommt, wie wir wissen, noch die Dunkelziffer.

Das ist eine unglaubliche Zahl, eine unglaubliche Herausforderung und es ist auch un­glaublich wichtig, dass wir hier im österreichischen Parlament dazu Stellung beziehen und auf unterschiedlichen Ebenen entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das bedeutet, nicht nur die Bemühungen auf europäischer Ebene zu unterstützen, sondern auch mit dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, das ja bekanntlich den Sitz in Wien hat, zusammenarbeiten zu wollen oder mit dem Europarat konkret weiter dranzubleiben, um dieser unglaublichen Menschenrechtsverletzung zu­mindest punktuell einen Riegel vorzuschieben.

In diesem Sinne freue ich mich sehr, dass dieser Antrag Eingang in die Debatte ge­funden hat, und ich hoffe auch auf breite, überparteiliche Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 110

15.03


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Helmut Brand­stätter. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.03.28

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuschauerInnen in Österreich und überall sonst auf der Welt! Wir haben gestern in der österreichisch-chinesischen Freundschaftsgruppe der Abgeordneten ein Gespräch gehabt, bei dem auch der chinesische Botschafter anwe­send war. Wie man es von chinesischen Diplomaten erwarten kann, ist er sehr gebildet, sehr gescheit, spricht sehr gutes Deutsch. Wir haben auch eine nette Diskussion geführt, aber man kommt mit chinesischen Offiziellen immer sehr schnell an eine Mauer, an der sie sagen: Keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten!

Jetzt kenne ich das natürlich aus Gesprächen in der früheren DDR, man durfte sich nicht einmischen, obwohl ja der KSZE-Prozess ab 1975 genau das ermöglicht hat, nämlich dass es einen Dialog gegeben hat und dass auch zwischen Ost und West die Menschen­rechtsfrage besprochen wurde. Ich habe es gestern gesagt und werde es hoffentlich noch oft sagen können: Die universellen Menschenrechte sind etwas, worüber wir nicht diskutieren dürfen. Das müssen wir als etwas Selbstverständliches in jede dieser Diskus­sionen hineinbringen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Meine Vorrednerinnen haben schon sehr gut erklärt – danke, Frau Kollegin Grünberg, danke an alle anderen! –, was im Organhandel passiert. Ich glaube, es ist ganz wesent­lich, dass wir den Dialog mit China weiter vorantreiben, aber auch sagen, wir wollen, dass es Möglichkeiten gibt, das zu überprüfen. Wir wollen diese Straflager überprüfen, wir wollen sehen, was vor Ort passiert. Das gehört zu einer Kooperation dazu, die wir ja mit China wollen.

Was auch dazugehört, ist, dass wir einen Dialog über Hongkong führen wollen. Wir haben gestern schon darüber diskutiert: Was sich dort im Moment abspielt, ist auch des­wegen sehr, sehr gefährlich, weil offensichtlich ein internationaler Vertrag gebrochen wird. Ich möchte auch von dieser Stelle diesen unglaublich vielen mutigen – sehr oft jungen – Menschen in Hongkong zurufen: Wir schauen zu, was dort passiert, und wir unterstützen euch!

Ich habe ein Buch von Joshua Wong mitgebracht (eine Ausgabe des Buchs „Unfree Speech“ in die Höhe haltend), er war vor zwei Tagen in der „ZIB 2“ zu sehen; ich weiß nicht, wer ihn gesehen hat. Er und Nathan Law sind zwei, die sehr, sehr mutig in Hong­kong auf die Straße gehen und auch schon für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurden. Dieser Bursche ist seit dem Alter von 14 Jahren ein politischer Aktivist. Vor drei Jahren ist er für ein halbes Jahr eingesperrt worden, weil er an öffentlichen Demonstra­tionen teilgenommen hat. Er ist ein witziger Bursche; das sieht man, wenn man das Buch liest. Er beschreibt, wie er als Kind Legasthenieprobleme hatte, gewisse chinesische Zeichen nicht so gut erkennen konnte, aber immer reden, reden, reden wollte. Und mit seinem Reden tut er alles für die Freiheit. Ich glaube, wir müssen ihn unterstützen und dieses Signal soll von hier ausgehen. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt kommt aber noch ein wesentlicher politischer Punkt dazu, der Europa betrifft: Was haben wir denn am Balkan in den letzten Monaten erlebt? – Wir haben erlebt, dass ein Präsident wie Aleksandar Vucić gesagt hat: Die Chinesen sind unsere besten Freunde. Gestern hat es per Video eine Veranstaltung gegeben, an der Orbán, Vucić und auch der slowenische Ministerpräsident Janša teilgenommen haben. Sie haben dort wieder sehr deutlich gesagt: Osteuropa und Mitteleuropa gegen Westeuropa, illiberale Demo­kratie gegen die Demokratie in Europa. Gleichzeitig aber lassen sie sich von einem auto­ritären Regime unterstützen und dann erzählen sie uns, sie seien christlich. Was jetzt? Mit der chinesischen Autokratie angeblich christlich gegen das liberale Westeuropa? – Das passt nicht zusammen.


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Auch diese Diskussion können wir diesen Ländern nicht ersparen. Wir wollen die liberale Demokratie in Europa. Ich jedenfalls bin dafür, dass die Balkanländer natürlich in die EU aufgenommen werden, aber sie werden verstehen müssen, in eine liberale, offene De­mokratie und auch in eine, die sich nicht von China unter Druck setzen lässt, aufgenom­men zu werden. Dass das stattfindet, wissen wir. Es gibt auch diese 17+1-Gruppe, mit der die Chinesen versuchen, einen Spaltpilz nach Europa hereinzutragen. Auch dage­gen müssen wir uns wehren. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt habe ich noch einen Antrag mitgebracht:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verlet­zung der Grund- und Freiheitsrechte von in Hongkong aufhältigen Menschen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird aufgefordert, sich unmissverständlich für eine gemeinsame europäische Position zur Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in China wie auch der Verletzung des internationalen Abkommens zum Hongkonger Sonderstatus auszusprechen und sich dafür einzusetzen, dass auch nicht-EU-Staaten, die wegen ih­rer Menschenrechtshaltung von China mit Sanktionen bedroht werden, europäische So­lidarität erfahren.

Weiters solle die Bundesregierung alle rechtlich bestehenden Möglichkeiten ausschöp­fen, aus politischen Gründen aus Hongkong fliehenden Menschen in Österreich so rasch und unbürokratisch wie möglich Schutz zu gewähren.“

*****

Wie gesagt, Nathan Law ist bereits geflüchtet, andere werden möglicherweise auch flie­hen. Sie sprechen sehr gut Englisch, sie gehen wahrscheinlich in englischsprachige Län­der. Aber wenn es jemanden gibt, der sagt, er braucht bei uns Schutz, dann müssen wir diesen Schutz geben.

Wir müssen uns einfach die Bilder davon anschauen, was jetzt in Hongkong passiert. Erinnern wir uns an den Sommer 1989, an den Tank Man. Dieser mutige Student, dieser junge Mann mit den zwei Einkaufssackerln vor den Panzern, führt zum ursprünglichen Thema zurück. Wir wissen nicht genau, wie es mit ihm geendet hat, wahrscheinlich ist er getötet worden, wir wissen es nicht. Gegen die Unsichtbarkeit dieses Regimes aber müssen wir auftreten. – Ich danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Verletzung der Grund- und Freiheitsrechte von in Hongkong aufhältigen Menschen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 47. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über die Bürgerinitiative Nr. 4/BI betreffend „Wir Österreicher wollen keine Organe aus China haben, für die unschuldige Menschen getö­tet wurden.“ (246 d.B.) – TOP 11


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Die Tötung von Menschen zum Zwecke der Organentnahme stellt eine barbarische Form der Verletzung des Rechtes auf Leben dar. Der chinesische Staat verletzt aber regelmä­ßig auch andere Rechte von in China aufhältigen Menschen. Die international bekann­testen Betroffenen sind zwischen Provinzen migrierende Wanderarbeiter_innen und ethnische und religiöse Minderheiten wie die Tibetaner_innen und die Uigur_innen. Hin­zu kommt nun der Konflikt um die ehemalige Kronkolonie Hongkong. Neben Menschen­rechten werden auch internationale Abkommen über den Status des Territoriums und die darin eingegangene Verpflichtung verletzt, die bis 2047 zu respektieren wären.

Die Regierung in Peking hat sich vertraglich zur Wahrung einer Hongkonger Autonomie unter dem Prinzip „ein Land, zwei Systeme“ bis zum Jahr 2047 verpflichtet. Nur Außen- und Verteidigungspolitik unterstehen bis zu diesem Zeitpunkt der chinesischen Zentral­regierung. Die neu erlassenen Sicherheitsgesetze ermöglichen es den Pekinger Sicher­heitsbehörden nun aber unter anderem:

•             ein Büro für nationale Sicherheit mit chinesischem Personal in Hongkong zu eröffnen, um Geheimdienstinformationen zu sammeln;

•             alle Kritik an Chinas Führung und alle Aktivitäten, die als auf Unabhängigkeit ab­zielend bewertet werden, zu verbieten;

•             Verdächtige (inklusive Ausländer_innen) in manchen Fällen nach China aus-zu­liefern, um sie dort zu verurteilen;

•             die Interpretation von Gesetzen in Peking vorzunehmen, wobei bei unterschiedli­chen Interpretationen zwischen Hongkong und Peking die der Zentralregierung überwiegt;

•             in manchen Fällen Gerichtsverfahren hinter geschlossenen Türen abzuhalten;

•             in Hongkong eine Nationale Sicherheitskommission einzurichten, die unter der Kontrolle eines chinesischen Beraters arbeitet;

•             ausländische NGOs und Presseagenturen zu kontrollieren.

Die EU Kommissionspräsidentin, Großbritannien und die G7 Außenminister haben die Sicherheitsgesetze bereits als klaren Verstoß gegen das Grundgesetz (Basic Law, ver­einbart zwischen Großbritannien und China) und die Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit verurteilt. Amnesty International nennt die Sicherheitsgesetze „die größte Bedrohung für die Menschenrechte in der jüngeren Geschichte der Stadt“.

Als Reaktion erwägt die australische Regierung nun, Hongkonger_innen durch die Ver­gabe von Sondervisa Schutz zu bieten. Auch Großbritannien hat eine Lockerung der Einwanderungsgesetze für Hongkonger_innen angekündigt. Einerseits sind viele der Hongkonger Aktivist_innen, die unter den Sicherheitsgesetzen bedroht sind, sehr gut ausgebildet und daher hocherwünschte Einwander_innen. Andererseits hat Peking be­reits Vergeltungsmaßnahmen, vor allem im Wirtschafts- und Handelsbereich, im Falle von Einmischung angekündigt. Je breiter die internationale Front, desto geringer Pe­kings Möglichkeit, durch Sanktionen internationale Verurteilung und Maßnahmen zu un­terbinden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und interna­tionale Angelegenheiten, wird aufgefordert, sich unmissverständlich für eine gemeinsa­me europäische Position zur Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in China wie


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auch der Verletzung des internationalen Abkommens zum Hongkonger Sonderstatus auszusprechen und sich dafür einzusetzen, dass auch nicht-EU-Staaten, die wegen ih­rer Menschenrechtshaltung von China mit Sanktionen bedroht werden, europäische So­lidarität erfahren.

Weiters solle die Bundesregierung alle rechtlich bestehenden Möglichkeiten ausschöp­fen, aus politischen Gründen aus Hongkong fliehenden Menschen in Österreich so rasch und unbürokratisch wie möglich Schutz zu gewähren."

*****


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag.a Faika El-Nagashi. – Bitte schön, Frau Ab­geordnete.


15.09.26

Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich wirklich sehr, dass wir uns parteiübergreifend sehr sachlich, sehr inhaltlich und, wie ich glaube, auch mit hoher Glaubwürdigkeit dieses Themas an­nehmen und uns hier gemeinsam gegen eine Menschenrechtsverletzung von globaler Dimension positionieren.

Aus diesem Anlass: Dass wir das hier tun, ist zuallererst auf die Arbeit und das En­gagement der BürgerInneninitiative, die sich da eingebracht hat, und der NGOs zu­rückzuführen, die dieses Thema seit vielen, vielen Jahren gegenüber unterschiedlichen politischen Gremien und Vertreterinnen und Vertretern immer wieder auf die Tagesord­nung gesetzt haben. Daher gebührt mein wirklich aufrichtiger Dank diesen engagierten Einzelpersonen und Organisationen, die die Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich erinnere mich daran, dass schon vor einigen Jahren Organisationen das Gespräch mit mir und auch mit meiner Kollegin Gudrun Kugler im Wiener Gemeinderat gesucht haben und wir es damals gemeinsam geschafft haben, einen Gemeinderatsbeschluss über Parteigrenzen hinweg zu erwirken, einen Gemeinderatsbeschluss, auf den die Bür­gerInneninitiative nun auch Bezug nimmt.

Wir sind bei dieser Materie mit zwei Schwierigkeiten konfrontiert: Die eine ist tatsächlich die Trägheit des politischen Systems, also: Wann kommen wir bei dieser Thematik in Bewegung? Wann tun wir etwas, und was tun wir, auf welcher Ebene? Kollegin Petra Bayr hat es schon angesprochen: Es gibt wesentlich weitreichendere Maßnahmen, die wir jetzt setzen können und möchten. Wir werden weiter daran arbeiten, die nationale Verantwortung, die wir bei dieser internationalen Menschenrechtsverletzung, über die wir gerade sprechen, haben, wahrzunehmen und weiter dranzubleiben.

Das eine ist also die Trägheit des staatlichen Apparates, das andere ist die fehlende Glaubwürdigkeit, die wir der Arbeit der NGOs zubilligen. Dokumentationen von Men­schenrechtsverletzungen gibt es seit Jahren und Jahrzehnten in großem Umfang – das ist quantitativ wirklich viel, gut recherchiert, solide dokumentiert –, und trotzdem fehlt es ihnen angeblich an Glaubwürdigkeit. Das sind also die großen Herausforderungen.

Gleichzeitig sehen wir, dass das, womit wir konfrontiert sind, eine systematische Men­schenrechtsverletzung, eine staatlich gebilligte Menschenrechtsverletzung ist, und das ist weitreichend dokumentiert. Es geht nicht nur darum, dass der Organhandel ein ganz wesentlicher Teil des Menschenhandels ist und damit eben eine Menschenrechtsverlet­zung, sondern er findet an einer Schnittstelle statt, an der politisch verfolgte, inhaftierte Menschen zusätzlich noch zu Opfern dieses Verbrechens werden.


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Es ist schon erwähnt worden, es sind politisch verfolgte Menschen aus der Gruppe der Uiguren, aus der Gruppe der Tibeter und Tibeterinnen, Christen und Christinnen und Falun-Gong-Praktizierende. Wir haben die Verantwortung, uns nicht nur für Aufklärung durch eine internationale Kommission einzusetzen, sondern auch unsere nationale Verantwortung im Bereich des Transplantationstourismus wahrzunehmen und uns auch für die Freilassung von gewaltlosen politischen Gefangenen einzusetzen. Ich hoffe, dass das auf parteiübergreifende Zustimmung trifft. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.12


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Auch diese Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorla­gen des Ausschusses für Menschenrechte und fahre in der Erledigung der Tagesord­nung fort.

15.13.0612. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 724/A(E) der Abgeordneten Dr. Gudrun Kugler, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels (247 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir sind nun beim 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Dr. Gudrun Kugler gelangt zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.13.27

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Wir haben jetzt gerade über Organhandel gesprochen, und ich möchte in diesem Zusammenhang dir, liebe Faika El-Nagashi, für die gute Zusammenarbeit über Jahre im Wiener Gemeinderat und jetzt hier danken. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig und auch ein Zeichen.

Wenn wir über Menschenhandel sprechen – ich möchte jetzt wirklich nur ein paar Dinge herausgreifen, weil ich auf die Redezeit achten muss –, dann reden wir über eines der lukrativsten Geschäfte der organisierten Kriminalität, und Österreich ist als Zielland und als Transitland doppelt betroffen. Wir sprechen über Ausbeutung in verschiedenen Be­reichen – Ausbeutung in der Prostitution, bei der Bettelei und in der Arbeit –, aber auch das Thema Kinderhandel gehört zu diesem Bereich. Aus all diesen Themen greife ich jetzt zwei Beispiele heraus.

Das eine ist aus dem Bereich der Prostitution. Wir wissen, oder sagen wir besser so, wir schätzen, dass ein Drittel der Prostituierten, die in Österreich arbeiten, das nicht freiwillig tun. Wir haben eine ganz spezielle Gesetzeslage, denn in unserem Asylrecht ist vorge­sehen, dass, wenn jemand einen Asylantrag stellt, er oder sie sich nach drei Monaten bereits als selbstständig erwerbstätig melden kann. Statistisch gesehen kommt das nur in der Prostitution vor. Diese Bestimmung ist ein Pullfaktor und unterstützt Menschen­händler dabei, aus ärmeren Ländern vorwiegend Frauen nach Österreich zu bringen, um sie hier dieser Art von gehandelter Prostitution zuzuführen.

Die Polizei kontrolliert und versucht, diese Menschen, diese Frauen zu finden, zu identi­fizieren und ihnen zu helfen. Es gibt aber Landesgesetze, die das unmöglich machen. Das möchte ich am Beispiel des Burgenlandes aufzeigen – und darum schaue ich jetzt


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in Richtung SPÖ –: Dort gibt es ein neues Prostitutionsgesetz, das festlegt, dass die Polizei nur kontrollieren darf, wenn ein begründeter Verdacht besteht, sie darf aber keine Routinekontrollen durchführen. Das ist ein ganz großes Problem und widerspricht der Richtlinie des Europäischen Parlaments zum Thema Menschenhandel, in der es heißt, dass die Polizei solche Routinekontrollen unbedingt machen soll. Im Burgenland ist das jetzt nicht mehr möglich.

Ich möchte noch ein ganz anders gelagertes zweites Beispiel bringen, und zwar aus dem Bereich Kinderhandel. Wir wissen, dass es in einigen europäischen Ländern, in vorwie­gend ärmeren Ländern, die Möglichkeit der Leihmutterschaft gibt, und dementsprechend gibt es auch einen internationalen Leihmutterschaftstourismus. Wo eine Leihmutter­schaft in Anspruch genommen wird, gibt es natürlich keine Adoptionsregeln, nach denen man sich sonst sehr genau anschaut, ob das auch die beste Lösung für das Kind ist oder nicht. Leihmutterschaft ermöglicht Kinderhandel als Scheingeschäft, indem man be­hauptet, dass es sich um einen Leihmutterschaftsvertrag handelt, während in Wirklich­keit gar keine Leihmutterschaft vorliegt. Das ermöglicht Kinderhandel.

Damit das nicht so abstrakt bleibt, bringe ich ein Beispiel: Die österreichischen Behörden wurden kürzlich von den tschechischen um Hilfe gebeten. Diese haben berichtet, dass ein mehrfach wegen Kinderpornografie vorbestrafter 60-jähriger Mann sich in Prag mit­tels Leihmutterschaftsvertrag ein Kind geholt hat. Man geht davon aus, dass es nur ein Scheingeschäft war und gar keine echte genetische Verwandtschaft vorliegt. Das konnte man aufgrund der Gesetzeslage nicht kontrollieren. Die tschechischen Behörden sagen jetzt, dass sie nicht wissen, wo dieser Mann ist, und auch nicht, wo das Kind ist, und fragen, ob die österreichischen Behörden helfen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, solche Fälle dürfen wir nicht zulassen! Sie lesen in den Medien, was es im Bereich Kinderpornografie an schrecklichen Dingen gibt. Wir machen mit einer solchen Rechtslage Türen und Tore für einen Missbrauch, den man sich gar nicht vorstellen kann und will, auf.

Menschenhandel in all seinen Formen ist immer eine Ausbeutung von Einkommensge­fällen. Es heißt immer, dass es Menschen gibt, die bereit sind, vieles, ja alles zu tun, um zu überleben, weil sie arm sind, und es heißt auch, dass es Menschen gibt, die genug Geld haben, um diese Dinge dann auch zu kaufen. Da dürfen wir nicht zusehen!

Unser heutiger Antrag wird, wie ich das aus dem Ausschuss mitgenommen habe, von allen Parteien unterstützt. Er besagt, wir müssen da vorgehen. Österreich, ich habe es schon gesagt, ist Transitland und Zielland. Wir müssen die Opfer identifizieren, wir müs­sen den Opfern helfen, und wir brauchen einen niederschwelligen Zugang zur Beratung, zum Ausstieg. Da gibt es mehrere Möglichkeiten, das steht auch alles in unserem An­trag.

Ich sage hier abschließend noch eines: Österreich sieht dieses Problem schon länger, und wir haben zahlreiche Mechanismen geschaffen, um an diesem Problem zu arbeiten. Ich nenne nur die Taskforce, den nationalen Aktionsplan, den wir haben, die Zentralstelle im Bundeskriminalamt, die Aktivitäten auf europäischer und internationaler Ebene, wo Österreich immer wieder Leitungsfunktionen innehat, und zahlreiche Opferschutzeinrich­tungen wie Lefö, Men Via, Ecpat und Solwodi.

Ich glaube, dass wir für all das, was schon an Gutem geschehen ist, unserem Innen­minister und den vielen anderen, die an diesem Thema arbeiten, auch der Polizei, dan­ken müssen. Ich danke dafür, dass wir da gemeinsam an einem Strang ziehen. Möge diese moderne Form der Sklaverei ein Ende haben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.19



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 116

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Wimmer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.19.26

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Jährlich werden mehr als 2,4 Millionen Menschen wie Ware gehandelt. Sie erfahren die schlimmsten Formen der wirtschaftlichen Ausbeutung und eine massive Verletzung ihrer Menschenrechte.

Menschenhandel ist ein enormer Wirtschaftsfaktor. Die Gewinne werden auf weltweit 32 Milliarden US-Dollar geschätzt, und das jährlich. Das Geschäft mit der Handelsware Mensch gilt als die drittlukrativste kriminelle Einkommensquelle, gleich nach dem Dro­gen- und dem Waffenhandel. Beim Menschenhandel gilt die Devise: Wer zahlt, dem wird geliefert – ob Arbeits- oder Sexsklaven, Menschen zur Organentnahme, zur Heirat oder zur Adoption. Alter, Geschlecht und ethnische Herkunft spielen dabei kaum eine Rolle.

Die häufigsten Formen der Ausbeutung, und das hat Kollegin Kugler vorher schon in ihren Fallbeispielen gezeigt, sind sexuelle Ausbeutung und Zwangsarbeit, oftmals unter sklavenähnlichen Bedingungen. 43 Prozent der Opfer von Menschenhandel werden an die Sexindustrie, das heißt in die Zwangsprostitution, verkauft; ein Drittel der Menschen werden in der Landwirtschaft, in privaten Haushalten oder anderen ausbeuterischen Be­trieben unter menschenverachtenden Bedingungen ausgebeutet.

Menschenhandel ist eine Summe von Menschenrechtsverletzungen. Es werden unver­äußerliche Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit, Würde, Sicherheit, Nichtdiskriminierung, Gesundheit und alle Rechte des Arbeitsschutzes missachtet. Die Opfer sind schwer traumatisiert von den psychisch und physisch erlittenen Qualen und häufig für den Rest ihres Lebens von diesen Erlebnissen gezeichnet, auch wenn sie dem Sklavenhandel oder der Ausbeutungssituation entkommen konnten.

Wir unterstützen daher natürlich den vorliegenden Antrag und arbeiten da gerne zusam­men.

Umfassende Maßnahmen gegen Menschenhandel enthält auch unser Antrag zur Schaf­fung eines Sozialverantwortungsgesetzes, der dem Sozialausschuss zugewiesen wur­de. Mithilfe dieses Gesetzes sollen Produkte, die durch Zwangs- oder Kinderarbeit her­gestellt wurden, nicht mehr nach Österreich importiert werden können. Werte Kollegin­nen und Kollegen, ich erhoffe mir auch breite Zustimmung zu unserem Antrag im Sozial­ausschuss, denn wir sind uns einig: Kein Mensch sollte Opfer von Menschenhandel sein! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Abg. Kugler.)

15.21


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.22.02

Abgeordnete Rosa Ecker, MBA (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist kaum zu glauben, aber sogar in der heutigen Zeit gibt es Menschenhandel. Was ist Menschen­handel? – Der Kauf und der Verkauf von Menschen – und das geschieht mitten in un­serer ach so zivilisierten Gesellschaft!

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation sind über 21 Millionen Menschen weltweit Opfer von Menschenhandel. Einer Schätzung zufolge sind 80 Prozent der Opfer von Menschenhandel Mädchen. Der Umsatz mit der Ware Mensch, wir haben es schon gehört, bringt laut Schätzungen einen jährlichen Gewinn von über 30 Milliarden US-Dol­lar.


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Alle diese Zahlen sind Schätzungen, Dunkelziffern. Eines ist jedoch gewiss: Mit Men­schenhandel sind Kriminelle ganz groß im Geschäft, man spricht in diesem Zusammen­hang von Big Business. Die Gewinne werden nur vom illegalen Drogen- und Waffen­handel getoppt.

Häufig bleibt Menschenhandel von der Gesellschaft unbemerkt, auch hier in Österreich, wo zum Beispiel extra importierte Frauen als Hausangestellte oder Geheimprostituierte eingesperrt werden. Es ist unfassbar, dass in unserem Staat laut BKA pro Jahr an die 300 Fälle von Menschenhandel auftreten.

Österreich ist, das haben wir auch schon gehört, aufgrund seiner geografischen Lage eben nicht nur Transitland, sondern auch Zielland. Nicht ein Hauptmotiv, sondern das Hauptmotiv ist die sexuelle Ausbeutung, gefolgt von der Arbeitsausbeutung, vor allem am Bau und in der Gastronomie. Aber auch Kinderhandel, der Heiratshandel und die Entnahme von Organen – das haben wir schon beim vorigen Tagesordnungspunkt be­handelt – sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. All dies geschieht auf Kosten von schutzbedürftigen Menschen, zum überwiegenden Teil von Frauen. Man muss das wirklich betonen, denn es sind zum überwiegenden Teil Frauen.

Es muss in Österreich für alle vom Menschenhandel Betroffenen Zugang zu Beratungs‑, Schutz- und Unterstützungsangeboten geben! Dazu braucht es eine Sensibilisierung der Behörden und BeraterInnen, aber auch der Polizei, damit dieses Netzwerk von kriminel­len Organisationen beziehungsweise der Kriminalität wirksam bekämpft werden kann.

Menschenhandel ist eines der schwersten Verbrechen. Österreich engagiert sich auch global im Kampf gegen den Kauf und Verkauf von Menschen. Sämtliche Maßnahmen gegen diese kriminellen Machenschaften werden wir selbstverständlich unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.24.53

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Menschenhandel, das klingt wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. Tatsächlich ist aber das Geschäft mit der Handelsware Mensch nach aktuellen Untersuchungen eines, das zunehmend boomt, das heißt, die höchste Zuwachsrate hat. Menschenhandel ist, das haben auch die Vorrednerinnen festgestellt, ein industrialisier­tes Verbrechen, eine globale Tragödie, die heutzutage jeden Kontinent betrifft.

Jährlich werden mehr als 2,4 Millionen Menschen wie Ware gehandelt. Die Gewinne aus dem Menschenhandel werden weltweit auf 32 Milliarden US-Dollar geschätzt, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat – auch das jährlich, und ja, das ist die Dunkelziffer. Seit Mitte der Neunzigerjahre hat sich der weltweite Menschenhandel mehr als vervierfacht und gilt nach einer Untersuchung von Europol als der Verbrechenszweig mit der höchs­ten Zuwachsrate. Das Geschäft mit Menschen gilt deshalb auch als „drittwichtigste“ – unter Anführungszeichen – kriminelle Einkommensquelle nach dem Drogen- und Waf­fenhandel. Nur eine Zahl dazu: In den letzten 30 Jahren wurden allein in Südostasien 30 Millionen Kinder und Frauen Opfer von Menschenhändlern – 30 Millionen Kinder und Frauen, auch das ist eine unglaubliche Zahl!

Menschenhandel, auch da gebe ich meinen Vorrednerinnen recht, ist eine Summe von Menschenrechtsverletzungen und verletzt unveräußerliche Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit, Würde, Sicherheit, Nichtdiskriminierung, Gesundheit und alle Rechte, die auch den Arbeitsschutz betreffen.

Menschenhandel spielt sich nicht nur innerhalb nationaler Grenzen ab, sondern hat eine außenpolitische, globale Komponente. Es werden nämlich in der Regel Menschen aus


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weniger entwickelten in besser entwickelte Regionen gebracht und gehandelt. So wer­den beispielsweise Menschen aus Moldawien vornehmlich in die Türkei, nach Russland oder in die Vereinigten Arabischen Emirate gehandelt und die Industrieländer sind laut Untersuchungen sehr oft beziehungsweise meistens die Endstation für die Opfer.

Auch viele europäische Staaten, das möchte man gar nicht glauben, sind nicht nur Her­kunfts-, Transit- oder Bestimmungsländer. Deutschland beispielsweise ist sowohl Tran­sit- als auch Zielland für den organisierten Menschenhandel. Dort handelt es sich vor­nehmlich um Menschen aus Osteuropa, die mehrheitlich in der Zwangsprostitution, auf Baustellen, im Hotel oder im Gastgewerbe ausgebeutet werden.

Mehr als die Hälfte der Opfer in Verbindung mit Sklaverei stammt aus dem südostasiati­schen Raum, weswegen Südostasien als internationale Drehscheibe des Menschenhan­dels gilt. Davon sind insbesondere Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam betroffen.

Es wurde schon erwähnt und man kann es gar nicht oft genug erwähnen: Die meisten dieser Menschen werden in die Sexindustrie verkauft. Allein in Kambodscha sind es täglich – ich wiederhole: täglich! – 50 000 junge Frauen und Mädchen, darunter viele kleine Kinder, die sexuell ausgebeutet werden.

Wieso passiert das, abgesehen davon, dass einige ordentlich daran verdienen? – Weil es zum einen die entsprechende Nachfrage gibt, weil es aber zum anderen auch viele Menschen gibt, die schlicht nichts zum Leben haben. Wirtschaftliche Not, Perspektivlo­sigkeit und der Glaube an eine bessere Zukunft machen viele Menschen zu einer leichten Beute von Menschenhändlern. Auch Entführungen und der Verkauf von Kindern gehören zu den gängigen Einstiegsszenarien der Opfer in den Menschenhandel. Armut ist aber nicht der einzige Grund für die dramatischen Entwicklungen, es sind auch Faktoren wie Diskriminierung bis hin zur politischen Verfolgung oder Korruption, die da hinzukommen.

In den Menschenhandel sind – wie auch in den Organhandel – sehr viele Akteure ver­wickelt. Deswegen ist es so schwer, ihnen auf die Schliche zu kommen. Die Anwerber sind oftmals Bekannte oder Familienangehörige, zu Nutznießern werden Schleuser, viele Mittelsmänner – vor allem Männer –, aber natürlich auch die Abnehmer, die Konsu­menten, die Zuhälter und gut strukturierte globale Netzwerke und kriminelle Organisa­tionen.

Deshalb ist dieser Antrag, wie ich finde, ein sehr, sehr wichtiger, wie auch die Haltung Österreichs in dieser Frage, die Maßnahmen und alle Schritte, die hiezu gesetzt werden, sehr wichtig sind, auch wenn es eine Mammutaufgabe ist.

Ich freue mich sehr, dass wir heute nicht nur darüber debattieren, sondern dass wir es uns zur Aufgabe machen, Menschenhandel nicht nur in Österreich zu bekämpfen und nicht nur in Europa zum Thema zu machen, sondern die globale Komponente nicht aus den Augen zu verlieren. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

15.30


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kira Grünberg. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.31.12

Abgeordnete Kira Grünberg (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wie wir schon gehört haben, wird auch Österreich nicht vom Menschenhandel verschont. Öster­reich ist Transit-, aber auch Zielland. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, wer­den in Österreich jährlich etwa 150 bis 250 Opfer von Menschenhandel identifiziert. Die Dunkelziffer ist allerdings um ein Vielfaches höher. In den allermeisten Fällen sind die Opfer Frauen und zum Zweck der sexuellen Ausbeutung hier.


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Die österreichischen Behörden versuchen viel auch in Zusammenarbeit mit den Her­kunftsländern, um einerseits diese Mädchen und Frauen proaktiv zu finden, um ihnen Schutz zu bieten, und andererseits die Menschenhändler auszuforschen. Spezialisierte Polizistinnen und Polizisten ermitteln an den Orten des Geschehens, erkunden das Rot­lichtmilieu, sprechen mit den Bettlern, ob sie Beobachtungen gemacht haben, und ma­chen alles Mögliche, um dieses Milieu endlich aufzudecken. Zusätzlich wird die Sensi­bilisierungs- und Bewusstseinsbildung in jenen Berufsgruppen gefördert, die potenziell mit Opfern von Menschenhandel in Berührung kommen.

2018 ist der österreichischen Polizei mit der Operation Mariposa ein großer Ermittlungs­erfolg gegen den organisierten Menschenhandel gelungen. Zwei Jahre lang wurde ge­gen eine kriminelle Gruppe ermittelt, die junge Frauen aus Venezuela und Kolumbien unter Vortäuschung falscher Tatsachen in Österreich der Prostitution zugeführt hat. Fünf Beschuldigte konnten festgenommen und 15 Opfer befreit werden. Die bilaterale Zusam­menarbeit hat maßgeblich zum Ermittlungserfolg beigetragen.

Zum Abschluss möchte ich Sie daran erinnern, dass am 30. Juli der internationale Tag gegen Menschenhandel ist. Vielleicht nutzen auch Sie diesen Tag, sich mit dem The­ma näher vertraut zu machen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Angerer.)

15.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart, verlege ich die Abstimmung auch hierzu an den Schluss der Verhand­lungen über die Vorlagen des Ausschusses für Menschenrechte und fahre in der Er­ledigung der Tagesordnung fort.

15.33.4613. Punkt

Bericht des Ausschusses für Menschenrechte über den Antrag 725/A(E) der Ab­geordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Gudrun Kugler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer unabhängigen Beschwerde- und Untersuchungsstelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte (248 d.B.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt nun Frau Dr. Susanne Fürst. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.34.15

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Polizeiarbeit ist Schwerarbeit. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade in den Städten gestaltet sich die polizeiliche Basisarbeit von Tag zu Tag schwie­riger und komplexer. Die Exekutive sieht sich auf den Straßen vermehrt wachsender Aggression ausgesetzt und erlebt gleichzeitig einen zunehmenden Autoritätsverlust.

Der Umgang mit Personen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen, die Sprachbar­rieren, die mangelnde Akzeptanz, die unseren Polizisten, vor allem aber den weiblichen Einsatzkräften durch manche Gruppen entgegengebracht wird, machen den Arbeitsall­tag sehr herausfordernd. Diese Umstände münden in eine stets ansteigende Anzahl von verletzten Polizisten, die ihrerseits Opfer von Übergriffen werden, was nicht hinzuneh­men ist.


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Wir sehen das aktuell in den letzten Wochen in Favoriten bei den Demonstrationen, die anhaltend stattfinden, wobei innertürkische Konflikte auf den Straßen Wiens ausgetra­gen werden. Das ist ein Umstand, der nicht nur für die Einheimischen, sondern auch für die Polizisten, die sich geradezu förmlich in die Schlacht werfen müssen, unzumutbar ist.

Die Exekutive ist mit der Vollziehung und Vollstreckung von Staatsgewalt befasst. Dies beinhaltet im Ernstfall die Anwendung von Gewalt bei gesetzwidrigem Verhalten und Straftaten. Gerade bei Festnahmen müssen in manchen Fällen Körperkraft, erlernte Techniken und Zwang eingesetzt werden, damit sie durchgeführt werden können. Das ist eine sehr schwierige, sensible Aufgabe, auf welche die Polizei in der Ausbildung vor­bereitet werden muss. Klar ist, dass diese Machtbefugnisse auch ihre Schattenseiten haben und ausgenutzt werden können. Für unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt und ungerechtfertigte willkürliche Übergriffe seitens der Polizei muss es interne und ex­terne Kontrollen mit entsprechenden Sanktionierungen geben.

Der entscheidende Punkt ist, dass es diese bereits gibt. Es gibt Schulungen. Es ist ein Teil der Ausbildung, dass die Polizisten auf solch schwierige Einsätze vorbereitet wer­den. Wir haben interne Kontrollen durch die Behördenhierarchie, durch die Disziplinie­rung durch Vorgesetzte. Wir haben externe Kontrollen durch einen ordentlichen Rechtsweg, der vorgesehen ist. Wir haben die Möglichkeit der Maßnahmenbeschwerde bei den Landesverwaltungsgerichten mit einem Rechtsmittelzug bis zu den Höchstge­richten. Meiner Meinung ist es daher der falsche Weg, eine neue parallele Beschwerde­behörde einzurichten, die zu diesen vorhandenen Strukturen hinzutritt.

Der Antrag wird zum einen mit Forderungen internationaler Menschenrechtsexperten begründet – ich denke, wir können selbst beurteilen, welche Behörden und Beschwerde­stellen wir hier in Österreich brauchen. Als zweiter Grund wird vor allen Dingen ange­geben, dass das Vertrauen in die Polizei und in unabhängige Ermittlungen gestärkt wer­den muss. Ich denke, dass das Vertrauen in die Polizei hier in Österreich sehr stark ausgeprägt ist und sie ein sehr gutes Bild abgibt.

Vertrauen in unabhängige Ermittlungen: Es ist mir neu, dass unsere Gerichte nicht als unabhängige Überprüfungsstellen gelten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, wir müssen bei dieser Frage und in diesem Komplex sehr vorsichtig sein. Man muss aufpassen, dass man die Einsatzkräfte nicht demotiviert und dass sie sich nicht aus Angst – auch vor zu viel bürokratischer Überprüfung, Kontrolle, Vorverurteilung oder Rechtfertigungsbedarf gegenüber Fachfremden – bei jedem heiklen Einsatz überle­gen, ob sie sich das überhaupt antun.

Ich glaube, wir alle brauchen keine Polizei, die nur Dienst nach Vorschrift macht oder lieber wegschaut, denn das würde auf Kosten der Sicherheit von uns allen gehen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Hans Ste­fan Hintner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.39.00

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zumindest ein Drittel, wenn nicht die Hälfte der Rede von Kollegin Fürst könnte ich inhaltlich teilen. Ich darf aber dazusagen: Wir wissen, wo es Menschen gibt, da menschelt es, so auch bei der Polizei bei uns. Leider Gottes, wenn ich da in die Tiefe gehe, kommt es eh nicht, bis fast gar nicht vor, dass vielleicht die eine oder andere Verfehlung da ist. (Abg. Lausch: ... pauschale Un­terstellung! Das ist ja unfassbar!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 121

Es gibt mit Ausnahme Ihrer Fraktion (in Richtung FPÖ) einen Konsens über den Ent­schließungsantrag, eine Behörde zu schaffen, die eine eigene Behörde darstellt, um dem Vorwurf entgegenzutreten, dass interne Untersuchungen nicht so objektiv sein könnten, wie man es sich vielleicht vorstellt.

Grundsätzlich darf ich anmerken, dass die Polizei die Staatsgewalt unseres Rechtsstaa­tes ist und eigentlich Organ von uns, denn sie exekutiert die Gesetze aus diesem Haus (Abg. Lausch: Was haben wir dann intern ...?), und so darf ich annehmen, dass wir uns alle zu dieser Polizei bekennen. (Abg. Lausch: Das sieht man eh, sehr glaubwürdig!)

Es gibt ein Phänomen in Österreich, und zwar den Ruf nach noch mehr Polizei. Egal, wo wir spazieren gehen, in Wien, in Mödling, man sagt mir eigentlich, man hätte lieber noch mehr Polizei auf der Straße, noch mehr Polizeipräsenz auf der Straße. Das ist etwas, das andere Staaten mit anderen Systemen gar nicht kennen. Das heißt, die Polizei ge­nießt unser großes Vertrauen – sicherlich nicht, wenn es um Verkehrsdelikte und Plan­quadrate geht, darin sind wir uns einig, aber sehr wohl, wenn es um Bedrohung von Leib und Leben, um Drogen, Terror, Einbruch und Diebstahl geht.

Gleichwohl ist mir auch bewusst, dass es zu Spannungen kommen wird und kommen kann, zum Beispiel auch im Bereich der Vorwürfe, die in Richtung Rassismus gehen können. Wir waren jetzt mit einem Vorwurf konfrontiert, bei dem eine Person behauptet hatte, ein Polizist hätte sie als Neger bezeichnet – allerdings praktisch im Bereich des Funks –; es konnte bei der diesbezüglichen Aufklärung nichts gefunden werden. (Abg. Ries: Der Vorwurf war falsch! – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Es ist bezüglich Demonstrationen auch schon angesprochen worden, weil das Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ein Menschenrecht ist. Es gibt da ein sehr schönes Zitat: Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet.“ – Artikel 4 erster Satz der von der französischen Nationalversammlung be­schlossenen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Das heißt, ich darf keinem anderen schaden, weder an Leib und Leben noch am Besitz, wenn ich zu dieser Ver­sammlungsfreiheit schreite, und ich halte es für demokratisch fast pervers, dass die Poli­zei dann ein Menschenrecht schützen muss.

Zu den Statistiken, die ich recherchieren konnte: 2019 gab es 19 000 Anwendungen von Zwangsmitteln, 1 300 mit Gewalt, davon 317 Fälle an eigener Stelle. Die Zahl der Be­schwerden, die für den Beschwerdeführer praktisch erfolgreich waren, lag 2019 bei eins und 2020 bei null. Es gab da verschiedene Kategorien von Misshandlungen, ohne Zwangsmittelanwendung und so weiter. Im Gegensatz dazu – das muss man sich immer wieder vor Augen führen – werden im Jahr circa 1 000 Polizisten durch potenzielle Täter aktiv verletzt, über 2 500 bei der Amtshandlung, 2,5 pro Tag schwer, 40 bis 50 Prozent mit einer schweren körperlichen Verletzung.

Ja, wir begrüßen diesen Entschließungsantrag, und ja, wir bedanken uns für die tägliche Arbeit bei unseren Polizistinnen und Polizisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Scherak.)

15.43


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Dr. Harald Troch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.43.29

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Ich teile durchaus die Einschätzung der Vorrednerin von mir, dass die Arbeit der Polizisten verantwortungsvoll ist und risikoreich, gefährlich sein kann, dass Polizistinnen und Polizisten Gesundheit und Leben oftmals, manchmal täglich, aufs Spiel setzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 122

Ich habe mich vor Kurzem über eine klare Erklärung des Bundesministers für Inneres zu den Grundrechten der Bürger, die die Polizistinnen und Polizisten in Österreich verteidi­gen, sehr gefreut. Ich glaube, eine solche Erklärung muss auch mit Leben erfüllt sein, weil es in der österreichischen Geschichte ganz einfach auch Schattenseiten gibt – Schattenseiten staatlicher Gewalt, Schattenseiten der Einschränkung und der Verlet­zung von Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger. Ein Beispiel ist die Revolution von 1848, bei der die Freiheitliche Partei oder ihre Vorgänger, glaube ich – wenn ich mich richtig an die Geschichte erinnere –, ja auf der anderen Seite der staatlichen Gewalt gestanden sind. Das heißt, die Polizei hat in Österreich nicht immer diese positive Funk­tion eingenommen, die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen zu schützen.

In diesem Sinn ist es zu begrüßen, dass wir hier nun darüber debattieren, eine unab­hängige, eine weisungsfreie Stelle einzurichten. Ich kann nur aus meiner Erfahrung als Staatsbürger sagen, dass ich an die Arbeit der Polizei glaube und sehr, sehr stolz bin. Das deckt sich auch mit dem Vertrauensindex, den es ja gibt. Die Polizei führt diesen Vertrauensindex in Österreich gemeinsam mit dem Verfassungsgerichtshof und dem Bundespräsidenten an. Erfreulich ist, dass das Parlament aufschließt und aufholt. Die Arbeiterkammer ist ebenfalls sehr weit vorne, auch der Rechnungshof. Das bestätigt die Arbeit.

Nichtsdestotrotz kann es, wie schon gesagt wurde, zu unverhältnismäßiger Gewaltan­wendung kommen, und in diesem Fall ist es gut, wenn es eine unabhängige, weisungs­freie Stelle gibt, die sich derartige Verletzungen näher anschaut. Ich glaube, dass diese Stelle tatsächlich in einem Bereich angesiedelt wird, in dem sie selbstverständlich als weisungsfrei und unabhängig gesehen wird. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten wie in der Nähe des Parlaments, im Justizministerium oder anderes.

Die Polizei ist einfach – und soll sein – die Hüterin der Freiheitsrechte, der Grundrechte, der demokratischen Rechte der Bürger in diesem Land, und das zusätzlich zum Schutz vor Kriminalität, zum Schutz vor Drogenmissbrauch und Drogenhandel und auch zum Schutz vor Terrorismus.

Auch international begrüßen eine ganze Reihe von Menschenrechtsorganisationen die Einrichtung derartiger unabhängiger Stellen. Ich denke, es tut der Polizei gut, denn falls es da oder dort solch schwarze Schafe in der Polizei gibt, dann ist entsprechend zu handeln. Diese unabhängige Stelle wird gute Arbeit leisten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Lausch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.47.18

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Generalsekretär! Hohes Haus! Kollege - -, Herr Bundesminister Nehammer, es fällt mir fast schwer, Sie mit die­sem Titel anzusprechen, denn das, was Sie da machen und zulassen, ist eigentlich ein Misstrauensantrag eines Ministers gegen seine eigene Exekutive, und das ist sehr, sehr verwerflich. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Polizei – Kollege Troch hat versucht, da herumzupendeln – leistet gute Arbeit. Die Polizei ist einer der wichtigsten Körper und überhaupt der wichtigste Körper, der die Si­cherheit des Landes garantiert. Man ist nun im Begriff, mehr oder weniger eine Pau­schalverurteilung von Polizistinnen und Polizisten zu machen, die tagtäglich für uns den Kopf hinhalten und ihr Leben riskieren. Bitte, die Polizei hat so viele interne Kontroll­stellen, um ihre Beamten zu überprüfen, dass die Installation einer Beschwerdestelle für die Bediensteten schon der Ausdruck von Misstrauen ist!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 123

Nun kommen Sie mit den Grünen daher und wollen allen Ernstes in Zeiten wie diesen, in denen der Dienst der Polizei immer schwieriger wird – von der Coronakrise abgese­hen, sondern Kriminalitätsanstieg und, und, und –, hergehen und eine unabhängige Be­schwerdestelle gegen Übergriffe der Polizei installieren? Das kann ja nicht Ihr Ernst sein! Das ist eigentlich eine Bankrotterklärung für Sie als Bundesminister. Sie sind in diesem Amt noch nicht einmal gescheit angekommen und lassen so etwas zu – mir fehlen wirk­lich fast die Worte.

Da muss ich wirklich sagen, das ist einer Sicherheitspartei – das seid ihr eh nicht, aber ihr habt euch immer als die Sicherheitspartei verkauft – nicht angemessen. (Abg. Mahrer schüttelt den Kopf.) – Herr Kollege Mahrer, Sie können jetzt den Kopf schütteln, wie Sie wollen, Sie hätten das wahrscheinlich als Vizepolizeipräsident in Wien auch zugelassen (Zwischenruf des Abg. Mahrer), das wissen wir eh, aber es ist ein Wahnsinn, pauschal den Polizistinnen und Polizisten in Zeiten wie diesen solch eine Beschwerdestelle aufs Auge zu drücken.

Das ist unnötig und unwürdig, das haben sich die PolizistInnen mit ihrer Arbeit nicht verdient, aber wir werden die Polizistinnen und Polizisten davon in Kenntnis setzen, dass die ehemalige Sicherheitspartei ÖVP, als die Sie sich immer bezeichnen, schon lange abgedankt hat und nur mehr sagt: Da muss es etwas geben, das werden wir untersu­chen! – Wofür gibt es die Interne? Die untersucht alles! Wofür gibt es unabhängige Gerichte? Wofür haben wir die? Wofür gibt es den Rechtsstaat? – Sie kommen in Zeiten wie diesen mit so etwas daher. Das ist ja das Papier nicht wert, auf dem es steht.

Man sollte so etwas – vor allem Sie (in Richtung Abg. Mahrer) als ehemaliger Polizist – nicht zulassen, da mehr Gefühl, mehr Sensibilität zeigen, denn das ist ein Schlag und ein Tritt ins Gesicht jeder Polizistin und jedes Polizisten, die/der täglich ihr/sein Leben riskiert und gute Arbeit leistet. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.50


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.50.45

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nach diesem vehement vorgetragenen Lausch-Angriff auf die Koalition möchte ich festhalten - - (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter, wir haben uns einmal darauf geei­nigt, dass wir mit Namen von Mandataren keine Spielchen machen. Das gilt für alle Par­teien, und ich bitte, das auch ernst zu nehmen. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (fortsetzend): Nach diesem vehement vorgetra­genen Angriff von Kollegen Lausch möchte ich festhalten: Ja, wir wollen dieses Projekt allen Ernstes umsetzen – selbstverständlich wollen wir das! (Ruf bei der FPÖ: Sie vor allem! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Warum? – Weil es um Vertrauen in die Ein­richtung der Polizei geht und weil wir in Österreich jene schrecklichen Bilder, die uns gerade über die Medien aus Serbien hereingespielt werden und seit Wochen aus den Vereinigten Staaten erreichen, nicht haben wollen. (Abg. Ries: Das ist aber alles nicht Österreich!)

Warum haben wir diese Bilder bis jetzt nicht? – Das ist ein Ergebnis von jahrzehntelan­ger Menschenrechtsarbeit, an der nicht nur Kollegin Krisper, sondern auch viele andere beteiligt waren. Der Sicherheitssprecher der ÖVP (in Richtung Abg. Mahrer) nickt und weiß, wovon die Rede ist. Im Jahr 2000 wurde der Menschenrechtsbeirat im Bundesmi­nisterium für Inneres gegründet und hat seither viele, viele Einsätze der Polizei multipro­fessionell beobachtet und mit der Polizei diskutiert. Jetzt wollen wir mit der Schaffung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 124

einer unabhängigen Beschwerde- und Untersuchungsstelle für Misshandlungsvorwürfe einen Schritt weitergehen, weil das Vertrauen in die Einrichtung Polizei gesteigert wer­den soll, weil diese Polizei erst dann wirklich perfekt funktioniert, wenn jeder – aus­nahmslos jeder – Mensch das Vertrauen haben kann, dass er von dieser Polizei zu jeder Zeit an jedem Ort respektvoll und anständig behandelt wird und dass Fehler oder über­schießende Gewalt bei Einsätzen rasch und unabhängig aufgeklärt werden und im Ernstfall auch zu Konsequenzen führen.

Darum geht es bei diesem Projekt – nicht, wie Kollege Lausch meint, um eine Vorverur­teilung, sondern darum, dass jeder einzelne Beamte, jede Beamtin dieser Polizei weiß: Wenn ich mich anstrenge, die Regeln einzuhalten, wenn ich alles dafür tue, Menschen anständig zu behandeln (Zwischenruf des Abg. Lausch), und dann einer von möglicher­weise 100 oder 200 über die Stränge schlägt und die ganze Truppe in Verruf bringt, wird das in Zukunft Konsequenzen haben, sodass ich nicht das Gefühl habe, der Dodel zu sein, der sich an die Regeln hält – denn das ist anstrengend –, sondern weiß, dass ich auf der richtigen Seite bin. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Dr. Stephanie Krisper. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


15.54.04

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr ge­ehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Minister! Die Verfahren, in denen Fälle mutmaßli­cher Polizeigewalt aufgearbeitet werden, gehören verbessert. Warum? – Weil es im Interesse aller ist: der Betroffenen, der Polizei und der Bevölkerung insgesamt. Wir wis­sen, wie schwierig, herausfordernd und verantwortungsvoll die Arbeit der Polizei ist. Wir haben grundsätzlich sehr großes Vertrauen in die Integrität der österreichischen Polizis­tinnen und Polizisten. Wir kennen auch die teils widrigen und schwierigen Umstände, unter denen sie arbeiten müssen.

An dieser Stelle möchte ich mich demnach ausdrücklich bei allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bedanken, insbesondere auch bei jenen, die letzte Woche in Favoriten einen schwierigen Job hatten und diesen zum Großteil sehr deeskalierend und profes­sionell umgesetzt haben. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Über die relativ wenigen Fälle, in denen es zu unverhältnismäßiger oder unrechtmäßiger Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt kommt, müssen wir aber reden. Warum? – Auf jeden Fall einmal wegen der Betroffenen selbst. Sie haben ein Recht auf ein faires und effizientes Beschwerdeverfahren. Für echte Opfer ist die Feststellung von Unrecht immens wichtig, auch deshalb – das habe ich bei Opfern von Polizeigewalt erfahren müssen –, weil sonst ihr Vertrauen in den Rechtsstaat insgesamt grundsätzlich erschüt­tert ist, und das kann dann oft nicht mehr gutgemacht werden.

Ein unabhängiges, effizientes Verfahren dient aber auch der Polizei selbst, weil es dem Ansehen der Exekutive dient. Ein solches Verfahren würde zeigen, dass auch die öster­reichische Polizei in der Ära der modernen Fehlerkultur angekommen ist. Im jetzigen, leider noch gegenteiligen Fall leidet der Ruf aller redlichen Polizistinnen und Polizisten. Von den von der Zahl her überschaubaren kritischen Polizeieinsätzen mit überschießen­der Gewaltanwendung werden jährlich einige medial bekannt, die dann diskutiert wer­den, und die Bevölkerung merkt, dass es in diesen Fällen zu keinen oder keinen adäqua­ten Konsequenzen kommt. Ich glaube, deswegen gibt es bei jedem neuen Fall, der me­dial bekannt und diskutiert wird, wieder derartige Emotionen in beide Richtungen, die niemandem guttun.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 125

Die Bevölkerung muss auf den guten Ruf der Polizei vertrauen können, damit sie sicher sein kann, dass es in den Einzelfällen von überzogener und ungerechtfertigter Polizeige­walt entsprechende Konsequenzen nach den gesetzlichen Bestimmungen gibt. Wir un­terstützen daher die Entschließung, die die Regierungsparteien quasi an sich selbst richten. Am Ende wird das zählen, was bei dem Prozess konkret herauskommt – Stich­wort eine wirklich effiziente, unabhängige Ermittlungseinheit vor Ort. In diesem Sinne gilt es keine Zeit zu verlieren und rasch in die Gänge zu kommen. – Vielen Dank, wenn Sie das tun, Herr Minister! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Schatz.)

15.57


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Michael Schned­litz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


15.57.08

Abgeordneter Michael Schnedlitz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ich wollte mich eigentlich nicht zu Wort melden, aber es ist unfassbar, dass Sie hier herauskommen und behaupten, Sie würden das wegen des Vertrauens machen. Sie machen diesen Schritt nur deshalb, weil Sie Misstrauen in unsere Polizei, in unsere Polizistinnen und Polizisten haben – und das gerade in dieser schweren Zeit, die die Polizisten und Polizistinnen durchmachen! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie stellen einen Misstrauensantrag – das hat Kollege Lausch bereits richtig festgehalten (Ruf bei der ÖVP: Falsch!) – gegenüber Ihren eigenen Leuten, Ihren eigenen Polizistin­nen und Polizisten. Ich sage Ihnen eines: Es gibt in Ihrer Mannschaft viele, die wissen, wer den einzigen Misstrauensantrag im Innenministerium verdient hat – das sind Sie, Herr Minister, weil Sie als Chef jetzt so reagieren. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lausch: Schande! Schämen Sie sich!)

Ich bin kein Freund dessen, dass jemand einem anderen Klientelpolitik vorwirft, aber es ist ja relativ leicht durchschaubar, warum man so einen Antrag einbringt: Es ist nicht Ihrer Klientelpolitik geschuldet, sondern jener Ihres Koalitionspartners, der Grünen. Ihr seid nämlich diejenigen, die jetzt den Applaus von jenen ernten, mit denen ihr gemeinsam bei Demonstrationen steht, bei denen Polizisten zuerst provoziert und dann auch immer wieder attackiert werden. (Abg. Lausch: So ist es! Das werdet ihr den Polizisten erklären müssen, dass ihr für nichts mehr steht!) Ihr seid, wie wir gestern gehört haben, selbst bei den Demonstrationen dabei, bei denen Gewalt gegen unsere Polizei ausgeübt wird.

Was machen Sie als Minister? – Sie spielen dieses Spiel mit! (Beifall bei der FPÖ.) Sie opfern Ihre eigenen Leute, Ihre eigenen Männer und Frauen, auf dem Altar der Partei­politik! Na gute Nacht! Gratuliere!

Sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Polizistinnen und Polizisten, ich ent­schuldige mich als Politiker dafür, weil ich mich sogar schäme, dass ich heute hier an dieser Debatte teilnehmen muss (Ruf bei den Grünen: Na geh, bitte!), in der so etwas beschlossen wird! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Lausch: : ... bei so einem Innenminis­ter! – Abg. Hörl: Das war Kickl für Arme! – Abg. Lausch: Schämt euch! Abg. Zanger: Schande! – Abg. Hörl: Richtig entwürdigend! Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

15.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Corinna Schar­zenberger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


15.59.29

Abgeordnete Mag. Corinna Scharzenberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Bei all den von meinen Vorrednern genannten Punkten dürfen wir das Wichtigste nicht aus den Augen verlieren:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 126

Unser Ziel muss es sein, dass Österreich ein freies und sicheres Land bleibt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dafür sorgt in erster Linie unsere Polizei, indem sie unseren Rechtsstaat und die Men­schenrechte schützt und verteidigt. Unsere Polizei versteht sich selbst als Menschen­rechtsorganisation, und auch in der Aus- und Fortbildung unserer Polizistinnen und Poli­zisten hat sich im letzten Jahrzehnt viel getan.

In diesem Zusammenhang erscheint es mir nicht unerheblich, die Bewusstseinsinitiative Polizei.Macht.Menschen.Rechte zu erwähnen. (Beifall bei der ÖVP und Abgeordneten der Grünen.)

Um unsere Sicherheit und um die Wahrung unserer Menschenrechte zu gewährleisten, zahlen Polizistinnen und Polizisten einen hohen Preis. Wir haben es heute schon gehört: Jährlich werden 1 000 Polizisten bei Gewaltattacken verletzt; und die Gewaltbereitschaft gegenüber der Polizei steigt (Abg. Lausch: Durch Ihren Antrag noch mehr!), das haben wir beim G20-Gipfel in Hamburg gesehen, das haben wir kürzlich in Stuttgart gesehen und das haben wir jetzt auch in Österreich in Favoriten gesehen. (Abg. Schnedlitz: Jetzt trauen sich die Polizisten nicht ...!) Dort ist es nur dank des engagierten Einsatzes unse­rer Polizistinnen und Polizisten gelungen, Gewalt zu unterbinden und die Täter zu identi­fizieren. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Eines möchte ich schon auch in aller Deutlichkeit sagen: Das heißt nicht, dass es nicht vonseiten einzelner Polizisten Fehlverhalten gibt (Abg. Lausch: ... der Herr Bundesmi­nister meint das auch!) – die 35 000 Beamtinnen und Beamten müssen im Einsatz bei Gefahr für Leib und Leben oft binnen Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen (Abg. Zanger: ... ruhig stellen ... oder was?!) , und um genau diese Einzelfälle an Fehlverhal­ten auszuforschen, aufzuzeigen und auch zu sanktionieren, soll diese unabhängige Be­schwerde- und Untersuchungsstelle geschaffen werden. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch unser Regierungsprogramm sieht in diesem Bereich vor, durch eine multiprofes­sionelle Zusammenarbeit unabhängige Aufklärung sicherzustellen und Lernprozesse aus allen eingelangten Beschwerden einzuleiten, damit nicht Anschuldigungen gegen einzelne Polizisten im Raum stehen, Herr Kollege Lausch und Herr Kollege Schnedlitz, die dann auf dem Rücken der gesamten Polizei lasten. (Abg. Schnedlitz: ... das ist ja unfassbar!) Diese Anschuldigungen führen auch dazu, dass Medienberichte, Aktivisten, aber auch manche Politiker (Abg. Schnedlitz: ... Anschuldigungen ...!) die Polizei unter Generalverdacht stellen. Und diesen Generalverdacht müssen wir entkräften (Abg. Lausch: Nein, den befeuern Sie! Abg. Belakowitsch: ... das ist unglaublich! Abg. Kassegger: ... von NGOs geleitet!), und wir müssen auch für jene Menschen in Öster­reich, die kein Vertrauen in unsere Polizei und in unseren Rechtsstaat haben, dieses Vertrauen herstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Zwi­schenruf des Abg. Lausch.)

Dazu ist eben diese unabhängige Kontrolle und rasche Aufklärung von Anschuldigungen gegen Polizisten notwendig. Sie befindet sich bereits in Entwicklung und wir werden sie gemeinsam mit unserem Koalitionspartner umsetzen, denn das Wichtigste ist, dass un­sere Polizistinnen und Polizisten in Zukunft weiter ihre Arbeit machen können und den Schutz der Menschenrechte und des Rechtsstaates sicherstellen. So, und nur so, kön­nen sie die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung auch gewährleisten. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen und des Abg. Scherak.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Schatz. – Bitte.


16.03.08

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bun­desministerin! Ja, es gibt sie, Misshandlungsvorwürfe aufgrund von Diskriminierung,


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Rassismus, Misshandlung und Gewalt durch Polizistinnen und Polizisten. Ja – und das haben wir auch schon gehört –, es sind relativ wenige Fälle überschießender Gewaltan­wendung, aber wir müssen jeden einzelnen Vorfall, jeden einzelnen Vorwurf ernst neh­men, aufklären und konkrete Maßnahmen setzen, auch und vor allem um dem Ansehen des wirklich allergrößten Anteils der Polizistinnen und Polizisten in diesem Land, die je­den Tag wertvolle Arbeit leisten, nicht zu schaden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir begrüßen deshalb das Ansinnen, hier eine Beschwerde- und Untersuchungsstelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu schaffen. Betroffene müssen die Möglichkeit haben, ihre Beschwerden vorzubringen, Probleme müssen aufgezeigt und angepackt werden, und jedem einzelnen Misshandlungsvorwurf muss konsequent nachgegangen werden. (Abg. Lausch: Österreich ist ein Rechts­staat ...! Abg. Belakowitsch: Vernadern und bespitzeln!) Und das, Herr Kollege Lausch, ist genau das Gegenteil von einer Pauschalverurteilung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Vertrauen in unsere Exekutive, in unsere Polizei muss dadurch gestärkt werden, dass die mit diesem Beruf verbundene Autorität nicht missbraucht wird und nicht der Eindruck entstehen könnte, dass Vorfälle keine Konse­quenzen haben.

Herr Innenminister, Sie haben im Ausschuss angekündigt, dass Sie diese Beschwerde­stelle beim BAK ansiedeln wollen. Wir haben da auch schon angemerkt, dass wir damit nicht unbedingt zufrieden sind, da es eine unabhängige Stelle sein soll. Echte Unab­hängigkeit besteht unserer Meinung nach nur dann, wenn außerhalb des Innenminis­teriums eine Stelle geschaffen wird, bei der diese Misshandlungsvorfälle wirklich konse­quent aufgearbeitet werden. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Ab­geordneten der Grünen.)

16.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

16.05.16Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 11 bis 13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmun­gen über die Berichte des Ausschusses für Menschenrechte, die ich über jeden Tages­ordnungspunkt getrennt vornehmen darf.

Ich frage die Klubs, ob wir schon beginnen können. – Sehr gut, dann können wir an­fangen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: die dem Ausschussbe­richt 246 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „illegalen Organhan­del in China“.

Wer dafür ist, den bitte ich, ein Zeichen zu geben. – Das ist einstimmig. (87/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verletzung der Grund- und Freiheitsrechte von in Hongkong aufhältigen Menschen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: die dem Ausschuss­bericht 247 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels“. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. (88/E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 128

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: die dem Ausschussbe­richt 248 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Schaffung einer un­abhängigen Beschwerde- und Untersuchungsstelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (89/E)

16.06.4714. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvor­lage (233 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird (256 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvor­lage (236 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 ge­ändert wird (257 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister für Inneres und verabschiede ihn und begrüße die Frau Bundesministerin für Landwirtschaft.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.


16.07.27

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich möchte zu allererst auf die Änderung des Futtermittelgesetzes 1999 eingehen. Die vollständige Digitalisierung von Kontrollabläufen im Bereich der Futtermittelkontrolle ist aus unserer Sicht sehr begrüßenswert. Dies garantiert einen effizienten Informationsaustausch im Rahmen der Überprüfung und senkt die Fehlerquoten in diesem Bereich, die da oftmals durch die Eingabe von verschiedenen Datenbereichen zustande gekommen sind. Das berichtet auch der EU-Auditbericht aus dem Jahr 2018. – Ein Ja also zur Digitalisierung, wo sie notwendig ist und wo sie für alle zum Ziel führt. Daher werden wir diesem Geset­zesantrag auch zustimmen.

Bei der Regierungsvorlage zur Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 ist die Haltung der Sozialdemokratie durchaus kritischer. Diese Änderung ist zwar notwendig, da das Gesetz – es handelt sich dabei um Grundsatzgesetzgebung des Bundes im Be­reich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln – mit dem Verfassungspaket 2019 ge­strichen wurde, für mich und meine Fraktion ist es aber unverständlich, dass in diese Novelle nicht zugleich auch das Totalverbot für Glyphosat eingearbeitet wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Das Totalherbizid Glyphosat ist im mensch­lichen Körper nachweisbar, es schädigt ganze Ökosysteme, es schädigt unsere Umwelt nachhaltig, es ist in der Muttermilch nachweisbar, es ist wahrscheinlich, so meint die WHO, krebserregend. Das ist nur die Spitze des Eisbergs! Seit dem Jahr 2013, seit ich hier im Hohen Haus Abgeordnete sein darf, kämpfe ich für ein Verbot dieses Totalherbi­zides. Auf Bestreben der Sozialdemokratie wurde bereits zweimal ein positiver Be­schluss hier im Hohen Haus erzielt, um Glyphosat in Österreich zu verbieten, doch weder die Übergangsregierung Bierlein noch die aktuelle Bundesregierung haben die aufrech­ten Beschlüsse vollzogen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 129

Da der Druck der SPÖ in den letzten Wochen und Monaten immer stärker wurde – die Frau Ministerin hätte dieses Gesetz und diesen Beschluss schon lange zur Notifizierung nach Brüssel schicken müssen, was sie aber nicht gemacht hat –, mussten Sie, Herr Nationalratspräsident Sobotka, in die Bresche springen und diesen Beschluss nach Brüssel schicken.

Jetzt sind wir in folgender Lage: Die Notifizierungsfrist endet am 19. August, und ich bin fest davon überzeugt, dass Brüssel eine positive Stellungnahme abgeben wird und Ös­terreich mit Luxemburg gleichzieht. Dort darf man nämlich Glyphosat seit dem 1.7. nicht mehr verkaufen. Das ist gut so und das soll auch in unserem Land das Ziel sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie heute mit uns mitziehen, dann kann das Glyphosatverbot nach dem Fristenab­lauf sofort im Bundesrat beschlossen werden, und deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Aus­schussbericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvor­lage (236 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird, 257 d.B.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Nach Ziffer 27 werden folgende Ziffern 28 und 29 angefügt:

„28. § 17 Abs. 5 entfällt.

29. § 18 Abs. 10 lautet:

„(10) Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.““ (Abg. Leichtfried: Bravo!)

*****

Im Sinne der Gesundheit der Menschen in unserem Land bitte ich Sie, unserem Antrag Folge zu leisten, denn ich glaube, es ist höchste Zeit, dieses Totalherbizid in Österreich nicht mehr auf den Tellern vorzufinden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leicht­fried: Jetzt bin ich froh, dass die Grünen wieder da sind, jetzt gibt es eine Mehrheit ...!)

16.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Julia Herr,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend den Ausschussbericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (236 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutz­mittelgesetz 2011 geändert wird, 257 d.B.

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 130

Nach Ziffer 27 werden folgende Ziffern 28 und 29 angefügt:

„28. § 17 Abs. 5 entfällt.

29. § 18 Abs. 10 lautet:

„(10) Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.““

Begründung

Der Präsident des Nationalrats übermittelte der Europäischen Kommission am 19.5.2020 eine gleichlautende Novelle zum Pflanzenschutzmittelgesetz samt Begründung zur Noti­fizierung.

Um zu erreichen, dass das Verbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln mit dem laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wahrscheinlich krebserregenden Wirk­stoff Glyphosat so rasch als möglich nach Ablauf der dreimonatigen Notifizierungsfrist erreicht werden kann, soll bereits mit heutigem Tag der Nationalratsbeschluss erfolgen, so dass der Bundesrat sofort nach Ablauf der Notifizierungsfrist seinen Beschluss fassen kann.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Prinz. – Bitte.


16.11.52

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich darf zum Pflanzenschutzmittelgesetz Stellung nehmen. Das Pflanzenschutzmittelgesetz beinhaltet in erster Linie Kompetenzbereinigungen und eini­ge EU-Verordnungen, beispielsweise betreffend die Zulassung. Es gibt eine europaweite Zulassung, es muss in den einzelnen Ländern eine entsprechende Zulassung bestehen. Es gibt eigentlich für die Inverkehrbringung nur mehr die Länder als Kompetenzstelle, auf der anderen Seite ist in Österreich für die Zulassung natürlich der Bund zuständig. Inhaltlich verändert sich dadurch aber betreffend den Einsatz und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht wirklich etwas, es geht einfach um notwendige Anpassun­gen. (Abg. Leichtfried: Es ändert sich schon was!)

So gesehen war es ja auch nicht verwunderlich, dass wir uns im Ausschuss am 25. Juni im Wesentlichen mit der Thematik Glyphosat beschäftigt haben. Ich will einfach versu­chen, auch wenn ich weiß, dass es nicht bei allen ankommen wird, zumindest nicht bei der SPÖ, zu erklären, wo man in Österreich noch Glyphosat in der Landwirtschaft verwen­det oder warum wir es in einem Bereich brauchen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Dazu muss man im Vorfeld wissen, wenn man die Veränderungen in der Landwirtschaft in den letzten 30 Jahren betrachtet, dass sehr viele bäuerliche Familien auf ihren Acker­flächen Winterbegrünung betreiben. Das hat es vor 40, 50 Jahren im Verhältnis nicht gegeben, das hat man vorwiegend mit dem EU-Beitritt eingeführt. Es geht um die The­matik der Düngerauswaschung, also Nitrat, dass Dünger, wertvoller Dünger weiter in den Boden geht und irgendwann vielleicht ins Grundwasser kommt. Mit einer Winterbe­grünung mit Zwischenfrüchten bindet man diese Düngemittel, sprich das Nitrat, den Stickstoffdünger. (Abg. Leichtfried: ... nicht mehr ausbringen, wäre auch eine Idee, oder?!) – Langsam, Herr Leichtfried, du kennst dich da nicht aus! Herr Kollege, es ist gescheiter, du bist vielleicht ruhig und redest da nicht mit, sondern hörst einfach zu, wenn


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 131

ich die Empfehlung aussprechen darf, auch wenn es für einen Klubobmannstellvertreter vielleicht ein bisschen hart ist, wenn man ihm das sagt! (Abg. Matznetter: Das wären dann biologische ...! – Abg. Leichtfried: Schau dich einmal um in der Südsteiermark, wie das ausschaut ...!)

Dazu kommt, dass man im Sinne einer Minimalbodenbearbeitung hergegangen ist und versucht, Zwischenfrüchte anzubauen, die nach Möglichkeit durch den Frost im Winter abfrosten. Das heißt, man hat die gute Wirkung gegen das Auswaschen von Nitrat ins Grundwasser, gleichzeitig hat man im Frühjahr – wenn die Zwischenfrucht abgefrostet ist und man dann zum Beispiel eine Direktsaat oder eine Mulchsaat macht, egal, ob das Mais ist, Sojabohne, Zuckerrübe oder was auch immer – eine entsprechende Boden­struktur und bei Niederschlägen gibt es kein Auswaschen beziehungsweise kein Ab­schwemmen. Damit verhindern wir viele Erosionsschäden und Probleme in der Landwirt­schaft.

Wenn der Winter mild ist und die Zwischenfrüchte nicht abfrosten, dann wird das Un­krautbekämpfungsmittel Roundup eingesetzt, wo der Wirkstoff Glyphosat drinnen ist, damit man diese Zwischenfrüchte sozusagen spritzt, und dann sterben sie ab. Das hat mit einer anderen Verwendung – was allerweil wieder in den Raum gestellt wird, die sogenannte Sikkation, heißt: Einsatz von Glyphosat kurz vor dem Abernten, beispiels­weise von Getreide – überhaupt nichts zu tun. (Abg. Cornelia Ecker: Lesen Sie die Be­richte! Wird noch immer gemacht!)

Nur so viel, damit die SPÖ das vielleicht auch versteht: Bei uns ist auch die Zulassung verboten, nicht nur die Verwendung, auch die Zulassung zur Sikkation ist verboten, aber man braucht es sinnvollerweise noch bei der Direktsaat, wenn man an eine Hanglage und Zwischenfrüchte denkt. Dort macht es Sinn, und es gibt derzeit auch keine Ersatz­produkte, damit wir diese Erosionsschäden vermeiden können. Das ist der einzige Be­reich, in dem wir es in der Landwirtschaft brauchen.

Wenn man sich auf der anderen Seite anschaut, wo Glyphosat wirklich eingesetzt wor­den ist, in Mengen, die nicht gescheit waren, dann sieht man, das sind vor allem Haus­gärten, bei den ÖBB und in solchen Bereichen. Die Bauern können es sich in Wirklichkeit gar nicht leisten, dass sie so teure Spritzmittel in Mengen einsetzen, die nichts bringen. (Abg. Matznetter: Daher verbieten ...! – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Daher, bitte gar schön: Darüber ein bisschen nachdenken, wo man es tatsächlich braucht, und nicht nur hineinplärren! (Beifall bei der ÖVP.)

Ein bisschen eine Gelassenheit darf man vielleicht haben, und es schadet manchmal nicht, wenn man darüber nachdenkt.

Wenn wir schon beim Thema Landwirtschaft sind: Der Weg von der Pflanzen- und Fut­termittelproduktion zu den Lebensmitteln ist ja nicht weit. Man hat in der Zeit, vor einigen Monaten, als Corona intensiv war, auf einmal eine gewisse Wertschätzung gegenüber der Landwirtschaft gespürt, die einfach systemerhaltend ist und die Lebensmittel produ­ziert. Davon sind wir mittlerweile wieder weit weg, und es ist viel Bewusstseinsarbeit in die Richtung notwendig, wenn man an Lebensmittel denkt, regional, saisonal und hei­misch zu kaufen.

Es ist nicht lustig für die österreichische Landwirtschaft, wenn es Handelsketten gibt, die beispielsweise tschechische Milch in Deutschland verarbeiten lassen und die Butter dann in Österreich verkaufen – und man suggeriert, das wäre eh etwas Regionales, noch dazu zu Preisen, die eigentlich Spott und Hohn sind. Hie und da wäre es nicht schlecht, wenn wir darüber nachdächten, was der Wert der Lebensmittel ist, aber wenn wir mehr in Richtung saisonal, regional und heimisch kaufen denken, dann, glaube ich, ist das schon viel wert.

Was die Landwirtschaft in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen wird, sind die Aus­wirkungen dessen, wie es in der Gemeinsamen Agrarpolitik weitergeht, also wenn man


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 132

an die GAP denkt. Persönlich habe ich nicht wirklich Verständnis dafür, dass man inner­halb der EU über Flächenstilllegung nachdenkt. Viel sinnvoller wäre es, wenn wir auf diesen Flächen zum Beispiel Soja anbauen, Eiweißfutter in Europa produzieren, das wir in Wirklichkeit eh brauchen.

Wir dürfen durchaus kritisch darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, eine Verpflichtung zur biologischen Landwirtschaft von 25 Prozent der Flächen zu machen. Was heißt denn das in Wirklichkeit? – Dass biologische Produkte, die derzeit am Markt sind, wesentlich unter Preisdruck kommen, wenn man verpflichtend sagt: 25 Prozent Bioprodukte; wenn man gleichzeitig weiß, dass der Absatz 5, 6 Prozent ausmacht. Man sollte also innerhalb Europas nachdenken, ob das wirklich gescheit ist, wenn man an diese Dinge denkt.

Auf der anderen Seite muss man auch schauen, welche nationalen Akzente man in die­sem Bereich setzen kann. Persönlich bin ich aber schon froh, dass es ein klares Be­kenntnis dieser Bundesregierung gibt, wenn man sich das Regierungsprogramm an­schaut, dass man versuchen wird, jeden Euro, den man in Brüssel abholen kann, auch abzuholen, und wenn es – unter Anführungszeichen – „Verwerfungen“ gibt oder Dinge fehlen, dass man sich bemüht, das auch national auszugleichen – denn diese Gelder, die die bäuerlichen Familien da kriegen, sind nichts anderes als ein Ersatz für Leistun­gen, die wir für die Gesellschaft bringen.

Oder sagen wir es einmal ganz direkt: Dass es so billige Konsumentenpreise für die Lebensmittel gibt, hängt unmittelbar damit zusammen, dass diese öffentlichen Zahlun­gen ein gewisser Ausgleich für die Landwirtschaft sind, denn hätten wir gerechtere Pro­duktpreise, müssten die Lebensmittel wesentlich mehr kosten. (Abg. Vogl: Hätten wir einen g’scheiden ÖVP ... gehabt ...!)

Wenn wir durchschnittlich 10 Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel verwenden, dann, glaube ich, dürfen wir darüber nachdenken, ob es da nicht gewisse Potenziale in Richtung Zukunft gibt. So gesehen würde manchmal, egal, ob es jetzt um den Pflanzen­schutz oder um andere Dinge geht, etwas mehr Sachlichkeit in der Diskussion der bäuer­lichen Landwirtschaft und mehr Wertschätzung gegenüber den bäuerlichen Familien guttun. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Greiner.)

16.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Abgeordnete Ecker zu Wort gemeldet. – Sie kennen die Bedingungen für die tatsächli­che Berichtigung, Frau Abgeordnete.


16.19.28

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Abgeordneter Nikolaus Prinz hat in seiner Rede behauptet, dass Sikkation in der konventionellen Landwirtschaft nicht stattfindet.

Das ist unrichtig, und das wissen wir auch! (Abg. Prinz: In Österreich!) – In Österreich, genau. Das ist nicht richtig, Herr Kollege Prinz. Wir wissen aus der Machbarkeitsstudie Glyphosat, dass Glyphosat am Ende der Ernte verwendet wird. Dass man es nicht braucht, zeigt die biologische Landwirtschaft, da funktioniert es auch.

Es ist auch nicht richtig, wie Sie behauptet haben, Herr Kollege Prinz, dass Kolleginnen und Kollegen aus der Sozialdemokratie mit dieser Thematik nicht vertraut sind, dass wir uns nicht auskennen. Das stimmt nicht. Wir beschäftigen uns sehr intensiv damit. – Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der zweite Absatz war ein Statement und keine tatsächliche Berichtigung; die muss natürlich auch richtig sein. (Abg. Matznetter: Lieber intensive Beschäftigung mit Glyphosat ...!)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kainz. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 133

16.20.26

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher! Pflanzengesundheit ist uns sehr wichtig, denn fast 80 Prozent unserer Lebensmittel stammen von Pflanzen. Aufgrund des globalen Handels besteht aber leider immer öfter die Gefahr, dass gefährliche Pflan­zenschädlinge auch in Österreich verbreitet werden, wodurch die Pflanzengesundheit in Gefahr gerät. Aufgrund einer Kompetenzbereinigung Anfang des Jahres ist die Kompe­tenz in Bezug auf den Pflanzenschutz vom Bund in die allgemeine Zuständigkeit der Länder gefallen. Dies und die Tatsache, dass einige EU-Verordnungen in den Bereichen Lebens- und Futtermittelrecht, Tiergesundheit, Tierschutz sowie Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel in Kraft getreten sind, machen eine Novelle des Pflanzen­schutzmittelgesetzes 2011 notwendig. Die Novelle ist rein technischer Natur, dennoch möchte ich auf die Wichtigkeit des Inhaltes eingehen.

Meine Damen und Herren! Die Pflanzengesundheit ist nicht nur für die Pflanzenerzeu­gung, sondern auch für die Wälder, natürliche Flächen wie Kulturflächen, für das Öko­system und die biologische Vielfalt von großer Bedeutung. Wir haben in diesem Bereich in Österreich bereits sehr hohe Standards, und das ist sehr gut so. (Beifall bei der FPÖ.)

Dennoch denke ich, dass es sehr sinnvoll wäre, die Verwendung von Glyphosat in Öster­reich zu beschränken oder sogar gänzlich zu verbieten. (Abg. Leichtfried: Letzteres!) Glyphosat wird als weltweit meistgespritztes Unkrautmittel an Pflanzen angewendet, bleibt jedoch nicht dort. Es gelangt über Umwege in unseren Körper, beispielsweise durch den Verzehr von Pflanzen und Tieren. Zahlreiche Studien haben bereits belegt, dass Glyphosat eine Gefahr für unsere Gesundheit darstellt, und von der Weltgesund­heitsorganisation wurde das Mittel sogar als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. (Beifall des Abg. Vogl.) Mit einer Beschränkung beziehungsweise einem Verbot von Glyphosat könnte Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen und zeitgleich unsere Öster­reicherinnen und Österreicher vor diesem Gift schützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Gesundheit ist das oberste Gebot, daher sollten wir die Interessen der Konzerne hintan­stellen und zum Wohle unserer Bevölkerung agieren. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Vogl.)

16.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Vog­lauer. – Bitte.


16.23.26

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Spoštovana Visoka Hiša! Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ja, es geht um eine Novellierung, um eine Implementierung der EU-Kontrollverordnung beim Pflanzenschutzmittelgesetz und ge­nauso beim Futtermittelgesetz, und dem ist auch nichts zu entgegnen.

Natürlich freuen wir uns schon auf eine Rückmeldung der Europäischen Kommission, die besagen würde, dass Glyphosat auch in Österreich verboten ist. Jetzt gilt es, abzu­warten, und ja, wahrscheinlich wird es im November so weit sein, dass wir wissen, wie wir hier weitertun können. (Abg. Leichtfried: Die Europäische Kommission wird das nicht entscheiden, das entscheidet der Europäische Gerichtshof!) – Sie haben recht, Herr Kollege Leichtfried, es entscheidet der Europäische Gerichtshof.

Es ist aber schon auch wichtig, wenn wir über Futtermittel reden, dass wir uns überlegen, wie wir es in Österreich langfristig schaffen, weg von der Gentechnik hin zu einer Eiweiß­versorgung bei Futtermitteln zu kommen, die rein aus Österreich beziehungsweise aus dem europäischen Raum kommt. Das wird zukünftig ein wichtiges Thema sein. Es wird für uns wichtig sein, an der Eiweißstrategie weiterzuarbeiten, hier heimische Eiweiß­früchte anzubauen. – Das haben wir uns ja auch so ins Regierungsübereinkommen hi­neingeschrieben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 134

Es ist nebenbei, wenn wir über Pflanzenschutzmittel reden, genauso wichtig, zu überle­gen, welche Sorten wir züchten, was wir in Österreich anbauen, wie wir allein durch die Züchtung dorthin kommen, dass wir weniger Pestizide brauchen. Auch dazu findet sich ein klares Bekenntnis im Regierungsübereinkommen, nämlich dass wir heimische Saat­züchtungsunternehmen unterstützen und auch die Entwicklung von samenfesten Sorten weiter vorantreiben.

Lassen Sie mich noch einmal darauf hinweisen, dass die Gentechnikfreiheit ganz we­sentlich sein wird! Wir haben eine große Diskussion in unserer Gesellschaft zur Her­kunftskennzeichnung bei unseren Lebensmitteln, und wer ein gutes Lebensmittel zu sich nimmt, weiß, wie wichtig alle vorgelagerten Bereiche sind. Das heißt: Wo lebt und wie wird das Tier behandelt, das letztendlich zu Fleisch weiterverarbeitet wird? Was hat die­ses Tier zu sich genommen? Wie werden bei uns Futterbau, Gemüsebau gestaltet? – Diese Herkunftskennzeichnung bedingt gleichzeitig, dass wir uns gut überlegen, wie wir zukünftig auf unseren Markt solcherart einwirken können, dass wir einwandfreie heimi­sche Futtermittel produzieren, somit gute Lebensmittel und letztendlich dadurch auch eine Pestizidreduktion erreichen.

Es gibt eine Form der Landwirtschaft, die ohne Pestizide auskommt und gentechnikfrei produziert, das ist die biologische Landwirtschaft.

Ich denke, es soll ein Fünfparteienzusammenschluss sein, wenn wir sagen, die Zukunft liegt in der biologischen, nachhaltigen und umweltschonenden Landwirtschaft, die gleich­zeitig auch unser Klima schont. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeord­neten Strasser und Prinz.)

16.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Köstinger. (Ruf: Frau Ministerin!) Frau Ministerin! – Bitte, das Wort steht bei dir.


16.26.38

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Vielen Dank, Herr Präsident! Ich erinnere mich natürlich immer sehr gerne an die Zeit als Abgeordnete dieses Hohen Hauses zurück. (Abg. Lausch: Ich glaub, das war Ab­sicht!)

Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Neben der durchaus sehr interessanten Debatte quer durch den Gemüseacker darf ich vielleicht trotzdem kurz auf die Details der beiden Novellen, die heute beschlossen werden, eingehen.

Die erste Novelle betrifft das Futtermittelgesetz: Bisher stehen ja für die Durchführung der amtlichen Kontrollen von Futtermitteln und für die Übermittlung von Probenahmeda­ten an die Ages nur Papierformulare zur Verfügung, das ist bei Weitem nicht mehr zeitgemäß. In Zukunft soll anstelle der papiermäßigen Kontrollabwicklung ein vollständig EDV-unterstütztes System treten. Die Digitalisierung der Futtermittelkontrolle moderni­siert die Abwicklung und vor allem auch die Dokumentation der amtlichen Kontrolle und ist vor allem auch für die Durchführung der Kontrolle der AMA eine wichtige Ergänzung. Durch die Umstellung auf digitale Systeme erfolgt in einem weiteren Bereich die Um­setzung der Digitalisierungsstrategie der österreichischen Bundesregierung.

Darüber hinaus erfasst die sogenannte EU-Kontrollverordnung auch den Bereich Futter­mittel, der gemäß Futtermittelgesetz einerseits durch das Bundesamt für Ernährungssi­cherheit und andererseits durch den jeweils zuständigen Landeshauptmann überwacht wird. Aus diesem Grund müssen nun im Futtermittelgesetz die entsprechenden Begleit­vorschriften verankert werden, die vor allem auch die Durchführung und die Vollziehung der EU-Kontrollverordnung im Bereich der Überwachung der Vorschriften sicherstellen, zum einen für das Inverkehrbringen, aber eben auch zur Herstellung und Verfütterung von Futtermitteln.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 135

Diese Änderungen bedingen keine wesentlichen praktischen Änderungen für die Voll­zugs- und Überwachungstätigkeiten, sie sind aber deswegen wichtig, um in bewährter Art und Weise von der amtlichen Futtermittelkontrolle durchgeführt zu werden.

Die zweite Novelle umfasst das Pflanzenschutzmittelgesetz: Dazu ist zu sagen, dass die derzeitigen Bestimmungen als Grundsatzbestimmungen, die an die Länder gerichtet waren, nun auch formal gestrichen werden. Im Zusammenhang mit der bereits erwähn­ten EU-Kontrollverordnung müssen die im Pflanzenschutzmittelgesetz entsprechenden Begleitvorschriften verankert werden. Diese stellen die Durchführung und Vollziehung der Kontrollverordnung auch im Bereich der Überwachung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln sicher. Außerdem werden auch enthaltene Datenschutzbestimmungen an die geänderte Rechtslage durch das Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung angepasst.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich auf eine sehr breite Zustimmung und Unterstützung durch das Hohe Haus. (Beifall bei der ÖVP.)

16.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kühberger. – Bitte.


16.29.39

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin davon überzeugt, dass uns eine gesicherte Lebensmittelversorgung genauso wie die Klimaveränderung im 21. Jahrhundert noch sehr beschäftigen wird. Wir haben bei dieser Coronakrise gese­hen, wie wichtig eine gesicherte Lebensmittelversorgung ist. Vor allem haben wir auch gesehen, wie wichtig sichere und gesunde Lebensmittel sind. Diese Lebensmittelsicher­heit müssen wir auch zukünftig garantieren; es geht darum, dass der Endverbraucher gesunde Produkte erhält.

Neben den Bäuerinnen und Bauern, die in Österreich hochwertige Lebensmittel produ­zieren, haben wir eine strenge und vor allem genaue Lebensmittelkontrolle. Ich möchte die Ages erwähnen, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, aber auch das VIS, das Veterinärinformationssystem. Jetzt rede ich über die Regierungsvorlage zum neuen Futtermittelgesetz, mit der wir die EU-Kontroll-Verordnung umsetzen. Wie soll das mit den beiden funktionieren? – Die Ages, aber vor allem das VIS werden aus­gebaut, die Kontrollen werden digitalisiert. Sie arbeiten jetzt auch schon mit Tierdaten zur Tierseuchenprävention und zur Bekämpfung von Tierseuchen. Mit diesem Gesetz soll eine Schnittstelle zur Ages errichtet werden, damit man die Lebensmittelsicherheit noch weiter erhöhen und gesunde Lebensmittel garantieren kann. Das ist, glaube ich, besonders wichtig.

Rechtlich setzen wir das mit diesem Beschluss um, praktisch bedeutet das, dass man die Futtermittelkontrolle, die dort beheimatet ist, effizient umsetzen kann. Es wird, wie wir gehört haben, die Digitalisierung bei der Futtermittelkontrolle eingeführt, mit EDV-unterstützten Maßnahmen gearbeitet, damit man eine ordentliche Dokumentation ma­chen kann. Sollte es dann irgendwelche Probleme, Schäden geben, dann kann man das Ganze ordentlich nachverfolgen. Vor allem ist es wichtig, dass nicht noch größere wirtschaftliche Schäden daraus entstehen, oder auch in Sachen Tierwohl ist es wichtig, dass man schnell reagieren und natürlich auch die Gefahr für den Menschen miniminie­ren kann.

Ich glaube, es ist besonders wichtig, dass man im Lebensmittelsektor auch die neuen Technologien vernünftig nutzt, damit man vor allem die Herkunft oder auch die Waren­flüsse besser nachverfolgen kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.32



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 136

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Der nächste Streiter für das Glyphosatverbot – sehr gut!)


16.32.41

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Ich spre­che zum Gesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz geändert wird. Es geht dabei hauptsächlich um Anpassungen und Vereinfachungen im Pflanzenschutzmittelgesetz.

Im Ausschuss gibt es keine Diskussion zu Pflanzenschutzmitteln ohne große Diskussion zum Glyphosatverbot. Ja, dieser Wirkstoff ist umstritten. Kollege Prinz, es ist früher ohne Glyphosat gegangen, und zukünftig wird es auch ohne Glyphosat gehen müssen. Es stellt sich für mich die Frage, Herr Kollege: Warum haben, wenn es so ungefährlich ist, gerade Ihre Genossen, die Genossen der Molkereien, ihren Lieferanten den Einsatz von Glyphosat verboten? (Abg. Leichtfried: Dort gibt es auch schon Genossen? Das sind aber keine richtigen Genossen!)

In fast allen Ländern der EU ist der Einsatz von Glyphosat umstritten, und 2021 muss die Zulassung dieses Wirkstoffes von der EU verlängert werden. Da mehrere Länder, unter anderen auch Deutschland, einen Ausstieg bereits angekündigt haben, stellt sich für mich die Frage: Warum noch daran festhalten? Das Auslaufen ist wahrscheinlich.

Um die heimische Landwirtschaft vor Billigimporten von Produkten, welche mit Einsatz von Glyphosat hergestellt wurden, zu schützen, schlagen wir eine konsumentenfreundli­che und rasch umsetzbare Lösung vor: eine Glyphosatkennzeichnung. Eine solche Kennzeichnung ermöglicht es unseren heimischen Konsumenten, wenn sie es wollen, glyphosatfreie Lebensmittel zu kaufen. Noch nie war die Auswahl an Produkten aus verschiedenen Ländern so umfangreich wie heute und noch nie waren die Konsumenten so sensibilisiert für heimische, regionale Lebensmittel. Man ist daran interessiert, was man isst, und kocht gerne selbst.

Die heimischen Kunden wollen gesunde und regionale Lebensmittel. Gehen wir ihnen entgegen, ermöglichen wir ihnen eine gesunde Wahl beim Einkauf! Eine Kennzeichnung von Glyphosateinsatz auf der Verpackung würde den Konsumenten dabei unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Aus diesem Grunde bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Glypho­satkennzeichnung für Lebensmittel“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebens­mitteln zu entwickeln und diese einzuführen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Der ist nicht so schlecht, der Antrag! – Abg. Kassegger: Besser als eure!)

16.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 137

betreffend Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 15 den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (236 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (257 d.B.) in der 47. Sitzung des Natio­nalrates, am Donnerstag, 9. Juli 2020, in der XXVII GP

Glyphosat, der Wirkstoff von Roundup und einigen anderen Unkrautvernichtungsmitteln, ist weltweit das am häufigsten eingesetzte Herbizid. Es wurde wissenschaftlich bewie­sen, dass sich Rückstände vom Glyphosat nicht nur in Lebensmitteln, sondern auch im Körper von Menschen nachweisen lassen. Da im März 2015 die Agentur für Krebsfor­schung (IARG) erklärt hat, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist1, ist es sinn­voll, Lebensmittel, die unter Einsatz von Glyphosat produziert wurden, als solche zu kennzeichnen.

Das im Juli 2019 vom Nationalrat beschlossene Verbot des Unkrautvernichters Glypho­sat wurde von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nicht kundgemacht und wird somit nicht in Kraft treten. Grund dafür ist ein Formalfehler: Das Gesetz hätte der EU im Voraus zur Notifizierung übermittelt werden müssen, was aber nicht geschehen ist. Ende 2022 endet ohnehin die aktuelle Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene. Ein sofortiges Verbot von Glyphosat widerspricht zudem der EU-VO 1107/2009, welche das Inverkehr­bringen von Pflanzenschutzmittel regelt. Aus diesem Grund muss rasch eine neue, ge­setzeskonforme Lösung gefunden werden.

Eine konsumentenfreundliche und rasch umsetzbare Lösung ist eine Glyphosat-Kenn­zeichnung von Lebensmitteln. Eine solche Kennzeichnung ermöglicht unseren heimi­schen Konsumenten, wenn sie es wollen, glyphosatfreie Lebensmittel zu kaufen. Bei einer Glyphosat-Kennzeichnung werden alle Lebensmittel, die mit Glyphosateinsatz pro­duziert wurden als solche gekennzeichnet. Die Kennzeichnung soll einfach und gut er­sichtlich auf der Verpackung erfolgen und alle Lebensmittel umfassen, wenn bei der Pro­duktion in irgendeinem Stadium Glyphosat zum Einsatz kam.

Noch nie war die Auswahl an Produkten aus den verschiedensten Ländern so umfang­reich wie heute. An unserem Markt befinden sich Lebensmittel aus allen Regionen der Welt, jede Region hat einen anderen Zugang zu der Glyphosat-Problematik und damit wird das Herbizid auch im unterschiedlichen Ausmaß in der Lebensmittelproduktion verwendet. Im Vergleich mit Amerika ist in Österreich der Glyphosat-Einsatz relativ niedrig. „Eine in vielen Ländern übliche Methode ist in Österreich nicht zulässig: die Sik­kation oder Reifespritzung. Dabei werden Nutzpflanzen kurz vor der Ernte mit Glyphosat behandelt. Das Absterben der Pflanzen erleichtert die Ernte, zudem erhalten die Früchte dadurch eine Art finalen Energieschub, quasi durch das letzte Aufbäumen der Pflanze.“2 Die Kennzeichnung auf der Verpackung soll die Konsumenten dabei unterstützten, jene Lebensmittel auszuwählen, die seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen ent­sprechen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebens­mitteln zu entwickeln und diese einzuführen.“

1             https://www.iarc.fr/wp-content/uploads/2018/07/MonographVolume112-1.pdf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 138

2             https://www.profil.at/wissenschaft/akte-glyphosat-hysterie-unkrautvernichter-11173918?fbclid=IwAR1FsEEu0YQpO955d7qjX8mJ5saHe8LV8SbYVJe4OGFwy499kOn9TGFiXFM

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt am Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschus­ses für Land- und Forstwirtschaft.

16.35.5616. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungs­vorlage (238 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xxx/2020, geändert wird (258 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 16.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Strasser. – Bitte.


16.36.15

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt die Novelle des Umweltförderungsgesetzes, mit der wir eine Verbesse­rung der gewässerökologischen Situation herbeiführen werden. Es wird dafür ein Budget in der Höhe von 200 Millionen Euro bereitgestellt. Was machen wir damit? – Es werden die Gewässerstrukturen verbessert, die Durchgängigkeit wird wiederhergestellt und auch Fischaufstiegshilfen werden gebaut beziehungsweise revitalisiert.

Wir haben in dem Paket aber auch wirtschaftliche Aspekte drinnen. Wir induzieren mit diesen Investitionen in Summe eine regionale Wertschöpfung in der Höhe von 540 Millio­nen Euro in den nächsten sieben Jahren, und wir schaffen und generieren damit circa 8 500 Arbeitsplätze.

Ein ganz großes Dankeschön an dich, Frau Bundesministerin, für deinen Einsatz für die Gewässer in Österreich, für die Biodiversität in Österreich! Ich glaube, du hast dir einen großen Applaus verdient. Danke schön! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit diesen Maßnahmen leisten wir aber auch einen Beitrag für unseren Lebensraum, weil von Gewässern, die dem natürlichen Zustand näher sind, Temperaturschwankun­gen, die vom Klimawandel herrühren, besser abgefedert werden können. Wir legen mit diesen Maßnahmen ein Bekenntnis zur Ökologisierung unserer Gewässer ab und sor­gen dafür, dass Österreich für unsere Kinder und Enkelkinder lebenswert bleibt. Ein gro­ßes Dankeschön dafür!

Wir sind aber auch mitten in der Debatte rund um die Landwirtschaft. Die Beiträge von Frau Kollegin Ecker, für die ich mich auch heute wieder bedanke, stehen so ein wenig unter dem Titel: „Und täglich grüßt das Murmeltier“, denn das ist so, wie wenn ein Kind immer wieder auf die Herdplatte greift. – Sie müssten es eigentlich schon wissen. Sie kritisieren ja Ex-Bundeskanzlerin Bierlein, dass sie dieses Glyphosattotalverbot nicht


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 139

umsetzen konnte. Warum? – Weil Ihr Antrag vor der Beschlussfassung nicht nach Brüs­sel geschickt wurde. Das wäre heute wieder so, daher finde ich das schon relativ wi­dersinnig.

Im Gegensatz zu Ihrer Fraktion waren dann Präsident Sobotka und die Parlamentsdirek­tion bereit, Ihren Antrag nach Brüssel zur Notifikation zu schicken (Abg. Leichtfried: Das ist doch nicht Aufgabe einer Fraktion, bitte! ...!), und wir werden dann im August wissen, wie die Faktenlage rund um die Glyphosatzulassung in Brüssel wirklich ausschaut. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wir in der Regierung sind bereit, dieses Ergebnis zur Kenntnis zu nehmen und entweder das Totalverbot mit Leben zu erfüllen und gesetzlich umzusetzen (Abg. Leichtfried: Die Kommission kann das nicht entscheiden! Entscheiden wird das der Europäische Ge­richtshof!) oder so wie in Kärnten ein Teilverbot in ganz Österreich umzusetzen.

Zu Ihrer Beruhigung und auch zur Diskussion mit Herrn Kollegen Schmiedlechner: Die Katze ist jetzt aus dem Sack. Die FPÖ und auch die FPÖ-Bauern sind für das Totalver­bot, das ist seit heute einmal fix. Ich kann Sie aber beruhigen, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Wenn man sozusagen gesunde Lebensmittel, was Pflanzenschutzmittel­rückstände betrifft, konsumieren möchte, dann muss man österreichische Qualität kau­fen. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

2018 sind 190 Lebensmittelproben in Österreich von der Ages auf Glyphosat getestet worden, 98 Prozent dieser Proben waren negativ. Bei 2 Prozent waren Spuren zu finden, aber die waren weit unter irgendeinem Wert, der gesundheitsgefährdend sein könnte. (Abg. Leichtfried: Sagt wer?)

Abschließend noch eine Klarstellung: Die Sikkation, das heißt das Totspritzen von ernte­fähigem Getreide, ist in Österreich verboten. (Abg. Leichtfried: Wer sagt das? – Weite­rer Zwischenruf bei der SPÖ.) – Nein, nein, Sie müssen das schon richtig zitieren! (Abg. Leichtfried: Aber wer sagt das, dass das nicht gesundheitsgefährdend ist?) In einem ganz kleinen Bereich, wenn das Unkraut über das Getreide drüberwächst, dann ist das Totspritzen dieses Unkrauts zur Verbesserung der Erntesituation erlaubt. (Abg. Vogl: In der Machbarkeitsstudie zu Glyphosat ...!) – Kollege Vogl, so läuft das. Das muss man sich genau anschauen, bitte nachschauen und dann korrekt zitieren!

Ich komme noch einmal darauf zurück: Österreichisches Getreide, österreichische Früchte sind frei von Glyphosat. Also kaufen Sie österreichische Lebensmittel! Das ist ein guter Beitrag für das Wohlbefinden und auch für Ihre Gesundheit. – Danke schön. Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.


16.41.49

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Nur ein Satz zu Glyphosat: Dass Sie von der ÖVP das nicht wollen, das wissen wir. Es gibt schlicht und einfach kein Argument für Glyphosat, Herr Strasser! (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Nun aber zum eigentlichen Gesetz: Die österreichische Wasserqualität ist im europäi­schen Spitzenfeld, dennoch gibt es Defizite in manchen Bereichen unserer heimischen Gewässer, die es zu beheben gilt. Dies verlangt auch die Europäische Union in ihrer Wasserrahmenrichtlinie, die wir bis 2027 erfüllen müssen. Ob wir zu diesem Zeitpunkt, Frau Ministerin, diese Rahmenbedingungen schaffen können, bezweifeln wir als Sozial­demokratie, denn in diesem Bereich wurde viele Jahre und Monate geschlafen. Da wurde nichts weitergebracht (Abg. Lukas Hammer: Seit 2015! Wer war da Bundeskanz­ler?), diesem so wichtigen Gut wurde einfach zu wenig Beachtung geschenkt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 140

Viel wurde von Ihnen angekündigt, wenig wurde umgesetzt. Wir haben somit Zeit ver­geudet, die uns jetzt fehlt. Sogar der Rechnungshof hat bereits davor gewarnt, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie fristgerecht nicht möglich sein wird. Was heißt das – und das ist Ihre Verantwortung, Frau Ministerin? – Hohe Strafzahlungen kommen da auf Ös­terreich zu.

Auch ein einstimmig gefasster Entschließungsantrag aus dem Jahr 2019 betreffend „dringende Finanzierung des Gewässerschutzes“ wurde von der Landwirtschaftsministe­rin, sprich von Ihnen, nicht umgesetzt. Nicht einmal im Budget 2020 hat man Geldmittel vorgesehen, obwohl in Ihrem Regierungsprogramm die Förderung gewässerökologi­scher Maßnahmen ganz klar verankert gewesen ist.

Ebenso wurde ein SPÖ-Antrag, der im Ausschuss eingebracht wurde, nämlich 150 Mil­lionen Euro Fördermittel für diesen Bereich im Jahr 2021 zur Verfügung zu stellen, von den Regierungsparteien vertagt. Untätigkeit von vorne bis hinten!

Nun kommt die Regierung endlich in die Gänge und stellt im Rahmen der UFG-Novelle 200 Millionen Euro – Herr Strasser, da muss ich Sie noch einmal korrigieren – nicht für sieben Jahre, sondern für acht Jahre zur Verfügung, denn bei 2020 bis 2027 sprechen wir von acht Jahren, und wir wissen, das wird weitaus zu wenig sein.

Ich bitte Sie: Wenn wir da zusätzliche Geldmittel brauchen, so stellen Sie diese auch zeitgerecht zur Verfügung!

Auf das Schärfste zu kritisieren ist auch der Umstand, dass wieder einmal auf die Be­gutachtung dieses Gesetzes verzichtet wurde. Das ist einfach schlechter Stil, Frau Mi­nisterin.

Im Ausschuss haben Sie auch – und das wurde von meinem Vorredner schon ange­sprochen – von zusätzlichen 8 500 Arbeitsplätzen gesprochen, die durch diese 200 Mil­lionen Euro an Förderung in der Gewässerökologie geschaffen werden. Ich frage Sie nur: Wo sollen die herkommen? Das würde uns interessieren, wiewohl uns natürlich je­der zusätzliche Arbeitsplatz in dieser schweren Zeit von Covid-19 sehr freuen würde, das wäre ein Gewinn. Ich hoffe nur, dass diese Arbeitsplätze in den Regionen geschaf­fen werden, dass örtliche Betriebe und vor allem der Wirtschaftsstandort Österreich da­von profitieren.

Auch wenn die gegenständliche Novelle keinem Begutachtungsverfahren unterzogen wurde, sich aber trotzdem viele kritische Stimmen im Hohen Haus gemeldet haben, so stimmen wir dem Gesetzentwurf natürlich zu.

Eines ist aber doch vernichtend, Frau Ministerin: Sie verleiben sich da Gelder ein, die Ihnen gar nicht gehören, denn von den 200 Millionen Euro sind 58,4 Millionen Euro keine Bundesmittel, sondern die gehören den Ländern und Gemeinden; die werden sich das sicher nicht gefallen lassen.

Fremde Gelder nehmen, keine zuständigen Stellen mitreden lassen und keine Stellung­nahmen zulassen, das ist wirklich ein ganz schlechter Stil und trägt überhaupt nicht zum Miteinander bei. Uns ist jedoch gerade unser hohes Gut Wasser ein großes Anliegen, und deshalb stimmen wir natürlich zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmiedlech­ner. – Bitte.


16.46.10

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr ge­ehrte Zuseher! Herr Strasser, die FPÖ-Linie in puncto Glyphosat war immer klar und immer eindeutig. Aber natürlich: Zum Schutz der Bauern können Sie ja gerne meinem


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Antrag zustimmen, damit wir die heimischen Bauern vor dem ausländischen Wettbewerb schützen.

Nun zum Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird: Es han­delt sich um ein Gesetz, mit dem die Zielvorgaben der Europäischen Wasserrahmen­richtlinie erreicht werden sollen. Wasser ist unser wichtigstes Gut. Jede Maßnahme, die die Gewässerökologie verbessert, ist zu begrüßen und zu unterstützen. Es ist aber auch verständlich, dass ohne Förderung – und das hat die Erfahrung gezeigt – nur selten Pro­jekte umgesetzt werden.

Unser Wasser gilt es zu schützen, nicht nur als Verbrauchsgut, sondern auch als Le­bensraum. Wir haben eine schöne Landschaft, und dazu gehören die Gewässer, die Flüsse, Bäche, Seen und natürlich auch die Ufer und ihr guter Zustand. Es liegt in unse­rer Verantwortung, diese zu schützen und für die nächsten Generationen eine intakte Natur zu erhalten. Deswegen unterstützen wir diesen Gesetzentwurf.

Trotzdem muss eine Nutzung von Gewässern für die Fischereiwirtschaft und natürlich auch für die Wasserkraftnutzung ermöglicht werden. Die wirtschaftlichen Interessen und die Naturschutzinteressen widersprechen einander nicht. Für ein Gleichgewicht ist Han­deln mit Hausverstand gefragt.

Es ist durchaus positiv – Herr Strasser, Sie haben es erwähnt –, wenn in Fischaufstiegs­hilfen investiert wird; jedoch, wenn diese nur dazu dienen, das Nahrungsangebot für Fischotter, Fischreiher und andere Räuber zu konzentrieren, dann muss man ernsthaft über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen nachdenken.

Frau Minister, vielleicht sollten wir einmal wirklich ehrlich über den dauerhaften Schutz von Fischreihern, Fischottern, Gänsesägern oder Kormoranen nachdenken. Auch Fi­sche und Amphibien gehören zur Gewässerökologie. Wir sollen immer ausgleichend wir­ken und die Zukunft im Auge behalten.

In diesem Sinne: Es braucht gemeinsame Maßnahmen und Ziele, um größtmöglichen Schutz für die Umwelt sowie die wirtschaftlichen Interessen und die Freizeitnutzung un­ter einen Hut zu bringen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Rössler. – Bitte.


16.49.09

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen, Zuhörer- und ZuseherInnen vor den Bildschirmen! 200 Millionen Euro für den Gewässerschutz, das ist auf den ersten Blick ein stattlicher Betrag. Die Frage ist: Schützt man die Gewässer oder ist es in Wahrheit vielleicht doch ein Gesundheitsschutz?

Ich stelle eine ganz einfache Frage: Zu wie viel Prozent besteht der menschliche Körper aus Wasser? (Abg. Hörl: 80!) – 80 Prozent würde man bei einem Neugeborenen, bei sehr kleinen Kindern sagen, 80 Prozent sind da richtig, bei erwachsenen Menschen sind es 60 bis 70 Prozent. Das heißt, Gewässerschutz und Trinkwasserqualität sind ein Über­lebensmerkmal. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr.)

Insofern ist dieser Betrag in der Höhe von 200 Millionen Euro nicht nur unmittelbar in Lebensqualität und Natur investiert, sondern auch in Mensch und Gesundheit bestens angelegt. Es mag sein, dass in den letzten Jahren nicht so viele Projekte durchgeführt wurden, wie wir uns das gewünscht hätten, aber endlich ist es gelungen, diesen Betrag für die Verbesserung von Gewässerstrukturen und für die Wiederherstellung der Durch­gängigkeit der Gewässer bereitzustellen. Nur eine durchgängige Gewässersohle ist in der Lage, die Reinigungskraft des Gewässers zu entfalten. Querbauwerke bewirken ge­nau das Gegenteil, indem sie den Durchfluss und die Selbstreinigungskraft der Gewäs­ser maßgeblich behindern.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 142

Neben den rechtlichen Anforderungen durch die Wasserrahmenrichtlinie sollte man nicht nur die wirtschaftliche, sondern vor allem auch die soziokulturelle und gesundheitliche Dimension etwas näher anschauen. Gerade die Flusslandschaften mit ihren intakten Gewässern, mit ihrer Vielfalt an Lebensräumen, mit ihrer Vielfalt an Pflanzen- und Tier­arten, der Nahrung und der Nahrungskette sind auch unmittelbar für den Menschen wichtig. Sie sind der wichtigste Naherholungsraum in Städten. Viele Städte haben er­kannt, welch hohe Qualität ihre Fließgewässer in den Städten, am Rand der Städte ha­ben und dass Rekultivierungsmaßnahmen maßgeblich zur Lebensqualität, zur Wohn­qualität, zur Luftqualität in Städten, in Ballungsräumen beitragen. Diese 200 Millionen Euro sind in die Lebens- und Wohnqualität der Menschen bestens investiert. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Herr.)

Renaturierungsmaßnahmen im Bereich der Gewässerökologie reinigen die Luft und bilden ein Mikroklima in den Hitzesommern, deren Anzahl zunehmen wird. Unsere Fließ­gewässer sind maßgeblich für die Naherholungsräume und für den Tourismus. Wie viele Radwege entlang von Fließgewässern – abgesehen von Donau- und Murradweg – sind inzwischen berühmt geworden? – Kollegin Ecker, auch Salzburg hat bereits wunderbare Renaturierungsprojekte aus diesem Topf finanziert.

Das ist extrem wichtig, es ist eine Gesundheitsvorsorge, und ich weiß diese 200 Millio­nen Euro bei Ihnen, Frau Ministerin, und der Kommission, die diese Projekte beschließt – auch erst kürzlich wieder –, in guten Händen. Wir freuen uns darüber, neue Projekte auf­zunehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet hat sich Abgeordneter Vogl. – Bitte.


16.53.00

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Abgeordneter Strasser hat in seiner Rede behauptet, dass in den nächsten sieben Jahren 200 Mil­lionen Euro investiert werden und aufgrund der regionalen Wertschöpfung von 540 Mil­lionen Euro 8 500 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ich berichtige tatsächlich: Rechnet man diese Summe auf acht Jahre um, sind es pro Jahr 67,5 Millionen Euro; teilt man das auf die 8 500 Jobs auf, würden pro Person nur 8 000 Euro an Entlohnung herauskommen. Wir sind also von 8 000 Arbeitsplätzen deut­lich entfernt. Tatsächlich sind es weniger als 1 000 Arbeitsplätze, die damit geschaffen werden können. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: Sozialistische Rechnung! – Ruf bei der ÖVP: Das versteht er nicht! – Zwischenrufe der Abgeordneten Prinz, Schmuckenschlager und Strasser.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Köstinger. – Bitte.


16.53.41

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Österreich ist zweifellos ein wasserreiches Land, und dass das österreichische Wasser durchaus einer unserer größten Schätze ist, sehen wir vor allem auch in den letzten Jahren, die geprägt waren vom Klimawandel, von Trockenheit und Dürre.

Speziell unsere Seen, Flüsse und Auen prägen als ökologische Lebensadern unsere Landschaften, unsere Regionen. Sie sind unverzichtbar als Lebensraum für die Natur und für die Artenvielfalt auf der einen Seite, sie spielen aber in Österreich auch eine ganz wichtige und entscheidende Rolle bei der Energieversorgung. Sie spielen vor allem auch


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in Hinblick auf den österreichischen Tourismus eine wichtige Rolle. Speziell die Flüsse sind sehr dynamische und auch äußerst vielseitige Lebensräume für Tiere und Pflanzen, und sie sind auch sehr entscheidend für die biologische Vernetzung. Auch für den Men­schen sind vor allem intakte Gewässer von immenser Bedeutung, das haben wir heute schon mehrmals gehört.

Sehr entscheidend und auch in der Zuständigkeit meines Ressorts ist der Schutz vor Hochwasser. Die Gewässer bieten generell Raum für Erholung, für Freizeitnutzung, sind in Österreich aber auch unverzichtbar bei der Produktion von erneuerbarer Energie. Kein Anteil an der Stromproduktion ist so hoch wie jener der Wasserkraft; auch das ist etwas, auf das wir weiter setzen müssen, das wir auch weiter ausbauen müssen. Wir sind ein Land, das keine Atomkraftwerke zur Energieversorgung braucht, und das ist gut so, das soll auch in Zukunft so bleiben. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Herr.)

Um den ökologischen Gewässerschutz zu verbessern, haben wir in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Wiederherstellung natürlicher Lebensräume geschaffen. Zum einen ist das durch Strukturierung und Aufweitung passiert sowie vor allem auch durch Maßnahmen zur Vernetzung der Gewässerlebensräume. Wir haben in unzähligen Projekten die Durchgängigkeit und Anbindung von Zubringern und Nebengewässern fi­nanziell unterstützt.

Wir haben mittlerweile zwei Nationale Gewässerschutzpläne umgesetzt. Wir wollen wei­ter massiv investieren, deswegen sind diese notwendigen Investitionen mit einer Förder­summe in der Höhe von rund 200 Millionen Euro vorgesehen, mit der im Zeitraum 2020 bis 2027 Projekte umgesetzt werden. So können wir auch in Zukunft beispielsweise Altarme und Auen wieder an Gewässer anbinden. Wir können natürliche Flussläufe schaffen, bestehende Querbauten entfernen oder beispielsweise auch Fischwanderhil­fen aufbauen.

Die Investitionen sind aber vor allem auch wichtig, um die Widerstandsfähigkeit der Ge­wässer gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu erhöhen; naturnahe Gewäs­ser verkraften erhöhte Temperaturen besser. Wir haben in den letzten Jahren wirklich sehr gute Erfolge bei der Umsetzung unserer Projekte aus dem ersten und zweiten Na­tionalen Gewässerschutzplan erzielen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

Die Maßnahmen dienen auf der einen Seite der Umsetzung der EU-Wasserrahmenricht­linie in Österreich. Diese fordert die Herstellung des guten ökologischen Zustandes der Gewässer bis 2027, und ja, wir haben noch sehr viel zu tun. Die Qualität der Gewässer in Österreich ist sehr gut. Die Investitionen in den ökologischen Gewässerschutz sind unverzichtbar, und deswegen freut es mich wirklich sehr, diese Umsetzung heute dem Nationalrat vorlegen zu können.

Mit den Investitionen, die getätigt werden, ist auch eine massive Investition in die Wirt­schaft möglich. Das ist der gute Nebeneffekt und zeigt auch, dass es keinen Widerspruch zwischen Wirtschaft und Ökologie gibt. Es ist schon darüber diskutiert worden: Ja, wir lösen Investitionen von 540 Millionen Euro in den ländlichen Regionen Österreichs aus. Das hat eine Wifo-Studie aus den letzten beiden Nationalen Gewässerschutzplänen und den daraus erfolgten Investitionen errechnet. Das sind rund 8 500 Arbeitsplätze in re­gionalen Planungsbüros, in Baufirmen im ganzen Land, die auf der einen Seite zusätz­lich geschaffen werden, aber vor allem auch gesichert werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Vogl: Auf Teilzeitbasis mit 5 Stunden, oder wie? Mit 5 Stunden?!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als zuständiges Bundesministerium machen das nicht alleine, sondern mein Ressort befindet sich aktuell in einem abgestimmten Prozess


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 144

mit den Bundesländern. Bis Ende 2020 wird der Entwurf des dritten Nationalen Gewäs­serbewirtschaftungsplans erstellt. Das machen wir in enger Zusammenarbeit mit den Experten vor Ort. Wir werden der Öffentlichkeit auch die Gelegenheit geben, zum Ent­wurf Stellung zu nehmen. Ende 2021 wird der finale dritte Nationale Gewässerbewirt­schaftungsplan veröffentlicht.

Geschätzte Damen und Herren, die Förderung der Gewässerökologie ist ein wichtiger Motor, um die Wirtschaft anzukurbeln, und er dient vor allem zur Unterstützung des öko­logischen Wachstums in den Regionen. Das sind Investitionen in die Zukunft. Ich be­danke mich sehr für die breite Unterstützung im Hohen Haus. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hörl. – Bitte.


16.59.39

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wasser ist die Lebensquelle, das ist schon gesagt worden. Fast drei Viertel der Erdober­fläche sind mit Wasser bedeckt. Frau Rössler, Sie haben vollkommen recht, ohne Was­ser geht nichts! Wasser ist Energie – 60 Prozent unserer elektrischen Stromproduktion stammt aus Wasser. Wasser ist Energiespeicher – mit Pumpspeichern können wir die Energie speichern und sie dann bedarfs- und tagesgerecht nutzen. Wasser ist Investition und Arbeitsplatzsicherung gerade bei uns im Tourismus. Schnee, die künstliche Erzeu­gung von Schnee ist die Grundlage unseres Wintertourismus. Wasser ist kostbar, also nützen wir es nachhaltig und schauen wir darauf, dass es rein bleibt.

In Österreich gibt es 2 100 Fließgewässer, das Fließgewässernetz ist 100 000 Kilometer lang. Zudem gibt es mehr als 25 000 stehende Gewässer mit einer Fläche größer als 250 Quadratmeter; allein in Tirol sind es 600 Seen, Weiher und Teiche. Diese sind ge­schützt – ausreichend geschützt, glaube ich – im Wasserrecht, im Naturschutz, durch Natura-2000-Gebiete, und viele dieser Gewässer weisen inzwischen eine sehr gute Wasserqualität auf.

In meiner Jugendzeit war das nicht so. Gerade in meiner Heimat, im Zillertal, haben wir heute Trinkwasserqualität in nahezu allen Bächen, auch allen Stauseen und Seen. Dafür haben die Gemeinden, die Länder und der Bund in den letzten Jahren sehr viel Geld investiert. Allein die Kläranlage, die das Zillertal, das Achental reinigt: 165 Kilometer Ab­wasserkanäle von der Südtiroler Grenze bis in den Norden zur deutschen Grenze, eine Kläranlage in der Mitte, die energieautark arbeitet, die zusätzlich Biogas und auch Elektrostrom abliefert. Das hat auch dazu beigetragen, dass die Wasserqualität hoch ist.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel in Hochwasserschutz, Regulierungen und Bachverbauungen investiert. Das wird natürlich unterschiedlich gerne gesehen. Ich als Bewohner einer Bergregion, direkt an einem Wildbach lebend, bin sehr froh, dass es diese Bauten gegeben hat, aber ich gebe zu, es war sehr viel Beton und Stein, und es wurden Querbauten eingebaut. Wenn wir das jetzt verbessern können, dann ist das wun­derbar.

Die 200 Millionen Euro werden, wie gesagt, über den Umwelt- und Wasserwirtschafts­fonds abgewickelt. Auch Kleinkraftwerke können da partizipieren und Förderungen ab­holen. Ich möchte mich dafür bedanken, Frau Bundesminister, dass das stattfindet, denn Wasser ist Leben – und schützen wir unser Leben! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

17.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Seemayer. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 145

17.02.19

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Vor­ab, Herr Präsident, darf ich meiner Verwunderung über die Zuweisungsmodalitäten noch einmal Ausdruck verleihen, weil die Materie unterschiedlichen Ausschüssen zugewiesen wurde. Während diese Novelle zum UFG im Landwirtschaftsausschuss diskutiert wurde, werden wir heute einen weiteren Antrag zum UFG dem Umweltausschuss zuweisen. Unsere Meinung war, dass das dem Umweltausschuss zugewiesen und dort diskutiert gehört.

Aber jetzt noch einmal zu den 200 Millionen Euro für die nächsten Jahre, die dringend notwendig sind. Wenn die aus dem Wasserwirtschaftsfonds kommen, den zu einem Viertel die Länder und die Gemeinden mitfinanzieren, dann darf es einen nicht wundern, dass trotz fehlender Begutachtungsfrist Stellungnahmen von dort kommen und die dann zum Ausdruck bringen und kritisieren, dass sie da nicht mitreden dürfen. (Beifall bei der SPÖ.) – Das waren übrigens nicht die roten Bundesländer, von denen die Stellungnah­men gekommen sind. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Aber zu den Gewässern, Frau Bundesministerin: Sie haben es selber schon angespro­chen, und auch in der Parlamentskorrespondenz ist zu dieser Novelle nachzulesen, dass naturnahe Flüsse und Seen ja das Image Österreichs als Tourismusland stärken sollen. – Um das Image nachhaltig zu stärken, braucht es aber auch den freien Zugang zu diesen Gewässern. Dieser freie Zugang war in den letzten Tagen in den Medien wie­der sehr präsent, und wir werden da auch nicht lockerlassen. Als Tourismusministerin haben Sie sicher auch kein Interesse daran, dass die Seeuferzugänge zum größten Teil privat sind, sich der Wörthersee mit 82 Prozent, der Attersee mit 76 Prozent in Privat­besitz befinden.

Auch die Österreichischen Bundesforste sind im Besitz vieler Seezugänge, die sie dann an Private weiter vermieten und verpachten. Da braucht es auf jeden Fall ein Umdenken. Es muss geprüft werden, ob es nicht möglich ist, Pachtverträge für Seezugänge, die auslaufen, nicht mehr zu verlängern und nicht mehr an Private zu vergeben und damit der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der SPÖ.)

Und schon gar nicht darf es den Österreichischen Bundesforsten möglich sein – wie es heuer am Attersee schon passiert ist –, dass auf öffentlichen Seezugängen Luxuswoh­nungen mit privatem Seezugang errichtet werden, die sich dann nur die wenigsten leisten können. Der Seezugang für die Bevölkerung ist dadurch weiter eingeschränkt und zum Teil entzogen worden. Wenn schon die Qualität der heimischen Gewässer mit Geld der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erhalten und verbessert wird, dann müssen sie auch für alle zugänglich sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte.


17.05.13

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Kollegin Ecker hat es schon klargestellt: Wir werden die Novelle unterstützen, auch wenn die Erklärung jetzt teilweise schon hinter­fragenswert wäre. Wäre ich nicht sowieso zu Wort gemeldet gewesen, hätte ich jetzt eine tatsächliche Berichtigung gemacht. Sowohl die Frau Minister als auch der Kollege von der ÖVP haben jetzt mehrmals hintereinander behauptet, die Qualität unserer Ge­wässer sei sehr gut. – Der WWF mit seinen vielen Experten und Expertinnen, der darauf spezialisiert ist, bescheinigt uns, dass 60 Prozent unserer Gewässer nicht in gutem Zustand sind. Mehr als die Hälfte – ich glaube, da muss man schon genau hinschauen, was tatsächlich passiert.

Aber es soll jetzt mehr Geld geben, und das finden wir natürlich unterstützenswert. Des­halb stimmen wir mit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 146

Budget für den Klimaschutz ist uns nämlich immer wichtig, und daher war ich sehr er­freut, als ich vernommen habe, dass die Bundesregierung verkündet hat, eine Klima­schutzmilliarde für das nächste und das übernächste Jahr zu fixieren. Warum freut mich das so? – Weil das mein allererster Antrag überhaupt war, den ich hier im Hohen Haus eingebracht habe, nur damals hat die Musik noch anders gespielt. Damals hat uns auch der Parteivorsitzende der Grünen ausgerichtet: Das Geld wächst ja nicht auf den Bäu­men! (Die Abgeordneten Scherak und Loacker: Womit er recht hat!) – Womit er na­türlich recht hat, aber ich glaube, für den Klimaschutz sollten wir dann doch Geld in die Hand nehmen, ansonsten schaut es nämlich schlecht aus in den nächsten zehn Jahren. (Beifall bei der SPÖ.)

Außerdem kann, soll und darf man ja auch seine Meinung ändern, daher bringe ich den Entschließungsantrag heute wieder ein.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung der Klimaschutzmilliarde“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, für eine rasche und rechtsverbindliche Umsetzung der zusätz­lichen jährlichen Klimaschutzmilliarde zu sorgen.“

*****

Kündigen Sie nicht immer nur an, fixieren wir das! Wir haben diesen Antrag genau so geschrieben, dass genau das drinsteht, was Sie verkündet haben, was Sie per Presse­konferenz angekündigt haben. Es gibt also überhaupt keinen Grund, diesem Antrag heute nicht zuzustimmen. Es ist genau das, was Sie ja umsetzen wollen.

Also: Nehmen wir es ernst mit der Klimaschutzmilliarde? – Wir wollen es wissen, wir wollen es fixieren. Kündigen wir nicht immer nur an, machen wir Nägel mit Köpfen! Sie haben für das nächste und das übernächste Jahr 1 Milliarde Euro versprochen.

Ich hoffe, dass dieser Antrag jetzt durchgeht, nicht nur für unsere Gewässer, sondern auch darüber hinaus, dass wir für die Klimakrise gewappnet sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend rasche Umsetzung der Klimaschutzmilliarde

eingebracht im Rahmen der Debatte zu TOP 16 Bundesgesetz, mit dem das Umweltför­derungsgesetz (UFG), geändert wird (258 d.B.)

Für eine erfolgreiche Bekämpfung der Klimakrise und als Akut-Maßnahme gegen das mehrmalige Verfehlen der nationalen C02-Reduktionsziele wurde von zahlreichen Orga­nisationen (Umwelt-NGOs, Klimavolksbegehren, Arbeiterkammer, etc.) eine zusätzliche


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 147

jährliche Klimaschutzmilliarde mit Schwerpunkt auf Öffentlichem Verkehr, Thermischer Sanierung und Projekten der Umweltförderung im Inland gefordert.

Parlamentarische Initiativen für diese zusätzliche jährliche Klimaschutzmilliarde blieben bislang ohne Mehrheit. Die Steigerungen der Klimaschutzinvestitionen durch das Um­weltförderungsgesetz im Bundesbudget blieben ebenso überschaubar.

Mitte Juni hat die Bundesregierung nun endlich im Rahmen eines COVID-19-Konjunktur­pakets für die beiden kommenden Jahre 2021 und 2022 jeweils eine zusätzliche jährliche Klimaschutzmilliarde angekündigt.

Während in anderen Bereichen aber bereits Beschlüsse erfolgt sind, fehlen für die Kli­maschutzmilliarde die rechtlichen Grundlagen und Entscheidungen. Zur Sicherstellung der Budgetmittel in den kommenden Jahren braucht es nicht nur mediale Ankündigun­gen, sondern auch klare Bekenntnisse.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie wird aufgefordert, für eine rasche und rechtsverbindliche Umsetzung der zusätz­lichen jährlichen Klimaschutzmilliarde zu sorgen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.


17.08.19

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann Ihnen nur beipflich­ten: Heute ist ein Tag der Freude, denn nach zähen Verhandlungen ist es gelungen, es ist unserer Ministerin Elisabeth Köstinger gelungen, endlich die Gelder freizusetzen: 200 Millionen Euro für den ökologischen Gewässerschutz in Österreich. Wir haben einen top Standort, wir können stolz sein auf unsere Seen. – Also da gebe ich Ihnen nicht recht, da muss ich Ihnen sagen: Wir können stolz sein auf die Gewässer, auf die Seen in Österreich! Das ist, glaube ich, ein großer Schatz für die gesamte Bevölkerung Öster­reichs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir müssen das aber auch entsprechend weiterentwickeln. Ich glaube, Ihrem Antrag zum Klimaschutz werden wir nicht beitreten (Abg. Herr: Warum nicht?), weil wir bereits eine Regierungsvorlage im Haus haben, weil das gestern bereits auf Regierungsebene besprochen wurde und wir das entsprechend auf den Weg bringen. (Abg. Herr: Hier? Im Parlament?) – Ja, die Regierungsvorlage ist schon in der Zuweisung, aber Sie wer­den das mit Ihren Referenten noch herausfinden.

Geschätzte Damen und Herren! Es geht darum, dass wir Klimaschutz ernst nehmen und ihn bei der Klimaschutzministerin angesiedelt haben, Wasser aber auch eine ganz we­sentliche Säule beim Thema um die Regionen, um die Landwirtschaft ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute auch in diesem Kontext über das Wasser diskutieren können, denn Wassermanagement, letztendlich das gesamte aktive Wassermanagement, be­ginnt ja nicht erst, wenn das Wasser in den Flüssen oder in den Becken ist, sondern


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betrifft darüber hinaus die freien Flächen, den Forst, und darum sind auch die Pakete, die wir in den vergangenen Tagen beschlossen haben, ganz, ganz wesentliche Schutz­pakete für das österreichische Wasser.

Nur eine kurze Exkursion in die Landwirtschaft, damit Sie auch die Interdisziplinarität der Frage Wasser und Ernährung erkennen: An den internationalen Warenbörsen, auf den Märkten werden momentan die Getreidepreise gehandelt, und im heurigen Jahr sind weltweit mit dem Faktor 75 Prozent die Wetterereignisse durch Klimawandel – so hoch wie nie – ausschlaggebend für den Preis der Nahrungsmittel. Das zeigt uns, wie wichtig es ist, Wasser in den Regionen zu halten, Wasser zur Versorgung unserer gesamten Fauna und Flora zu haben, zum Lebenserhalt und für Lebensqualität in Österreich.

Daher ist dieses Projekt absolut zu unterstützen, und wir können heute wirklich glücklich sein, dass wir dieses Projekt nach langem, langem zähem Ringen endlich auf den Weg gebracht haben, und können unserer Ministerin nur gratulieren und für die nächsten Jahre Beschäftigung in Österreich in einer schwierigen Phase auch mit Umweltschutz­maßnahmen sicherstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich verlege die Abstimmung an das Ende der Berichte dieses Ausschusses.

17.11.3117. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 650/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Ausrichtung der österreichischen Landwirtschaft (259 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 17. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.


17.11.54

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr ge­ehrte Zuseher! Bevor ich in das Thema einsteige, möchte ich allen Bäuerinnen und Bau­ern einen herzlichen Dank aussprechen, denn nur sie schaffen es durch die sorgsame landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Felder, dass es eine saubere Umwelt gibt und dass wir sauberes Wasser und saubere Gewässer haben. – Danke! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nun zu meinem Antrag: Die ÖVP-Abgeordneten des Bauernbunds stellen sich regelmä­ßig hier heraus, bedanken sich bei den Bauern, sagen, wie wichtig die Landwirtschaft ist, sagen, was alles gemacht wird, reden von der Produktkennzeichnung – aber leider wird sehr wenig umgesetzt, leider muss man sagen, es sind nur Lippenbekenntnisse und sehr wenige Taten.

Anstatt Antworten zu präsentieren und auch der Landwirtschaft Planungssicherheit zu geben, übt ihr euch in Inszenierung und Showpolitik. Es gibt viele offene Fragen: Farm to Fork, Biodiversität, Weidealmwirtschaft und der Wolf und natürlich auch das Agrarbud­get – viele offene Fragen, aber keine Antworten. Die Bauern brauchen Sicherheit und keine Inszenierung!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 149

Die Zahlen in der Landwirtschaft sind erschreckend und belegen eindrucksvoll die verfehlte Agrarpolitik der ÖVP. Wir brauchen eine eindeutige Neuausrichtung, einen Fahrplan, wie es mit der österreichischen Landwirtschaft weitergehen soll, und gerade deswegen ist mir dieser Antrag so wichtig.

Die Landwirtschaft, eine gemeinschaftliche EU-Materie, ist wichtig. Aktuell wird gerade die GAP-Strategie verhandelt, und da, glaube ich, ist es sinnvoll, wenn alle hier im Parla­ment vertretenen Parteien mit eingebunden werden, denn das, was die sogenannten Experten der ÖVP in der Vergangenheit angerichtet haben, belegen, wie ich schon ge­sagt habe, die Zahlen: In der Landwirtschaft ist fast kein Geld mehr zu verdienen, immer mehr Betriebe sperren zu, Arbeitsplätze werden vernichtet. Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass gehandelt wird.

Es wäre sinnvoll, bei der Erstellung der GAP alle im Nationalrat vertretenen Fraktionen einzubinden. Dies könnte im Landwirtschaftsausschuss passieren, das könnte in Form eines GAP-Unterausschusses oder einer parlamentarischen Enquete erfolgen, wo man wirklich Praktiker, Bauern einlädt, die dort ihre Meinung kundtun und Lösungsvorschläge präsentieren, um in diesem Bereich auch wirklich etwas weiterzubringen.

Ich hoffe, die Regierungsparteien springen über ihren Schatten und lassen echte – echte! – Praktiker mitreden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Bist du kein Praktiker?)

17.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Lindinger. – Bitte.


17.15.21

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Im Zusammenhang mit dem Antrag des Kollegen Schmiedlechner kann ich nur eines ausrichten: Wir machen uns ständig Gedanken, führen Gespräche mit den Bäuerinnen und Bauern, mit den Interessenvertretern (Abg. Schmiedlechner: Aber tun tut ihr nichts! – Zwischenruf des Abg. Zanger), um die Landwirtschaft nachhaltig zu ge­stalten. Und die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein Projekt, im Rahmen dessen ständig in die nächsten Jahre und an die Zukunft gedacht wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Schmiedlechner: ... Inszenierung! – Abg. Zanger: Die Märchenstund vom Bauern­bund!)

Eines, sehr geehrte Damen und Herren, darf ich hier doch klarstellen: Wenn sich die Vertreter der Opposition (Abg. Schmiedlechner: 100 Jahre Bauernbund, 100 Jahre Bauernschwund!) als Bauernvertreter ausgeben und dann in den Ausschüssen immer wieder dagegen arbeiten, dann muss das hier heraußen einmal ganz klar gesagt wer­den.

Herr Kollege Schmiedlechner, Sie stellen unüberlegte Forderungen und Anträge, die zwar eine schöne Überschrift haben, aber inhaltlich immer gegen die Bäuerinnen und Bauern gehen. Das haben die niederösterreichischen Bäuerinnen und Bauern auch ver­standen, als sie bei der letzten Landwirtschaftskammerwahl in Niederösterreich den frei­heitlichen Bauern den entsprechenden Zuspruch gegeben haben. Sie haben Ihre Man­date verloren, Herr Kollege Schmiedlechner! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner. – Abg. Belakowitsch: Das weiß sogar ich, dass ...!)

ÖGB-Präsident Katzian und seine Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ sprechen sich ständig gegen diejenigen aus, die die niedrigsten Pensionen in Österreich beziehen – das sind die Bäuerinnen und Bauern mit einer Durchschnittspension von 850 Euro im Monat, meine Damen und Herren. Wenn wir das fiktive Ausgedinge von 13 auf 10 Pro­zent senken und den Solidaritätsbeitrag der Bauernpensionisten streichen, dann ist das


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für die Mindestpensionisten der Bauern eine monatliche Entlastung von 36 Euro. Wenn wir diese 36 Euro zu den 850 Euro dazugeben, dann sind das 886 Euro. Der Mindestsi­cherungsbezieher in Wien bekommt 917 Euro, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.) Warum sind unsere Bauernpensionisten weniger wert als die Mindestsicherungsbezieher in Wien? Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit, meine Damen und Herren von der SPÖ? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Wie viel kriegt der Mindestsicherungsbezieher in der Steiermark oder in Tirol?)

Weil Kollege Loacker von den NEOS die Aussage gemacht hat, wir setzen uns nur für die großen Bauern ein, möchte ich Folgendes auch klarstellen: Mit der Senkung des Mindestbeitrags zur Krankenversicherung auf das ASVG-Niveau schaffen wir eine Un­terstützung für die kleinen und mittleren Betriebe im Bereich der Landwirtschaft. Und das ist eine Gleichstellung und keine Besserstellung, das sei auch einmal ganz klar gesagt! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Neben vielen weiteren Punkten, die wir mit diesem Steuerentlastungspaket schaffen, noch dazu mit der Vorziehung vom 1.1.2021, wie es im Regierungsprogramm steht, auf 1.1.2020, schaffen wir die so wichtige Unterstützung für unsere Bäuerinnen und unsere Bauern (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), denn unsere Bauern sorgen tagtäglich für beste Lebensmittel, für die gepflegte Kulturlandschaft und sichern weit über 500 000 Ar­beitsplätze. Das muss einmal gesagt sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Martin Graf: Damit es den Bauern endlich besser geht, gehört die ÖVP endlich in die Regierung! Die soll endlich in die Regierung kommen, damit es den Bauern besser geht!)

17.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Doppelbauer. – Bitte.


17.18.56

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Das Problem, das gerade angesprochen wurde, gibt es, das ist richtig. Ja, es sind ganz, ganz niedrige Pensionen, die in der Landwirtschaft ausgezahlt werden, aber die Frage, die fehlt und gestellt werden muss, ist: Warum ist das so? – Das liegt an der verfehlten Landwirtschaftspolitik der letzten 20, 30 Jahre. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Ja.

Deswegen bin ich – ganz im Ernst – auch wirklich dankbar, dass es heute diesen Antrag vom Kollegen von der FPÖ gibt, weil es natürlich darum geht, dass wir uns endlich einmal Gedanken darüber machen müssen, wie es in die Zukunft geht, Gedanken über die Vi­sion der Landwirtschaft: Wohin geht es in den nächsten 20, 30 Jahren? Deshalb fordern wir auch schon seit Langem eine vorausschauende Landwirtschaftspolitik.

Was im Augenblick nämlich passiert, ist eine Abfolge von Ereignissen. Es passiert etwas, und dann gibt es eine politische Reaktion: Schädlingskrise – politische Reaktion; Ex­tremwetterereignisse – Reaktion; Wirtschaftskrise – Reaktion. Der Waldfonds ist ein per­fektes Beispiel: Was am Dienstag hier beschlossen wurde, ist eine Reaktion auf die Krise, es hat nichts mit einer strategischen Ausrichtung der Landwirtschaftspolitik zu tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Wöginger: Vor dem Käfer haben wir es auch nicht gebraucht! Das ist ja eine Hausverstandssache!) – Ich könnte jetzt darauf antworten, aber das wäre eine längere Antwort, und so viel Redezeit habe ich leider nicht, Kollege Wöginger.

Aber ganz im Ernst: Was fatal ist, was wirklich fatal ist, ist, dass die Landwirtschaft ein­fach keine Strategie erkennen lässt, und da liegt das Problem einfach in der Politik; denn worum geht es hier? – Es geht hier um viel, viel mehr als um eine volkswirtschaftliche


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Berechnung in der Landwirtschaftspolitik. Die Landwirtschaft und auch die Forstwirt­schaft sind Schlüsselsektoren, das haben wir ja durchaus auch jetzt in der Krise ge­sehen, und das steht ja eigentlich auch in Ihrem Regierungsprogramm – ich zitiere –: „Übergeordnetes Ziel ist dabei die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln, der Erhalt einer multifunktionalen, nachhaltigen, wettbewerbsfähigen und flächendeckenden Land- und Forstwirtschaft sowie ein hoher Selbstversorgungsgrad.“

Ja, das stimmt, aber was man sich natürlich schon anschauen muss, ist, dass das im internationalen Wettbewerbsumfeld einfach nicht von selber geht. Wir können und wol­len in Österreich ja dem Druck nicht dahin gehend nachgeben, dass es dann nur mehr die ganz großen Betriebe, die hoch spezialisierten Betriebe gibt – und ganz im Ernst: Selbst wenn die Betriebe in Österreich groß und hoch spezialisiert sind, haben sie ja trotzdem international keine Chance. Um das zu erkennen, braucht man sich gar nicht so weit entfernt umzusehen, man braucht sich nur in Osteuropa umzusehen – oder auch in Kanada, in Brasilien, je nachdem.

Dann kommen auch noch ganz viele neue Herausforderungen auf die Landwirtschaft zu. Da geht es um Tierwohl, um Artenschutz, um Biodiversität, und wir erwarten natürlich von unseren Landwirtinnen und Landwirten, dass das alles auch umgesetzt wird. Wir haben ja Gott sei Dank recht gute Standards in Österreich, aber die Einhaltung dieser Standards kostet eben auch Geld, und das ist der Punkt, an dem man dann darüber nachdenken muss: Wenn hier höhere Standards verlangt werden, dann ist das natürlich im internationalen Wettbewerb ein Nachteil, und dieser Nachteil muss abgegolten wer­den, in diesem Fall eben von der Gesellschaft. Diese muss bereit sein, diese Leistungen auch fair abzugelten.

Dafür würde es eben einen stringenten Plan und klare Antworten brauchen. Wovon sol­len denn die Bauern in zehn Jahren, in 20 Jahren, in 30 Jahren leben, Frau Bundesmi­nister? Welche wirtschaftliche, welche gesellschaftliche, welche ökologische Rolle sollen denn die Bauern spielen? Wie erhalten wir denn unsere natürlichen Ressourcen? Wie gehen wir mit der Digitalisierung, mit der Automatisierung, mit der CO2-Bepreisung, mit der Klimakrise um? Das sind die ganz, ganz großen Fragen, auf die wir keine Antworten haben und auf die vor allem auch die Landwirtschaftspolitik keine Antworten gibt – und da hilft auch die größte Förderkanne nichts, wie wir ja beim Waldfonds gesehen haben.

Und ganz im Ernst: Dazu gehört einfach auch eine sehr aktive Rolle auf EU-Ebene. Da aber haben Sie sich – das ist wirklich interessant – auf einen Status quo zurückgezogen. Die Farm-to-Fork-Strategie wäre eine Riesenchance für die österreichische Landwirt­schaft, das ist wirklich der größte Wandel der europäischen Landwirtschaftspolitik seit ihrem Bestehen. Es ist ein Hinarbeiten von Masse auf Qualität, auf mehr Ökologisie­rung – das steht da drinnen –, und das wäre doch eigentlich perfekt für unsere kleinstruk­turierte österreichische Landwirtschaft.

Was aber machen Sie, Frau Minister? – Sie stellen sich hin, und anstatt mit der österrei­chischen Landwirtschaft da wirklich als Vorbild voranzugehen und auf die Kollegen in der Europäischen Union einzuwirken, legen Sie eine kleinmütige Abwehrhaltung an den Tag. Sie lamentieren, wie mühsam das mit der Ökologie, mit den Förderungen und mit dem Umbauen dann sei, und vertreten die Ansicht, das gehe alles nicht. Da könnten Sie sich aber einsetzen und da müssten Sie sich aus meiner Sicht auch einsetzen! (Beifall bei den NEOS.)

Ja, wir können natürlich so weitermachen: Krise – Gießkanne – Problem – Förderung – Krise – Gießkanne – EU – böse. Irgendwann werden Sie dann aber realisieren, dass die Krisen immer schlimmer werden (Ruf bei der SPÖ: Das stimmt!) und dass Sie immer noch keine Antwort auf die großen Fragen haben. Deswegen sollten Sie anfangen, hier eine Strategie zu entwickeln. Wir sind gerne dabei. Ich glaube, alle wären gerne dabei,


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aber es braucht einen Plan für die Zukunft, Frau Bundesminister. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


17.24.06

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schutz der Landwirtschaft heißt Investition in die Nachhaltigkeit. Das wird eines der wichtigsten Dinge sein: die Landwirtschaft zukunftsfit zu machen – das ist auch unser Motto vonseiten der SPÖ, und das wollen wir.

Auf die Ausführungen von Klaus Lindinger möchte ich ganz kurz eingehen: Wenn sich jemand von der ÖVP hierherstellt und sagt, dass die Sozialdemokraten den Bauern die Pensionen neidig sind, dann empfinde ich das als eine tiefe Frechheit. Bruno Kreisky war es, der die Bauernpension eingeführt hat (Abg. Prinz: Das stimmt nicht! Beschlos­sen wurde sie ...!), und das passt ganz einfach nicht, so könnt ihr mit uns nicht reden. Das ist unfair, das lassen wir uns nicht gefallen! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Bauern sollen eine gerechte Pension kriegen. Tatsache ist aber auch, dass es bei den Pensionen der Bauern notwendig ist, dass der Staat 86 Prozent des Pensions­aufwands zuschießt; bei den Pensionen der Arbeiter und Angestellten schaut das mit maximal 20 Prozent nämlich ganz, ganz anders aus.

Und, liebe Bauern, macht doch endlich eine Politik für die Landwirte mit Zukunft! (Abg. Wöginger: Die Bauern?) Bei den Grünen habe ich wirklich Angst, dass sie kein Gegen­gewicht zu diesem großen Bauernbund sind. (Abg. Wöginger: Wir haben wenigstens Bauern!) Ich werde euch anhand von Zahlen belegen, warum ihr in den letzten Jahr­zehnten eine aus meiner Sicht falsche Politik gemacht habt: In Österreich war 1995 mit 240 000 Bauern, die im Vollerwerb tätig waren, der Höchststand erreicht, und 2016 gab es noch genau 160 000. – Da wollt ihr sagen, ihr tut etwas für die Bauern?!

Ihr verursacht ein Bauernsterben! Ihr schaut, dass die Agrarindustrie läuft, und wenn ein kleiner Bauer allein irgendetwas, nur irgendetwas verkaufen will, dann geht das nicht, denn da muss er bei der Arge Rind sein, beim Lagerhaus sein (Ruf bei der ÖVP: Ah geh!), da muss er sonst irgendwo, beim Bauernbund sein, sonst kriegt er nicht einmal ein Stück Vieh weg. Das ist etwas, wozu ich ganz einfach sage: Das ist nicht richtig.

Die AMA kommt dann als Nächstes, da macht ihr ja auch nichts. Bei der AMA gehört der kleine Bauer, gehören Familienbetriebe gefördert, es gehört die Arbeitskraft gefördert – nicht die Hektar von den Großen, bitte schön! Das ist ja das Entscheidende, aber das werdet ihr nie verstehen und das werdet ihr auch nie machen, weil ihr die Agrarindustrie fördert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Eypeltauer.)

Deshalb, glaube ich, gehört hier an den Start zurückgegangen, und es gehört für die Bauern eine Politik gemacht, die nachhaltig ist und die den Klimaschutz fördert – und das könnt ihr nicht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht!)

17.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung gelangt Ab­geordneter Prinz zu Wort. – Sie wissen, was die Bedingungen für eine tatsächliche Be­richtigung sind. Bitte.


17.26.47

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): In gebotener Kürze: Es wurde behauptet, unter Bundeskanzler Bruno Kreisky wäre die Bauernpension eingeführt worden. Das stimmt so nicht. (Ruf bei den NEOS: Das war sicher der Bauernbund!)


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Die Bauernpensionen wurden unter Bundeskanzler Josef Klaus beschlossen. Anschlie­ßend gab es eine Neuwahl, und die ersten Auszahlungen geschahen unter Bundeskanz­ler Bruno Kreisky. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wöginger – in Richtung SPÖ –: Jetzt kommt’s auf mit den Märchen! In der Alleinregierung war das – das war überhaupt das Beste –, 1969!)

17.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ange­rer. – Bitte.


17.27.21

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Hohes Haus! Ge­schätzte Damen und Herren! Die Landwirtschaft ist durchaus in einer ganz schwierigen Situation. (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Für viele landwirtschaftliche Betriebe ist vor allem die Almwirtschaft ein ganz wesentlicher Be­standteil, und die Almwirtschaft hatte es in den letzten Jahren auch nicht leicht, muss man sagen, wenn man sich anschaut, mit welchen Einflüssen die Almbauern kämpfen müssen. Man denke nur an den Tourismus, an die Freizeitnutzung: Mountainbiker, Dra­chenflieger, Paragleiter, Wanderer. Durch das Kuhurteil von Tirol ist für die Bauern eine ganz schwierige Situation entstanden.

Was ganz wesentlich zu einer schwierigen Situation, die die Bauern immer mehr betrifft, führt, ist die Einwanderung der großen Beutegreifer, und da vor allem des Wolfes, und ich glaube, da muss man jetzt endlich einmal aktiv werden. In vielen europäischen Län­dern gibt es diese Möglichkeit schon, in Österreich aber hat der Wolf noch einen sehr hohen Schutzstatus. Die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU schützt den Wolf, und dieser Schutzstatus muss herabgesetzt werden, damit man ein entsprechen­des Wolfsmanagement durchführen kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Man muss auch Problemwölfe entnehmen können – ich glaube, man muss einfach so ehrlich sein und dazu stehen. Es gibt ja auch viele ÖVP-Abgeordnete, auch hier im Na­tionalrat, die das fordern, wie zum Beispiel Andreas Kühberger oder Herr Landwirt­schaftskammerpräsident Franz Eßl – um einige zu nennen, die das lautstark fordern. Andreas Kühberger will ja laut einer Aussendung des Klubobmanns aus dem Parla­mentsklub eine Petition einbringen. (Abg. Schmiedlechner: Beschäftigungstherapie für die Mitglieder!) Ich glaube, es braucht keine Petition, Herr Klubobmann Wöginger, son­dern wir brauchen nur zu handeln, wir brauchen nur eine entsprechende Beschluss­fassung herbeizuführen. Ich gehe daher davon aus, dass die ÖVP heute unserem Antrag zustimmen wird und die Ministerin dazu veranlassen wird, den Schutzstatus des Wolfes entsprechend zu ändern.

Ich bringe daher jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung der FFH-Richtlinien zur Sicherung der heimischen Almwirtschaft“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, notwendige Maßnahmen zu treffen, um ein ak­tives Wolfsmanagement in Österreich sowie die Entnahme von Problemwölfen (durch Änderung des Schutzstatus gem. FFH-Richtlinien) zu ermöglichen, um ein Bestehen der heimischen Almwirtschaft und Kulturlandschaft zu gewährleisten und die Sicherheit der Bevölkerung in wolfsnahen Siedlungsgebieten zu garantieren.“

*****


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 154

Man sagt ja: Kommt der Wolf, geht der Bauer. In diesem Fall gehe ich davon aus, ihr entscheidet euch für den Bauern und nicht für den Wolf. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Gerald Hauser, Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter

betreffend Änderung der FFH-Richtlinien zur Sicherung der heimischen Almwirtschaft

eingebracht im Zuge der Debatte über den TOP 17 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 650/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Ausrichtung der österreichischen Land­wirtschaft (259 d.B.)

In den letzten Jahren haben Meldungen über gerissene Schafe und Rinder durch Wölfe zugenommen (bspw. Salzburg, Tirol). Vermehrt werden Wölfe zu sogenannten „Pro­blemtieren“. Laut Wildtierbiologen Klaus Hackländer bedeutet das, dass ein Wolf in einen Blutrausch gerät, wenn er bspw. ein Schaf erlegt hat und sich in Folge die weitere Herde vornimmt. Die Ausbreitung des Wolfes ist somit zu einer großen Bedrohung für die hei­mische Almbewirtschaftung geworden, die stark gefährdet ist. Dass dem Schutz des Wolfes mehr Beachtung geschenkt wird als dem Schutz von Nutztieren wie Schafen und Rindern, ist für den Obmann der oberösterreichischen Almbauern Johann Feßl nicht nachvollziehbar: „Der Wolf ist mit Almen nicht verträglich. […] Damit nimmt man uns die Freude an der Arbeit […] und dann hören wir irgendwann auf“ (https://bauernzei­tung.at/wolf-natura-2000-strukturwandel-almbewirtschaftung-in-gefahr/).

Mittlerweile haben einzelne Wölfe auch bereits die Scheu vor menschlichen Siedlungs­gebieten abgelegt und sorgen für zunehmende Ängste bei der lokalen Bevölkerung. So hat ÖVP-Bundesrat und Bgm. der Gemeinde Matrei – Andreas Köll –darauf hingewie­sen, dass erst im Mai 2020 ein Wolf in unmittelbare Nähe eines Siedlungsgebietes von Matrei vorgedrungen ist und durch die Ausbreitung des Wolfs auch mit weiteren negati­ven Folgen zu rechnen ist – so ist beispielsweise eine Tollwut-Wiedereinschleppung aus dem Balkan nicht auszuschließen. Der Matreier Gemeinderat hat daher in einer Reso­lution u.a. gefordert, eine österreichweite „Wolfsverordnung“ auszuarbeiten und ein längst überfälliges Wolfsmanagement einzuführen (vgl. Resolution der Bürgermeister der Marktgemeinde Matrei in Osttirol vom 18.05.2020). Zwar gibt es bereits seitens des WWF einen Wolfsmanagementplan aus dem Jahr 2012, dieser ist jedoch kaum mit der Realität vereinbar, da er auf ein „konfliktfreies Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf“ abzielt. So hat der steirische ÖVP-Nationalratsabgeordnete und Bgm. der Gemein­de Mautern – Andreas Kühberger – angekündigt, eine Petition zu starten, um die Entnah­me von Problemwölfen zu ermöglichen, da bereits bis Mitte Juni 2020 21 Schafsrisse und ein gerissenes Kalb in der Steiermark nachgewiesen wurden, sodass die Situation untragbar geworden ist.

Besonders kritisiert wird der hohe Schutzstatus des Wolfes, der bis dato keine Entnahme von Problemwölfen zulässt. Laut Wildtierexperten Klaus Hackländer gehört der Wolf nicht zu den gefährdeten Tierarten, sondern hat eine steigende Population zu verzeich­nen (vgl. https://www.profil.at/wissenschaft/rueckkehr-wolf-oesterreich-10907646), wes­halb der besondere Schutz, der noch aus den 1970er Jahren stammt, als man nicht mit einer solch massiven Ausbreitung des Wolfes gerechnet hat, nicht mehr den aktuellen Realitätswelten auf den Almen entspricht.


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Auch der Präsident der Salzburger Landwirtschaftskammer Franz Eßl weist darauf hin, dass „traditionelle Berglandwirtschaft nicht möglich ist, wenn sich der große Beutegreifer bei uns etabliert“ (https://www.waldverband.at/essl-fordert-aenderung-der-ffh-richtlinie-zum-wolf/) und fordert ein ordentliches Wolfsmanagement. Notwendig dazu ist – darin sind sich alle Experten einig – eine Änderung der FFH-Richtlinien.

Die europaweit gültige Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), weist dem Wolf einen äu­ßerst hohen Schutzstatus zu, der keine Entnahme von Wölfen ermöglicht. Dieser Schutzstatus (aktuell Anhang IV der FFH) muss daher so rasch wie möglich gesenkt werden (entsprechend den Ausführungen zu Anhang V der FFH) , ansonsten wird keine Beweidung der Almen und Bergweiden sowie Erhalt unserer Kultur- und Tourismusland­schaft weiterhin möglich sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, notwendige Maßnahmen zu treffen, um ein ak­tives Wolfsmanagement in Österreich sowie die Entnahme von Problemwölfen (durch Änderung des Schutzstatus gem. FFH-Richtlinien) zu ermöglichen, um ein Bestehen der heimischen Almwirtschaft und Kulturlandschaft zu gewährleisten und die Sicherheit der Bevölkerung in wolfsnahen Siedlungsgebieten zu garantieren.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht damit mit in Verhandlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stammler. – Bitte.


17.30.24

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schmiedlechner, du suchst in der GAP-Diskussion einen echten Bauern. Ich bin ein echter Bauer, ich bin stolz darauf, ich bin grüner Bauer.

Ich freue mich auf morgen. Morgen wird zu Hause in meinem Betrieb Stroh eingelagert. Das geht nur im Familienverband (Zwischenruf bei der FPÖ), und ich freue mich darauf, mit meiner Familie – mit meinen Söhnen und Töchtern, mit meiner Frau – zusammenzu­arbeiten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Dazu braucht es die gesamte Familie, das er­fordert vor allen Dingen Idealismus und da geht es nicht um jeden Cent.

Kommen wir aber zurück zur GAP! Die GAP gibt es seit 1957, in einem damals kriegsge­beutelten Europa. Sie hatte zur Aufgabe, ausreichend Lebensmittel zur Verfügung zu stellen beziehungsweise dafür zu sorgen, dass es diese gibt.

Die Aufgabe der GAP ist mittlerweile eine völlig andere. Wir haben mittlerweile eine Klimakrise, wir haben in der Landwirtschaft eine Überlastungskrise, und genau das muss mit einer künftigen GAP abgewendet beziehungsweise verbessert werden. Das heißt im logischen Umkehrschluss: Die GAP muss sozialer, sie muss gerechter verteilt werden und vor allen Dingen muss sie ökologischer werden. (Beifall bei den Grünen.)

Dazu muss man aber auch eindeutig sagen: Man muss die GAP sehr wohl umbauen, denn es kann nicht sein, dass die zweite Säule mit den Umweltauflagen auf Europa gesehen das reparieren muss, was eine Flächenförderung der ersten Säule kaputt


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macht. Für die faire Verteilung braucht es meines Erachtens ein Capping, und es braucht vor allen Dingen eine Erhöhung für die ersten paar Hektar. Es braucht eine AZ – eine Ausgleichszahlung – für die benachteiligten Gebiete, um diese Einkommensschere von 55 Prozent zwischen Bergbauernbetrieben und Nichtbergbauernbetrieben etwas zu schließen.

Es braucht gleichzeitig eine Biooffensive, und dazu braucht es parallel auch eine Markt­offensive, zum Beispiel, indem man Bio in öffentliche Küchen bringt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das wäre übrigens etwas, das man auch bei uns im Parlament, im Hohen Haus in der Kantine andenken sollte, denn auch da ist die Qualität teilweise unterdurch­schnittlich. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Es braucht Forschung, es braucht Bildung und es braucht Innovation für unser Klima. Es braucht vor allen Dingen (Zwischenruf bei der FPÖ) im Hinblick auf den größeren natio­nalen Spielraum der neuen, der nächsten Periode einen von der gesamten Gesellschaft getragenen, breit diskutierten und nachvollziehbaren, einen evaluierbaren Zielekatalog.

Am Ende des Tages braucht es eine ländliche Entwicklung vom Landwirt bis zum Gast­wirt, damit auch dort in Zukunft noch die Post abgeht, wo leider schon lange die Post abgeht. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter, Ihre Anregung ist schon auf fruchtbaren Boden gefallen. Wenn wir im nächsten Jahr rückübersiedeln, beziehungs­weise zum Teil schon jetzt im Herbst, werden wir versuchen, Verbesserungen sowohl im Müllmanagement als auch in der Nahrungsmittelversorgung zu erreichen! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Martin Graf: Wenn die ÖVP in die Regierung kommt, setzt sie das alles um!)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hauser. – Bitte.


17.34.29

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Ministerinnen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Es geht bei der Debatte um diesen Tagesordnungspunkt nicht um grü­ne Bauern, es geht nicht um blaue Bauern, es geht nicht um schwarze Bauern. Es geht darum, dass der Bauernstand, vor allem die kleinstrukturierte Landwirtschaft, überhaupt überleben kann! Das ist die entscheidende Frage, weil nämlich die Gemeinsame Agrar­politik in den letzten Jahrzehnten in diesen Punkten vollkommen versagt hat – vollkom­men versagt hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich den Strukturwandel in der Landwirtschaft anschaut, wie schaut es dann aus? – Immer mehr Bauern hören auf, immer weniger Bauern können mit dem Einkom­men, das sie erwirtschaften, auskommen, und sie können nicht von den Produkten, die sie erarbeiten, leben. Deswegen hören von Jahr zu Jahr immer mehr Bauern auf.

Wenn man sich den letzten Grünen Bericht anschaut, sieht man: Im Jahr 2016 hat es 162 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe gegeben, im Vergleich zu 2010: minus 6,5 Prozent; im Vergleich zu 2013: minus 3 Prozent.

1951 hatte ein Betrieb eine Gesamtfläche von im Durchschnitt 18 Hektar, 2016 von 45 Hektar. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass die Kleinbauern aufhören und von größeren Bauern mitübernommen werden, wobei wir mittlerweile bei einem Stand ange­kommen sind, der besagt, dass gerade schwierig zu bewirtschaftende Flächen im länd­lichen Raum nicht mehr übernommen werden und deswegen stehenbleiben.

Unterm Strich ist es also so, dass die Gemeinsame Agrarpolitik höchst diskutabel wäre, was hier leider nicht passiert, weil der Antrag des Kollegen Schmiedlechner abgelehnt wird. Das heißt, es findet keine Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft statt,


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obwohl auch die OECD kritisiert hat, dass der Strukturwandel schon längst aufgehalten werden sollte. Wenn man bedenkt, dass zwischen 2017 und 2019 620 Milliarden Euro in die Unterstützung der Landwirtschaft geflossen sind, stellt man sich die Frage: Wieso hören immer mehr Bauern auf?

Ich kann Ihnen die Frage beantworten. Da sind wir als Freiheitliche Partei auch in der Vergangenheit nicht müde gewesen, das Fördersystem der Europäischen Union zu kriti­sieren, weil dieses Fördersystem diese Ungerechtigkeiten massiv ausgeweitet hat, mit der Konsequenz – noch einmal –, dass Großbetriebe immer größer werden und die Kleinbetriebe aufhören müssen.

Ich habe eine Statistik (ein Schriftstück in die Höhe haltend) aus dem Jahr 2019 mit­gebracht. Wenn man sich da anschaut, wer die größten Subventionsempfänger sind, dann findet man auf diesen Listen keinen einzigen Bauern. Man findet GesmbHs, man findet Stiftungen, man findet Familienfonds, also alles „kapitalisierte Bauern“ – unter An­führungszeichen –, und der sogenannte Bauer, der das Klischee der Landwirtschaft am Leben erhält, kommt da überhaupt nicht vor.

Ich darf nur ein Zitat bringen: Zum Beispiel hat die Stiftung Fürst Liechtenstein im Jahr 2019 eine Unterstützung von 1,2 Millionen Euro bekommen oder die Familien-Pri­vatstiftung Eisenstadt – Entschuldigung?! Familien-Privatstiftung Eisenstadt, wo ist da der Bauer? – 236 000 Euro und so weiter. (Abg. Gabriela Schwarz: ... Esterhazy ...!) Diese Liste lässt sich nahtlos fortsetzen.

Deswegen darf ich heute folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einfüh­rung einer Förderobergrenze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf 70.000 Euro pro Betrieb und Jahr aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass

1. eine Förderungsobergrenze von € 70.000, -- aus dem Agrarbudget der EU und Öster­reichs pro Jahr für land- und forstwirtschaftliche Betriebe eingeführt wird

und

2. es zu einer klaren Trennung zwischen den Unterstützungen für die aktiven Bauern und den Förderungen für Industrie-, Handelsfirmen sowie Körperschaften kommt und Agrarförderungen aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs lediglich an aktive Bauern ausbezahlt werden.“

*****

Ich bitte um Unterstützung dieses Antrages, damit die kleinstrukturierte Landwirtschaft eine Chance hat, endlich auch in Österreich zu überleben. (Beifall bei der FPÖ.)

17.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag Gerald Hauser, Peter Schmiedlechner

und weiterer Abgeordneter


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 158

betreffend Einführung einer Förderobergrenze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf 70.000 Euro pro Betrieb und Jahr aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs

eingebracht im Zuge der Debatte über den TOP 17 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 650/A(E) der Abgeordneten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend langfristige Ausrichtung der österreichischen Land­wirtschaft (259 d.B.), am 09.Juli 2020, in der XXVII GP

Die anstehende neue Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab dem Jahr 2021 sollte zum Anlass genommen werden, endlich eine gerechtere Verteilung der Agrarför­derungen auf die einzelnen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe herbeizuführen.

Grundsätzlich richtet sich die Höhe der Förderungen und Unterstützungen nach der Grö­ße des Betriebes bzw. nach der Anzahl der am Hof gehaltenen Tiere. Je mehr Fläche ein Betrieb bewirtschaftet bzw. je mehr Vieh gehalten werden, desto höher ist die Sub­vention.

Laut Transparenzdatenbank erhielten im EU-Haushaltsjahr 2018 (16.10.2017- 15.10.2018):

- 946 Betriebe über 100.000 Euro (das sind 0,8 % der Betriebe);

- 2.873 Betriebe über 50.000 und 100.000 Euro (das sind 2,48 % der Betriebe);

- 20.667 Betriebe über 20.000 und 50.000 Euro (das sind 17,81 % der Betriebe);

- 30224 Betriebe über 10.000 und 20.000 Euro (das sind 26,05 % der Betriebe);

- 23960 Betriebe über 5.000 und 10.000 Euro (das sind 20,65 % der Betriebe);

- 37339 Betriebe unter 5.000 Euro (das sind 32,19 % der Betriebe).

Diese Aufstellung zeigt deutlich die ungerechte Verteilung der Unterstützungen für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe.

Die Förderungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sollten sich daher nach der Anzahl der Arbeitskräfte am Bauernhof richten und es sollte zudem eine Förderobergren­ze von 70.000 Euro pro Betrieb und Jahr eingeführt werden.

Weiters sollten Agrarförderungen den „echten Bauern“ zugutekommen, d.h. Förderun­gen, die dem europäischen und österreichischen Agrarbudget zugerechnet werden, soll­ten ausschließlich bei den „echten Bauern“ ankommen, um ein Überleben unserer heimi­schen Bauern und Bauernhöfe sicherstellen zu können.

Derzeit sind es insbesondere große Industriefirmen, Handelsketten sowie private und öffentliche Körperschaften - wie Kammern, Landesregierungen, die Präsidentenkonfe­renz der Landwirtschaftskammer und ähnliche, - welche mehrere 100.000 Euro an För­derungen aus dem Agrarbudget kassieren. Darüber berichtete zuletzt die Zeitschrift TopAgrar: 1

„AMA bekam das meiste EU-Geld

Alle Jahre wieder müssen die EU-Mitgliedsländer die Agrarfördergeld-Empfänger aus der jeweils letzten EU-Finanzperiode veröffentlichen. Ein Blick auf die aktuelle Liste der Empfänger zeigt, dass nicht nur bäuerliche Familienbetriebe von den Geldern profitie­ren.“

Wie weiter im Text berichtet wird, findet sich unter den ersten 20 Top-Empfängern kein einziger Bauer. Die Liste mit den 20 größten EU-Agrarförderungsempfängern findet man unter:

https://www.topagrar.com/dl/3/4/0/3/6/8/8/Die_20_groessten_Agrarfoerdergeld-Emp­faenger_2017-18.PNG


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 159

„Laut Transparenzdatenbank, die auch von der AMA selbst koordiniert wird, fließt das Geld in die Umsetzung des Programms für ländliche Entwicklung. Weitere 2,36 Mio. € flossen außerdem an die Tochterfirma, die AMA Marketing GmbH“, wird weiter im Text erklärt. Es folgen „Auf Platz zwei landete 2018 die Tirol Pack GmbH, die sich auf das Schneiden und Verpacken von Käse spezialisiert hat. Er erhielt eine Investitionsförde­rung für "materielle Vermögenswerte" in der Höhe von insgesamt 3 Mio. €. Zu den Eigen­tümern zählen mehrere Sennereien und Käsereien.

Und auch weitere Einträge zeigen, dass nicht immer Bauern die Profiteure sind. Über eine Investitionsspritze im hohen sechsstelligen Bereich konnte sich beispielsweise eine Pferdezucht für Haflinger freuen. Knapp 1,3 Mio. € flossen laut Transparenzdatenbank aus Mitteln für die Dorferneuerung im ländlichen Raum in die Errichtung eines Flücht­lingsheims.“ 2

Wir sollen das das EU-Geld bei den kleinen Bauern landet und damit der kleinstrukturier­ten Landwirtschaft zugutekommt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen vor diesem Hintergrund folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass

1.          eine Förderungsobergrenze von € 70.000, -- aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs pro Jahr für land- und forstwirtschaftliche Betriebe eingeführt wird

und

2.          es zu einer klaren Trennung zwischen den Unterstützungen für die aktiven Bau­ern und den Förderungen für Industrie-, Handelsfirmen sowie Körperschaften kommt und Agrarförderungen aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs le­diglich an aktive Bauern ausbezahlt werden.“

1                 https://www.topagrar.com/ama-bekommt-am-meisten-eu-geld-11567036.html?utm_source=topagrar

2                 https://www.topagrar.com/ama-bekommt-am-meisten-eu-geld-11567036.html?utm_source=topagrar

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brandweiner. – Bitte.


17.39.48

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Bundesministe­rinnen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich darf zu Beginn gleich einmal Kollegen Schmiedlechner korrigieren: Die Landwirtschaft liegt bei uns in der ÖVP nicht nur den Bauernbundabgeordneten, sondern uns allen am Herzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Martin Graf: Warum tut ihr dann nichts? – Abg. Schmiedlechner: Warum tut ihr dann nichts? – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 160

Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union, kurz GAP, ist die Basis für unse­re bäuerlichen Familienbetriebe. Unsere Bäuerinnen und Bauern produzieren Lebens­mittel, schaffen Arbeitsplätze – ich selbst habe fast zehn Jahre bei einem Landmaschi­nenhändler gearbeitet –, sie pflegen unsere Landschaft und schauen auf unsere Umwelt.

Österreich zählt im internationalen Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Tier­schutz- und Lebensmittelstandards und hat sich dadurch zu einem Feinkostladen in Eu­ropa entwickelt. Deshalb ist die Sicherstellung der GAP-Mittel im Mehrjährigen Finanz­rahmen der EU natürlich enorm wichtig.

Aktuell läuft der Prozess zur Erstellung des nationalen GAP-Strategieplans. Dieser Pro­zess bietet auch viele Beteiligungsformate; zum Beispiel fanden in letzter Zeit viele Webi­nare mit bis zu 180 Teilnehmern statt, wozu natürlich auch alle hier im Parlament vertre­tenen Parteien eingeladen waren. Es geht darum, die Richtlinien für die Gemeinsame Agrarpolitik bis 2027 zu erarbeiten. Gerade im Hinblick auf den Erhalt unserer regions­typischen agrarischen Struktur braucht es Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und umweltgerechte Bewirtschaftung.

Das ist auch wichtig für mehr als 2 500 Betriebe in meinem Heimatbezirk Zwettl. (Abg. Schmiedlechner: Hast du dir schon einmal das Waldviertel angeschaut? Die mehreren Bauern sperren zu!) – Kollege Schmiedlechner, hör gut zu! Der Bezirk Zwettl ist nicht nur der größte in Niederösterreich, er ist auch einer der schönsten Bezirke in ganz Ös­terreich. Das bestätigt auch das aktuelle Zukunftsranking, in dem der Bezirk Zwettl nach der Stadt Krems als lebenswertester Bezirk geführt wird. Dazu gehört natürlich eine schöne Landschaft, und diese wird von unseren Bäuerinnen und Bauern gepflegt.

Ein persönlich wichtiges Anliegen ist mir auch noch die Unterstützung der jungen Land­wirte. Die wertvolle Arbeit muss sich auch finanziell auszahlen und braucht vor allem eine zukunftsvolle Perspektive. Gerade bei uns am Land engagieren sich die Landwirte auch ehrenamtlich in Vereinen; gerade bei uns bei der Feuerwehr sind die Landwirte meistens die Ersten, die bei Einsätzen sind, sie sind aber auch aktiv bei der Brauchtums­pflege, wo sie sich extrem einbringen. Dafür möchte ich an dieser Stelle an unsere fleißi­gen Bäuerinnen und Bauern auch einmal ein großes Danke sagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Es liegt an uns, die heimische Landwirtschaft zu unterstützen. Wenn wir nur 20 Prozent mehr heimische Produkte kaufen, steigern wir dadurch das Bruttoinlandsprodukt um 4,6 Milliarden Euro, schaffen dadurch 46 000 Arbeitsplätze. Deshalb mein Appell an Sie: Kaufen wir heimische Lebensmittel, frei nach dem Motto: Genial ist, wer regionale und saisonale Produkte isst. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Martin Graf.)

17.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stras­ser. – Bitte.


17.43.33

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Ganz kurz, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, zum Wolfantrag. Ich darf berichten: Am 25. Juni brachten Nationalrat Kühberger und der Steirische Almwirtschaftsverein die Petition „Stei­rische Almen erhalten und schützen“ ein, und wir werden weiter auf Diskussion und Dia­log setzen. (Abg. Schmiedlechner: Das ist Beschäftigungstherapie für die Bauernbund­mitglieder!)

Ich darf euch erinnern, wir waren in einer Koalition, und der Wolf war mit Strache und Kickl nicht zu diskutieren. Ich darf euch erinnern, Landesrat Haimbuchner ist in Oberös­terreich zuständig. Kehrt vor der eigenen Haustür, wir werden weiter auf Diskussion und


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 161

Expertise setzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP. – Abg. Schmiedlechner: Du hast nicht mitge­stimmt! – Abg. Wöginger: Das hat er eh gesagt! Hörst halt zu!)

17.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich darf um ein wenig Aufmerksamkeit bitten.

17.44.24Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 14 bis 17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme. (Unruhe im Saal.)

Sind Sie bereit? – Dann können wir beginnen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Futtermittelgesetz 1999 geändert wird samt Titel und Ein­gang in 233 der Beilagen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird in 236 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Zusatzantrag der Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zuerst über den erwähnten Zusatzantrag und anschließend über den Gesetzentwurf abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag be­treffend die Einfügung neuer Ziffern 28 und 29 eingebracht.

Wer dafür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir dürfen über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regie­rungsvorlage abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist jetzt einstimmig. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Glyphosatkenn­zeichnung für Lebensmittel“.

Ich darf jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen der Zustimmung bitten. – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Abg. Leichtfried: Unglaublich! – Abg. Amesbauer: Die Grünen sind fürs Glyphosat!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 162

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird samt Titel und Ein­gang in 238 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wir auch in dritter Lesung mit dem Gesetz einverstanden ist, den bitte ich um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „rasche Umsetzung der Klimaschutz­milliarde“. (Abg. Wöginger: Geht sich knapp nicht aus!)

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 259 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 650/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 259 der Beilagen ange­schlossene Entschließung betreffend „Evaluierung und gesetzliche Verankerung der GAP-Strategie im bestehenden gesetzlichen Rahmen“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen. (90/E)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten An­gerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Änderung der FFH-Richtlinien zur Siche­rung der heimischen Almwirtschaft“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Einführung einer Förderobergrenze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe auf 70.000 Euro pro Betrieb und Jahr aus dem Agrarbudget der EU und Österreichs“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

17.49.2218. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Bericht über die Fortschritte, Erkennt­nisse und Tätigkeiten des Beratungsgremiums „Human Biomonitoring“, vorgelegt von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-131/254 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Punkt 18 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Frau Ministerin Gewessler.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 163

17.50.02

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Geschätzte Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank beginnen, denn der heutige Verhandlungsgegenstand, dieser Biomonitoringbericht geht auf eine Initiative zurück, die im Nationalrat 2017 beschlossen wurde. Daher wird heute, nach zwei Jahren, dieser Bericht präsentiert. Das verdient einen Dank an jene, die das initiiert haben.

Der Gegenstand des Berichtes sind Auswirkungen von Chemikalien auf die menschliche Gesundheit. Dieser Bericht zeigt auf, in wie vielen unterschiedlichen Medien – Luft, Wasser, Umwelt – bereits die unterschiedlichsten Chemikalien verbreitet sind, und auch die Art und Weise, wie sie auf den Menschen wirken und zu erheblichen Risikofaktoren werden.

Der Bericht mit seiner Vielfalt von Untersuchungen gibt einen guten Querschnitt der Belastungen von Luft, Wasser und in Bezug auf die Nahrungskette. Dazu zählen auch Studien über besonders schützenswerte Bevölkerungsgruppen wie etwa Kinder, die durch Schadstoffe in Innenräumen gefährdet sind. Und es werden die Schadstoffe auf­gelistet, von denen wir bereits wissen, dass sie krebserregend sind und in Bezug auf welche wir daher eine besondere Verantwortung haben, diese Belastungen zu redu­zieren.

Ein besonderer Fokus liegt auf Mikroplastikpartikeln – das ist eine Querschnittsmaterie ‑, Kleinstpartikel in der Größe von bis zu einem halben Millimeter und darunter, sie befin­den sich von der Größe her also schon am Übergang zum Feinstaub, mit höchst pro­blematischen Auswirkungen. Das Material selbst wurde bereits als Störstoff in der Nah­rungskette und im menschlichen Körper nachgewiesen. Mit den ihnen anhaftenden Schadstoffen verursachen sie einen besonderen Schadstoffeintrag in den Körper, noch verstärkt durch Bestandteile des Plastiks wie Weichmacher, von denen bekannt ist, dass sie krebserregend sein können.

Aus diesem Grund bringe ich zusammen mit Vertretern von ÖVP, NEOS und SPÖ einen weiteren Entschließungsantrag ein und bedanke mich für die Unterstützung. Ich lese diesen wie folgt vor:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Michael Bernhard, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktionsplan Mikroplastik“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht einen Aktionsplan gegen Mikroplastik auszuarbeiten, der insbesondere folgende Maßnahmen umfasst:

- Datenerhebung und Evaluierung für Mikroplastikemissionen und Belastungen unter Einbeziehung aller einschlägigen Fachbereiche inklusive der Umwelttoxikologie mit dem Ziel, rechtliche Grundlagen für die Reduktion von Mikroplastik zu entwickeln;

- Einsetzen auf europäischer Ebene für:

- Verbot von Mikroplastik in der Produktion (Ziel einer österreichischen Lösung, sollte es keine europäische Lösung geben)

- Europaweiter Ausstieg aus der Verwendung von Mikroplastik in Kosmetika und Reini­gungsmitteln – sollte kein europäisches Verbot kommen, Anstreben eines nationalen Verbotes von „add-ons“ (Mikroplastikpartikel in Produkten)

- Mikrofilter für Waschmaschinen und Trockner

- Grenzwerte für Industrieanlagen;


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 164

- Gezielte Forschung;

- Nachrüstung von Kläranlagen (im Rahmen des aktuellen Förderprogramms);

- Ziel ist es, die Ausbringung von Klärschlamm bei Belastung durch Mikroplastik und andere Schadstoffe gänzlich zu unterbinden;

- Prüfung eines bundesweiten Verbots für die Ausbringung von Klärschlamm bei Belas­tung durch Mikroplastik und andere Schadstoffe;

- Entwicklung einer Phosphor-Strategie (Plan für die Herstellung von Kapazitäten für die Phosphorrückgewinnung etc.)

- Reduktion der Austragung von Mikroplastik aus Gletschervlies und Abdeckungen von Schneedepots und Entwicklung von alternativen Abdeckungen.“

*****

Ich ersuche um Zustimmung zu diesem wichtigen Aktionsplan gegen Mikroplastik. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Cornelia Ecker.)

17.53

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Astrid Rössler, Johannes Schmuckenschlager, Michael Bernhard, Julia Herr, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aktionsplan Mikroplastik

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht über die Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Beratungsgremiums „Human Biomonitoring“, vorgelegt von der Bun­desministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-131 d.B.)

Begründung

Dem Nationalrat wurde von Bundesministerin Leonore Gewessler der „Bericht über die Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Beratungsgremiums „Human Biomonito­ring“ vorgelegt. Der Bericht ist der erste seiner Art.

Bisher war bekannt, dass Mikroplastik in Gewässern und der Umwelt, ja sogar in der Luft und auf Gletschern gefunden werden kann. Mit einer im Bericht präsentierten Studie steht fest, dass Mikroplastik auch im Menschen vorkommt.

Laut Bericht wurden in allen untersuchten Stuhlproben Mikroplastik nachgewiesen. Es wurden durchschnittlich 20 MikroplastikTeilchen pro 10 Gramm Stuhl gefunden (Größe 50500 µm). Am häufigsten fanden sich die Kunststoffarten Polypropylen (PP) und Poly­ethylenterephthalat (PET). In Summe wurden neun der zehn untersuchten Kunststoffar­ten in den Stuhlproben nachgewiesen. Je TeilnehmerIn fanden sich zwischen drei und sieben unterschiedliche Kunststoffe im Stuhl.

Der Studie zufolge ist noch unklar welche Auswirkungen Mikroplastik im menschlichen Körper hat. Das kann erst in weiteren, groß angelegten Studien erforscht werden. Zu­sätzlich sind Untersuchungen zum Vorkommen von Mikroplastik in anderen Körperberei­chen, wie der Lunge, und die Identifizierung der wichtigsten Mikroplastikquellen in unse­rer Nahrung wichtig und notwendig.1


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 165

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht einen Aktionsplan gegen Mikroplastik auszuarbeiten, der insbesondere folgende Maßnahmen umfasst:

•             Datenerhebung und Evaluierung für Mikroplastikemissionen und Belastungen unter Einbeziehung aller einschlägigen Fachbereiche inklusive der Umwelttoxiko­logie mit dem Ziel, rechtliche Grundlagen für die Reduktion von Mikroplastik zu entwickeln;

•             Einsetzen auf europäischer Ebene für:

o            Verbot von Mikroplastik in der Produktion (Ziel einer österreichischen Lösung, sollte es keine europäische Lösung geben)

o            Europaweiter Ausstieg aus der Verwendung von Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln – sollte kein europäisches Verbot kommen, Anstreben eines nationalen Verbotes von „add-ons“ (Mikroplastikpartikel in Produkten)

o            Mikrofilter für Waschmaschinen und Trockner

o            Grenzwerte für Industrieanlagen;

•             Gezielte Forschung;

•             Nachrüstung von Kläranlagen (im Rahmen des aktuellen Förderprogramms);

•             Ziel ist es, die Ausbringung von Klärschlamm bei Belastung durch Mikroplastik und andere Schadstoffe gänzlich zu unterbinden;

o            Prüfung eines bundesweiten Verbots für die Ausbringung von Klärschlamm bei Belastung durch Mikroplastik und andere Schadstoffe;

o            Entwicklung einer Phosphor-Strategie (Plan für die Herstellung von Kapazitäten für die Phosphorrückgewinnung etc.)

•             Reduktion der Austragung von Mikroplastik aus Gletschervlies und Abdeckungen von Schneedepots und Entwicklung von alternativen Abdeckungen.“

1                 Autorinnen und Autoren/Institution: B. Liebmann, S. Köppel (Umweltbundesamt GmbH); P. Königshofer, T. Bucsics, M. Trauner, T. Reiberger, P. Schwabl (Medi­zinische Universität Wien) (Studie 2017-2018).

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ecker. – Bitte.


17.54.09

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Die Öster­reicherinnen und Österreicher sind tagtäglich einer Vielzahl an Umweltgiften und Chemi­kalien ausgesetzt. Dies lässt sich oftmals gar nicht verhindern, denn in unserer Gesell­schaft gehören viele Schadstoffe bereits zum Alltag, und dass man sich ihnen entzieht, ist oftmals ganz, ganz schwierig. Man denke an den Feinstaub in der Luft, an die Che­mikalien in unserer Kleidung, an etwaige Medikamente oder Hormone im Fleisch und in der Wurst.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 166

Ich möchte keine Angst verbreiten, denn eines stimmt auch, nämlich dass die Dosis das Gift macht, und genau da setzt der Human-Biomonitoring-Bericht an. Er bildet ab, in welchem Ausmaß Menschen tatsächlich mit Umweltchemikalien belastet sind, die über verschiedene Quellen in unserem tagtäglichen Leben aufgenommen werden. Deshalb war es wichtig und richtig, dass wir 2017 im Nationalrat beschlossen haben, uns alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen zu lassen.

Wie beeinflusst die Innenraumluft die Kinder in unseren Ganztagsschulen? Wie hoch ist die Schwermetallbelastung bei Österreicherinnen und Österreichern? Ist die Muttermilch mit Schadstoffen belastet? Wenn ja, welche Auswirkungen hat das für unsere Kinder? Dies ist nur ein kleiner Auszug aus den Fragen, mit denen sich der Bericht befasst. Für mich steht fest, dass der Bericht und die darin enthaltenen Studien richtungsweisend sein müssen: richtungsweisend für unsere Arbeit hier im Parlament, denn die Auswirkun­gen auf die Menschen sind eklatant.

Wir als SPÖ begrüßen dieses Monitoring natürlich sehr und befürworten auch jegliche Intensivierung. Wir sagen aber gleichzeitig auch, dass die daraus gewonnenen Zahlen, Daten und Fakten zum Schutz von uns allen in unsere politischen Entscheidungspro­zesse mit einfließen und ernst genommen werden sollen, denn gerade in puncto Ernst­genommenwerden sind in der Vergangenheit sehr viele Fehler passiert, und sie pas­sieren auch noch tagtäglich.

Wir haben heute schon über das wahrscheinlich krebserregende Totalherbizid Glypho­sat diskutiert. Es wird trotz massiver wissenschaftlicher Bedenken weiterhin auf unsere Felder gesprüht. Von einem EU-weiten Verbot sind wir gerade in dem Bereich meilenweit entfernt. Auch das Insektizid Chlorpyrifos beispielsweise hätte Österreich wahrscheinlich nie verboten, schon gar nicht unter dieser Landwirtschaftsministerin, wenn da nicht die EU die Notbremse gezogen und die Zulassung EU-weit gestoppt hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen im Sinne des Vorsorgeprinzips handeln und die Wissenschaft und ihre Er­kenntnisse ernst nehmen. Deshalb nochmals mein Appell: Nehmen wir solche wichtigen Berichte wie zum Beispiel den vorliegenden ernst, beziehen wir ihn und die Daten und Fakten daraus in unsere Handlungen mit ein! Ich für meinen Teil werde sie nach bestem Wissen und Gewissen in meine politische Arbeit einfließen lassen.

Zum Abschluss möchte ich mich bei der Human-Biomonitoring-Plattform sehr herzlich für den Bericht bedanken und auch sehr herzlich dazu gratulieren. Ich wünsche uns, dass wir in Zukunft viele Erkenntnisse daraus vor allem auch national und für unsere Bevölkerung nach bestem Wissen und Gewissen umsetzen können, ja, wir sollen und müssen das tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmucken­schlager. – Bitte.


17.58.01

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Mit dem Biomonitoringbericht liegt uns ein umfangreiches Daten­werk vor. Es sind ja die Ergebnisse vieler, vieler Jahre, die darin zusammengefasst sind. Besonders eindrucksvoll ist, dass wir damit nicht nur eine Auflistung der Schadstoffe und der Belastungen durch sie haben, sondern vor allem auch eine Analyse der Wechselwir­kungen dieser Schadstoffe mit dem Menschen und letztendlich eine Beurteilung der bio­logischen Wirkung auf uns als Spezies. Das ist wichtig, wenn wir dementsprechend Prä­ventionsziele setzen möchten.

Die Liste der Institutionen, die da tätig sind, ist umfangreich, es sind die Ages, sämtliche Bundesministerien, die AUVA, die Universität Graz, Landessanitätsdirektionen, die Uni­versität Wien et cetera, et cetera. Das ist insofern spannend, weil dieser Bericht all diese


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 167

Daten zusammenzieht. Das zeigt letztendlich auch die Stärke der Datenbasis, auf deren Grundlage die Politik in weiterer Folge agieren kann. Das ist ganz, ganz wichtig. (Präsi­dentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte kurz zwei Beispiele anführen. Das eine ist die Frage der Belastung mit HCB im Görtschitztal. Auch das ist Teil dieses Berichtes, sodass man die durch ein Zement­werk, in dem mit Blaukalk gearbeitet wurde, ausgelöste Katastrophe, durch die HCB in die gesamte Lebensmittelkette gelangt ist, bis hin zu den Folgewirkungen für die Men­schen ganz klar nachvollziehen kann.

Ein weiterer Punkt, auf den ich hinweisen möchte – und ich glaube, das wird in Zukunft wichtig sein, und das wird auch für das Biomonitoring wichtig sein –, ist, dass wir auch den Klimawandel und die Wechselwirkungen des Klimawandels ganz besonders in den Fokus nehmen müssen.

Es sind nicht nur die chemischen, sondern auch biologische Schadstoffe, die unseren Körper belasten können. Ich möchte hier die Gruppe der Mykotoxine erwähnen, die letzt­endlich ein Stoffwechselprodukt aus den Fusarien sind – das sind Schadpilze bei Ge­treide und Mais.

Das heißt, wenn wir da nicht sauber arbeiten, dann haben wir in der Lebensmittelkette Verunreinigungen, die uns enorme Belastungen bringen, nämlich über die Nahrung hin zum Menschen. Das heißt, da müssen wir in der Agrarpolitik Vorkehrungen treffen, näm­lich in Bezug auf Feldhygiene, damit Agrarwirtschaft möglich ist. Da müssen wir dann auch das Thema des Pflanzenschutzes allumfänglich diskutieren. Da reicht es nicht, das sozusagen einseitig zu diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Ich denke, der Bericht stellt eine durchaus ausreichende Datenbasis dar, um das umfangreich anzugehen.

Künftig werden wir also noch aufmerksamer die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wechselwirkung verschiedener Schadstoffe – letztlich auf uns als Menschen – be­obachten müssen, nämlich der chemischen, aber auch der natürlichen Schadstoffe. Dann werden wir hier auch weiterhin Sicherheit gewähren können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.01


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


18.01.20

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministe­rin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Biomonito­ring ist das Thema. Wir NEOS freuen uns, dass wir uns als Republik und als Umweltaus­schuss tatsächlich evidenzbasiert der Problematik annähern, welche Chemikalien wel­che Wirkung auch auf den menschlichen Körper haben.

Ich finde, das ist eine extrem spannende Frage! Wir diskutieren im Hohen Haus sehr oft über die Frage der Wirkung des Klimawandels, wir sprechen auch oft über die Frage des Verlustes der Biodiversität, wir sprechen aber sehr selten direkt über die Frage der Aus­wirkung auf den menschlichen Körper, was Chemikalien und natürlich auch biologische Stoffe betrifft.

Die Studien im Bericht sind zahlreich und sehr aufschlussreich, ich möchte aber auch zwei andere Studien, die mir zuletzt Sorgen bereitet haben, erwähnen. In der ersten Studie, aus Deutschland, ist es um eine Chemikalie namens Perfluoroctansäure gegan­gen. Die wird, weil sie wasserabweisend ist, für Jacken, Oberflächen und vieles mehr eingesetzt. Bei 20 Prozent der Kinder, die in Deutschland getestet worden sind, ist diese Chemikalie im Körper in einem besorgniserregenden Ausmaß festgestellt worden.


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Bei der anderen Studie, an der übrigens das österreichische Umweltbundesamt mitge­macht hat, ist es um das Thema Mikroplastik im Organismus gegangen. Da hat man bei allen Prüfungen festgestellt, dass Mikroplastik im Körper aller untersuchten Personen vorhanden war, es ist also vermutlich auch in den Körpern aller hier Anwesenden ent­halten.

Wir müssen uns daher die Frage stellen: Wie gehen wir mit Stoffen um, die wir zweifellos brauchen? Frau Ministerin, da ist natürlich mehr gefragt als ein Plastiksackerlverbot oder ein Pfandsystem. Es wird die Frage sein, wie wir in den nächsten 20, 30, 40, 50 Jahren mit Kunststoff ganz generell umgehen. Kunststoff als Werkstoff wird für die Menschheit aus heutiger Sicht bei richtigem Einsatz auch dauerhaft wertvoll und sinnvoll sein, aller­dings nur dann, wenn er auch in einem Kreislauf in einem industriellen Produktionsrah­men bestehen bleibt oder richtig entsorgt wird: so, dass er eben nicht in die Umwelt gerät, so, dass er nicht in die Nahrungskette gerät, so, dass er am Ende des Tages weder in die menschliche Welt noch in die Tierwelt gelangt.

Wir haben heute Kenntnis darüber, welche Stoffe im menschlichen Körper vorhanden sind, wir wissen aber noch nicht, und das ist eine sehr spannende Frage, was das ge­sundheitlich bedeutet. Wir wissen, wir können messen, was drinnen ist, es gibt aber noch keine Beobachtungen über einen längeren Zeitraum, sodass man sagen könnte: In zehn, 20, 30 Jahren bedeutet das für unsere Kinder, für die Erwachsenen, vielleicht auch für die ältere Generation bestimmte Risiken. Das ist besorgniserregend, und da muss man weiter forschen.

Ich möchte noch zwei Sätze zu einem Thema verlieren, das auch mit Umwelteinflüssen zu tun hat, bei dem man allerdings schon ein Stück weiter ist, damit man sieht, was die Unkenntnis bedeuten kann.

Im Bereich der Umwelteinflüsse, vor allem im Bereich der Luftverschmutzung, gab es zuletzt eine heftige Diskussion, weil die Luftverschmutzung durch den Lockdown ja teil­weise zurückgegangen ist. Wir wissen, dass beispielsweise die Feinstaubbelastung in Europa jedes Jahr knapp 100 000 Menschenleben fordert und dass der volkswirtschaftli­che Schaden allein in Österreich 2 Milliarden Euro ausmacht. Das wäre in etwa das Bud­get der Verteidigungsministerin – da müssen Sie nicht so viel schwurbeln wie derzeit. Man sieht, dass all das, was derzeit an Umwelteinflüssen unterwegs ist, im Wesentlichen nicht gut ist, weder für die Menschen noch für die Tiere, und der Biomonitoringbericht ist ein guter erster Schritt in die richtige Richtung.

Der Antrag, den wir heute gemeinsam auf den Weg bringen, dass wir uns als Republik des Themas Mikroplastik annehmen, ist ein zweiter guter Schritt, und auf diesen freue ich mich. – Einen schönen Tag! Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordne­ten der ÖVP.)

18.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Leonore Ge­wessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.05.33

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete des Hohen Hauses! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich nicht nur sehr über die anerkennenden Worte aus allen Fraktionen, die jetzt zum Human-Biomonito­ring-Bericht vorgebracht wurden, sondern auch darüber, dass wir uns die Zeit nehmen, um diesem ersten Bericht der Plattform Human Biomonitoring in Österreich auch im Ple­num, im Hohen Haus den gebührenden Rahmen zu geben.

Er geht ja auf einen einstimmigen Beschluss aus diesem Hohen Haus zurück. Ich möch­te mich deswegen bei allen Mitgliedern der Plattform, die Sie übrigens alle im Bericht


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angeführt finden – Abgeordneter Schmuckenschlager hat es erwähnt –, herzlich bedan­ken. Sie haben wirklich konstruktiv und intensiv mitgearbeitet, nämlich unter der Leitung des Herrn Dr. Jakl aus unserer chemiepolitischen Abteilung, der heute auch hier ist, um diesen Bericht eben so umfassend, wie er jetzt hier vorliegt, auf den Boden zu bringen.

Ich beginne mit den Good News aus diesem Bericht: Tatsächlich ist festzuhalten, dass die Gesamtbelastung in Österreich trotz aller Themen, die wir heute angesprochen haben, im internationalen Vergleich relativ gering ist. Trotzdem ergibt das immer noch einen Handlungsauftrag. Viele Themen haben Sie heute genannt, und einige werden Sie mir mit auf den Weg geben. Diesen Handlungsauftrag können wir aber gerade deswegen so klar formulieren, weil es diesen Bericht gibt, weil wir uns evidenzbasiert mit dem The­ma gesundheitsbezogene Umweltbelastungen auseinandersetzen.

Diese Daten, die wir daraus gewinnen, sind wichtig, und zwar nicht nur, um Rückschlüs­se zu ziehen – wie effektiv gesetzliche Regelungen sind, die wir getroffen haben, zum Beispiel bei der Beschränkung von gewissen Schadstoffen oder Verboten von bestimm­ten Schadstoffen –, um besonders vulnerable Gruppen zu schützen, sondern sie sind auch Wegweiser für die Zukunft. Frau Abgeordnete Ecker hat vorhin auch richtigerweise gefragt, was die Wirkung dieses Berichts ist, und ich möchte es am Beispiel Mikroplastik gerne kurz ausführen.

Die österreichischen Untersuchungen, die Michi Bernhard vorhin zitiert hat, nämlich bei­spielsweise die Mikroplastikstudie 2018 der Medizinischen Universität Wien, waren maßgeblich daran beteiligt, die Diskussion zum Mikroplastikverbot auf EU-Ebene anzu­stoßen. Dass wir dieses jetzt auf EU-Ebene diskutieren, dass an einem Mikroplastikver­bot – primäres Mikroplastik – auf EU-Ebene gearbeitet wird, darauf hat auch die öster­reichische Forschungs- und Untersuchungstätigkeit einen großen Einfluss, und das freut mich.

Ganz kurz noch zum Thema Mikroplastik: Die Thematik ist im Antrag sehr ausführlich dargelegt. Wir arbeiten im BMK gerade an einer Vielzahl an Untersuchungen, um dieses Verbot auf EU-Ebene auch tatsächlich zu untermauern. Da geht es um Mikroplastik in Kläranlagen, Probenahmen von Mikroplastik in der Donau; die Bestimmung von Plastik in Böden ist in Vorbereitung.

Wir arbeiten gemeinsam mit den Umweltagenturen der anderen Länder in der Interest Group Plastics daran, auch den toxikologischen Aspekt noch besser in den Griff zu krie­gen, um eben die Europäische Kommission bei der Umsetzung des Verbots bestmöglich beraten zu können.

Vielleicht abschließend noch: Was leitet sich für mich aus diesem Bericht ab, abgesehen von konkreten Handlungsaufträgen wie jenem zum Thema Mikroplastik? – Wir müssen das Thema auf EU-Ebene, aber auch national nachhaltig absichern. Das tun wir mit einem Horizon-Europe-Projekt, in dem wir uns diesem Thema in einem breiteren Kontext widmen.

Wir wollen dieses Projekt, das ist der zweite Punkt, wirklich als Antennenprojekt aufset­zen, um Entwicklungen – auch Michi Bernhard hat sie vorhin beschrieben –, insbeson­dere neue Belastungen, rechtzeitig zu erkennen und rechtzeitig darauf reagieren zu kön­nen, wie eben perfluorierte Kohlenwasserstoffe, die gerade im Zusammenhang mit Funktionstextilien und Löschmitteln ein Thema sind.

Das bedeutet, neue Belastungen rechtzeitig zu erkennen und betreffend alte Belastun­gen Qualität zu sichern.

Wir wollen natürlich auch Informationsarbeit leisten und das Thema in die Breite, in die Bevölkerung bringen – ich habe ein Bespiel mit: „Gesunder Start ins Leben“ (eine Bro­schüre mit dem Titel „Gesunder Start ins Leben / Chemikalien im Alltag und ihre Wirkung


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auf Schwangere, Neugeborene und Babys“ zeigend) –, denn deswegen machen wir die­sen Bericht. Das ist kein Selbstzweck, sondern Zweck ist, mit einem gesundheitsbezoge­nen Umweltmonitoring uns allen ein gesünderes Leben in einer gesunden Umwelt zu ermöglichen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.10


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ernst Gödl. – Bitte.


18.10.29

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Umweltmi­nisterin! Ich kann mich voll und ganz dem anschließen, was Sie soeben ausgeführt ha­ben und gleich einiges von meiner Rede weglassen.

Es ist für mich als Mitglied des Umweltausschusses und für uns alle, glaube ich, er­freulich, zum ersten Mal so einen Bericht in Händen zu halten. Es ist ein „Bericht über die Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Beratungsgremiums ,Human Biomoni­toring‘“. Wir müssen uns im Klaren sein – und das haben Sie auch ausgeführt ‑, dass wir für die Bewältigung vieler Zukunftsfragen eine enge Verknüpfung mit der Forschung be­nötigen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Das Besondere an diesem Bericht ist, dass es gelingt, die Schadstoffe, die Schadstoff­belastung im menschlichen Körper sichtbar zu machen. Das gelingt durch eine sehr gute wissenschaftliche Zusammenarbeit auf vielen Ebenen, quer über alle Bundesländer. Als Steirer freue ich mich natürlich, dass beispielsweise die Medizinische Universität Graz und auch die Landessanitätsdirektion Steiermark dabei sind. Auf europäischer Ebene gibt es ebenfalls eine breite Vernetzung von über 100 Institutionen in 28 Ländern, die daran teilnehmen. Am Ende des Tages ist es also ein Werkzeug der europäischen Um­welt- und Gesundheitspolitik.

Ich glaube – und danke, dass Sie das auch erwähnt haben, Frau Ministerin –, wir können stolz darauf sein, dass in Österreich die Schadstoffbelastung im menschlichen Körper unterdurchschnittlich hoch ist, dass wir eigentlich prinzipiell gute Ausgangswerte haben, was natürlich mit vielen Faktoren zu tun hat, unter anderem damit, dass wir seit Langem auf gesundes Trinkwasser Wert legen und in vielen Bereichen die Luftqualität schützen.

Ich möchte das Thema Mikroplastik gesondert ansprechen, denn diese Studie hat nach­gewiesen, dass in jedem menschlichen Körper, in den Ausscheidungen, Mikroplastik gefunden worden ist. Ich denke, wir brauchen greifbare Projekte, die wir umsetzen, damit dies in der Bevölkerung verständlich wird. Das Plastiksackerlverbot, das seit heuer in Kraft ist und das Kollege Bernhard nebenbei erwähnt hat, ist so ein kleines Mosaik­steinchen.

Es ist ein ganz kleines Mosaiksteinchen – tatsächlich, denn wir hatten ja einige Tausend Tonnen Kunststofftragetaschen in Österreich, die dann teilweise wiederum in der Natur, auf Müllhalden, teilweise in der Verbrennung gelandet sind. Wir haben in Österreich auch gesehen, dass in den letzten Jahren 100 Kilogramm Plastik pro Tag über die Donau abtransportiert wurden. Wo wird das am Ende des Tages landen? – Natürlich kann man ganz vereinfacht sagen: in unserer Nahrungskette. Das wurde mit dieser Studie nachge­wiesen.

Daher: Es ist wichtig, dass wir Entscheidungen basierend auf wissenschaftlichen Eviden­zen treffen, die Umweltpolitik darauf aufbauen. So gesehen ist dieser erste Fortschritts­bericht ein guter Auftakt zu einem echten Fortschritt zum Schutz unserer Lebensressour­cen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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18.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.


18.13.41

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Geschätzte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Wie wichtig die Gesundheit ist, hat das erste Halbjahr dieses Jahres gezeigt.

Die Gesundheit der Menschen steht im Wechselspiel mit der Umwelt und dem Lebens­umfeld. Der hohen Lebenserwartung der Österreicherinnen und Österreicher liegen mehrere Parameter zugrunde: ein gutes, krisenfestes Gesundheitssystem, sauberes Trinkwasser, sichere Lebensmittel – wie in der vorherigen Debatte besprochen –, ein Netz an zahlreichen Vorsorgemaßnahmen, renommierte Forschungseinrichtungen und eine lebenswerte Umwelt. Die Umwelt und das unmittelbare Lebensumfeld bilden eine wichtige Grundlage für unsere Gesundheit.

Unsere erfolgreiche Zivilisation hat es in ihrer Entwicklung zu Errungenschaften ge­bracht, die unseren Wohlstand sichern. Wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Wir Men­schen sind im Alltag bewusst und unbewusst zahlreichen Chemikalien und chemischen Prozessen ausgesetzt. Somit steht unsere Gesundheit in direkter Korrelation zur Umwelt und dem Umweltschutz.

Zu den Fragen der Beziehung von Lebensumwelt und Gesundheit gab es in der Ver­gangenheit schon viele Untersuchungen, Einzelinitiativen, es wurde viel geforscht und es gab hochkarätige wissenschaftliche Publikationen. Daran knüpft der Human-Biomo­nitoring-Bericht an. Inhaltlich geht es darum, welche Schadstoffe im menschlichen Kör­per nachgewiesen werden können und in welcher Konzentration sie vorgefunden wer­den. Wie gesund sind wir Österreicher wirklich? Auf diese Fragen gibt der gegenständli­che Bericht erstmals eine gesammelte Antwort in Form der Zusammenführung der vielen Punkte – ein big picture also.

Dieser Bericht, dessen Erstellung 2017 vom Nationalrat einstimmig beschlossen wurde, soll alle zwei Jahre erscheinen und führt die verschiedensten einzelnen Aktivitäten, wie sie von den VorrednerInnen genannt wurden, zusammen.

Weichmacher, HCB, Quecksilber, Blei, Schwermetalle, Mikroplastik, Schimmelpilze und Luftschadstoffe sind unter anderem jene Substanzen, auf die die Untersuchungen ab­zielen. Zum Beispiel wurde in der Studie festgestellt, dass eine Weichmacher-BPA-Be­lastung in Österreich zwar nachweisbar, aber niedriger als in anderen Staaten ist.

Jetzt geht es darum, die Anstrengungen in diesem Bereich zu bündeln und strategisch auszurichten, was vorzugsweise auf europäischer Ebene erfolgen soll. Ein Schritt dazu wurde in der vergangenen EU-Ratspräsidentschaft unter Bundeskanzler Sebastian Kurz gesetzt. Diesen Weg wollen wir intensiv weiterverfolgen.

Abschließend: Die von mir eingangs erwähnte hohe Lebenserwartung spiegelt leider nicht ein gesundes Altern wider. Diesbezüglich haben wir in Österreich noch Aufholbe­darf, denn alt werden allein reicht nicht aus, wir müssen mit Qualität alt werden. Das Human Biomonitoring ist ein Werkzeug, um Österreich besser zu machen, sodass wir ein Stück weit ökologischer und gesünder werden. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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18.17


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Umweltausschusses und fahre in der Tagesordnung fort.

18.17.2119. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 688/A(E) der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung des Störfalls im AKW Temelín und für einen weltweiten Atomausstieg (255 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Frau Abgeordnete Julia Herr, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.


18.17.52

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Ich freue mich wirklich, dass es dieser Antrag heute auf die Tagesordnung geschafft hat. Ich erkläre auch kurz, warum ich glaube, dass dies so wichtig ist.

In der Nacht auf den 15. Mai kam es im Atomkraftwerk Temelín zu einem Zwischenfall. Das ist jenes Atomkraftwerk, das sich 50 Kilometer von der österreichischen Grenze ent­fernt in Tschechien befindet. Was ist genau passiert? – Es kam zu einer automatischen Schnellabschaltung des Reaktorblocks 1. Warum? – Das wissen wir nicht so genau. Was wir aber wissen, ist, dass wenige Tage später der Reaktor wieder in Betrieb genom­men wurde. Mittlerweile ist dieser Vorfall zwei Monate her und immer noch nicht aufge­klärt.

Geschätzte Kollegen und Kolleginnen, so eine Schnellabschaltung muss uns aber wich­tig sein, und wir müssen sie hier auch behandeln. Ich bringe vielleicht ein Beispiel, etwas Vergleichbares, damit man sich das vorstellen kann. Eine Schnellabschaltung ist, wie wenn man auf der Autobahn mit vollem Karacho dahinfährt und plötzlich eine Vollbrem­sung hinlegt. Da kommt es natürlich zu Abnützungserscheinungen. Es sind Bremsbelä­ge, die sich abnützen, und das Risiko eines Unfalls wird erhöht.

Deshalb kann uns das nicht wurscht sein, und es kann uns schon gar nicht wurscht sein, wenn es beim Atomkraftwerk Temelín passiert, das nämlich von Beginn an störanfällig war. Das muss man wirklich so sagen. Dieser Reaktor ist nach sowjetischem Design gemacht, er ist eine sowjetische Produktion gemischt mit US-Technik. Von Beginn an haben Expertinnen und Experten davor gewarnt. Genau das aber ist eingetreten: Es hat sehr viele Zwischenfälle gegeben, manchmal mehrere pro Jahr.

Wie gesagt, dieses Risikoatomkraftwerk steht 50 Kilometer von unserer Grenze entfernt. Deshalb fordern wir eine intensive, vollständige Aufklärung dieser Störung und auch, dass wir als Österreich sofort informiert werden, denn so eine Störung muss ganz ein­fach aufgeklärt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun werden Sie sich vielleicht denken: Na ja, reicht es, diesen Störfall aufzuklären? – Nein, natürlich reicht das nicht. Temelín steht ja symbolisch für die generelle Gefahr, die von Atomkraftwerken ausgeht. Die Bilder von Fukushima und von Tschernobyl haben wir alle noch im Kopf. Wir haben nicht nur die Bilder im Kopf, sondern wir haben noch immer – mehr als 35 Jahre später – eine hohe Strahlenbelastung, höher, als sie sonst in Österreich gewesen wäre.

Rufen wir uns nun in Erinnerung: Tschernobyl war 1 000 Kilometer von Österreich ent­fernt, und wir leiden noch immer; Temelín ist 50 Kilometer entfernt, ist also 20-mal näher. Deshalb fordern wir heute auch – mit „wir“ meine ich alle Parteien in diesem Haus; und es freut mich ganz besonders, dass wir das wirklich geschafft haben, obwohl es kurz nicht so ausgeschaut hat, aber nun haben wir es zustande gebracht – alle gemeinsam, dass das Atomkraftwerk Temelín vom Netz genommen und stillgelegt werden soll. (Bei­fall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Darüber hinaus erneuern wir heute alle gemeinsam – ich glaube, das kann man so sa­gen – auch unsere Forderung nach einem weltweiten Atomausstieg, weil das der einzige Weg ist, wie wir dieses Problem tatsächlich lösen können.

Vielleicht noch ein letzter Satz: Warum ist das Thema so aktuell? – Nicht nur aufgrund des Vorfalles, sondern weil uns ja aufgrund der Klimakrise ganz viele Leute erzählen: Ja, da müssen wir aus der fossilen, aus der umweltschädlichen Energie aussteigen und hin zur Atomenergie! – Wir werden aber sicher nicht die eine Bedrohung, die Klimakrise, mit einer anderen Bedrohung lösen können! Das stimmt ganz einfach nicht. Die erneu­erbare Energie, der Wind und die Sonne, muss die Zukunft sein. Es kann nicht die Lö­sung sein, eine weitere tickende Zeitbombe auf unseren Boden hinzustellen. Dahin ge­hend: Nein zur Atomkraft und Ja zur Ausschaltung des Atomkraftwerkes Temelín! – Dan­ke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Martin Litschauer. – Bitte.


18.22.31

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehern und via Livestream! Ich bin in der unglücklichen Lage, genau zwischen Temelín und Dukovany zu wohnen, und zwar ziemlich genau in der Mitte. Ich habe mich auch schon damals, vor 20 Jahren, ganz massiv gegen das AKW Temelín eingesetzt. Als das Melker Abkom­men hier im Haus verhandelt worden ist, bin ich draußen gestanden und habe gegen die Inbetriebnahme demonstriert.

Damals wurde auch ein sehr wichtiger Punkt erreicht: Es gibt einen erhöhten Informa­tionsaustausch zwischen Tschechien und Österreich, und den sollten wir auch nutzen, um den Vorfall, der sich am 15. Mai ereignet hat, aufzuklären. Ich vertraue auf die Minis­terin und das Kabinett, dass das entsprechend passiert. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Herr.)

Ich erwähne das auch deshalb, weil es sich da nicht um einen Ines-2-Störfall handelt, bei dem grundsätzlich Informationen weitergegeben werden müssten. Diesen Informa­tionsaustausch bräuchten wir auch bei anderen Atomanlagen, die an unseren Grenzen stehen. Wir haben da auf dieser bilateralen Ebene noch Handlungsbedarf, damit das in Zukunft auch besser funktioniert. Nur wenn wir über die Zwischenfälle Bescheid wissen, wissen wir auch über das Risiko Bescheid, mit dem wir konfrontiert sind, und in die Rich­tung müssen wir uns entwickeln.

Es freut mich, dass es da die Initiative der SPÖ gegeben hat, das im Umweltausschuss zu behandeln, und dass wir in den Verhandlungen einen gemeinsamen Entschließungs­antrag formulieren konnten, den ich hiermit auch einbringen möchte:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Nikolaus Prinz, Julia Elisabeth Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufklärung des Zwi­schenfalls und Stilllegung des AKW Temelín“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene und bilateral mit Tschechien dafür einzusetzen, dass


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- eine intensive, transparente und vollständige Aufklärung des Zwischenfalls im AKW Temelín mit und durch die tschechischen Verantwortlichen erfolgt und Österreich von den Ergebnissen umfassend und zeitnah in Kenntnis gesetzt wird,

- es zu keinen Verlängerungen des Betriebs des Kraftwerks kommt und das AKW vom Netz genommen und stillgelegt wird.“

*****

Es freut mich auch, dass wir im Umweltausschuss noch ein zweites Thema anschneiden konnten, und zwar sind das die Atommüllendlager. Da kommen momentan aus Tsche­chien sehr viele Hilferufe, und auch die Waldviertler Gemeinden haben das schon aufge­nommen. Vor Kurzem sind bereits vier Resolutionen aus den Gemeinden Horn, Langau, Rastenfeld und Zwettl eingetroffen. Da sieht man, dass die Bedrohung durchaus wahr­genommen wird und dass wir diese Zwischenlager und die Atommülllager wirklich ernst nehmen und darauf achten müssen, dass sich Österreich bei der Standortentscheidung und bei der Ausgestaltung dieser Standorte entsprechend einbringen kann.

Es freut mich, dass wir hier mit allen Fraktionen daran arbeiten, das zu erreichen, und auch gemeinsam weiter am Atomausstieg arbeiten werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie der Abg. Herr.)

18.25

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Martin Litschauer, Nikolaus Prinz, Julia Herr, Walter Rauch, Michael Bernhard,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufklärung des Zwischenfalls und Stilllegung des AKW Temelín

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Umweltausschusses über den An­trag 688/A(E) der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Aufklärung des Störfalls im AKW Temelín und für einen weltweiten Atomausstieg (255 d.B.) (TOP 19)

Begründung

In der Nacht auf den 15. Mai 2020 kam es im Block 1 des tschechischen AKW Temelín zu einem Zwischenfall, woraufhin der Reaktor heruntergefahren wurde. Der Betrieb in Reaktorblock 1 wurde wenige Tage später wiederaufgenommen. Dieser Zwischenfall reiht sich in eine jahrzehntelange Kette an Störfällen im AKW Temelín ein und benötigt dringend umfassende Aufklärung.

Umweltorganisationen beschreiben das AKW Temelín bereits länger als unsicher und störanfällig. Trotzdem soll das 20 Jahre alte Atomkraftwerk weiterhin in Betrieb bleiben.

34 Jahre nach Tschernobyl und neun Jahre nach Fukushima erinnern Vorfälle wie jener im AKW Temelín an die anhaltende Gefährlichkeit von Atomkraft. Das macht weitere Anstrengungen für eine Zukunft ohne Atomstrom nötig. Gerade auch in Bezug auf die Klimakrise und die notwendige Energiewende muss klar sein, dass Atomstrom keine Alternative zu fossilen Energieträgern ist und der richtige Weg daher nur in der Entwick­lung und dem Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung liegen kann. Sowohl die Gefähr­lichkeit des Betriebs eines AKWs als auch die Frage der Endlagerung abgebrannter Brennelemente sind mit dem Ziel einer lebenswerten Zukunft unvereinbar.


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Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene und bilateral mit Tschechien dafür einzusetzen, dass

-             eine intensive, transparente und vollständige Aufklärung des Zwischenfalls im AKW Temelín mit und durch die tschechischen Verantwortlichen erfolgt und Ös­terreich von den Ergebnissen umfassend und zeitnah in Kenntnis gesetzt wird,

-             es zu keinen Verlängerungen des Betriebs des Kraftwerks kommt und das AKW vom Netz genommen und stillgelegt wird.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Gerhard Deimek, Sie gelangen als Nächster zu Wort. – Bitte.


18.25.54

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Wir behandeln hier ein für Österreich sehr wichtiges Thema. Ich muss sagen, von den ursprünglich zur Verfügung stehenden Anträgen hätten wir auch den Antrag von Kollegin Herr mitgenommen; den nehmen wir auf jeden Fall mit, wir stehen auch drauf und wollen ihn beschließen.

Frau Bundesministerin, es ist schön, wenn wir sagen: transparente Aufklärung und so weiter und keine Verlängerung! – Es ist aber auch wichtig, dass die sogenannte beste Atomenergie nicht in der Tschechei zum Einsatz kommt (Zwischenruf der Abg. Herr), und es ist wichtig, dass auch dieses Bewusstsein irgendwann einmal rüberkommt: dass man sich zwar vielleicht eine gewisse Zeit mit diesen älteren Kraftwerken mit einer schlechten vorhandenen Technologie drüberretten kann, aber es ist keine Lösung, wie wir in die Zukunft gehen können, für uns nicht und auch für die Nachbarländer nicht. Dieses Bewusstsein ersuche ich Sie wirklich auch transparent bei den Partnern anzu­bringen.

Ansonsten geht es auch um die generelle Lösung. Wenn wir heute einen Vertrag von Paris haben, wenn wir heute darüber diskutieren, mit welcher Technologie wir in 20, 30, 50 Jahren unser Leben organisieren wollen, muss man sagen, ist nirgendwo in Europa Atomkraft eine Lösung. Das muss auch allen, und zwar auch den „großen“ – unter An­führungszeichen – Atomkraftbefürwortern in Frankreich, ins Bewusstsein gerufen wer­den. Das kann in der ganzen EU keine Lösung sein.

Wir haben verschiedene Möglichkeiten, Kollege Rauch hat das ja auch in seinen Ausar­beitungen rund um das Thema Energie der Zukunft bekannt gemacht. Wir haben vielfäl­tige Quellen, und die müssen wir nützen – Atomkraft ist ganz sicher keine. In diesem Sinne wollen wir diesem Antrag auch zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)


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18.28


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.


18.28.17

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Herr, erlauben Sie mir, dass ich kurz auf Ihre Rede eingehe. Inhaltlich ist alles zu unterstreichen, eine Bemerkung zum Antrag 688/A(E) und zur Umweltausschusssitzung vom 24. Juni sei aber schon erlaubt.

Es passt nicht ganz, dass man, wenn man einen Antrag einbringt, beklagt, dass die an­deren Parteien nicht mitgehen, aber niemand mit den anderen Parteien spricht. (Abg. Vogl: Weltklasse!) Wenn Sie mit den anderen Parteien gesprochen hätten, hätten wir das, was wir heute tun, nämlich den Antrag vollinhaltlich gemeinsam zu beschließen, dort schon machen können. (Abg. Amesbauer: Das sagt jetzt der Richtige!)

Vielleicht ist das aber noch Ihrer jugendlichen Unerfahrenheit zuzuschreiben, weil Sie noch nicht so lange im Parlament sind. (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff: Geh bitte, immer aufs Al­ter!) Ich gehe nicht davon aus, dass das die neue Linie der SPÖ und des SPÖ-Klubs ist; das würde mich doch etwas irritieren und das kann ich mir eigentlich überhaupt nicht vorstel­len. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Matznetter: Man schafft es bei Ihrem Lebensalter auch nicht!)

Inhaltlich: Beim Antrag, den wir am 24. Juni gemeinsam beschlossen haben, geht es um die Endlagerproblematik, natürlich um den Störfall am 15. Mai und auch um das Thema Zukunft des weltweiten und europaweiten Ausstiegs. Kollege Litschauer ist ja durchaus sehr glaubwürdig, was das Atomkraftwerk Temelín betrifft, seine Kollegin Martina Dies­ner-Wais ist genauso nahe oder ähnlich nahe wie er bei diesem Kraftwerk zu Hause. Man darf, glaube ich, schon klar sagen, dass es nicht nur Niederösterreich betrifft, son­dern das ist auch in Oberösterreich ein Thema. In der Antiatomszene haben sich von Menschen aus der Politik bis hin zu Ehrenamtlichen sehr viele engagiert.

In Oberösterreich war das für alle Landeshauptleute immer ganz klar. Betreffend Ehren­amtliche darf ich noch zwei Mühlviertler erwähnen, die sich da massiv engagieren: Man­fred Doppler, der vielleicht namentlich einigen etwas sagt, aber beispielsweise auch El­friede Guttenbrunner aus Windhaag bei Freistadt.

Die Information über Ereignisse von Störfällen ist für uns natürlich wichtig. Denken wir rund 20 Jahre zurück, Melker Prozess, 2000/2001, und der Melker Prozess ist dann im November 2001 mit der Unterschrift von Bundeskanzler Schüssel und Herrn Zeman aus Tschechien abgeschlossen worden.

Die Endlagerproblematik wird sich etwas verzögern. Die Tschechen sind noch lang nicht dort, auch wenn sie von 2025 reden. Es gibt noch nicht einmal geologische Untersuchun­gen. Für uns in Österreich ist es aber wichtig, dass wir da mitreden können und dass es keine Nachteile für Österreich gibt.

Atomenergie ist weder umweltfreundlich noch nachhaltig und – wenn man die Folgekos­ten betrachtet – auch nicht wirtschaftlich. Nutzen wir unsere Möglichkeiten der erneuer­baren Energie, seien wir aber auch in der Argumentation insofern sensibel, dass wir bei diesen Energiequellen gewisse Standortvorteile im Vergleich zu anderen Ländern ha­ben, wenn wir an Wasserkraft, Biomasse und so weiter denken! So gesehen sind die gemeinsamen Anträge heute ein sehr positives Zeichen. Wichtig ist, dass wir in diesem Bereich auch in der Zukunft gemeinsam engagiert arbeiten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

18.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte. (Abg. Matznetter – in Richtung Abg. Laimer –: Kannst einmal die Hoch­näsigkeit zurückweisen vom Prinz?!)


18.31.18

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! 442 Atomkraftwerke weltweit, mehr als 100 in Planung: Ginge es nach Österreich, hätten


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die AKWs schon im 20. Jahrhundert abgedankt und den Nimbus des Fortschrittes end­gültig verloren, und sie gehören auch in das Archiv der Geschichte. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Wöginger: Gleich nach Zwentendorf!) Zwentendorf, Herr Klubobmann, hat das Volk entschieden, und wir sind Demokraten und haben uns dem sofort gefügt. (Abg. Wöginger: Gott sei Dank hat das Volk entschieden!)

Der erwähnte Störfall reiht sich in eine jahrzehntelange Kette von Störfällen in Temelín ein und benötigt dringend Aufklärung, ohne auf die Befindlichkeiten unserer Nachbarn besonders Rücksicht zu nehmen, im Bewusstsein, dass sehr viele Tschechinnen und Tschechen in dieser Region besonders sensibilisiert sind und dieses Atomkraftwerk auch ablehnen.

Wenn es um die Sicherheit der Republik und um den Schutz der Bevölkerung geht, muss man die Dinge offen ansprechen und beim Namen nennen. Gerade die Neutralität auf der einen Seite und die Anti-AKW-Politik auf der anderen Seite sind besondere Identifikationsmerkmale unserer Bevölkerung, wie wir wissen, und verdienen zu Recht auch hier im Hohen Haus einen breiten Konsens. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Weratschnig.)

Ich sage das im vollen Ernst, da trotz der weiterhin ungeklärten Ursache, warum es über­haupt zu dem Zwischenfall gekommen ist, der Betrieb im Reaktorblock 1 wenige Tage später wieder aufgenommen wurde, so als wäre nichts gewesen, so als wäre nichts ge­schehen. (Abg. Leichtfried: So ist es!) Diese Ignoranz ist nicht zu akzeptieren! Da be­darf es einer umfassenden Aufklärung durch unsere Freunde aus der Tschechischen Republik. Diese steht bis dato noch aus, obwohl das Melker Protokoll eine Information über alle relevanten Ereignisse im AKW Temelín von Tschechien an Österreich über die Informationshotline vorsieht.

Meine Damen und Herren, insbesondere der Regierungsparteien, wir haben im letzten Umweltausschuss genau darauf aufmerksam gemacht. Leider wurde unser Antrag mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Die Ableh­nungsgründe waren – auch von den Grünen –, dass die Begriffe „Störfall“ und „Betriebs­genehmigung“ fachlich nicht korrekt sind. Das hindert aber die oberösterreichischen Grü­nen nicht daran, allen voran ihren Landessprecher, genau mit diesen oder noch drasti­scheren Begriffen zu argumentieren. Also bitte: Nicht mit zweierlei Maß messen! (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich hoffe aufrichtig und inständig, dass dieser Konsens auch in Zukunft friktionsfrei in diesem Haus etabliert ist und etabliert bleibt, um auch nach außen hin weiter Einigkeit zu demonstrieren, denn auch da müssen wir eine rot-weiß-rote Geschlossenheit zeigen. Wir haben aus Verantwortung gegenüber der Bevölkerung diese Geschlossenheit nicht nur zu zeigen, sondern auch zu leben. Schließlich geht es um unsere Verantwortung gegenüber der österreichischen Bevölkerung und unsere Verantwortung auch in Europa, denn nur eines steht für mich schon wirklich fest: Österreich braucht einen soliden, einen glaubhaften, einen breiten Antiatomkonsens auf allen Ebenen, und zwar ohne Egotrip, von wem auch immer. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35


Präsidentin Doris Bures: Frau Bundesministerin Gewessler hat sich zu Wort gemel­det. – Bitte, Frau Ministerin.


18.35.19

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Ich beginne mit etwas, was Julia Herr gesagt hat: Es ist gut, dass in diesem Hohen Haus die Atomenergie niemandem wurscht ist!


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Es ist gut, dass wir hier gemeinsam, Sie gemeinsam, einen Antrag auf den Weg bringen, der den Konsens in diesem Hohen Haus in der Ablehnung der Atomenergie auch so deutlich zum Ausdruck bringt. Dieser Konsens ist wichtig, und jeder von uns, der sich grenzüberschreitend gegen die Atomkraft, gegen die Atomenergie einsetzt, weiß, wie wichtig dieser Konsens ist, und deswegen sind in einem Antrag auch Wörter wichtig. Wir werden auf der internationalen Bühne – die Auseinandersetzung hinsichtlich Atomener­gie wird jeden Tag härter – sehr, sehr genau beobachtet, und deswegen danke ich, dass wir einen Antrag zusammenbringen, der breit getragen ist, der auch sozusagen vom Wording her für unsere tschechischen Kollegen unangreifbar ist, denn das hilft uns, je­nen, die sich tagelang, wochenlang, monatelang und jahrelang dafür einsetzen. (Ruf bei der SPÖ: Was ist mit ... Wording...!?)

Ich sehe gerade, dass das Wort „Wording“ jetzt Aufregung verursacht hat: Also wir cha­rakterisieren den Störfall so, wie er richtig heißt: als Zwischenfall. – Danke. (Abg. Herr: Wir haben immer gesagt, wir schreiben das Wort um!) Wunderbar, danke! Ich bedanke mich bei allen dafür, dass wir das jetzt zusammengebracht haben. (Abg. Loacker: ... die ÖVP hat ...! Abg. Leichtfried: Der Kollege Loacker hat immer öfter recht!)

Ich möchte aber zum Schluss noch etwas sagen: Wir haben eine große Aufgabe vor uns, alle gemeinsam, denn der Kampf wird, wie gesagt, jeden Tag härter! Wir setzen uns als Österreich gemeinsam mit unseren Verbündeten auf EU-Ebene und auch auf globaler Ebene sehr, sehr intensiv ein. Wir haben gerade vor Kurzem Ratsschlussfolge­rungen bis zum allerletzten Moment blockiert, um auch noch das letzte Schlupfloch für die Atomenergie zu schließen.

Wir blockieren Forschungsmittel für die Atomenergie, kein öffentliches Geld für die Atom­energie, wo es nur geht. Wir verweigern uns auch jedweder Aussage, dass Atomenergie eine nachhaltige Energieform wäre, dass sie ein Beitrag zum Klimaschutz auf europäi­scher Ebene und auch global wäre. Ich war heute in einer Konferenz der Internationalen Energieagentur, und es gibt eine offizielle Publikation der Energieagentur, die sich dafür ausspricht, als Konjunkturmaßnahme eine Renaissance der Atomenergie einzuleiten, und es ist Österreich, das – unter 40 Ministern, Ministerinnen während einer globalen Konferenz – sagt: Nein, das geht nicht, das ist der falsche Weg!

Für diese Standhaftigkeit auf der globalen Ebene braucht es den geeinten Rückenwind. Dass dieser Antrag ihn schafft, finde ich sehr, sehr schön, und ich bedanke mich bei allen dafür. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

18.38


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva-Maria Himmel­bauer. – Bitte.


18.38.29

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesmi­nisterin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Grundkonsens, den die österreichische Bevölkerung in ihren Herzen trägt, ist das Nein zur Atomkraft. Wir sehen dieses Nein nicht nur als Auftrag für die innerösterreichische Energieversorgung, sondern auch als Auftrag, uns in Europa dafür einzusetzen, denn wir wissen, wenn es zu Problemen kommt, dann ist das kein rein nationalstaatliches Problem, sondern es ist eines, das ganze Regionen und Kontinente betrifft.

Ausgangslage für die heutige Diskussion ist der Antrag zum Atomkraftwerk Temelín. Danke schön für diesen Hinweis und dieses Aufzeigen!

Es ist nicht das einzige Atomkraftwerk, das nahe an Österreich liegt: Es sind 13, die weniger als 200 Kilometer von uns entfernt sind. In meiner Heimatregion, im Weinviertel, sind es drei, die an unseren Grenzen liegen, und das am nächsten gelegene ist nur 30 Kilometer von uns entfernt.


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Es sind immer wieder diese Störfälle, die die Bevölkerung beunruhigen, beängstigen. Man muss auch bedenken, wir reden von Generationen, die durch Tschernobyl geprägt sind; einer Situation, die damals durch wenig Informationen, gerade in der Anfangs­phase, von sehr viel Unsicherheit geprägt war. Ich bin selbst Teil der 86er-Generation, und wenn ich mit meinen Eltern darüber rede, wie es ihnen damals gegangen ist, dann war das wirklich eine Phase, eine Zeit der Sorge, in der sie nicht wussten, ob sie vor die Tür gehen dürfen, was sie essen dürfen, was sie tun dürfen.

Das spiegelt sich auch heute in all dem, was wir mitbekommen, immer wider. Haben wir die richtigen Informationen? Was ist vor Ort tatsächlich der Fall? Müssen wir uns Sorgen machen?

Es geht aber nicht nur um die Störfälle, sondern auch um die ewigen Diskussionen über das Atommüllendlager an der tschechischen Grenze. Es ist problematisch, und es ist in der Situation unbefriedigend. Als Nachbar haben wir trotz einer möglichen Betroffenheit nicht die Chance, automatisch Zugang zu Informationen zu bekommen oder mitzuent­scheiden, wenn es um die Standortwahl geht.

Den Grundkonsens bekräftigen wir heute noch einmal – unser Nein zur Atomkraft. Wir unterstützen Sie, Frau Bundesministerin, auf dem Weg. Sie haben recht, es wird noch ein langer Weg sein, aber es ist es wert, diesen Weg zu gehen. Sie haben dabei unsere Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Herr.)

18.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Nikolaus Berlako­vich. – Bitte.


18.41.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Es ist gut, dass im Hohen Haus ein allgemeiner Konsens darü­ber herrscht, dass wir Atomkraft ablehnen. Die überwältigende Mehrheit der österreichi­schen Bevölkerung tut das auch. Weltweit aber – die Frau Bundesministerin hat es ge­sagt – ist das überhaupt nicht so, und auch in der Europäischen Union ist das nicht so. Wenn man sich den Anteil der Energieerzeugung anschaut, erkennt man, dass in Europa noch immer rund 28 Prozent der Energie aus Atomkraft gewonnen werden – mit steigen­der Tendenz. Das heißt, wir müssen von Österreich ausgehend sehr konsequent dage­gen ankämpfen.

Als Tschernobyl passiert ist, war dieser Super-GAU eine Katastrophe. Unendlich viele Menschen sind zugrunde gegangen, und es gibt Folgeschäden: Für lange, lange Zeit ist dieses Gebiet unbewohnbar, und es kostet enorm viel Geld, die Folgen zu bewältigen. Damals haben die Atomkraftgegner gehofft, dass es ein Umdenken gibt. Das war aber nicht der Fall.

Dann kam Fukushima mit denselben Folgen und denselben Konsequenzen. Wir in Ös­terreich haben damals versucht, das Thema voranzutreiben. Ich durfte als Umweltminis­ter die Stresstests für europäische Atomkraftwerke einfordern, und das wurde auch von der Europäischen Kommission übernommen. Damals war Oettinger Umweltkommissar, der gesagt hat: Es ist ein window of opportunity, überprüfen wir, wie es um die Sicherheit der europäischen Atomkraftwerke steht und wo Mängel sind! – Erstmals konnten unab­hängige Experten in die Atomanlagen hineingehen, und sie haben Berichte abgeliefert.

Leider hat dann die Konsequenz gefehlt. Die Staats- und Regierungschefs hätten aus diesen Berichten, die durchaus Mängel aufgezeigt haben – Erdbebensicherheit, andere Dinge, Gefahren, Risiken, und, und, und – Konsequenzen ziehen müssen. Diese Konse­quenzen wurden auf europäischer Ebene von den Staats- und Regierungschefs leider nicht gezogen, und somit ist das im Sande verlaufen, weil die Atomlobby sehr stark ist.


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Ich habe mich damals bemüht: Wir haben eine Antiatomallianz von jenen Staaten in Europa gebildet, die keine Atomkraft haben – beispielsweise Dänemark, Portugal, Zy­pern, Irland und auch andere –, die alle davon getragen waren, gemeinsam voranzuge­hen. Das heißt, wir haben durchaus Partner, und ich danke Ihnen, Frau Ministerin, denn gerade die Grünen haben da immer eine hohe Kompetenz gehabt, dass wir diese Dinge gemeinsam angehen. Ich meine, dass es wichtig ist.

Ich erinnere mich auch an Folgendes: Wir waren damals bei der öffentlichen Anhörung gegen den Ausbau von Temelín, auch Umweltlandesrat Anschober. Wir sind direkt nach Budweis gefahren und haben dort den österreichischen Standpunkt vertreten – und da­mit auch die Sorgen vieler Tausender Österreicher, die das per Unterschrift (in Richtung Bundesministerin Gewessler) auch an Ihre NGO herangetragen haben.

Der Punkt ist: Wir dürfen nicht locker lassen. Sie haben es richtig erwähnt: Der Wider­stand ist enorm, aber der Punkt ist: Es gibt bei der Atomkraft keine Kostenwahrheit. Vor Kurzem hat Anzengruber, Chef des Verbunds, gesagt: Wenn es bei der Atomkraft Kos­tenwahrheit gäbe, würde niemand ein Atomkraftwerk bauen. – Dann hätten die Erneu­erbaren eine Chance. In Wahrheit: Wenn bei einem Atomkraftwerk etwas passiert – Gott bewahre! –, zahlt das die Allgemeinheit, daher herrscht keine Kostenwahrheit, und daher müssen wir gemeinsam, partnerschaftlich vorangehen, damit wir Erfolge erzielen. – Danke für das Engagement. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Abg. Herr.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt wird im Anschluss an die gleich folgen­den Abstimmungen erfolgen.

18.44.29Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 18 und 19


Präsidentin Doris Bures: Ich frage die Klubs, ob wir gleich in den Abstimmungsvorgang eintreten können. (Die Klubobleute signalisieren Zustimmung.) – Dann werde ich so vor­gehen.

Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Umweltaus­schusses, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Umweltaus­schusses, den Bericht über die Fortschritte, Erkenntnisse und Tätigkeiten des Bera­tungsgremiums „Human Biomonitoring“, vorgelegt von der Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (III-131/254 d.B.), zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Rössler, Schmuckenschlager, Bernhard, Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ak­tionsplan Mikroplastik“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig angenommen. (91/E)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Umweltaus­schusses, seinen Bericht 255 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantra­ges 688/A(E) zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.


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Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 255 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „tschechische Atommüll-Endlagerproblema­tik, Informationen über Ereignisse in Atomkraftwerken sowie europäischer und weltwei­ter Ausstieg aus der Atomkraft“.

Wer ist dafür? – Das ist einstimmig angenommen. (92/E)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lit­schauer, Prinz, Herr, Rauch, Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aufklärung des Zwischenfalls und Stilllegung des AKW Temelín“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Auch dieser ist einstimmig angenom­men. (93/E)

18.47.1320. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 208/A(E) der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung des 1-2-3-Österreich-Tickets (297 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Somit gelangen wir zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte.


18.47.42

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Mehr Tempo für Öffis – ich muss sagen, dass ich immer gesagt habe: Das Beste im Regierungsprogramm von Schwarz-Grün ist das Verkehrskapitel. Das sage ich wieder, ich sage es ganz bewusst, und mir ist das unter anderem deshalb wichtig, weil dadurch eine Forderung der Sozialdemokratie, nämlich das 1-2-3-Klima­ticket, umgesetzt wurde. Für diese Maßnahme gibt es volle Unterstützung seitens der Sozialdemokratie.

Ein bisschen ein Problem haben wir mit unserem Antrag. Wir haben die rasche Umset­zung des 1-2-3-Klimatickets gefordert. Würde man heute das gesamte 1-2-3-Klimaticket beschließen, würde ich sagen: Rasch, geht bei mir durch. Das wäre rasch. Leider macht ihr nur ein Drittel davon. Ihr sagt nur: Probieren wir es einmal auf österreichweiter Ebene! – Das ist ein bisserl wenig. Ihr steht mir dabei jedenfalls ein bisserl zu viel auf der Bremse – nicht im Engagement, das erkenne ich durchaus an, aber in der Sicherung der Geldmittel. Meine Bitte ist: Ihr müsst das Geld für die Absicherung des 1-2-3-Klima­tickets auch in ein Budget schreiben, dann glaube ich euch auch eure Geschwindigkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Matznetter: Dann fehlen wieder sechs Nullen!)

Damit auch andere verstehen, was stattgefunden hat: Wir haben diesen Antrag ein­gebracht, dann hat man im Ausschuss gesagt: Den lehnen wir ab, und dann machen wir noch einen Entschließungsantrag, in dem viel weniger steht, nur ein Drittel davon. – Wir werden daher diesem Antrag heute nicht zustimmen.

Mir ist aber wichtig, dass ihr das Geld im nächsten Budget darstellt, dass ihr den Zweier- und Dreierschritt – oder den Einser- und Zweierschritt – nicht erst am Sankt-Nimmer­leins-Tag macht, sondern vielleicht ins Budget 2021 aufnehmt, nicht erst 2023. Wer weiß, ob es die Regierung dann noch gibt. Mir ist es daher lieber, wenn das bald erfolgt. Versprechen alleine werden nämlich nicht helfen, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Wenn wir jetzt von Klimaneutralität, wenn wir von Klimaschutz re­den, weiß jeder, dass es einen gestärkten öffentlichen Verkehr geben muss, und dafür tritt die Sozialdemokratie ein. (Beifall bei der SPÖ.)


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Verstehen Sie unsere Ablehnung heute als eine Unterstützung, damit im nächsten Bud­get mehr Geld für den öffentlichen Verkehr drinnen ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Leicht­fried: Sehr gute Rede!)

18.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hermann Weratsch­nig. – Bitte.


18.51.00

Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Schade, dass die SPÖ heute beim österreichweiten 1-2-3-Ticket nicht mit­geht. Ich versuche, meine Zeit noch zu nutzen, um hier Überzeugungskraft ins Spiel zu bringen.

Das österreichweite Ticket ist der Zugang zu leistbarer Mobilität in der Gewissheit, das Angebot auch dort auszubauen, wo es gebraucht wird. Es ist für mich persönlich eine Leidenschaft und ein Anliegen, aus dem, was wir bereits in Österreich haben, gemeinsam ein österreichweites Ticket für Bus und Bahn zu machen. Wir haben nämlich Tickets auf Bundesländerebene: die Jahreskarte der Wiener Linien (die entsprechende Karte zeigend) um 365 Euro; das Tirol-Ticket um 480 Euro; die Salzburger haben das My-Regio-Ticket um 595 Euro; die Vorarlberger die Maximo-Karte um 385 Euro; und nicht zuletzt gibt es natürlich die Bahnkarte (die entsprechende Karte zeigend), die ÖBB-Bahnkarte für das Schienennetz in ganz Österreich. Ich glaube, das sind vorbildliche Initiativen, die wir alle nutzen. Die gestalten wir weiter und aus denen machen wir ge­meinsam ein österreichweites Ticket für Bus und Bahn. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Matznetter.)

Werte Abgeordnete, das ist eine Entlastung, die allen etwas bringt und weniger Lärm und Schadstoffe auf den Straßen bedeutet. Die Mobilitätswende rollt in eine grüne Zu­kunft. Der von meinem Kollegen Andreas Ottenschläger und mir eingebrachte Antrag zielt darauf ab, jetzt nicht nur wie im SPÖ-Antrag die Ostregion in die Verkehrsdienste­verträge einzubinden, sondern das gesamthaft über ganz Österreich zu sehen. Ich zitiere aus dem gemeinsamen Antrag: „die notwendigen rechtlichen und finanziellen Maßnah­men vorzubereiten, um [...] die österreichweite Jahresnetzkarte für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel [...] kundenwirksam realisieren zu können.“ (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und ja, die Frau Bundesministerin wird alle Länderspitzen, VerkehrsreferentInnen und Verbünde einbinden, und ja, die rechtliche Umsetzung wird über den Weg einer allge­meinen Vorschrift des Bundes erfolgen, und ja, das Ticket wird bundesweit für alle Ver­kehrsmittel gelten.

Vielleicht noch drei Beispiele aus drei Bundesländern: Von Schärding nach Linz zahlen wir jetzt einen beträchtlichen Betrag von 1 730 Euro, von Krems nach Wien 1 779 Euro, von Mattersburg nach Wien 1 719 Euro für die streckenbezogene Einheit. Das wird sich verändern: 1 095 Euro im Jahr für ganz Österreich, das ist Auftrag, das ist Botschaft. So geht Entlastung, so geht Mobilitätswende, das werden wir umsetzen, und ich hoffe auf eine breite Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Deimek. – Bitte.


18.54.42

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Ja, der Antrag des Kollegen Stöger hätte in seiner Tiefe, wie er ausformuliert war,


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schon seinen Reiz gehabt. Er hätte seinen Reiz auch für die gehabt, die es im Endeffekt wirklich interessiert, nämlich die Kunden. Wir sagen aber: Wenn wir an dieser Stelle zur jetzigen Zeit – unter Anführungszeichen – nicht „mehr zusammenbringen“, ist es trotz­dem ein ordentlicher Schritt, und dann soll es sein. Das heißt, wir werden auch dem
§-27-Antrag zustimmen.

Was uns fasziniert, ist, dass man schon relativ genaue Zahlen drinnen hat, das heißt, dass man über das, was jetzt noch mit den Verbünden, mit den ÖBB und so weiter, verhandelt werden muss, schon relativ genau sagen kann, was es kostet. Ich ersuche Sie aber im Sinne der Kunden – und nicht nur der Kunden, sondern vor allem auch der Länder und der jeweiligen Verkehrslandesräte, also doch im Sinne der Kunden –, das Geld planvoll einzusetzen, damit wir den derzeitigen Bestand der Infrastruktur betref­fend, von der Erhaltung und dem Betrieb der Infrastruktur her, wirklich beim jetzigen Ausmaß bleiben können, denn es nützt uns nichts, wenn wir auf der einen Seite das tolle Modell des Österreichtickets – so haben wir es genannt, 1-2-3-Ticket heißt es bei Ih­nen – schaffen und auf der anderen Seite kommen wir nicht mit, die Infrastruktur zu erhalten und zu betreiben. Das wäre kontraproduktiv, egal, ob es dann die Länder mit ihren diversen Modellen sind oder ob es der Bund selber, die ÖBB-Infrastruktur ist. Die Infrastruktur ist die Basis unseres öffentlichen Verkehrs, und wenn wir die kurzfristig für ein Mobilitätsmodell vernachlässigen würden, dann wäre das absolut kontraproduktiv – daher also meine Erinnerung, das unbedingt zu machen und beizubehalten.

Ja, ein Österreichticket, ein ganz Österreich umspannendes 1-2-3-Ticket ist natürlich gut, ist interessant. Zu berücksichtigen wäre natürlich auch, dass von denen, die jetzt schon ein Österreichticket haben, möglicherweise ein paar umsteigen, das sind dann entsprechende Kosten, die man bei den ÖBB berücksichtigen muss und nicht ignorieren darf. Ich glaube aber, dass es durchaus sein kann, dass mehr Umsatz generiert wird, dass durch dieses attraktive Angebot noch mehr Leute, nicht nur im Fernverkehr, son­dern vor allem auch im Pendlerverkehr, im Nah- und Regionalverkehr, auf die ÖBB um­steigen und wir es dadurch schaffen, die sogenannten Morgenstaus, egal ob sie in Wien, in Salzburg, in Linz oder sonst wo sind, etwas geringer zu halten.

Wenn es gelingt, dadurch noch mehr Leute auf die Schiene zu bringen, dann ist es gut für Österreich, dann ist es gut für die Politik, die das beschlossen hat. Wir wünschen viel Glück bei den Verhandlungen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordne­ten der Grünen.)

18.57


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte.


18.58.01

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bun­desministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Weratschnig hat ja hier schon ausgeführt, was sozusagen der Kern unseres gemeinsamen Anliegens ist, das ja auch im Regierungsprogramm dokumentiert ist. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass ich Hochachtung dafür habe, dass man dieses Projekt jetzt so zügig angeht. Es ist, auch wenn wir es jetzt in den letzten Zügen dieser Nationalratssitzung diskutieren, ein Mega­projekt, ein sehr komplexes, und es sitzen ja auch einige ehemalige Verkehrsminister hier im Hohen Haus, die sich vielleicht auch schon ähnliche Dinge vorgenommen haben, die sehr gut wissen, wie schwierig die Umsetzung ist, und nichtsdestotrotz gehen wir es jetzt an. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das 1-2-3-Ticket, und Kollege Weratschnig hat es eben schon sehr gut beschrieben, ist natürlich ein Kernprojekt für die Mobilitätswende. Es muss die Qualität weiterhin passen. Wir werden ein großes Angebot brauchen, weil wir davon ausgehen, dass auch entspre­chend viele Kunden dieses attraktive Angebot nutzen werden – und wir hoffen das ja


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natürlich auch. Das ist aber auch gleichzeitig die Herausforderung: dieses Angebot zu erweitern und eben die Qualität weiter anbieten zu können.

Frau Bundesministerin, wir haben ja hier diesen gemeinsamen Entschließungsantrag, der auch dokumentieren soll, dass wir es ernst meinen, der eben auch schon konkrete Zahlen für den ersten Schritt beinhaltet.

Ich glaube, dass es aber auch von entscheidender Bedeutung ist, dass man, wie es auch schon erwähnt wurde, gemeinsam mit den Betroffenen, sprich mit den Verkehrsverbün­den und den Bundesländern, die Gespräche auch deshalb führt, damit man gleichzeitig auch die Grundlage dafür hat, wie man mit der Einser- und der Zweierstufe umgeht, weil das ja alles ein Gesamtpaket aus einem Guss sein sollte, um dann auch möglichst rasch in Umsetzung zu kommen – eben in Einklang mit den Verkehrsverbünden und den Bun­desländern. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.00


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johannes Margreiter. – Bitte.


19.00.30

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Das, was da in den letzten Tagen zum Teil mitzuerleben war, hat in mir Kindheitserinnerungen daran geweckt, wie es war, wenn wir Kinder durstig waren. Es hat damals noch nicht so viele fertige Ge­tränke gegeben wie heute, aber es gab einen Dicksaft in großen Flaschen, entweder Himbeere oder Orange, den man dann mit Wasser irgendwie verdünnt hat – hat man den zu viel verdünnt, war er grausig.

Das fällt mir jetzt ein, wenn ich mir so anschaue, wie teilweise mit Anträgen der Opposi­tion umgegangen wird. Da gibt es also den sehr sinnvollen Antrag der SPÖ betreffend das 1-2-3-Ticket, und dieser wird dann schon relativ brutal verwässert, sodass es einfach nicht mehr schmeckt, nicht mehr gut ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

So gesehen ist nicht einmal mehr der Titel richtig. In diesem Antrag der Regierungs­mehrheit ist zwar immer noch von einem 1-2-3-Ticket die Rede, tatsächlich ist es aber nur mehr ein 3-Ticket, denn dieser Antrag bezieht sich nur mehr auf das österreichweite Ticket.

Ein wesentlicher Unterschied liegt auch darin, dass der Antrag der SPÖ sich an den Finanzminister gerichtet hätte, was, wie ich glaube, nicht ganz falsch gewesen wäre, denn eines muss uns schon bewusst sein, wenn wir jetzt über dieses 1-2-3-Ticket reden: 1-2-3, das sind Geldbeträge, die der Inflation unterliegen. Schaut man sich das an, so klingt das sehr gut und lässt sich auch auf Instagram-Stories recht gut verkaufen: um 3 Euro pro Tag alle Öffis in Österreich benützen dürfen!

Die Inflation aber – und die wird nicht weniger werden – wird da bald einmal Probleme bringen. Ich habe dazu ein kleines Rechenbeispiel vorbereitet: Hätten wir diese 3-Euro-Variante vor zehn Jahren schon eingeführt, dann müsste man heute pro Ticket 150 Euro zusätzlich allein wegen der Inflation zuschießen, weil die Kaufkraft von 1 095 Euro – und so viel kostet das 3-Ticket; ich rede nicht vom 1-2-3-Ticket – im Jahr 2010 einer Kaufkraft von nur knapp 950 Euro entsprochen hätte. Es wäre also durch die Inflation jetzt schon ein Loch von 150 Euro entstanden. Ich glaube, diese Problematik, von der ich da spre­che, kennen die Wiener Linien mit ihrem 365-Euro-Ticket sehr genau. (Beifall bei den NEOS.)

Da muss man schon aufpassen, denn wenn man das Generalabonnement, das es in der Schweiz gibt und das bereits 500 000 Menschen bezogen haben, auf Österreich umlegt, hätte man nach zehn Jahren einen Zusatzfinanzierungsbedarf von 75 Millionen Euro


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allein durch die Inflation. Da wäre der Finanzminister also schon der richtige Ansprech­partner. Ich denke, man sollte sich das schon sehr gut überlegen, denn besonders attrak­tiv ist es nicht, wenn das dann nicht ein 1-2-3-Ticket, sondern ein 1,1-2,2-3,3-Ticket ist, weil man beim Preis halt doch nachziehen muss.

Es tut mir zwar leid, dass ich die Freuden- und Partystimmung, die Hermann hier mit seiner Wortmeldung erzeugen wollte, crashen muss, Tatsache ist aber, dass es da noch sehr, sehr viele Probleme gibt. Ich denke, dass es sinnvoll wäre, wenn halt doch auch die Opposition mit ihren Anträgen mehr eingebunden werden würde, denn was im letzten Verkehrsausschuss passiert ist – von zehn Anträgen der Opposition wurden neun ver­tagt und einer verwässert –, entspricht, wie ich glaube, nicht der Art von Zusammenar­beit, die zu guten Lösungen führt. – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

19.04


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich die Frau Bundesministerin gemeldet. – Bitte.


19.04.43

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Werte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete! Zu­kunftsfähige Verkehrspolitik hat drei Säulen, das 1-2-3-Ticket hat drei Säulen – das ha­ben die beiden gemeinsam. Was heißt das? – Zukunftsfähige Verkehrspolitik braucht Infrastruktur, braucht Angebot und braucht ein leistbares Ticket.

Wir haben uns als Bundesregierung dazu verpflichtet, und wir liefern das jetzt auch, dass wir alle drei Säulen bearbeiten: ein gutes Angebot in der Infrastruktur – der größte ÖBB-Rahmenplan, den wir dieses Jahr mit einem Zuschussvertrag fertig gemacht haben, wir haben im Konjunkturpaket noch einmal 150 Millionen Euro extra für die Infrastruktur ver­ankert –, wir arbeiten am Angebot – die Verkehrsdiensteverträge werden laufend ausge­weitet, wir haben im Konjunkturpaket noch einmal 150 Millionen Euro für die Verbesse­rung des Angebots drinnen –, und wir arbeiten am 1-2-3-Ticket. Das sind die drei Säulen, und ja, jede dieser drei Säulen müssen wir bearbeiten, an jeder dieser drei Säulen müssen wir weiterdrehen, denn der Verkehr ist und bleibt die große Herausforderung in der Klimabilanz, und genau das tun wir in dieser Bundesregierung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich darf jetzt alle beruhigen, die sich ob des Antrages Sorgen machen: Auch das 1-2-3-Ti­cket hat drei Säulen – eins, zwei, drei (mit den Fingern der Reihe nach die Zahlen eins, zwei, drei andeutend), und nichts anderes steht in diesem Antrag, nämlich stufenweise drei Säulen einzuführen. Wir starten aber im Sinne der Kundinnen und Kunden, im Sinne der Menschen in Österreich mit der österreichweiten Variante, weil diese rasch auf den Boden zu bringen ist. Wir wollen mit den Schritten, die als Erstes möglich sind, auch rasch zu den Kundinnen und Kunden. Und ja, drei Säulen – eins, zwei, drei –, das heißt, natürlich arbeiten wir parallel auch an der Einsersäule und an der Zweiersäule, denn das Ticket ist ein Meilenstein im öffentlichen Verkehr in Österreich und das wollen wir na­türlich zur Gänze umsetzen, so wie wir es uns im Regierungsprogramm vorgenommen haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Deswegen halte ich mich jetzt kurz: Ich bedanke mich sehr, sehr herzlich für den Rü­ckenwind mit dem Antrag aus diesem Haus. Viele von Ihnen haben es erwähnt – einige ehemalige Verkehrsminister, -ministerinnen sind ja auch im Raum –, das ist ein Groß­projekt, das ist ein Megaprojekt. Deswegen sind wir seit vielen Monaten in unzähligen Gesprächsrunden mit den Verbünden, mit den Landesverkehrsreferenten, ‑referentin­nen, um das auf den Boden zu kriegen, aber wir sind dazu wild entschlossen.

Herr Kollege Stöger, einen Nachsatz erlauben Sie mir noch: Im Übrigen bin ich der Mei­nung – um Eva Blimlinger zu zitieren –, diese Bundesregierung ist 2023 sicher noch im Amt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.07



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 186

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Singer. – Bitte.


19.08.01

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Frau Bundes­ministerin, 2023 muss diese Regierung noch im Amt sein, damit das umfassende Regie­rungsprogramm auch entsprechend umgesetzt werden kann. Es ist schon angespro­chen worden, das Regierungsprogramm ist auch Grundlage für das 1-2-3-Ticket, das wir heute diskutieren.

Der Inhalt, die Zielsetzungen sind schon vielfach angesprochen worden, ich darf zusam­menfassen. Ziel ist: weniger motorisierter Individualverkehr, mehr öffentlicher Verkehr.

Diese Form des 1-2-3-Tickets ist für Österreich neu, in der Schweiz – auch schon ange­sprochen – kennt man ein solches Ticket schon. 500 000 Tickets wurden dort zu einem Preis von je 3 600 Euro verkauft. Das ist zugegebenermaßen ein sehr hoher Preis, aber es zeugt auch davon, dass die Bereitstellung dieses Tickets viel Geld kostet. Wichtig ist, dass dieses Angebot, das wir schaffen, letztendlich auch die entsprechende Wirkung zeigt.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich weiß, dass die Schaffung dieses Tickets sowohl in finanzieller als auch in organisatorischer, rechtlicher und planerischer Hinsicht eine große Herausforderung darstellt.

Der öffentliche Verkehr in Österreich ist ein sehr komplexes System. Wir haben unter­schiedliche Anbieter, unterschiedliche Verkehrsverbünde. Die Finanzierung kommt so­wohl vom Bund und von den Ländern als auch von den Gemeinden. Daher, darf ich sagen, ist es wichtig, die Länder- und die Gemeindevertretung in diesen Entstehungspro­zess miteinzubeziehen.

Aber ganz klar die Aussage: Das 1-2-3-Ticket ist gut, richtig und ein wichtiger Schritt.

Erlauben Sie mir als Vertreter des ländlichen Raums, auf einen Punkt hinzuweisen, der für mich wichtig ist, damit die Zielsetzung dieses Tickets im ländlichen Raum gelingt: Damit die Menschen im ländlichen Raum von diesem Ticket profitieren und auf die Öffis umsteigen können, muss auch ein entsprechender Zubringerdienst zu den öffentlichen Verkehrsmitteln geschaffen werden. Viele Regionen in Österreich sind diesbezüglich schon aktiv. Einige Vorreiter gibt es schon, andere sind in der Planungsphase, viele die­ser Projekte sind Leaderprojekte.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich bitte Sie, bei all Ihren Bemühungen um dieses 1-2-3-Ticket die besonderen Bedürfnisse des ländlichen Raumes miteinzubeziehen, damit diese Zielsetzung für ganz Österreich auch im ländlichen Raum realisiert werden kann. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.11


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte.


19.11.22

Abgeordneter Alois Schroll (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Jah­relang gibt es schon Vorstöße in unterschiedlichsten Zusammensetzungen für die Um­setzung des 1-2-3-Klimatickets; wir als Sozialdemokratische Partei sind der Meinung, es ist unumgänglich, und haben das schon sehr oft eingefordert. Ich glaube, im Wahl­kampf 2017 war das auch von den Grünen immer wieder eine klare Forderung.

Eines, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, muss ganz klar sein: Wer Ja sagt zum Klimaschutz, zur Energiewende, der muss auch Ja dazu sagen, dass man die entsprechenden finanziellen Mittel in die Hand nimmt. Das ist, glaube ich, ganz wichtig.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 187

Hoffentlich sind es bald mehr, die umweltfreundliche Öffis nutzen wollen. Wenn man den Menschen ein leistbares Ticket anbietet, dann wird dieses Angebot sicherlich auch ange­nommen werden.

Die Richtung stimmt. Kollege Hermann Weratschnig von den Grünen, du hast am 1. Juli eine Aussendung gemacht, in der du kundgetan hast, du wirst unsere Frau Bundesminis­terin Gewessler dabei unterstützen, alle rechtlichen und finanziellen Maßnahmen vorzu­bereiten, um das 1-2-3-Klimaticket so rasch wie möglich umzusetzen. Die ersten Schritte sollen 2021 umgesetzt werden, 2022 die nächsten. – Zitatende.

Ich glaube, das ist zu spät. Wir sollten jetzt beginnen! Wir reden schon sehr, sehr lange – es ist Zeit zu handeln! Es ist ganz wichtig für die Österreicherinnen und Österreicher, dass sie auf die Öffis umsteigen können.

Wir brauchen den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, die österreichweit für alle gleich zur Verfügung stehen, daran führt kein Weg vorbei. Wir müssen endlich handeln! Wir brauchen rasche Lösungen, und die Zeit drängt. Je länger wir warten, geschätzte Frau Minister, desto weiter entfernen wir uns von den Klimazielen und desto näher kommen wir wieder den Strafzahlungen und Schadenersatzzahlungen, weil wir die avisierten CO2-Ziele nicht erreichen werden.

Die Folgeschäden der Klimakrise kosten Österreich Hunderte Millionen bis 1 Milliarde Euro. Das 1-2-3-Klimaticket kostet ungefähr 100 bis 140 Millionen Euro im Jahr – ein Zehntel davon; das Geld wäre sinnvoller eingesetzt, wenn wir es dafür verwenden.

Geschätzte Frau Ministerin, vielleicht noch eine Frage, die mir heute erlaubt sei: Warum werden im VOR, nur in Niederösterreich, jetzt gerade die Ticketpreise um 1,5 Prozent erhöht? Dieser Umstand wirft heute hier in dieser Diskussion viele Fragen auf: Warum passiert diese Preiserhöhung gerade nur in Niederösterreich? Diese Vorgehensweise ist für mich nicht nachvollziehbar und nicht verständlich.

Eine stufenweise Umsetzung des 1-2-3-Tickets bringt uns nicht weiter. Das ist wie beim Monopoly: Immer wieder zurück zum Start, nichts geht weiter und man kommt nicht zum Ziel.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir ganz sicher, das 1-2-3-Klimaticket muss der Autoschlüssel der Zukunft und soll die Alternative zum Auto sein! – Danke schön! (Beifall bei der SPÖ.)

19.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Joachim Schnabel. – Bitte.


19.14.38

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Das Klima ist im Wandel und die Mobilität ist im Wandel, und unser Mobilitätsverhalten wird sich notwendiger­weise ändern. Die Vorredner sind schon alle auf das 1-2-3-Ticket eingegangen, es geht um die Dekarbonisierung des Sektors Verkehr. Mit der Einführung dieses 1-2-3-Tickets, das im Regierungsprogramm enthalten ist, wird ein großer, wichtiger Schritt in Richtung Zukunft gesetzt.

Vor zwölf Jahren gab es die ersten Ideen dazu – mit verschiedenen regionalen Facetten mittlerweile teilweise umgesetzt –, und nun kommen wir in die flächendeckende Umset­zung. Dass diese Umsetzung nicht einfach ist, das sieht man an den verschiedensten Wortmeldungen. Auch in Richtung SPÖ gesprochen: Herr Landeshauptmann Hans Pe­ter Doskozil und unser steirischer Verkehrslandesrat Anton Lang haben sich, so wie an­dere auch, kritisch geäußert. Es braucht hier eben Überzeugungsarbeit, Zeit und Ver­handlungen, um dieses 1-2-3-Ticket flächendeckend umsetzen zu können – und nicht,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 188

so wie Sie das im SPÖ-Antrag vorgesehen haben, nur für eine Teilregion und unter Aus­schluss einzelner Verkehrsteilnehmer.

Wir wollen das 1-2-3-Ticket flächendeckend umsetzen, und ich möchte meinen Redebei­trag – Herr Kollege Singer hat das auch schon gesagt – dazu verwenden, um nicht nur die finanzielle Ausgestaltung dieses Tickets zu beleuchten, sondern auch, wie der länd­liche Raum von diesem Ticket profitieren kann.

Wir brauchen für den ländlichen Raum nicht nur ein günstiges Ticket, sondern eben auch die Möglichkeit, dieses zu nutzen. Und wenn es in den Gemeinden vor Ort da und dort kaum Möglichkeiten dazu gibt, dann gehört hier nachgebessert. Das System, das Herr Kollege Singer angesprochen hat, ist eben kurz gesagt der Mikro-ÖV, Mikro-Öffentlicher-Verkehr. Wir haben in der Steiermark einige Regionen, die das schon umsetzen: Gust­mobil, SAM, Narzissenjet. Neu in meinen Bezirken ist Regiomobil. Das sind verschiede­ne Namen von Verkehrssystemen. Der Mikro-ÖV dient als Zubringer zum öffentlichen Verkehr, für die last mile, kann aber auch innerregional auf kurzen Wegen benutzt wer­den.

Ich wäre dafür, diesen Mikro-ÖV integrativ zu sehen und nicht als Ergänzung, so wie es der Verkehrsclub Österreich artikuliert. Der sagt nämlich, der Mikro-ÖV ist ein Lücken­schließer. – Der Mikro-ÖV ist für den ländlichen Raum essentiell, um in Summe das
1-2-3-Ticket auch dort in den Gemeinden ankommen zu lassen.

Es ist im Regierungsprogramm auf Seite 125 Gott sei Dank verankert, dass wir hin­sichtlich einer Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs nicht nur die Umsetzung des
1-2-3-Tickets für die Zukunft vorhaben, sondern auch viele andere Maßnahmen. Dort ist klar definiert, dass es ein Ticket geben soll: vom Mikro-ÖV bis zum Schienenverkehr.

Das benötigt, wie gesagt, viel Arbeit, Engagement und, no na, natürlich auch die finan­ziellen Mittel. Deshalb bin ich froh, dass unsere Regierung mit dem großen und nicht einfachen Schritt der Implementierung des 1-2-3-Tickets den öffentlichen Verkehr auf der monetären Seite attraktiviert, aber wir brauchen eben noch weitere Schritte für den ländlichen Raum. Eine Hoffnung, die ich hier artikuliere, ist: Vielleicht gibt es einmal ein 1-2-3-4-Ticket, das eben diesen Mikro-ÖV inkludiert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Leonhard Eßl. – Bitte.


19.18.13

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Da­men und Herren! Zu einer ökosozialen Politik gehört auch eine Attraktivierung des öffent­lichen Verkehrs. Im Regierungsprogramm ist eben dieses bereits diskutierte 1-2-3-Ticket verankert, und wir streben eine stufenweise Umsetzung an, weil die Realisierung dieses Tickets, so wie es geplant ist, erhebliche Vorbereitungszeit und natürlich auch erhebliche öffentliche Mittel braucht.

Wie gesagt sollte eben diese Umsetzung schrittweise erfolgen und in einem ersten Schritt die österreichische Jahresnetzkarte für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel be­reits im Jahr 2021 realisiert werden. Daher ersuchen wir mit unserem Antrag die Frau Bundesministerin darum, die nötigen Verhandlungen mit den Ländern und mit den Ver­kehrsverbünden zu führen.

Beispiele, dass solche Maßnahmen auch funktionieren können, gibt es bereits mehrere. Ich nehme nur meinen Heimatbezirk her, den Lungau, wo auf Initiative des Regional­verbandes mit seinem Obmann Bürgermeister von St. Michael und Landtagsabgeordne­ten Manfred Sampl ein Lungau-Ticket geschaffen worden ist. Wie funktioniert nun dieses


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Lungau-Ticket? – Man holt sich beim Gemeindeamt eine Lungau-Karte um 10 Euro und kann dann damit als Erwachsener die nächsten zwölf Monate jede beliebige Strecke im Lungau um 1 Euro zurücklegen. Kinder zahlen nichts, Kinder fahren frei mit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Dieses Projekt läuft bereits das dritte Jahr; erfreulich ist, dass bereits die Hälfte der Bevölkerung dieses Angebot genutzt hat. Vor allem Schulkinder sind es, die das sehr stark in Anspruch nehmen, aber auch Familien mit Kindern, Pensionisten und auch Wanderer.

Die Lungauer Gemeinden zahlen 70 000 Euro an Beiträgen dazu, also in etwa 3,5 Euro pro Einwohner. Das ist ein erfolgreiches Projekt mit einer überschaubaren finanziellen Zuschusssumme.

Ich weise aber trotzdem auch darauf hin, dass der ländliche Raum, was die Infrastruktur betrifft, benachteiligt ist. Wenn ich eine Sitzung in Wien habe, die um 9 Uhr beginnt, dann muss ich, wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln herfahren will, mit der Murtal­bahn und mit den ÖBB bereits am Vortag anreisen. Wenn die Sitzung bis 18 oder 19 Uhr dauert, dann kann ich erst am nächsten Tag wieder zurückreisen, brauche also drei Tage. Das verleitet natürlich dazu, mit dem Auto zu fahren, weil man die Strecke an einem Tag schafft.

Daher ist es gut, wenn wir Verbesserungen andenken, die Maßnahmen, die im Regie­rungsprogramm festgeschrieben sind, auch umgesetzt werden und mit diesen Maßnah­men auch die Bürger entlastet werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

19.21


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Gewessler zu Wort ge­meldet. – Bitte.


19.21.45

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie Leonore Gewessler, BA: Danke vielmals, Frau Präsidentin, dass ich noch kurz zwei Fragen beantworten darf.

Zur Frage des Abgeordneten Schroll betreffend Tarife: Die Tarifhoheit für die Linienti­ckets et cetera liegt ja bei den Verbünden. Das heißt, es ist eine Entscheidung des Ver­bunds VOR, diese Preiserhöhung vorzunehmen. Das ist ja auch das Novum, der be­deutende Schritt und der Meilenstein bei diesem Projekt 1-2-3-Ticket, dass wir nicht nur für die Infrastruktur auf Bundesebene sagen, ja, ist uns wichtig, nicht nur sagen, das Angebot ist uns wichtig, sondern auch, dass alle Menschen in Österreich zum gleichen Preis das gleiche Angebot, nämlich alle Öffis – von Bahn, Bus, Bim bis zum Zug – nutzen können. Das ist ja das Novum am 1-2-3-Ticket, dass wir hier auch Verantwortung hin­sichtlich der Tarifsäule übernehmen.

Zur Frage des Abgeordneten Schnabel: Es ist selbstverständlich auch geplant, das 1-2-3-Ti­cket mit den Mikro-ÖV-Lösungen, die es schon gibt, kombinierbar zu machen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.22


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Abgeordneter Alois Stöger noch einmal zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.22.55

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bun­desministerin! Ich habe von Ihnen, Frau Bundesministerin, ein sehr klares Bekenntnis zum 1-2-3-Klimaticket gehört, auch zur Geschwindigkeit. Sie haben das auch mit dem Koalitionspartner, mit Ihrem Koalitionspartner klar gesagt. Und als klare Unterstützung wird die Sozialdemokratie diesem Ziel heute auch zustimmen, so unter dem Motto: Lie­ber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.


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Als Unterstützung für Sie werden wir heute das Signal setzen und trotzdem zustim­men. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Bravoruf des Abg. Weratschnig.)

19.23

19.23.43


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage kurz die Klubs, ob wir in die Abstimmung eintreten können. – Gut, dann werde ich so vorgehen.

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Zunächst lasse ich über den Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 297 der Beilagen hinsichtlich des Entschließungsantrages 208/A(E) zur Kenntnis zu nehmen, abstimmen.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit ange­nommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 297 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „stufenweise Einführung des 1-2-3 Öster­reich-Tickets“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig ange­nommen. (94/E)

19.24.4421. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Wiener Staatsoper GmbH – Reihe BUND 2018/32 (III-7/250 d.B.)

22. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Burgtheater GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2019/35 (III50/251 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichische Nationalbibliothek – Reihe BUND 2019/40 (III-55/252 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 21 bis 23 der Ta­gesordnung, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße sehr herzlich die Präsidentin des Rechnungshofes bei uns und erteile Herrn Abgeordneten Hans Stefan Hintner das Wort. – Bitte.


19.25.33

Abgeordneter Hans Stefan Hintner (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf etwas über die Nationalbibliothek im Prüfungszeitraum berichten und darf feststellen, dass die eine oder andere Empfehlung vorhanden war, selbstverständlich, ich aber den Eindruck habe, dass das Haus hervorragend geführt wird. Insgesamt gab es 33 Empfeh­lungen, bislang umgesetzt: von der Nationalbibliothek 15 von 27 sowie vom Bundes­kanzleramt drei von sechs.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 191

Interessant zu wissen ist, dass die Nationalbibliothek keine Liquiditätssicherung im Zuge der Coronahilfen benötigt.

Vielleicht zu den Dimensionen der Nationalbibliothek: Sie wurde 1368 als kaiserliche Hofbibliothek gegründet, hat rund 12,3 Millionen Bücher und Objekte, davon eben fast vier Millionen Bücher. Im Zentrum steht der fantastische Prunksaal, wobei ich hoffe, dass Sie den alle kennen, mit einer Statue von Kaiser Karl VI., dem Vater von Maria Theresia, inmitten von 200 000 Büchern.

Wenn wir jetzt gesagt haben, wir sollen Urlaub in Österreich machen, dann sollten wir auch bitte die Institution der Nationalbibliothek besuchen. Sie ist schließlich auch das geistige Erbe der Republik Österreich. Sie hat jeden Tag von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, mit Ausnahme von Montag, und an so einem Tag wie morgen, einem der heißesten bei 35 Grad, würde sich hier auch ein Besuch lohnen.

Salman Rushdie hat einmal gesagt: „Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht.“ – Wir können unsere Geschichte erzählen – und das auf sehr eindrucksvollem We­ge. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

19.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Karin Greiner zu Wort. – Bitte.


19.27.33

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese drei Ple­nartage klingen mit sehr fundierten Rechnungshofberichten aus, ich beziehe mich auf jenen zur Staatsoper.

47 Jahre ist es her, dass die Staatsoper vom Rechnungshof geprüft wurde, demzufolge war jetzt einiges an Stoff aufzuarbeiten. Welche Punkte waren besonders auffallend? Ich beginne mit dem Kartenverkauf. Da war es jahrelang Usus, dass man Kartenkontin­gente an Büros weitergegeben hat, die sie dann gewinnbringend weiterverkauft haben. Jetzt sind wir uns da, glaube ich, einig, dass es nicht im Sinne des Erfinders sein kann, dass eine staatliche Institution Karten weitergibt, die jemand anderer mit Gewinn ver­kauft. Diese Praxis wurde laut Staatsoperndirektor Meyer, der ja mittlerweile nach Italien weitergezogen ist, abgestellt.

Ich bleibe noch kurz bei den Karten. Der Rechnungshof hat die Weitergabe von Karten an Mitglieder des Aufsichtsrates sehr stark kritisiert und hinterfragt. Sowohl Frau Staats­sekretärin Mayer als auch der Herr Staatsoperndirektor – außer Dienst in Österreich – haben eindeutig moniert, dass es doch wichtig sei, dass Mitglieder des Aufsichtsrates Karten zur Verfügung gestellt bekommen, denn sie müssten sich naturgemäß ein Bild über die Darbietungen des Hauses machen, beginnend bei der Premiere bis hin zu wei­teren Vorstellungen. Wichtig sei ja, dass sie über die Resonanz des Publikums Bescheid wissen. Diese Kartenweitergabe erfolgt mittlerweile in sehr dosierter, in wohldosierter Art und Weise.

Ich beziehe mich auf noch einen Punkt, der, glaube ich, aktuell und relevant ist, und zwar auf den Livestream. Da hat die Staatsoper gemeinsam mit den Berliner Symphonikern ein kostenpflichtiges Modell installiert, anfangs ungeliebt, viel kritisiert, nicht gut bewer­tet, aber dann hat man gesehen: In den letzten Wochen hat es sich als Glücksfall erwie­sen. Man konnte nicht in die Oper gehen, also ist die Oper nach Hause gekommen.

Wir haben erfahren, dass man über 3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht hat, mehr als 260 000 Neukunden gewinnen konnte, weltweit 350 Übertragungen anbie­ten konnte – nach Russland, nach China et cetera. Besonders erwähnenswert ist, dass


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man 500 Schulen in Österreich erreicht hat, und das, glaube ich, ist ein wesentlicher Faktor für die Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letzter Punkt zur Personaladministration, die bis vor Kurzem nicht optimal aufgestellt war: Der Rechnungshof hat die fehlende Personalstrategie kritisiert, es hat keine Mitar­beitergespräche gegeben, keine wirklichen Pläne, man hat das interne Kontrollsystem und Arbeitsplatzbeschreibungen nicht so ernst genommen. Die Stellungnahme von Staatssekretärin Mayer dazu war, das werde nicht nur in der Staatsoper, sondern auch in den anderen Häusern wie dem Burgtheater durchgehend und einheitlich strukturiert und aufgesetzt.

Ich danke für den fundierten Bericht und muss sagen, die Ausschussdiskussion war sehr fundiert. Auch die Auskunftspersonen waren höchst auskunftsfreudig. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man erreichte Erfolge gut kommunizieren kann. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ.)

19.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wolfgang Zanger. – Bitte.


19.31.07

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Wir haben bei diesem Tagesordnungspunkt drei Rechnungshofberichte zu diskutieren: eine Follow-up-Überprüfung der Burgtheater GmbH und die Berichte betref­fend Österreichische Nationalbibliothek und Wiener Staatsoper. Wir haben im Aus­schuss 115 Empfehlungen diskutiert, haben uns aber nicht jede einzeln vorgenommen. Ich nehme mir heute zwei heraus, und zwar geht es zuerst um die schon angesprochene Kartengebarung.

Es ist spannend: Der Rechnungshof hat festgestellt, dass Kartenkontingente – und zwar bis zu 45 000 Karten – ohne nachvollziehbares Auswahlverfahren der Kontingentbezie­her, ohne Richtlinien und ohne Wahrung des Vieraugenprinzips vergeben wurden. Nach­dem der Rechnungshof das kritisiert hatte, haben wir in der Diskussion mit den beiden Geschäftsführern feststellen können, dass dieses Verhalten eingestellt wurde und Kar­ten jetzt wieder ganz normal verkauft und abgerechnet werden.

Mein zweiter Punkt ist auch schon von Frau Kollegin Greiner angesprochen worden. Sie meint, es wäre völlig rechtens, normal und wichtig, wenn sich der Aufsichtsrat selbst ein Kartenkontingent genehmigt, um seinen Aufsichtspflichten sozusagen nachkommen zu können. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Dem kann ich nicht ganz folgen, denn es wur­den von der Staatsoper GmbH in drei Jahren insgesamt 417 Regiekarten an die Auf­sichtsratsmitglieder verteilt. Normalerweise hätte der Preis dieser Karten 77 000 Euro betragen. Die Mitglieder der Aufsichtsräte brauchten dafür jedoch lediglich 8 000 Euro aufzuwenden, also nur rund 10 Prozent.

Ich bin nicht der Meinung der Frau Kollegin Greiner, dass es für den Aufsichtsrat wichtig ist, sich die Vorstellungen anzuschauen, weil der Aufsichtsrat eigentlich dafür da ist, dass er die Geschäftstätigkeit, das Risikomanagement und die Umsetzung der Beschlüsse der GmbH überwacht. (Abg. Greiner: Und das Unternehmen kennt!) Ich weiß ganz ein­deutig nicht, was das damit zu tun hat, dass ich mich an den zweifellos fantastischen Vorführungen der Staatsoper ergötze.

Herr Kollege Hintner hat gemeint, dass das Haus hervorragend geführt werde. (Abg. Hintner: Die Nationalbibliothek!) Das war sicher so als Dominique Meyer noch Direktor war. Jetzt, unter der neuen Führung von Bogdan Rošcić, sehe ich das - - (Abg. Hintner: Die Nationalbibliothek!) – Ach so, die Nationalbibliothek! Gut, okay, wurscht, aber ist ja egal. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Meine Meinung ist, die Staatsoper wurde bis Ende


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Juni hervorragend geführt, seit 1. Juli, mit Bogdan Rošcić, sehe ich das nicht mehr so. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.34


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


19.34.29

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Werte Kollegen und Kolleginnen! Die Prüfung der Staats­oper war eine Prüfung, die mich wirklich gefreut hat. Sie ist nämlich ein Vorzeigebeispiel dafür, was Rechnungshofkontrolle bewirken kann. Der Bericht legt den Finger gezielt in die Wunden. Wir haben von Missständen quer durch alle Abläufe erfahren können, und das Problem, das sich ganz zentral durchzieht, ist, dass die Transparenz einfach in vie­len Punkten fehlt.

Ein Thema, das leider bei so vielen öffentlichen Betrieben immer wieder bekrittelt wird und insgesamt zu diesem Ruf in der Gesellschaft führt, dass wir ein Problem haben, ist die Mischung aus Freunderlwirtschaft und einer Haltung im Sinne von: Wir richten es uns schon so, wie es uns passt!

So auch, wenn man hört, was in der Staatsoper in der Vergangenheit alles so passiert ist: Da wurden große Kartenkontingente – und da muss ich Kollegen Zanger wirklich widersprechen; Sie hätten vielleicht ein bissl besser aufpassen sollen – günstig, ohne nachvollziehbares Auswahlverfahren, ohne Richtlinien, ohne Vieraugenprinzip und ohne Kontrolle ganz alleine vom Geschäftsführer vergeben, und die Gewinne streiften Drittan­bieter ein. Außerdem wurden Ausgaben jenseits einer halben Million Euro pro Projekt einfach nicht dem Aufsichtsrat vorgelegt, obwohl das verpflichtend ist. Weiters kam es aufgrund nicht weiterverrechneter Kosten zu einer Quersubvention der Volksoper.

Beim Staatsballett weiß man gar nicht, wo man eigentlich anfangen soll. Zu den medial aufgekommenen Missständen in der Ballettschule kommt noch dazu, dass sich das Auf­sichtsratsgremium dort einfach nicht mit der internen Kontrolle befasst hat, obwohl es sogar gesetzlich dazu verpflichtet wäre. Gerade bei solchen Zuständen ist Kontrolle das A und O, und deshalb bin ich auch sehr froh darüber, dass der Rechnungshof ein Auge darauf hat und völlig zu Recht einmahnt, dass das so einfach nicht weitergehen kann.

Warum ist gerade das eine Prüfung, die mir besonders gefällt? – Weil als Reaktion auf den Bericht schon relativ viel passiert ist. So wurde das gesamte Kartenvergabesystem der Oper auf neue Beine gestellt, undurchsichtige Vergaben von Kontingenten, die bis­her vor allem Drittanbietern dicke Gewinne beschert haben, gehören der Vergangenheit an, und wie wir im Ausschuss von unserer Staatssekretärin gehört haben, wird auch die Problematik der Quersubventionierung der Volksoper angegangen, um auch da für Kos­tentransparenz zu sorgen. Außerdem freut es mich auch besonders, dass unsere Staats­sekretärin angekündigt hat, Bonuszahlungen ohne operative Zielvereinbarungen entge­genzuwirken, und zwar im gesamten Einflussbereich der Bundestheater Holding.

Das sind nur wenige Beispiele dafür, dass die Schaffung voller Transparenz, die von uns Grünen seit Jahren eingefordert wird, gelingen kann. In unserem Kampf für saubere Politik sehe ich den Rechnungshof als einen wichtigen Verbündeten, und ich werde si­cher nicht müde, all diese Maßnahmen für mehr Kontrolle und Transparenz in der Ver­waltung und in den Staatsbetrieben vehement einzufordern, bis auch das letzte dunkle Hinterzimmer dieser Republik ausgeleuchtet wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trautt­mansdorff. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 194

19.37.59

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Präsidentin des Rechnungshofes! Wir debattieren unter diesem Tagesordnungs­punkt drei Berichte des Rechnungshofes: das ist einerseits der betreffend Staatsoper, andererseits der Follow-up-Bericht – um genau zu sein – betreffend Burgtheater und da­zu noch einer betreffend die Nationalbibliothek.

Wenn man sich diese drei Berichte durchliest und sich anschaut, wie die Debatte im Ausschuss verlaufen ist, dann muss man sagen, dass das eigentlich ein Festtag für den Rechnungshof ist, weil wir auf der einen Seite – Kollegin Greiner hat es angesprochen, aber auch aus meiner Sicht – eine wirklich sehr, sehr gute und fundierte Debatte geführt haben – sie war über die Fraktionen hinweg sehr positiv –, an der man, glaube ich, auch sehr gut gesehen hat, welche Wirkung der Rechnungshof entwickelt.

Diese Wirkung zeigen auch diese drei Berichte. Schaut man sich die Follow-up-Überprü­fung des Burgtheaters an, dann sieht man, dass 90 Prozent der Forderungen des Rech­nungshofes umgesetzt worden sind, was ein sehr, sehr hoher Wert ist, der durchaus beeindruckend ist.

Schauen wir uns den Bericht zur Nationalbibliothek an: Von beiden Seiten ist sehr stark gekommen, dass die Zusammenarbeit und das Engagement beider Seiten schon wäh­rend des Berichtes da war. Die Nationalbibliothek hat schon während der Berichterstel­lung auf die Vorschläge des Rechnungshofes reagiert und hat schon umgesetzt, bevor eigentlich ein fertiger Bericht da war.

Auch beim Bericht zur Staatsoper ist es so gewesen, dass sowohl vonseiten des Rech­nungshofes im Nachfrageverfahren als auch darüber hinaus von der Leitung der Staats­oper zugesagt wurde, einen Großteil der Maßnahmen umzusetzen. Das ergibt wirklich ein sehr rundes und positives Bild.

Nichtsdestotrotz gibt es durchaus Dinge, die man da klar gesehen hat – das haben mei­ne Vorredner schon angesprochen –, und ich möchte noch auf ein paar Punkte ein­gehen.

Was mir aufgefallen ist, ist das Thema HR, Mitarbeitermanagement – würde ich jetzt einmal sagen – in diesem künstlerischen Bereich. Das sehen wir in zwei Berichten sehr eklatant; einerseits in dem das Burgtheater betreffend, das ist schon im ursprünglichen Bericht so gewesen, und andererseits auch in dem die Staatsoper betreffend. Man sieht da, dass es durchaus Nachholbedarf gibt, dass es Nachholbedarf gibt, wenn es um Mit­arbeitergespräche geht, dass es aber auch teilweise Nachholbedarf gibt, was einfache Dienstverträge, die nicht schriftlich abgefasst waren, betrifft.

Das ist, glaube ich, etwas, bei dem man durchaus Professionalität zeigen kann, bei dem man gerade auch die kaufmännische Führung in diesen Kulturinstitutionen in die Verant­wortung nehmen muss, dass es auch stärkere formale Akte gibt und dass es auch klarer definiert ist, weil von Mitarbeitergesprächen beispielsweise beide Seiten massiv profitie­ren können. Ich glaube, das wäre ein guter und relativ einfacher Schritt.

Darüber hinaus haben wir auch gesehen, dass es in der Nationalbibliothek beispielswei­se die Thematik mit Leseplätzen gegeben hat, dass es den Vorschlag vom Rechnungs­hof gibt, der von der Nationalbibliothek, glaube ich, auch relativ positiv angenommen wurde, nämlich dass man mit den Universitätsbibliotheken besser koordinieren sollte, weil ja durchaus gerade an Sonntagen oder in der Prüfungszeit ein sehr großer Ansturm auf die Nationalbibliothek herrscht. Man könnte eine relativ einfache Lösung herbeifüh­ren, indem man über Tools online nachschauen kann, wo Plätze frei sind, und dement­sprechend sozusagen die Studierendenströme im Sinne aller Beteiligten ein bisschen lenken kann.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 195

Genau diese positive Diskussion, die wir im Ausschuss gehabt haben, aber auch das Feedback der Auskunftspersonen stimmt mich sehr positiv, dass man auch durch die beiden anderen Berichte bald auf mehr als die 90 Prozent, die beim Burgtheater ange­führt sind, kommen wird. Das, glaube ich, ist etwas sehr Positives und etwas, das wir als Mitglieder des Rechnungshofausschusses durchaus begrüßen können.

Dementsprechend möchte ich mich jetzt vor der Sommerpause auch bei der Frau Prä­sidentin und ihrem ganzen Haus für die Arbeit sehr bedanken. Ich glaube, genau diese drei Berichte zeigen auch, wie wichtig diese Arbeit ist und zeichnen die Arbeit des Rechnungshofes auch durchaus aus. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Laurenz Pöttinger. – Bitte.


19.42.07

Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP): Sehr geehrte Präsidentinnen! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Der Rechnungshof überprüfte 2016 die Wiener Staatsoper GmbH; der Prüfzeitraum war von 2011 bis 2015. Im Juni 2018 wurde der Rechnungshofbericht mit insgesamt sage und schreibe 115 Empfehlungen veröffentlicht – eine doch sehr hohe Anzahl an Empfehlungen, die unbedingt Handlungs­bedarf nach sich zogen.

Natürlich fragte auch ich mich, warum es so viele Empfehlungen waren. Eine für mich sehr plausible Erklärung ist, dass die letzte Prüfung der Staatsoper Anfang der Siebzi­gerjahre vollzogen wurde. Somit war die Prüfung höchst an der Zeit, um die teilweise nicht mehr zeitgemäßen Praktiken zu verändern.

Da nun seit der Prüfung wieder einige Jahre vergangen sind, interessierte mich natürlich der Status quo, der sich sehr erfreulich darstellt. Immerhin sind von den 115 Empfehlun­gen bereits 70 umgesetzt, 42 Empfehlungen sind in Umsetzung beziehungsweise wurde das dem Rechnungshof zugesagt. Nur drei Empfehlungen blieben offen, und über diese drei Empfehlungen, über diese Punkte kann man ganz trefflich streiten.

Bei einer Gesamtbetrachtung jedoch ist absolut das Positive der Wiener Staatsoper hervorzuheben. Die Wiener Staatsoper steht weltweit im Rampenlicht, ist ein Kunst- und Kulturhighlight, um das uns viele Länder dieser Erde beneiden.

Ich danke dem Rechnungshof für die tolle Prüfung. – Danke sehr und alles Gute wei­terhin. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


19.44.32

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Dr. Kraker! Ich darf heute zum vorliegenden Bericht der Follow-up-Überprüfung des Rechnungshofes betreffend Burgtheater GmbH sprechen. Ich habe mir den Bericht in Kopie (diesen in die Höhe haltend) mitgenommen. Er ist quantitativ und qualitativ sehr gut, wie ich bereits in der Ausschusssitzung erwähnt habe. Ich möchte Ihnen, Frau Dr. Kraker, und Ihrem Prüfungsteam sehr herzlich dazu gratulieren.

Der Bericht ist auch positiv, deshalb ist es auch für uns leichter, dazu Stellung zu neh­men; positiv insofern, weil von den 87 ursprünglichen Empfehlungen aus dem Sonderbe­richt 2016 viele umgesetzt worden sind. Es hat sich gezeigt, dass der Schritt von Dr. Ostermayer, diese Prüfung einzuleiten, der richtige war. Es hat sich auch gezeigt,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 196

dass Karin Bergmann eine Intendantin war, die vieles umgesetzt hat, die die Empfeh­lungen des Rechnungshofes ernst genommen hat.

Es gibt über diesen Follow-up-Bericht Positives und Negatives zu berichten; das Positive überwiegt, wie ich gesagt habe. Es wurden mittlerweile auch die Geschäftsabläufe in­soweit verändert, dass wirklich risikoärmere Rechtsangelegenheiten vor risikoreicheren Rechtsangelegenheiten stehen. Die Barzahlungsgeschäfte wurden zur Gänze ausge­setzt, und es wurden auch Akontozahlungen nicht mehr in dem Ausmaß durchgeführt. Und das Vieraugenprinzip, Frau Dr. Kraker, ist ein Prinzip, das eingeführt worden ist, damit solche Fehlverhalten und Verfehlungen nicht auftreten.

Es gibt aber drei Punkte, die zu erwähnen mir wichtig sind. Das Kapitel Personal ist ein großes, und beim Personal gibt es noch Fehlverhalten. Führt man in so einem Betrieb keine Mitarbeitergespräche, ist das natürlich ein Fehler. Das ist auch im Ausschuss angesprochen worden, und die neue Staatssekretärin hat sich bereit erklärt, in diesem Bereich zu agieren. Frau Dr. Kraker hat auch gesagt, dass diese Mitarbeitergespräche fehlen. Ich würde bitten, dass das zukünftig durchgeführt wird.

Was noch fehlt sind Stellenbeschreibungen. Interessanterweise liegen nur 14 Prozent der Stellenbeschreibungen vor, der Rest fehlt. Das wurde bis dato nicht nachgeholt.

Ein Punkt, der mir aufgefallen ist: Es gibt eine Bundes-Vertragsschablonenverordnung, und nach dieser Verordnung sind die Geschäftsführerverträge zu regeln. Bedauerlicher­weise ist in diesem Fall bei der Überprüfung dort festgestellt worden, dass das nicht immer dieser Bundes-Vertragsschablonenverordnung entspricht; übrigens auch so im Bundeskanzleramt. Deshalb meine ich, dass in diesem Bereich Aufholbedarf gegeben ist. Da hat die Frau Staatssekretärin jedenfalls ihre Hilfe und Unterstützung zugesagt.

Frau Dr. Kraker, nochmals herzliche Gratulation an Ihr Prüfteam! Ich bin überzeugt, dass die restlichen Empfehlungen seitens des Burgtheaters, aber auch der Bundestheater-Holding GmbH nachgeholt werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.47


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Blimlinger. – Bitte.


19.47.28

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Ich werde mich kurzfassen. Es liegen drei Berichte vor: der Bericht betreffend die Staatsoper, der Follow-up-Bericht zum Burgtheater – wir kennen die Geschichte davor – und der Bericht betreffend die Österreichische National­bibliothek.

Zur Staatsoper: Die Kartenfrage ist weitgehend gelöst; nämlich die Karten an Büros wei­terzugeben und damit massiv zu verteuern und den Preisunterschied nicht für die Staats­oper zu lukrieren, sondern für Kartenbüros.

Das Thema Opernball-Karten sollte man wirklich lösen. Es ist noch nicht ganz gelöst, aber für den nächsten Opernball plant die neue Direktion, die Anzahl der vergünstigten Opernballkarten doch etwas zurückzunehmen.

Burgtheater Follow-up-Überprüfung: Da ist es wirklich notwendig – das ist das Einzige, was noch offen ist –, MitarbeiterInnengespräche durchzuführen. Das ist in Planung: eine Struktur, die für alle Häuser der Bundestheater gelten soll, um da in Zukunft wirklich auch ein einheitliches, sinnvolles System zu haben.

Offen ist – und das sollte man sich wirklich anschauen –: das Gehalt des künstlerischen Geschäftsführers mit zusätzlicher Pauschale für Inszenierungen. Das wurde schon im ersten Bericht unter anderen Direktoren aufgezeigt; da sollte man jedenfalls hinschauen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 197

Nationalbibliothek: Vieles, was den Bau oder die mögliche Lagerung betrifft, ist nicht unmittelbar ein Problem der Nationalbibliothek, sondern viel eher sozusagen der Burg­hauptmannschaft, die ja die Gebäude und die Lagerungsbestände verwaltet.

Lassen Sie mich einen Punkt herausgreifen: In Planung war ein Tiefspeicher unter dem Heldenplatz um circa 80 Millionen Euro. Es wurde eine andere Lösung gefunden, wo­rüber ich sehr froh bin, weil der Tiefspeicher mit einer Tiefgarage gekoppelt gewesen wäre. Ich muss Ihnen sagen, weder Tiefspeicher noch Tiefgarage am Heldenplatz, wo der Quadratmeterpreis einer der teuersten ist, sind, wie ich glaube, eine gute Lösung. Wenn das Parlament dann wieder übersiedelt, wäre es eigentlich schön, wenn es dort einen freien Platz ohne Autos mit viel Bewegungsfreiheit als öffentlichen Raum geben würde. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Windisch-Kaserne in Richard-Wadani-Kaserne umbenannt werden soll. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte.


19.50.16

Abgeordneter Andreas Minnich (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Zu Beginn möchte ich mich auch den Dankesworten meiner Kolle­gen für die Rechnungshofberichte anschließen. – Herzlichen Dank, Frau Präsidentin, Gra­tulation zu den drei Berichten.

Wenn man den Follow-up-Bericht des Rechnungshofes zum Burgtheater durchsieht, schaut das auf den ersten Blick ganz akzeptabel aus. Sehr viele wichtige Punkte wurden umgesetzt, 90 Prozent der Empfehlungen, um ganz genau zu sein, wie zum Beispiel die Reduzierung der Bargeldausgaben um über 80 Prozent, aber einiges ist noch umzuset­zen, unter anderem, Mitarbeitergespräche regelmäßig durchzuführen. In der Summe ist das eine sehr positive Entwicklung.

Spannend wird es aber dann, wenn man sich den Prüfungszeitraum ansieht: Die­ser startet just genau an dem Tag nach der Goldenen Ära Drozda. In der Filmbranche startet man oftmals, um einen besseren Eindruck und Überblick zu bekommen, mit einem Vorspann unter dem Titel: Was bisher geschah. – Und genau darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren: Was war dort los, was ist dort passiert? So stellt sich für uns abschließend die Frage: War es ein Alfred-Hitchcock-Film oder doch eine Rosamunde-Pilcher-Aufführung? – Fortsetzung folgt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ernst-Dziedzic.)

19.52


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ruth Becher. – Bitte.


19.52.10

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich persönlich freue mich, dass wir am Ende von drei Tagen mit Sitzungen und Diskussionen ein wirklich würdiges The­ma auf der Tagesordnung haben. Der Bericht, dem ich mich widmen möchte, beschäftigt sich mit der Nationalbibliothek. Der Stellenwert, den diese Einrichtung hat, ist enorm und ist mit keiner anderen Bibliothek zu vergleichen; es handelt sich da vielmehr um öster­reichische Identität, um einen Fingerabdruck der österreichischen Identität.

In der Nationalbibliothek werden alle zeitgenössischen Druckwerke, die in Österreich erscheinen, an einer Stelle gesammelt, die Österreichische Nationalbibliothek ist aber auch ein dienstleistungsorientiertes Kompetenzzentrum, Treffpunkt vieler Studierender und Forschender. Es handelt sich dabei um 12,25 Millionen Bücher und Objekte, und das ist eine Verdoppelung gegenüber dem Beginn unseres Jahrtausends.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 198

Die Kritikpunkte des Rechnungshofes sind: Mängel bei der Dokumentation, die Gewinn- und Verlust-Rechnung sowie Inventarisierung des Sammelguts – und das ist, das wurde heute schon öfters erwähnt, zum Großteil schon in Behandlung, ist auch schon in Erle­digung beziehungsweise fertig. Eine Forderung, die die SPÖ gestellt hat, nämlich nach Digitalisierung der Inventarbücher der Papyrussammlung, ist auch bereits umgesetzt.

Google digitalisiert auf Basis eines Vertrages für die ÖNB 600 000 gemeinfreie Bücher – einerseits wird damit das Wissen gratis zur Verfügung gestellt, aber das allein schützt natürlich nicht das österreichische Gedächtnis, daher ist andererseits die Frage der La­gerung doch sehr wichtig. Der Tiefenspeicher unter dem Burggarten ist voll, das wurde schon kurz angesprochen, das heißt, es wird nach außen gelagert und es konnte jetzt, da dieser Tiefenspeicher auf dem Heldenplatz nicht in Angriff genommen wird, anders gelöst werden, was sehr erfreulich ist.

Die über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Österreichischen Nationalbibliothek können sicher sein, dass sie hier im Nationalrat bei sehr vielen Abgeordneten Unterstüt­zung finden. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. El-Nagashi.)

19.55


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Präsidentin des Rechnungshofes Margit Kraker zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Präsidentin.


19.55.11

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte mich bei Ihnen sehr herzlich dafür bedanken, dass am Schluss dieser Tagesordnung – am Ende der Tagungsperio­de – diese Berichte so positiv aufgenommen wurden und dass Sie auch hervorheben, dass die Berichte für die Weiterentwicklung der Institutionen und auch für die wirtschaft­liche Entwicklung von Kulturinstitutionen wesentlich sind.

Ich finde auch, dass die Beratungen, die wir im Rechnungshofausschuss am 24. Juni mit der Kulturstaatssekretärin und mit den Geschäftsführungen der Häuser geführt ha­ben, sehr auskunftsreich, sehr aufschlussreich waren, und wir konnten auch detailliert auf die einzelnen Themen eingehen.

Das hat gezeigt, dass der Rechnungshof richtige Themen anspricht, und es wäre viel­leicht auch wichtig, dass eine derartige Debatte weitergetragen wird, unter Umständen könnte sie auch öffentlich sein.

Als Präsidentin des Rechnungshofes möchte ich auch sagen, dass dem Rechnungshof, auch wenn die Umsetzungsquote sehr positiv ist, natürlich noch mehr gelingt, wenn er Ihre Unterstützung hat und wenn die Empfehlungen vom Hohen Haus dann in den je­weiligen Ausschüssen und in den Gremien unterstützt werden. Mit Ihrer Unterstützung wird es auch gelingen, dass wir die Dinge hartnäckig nachverfolgen können.

Wie gesagt, die drei Berichte sind positiv. Wir haben bei der Staatsoper im Nachfragever­fahren bereits eine Umsetzungsquote von 96 Prozent festgestellt. Bei der Nationalbiblio­thek gab es bereits im Zuge der Prüfung eine Reihe von Sofortmaßnahmen zur Verbes­serung, etwa im Hinblick auf das Vieraugenprinzip, und auch bei der Follow-up-Über­prüfung des Burgtheaters haben wir gesehen, dass die Empfehlungen, soweit sie dann noch überprüft werden konnten und einen Anwendungsfall hatten, überwiegend voll­ständig umgesetzt wurden.

Ein zentraler Punkt in allen Berichten war immer wieder die Frage der Einhaltung der Vertragsschablonenverordnung des Bundes und die Position des Rechnungshofes da­zu. Die Position des Rechnungshofes dazu ist, dass es mit den Geschäftsführungen nur fixe Bezüge geben sollte und dass variable Bezugsbestandteile von operativen Zielvor­gaben in den Verträgen abhängig sein sollten. Das hat sich schon etwas verbessert,


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aber noch nicht ganz. Beim Burgtheater waren drei von vier kritisierten Vertragselemen­ten umgesetzt, ein Punkt war noch offen: die Valorisierung im vierten Jahr nach dem Verbraucherpreisindex. Verbesserungen gab es auch im Vertrag in Bezug auf die Re­gietätigkeiten.

Die Wiener Staatsoper, das ist richtig, wurde lange nicht geprüft, aber umso wichtiger war diese Prüfung, die wir im Juni 2018 als eine umfassende Gebarungsüberprüfung vorgelegt haben, und es gab, wie gesagt, insgesamt 115 Empfehlungen.

Probleme gab es bei der Vergabe der Kartenkontingente, die aus Sicht des Rechnungs­hofes nicht nachvollziehbar war. Wir haben empfohlen, das neu zu ordnen, ein Vier­augenprinzip einzuführen und interne Richtlinien für die Vergabe der Kontingente zu er­lassen. Da gab es die Bereitschaft, das umzusetzen; das wurde auch schon abgestellt.

Wichtig ist bei einem Unternehmen mit 964 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern natürlich die Personalgebarung. Auch da haben wir hingeschaut, das haben wir auch in den an­deren Häusern gemacht, damit das im Bundestheaterkonzern diesbezüglich ordentlich geführt wird.

Beim Bühnenorchester haben wir eine zu geringe Auslastung festgestellt, und wir haben auch festgestellt, dass Dinge teilweise mit dem Staatsopernorchester – wenn Dienste übernommen wurden – doppelt verrechnet wurden. Deshalb empfehlen wir, dass hier der Anstellungsgrad auch überprüft wird.

Insgesamt haben wir festgehalten, dass es für Leistungen Kostentransparenz in den einzelnen Häusern des Konzerns geben sollte, um Querfinanzierungen zu vermeiden. Und aus Sicht des Rechnungshofes sind Kostentransparenz und ‑effizienz keine Gegen­sätze. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Der Aufsichtsrat sollte die Geschäftsführung natürlich immer überwachen und regelmä­ßig Unterlagen übermittelt bekommen; Quartalsberichte sollten zeitnah vorliegen.

Ja, bei den Regiekarten an die Mitglieder des Aufsichtsrates gibt es eine sehr restriktive Haltung des Rechnungshofes. Wir verlangen insbesondere transparente Darstellungen, und wir haben im Besonderen kritisiert, dass der Aufsichtsrat den Beschluss in eigener Sache getroffen hat. Grundsätzlich ist es wichtig, dass Funktionstrennungen bei Abläu­fen immer gemacht werden: bei Genehmigung, Verwaltung und Kontrolle, im IKS insge­samt.

Der Bericht zur Nationalbibliothek ist positiv. Wir haben die Besucherzahlenentwicklung positiv hervorgehoben, ebenso auch die Öffnung der Bibliotheken. Kritisiert haben wir die mangelnde Inventarisierung von Zweitexemplaren et cetera und die nicht transparen­te Ausweisung von Erträgen und Aufwendungen in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung.

Zur Follow-up-Prüfung des Burgtheaters: Ja, vieles wurde umgesetzt. Eine weitere Prü­fung ist ja noch am Laufen.

Ich kann insgesamt festhalten, dass sich durch die umfassende Prüftätigkeit des Rech­nungshofes im Bereich des Bundestheaterkonzerns insgesamt im Bereich der Bundes­theater-Holding vieles verbessert hat: im Bereich der Wahrnehmung der Steuerungs- und Kontrollfunktion, ebenso in Bezug auf die Transparenz der Buchhaltung und die Festlegung von Abläufen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

20.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke der Frau Präsidentin des Rechnungs­hofes für ihre Darstellungen.

Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 200

Ist seitens des Berichterstatters ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen.

20.01.2924. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend ORF: Standortkonsolidierung – 1. Bauphase – Reihe BUND 2020/14
(III-109/253 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 24. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gahr. – Bitte.


20.01.49

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Bereits im Jahre 2012 hat der ORF beschlossen, die drei Standorte Küniglberg, Heiligenstadt und Argentinierstra­ße zu einem gemeinsamen Medienstandort zusammenzuführen. Der Rechnungshof hat dieses Projekt überprüft und dabei den Verkauf, die Programm- und Projektorganisation sowie die Kosten- und Terminentwicklung unter die Lupe genommen.

Eines sei vorweggenommen: Durch dieses Projekt gab es keinerlei Probleme, was die Sendetätigkeit betraf, und auch die Wahrnehmung der Bauherrenaufgaben wurde vom Rechnungshof positiv gesehen.

Insgesamt gab es vier Hauptkritikpunkte, die der Rechnungshof festgehalten hat: Es hat eine umfassende und nachvollziehbare Kosten- und Risikoanalyse gefehlt. Der Rech­nungshof hat insgesamt nicht ausreichend nachvollziehen können, wieso der Zusam­menschluss am Standort Küniglberg stattgefunden hat oder stattfinden wird. Es wurden auch die Komplexität und der Aufwand der Sanierung unterschätzt und nicht ausrei­chend wahrgenommen, was die Planungen betraf.

Der Rechnungshof hat auch kritisch festgestellt, dass eine Umsetzung am Standort Wien Erdberg einiges, sage ich, an Einschränkungen hätte verhindern können, was den Denk­malschutz betrifft. Synergieeffekte bei der Verkehrsanbindung und auch die Mobilität wären an diesem Standort besser gewesen. Hauptkritikpunkt bei diesem Bericht war aber natürlich das fehlende Verkehrskonzept, und das zieht sich bis zum heutigen Tag durch.

Wieso wurde die Entscheidung dann für den Standort Küniglberg getroffen? – Der ORF befürchtete hinsichtlich eines neuen Standorts eine öffentliche Ablehnung und daraus resultierende Nachteile für das Unternehmen. Das war einer der Hauptgründe für die Zusammenlegung am Küniglberg.

Wenn man dieses Projekt heute bewertet, so ist festzustellen, dass viele Empfehlungen umgesetzt worden sind – dank des Rechnungshofes, Frau Präsident! Es wurde zum Glück eigentlich fast alles umgesetzt.

Ein Bereich ist noch offen – und da wünscht man sich noch Anstrengungen, gemeinsa­me Gespräche zwischen der Stadt und dem ORF –, das betrifft die Parkplatzsituation und die öffentliche Verkehrsanbindung. Da gibt es durchaus – das hat Generaldirektor Wrabetz auch im Ausschuss betont – noch Wünsche und Anforderungen, was die An­bindung an den öffentlichen Verkehr betrifft.

Viele Empfehlungen wurden umgesetzt. Abschließend kann man sagen, dass, abgese­hen von Anfangsschwierigkeiten, dieses Projekt ordentlich über die Bühne gegangen ist


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 201

und somit auch positiv gesehen werden kann. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Drozda. – Bitte.


20.05.06

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Bevor ich in der Sache selbst etwas sage, möchte ich mich wirklich beim Rechnungshof und auch bei den Kollegen des Rechnungshofausschusses bedan­ken. Das war mein Debüt im Rechnungshofausschuss, und ich muss sagen, so konstruk­tiv wird in wenigen Ausschüssen – und schon gar nicht im Plenum – diskutiert. Die Grundlage dieser konstruktiven Diskussion waren zweifellos diese sehr sachlichen, sehr gut lesbaren und kompakten Berichte, die es uns ermöglicht haben, eine zielgerichtete Diskussion zu führen.

Bevor ich auf den Bericht eingehe, möchte ich aber noch die Gelegenheit nützen, auch dem ORF, um den es jetzt im letzten Bericht geht, für die hervorragende Arbeit während der Zeit des Lockdowns und danach zu danken. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.)

Ich glaube, dass sich in dieser Ausnahmesituation wieder einmal gezeigt hat, wie wichtig ein öffentlich-rechtliches Medium ist, das faktenbasiert und zuverlässig unaufgeregt be­richtet.

Ich registriere auch mit einer gewissen Genugtuung – und ich schaue da in Richtung der Reihen der Freiheitlichen –, dass die Diskussion um die Staatsfinanzierung des ORF in den letzten Tagen und Wochen deutlich leiser geworden ist. Ich kann nur sagen, das ist wirklich gut so. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Gabriela Schwarz.)

In der Sache des Berichtes selbst komme ich allerdings nicht umhin, den Rechnungshof zu zitieren, insbesondere seine Ausführungen unter Ziffer 3.2, in denen es um die Frage geht, auf Basis welcher Berechnungen die Entscheidungen für beziehungsweise gegen den Standort gefällt worden sind. Es ist eine Barwertberechnung über 35 Jahre abge­zinst, und die Differenz über diese 35 Jahre, die zugunsten des alten Standorts oder des bisherigen Standorts ausgegangen ist, war sage und schreibe 4 Millionen Euro – man könnte sagen, das basiert auf einer Rundungsdifferenz.

Die Wahrheit ist – und ich kann das aus meiner Erfahrung als Stiftungsrat sagen –: Die ÖVP wollte diesen Neubau nicht. Daher wurde auch die Entscheidung so getroffen, wie sie getroffen wurde: ein 40 Jahre altes Gebäude, einen Roland-Rainer-Bau, mit all den Problemen, die so ein 40 Jahre altes Gebäude mit sich bringt, zu sanieren.

Wie problematisch diese Sanierung war, hat man unmittelbar danach am Bauteil I gese­hen. Beim Bauteil I – das ist dieses zentrale Gebäude, das Sie sehen, wenn Sie auf den Küniglberg zugehen – gab es zwei Probleme: eine Bauzeitverzögerung von zwei Jahren und zudem eine Erhöhung der Kosten um über 20 Prozent.

Ich bin jemand, der immer auch gerne Verantwortlichkeiten benennt. Verantwortlich da­für war zweifellos der damalige kaufmännische Direktor Richard Grasl. Man kann von Glück reden, dass er nicht Generaldirektor wurde und dass der jetzige Generaldirektor dann – und das zeigt der Rechnungshofbericht ja auch sehr deutlich – die richtigen Pro­jektmanagementschritte und Controllingschritte gesetzt hat und die Sache jetzt wieder auf einem guten Weg ist. – In diesem Sinne: Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 202

20.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte.


20.08.39

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen! Eingangs möchte auch ich mich für den informativen Bericht bedanken. Er ist sehr interessant zu lesen und oft verwundert, was daraus eigentlich alles herauszulesen ist.

Ich möchte heute über den Bericht des Rechnungshofes betreffend ORF: Standortkon­solidierung – 1. Bauphase, sprechen.

Von April 2017 bis Juli 2018 überprüfte der Rechnungshof das Projekt Standortkonsoli­dierung des Österreichischen Rundfunks in Bezug auf die Entscheidungen für die Kon­solidierung der ORF-Standorte, den Verkauf des ORF-Funkhauses, die Programm- und Projektorganisation sowie die Kosten- und Terminentwicklung beim Objekt 1, dem Büro­gebäude des ORF.

Der überprüfte Zeitraum umfasste die Jahre 2012 bis 2016. Im Rahmen der Standort­konsolidierung beschloss der ORF im September 2012, seine drei Standorte in Wien – Argentinierstraße, Heiligenstadt und Küniglberg – zusammenzuschließen und im ORF-Zentrum am Küniglberg zu konsolidieren.

Aus Sicht des Rechnungshofes wurde diese Entscheidung jedoch getroffen, ohne die Vor- und Nachteile gegenüber einem Neubau umfassend zu analysieren. Damals wäre auch ein Neubau in Wien Erdberg in Frage gekommen, bei dem es keine Probleme in Bezug auf den Denkmalschutz gegeben hätte und auch eine Verkehrsanbindung ge­währleistet gewesen wäre. Der ORF hat jedoch befürchtet, dass die Öffentlichkeit einen neuen Standort ablehnen würde, und so entschied man sich für den Küniglberg.

Leider wurde der Umfang der Sanierungsarbeiten des Gebäudes am Standort Künigl­berg unterschätzt. Der ORF vergab Planungsleistungen, die nicht ausschreibungsreif waren, was zu erheblichen Mehrkosten durch notwendig gewordene Zusatzaufträge führte. Nach Ansicht des Rechnungshofes waren die Ausschreibungen beziehungswei­se die Leistungsverzeichnisse mangelhaft. Jedoch reagierte der ORF schnell auf Fehl­entwicklungen und nahm umgehend seine Bauherrnaufgaben aktiv war.

Auch positiv zu bewerten ist die Nachhaltigkeit des Medienstandortes sowie, dass es während der gesamten Bauphase zu keinen Produktions- und Sendeausfällen kam. Das Umweltministerium zeichnete im Juni 2017 den ORF für die Sanierung des Objekts 1 mit dem Klimaschutzpreis aus.

Meine Damen und Herren, zu bemängeln ist jedoch leider, dass es bis dato noch immer kein Verkehrskonzept gibt. Es ist aber unbedingt notwendig, dass sich der ORF und die Stadt Wien auf ein gemeinsames Verkehrskonzept einigen, weil nach der Fertigstellung des Projektes rund 860 Mitarbeiter zusätzlich am Küniglberg beschäftigt sein werden.

Auf der einen Seite wird von der Bezirksvertretung die Schaffung zusätzlicher Parkplätze am ORF-Gelände gefordert, um eine totale Verparkung der Umgebung zu verhindern. Auf der anderen Seite widerspricht die Anreise der Mitarbeiter mit dem Pkw den Ver­kehrskonzepten der Stadt Wien. Entsprechend den Empfehlungen des Rechnungshofes sollten sich beide Parteien wieder um eine Ausarbeitung eines Verkehrs- und Mobilitäts­konzeptes bemühen. In diesem Sinne hoffe ich, dass baldigst eine Lösung gefunden wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 203

20.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stögmüller. – Bitte.


20.12.48

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es heute vor allem um die Frage des Klimaschutzes beim Mammutprojekt der ORF-Standortzusammenlegung.

Der ORF hat als Schwerpunkte bei diesem Projekt auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit gesetzt. Das ist großartig und das begrüßen wir Grüne natürlich. Es gab dafür auch Lob vom Rechnungshof, der meinte, dass ein solcher Schwerpunkt gut sei, weil der ORF damit ökonomische, ökologische und soziale Interessen sowie die Bedürfnisse künftiger Generationen bei der Ausübung seiner Unternehmertätigkeiten berücksichtigt.

Gut, dem können wir uns anschließen. Das hat auch das Umweltministerium getan, das dem ORF – der Kollege hat es schon erwähnt – 2017 für die Sanierung des Objekts 1 am Küniglberg – das ist eines von diesen zehn Gebäuden und Häusern, die am Künigl­berg saniert worden sind – den Klimaschutzpreis „klimaaktiv Gold“ verliehen hat.

Im Zuge dessen meinte der ORF, er beabsichtige natürlich, auch weitere Neubauten und Sanierungen nach demselben Standard abzuwickeln. – Schön und gut, aber es schaut halt nicht danach aus. Die Sanierung dieses einen Hauses führte zu einer Kostenüber­schreitung, konkret ging es dabei um 6,4 Millionen Euro. Da man jedoch im Gesamtbud­get von 303 Millionen Euro bleiben wollte – und man muss auch ehrlich sagen, wenn man sich den Rechnungshofbericht durchliest, merkt man, dass auch sonst nicht an allen Ecken und Enden gespart wurde –, verringerte der ORF die Sanierungstiefe zweier an­derer Objekte am Küniglberg.

Doch was heißt das konkret? – Das heißt, dass da nicht ordentlich saniert wird. Vielmehr nimmt man höhere laufende Kosten in Kauf, und was noch ärgerlicher ist, man nimmt in Kauf, dass man unter Umständen in wenigen Jahren wieder ranmuss und noch einmal sanieren wird. Das ist meiner Meinung nach ineffizient und auch ressourcentechnisch unerklärlich.

Im Rechnungshofbericht ist dazu auch noch von einer Nutzungsdauer von zehn Jahren für diese Gebäude die Rede. Zehn Jahre sind bei einem renovierten Gebäude doch re­lativ wenig. Damals wurde seitens des ORF argumentiert, dass die mittelfristige Finan­zierung des ORF nicht sichergestellt sei, weshalb man gar nicht länger planen müsse, und ich finde das ehrlich gesagt sehr kurzsichtig, denn man muss sich sehr wohl auch die Frage stellen, was man denn sonst mit den Betonruinen am Küniglberg machen wird.

Ich meine, man kann doch nicht 303 Millionen Euro in den Umbau des ORF investieren und sagen, das muss nur zehn Jahre halten, weil wir eh nicht wissen, wie das dann mit der Finanzierung des ORF weitergeht! Der Generaldirektor hat im Ausschuss versucht, zu beschwichtigen, und hat gemeint, dass es da vor allem um die Klimageräte gehe und dass diese eh länger halten würden als zehn Jahre, insgesamt aber muss ich trotzdem sagen: Ich habe dafür ganz ehrlich wenig Verständnis. Zuerst redet man von einer Nut­zungsdauer von zehn Jahren, dann sagt man, es wird eh länger halten, und damit man dem Ganzen auch noch einen grünen Anstrich gibt, saniert man ein Objekt ganz toll und lässt sich dafür auch noch einen Klimaschutzpreis verleihen.

Wir müssen wirklich noch – das ist mein Appell – viel mehr Aufklärungsarbeit auch im Bund leisten, um wirklich allen klarzumachen: Die Sanierung von Gebäuden muss mit Nachhaltigkeit und Naturschutz einhergehen und das dürfen nicht nur Lippenbekennt­nisse sein! In diesem Sinne vielen Dank an den Rechnungshof und auch an Ihr Team für diesen Bericht. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

20.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Brandstötter. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 204

20.16.22

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsi­dentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Familie wächst, wenn man mehr Platz braucht, dann hat man zwei Möglichkeiten: Man kann die Wohnung oder das Haus um­bauen oder man mietet eine größere Wohnung, baut sich ein größeres Haus.

Wenn man sich dafür entscheidet, bei der bestehenden Wohnung, beim eigenen Haus herumzudoktern, dann endet das meistens nicht gut. Da wird hier eine Gaupe drange­baut, da ein Carport, da kommen Wintergärten dazu, und innerhalb kürzester Zeit hat das Haus völlig seine Form verloren, passend ist es aber trotzdem noch nicht, denn es ist immer noch neben der Autobahnabfahrt oder im Hochwassergebiet. – Genau so muss es auch bei der Standortsuche des ORF gewesen sein.

Der ORF hat 2012 die Zusammenführung der drei Wiener Standorte beschlossen – der Küniglberg mit dem ORF-Zentrum, Heiligenstadt mit Ö3 und die Argentinierstraße sollten an einem Standort zusammengefasst werden. Der Rechnungshof kritisiert jetzt, dass die Entscheidung für die Konsolidierung am Standort Küniglberg ohne umfassende Analyse getroffen wurde. Man hat sich anscheinend nicht gefragt, welche Vor- und Nachteile es für die jeweiligen Standorte gibt, was für und was gegen die Standorte spricht.

Für einen Neubau in Sankt Marx hätte es sehr gute Gründe gegeben, zum Beispiel keine Einschränkung durch den Denkmalschutz und eine gute Verkehrsanbindung. Eine sol­che gibt es nämlich am Küniglberg definitiv nicht. Böse Zungen behaupten ja, dass ORF die Abkürzung für oarg in der Ferne ist, und es ist tatsächlich ein kleiner Wandertag, wenn man auf den Küniglberg hinaufpilgern möchte, vor allem wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Verkehrskonzept gibt es auch noch keines. Bisher konnten sich ORF, Stadt Wien und Bezirk da nämlich noch nicht einigen.

Des Weiteren kritisiert der Rechnungshof, dass es dem ORF nicht gelungen ist, eine stabile Projektorganisation zu etablieren, und dass zumindest zu Beginn die Komplexität und der Aufwand dieses Sanierungsprojektes unterschätzt wurden.

Es überrascht dann auch nicht, dass der ORF Auftragswerte über 100 000 Euro entge­gen den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes direkt vergeben hat oder unzuläs­sigerweise gesplittet hat. Diese Methode kennen wir ja auch von der öffentlichen Hand zur Genüge, zum Beispiel beim Krankenhaus Nord oder bei der Vergabe von Inseraten.

Wir hoffen aber sehr, dass sich der ORF die berechtigte Kritik zu Herzen nimmt und nicht nur Lippenbekenntnisse zur Verbesserung abgibt.

Ich möchte diese Gelegenheit vor der Sommerpause auch noch nützen, um zum ORF grundsätzlich einiges zu sagen. Ich bin ja schon auf das ORF-Gesetz gespannt, das für Herbst angekündigt ist, auch im Hinblick auf die momentane Besetzung des Stiftungs­rates. Das hat die ÖVP ja recht geschickt eingefädelt. Sie hält jetzt 16 Stiftungsräte und dann bald die alleinige Macht, was natürlich auch demokratiepolitisch nicht besonders gut ist. (Beifall bei den NEOS.)

Viel wichtiger als dieses politische Hintergrundrauschen und auch die Sucht nach Ein­fluss wäre aber, dass der ORF gerade in Zeiten von Corona die österreichische Film- und Kulturszene unterstützt. Man hat ja leider auch beim „Sommerkabarett“ gesehen, wie weit es um den ganzheitlichen Blick des ORF auf die österreichische Gesellschaft bestellt ist. Kein Witz: Über Jahre gab es ausschließlich männliche Kabarettisten, die Sendezeit bekommen haben.

Wir NEOS wünschen uns seit Jahren einen ORF, der sich seiner Sonderstellung und seiner Verantwortung auch bewusst ist und nicht als politischer Spielball verstanden wird. Wir müssen deshalb auch sicherstellen, dass der Einfluss der Politik stark reduziert wird und dass ein transparenter Umgang mit den öffentlichen Geldern durch eine neu


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aufgestellte Struktur gesichert ist. Außerdem wünsche ich Ihnen einen schönen Som­mer. (Beifall bei den NEOS.)

20.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter See­mayer. – Bitte.


20.20.21

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Die meisten Punkte aus dem Rechnungshofbericht zur Standortkonsolidie­rung sind ja bereits angesprochen worden. Natürlich stehen bei so einer Überprüfung durch den Rechnungshof die gesetzeskonforme Abwicklung, die Baukosten und der Nut­zen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Vordergrund. Es ist auch gut, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes umgehend aufgegriffen und teilweise auch noch während der Erstellung des Berichtes umgesetzt worden sind.

Mit der Zusammenlegung der drei Standorte auf einen Standort werden immerhin rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr am Küniglberg arbeiten. Das bringt natürlich die Befürchtung mit sich, dass es im Umkreis zu Verkehrsprobleme kommen wird. Wir haben schon gehört, dass kein einheitliches Verkehrskonzept besteht. Umso wichtiger ist, dass zumindest ein betriebliches Mobilitätskonzept auf den Weg gebracht wurde. Generaldirektor Wrabetz hat uns im Ausschuss ja bestätigt, dass dabei auch die Einbin­dung der Belegschaft und des Betriebsrates erfolgt ist.

Generell ist die Einbindung der Belegschaft in ein Projekt dieser Tragweite ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Umsetzung. Immerhin müssen knapp 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Arbeitsplatz wechseln, einige womöglich weitere Arbeitswege in Kauf nehmen. Der Standort Heiligenstadt, wo sich das Ö3-Studio befindet, soll dabei auch geschlossen werden.

Umso wichtiger ist es, dass auch auf die Bedürfnisse der Belegschaft Rücksicht genom­men wird und der Betriebsrat eingebunden wird. Ich darf mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ORF dafür bedanken, dass die Standortzusam­menlegung mitgetragen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf mich aber auch für das Engagement und den Einsatz, der an den Tag gelegt wird, stellvertretend bei jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ORF, die hier im Haus sind, recht herzlich bedanken. Sie haben in den letzten drei Tagen dafür gesorgt, dass die Diskussionen und Abstimmungen in Wort und Bild auf unterschiedlichsten Kanälen übertragen werden konnten. Ein herzliches Danke dafür und auch Ihnen einen schönen Sommer! (Beifall bei der SPÖ.)

20.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Rechnungshofpräsi­dentin Kraker. – Bitte.


20.23.05

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich nur noch ein paar kurze Sätze zum Bericht betreffend ORF-Standortkonsolidierung sagen: Der Bericht hat sich mit der ersten Bauphase der ORF-Standortkonsolidierung beschäftigt und ist damit eine sehr zeitnahe Überprüfung. Eine zeitnahe Überprüfung hat den Vorteil, dass man auch noch Verbesserungen bei der Abwicklung von noch ausstehenden Teilprojekten erzielen kann, die noch in Angriff genommen werden. Dazu haben wir auch sehr viele Empfehlun­gen an den ORF gerichtet.

Themen bei unserer Prüfung waren die Entscheidungsfindung für die Konsolidierung der Standorte, der Verkauf des ORF-Funkhauses, die Projektorganisation, die Frage des


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Umgangs mit Projektstörungen, Auftragsvergaben, Kosten- und Terminentwicklung und die Nachhaltigkeit des Medienstandortes. Es wurde schon hervorgehoben, dass wir es positiv gesehen haben, dass das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle gespielt hat.

Ganz allgemein gestehe ich auch zu, dass es schwierig ist, Bauprojekte, die so im Fokus des öffentlichen Interesses stehen, störungsfrei abzuwickeln, und ich will nur auf ein paar Kritikpunkte eingehen.

Einer der großen Kritikpunkte war die unzureichende Entscheidungsvorbereitung. Für die Standortkonsolidierung ging es insbesondere um die nachteilige Verkehrsanbindung am Küniglberg und die ungenügende Widmung. Es geht uns auch um zeitgerechte Pla­nungen. So hätte man den Plan B schon früher ins Auge fassen können, nämlich inner­halb der bestehenden Widmung zu planen. Wir empfehlen, dass es wieder Gespräche über ein übergeordnetes Verkehrs- und Mobilitätskonzept für den Küniglberg gibt, weil sich mit dem Plan B auch die Mitarbeiterzahl am Küniglberg deutlich erhöhen wird. Wir haben auch die Frage aufgeworfen, ob es ein Recht auf Befassung durch die Gemein­devertretung gibt, wenn es Anträge auf Widmungsänderung gibt, damit es auch zu Ent­scheidungen kommt.

Einer der Problembereiche war der hohe Zeitdruck, dem man sich ausgesetzt hat, den man zum Teil auch selbst verschuldet hat. Der Verkauf des Funkhauses konnte auch wegen der fehlenden Widmungen nicht zeitgerecht abgewickelt werden. Was die Pro­jektabwicklung betraf, haben wir positiv hervorgehoben, dass immer wieder auch wirklich auf auftretende Probleme reagiert wurde.

Für die Wahrnehmung der Bauherrenaufgabe vonseiten der öffentlichen Hand gibt es eben vonseiten des Rechnungshofes einen umfassenden Leitfaden. Diesen empfehlen wir für alle öffentlichen Bauherren. Da geht es um ausschreibungsreife Planungen, um ausschreibungsreife Leistungsverzeichnisse, die ganz wichtig sind.

Zur Kostenentwicklung: Das Kostenziel für das Objekt 1 wurde aufgrund von Vorent­wurfsplanungen vorzeitig festgelegt. Demgemäß kann es voraussichtlich um 6,4 Millio­nen Euro nicht eingehalten werden. Es wurde schon angesprochen, dass es einen Ge­samtkostenrahmen für das Gesamtprojekt gibt und dass man nach Einsparungsmöglich­keit sucht. Ein Bereich ist die geringere Sanierungstiefe bei weiteren Objekten, und das beurteilen wir natürlich im Hinblick auf eventuell höhere Instandhaltungsaufwendungen. Das sollte man auch als ein gewisses Risiko in Betracht ziehen.

Zum Schluss will ich festhalten, dass der ORF für uns ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Bundesvergabegesetzes ist, solange der Europäische Gerichtshof nicht eine andere Entscheidung trifft. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

20.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke für den Bericht.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

20.26.54Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 21 bis 24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmun­gen über die Berichte des Rechnungshofausschusses, die ich über jeden Tagesord­nungspunkt getrennt vornehme.

Ich sehe, die Fraktionen sind bereit.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht betreffend Wiener Staatsoper GmbH (III-7/250 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll47. Sitzung, 9. Juli 2020 / Seite 207

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Burgtheater GmbH; Follow-up-Überprüfung (III-50/251 d.B.) zur Kennt­nis zu nehmen.

Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betreffend Österreichische Nationalbibliothek (III-55/252 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen

Wer dies tut, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend ORF: Standortkonsolidierung – 1. Bauphase (III-109/253 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Auch das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.28.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 778/A(E) bis 808/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 20.29 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

20.29.07Schluss der Sitzung: 20.29 Uhr

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Parlamentsdirektion

1017 Wien