Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

28. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 13. Juni 2018

 

 


Stenographisches Protokoll

28. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode                    Mittwoch, 13. Juni 2018

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 13. Juni 2018: 9.06 – 21.01 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

3. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 41. Bericht der Volks­anwaltschaft

4. Punkt: Bericht über den Sonderbericht der Volksanwaltschaft über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen

5. Punkt: Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastruktur­auf­bau für alternative Kraftstoffe

6. Punkt: Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Wasserrechts­ge­setz 1959 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden

8. Punkt: Bericht über den Antrag 237/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufarbeitung des Kärntner HCB-Skandals

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

10. Punkt: Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 geän­dert wird

12. Punkt: Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Pflanzen vor Pflanzen­schädlingen (Pflanzenschutzgesetz 2018)

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungs­ge­setz 1975) geändert wird (57/A und Zu 57/A)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 2

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienstverhältnis der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof geändert werden (225/A)

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (242/A)

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (243/A)

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (244/A)

18. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (245/A)

*****

Inhalt

Nationalrat

Mandatsverzicht der Abgeordneten Marlene Svazek, BA und Mag. Stefan Schnöll                   13

Angelobung der Abgeordneten MMMag. Gertraud Salzmann und Ing. Mag. Volker Reifenberger   ............................................................................................................................... 13

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsrufe ..........................................................................................................  14, 14

Geschäftsbehandlung

Mitteilung des Präsidenten Mag. Wolfgang Sobotka betreffend Veröffent­lichung der nicht autorisierten Vorläufigen Stenographischen Protokolle im Inter­net sowie weitere Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie ......................................................................................................................................... 14

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung betreffend Wahrung der Würde des Hohen Hauses:

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 15

Dr. Walter Rosenkranz ................................................................................................ 16

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 17


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 3

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ............................................................................................ 17

August Wöginger ......................................................................................................... 18

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 22

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wor­tung 590/AB gemäß § 92 Abs. 1 GOG ............................................................................................................................... 40

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ................................. 151

RednerInnen:

Mario Lindner .......................................................................................................... ... 152

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 154

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 155

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ... 156

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 157

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 159

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 161

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    40

Aktuelle Stunde (7.)

Thema: „Neue Regierung, alte Politik: Freunderlwirtschaft statt Gerechtig­keit“                   19

RednerInnen:

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ..... 19

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ..... 22

August Wöginger .................................................................................................... ..... 24

Eva Maria Holzleitner, BSc .................................................................................... ..... 26

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 27

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ..... 29

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 31

Gabriela Schwarz ................................................................................................... ..... 32

Philip Kucher ........................................................................................................... ..... 33

Dr. Susanne Fürst ................................................................................................... ..... 35

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ..... 36

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 37

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................  39, 215, 218, 221, 221, 221, 222

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „dringende Reform der Zentralmatura: abgeschlankt, einheitlich, extern aus­gewertet und als Sprungbrett für planvolle Schulentwicklung“ (270/A)(E) ...................................................................................... 114

Begründung: Mag. Dr. Matthias Strolz ...................................................................... 119

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann ........................................................................ 124


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 4

Debatte:

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 127

Mag. Dr. Rudolf Taschner ...................................................................................... ... 129

Mag. Dr. Sonja Hammerschmid ............................................................................ ... 131

Wendelin Mölzer ..................................................................................................... ... 133

Stephanie Cox, BA ................................................................................................. ... 135

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 137

MMMag. Gertraud Salzmann ................................................................................. ... 139

Christian Kovacevic ................................................................................................... 142

Dipl.-Ing. Christian Schandor ................................................................................... 144

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 145

Angelika Kuss-Bergner, BEd ................................................................................ ... 146

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 147

Dipl.-Ing. Alois Rosenberger ................................................................................. ... 149

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ... 150

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wende­lin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterentwicklung der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben der Standardisierten Reife- und Diplomprü­fung“ – Annahme (E 21) ...................................................  141, 151

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 270/A(E) ............................... 151

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkom­men (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einer­seits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.) ......................................................................................................................................... 40

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ..... 40

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 45

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 46

MMMag. Dr. Axel Kassegger ....................................................................................... 49

Cornelia Ecker .............................................................................................................. 51

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 54

Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck .................................................... ..... 56

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ......................................................................... ..... 58

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 61

Doris Margreiter ...................................................................................................... ..... 63

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ..... 64

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 66

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................... 67

Dr. Peter Pilz ..........................................................................................................  68, 80

Dr. Maria Theresia Niss, MBA ..................................................................................... 70

Ing. Wolfgang Klinger ............................................................................................ ..... 71

Dipl.-Ing. Georg Strasser ....................................................................................... ..... 72

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 73

Karl Nehammer, MSc .............................................................................................. ..... 76

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ............................................................................ ..... 77

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ..... 79

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 81

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Volksabstimmung über CETA“ – Ablehnung ........................  43, 81


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 5

Genehmigung des Staatsvertrages in 178 d.B. ............................................................. 81

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (149 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeord­nung 1994 geändert wird (179 d.B.)               81

Annahme des Gesetzentwurfes in 179 d.B. ................................................................... 82

3. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 41. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2017) (III-86/181 d.B.) ....................................................................... 82

RednerInnen:

Martina Diesner-Wais ................................................................................................... 82

Mag. Muna Duzdar ....................................................................................................... 83

Carmen Schimanek ................................................................................................ ..... 84

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ..... 85

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ..... 86

Sabine Schatz ......................................................................................................... ..... 87

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 88

Martina Kaufmann, MMSc BA ............................................................................... ..... 89

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ..... 90

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................ ..... 91

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ..... 92

Christian Ries .......................................................................................................... ..... 93

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ...................................................................... ..... 95

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer ..................................................................... ..... 97

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter ......................................................................... ..... 98

Kenntnisnahme des Berichtes III-86 d.B. ..................................................................... 100

4. Punkt: Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den Sonderbericht der Volksanwaltschaft über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen (III-55/182 d.B.) ....................... 100

RednerInnen:

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 100

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 102

Dr. Brigitte Povysil ................................................................................................. ... 103

Gabriela Schwarz ................................................................................................... ... 104

Klaudia Friedl .............................................................................................................. 104

Edith Mühlberghuber ................................................................................................. 106

Nico Marchetti ............................................................................................................. 107

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ...................................................................... ... 108

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer ..................................................................... ... 109

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter ......................................................................... ... 110

Kenntnisnahme des Berichtes III-55 d.B. ..................................................................... 111

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (137 d.B.): Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Stan­dards beim Infrastrukturaufbau für alternative Kraftstoffe (180 d.B.) .................................................................................................... 111

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 111

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 112

Ing. Wolfgang Klinger ............................................................................................ ... 113

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ... 162

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 163


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 6

Christoph Stark ....................................................................................................... ... 164

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 165

Annahme des Gesetzentwurfes in 180 d.B. ................................................................. 166

6. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (144 d.B.): Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die aus­gewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (155 d.B.)                       166

RednerInnen:

Dominik Schrott ...................................................................................................... ... 166

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 167

Walter Rauch ........................................................................................................... ... 168

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 169

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 169

Genehmigung des Staatsvertrages in 155 d.B. ........................................................... 170

Beschlussfassung im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG ........................................... 170

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (147 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Wasserrechtsge­setz 1959 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (156 d.B.).......................................................................................................... 170

8. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 237/A(E) der Abge­ordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufarbeitung des Kärntner HCB-Skandals (159 d.B.)                        170

RednerInnen:

Robert Laimer ......................................................................................................... ... 171

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 171

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 173

Josef A. Riemer ....................................................................................................... ... 174

Franz Hörl (tatsächliche Berichtigung) ....................................................................... 175

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 175

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ... 176

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 177

Annahme des Gesetzentwurfes in 156 d.B. ................................................................. 177

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 159 d.B. ...................................................... 177

9. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (148 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (157 d.B.) ............................................... 178

RednerInnen:

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ........................................................................... ... 178

Johann Rädler ......................................................................................................... ... 181

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ............................................................................ ... 182

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 184

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 184

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 185

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 186

Dr. Alma Zadić, LL.M. ............................................................................................. ... 187


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 7

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 188

Dominik Schrott ...................................................................................................... ... 189

Annahme des Gesetzentwurfes in 157 d.B. ................................................................. 190

10. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (151 d.B.): Änderung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozon­schicht führen (158 d.B.) ......... 190

RednerInnen:

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 190

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ........................................................................... ... 191

Ing. Christian Pewny .............................................................................................. ... 192

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 193

Genehmigung des Staatsvertrages in 158 d.B. ........................................................... 193

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Re­gie­rungsvorlage (143 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungs­ge­setz 2007 – MOG 2007 geändert wird (165 d.B.)               ............................................................................................................................. 194

RednerInnen:

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 194

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 197

Elisabeth Feichtinger, BEd BEd ........................................................................... ... 198

Maximilian Linder .................................................................................................... ... 199

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ....................................................................  200, 207

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 201

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 202

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ ... 203

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 204

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 206

Annahme des Gesetzentwurfes in 165 d.B. ................................................................. 207

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (138 d.B.): Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Pflanzen vor Pflanzenschädlingen (Pflanzenschutzgesetz 2018) (166 d.B.) ...................................................................... 208

RednerInnen:

Ing. Klaus Lindinger, BSc ...................................................................................... ... 208

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 209

Maximilian Linder .................................................................................................... ... 210

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ............................................................................ ... 211

Dipl.-Ing. Georg Strasser (tatsächliche Berichtigung) .............................................. 212

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 212

Barbara Krenn ......................................................................................................... ... 213

Alois Kainz .............................................................................................................. ... 213

Josef A. Riemer ....................................................................................................... ... 214

Annahme des Gesetzentwurfes in 166 d.B. ................................................................. 214

13. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­des­gesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Ge­schäfts­ord­nungsgesetz 1975) geändert wird (57/A und Zu 57/A) ... 215


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 8

RednerInnen:

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 215

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 216

Zuweisung des Antrages 57/A und Zu 57/A an den Geschäftsordnungsausschuss ... 215

14. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienstverhältnis der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staats­anwälte und Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sowie ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichtshof geändert werden (225/A) ............................................................................................................. 216

RednerInnen:

Dr. Alfred J. Noll ..................................................................................................... ... 216

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 217

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 218

Dr. Markus Tschank ................................................................................................ ... 219

Zuweisung des Antrages 225/A an den Justizausschuss ............................................ 218

15. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (242/A) ............................................ 219

RednerInnen:

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 220

August Wöginger .................................................................................................... ... 220

Mag. Philipp Schrangl ............................................................................................ ... 221

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 221

Zuweisung des Antrages 242/A an den Geschäftsordnungsausschuss ...................... 221

16. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (243/A) ............................................ 222

Zuweisung des Antrages 243/A an den Geschäftsordnungsausschuss ...................... 221

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (244/A) ............................................ 222

Zuweisung des Antrages 244/A an den Geschäftsordnungsausschuss ...................... 221

18. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (245/A) ............................................ 222

Zuweisung des Antrages 245/A an den Geschäftsordnungsausschuss ...................... 222

Eingebracht wurden

Regierungsvorlage ....................................................................................................... 39

183: Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 9

der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

Anträge der Abgeordneten

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Reform der Zentralmatura: abgeschlankt, einheitlich, extern ausgewertet und als Sprungbrett für planvolle Schulentwicklung (270/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend faire Unternehmens­besteue­rungs­systeme in der EU und Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen (271/A)(E)

Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend notwendige Änderungen im internationalen Steuersystem (272/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird (273/A)

Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 ge­ändert werden (274/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung des Personal­stan­des im AMS (275/A)(E)

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Harmoni­sie­rung der Leistungen aller Krankenversicherungsträger (276/A)(E)

Sabine Schatz, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Dr. Alma Zadić, LL.M., Kollegin­nen und Kollegen betreffend der ausreichenden Finanzierung des österreichischen Gedenkdienstes und der sozialen Absicherung der Gedenkdienstleistenden (277/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Akkreditierung und Audit von Studiengängen an Fachhochschulen (278/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zeitnaher Beitritt Öster­reichs zur Open Government Partnership Initiative (279/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans Menschenrechte (NAP-Menschenrechte) (280/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Rates für Fragen der öster­reichischen Integrations- und Außenpolitik geändert wird (281/A)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweit einheitlicher Jugendschutz (282/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausschöpfung des Son­der­pensionenbegrenzungs-Gesetzes (SpBegrG) (283/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Invaliditätspension über­arbeiten (284/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend HIV-Test bei Gesunden­untersuchung (285/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 10

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Krankenversicherungs-Solidaritätsstärkungs-Gesetz (KVSoliStG) (286/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Krankenversicherungs-Wettbewerbsstärkungs-Gesetz (KVWStG) (287/A)(E)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Streichung der ÖH-Pflichtmitgliedschaft (288/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung des Dienst­rechts öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor (289/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Drei Plus Zwei für Asyl­wer­bende (290/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Krankenfürsorgeanstalten-Krankenkassen- Harmonisierungs-Gesetz (KfaKvHG) (291/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Krankenfürsorgeanstalten-Transparenz-Gesetz (KFATG) (292/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mitarbeiter­beteiligung bei Start-ups (293/A)(E)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung des Kulturtourismus durch Veränderung des Mehrwertsteuersatzes auf Eintrittskarten für kulturelle Einrichtungen sowie Tiergärten und Bäder, Schausteller und Zirkus­unter­nehmer von 13 auf 10 Prozent (294/A)(E)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von nachhaltigem Alpintourismus in ländlichen Regionen (295/A)(E)

Dr. Josef Smolle, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 - UG geändert wird (296/A)

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lebensmittel­verschwendung in der Landwirtschaft (297/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Zukunft der Wiener Zeitung (1004/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zugverbindung zwischen Payerbach-Reichenau und Spital am Semmering (1005/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Sicherheit bei Fußballmeisterschaftsspielen in der Saison 2017/18 (1006/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Unterstützung für PolizeibeamtInnen zur Einhaltung des Dienstrechtes - auch auf Social Media (1007/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die soziale Absicherung der Gedenk­dienst­leistenden (1008/J)


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Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Gender-Gesundheitsbericht (1009/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Gender-Gesundheits­bericht (1010/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Nationaler Aktionsplan Behinderung (NAP) und weitere Maßnahmen (1011/J)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Vorwürfe gegen die Tiroler Festspiele Erl (1012/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend budgetäre Auswirkungen des Pflegeregresses (1013/J)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Studien, die vom BMFFJ in Auftrag gegeben wurden (1014/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz, die Gegenstand eines Ermittlungs­ver­fahrens nach dem Verbotsgesetz bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten waren, welches im März 2018 eingestellt wurde, und bezüglich weiterer Fälle mit dem dringenden Verdacht des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz (1015/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Ermittlungen nach dem Verbotsgesetz, die Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens nach dem Verbotsgesetz bei der Staats­anwaltschaft St. Pölten waren, welches im März 2018 eingestellt wurde, und bezüglich weiterer Fälle mit dem dringenden Verdacht des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz (1016/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort betreffend "Sicherung der Qualität der dualen Aus­bildung durch die Lehrlingsstellen" (1017/J)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Schubhaft in österreichischen (Polizei)Anhaltezentren (1018/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Durchschnittspensionen und Personalausgaben der Arbeiterkammer (1019/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (640/AB zu 653/J)

des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien im EU, Kunst, Kultur und Medien auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (641/AB zu 648/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (642/AB zu 660/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (643/AB zu 650/J)


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des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (644/AB zu 652/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (645/AB zu 658/J)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (646/AB zu 659/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (647/AB zu 661/J)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen (648/AB zu 647/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (649/AB zu 649/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (650/AB zu 654/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen (651/AB zu 657/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (652/AB zu 665/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen (653/AB zu 668/J)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen (654/AB zu 663/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen (655/AB zu 662/J)

 

 


 


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09.06.08Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Sitzung ist eröffnet. Ich darf die Damen und Herren Abgeordneten herzlich begrüßen. Ich begrüße auch die Zuseher auf der Galerie und jene zu Hause vor den Fernsehschirmen herzlich.

Das Amtliche Protokoll der 27. Sitzung vom 11. Juni 2018 ist in der Parla­ments­direktion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Für die heutige Sitzung als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Reinhold Einwallner, Melanie Erasim, Wolfgang Katzian, Josef Muchitsch, Alois Stöger und Josef Schellhorn.

09.06.55Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Von der Bundeswahlbehörde sind die Mitteilun­gen eingelangt, dass die Abgeordneten Mag. Stefan Schnöll und Marlene Svazek, BA auf ihre Mandate verzichtet haben und Frau MMMag. Gertraud Salzmann sowie Herr Ing. Mag. Volker Reifenberger in den Nationalrat berufen wurden.

Da die Wahlscheine bereits vorliegen und die Genannten im Hause anwesend sind, darf ich gleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel und über Namensaufruf durch die Schriftführung werden die Mandatare ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten haben.

Ich ersuche nun den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Gahr, um die Verlesung der Gelöbnisformel und den Namensaufruf. – Bitte.


9.07.33

Schriftführer Hermann Gahr: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführer Gahr leisten die Abgeordneten MMMag. Ger­traud Salzmann und Ing. Mag. Volker Reifenberger die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“. – Allgemeiner Beifall.)

*****

09.08.15Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bun­deskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Bundeskanzler Sebastian Kurz wird durch den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA und die Bundesminis-


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terin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl wird durch den Bun­des­minister für Landesverteidigung Mario Kunasek vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird, ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil, der über 19.15 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.08.53Ordnungsrufe


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Ab­geordneten! Ich ersuche um Aufmerksamkeit, es geht um die Sitzung von vergan­ge­nem Montag. Sie hat turbulent begonnen, war untergriffig, auch Unwahrheiten wurden in den Raum gestellt. Deshalb darf ich jenen Abgeordneten, die das durch Zwischen­rufe alles noch angeheizt haben, Ordnungsrufe erteilen.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Rädler einen Ordnungsruf. Ich kenne zwar seine Einstellung zu Bosnien und sein Hilfsengagement dort, aber der Zwischenruf in Rich­tung der Abgeordneten Zadić: „Sie sind nicht in Bosnien! Verwechseln Sie das nicht!“, im Zusammenhang mit dem Hintergrund, den Frau Abgeordnete Zadić hat, ist nicht in Ordnung.

Herrn Abgeordnetem Zanger erteile ich für den Zwischenruf: „Alma, bei mir bist du sicher!“, einen Ordnungsruf.   

09.09.33Bekanntmachung durch den Präsidenten


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich möchte darauf aufmerksam machen, wir werden heute ein neues Service zur Verfügung stellen: Das Vorläufige Steno­gra­phi­sche Protokoll wird bereits am Sitzungstag  in einer noch nicht autorisierten Version veröffentlicht. Das war bei der letzten Sitzung noch nicht der Fall, trotzdem wurde das Protokoll auf Facebook gestellt und der Eintrag bis 18 Uhr nicht gelöscht, Frau Ab­ge­ordnete Zadić, obwohl Sie bereits um 11.12 Uhr von der Parlamentsdirektion schriftlich dazu aufgefordert worden sind. Ich darf darum ersuchen, dass alle Abgeordneten diesbezüglich korrekt vorgehen.

Zu den neuen Services der Parlamentsdirektion, dazu, was wir nun an zusätzlichen Angeboten auf der Website haben: Ich denke, es ist eine vordringliche Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger gut zu informieren und das öffentlich zu machen, wie die Arbeitsbedingungen der Parlamentarier sind. Gleichermaßen geht es darum, dass wir den komplexen Gesetzgebungsprozess transparenter und greifbarer machen.

In diesem Sinne darf ich über die neuen Services der Parlamentsdirektion berichten. Ich darf mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese eingerichtet haben, herzlichst bedanken.

Erstens, wie schon erwähnt: Das Vorläufige Stenographische Protokoll steht ab der heutigen Sitzung in einer noch nicht autorisierten Version im Internet zur Verfügung. Es wird auch jenen, die dort als Zwischenrufer vermerkt sind, zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich um eine noch nicht autorisierte Version, als solche ist sie auch gekennzeichnet. Interessierte können zeitnahe die einzelnen Redebeiträge abrufen beziehungsweise können Abgeordnete dann ihre Rednerkorrekturen vornehmen. Der Probebetrieb wird heute starten.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 15

Zweitens: Wir wollen Bürgerinnen und Bürger noch näher und intensiver mit dem Ge­setzgebungsprozess konfrontieren. Diesbezüglich haben wir aufgrund der Enquete-Kommission zur „Stärkung der Demokratie“ in der vorangegangenen Gesetzgebungs­periode, im Mai 2017, eine neue Möglichkeit eingerichtet: Seit Jahresbeginn gibt es die Möglichkeit einer Online-Zustimmung zu einzelnen Stellungnahmen von Institutionen und Personen. Eine hohe Zahl an Unterstützungen einzelner Stellungnahmen wird sicherlich nicht nur für die Bundesministerien, sondern auch für den parlamentarischen Betrieb, für die Klubs und für die Abgeordneten inhaltliche Anregungen und wertvolle Ergänzungen bringen. Um die Hürden für diese direkten Mitwirkungsmöglichkeiten abzubauen, bietet die Website zudem eine kurze inhaltliche Zusammenfassung des Inhalts eines Gesetzesvorhabens in verständlicher Weise auf der Übersichtsseite des betreffenden Ministerialentwurfs.

Drittens: Zur rascheren Erfassung des Inhalts von Regierungsvorlagen werden ver­ständliche Zusammenfassungen, Kurzinformationen auf der Übersichtseite der betref­fenden Vorlage angeboten. Sie beschreiben dann die inhaltlichen Schwerpunkte.

Bereits jetzt bietet die „Parlamentskorrespondenz“ ein umfassendes Informations­ser­vice über den gesamten Gesetzgebungsprozess an. Sie verfasst zu allen Verhand­lungs­gegenständen wie Regierungsvorlagen, Anträgen und Berichten verständliche Inhaltsbeschreibungen, die die Hauptaspekte zusammenzufassen.

Viertens: Die leichtere Lesbarkeit von Gesetzesinitiativen soll durch eine neue Dar­stellung, insbesondere durch Textgegenüberstellungen verdeutlicht werden. Dies ist drei­spaltig gestaltet: Die linke Seite enthält den geltenden Gesetzestext, die Mittel­spalte die im Antrag vorgeschlagenen Änderungen und die rechte Spalte den ange­strebten neuen Gesetzestext, indem die Einfügungen in Rot und die Streichungen in Blau ersichtlich gemacht werden. Damit können die Leserinnen und Leser mittels eines einzigen Dokuments vorgeschlagene Änderungen leicht überblicken.

Die Parlamentsdirektion bietet dieses Service nicht nur für neue Anträge an, sondern auch rückwirkend für sämtliche Initiativanträge der laufenden Gesetzgebungsperiode. Was die Regierungsvorlagen betrifft, erfolgt derzeit eine Abstimmung mit dem Bun­deskanzleramt, um aufgrund der Erkenntnisse in der Probephase auch die seitens der einzelnen Ministerien übermittelten Textvergleiche weiterzuentwickeln. (Abg. Schieder: Darf ich noch zur Geschäftsbehandlung sprechen?)

*****

Zur Geschäftsbehandlung: Bitte, Herr Klubobmann Schieder.


9.14.04

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Da Sie ja jetzt die Mittwochsitzung angesprochen haben (Rufe: Montag!) – Montag, Entschuldigung! –, heute, am Mittwoch, die Montagsitzung in Ihren einlei­ten­den Worten angesprochen haben, geht es, denke ich, nicht nur darum, das Gehörte gehört zu haben, sondern schon auch darum, dazu noch einmal ein paar Einschät­zungen zu treffen. § 13 unserer Geschäftsordnung sieht vor, dass der Präsident dieses Hauses – also Sie, Herr Präsident – über die Würde des Hauses zu wachen hat.  Die Würde des Hauses ist nicht nur die Würde des Umgangs, wie wir Abgeordnete miteinander umgehen und wie die Regierung mit uns Abgeordneten umgeht, sondern das ist auch eine Frage der Demokratie in unserer Gesellschaft. Demokratie und demokratische - - (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Vielleicht können Sie einmal kurz zuhören, apropos auch zum Thema Würde. – Demokratie lebt nämlich auch davon, dass der Diskurs auf eine faire, nicht verletzende Art und Weise geführt wird.


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Ja, in der parlamentarischen Debatte geht manchmal etwas daneben, aber so, wie es am Montag war, dass ständig Zwischenrufe kamen und es keine Reaktion gegeben hat, das ist, glaube ich, ein Zustand, den wir nicht dulden dürfen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Ich darf Folgendes erwähnen, Herr Präsident, weil Sie das nicht angesprochen haben: Bundesminister Kickl hat in seiner – angeblichen – Beantwortung der Dringlichen Anfrage zum Abgeordneten Krainer gesagt: der Unsinn, den Sie verzapft haben.  Außerdem: „Sie sind in der falschen Veranstaltung [...]!“ – Ich glaube nicht, dass für einen Innenminister eine Parlamentsdebatte eine falsche Veranstaltung ist, sondern es ist genau die richtige Veranstaltung, um Fragen zu erörtern. (Abg. Martin Graf: Das ist keine Geschäftsordnungsmeldung!)

Es geht nicht, dass der Innenminister sagt, dass das „nur unter dem Deckmantel der Im­munität“ geschieht. Die Immunität ist kein Deckmantel, sehr geehrte Damen und Her­ren, die Immunität ist ein parlamentarisches Recht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Bösch: Zur Geschäftsbehandlung!) Es geht nicht, dass der Innenminister zum Abgeordneten Krainer sagt: Sie schauen so aus, als ob Sie seit vielen Wochen nicht geschlafen hätten. Das ist ein Umgangston eines Bundesministers gegenüber einem frei gewählten Abgeordneten, wobei es meiner Meinung nach in Ihrer Kompetenz liegt, Herr Präsident, diesen bezüglich der Würde des Hauses zu richten. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Den Umgang mit der Abgeordneten Zadić haben Sie dankenswerterweise jetzt mit zwei Tagen Verspätung angesprochen. Das halte ich für dringend notwendig. Wir dür­fen aber auch nicht vergessen, die Abgeordnete Schatz ist bei ihrer Rede ebenfalls von Abgeordneten niedergebrüllt worden. Da ist ihr vorgeworfen worden: „Ihr Meinungs­beschneider! Ihr Menschenrechtsverhinderer!“, wie der Abgeordnete Klubobmann Rosenkranz in ihre Richtung gesagt hat.

Oder: Es ist auch einfach pauschalierend von einigen Abgeordneten die Sozialde­mokratische Partei, jene Partei, die an der Gründung der Ersten Republik und an der Gründung der Zweiten Republik und an der Gründung des Parlaments zur Seite ge­stan­den ist, als „Salafisten-Partei“ hier im Hause bezeichnet worden und des Terroris­mus bezichtigt worden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das müssen wir uns nicht gefallen lassen (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz), und da erwarte ich mir, sehr geehrter Herr Präsident, dass Sie natürlich alle Entgleisungen ahnden, aber nicht erst zwei Tage nach einer solch schwerwiegenden öffentlichen Debatte, wo das gesamte Parlament Schaden genommen hat, sondern gleich. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

9.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich lege Wert darauf, mir das in Ruhe durchzulesen, auch darüber nachzudenken, was ordnungsrufwürdig ist und was die Würde des Hauses verletzt. Ich werde mir dieses Thema auch in der Präsidiale noch einmal vornehmen. Ich halte es für absolut angebracht, darüber nachzudenken, das im Zusammenhang richtig darzustellen, nicht aus dem Zusammenhang zu reißen und nicht aus der ersten Emotion heraus zu reagieren. Daher werde ich jetzt auch auf Ihre Anmerkungen keine Antwort geben. (Abg. Gudenus: Die schlechteste Opposition aller Zeiten!)

Zur Geschäftsbehandlung: Bitte, Herr Klubobmann Rosenkranz.


9.17.59

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Zur Geschäftsbehandlung: Darauf, was Herr Klubobmann Schieder gemeint


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hat, kann ich nur eines antworten: Selbstverständlich muss in der Präsidiale über diese Sitzung vom Montag, über die Dinge, die hier behauptet werden, gesprochen werden. Bezeichnend war meiner Meinung nach ja auch, dass Herr Schieder den Umgang der Abgeordneten untereinander und den Umgang der Regierungsmitglieder mit Abge­ordneten angesprochen hat, aber dabei den Umgang von Abgeordneten mit Regie­rungsmitgliedern geflissentlich ausgelassen hat.

Aus meiner Sicht war es unerhört, was sich der Innenminister der Republik hier von der SPÖ und von anderen anhören musste. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Ich kann nur eines zur Geschäftsbehandlung sagen: Liebe Genossinnen und Genossen, wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Krainer. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Krainer: ... den brauchst du nicht beschmutzen!)

9.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung: Bitte, Herr Kollege Scherak.


9.18.47

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Wir merken, dass sogar eine Debatte zur Geschäftsbehandlung offen­sicht­lich nicht ohne Zwischenrufe ablaufen kann, was aus meiner Sicht einigermaßen irritie­rend ist.

Ich würde noch gerne zwei Dinge ansprechen. Erstens, weil es Klubobmann Rosenkranz jetzt angesprochen hat, quasi wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück (Abg. Rosenkranz: Geht’s schon wieder los?): Es ist schon so, dass das Parlament in erster Linie das Haus der 183 gewählten Abgeordneten ist. Ich glaube, dass es wichtig ist – und das war bis jetzt, seit ich hier im Haus bin und, wie ich das verfolgen konnte, auch davor so –, dass Minister grundsätzlich von der Regierungsbank aus nicht Abgeordnete mit Beleidigungen in solch einer Art und Weise diffamieren. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Ruf bei der FPÖ: ... Hundstorfer!)

Es hat ja niemand ein Problem mit einer emotional geführten Debatte, das ist ohne Weiteres nachvollziehbar. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es funktioniert offensichtlich jetzt wieder nicht ohne Zwischenrufe. Die FPÖ schafft es nicht, sich hier zumindest kurze Zeit auf die Debatte zu konzentrieren.

Das Zweite, das mir auch wichtig wäre, was mir im Zusammenhang mit Ordnungsrufen in der letzten Sitzung auch aufgefallen ist, ist Folgendes: Herr Klubobmann Rosenkranz hat für einen Zwischenruf einen Ordnungsruf bekommen und hat sich daraufhin für diesen Ordnungsruf bedankt. Es ist zumindest meines Wissens so, dass wir uns in der Präsidiale grundsätzlich darauf geeinigt haben, dass wir uns nicht für Ordnungsrufe bedanken, da das der Idee des Ordnungsrufes einigermaßen widerspricht. (Heiterkeit der Abgeordneten Belakowitsch und Gudenus.) Das ist auch etwas, was wir in Zukunft in der Präsidiale wieder ansprechen sollten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

9.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeord­neter Zinggl zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.20.05

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident, auch für die klaren Worte, die Sie heute am Anfang der Sitzung an uns


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gerichtet haben und für die Ordnungsrufe, die Sie erteilt haben. Ich würde Sie er­suchen, auch in der heutigen und in den kommenden Sitzungen darauf zu achten, dass hier nicht eine Gepflogenheit Platz greift, die eher eines Bierzelts, eines Fußball­platzes oder eines Feuerwehrballs würdig ist, aber nicht des Hohen Hauses.

Wenn Abgeordneter Rosenkranz die Kritik am Innenminister mit Unflätigkeit verwech­selt, dann soll er dafür Beispiele bringen, was an der Kritik für dieses Haus denn unwürdig war. (Abg. Rosenkranz: Da brauchen Sie nur die Rede lesen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf etwas anderes hinweisen: Klub­obmann Schieder hat berichtet, dass der Abgeordnete Rosenkranz einer Abge­ord­neten Rechtsverhinderung vorgeworfen hat, und während das geschehen ist, hat Abgeordneter Rosenkranz genickt – was er jetzt wieder getan hat. Auch dafür gibt es Ordnungsrufe, weil auch die Mimik und nicht nur die Worte für das Verhalten im Par­lament entscheidend sind. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Ja, das steht in der Geschäftsordnung, die müssen Sie sich bitte einmal durchlesen! Ich würde darum bitten, auch darauf in Zukunft zu achten. – Danke. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Ruf: Um Himmels willen!)

9.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Klub­ob­mann Wöginger zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.21.56

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens möchte ich mich beim Präsidenten für die klaren Worte zu Beginn der heutigen Sitzung bedanken.

Zweite Anmerkung: Es kann nicht sein, dass innerhalb dieser 183 Abgeordneten unter­schiedlich gewertet wird, wenn es um Ordnungsrufe geht. Ich habe hier herausgehört, dass Oppositionsabgeordnete mehr Rechte haben oder mehr sagen dürfen sollen als Abgeordnete der Regierungsfraktionen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Das geht nicht! Wir sind hier gleichwertig unterwegs, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es liegt an uns selbst – und ich bin überzeugt davon, dass alle fünf Klubs Zuschriften, Zusendungen und Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern bekommen, die sich über so manche Situationen hier einfach empören, darüber, wie es hier manchmal zugeht, wenn Debatten ablaufen. Daher sollten wir uns alle daran erinnern, dass wir die Repräsentanten der österreichischen Bevölkerung sind, und mit diesem Haus ent­sprechend würdevoll umgehen.

Das Dritte ist: Es ist nicht richtig, wenn Regierungsmitglieder in Richtung Abgeordnete untergriffige Aussagen tätigen. Es geht aber auch nicht, dass Abgeordnete ständig Regierungsmitglieder diffamieren. Das gilt vice versa. Ich bin dankbar dafür, Herr Präsident, dass wir das in der Präsidiale noch einmal ansprechen und ausdiskutieren werden, aber es liegt an uns allen, wie wir hier auftreten, welche Zwischenrufe wir tätigen und welches Bild wir letzten Endes der österreichischen Bevölkerung liefern, meine Damen und Herren! Das gilt für uns alle! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.23

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich werde dieses Thema der Geschäftsord­nungs­­debatte in die Präsidiale aufnehmen, weil letzten Endes die Auswirkungen, die sich vor


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allem in den Sozialen Medien zeigen, mit Untergriffen und Angriffen bis hin zu Dro­hungen – von beiden Seiten –, inakzeptabel sind. (Abg. Rosenkranz: Richtig!)

09.23.55Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da es keine weitere Wortmeldung zur Geschäfts­behandlung gibt, gelangen wir nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Neue Regierung, alte Politik: Freunderlwirtschaft statt Gerechtigkeit“

Ich darf Abgeordneten Pilz als ersten Redner an das Rednerpult bitten. Sie haben 10 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Das ist eine Zumutung, würde ich meinen!)


9.24.11

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Es hätte mich ja sehr gewundert, wenn ich ohne freiheitliche Zwischenrufe den Weg bis zu diesem Mikrofon geschafft hätte. Ich muss mich nicht wundern (in Richtung FPÖ deutend), es geht eh schon wieder los. (Abg. Höbart: Na no na ned! Die Pension hätte Ihnen sehr gutgetan! – Abg. Hafenecker: Mit Butter am Kopf soll man nicht in der Sonne stehen!)

Nur zwei ganz kurze Bemerkungen. Erstens: Vonseiten der Freiheitlichen Partei und auch vonseiten der Österreichischen Volkspartei hat ein Wort vollkommen gefehlt, das ist das Wort Entschuldigung. – Entschuldigung bei Alma Zadić (Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ), Entschuldigung bei Alma Zadić - - (Weitere Zwischen­rufe bei ÖVP und FPÖ sowie Gegenrufe bei Abgeordneten der Liste Pilz.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, die Diskussion so zu führen, dass man den Sprecher ausreden lässt!


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Aber ich möchte nicht nur der Fairness halber sagen, dass mir Alma Zadić mitgeteilt hat, dass sich Abgeordneter Zanger bei ihr persönlich entschuldigt hat – und das ist zumindest ein Signal in die richtige Rich­tung. (Beifall bei der Liste Pilz sowie der Abg. Margreiter.)

Das Zweite ist: Herr Präsident, hier im Hause sollte es schon möglich sein, dass Sie, wenn Abgeordnete auf sehr persönliche Art und Weise angegriffen und in manchen Fällen auch diffamiert werden, nicht zwei Tage lang darüber nachdenken, ob es hier eines klaren Wortes von Ihrer Seite bedarf, sondern in der Lage sind, den in der Ge­schäftsordnung vorgesehenen Schutz der Abgeordneten und auch der Würde des Hauses sofort wahrzunehmen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, das merke ich nur in aller Ruhe zu diesem Punkt an. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Ich komme jetzt zum Thema dieser Aktuellen Stunde und möchte Sie einfach in aller Ruhe mit ein paar Fakten konfrontieren. Es geht darum, nach einem halben Jahr ein­mal eine erste Bilanz der Regierungsarbeit zu versuchen und ein erstes Mal zu ver­suchen, klarzustellen und auszuleuchten, wo diese Regierung steht, wo die Öster­reichi­sche Volkspartei steht, wo die Freiheitliche Partei steht und welche Interessen sie vertreten.

Das ist eine ganz einfach Frage, da insbesondere im Fall der Freiheitlichen Partei ja viele Wählerinnen und Wähler aus Protest gegen ein bestehendes politisches System gesagt haben: Jetzt wollen wir es den Großen zeigen, wir wollen, dass endlich die Interessen der Kleinen vertreten werden! – Na dann reden wir einmal darüber, wie das Ganze passiert.


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Es ist sinnvoll, da einen sachlichen Zugang zu wählen, und ein sachlicher Zugang ist zum Beispiel eine Parteispende, die Parteispende von Stefan Pierer, dem Eigentümer und Chef des großen österreichischen Industriebetriebs KTM. Das ist ein erfolgreicher Industriebetrieb, der meines Wissens auch ausgezeichnet geführt wird, wo Steuern bezahlt werden, in dem etwa 4 000 Mitarbeiter beschäftigt werden. (Abg. Rosenkranz: Was hat denn der der FPÖ gespendet?) Herr Pierer hat der Österreichischen Volkspartei 436 563 Euro für den Wahlkampf gespendet.

Wenn man sich die Geschäftsgebarung und die geschäftlichen Interessen des Herrn Pierer anschaut, dann wird man feststellen, dass er erst lange Zeit in seinen Indus­triebetrieb investiert hat. In einem Industriebetrieb, der gut geht, wie KTM, erwirt­schaftet man in einem durchschnittlichen Jahr Renditen in der Größenordnung von einigen wenigen Prozent. Das ist für die Industrie in Zeiten wie diesen schon ganz beachtlich. Seit kurzer Zeit hat sich Herr Pierer insbesondere im Großraum Wels dem Immobiliengeschäft zugewendet. Er investiert in Immobilien, und da schaut es schon ein bisserl anders aus.

Herr Pierer hat dann im letzten Jahr ein neues Geschäftsfeld entdeckt, und dieses Ge­schäftsfeld heißt Österreichische Volkspartei. Er hat ein erstes Mal massiv in die Österreichische Volkspartei investiert. Jetzt besteht die Möglichkeit, einmal nachzu­rechnen: Zahlt sich das aus? War das ein gutes Geschäft?

Herr Pierer beschäftigt bei KTM 4 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Österreich. Er zahlt als Unternehmer 1,3 Prozent von der Lohnsumme als Unfallversicherung. Wenn das jetzt gekürzt wird, wenn jetzt der Unternehmerbeitrag zur Unfallversicherung von 1,3 auf 0,8 Prozent heruntergesetzt wird, dann erspart sich Herr Pierer mit seinen 4 000 Beschäftigten in Österreich pro Monat rund 45 000 Euro. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: Was zahlt ein Arbeitsloser Versicherung?) Das heißt, er sitzt da, muss nur kurz nachrechnen und sieht: In elf Monaten habe ich meine Parteispende nur durch die Ersparnisse bei der Unfallversicherung schon wieder herinnen. In elf Monaten ist die Parteispende schon wieder herinnen, aber dann kommen in diesen fünf Jahren noch 49 Monate, in denen Herr Pierer nur kassiert, in denen er seine ÖVP-Dividende kassiert und nichts dafür leisten muss. (Beifall bei der Liste Pilz. – Zwi­schenruf des Abg. Loacker.) In diesen 49 Monaten kassiert der Parteispender Pierer eine Dividende auf Kosten der Unfallversicherten von 2,2 Millionen Euro. – Das ist der Punkt, um den es geht.

Wissen Sie, was das für eine Verzinsung ist? – Nicht 3 Prozent wie bei Industrieinves­titionen, nicht 10 Prozent wie bei Immobilieninvestitionen, sondern eine Verzinsung von 618 Prozent über eine Legislaturperiode. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) So schaut es mit der Österreichischen Volkspartei aus.

Es geht um Folgendes: Was will diese Partei und was will diese Bundesregierung? – Bundeskanzler Kurz ist als Parteivorsitzender mit dem Satz angetreten: Wir sind für die da, die etwas leisten! Heute ist eines klar: Die ÖVP ist für die da, die sich etwas leisten können! Das ist der große Unterschied. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Jarolim.)

Die ÖVP ist heute – das klingt ja fast schablonenhaft – die Partei der großen Ver­mögen, der großen Investitionen, der großen Einkommen und der großen Konzerne. – Na was ist mit dem Finanzminister, wenn er nach Brüssel fährt und versucht, die Besteuerung der internationalen Konzerne zu verhindern? (Abg. Belakowitsch: Der Pilz ist ...!)

Wir kämpfen hier in diesem Parlament darum, dass endlich Apple, Google und Ama­zon in Österreich Steuern zahlen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir könnten schon längst Gesetze haben, in denen steht: Es gibt eine elektronische Betriebsstätte. Wir könnten


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schon längst Gesetze haben, in denen wir sagen, wir besteuern im Inland, was im Ausland an österreichischen Steuerleistungen verschwindet. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir könnten diese ganzen Gesetze längst haben, aber da gibt es einen Finanzminister, der nach Brüssel fährt und sagt: Auch wenn alle in der Europäischen Union die großen Konzerne besteuern wollen, Österreich nicht – wir nicht! Wer sich etwas leisten kann, darf sich alles leisten! – Das ist das Motto der Österreichischen Volkspartei, des Finanzministers und des Bundeskanzlers.

Jetzt kann man sagen: Das alles ist ja keine Überraschung, das haben wir eh immer gewusst! – Das ist auch keine Überraschung, wir haben es wirklich immer gewusst, von Schwarz auf Türkis hat sich da im Grunde nichts geändert. Es ist etwas offener, etwas klarer und etwas geschwinder geworden.

Aber das Entscheidende ist: Was ist mit der Freiheitlichen Partei? (Ruf bei der ÖVP: Was ist mit der Liste Pilz?) Das frage ich mich! Das war einmal die Partei der soge­nannten kleinen Leute. Was ist denn eigentlich mit Ihnen passiert? (Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Ruf bei der ÖVP: Für was stehen Sie?)

Im Zusammenhang mit dem Sozialbetrug, meine Damen und Herren von der Frei­heitlichen Partei, haben Sie erklärt, Ihr heutiger Minister Hofer noch vor einem Jahr: Den Sozialbetrügern muss es an den Kragen gehen. Jetzt wird das Kumulationsprinzip abgeschafft, ist schon abgeschafft. Wenn Sie bei 1 000 Mitarbeitern Sozialbetrug orga­ni­sieren, zahlen Sie eine Bagatellstrafe von 844 Euro – eine Einladung der Frei­heit­lichen Partei, auf Kosten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Sozialbetrug zu organi­sieren. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das ist falsch!)

Was ist mit den Lehrlingen? (Abg. Kassegger: Was ist mit den Arbeitslosenzahlen und den Beschäftigungszahlen, Herr Pilz?) – Die Lehrlingsentschädigungen, die Berufs­aus­bildungsentschädigungen bei überbetrieblicher Ausbildung werden um mehr als die Hälfte gekürzt – die Freiheitliche Partei gegen die Lehrlinge. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Was ist mit den sonstigen großen Versprechen: kein Zugriff auf Abgaben, kein Zugriff auf die Jobsuchenden bei Jobsuche!? (Abg. Hauser: Ich würde einmal vor der eigenen Türe kehren!) Was ist passiert? – Die werden bestraft, wenn sie arbeitslos sind, Job suchen, und zwar von der Freiheitlichen Partei, von der ÖVP.

Und was ist mit den sonstigen Versprechen? 12-Stunden-Tag? (Abg. Gudenus: Fra­gen Sie den Kern!) Zum 12-Stunden-Tag hat es von H.-C. Strache noch geheißen: asozial, leistungsfeindlich! – Und heute: Freiheitliche Partei für den 12-Stunden-Tag, mit dem Ziel, dass es anstelle von Familien, die sich mit ihren Kindern untertags noch regelmäßig treffen können, jetzt Tagesrandfamilien gibt. (Abg. Belakowitsch: Was wissen Sie schon von Familien?) Die Familienpartei FPÖ: die Partei der 12-Stunden-Arbeitstag-Tagesrandfamilien. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Kitzmüller: Alles falsch! Komplett falsch!)

Reden wir doch über Volksabstimmungen, reden wir über Ceta, reden wir über gebrochene Wahlversprechen! (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Wenn es etwas gibt, worauf sich die Österreicherinnen und Österreicher verlassen können, dann ist das Folgendes: Ein Versprechen der Freiheitlichen Partei ist die Garantie, dass dieses Versprechen gebrochen wird! – Und das ist das Entscheidende. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Jarolim. – Abg. Belakowitsch: Jetzt müssen Sie schon selber lachen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um den Schlusssatz!



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Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Gerne. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Die Österreichische Volkspartei hat ihre Versprechen nicht gebrochen, sondern gehalten, weil sie jetzt denen, die gespendet haben, das zurückzahlt. Die Einzigen, die jedes einzelne ihrer Versprechen gebrochen haben, das sind die Damen und Herren der Frei­heitlichen Partei.

Danke für die Zwischenrufe und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gudenus: Großes Kabarett! – Abg. Wurm: Mea culpa würde da einmal gescheiter sein! – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

9.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Blümel. – Bitte.


9.35.15

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Pilz, ich würde gerne sagen: Herzlich willkommen zurück!, aber meine Eltern haben mir immer gesagt: Du sollst nicht lügen! (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf: Ja! Bravo! – Zwischenruf des Abg. Krainer. – Abg. Wittmann: Was war das jetzt? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Thema dieser Aktuellen Stunde lautet: „Neue Regierung - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Der Herr Minister ist am Wort! (Abg. Wittmann: Ein Minister kann nicht machen, was er will! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Minister ist am Wort! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf eine Stehpräsidiale einberufen. 

*****

(Die Sitzung wird um 9.36 Uhr unterbrochen und um 9.38 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die faktisch unterbrochene Sitzung wieder auf und ersuche den Herrn Minister, das Zitat seiner Eltern zurückzunehmen! (Ruf bei der FPÖ: Na bitte!)


Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA (fortsetzend): Ich folge natürlich der Aufforderung des Präsi­denten und nehme das Zitat meiner Eltern: Du sollst nicht lügen!, gerne zurück. (Hei­terkeit und Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Kuntzl: Das ist ja eine Fortsetzung gewesen! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn es in Ordnung ist, dann würde ich jetzt mit meinen Ausführungen zum Thema der Aktuellen Stunde fortfahren. Der Titel der Aktuellen Stunde lautet ja: „Neue Regie­rung, alte Politik“. Ich habe den Titel nicht ganz verstanden, als ich ihn gelesen habe, denn so viel Neues, wie diese Regierung nicht nur im Stil, sondern auch in der Um­setzung in den letzten fünf Monaten gebracht hat, das hat es die letzten Jahrzehnte de facto nicht gegeben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Das bescheinigen uns nicht nur unsere eigenen Daten, sondern natürlich auch die diversesten Zeitungsmeldungen. Ich habe da einen Ausschnitt mitgenommen, um auch von objektiver Stelle zu belegen, dass das so ist. 

Wenn eine große österreichische Tageszeitung nach der Wahl in Salzburg titelt (Aus­drucke entsprechender Zeitungsartikel in die Höhe haltend): „Salzburg-Wahl bestätigt ,neuen Stil‘ der Regierung“, oder wenn die „Süddeutsche Zeitung“ am 7. Juni titelt: „Lernen von Sebastian Kurz“, wenn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 3.2.2018 titelt: „Österreich überflügelt Deutschland“ – und ich könnte das jetzt mit einigen anderen Zitaten fortsetzen –, dann zeigt das schon, dass es eine etwas eigenwillige Formulierung ist, wie der Titel der Aktuellen Stunde heute lautet.

Ich kann das aber auch sehr gerne mit den verschiedensten Maßnahmen belegen, die diese Regierung in den letzten fünf, sechs Monaten auf den Weg gebracht hat. Zum Beispiel: Eine der großen Herausforderungen war es immer, in Österreich endlich Schluss mit der Schuldenpolitik zu machen. Diese Bundesregierung hat es zum ersten Mal seit 1954 geschafft, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen – zum ers­ten Mal seit 1954! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Oft ist gesagt worden: Na ja, aufgrund des Wirtschaftswachstums! – Der Punkt ist nur: Das prognostizierte Wachstum war seit 1954 in circa 40 Jahren höher als 2019, wenn wir die Schuldenpolitik beenden werden, und insofern liegt es wohl doch an den Maß­nahmen, die diese Bundesregierung gesetzt hat. Wir sagen: Sparen im System und nicht bei den Menschen! Runter mit der Steuerlast und runter mit den Schulden! – Das haben wir damit vollführt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zur Zusammenlegung der Sozialversicherungen: Also dieses Thema ist schon länger auf dem politischen Tapet, als ich in der Politik bin. Ich glaube, es ist circa genauso lang eine Forderung in der österreichischen Innenpolitik, wie der Herr Abgeordnete Pilz Abgeordneter ist, nämlich seit circa 30 Jahren, in denen immer gesagt worden ist: Reduktion der Sozialversicherungsträger! – Diese Regierung tut genau das, was seit 30 Jahren gefordert wurde. Diese Regierung tut genau das, was seit den Neunzi­ger­jahren jede Regierung in ihrem Programm hatte, aber niemand umsetzen konnte. Diese Regierung tut das, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Von alter Politik kann also keine Rede sein. Sie haben auch geflissentlich übersehen, dass, seitdem diese Bundesregierung am Ruder ist, viele Maßnahmen gesetzt worden sind, die gerade die kleinen und mittleren Einkommensbezieher entlasten. Ich darf da nur ein paar Beispiele anführen, wie zum Beispiel die Senkung der Arbeitslosen­ver­sicherungsbeiträge für Geringverdiener. Das trifft im Jahresdurchschnitt rund eine halbe Million Menschen, die im Schnitt 311 Euro zusätzlich im Jahr zum Leben haben. Genau das tut diese Bundesregierung, sehr geehrte Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben heute im Ministerrat die größte familienpolitische Entlastung der Zweiten Republik endgültig auf den Weg gebracht – den Familienbonus Plus, von dem circa 950 000 Familien und 1,6 Millionen Kinder profitieren, durch den jedes Kind mit einer Steuergutschrift, mit einem Steuerbonus von 1 500 Euro bedacht wird. Das ist die größte Entlastungsmaßnahme für genau jene, die es brauchen, die erstens steuerlich hoch belastet sind und die zweitens zusätzlich noch für Kinder zu sorgen haben. Das tut diese Regierung! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Man kann diese Liste natürlich sehr, sehr lange weiterführen, denn wir haben in den letzten fünf, sechs Monaten hart dafür gearbeitet, dass vieles, was in den letzten Jahren nicht zustande gebracht werden konnte, auf den Weg gebracht wird, wie zum Beispiel auch mehr Gerechtigkeit in der Mindestsicherung – ein ganz klares Commit-


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ment dieser Regierung. Die Mindestsicherung war übrigens immer als eine Wieder­einstiegshilfe in den Arbeitsmarkt gedacht. Wenn man sich die Zeitungsberichte, auch die Interviews des damaligen Sozialministers Hundstorfer von 2008, 2009 durchliest, hat es immer geheißen: Sie ist keine soziale Hängematte, sie soll dazu dienen, die Leute möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Nur: Was ist passiert? – Durch die Handhabe in manchen Bundesländern ist sie de facto zu einem Arbeitslosengrundeinkommen geworden. Das hätte sie nie sein sollen, so war sie nie konzipiert, aber durch schlechten Vollzug ist sie genau das geworden. Und das hat diese Regierung korrigiert. Die Mindestsicherung ist jetzt wieder eine Wie­dereinstiegshilfe in den Arbeitsmarkt, das, was sie immer hätte sein sollen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Kampf gegen den politischen Islam: Das ist etwas, was sogar Sie, Herr Dr. Pilz, in den letzten Jahren immer wieder gefordert haben, dass da entschieden vorgegangen wird. Auch das tut diese Bundesregierung mit Vollzug des Islamgesetzes, einer Grund­lage, die auf Initiative des Integrationsministers 2015 initiiert worden ist, gegen lang­jährige Widerstände von anderen Parteien. Wir haben es getan und wir vollziehen es jetzt und verhelfen dadurch dem österreichischen Rechtsstaat zum Durchbruch und vollziehen den Kampf gegen den politischen Islam, mit dem wir auch die Religion schützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt gute Gründe, nicht nachvollziehen zu können, warum der Titel dieser Aktuellen Stunde „alte Politik“ lauten sollte. Herr Pilz, als längstdienender Abgeordneter ist es Ihnen aber natürlich unbe­nom­men, über alte Politik zu sprechen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Wöginger.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die folgenden Redner nur mehr 5 Minuten Rede­zeit haben. – Bitte.


9.45.30

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Pilz! Wenn Sie hier von allen moralische Ansprüche einfordern, dann sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Schauen Sie sich in den Spiegel und kehren Sie vor Ihrer eigenen Türe! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Zweiten: Hören Sie auf, erfolgreiche Unternehmen wie KTM zu verunglimpfen! Dieses Unternehmen kommt aus meinem Wahlkreis, es ist ein erfolgreicher Betrieb, in dem 4 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt werden und der somit letzten Endes auch die Lebensgrundlage für viele Familien bei uns im Innviertel bietet. Das gehört nicht ins Hohe Haus! Das ist auch dieses Hauses nicht würdig, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Titel dieser Aktuellen Stunde ist ohnedies abstrus, aber für uns eine gute Gele­genheit, um hier über die Bilanz der Bundesregierung einige Sätze sagen zu können. Ich würde sagen: neue Regierung, erfolgreiche Politik und eine neue soziale Ge­rech­tigkeit! Damit sind wir angetreten, und wir wurden von der Bevölkerung eindeutig be­stätigt und gewählt. In ein paar Tagen ist diese Bundesregierung ein halbes Jahr im Amt, und die Bilanz, meine Damen und Herren, lässt sich mehr als sehen. Wir haben bereits Maßnahmen umgesetzt, auch im Parlament beziehungsweise im Ministerrat auf den Weg gebracht – das hat es in den Vorgängerregierungen nicht gegeben. (Abg. Yılmaz: Da waren Sie aber schon dabei, oder?) – Ja, ich war dabei, keine Frage! Ich gehöre diesem Haus seit 15 Jahren an, bemüht haben wir uns immer, aber so viel weitergebracht wie in den letzten fünf Monaten hat eine Bundesregierung noch nie.


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(Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Das ist ein Erfolgsrezept, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir entlasten die niedrigen Einkommen, und Beispiele sind immer besser als tausend Worte: Ich war im Postverteilerzentrum Wals-Siezenheim, und ich war dort wirklich beeindruckt. 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wenig verdienen, die dort mit 1 507 Euro für 40 Stunden anfangen, und es ist eine Arbeit, die man mögen muss, aber es ist ein guter Arbeitgeber, keine Frage, und sie alle profitieren von dieser Maßnahme im Entlastungsbereich der niedrigen Einkommen. 900 000 Arbeitneh­merIn­nen werden profitieren, wenn sie mit Ende Juli ihre Löhne und Gehälter ausbezahlt bekommen, und es ist ein Unterschied, meine Damen und Herren, ob diese Menschen 25 oder 30 Euro pro Monat und 300 Euro im Jahr mehr zur Verfügung haben oder nicht. Wir helfen diesen Menschen, die arbeiten gehen und weniger verdienen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Familienbonus Plus hat heute in seinem vollen Umfang den Ministerrat passiert. Das ist die größte steuerliche Entlastung für Familien mit Kindern, und sie betrifft 950 000 Familien und 1,6 Millionen Kinder. Wir gehen diesen Weg der größten steuerlichen Entlastung, weil uns Familien mit Kindern am Herzen liegen. Das ist eine Entlastungsmaßnahme, die wir lange gefordert haben. Diese Bundesregierung und wir hier im Parlament bringen sie auch zur Umsetzung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein Standortpaket, ein Deregulierungspaket, ein Lehrlingspaket, ein Sicherheitspaket mit über 4 000 zusätzlichen Polizistinnen und Polizisten, ein Kurswechsel im Bun­des­heer, ein Kurswechsel, auch was die Justizangelegenheiten anbelangt: Wir haben hier alle Maßnahmen, glaube ich, sehr, sehr erfolgreich eingeleitet.

Im Bildungsbereich möchte ich die Deutschförderklassen ansprechen. Es ist uns völlig klar, dass die Kinder dem Regelunterricht nur folgen können, wenn sie letzten Endes auch die deutsche Sprache erlernt haben. Es ist ein Pädagogikpaket in Ausarbeitung, bei dem wir auch wieder stärker in Richtung Leistungsorientierung im Unterricht gehen.

Das, meine Damen und Herren, ist die Politik, die sich die Menschen in unserem Land zu Recht erwarten, und wir erfüllen ihre Erwartungen auch. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben innerhalb von drei Monaten ein Doppelbudget auf den Weg gebracht, mit einem Überschuss im Jahr 2019 (Abg. Doppelbauer: Schauen wir mal!), und jetzt gehen wir zwei größere Reformprojekte an.

Zum einen die Sozialversicherungsreform: 30 Jahre lang wird diskutiert, 30 Jahre lang wird dieses Thema vor sich hergeschoben. Diese Bundesregierung und wir gehen es an. Wir machen eine Strukturreform und keine Gesundheitsreform. Gleiche Beiträge sollen gleiche Leistungen bedeuten, Mehrfachversicherungen werden abgeschafft. Wir vereinfachen das System in der Struktur, weil es notwendig ist, weil niemand erklären kann, warum wir bundesweit 21 Sozialversicherungsträger haben. (Zwischenruf des Abg. Keck.) Wir reduzieren auf fünf, meine Damen und Herren. Diese Regierung bringt das auch zusammen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir arbeiten jetzt eine bundesweit einheitliche Mindestsicherung aus, und das ist die neue soziale Gerechtigkeit. Es braucht einen Unterschied zwischen dem, was wir als Sozialleistung geben, und dem, was die Menschen durch Arbeit in diesem Land ver­dienen.

Abschließend: Wissen Sie, was uns wirklich sicher macht, dass wir auf dem richtigen Weg sind? – Ich war beim Feuerwehrfest, ich habe am vergangenen Wochenende in meinem Wahlkreis eine Sommeroperette eröffnet, da kommen die Leute auf uns zu und sagen: Ihr seid auf dem richtigen Weg, macht weiter so, ihr habt unser Vertrauen


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auch in Zukunft! – Das ist die Bestätigung dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleitner. – Bitte.


9.51.11

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Wöginger, beim Familienbonus profitieren sehr viele Familien in Österreich nicht. Alleinerziehende kriegen 250 Euro (Abg. Wöginger: Kriegen sie jetzt was oder nicht?) Almosen im Jahr, und AlleinerzieherInnen, die nicht arbeiten, kriegen genau 0 Euro. Je mehr man verdient, desto mehr kriegt man (Abg. Gudenus: Was geben Sie den Menschen? Nichts!), wenn man unter diese Grenze fällt, dann kriegt man von der Bundesregierung genau gar nichts. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

„Neue Regierung, alte Politik“: Große Immobilieninvestoren können in Österreich durch den aktuellen Ministerratsbeschluss in verschachtelten Firmenkonstrukten künftig Grund­erwerbsteuer einsparen – nicht die, die das Eigenheim auf ein paar Quadratmetern bauen, ohnehin gar nicht so viel haben und einen hohen Kredit aufnehmen müssen, sondern die, die in Bausch und Bogen mit Grund spekulieren. Für diese Steu­ererleichterung hat die Bundesregierung anscheinend ein Herz, für Kinder in Armut in Österreich aber nicht. Im Jahr 2016 waren in ganz Österreich 70 000 Kinder und Jugendliche auf Mindestsicherung angewiesen. 46 000 davon leben in Familien mit mehr als zwei Kindern. Diesen 46 000 Kindern und Jugendlichen in Österreich ver­weigern Sie Chancengerechtigkeit und Teilhabe in unserer Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Dem dritten Kind, das in einer Familie in Österreich lebt, die Mindestsicherung bezieht, stehen künftig durch den Beschluss der Bundesregierung pro Tag weniger als 1,50 Euro zur Verfügung (Zwischenruf der Abg. Duzdar), und ich frage Sie: Könnten Sie als Elternteil tagtäglich Ihren Kindern in die Augen schauen und ihnen die einfachsten Bedürfnisse verwehren? (Abg. Wöginger: Familienbeihilfe haben Sie nicht mitgekriegt?) Könnten Sie tagtäglich den Kindern in die Augen schauen und sagen: Mit deiner Fußballmannschaft hast du das Spiel gewonnen, super, du bekommst neue Fußballschuhe, wir gehen morgen einkaufen, 1,50 Euro haben wir für dich zur Verfügung (Abg. Steinacker: Die Familienbeihilfe ...!), aber dafür bekommst du keine Jause für das nächste Training!? Schulbeginn ist, du brauchst eine Füllfeder und Schulhefte, wir gehen morgen einkaufen, du hast 1,50 Euro zur Verfügung, dafür be­kommst du halt keine Schulmilch! Die Woche darauf ist der Schulausflug, den können wir uns dieses Mal schon gar nicht mehr leisten, aber um die 1,50 Euro bekommst du eine Kugel Eis in der Stadt, denn das ist das Einzige, was wir uns für dich noch wirklich leisten können! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Und, liebes Kind, zum Schluss: Gib die 1,50 Euro nicht auf einmal aus, denn Kanzler Kurz sagt, wenn du brav sparst, kannst du dir zum Schluss eine Eigentumswohnung leisten, in Graz, wo du Medizin studieren möchtest, denn nur dann kannst du die Altersarmut abwenden und deinen Kindern später einmal kräftig etwas vererben!

Es sind 46 000 Kinder, die das tagtäglich in Österreich betrifft und die unter diesen Zuständen wirklich leiden. (Abg. Belakowitsch: Wie kann das sein nach der SPÖ-Regierung?) Das ist eigentlich unerträglich, und die Bundesregierung schaut zu und öffnet unverschämt diese Schere der Armut noch weiter (neuerlicher Zwischenruf der


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Abg. Belakowitsch), und das ist eindeutig der Stempel der sozialen Kälte in Öster­reich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Ich würde Ihnen wirklich eines empfehlen, um in der Realität anzukommen: eine neue Kinderkostenanalyse zu erstellen (Abg. Höbart: Wenn die Sozialdemokratie von Re­alität spricht!), damit Sie sehen, welche Herausforderungen wirklich auf Familien in Österreich warten und vor welchen Herausforderungen sie tagtäglich stehen.

Liebe FPÖ, als Partei des kleinen Mannes habe ich Sie natürlich auch nicht vergessen. Ich frage mich wirklich, wie Sie mit solchen massiven Einschnitten für Familien mit Kindern (Rufe bei der FPÖ: „Einschnitte“?) in Österreich mitgehen können (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ), im Wahlkampf noch Entlastung versprechen und jetzt Familien belasten. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Höbart: Familienbonus, Frau Kollegin! Familienbonus! – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Kindern und Jugendlichen werden Teilhabemöglichkeiten geraubt, und sie werden durch diese Bundesregierung ausgegrenzt und stigmatisiert. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) Große Immobilieninvestoren sparen sich künftig die Grunderwerbsteuer, aber den 70 000 Kindern und Jugendlichen in Österreich, die in Familien leben, die Mindest­sicherung beziehen, wird die Möglichkeit auf eine Zukunft verwehrt und gekürzt. Eisige Kälte für Familien statt sozialer Gerechtigkeit in Österreich durch diese Regierung! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

9.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rosenkranz ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.


9.56.06

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zu meiner Vorrednerin: Schauen Sie einmal nach, vielleicht gibt es auch noch so etwas wie Familienbeihilfe, rechnen Sie das durch! Und wenn Sie schon davon sprechen, was Kindern in diesem Land geraubt wurde und wird: In Wirklichkeit ist es der Scher­benhaufen, den über zehn Jahre sozialistische Unterrichtsministerinnen angerichtet haben. Das sind die wahren Zukunftschancen, die hier unter den Tisch gekehrt wur­den. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Kommen wir zur Aktuellen Stunde, an sich ja noch von Frau Zadić eingebracht, aber er ist wieder da: der selbst ernannte – wie wir heute gehört haben – Gralshüter der Würde des Hauses, Peter Pilz. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich bin froh, dass er heute überhaupt da ist, denn in letzter Zeit haben wir gehört, dass seine Gesundheit manchmal angegriffen ist. Ist es eine Gastritis, die aufkommt (Abg. Höbart: Magenpilz!), ist es eine Viruserkrankung mit einer Kreislaufschwäche, die ihn davor zurückhält, dass er sich einmal verantwortet, nämlich vor einem Gericht, dafür, was er von seinem Lieblingsplatz aus, und das ist dieses Rednerpult hier, immer macht, wo er im Schutz der Immunität einfach alles behauptet und von sich gibt (Zwi­schenruf der Abg. Duzdar), was in Wirklichkeit rechtlich nicht haltbar ist, weder recht­lich noch tatsächlich? (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Diesen Lieb­lings­platz, den kann er auf keinen Fall verlassen, vielleicht macht er noch eine Aktion und kettet sich hier einmal an. Das wären wir von Ihnen und Ihren Gleichgesinnten ja durchaus gewohnt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was hier vom Kollegen Pilz geboten wurde, welche Sorgen er sich macht, beginnend mit den Einsparungen bei der AUVA! – Ja, Lohnnebenkosten senken, dazu steht diese Bundesregierung auf jeden Fall. Warum? – Wenn es nach Ihnen geht, Herr Pilz, hat Herr Pierer dann nämlich nicht mehr 4 000 Angestellte, die ihre Familien im Wahlkreis von Herrn Wöginger versorgen, der hat dann nämlich gar keine mehr, denn Ihre Politik


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führt dazu, dass der Unternehmensstandort Österreich schlicht und ergreifend im Wettbewerb unattraktiv wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie des Abg. Scherak. – Abg. Rossmann: Das ist doch ein Unfug!)

Sie haben sich im Zuge Ihrer Debatten überlegt – zugegebenermaßen eine junge Partei, irrsinnig viele Mitglieder, es ist schwierig, die zu koordinieren –, sich vielleicht einen anderen Namen zu geben. Ich würde da, Kollege Pilz, mit Ihren Kolleginnen und Kollegen nicht allzu sehr in die Fantasiekiste greifen, ich würde meinen, Gruppe Revo­lutionärer Marxisten würde wieder vollkommen ausreichen. (Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP.) Das wäre eigentlich das, was Sie hier behauptet haben, das ist Ihr ideologisches Konstrukt, das Sie haben – machen Sie das doch! (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Das gilt umso mehr, wenn Sie alte Politik vorwerfen. Na ja, also ich muss Ihnen schon eines sagen, und das haben auch die Ihnen bisher sehr wohlgesinnten Medien glasklar analysiert: Ich finde es wirklich interessant, dass Sie als Politpensionist, der Sie ja nach der letzten Nationalratswahl für kurze Zeit waren, trotzdem als Parteiobmann dieser gewaltigen Massenbewegung, der Liste Pilz – vier Mitglieder, fünf Mitglieder, die Zah­len schwanken da, prozentuell eine enorme Abweichung –, für den Bezug Ihrer Sozial­wohnung in Wien das Parteiobmanngehalt von rund 8 800 Euro im Monat brauchen. Ich verstehe es: Soziales Wohnen in Wien kann wirklich teuer sein, da müsste man auch nach einer Wahl in Wien eventuell etwas ändern, aber so schlimm ist es noch nicht in Wien, dass man dafür dieses Gehalt braucht. Sie sprechen hier von einer alten Politik; so wird es wohl nicht sein.

Ich bin wirklich froh, dass Sie – im Rahmen Ihres Gerichtsverfahrens hat man von Ihrer Erkrankung gehört – genesen sind, dass Sie hier sind. (Abg. Zinggl: Zur Sache, Herr Kollege! – Abg. Belakowitsch: Das ist zur Sache! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Mit dieser Art und Weise können Sie keinesfalls den moralischen Anspruch erheben, uns oder dieser Regierung in irgendeiner Weise etwas vorzuschreiben. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich finde es ja interessant und freue mich schon auf die Ausführungen der Kollegin und des Kollegen der Liste Pilz, die laut Rednerliste nach mir noch sprechen werden. Der Erste ist Herr Klubobmann Rossmann. Das ist derjenige, der jetzt gemeinsam mit Herrn Zinggl doch insoweit auf das Klubobmanngehalt verzichtet hat, als dass er mit nur der Hälfte des Aufstockungsbetrags zufrieden ist. (Ruf bei der SPÖ: Was hat das mit ...?) Dazu bezieht er noch eine Pension (Abg. Belakowitsch: Der Arbeiter­kam­mer!) von 5 000 Euro brutto von der Arbeiterkammer. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn Sie hier also von Privilegienstadln oder sonst etwas reden möchten, dann schauen Sie einmal dorthin! Aber, Herr Kollege Rossmann, mit diesem Einkommen werden Sie sich ein paar rote Socken mehr leisten können, und das wird Sie sicherlich auch freuen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Schluss kommt noch Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber, die auch für die Liste Pilz sprechen wird. Das ist diejenige, die die Partei wegen der Parteiobmanngage des neben ihr sitzenden Herrn Pilz bereits verlassen hat. Das ist also das Sittenbild dieser selbsternannten Tugendwächter in dieser Republik! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn ich schon bei den Tugendwächtern bin: Ich sehe jetzt leider Frau Zadić nicht, die bei einer der letzten Debatten im Parlament Rechtsextremisten, Burschenschafter und Terroristen in einem Atemzug zusammengemanscht hat. Den Erfolg sieht man: Ein Burschenschafter, der als solcher erkennbar ist, wird in der Mariahilfer Straße – sicher­lich nicht von Rechtsextremisten – zusammengeschlagen, verprügelt, sodass er dort


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liegen bleibt. Das sind die Auswüchse Ihrer Politik und Ihrer Hetze! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Scherak ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.02.03

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Na ja, die Bundesregierung spricht so gerne vom neuen Stil, und man kann einen neuen Stil erkennen: Es ist der Stil der Superlative. Alles ist das Größte, das Beste, das Schönste. Ich frage mich dabei immer, ob Sie das einerseits selbst glauben, und andererseits: Was ist, wenn – Beispiel Wirtschaftsdelegation in China – dann eine noch größere Wirtschaftsdelegation nach China fährt? Sie müssen also mit den Super­lativen aufpassen.

Ich verstehe schon, dass es aus der Perspektive teilweise so ist. Ich glaube aber eher, dass es an dieser Message Control liegt. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Das ist ja auch ein neuer Stil der Bundesregierung: Sebastian Kurz hat die Message Control ein­ge­führt. Grundsätzlich darf jeder Minister nur dann sprechen, wenn Sebastian Kurz das erlaubt. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) Seine Vertretung Minister Blümel darf immer sprechen, weil Sebastian Kurz so selten ins Parlament kommt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Es hat sich also schon etwas geändert im Stil; das stimmt.

Man kann gewisse Dinge aber auch loben, da stehe ich nicht an – die Frage, die die Liste Pilz angesprochen hat; das Thema Lohnnebenkosten senken, das Kollege Rosenkranz angesprochen hat. Das sind positive Dinge, die man jedenfalls machen kann. Auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist etwas, das wir NEOS immer unter­stützt haben. Die FPÖ ist leider – und deswegen war ich überrascht, als Kollege Rosenkranz das jetzt angesprochen hat – sehr schnell eingeknickt beim Thema der Privilegien in den Kammern. (Zwischenruf des Abg. Jarolim.) Sie wissen, es waren jahrelang Sie, die die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft gefordert haben. Wir NEOS nehmen es halt ernst. Sie haben Ihre inhaltliche Position da sehr schnell auf­gegeben. (Abg. Rosenkranz: Die Regierungsperiode ist noch nicht zu Ende, ein bisschen mehr Geduld!)  Die Regierungsperiode ist noch nicht zu Ende, aber man muss Sie ja auch daran messen, was im Regierungsprogramm steht, Herr Kollege Rosenkranz.

Das ist ja in vielen Bereichen das Problem, und dazu kommen wir jetzt auch. Das war auch das, was ich als Nächstes ansprechen wollte. Sie reden sehr oft sehr blumig. Die Lieblingsformulierung von Minister Blümel und Generalsekretär Nehammer ist ja, man wolle im System sparen. Ich habe vor Kurzem eine Anfrage betreffend die Anzahl der Mitarbeiter in den Kabinetten gestellt. Wir wissen, dass die Anzahl der Mitarbeiter in den Kabinetten über die letzten Jahre immer größer geworden ist (Abg. Strolz: Ja!), das war schon bei der Vorgängerregierung so, das war schon bei der Vorvorgänger­regierung so. Und siehe da, Überraschung: Den Höchststand an Mitarbeitern in den Kabinetten der Bundesministerien gibt es jetzt unter Schwarz-Blau. – Und das ist das, was Sie Sparen im System nennen!? Ich meine, das ist allerhöchstens ein Scherz, und noch dazu ein schlechter Scherz! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Es gibt auch ganz unterschiedliche Situationen, in denen es um den Umgang mit dem Parlament geht, die zeigen, inwiefern sich der Stil ganz offensichtlich geändert hat. Wir erinnern uns an die Bestellung von VfGH-Richtern, wo wir als Parlament im Vorhinein aus den Medien haben erfahren müssen, wen wir dann wählen sollen. Das war etwas, das es so auch noch nie gegeben hat. Es war natürlich oft so, dass sich Regierungs-


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par­teien vorher überlegt haben, wen sie gerne im Verfassungsgerichtshof hätten; das ist auch nachvollziehbar. Dass man aber im Vorhinein dem Parlament ausrichtet, was es machen soll, ist einigermaßen irritierend. Wir wussten damals wenigstens, wer sich bewirbt; das ist etwas Positives. Das war bei der Bestellung der Richter für den Europäischen Gerichtshof am Anfang nicht so. Wir haben dann zum Glück gemeinsam beschlossen, dass uns die Informationen zur Verfügung gestellt werden, weil es schwierig ist, jemanden zu wählen, ohne zu wissen, wer die anderen Kandidaten sind. Problematisch war daran, dass wir diese Liste im Hauptausschuss bekommen haben und 17 Minuten später hätten wählen sollen. Auch das ist nicht unbedingt etwas, was ich als neuen Stil empfinde. (Abg. Rosenkranz: Aber besser! Immer besser! Besser schon!)

Ich würde mir von der neuen Bundesregierung und auch von den beiden Regie­rungs­parteien noch mehr neuen Stil im Parlamentarismus erwarten. Wir haben das auch heute schon diskutiert, das Thema Zwischenrufe und so weiter. Etwas, das ich als neuen Stil empfände, wäre, wenn wir uns hier im Parlament auch einigermaßen ernster nehmen.

Was auch immer spannend ist, ist das Thema Parteienfinanzierung. Kollege Nehammer weiß, das ist mein Lieblingsthema. Er will ja, wie gesagt, immer so gerne im System sparen. Wir wissen, wir haben die höchste Parteienfinanzierung Europas in Österreich, wir haben die zweithöchste weltweit; und das Einzige, was dieser neuen Bundes­regie­rung eingefallen ist, ist, dass sie die Valorisierung der Parteienfinanzierung für ein Jahr aussetzt. (Beifall bei den NEOS.) Das hat mit Sparen im System nichts zu tun. Es ist genau das Gleiche und die alte Politik, die vorher auch da war.

Wir haben noch die berühmte Körberlgelddiskussion, bei der nicht ganz klar ist, wofür das Geld verwendet wird. Wir hören immer wieder unterschiedliche Ankündigungen. Meine Vorstellung davon, wie man so etwas ins Budget reinschreibt, ist, dass man es ernsthaft reinschreibt und dazuschreibt, wofür man es verwenden will.

Ja, im Parlament ist es noch schlimmer geworden. Wir haben Fristsetzungen der Re­gie­rungsparteien, die Ausschussvorsitzende zwingen, einen Ausschuss einzuberufen, obwohl er eigentlich vorher nie die Möglichkeit hatte, das überhaupt zu tun. Wir hören auf mit Begutachtungen. Es gibt immer mehr Initiativanträge der Regierungsparteien, damit ja kein öffentlicher Diskurs geführt wird. (Abg. Belakowitsch: Na ja, wir sind das Parlament! Das ist die Aufgabe des Parlaments!) – Frau Kollegin Belakowitsch, es ist schon grundsätzlich so, dass an und für sich Regierungsvorlagen begutachtet werden sollten und dass man nicht versucht, über die Hintertür - - (Abg. Belakowitsch: Wenn fünf Abgeordnete ...! – Abg. Rosenkranz: Das ist auch ein neuer Stil! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ.)  Na selbstverständlich dürfen Sie etwas einbringen! Sie wissen aber auch, dass das in der Regel nicht von Ihnen geschrieben wird, sondern von einem Ministerium. Damit wird versucht, das dann über die Hintertür im Parlament einzubringen.

Was es wirklich braucht, haben wir nicht: Wir haben keine umfassende Pensionsreform im Regierungsprogramm; früher hat das die JVP immer wieder gefordert. Wir haben kein Informationsfreiheitsgesetz, wir haben keine Abschaffung der kalten Progression. Das sind alles Versprechungen, die im Wahlkampf gemacht wurden (Abg. Hauser: Innerhalb von einem halben Jahr!), die nicht nur noch nicht umgesetzt sind, sondern die noch nicht einmal im Regierungsprogramm drinnen stehen, Herr Kollege Hauser. (Abg. Gudenus: Ein halbes Jahr! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist das Problem. Sie haben es sich noch nicht einmal vorgenommen, und dementsprechend wissen wir auch, dass dahin gehend nichts passieren wird. Das ist kein neuer Stil, das


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ist alte Politik und nichts anderes. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rossmann ist zu Wort gemel­det. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt wird’s schwierig! – Ruf bei der FPÖ: Da ist jeder Schritt 5 Euro wert!)


10.07.25

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Blümel, Sie behaupten, im System und nicht bei den Menschen zu sparen. – Das ist falsch. (Ruf bei der ÖVP: ... Rossmann sparen!) In den Doppelbudgets, die Sie vorgelegt haben, wird im System nicht gespart. Sie be­haupten lediglich, dort 1 Milliarde Euro zu sparen. – Hören Sie mir bitte zu, Herr Minis­ter, und lesen Sie nicht auf Ihrem Handy! Sie können jetzt etwas von mir lernen. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Sehr wohl aber sparen Sie bei den Menschen. (Abg. Hafenecker: ... beim Rossmann sparen!) Nehmen wir einige Beispiele aus diesem Doppelbudget her: Sie sparen bei Flüchtlingen und Migranten. (Bravorufe bei der FPÖ.) Sie sparen bei der Integration. Sie sparen bei den Langzeitarbeitslosen, bei Menschen über 50 Jahren, die keine Beschäftigung mehr finden. Sie sparen durch die Indexierung der Familienbeihilfe bei Kindern, die im Ausland leben. Sie sparen bei der Mindestsicherung. (Bravoruf bei der FPÖ.) Sie sagen – oder genauer gesagt war das, glaube ich, Herr Kollege Wöginger –, dass Sie mehr Gerechtigkeit in die Mindestsicherung bringen wollen. Das schauen wir uns gleich einmal an.

Bevor ich das aber tue, möchte ich doch darauf hinweisen, dass es heute einen interessanten Artikel im „Standard“ gegeben hat. Eine neue Studie (Zwischenruf des Abg. Loacker) von Gabriel Zucman, einem der bedeutendsten Vermögensforscher, stellt fest, dass Österreich durch die Steuervermeidungspolitik von Großkonzernen jährlich 900 Millionen Euro an Steuereinnahmen entgehen. 900 Millionen Euro: Das ist fast so viel, wie wir in Österreich für die Mindestsicherung ausgeben! Und dort sparen Sie: Bei den ärmsten der armen Menschen sparen Sie.

Was macht unser Finanzminister? Was steht im EU-Ratsvorsitzprogramm im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuervermeidung durch Großkonzerne? – Worthülsen, Herr Minister Blümel! Darüber werden wir ja morgen noch ausführlich diskutieren. Was war die erste Aktion des Herrn Finanzministers, als er zu seiner ersten Ecofin-Sitzung ge­fahren ist? – Er hat zugestimmt, die Liste der Steueroasen zu kürzen. – Das ist nicht neuer Stil, das, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, ist alte Politik! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Blümel, wenn Sie dann weiter behaupten, Sie entlasten Niedrigverdiener, so muss ich Ihnen sagen, auch das ist schlicht und einfach falsch. Ja, Sie verteilen viel Geld über den Familienbonus Plus, das ist richtig, aber Sie differenzieren zwischen jenen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, und jenen, die Lohn- und Einkom­mensteuer zahlen. (Abg. Winzig: ... eine Steuerentlastung!) Erstere Gruppe erhält einen Betrag von bis zu 250 Euro, letztere, also die Besserverdienenden, bis zu 1 500 Euro. Sind denn die Kinder jener Menschen, die keine Lohn- und Einkommen­steuer in diesem Land zahlen, nur ein Sechstel dessen wert, was Kinder von Bes­serverdienenden wert sind? (Abg. Winzig: Das ist aber schon polemisch! – Abg. Neubauer: Billige Polemik!) Das ist nicht neuer Stil, das ist alte Politik! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.) Schämen Sie sich für diese Politik, Herr


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Minister und meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ! (Abg. Neubauer: Billige Polemik!)

Herr Minister Blümel! Auch wenn Sie dann sagen, dass Sie die Niedrigverdiener über die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge entlasten, muss ich Ihnen sagen: Das ist schlicht und einfach falsch, denn Menschen mit einem Einkommen von bis zu 1 381 Euro zahlen schon bisher keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge. (Abg. Wöginger: Das sind jetzt noch mehr!) Ich verstehe also nicht, wie dadurch eine Entlastung der niedrigen Einkommen stattfinden soll.

Was Sie durch Ihre Politik machen, ist eine Umverteilung, eine unverschämte Umver­teilung vom unteren Einkommensdrittel zu den oberen Einkommensdritteln. (Zwischen­ruf des Abg. Wöginger. – Abg. Gudenus: Also zu Ihnen!) – Ich habe Ihnen gerade erzählt, wie die Geschichte ist. (Abg. Wöginger: Die ist aber falsch! – Abg. Winzig: Das ist falsch! – Abg. Rosenkranz: „Erzählen“ trifft es ...!) – Nein, Arbeitslosenver­siche­rungsbeiträge zahlen Menschen mit einem Einkommen von bis zu 1 381 Euro nicht. (Abg. Winzig: Und drüber? – Abg. Wöginger: Und dann? – Weitere Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Ja das sind ja nicht die Menschen mit niedrigem Einkommen!

Wissen Sie, wie viele Millionen Menschen es in Österreich gibt, die weniger als 1 381 Euro verdienen? – Das sind drei Millionen Menschen in diesem Land, und die lassen Sie unter den Tisch fallen! (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Anhaltende Zwi­schen­rufe bei der ÖVP.) Schämen Sie sich, Herr Wöginger! Schämen Sie sich für diese Politik, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das ist Ihr neuer Stil, schämen Sie sich dafür! (Abg. Rosenkranz: Brauchen Sie ein Pulverl? – Abg. Wöginger: ... 17 000 Euro Einkommen!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka|: Das Schlusswort bitte!


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (fortsetzend): Schämen Sie sich für die Politik, dass Sie Verkäufe von Immobilien im Fall von Holdingkonstruktionen von der Grund­erwerbsteuer freistellen! Das ist Klassenkampf von oben (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), was Sie hier betreiben! – Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Schwarz ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.13.23

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Werter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! „Neue Regierung, alte Politik: Freunderlwirt­schaft statt Gerechtigkeit“. – Allein die Tatsache, dass ich hier stehe, führt dieses Wortspiel ad absurdum. Ich bin ein Neuling, ich bin eine Quereinsteigerin, und die Politik, die hier gemacht wird, ist wirklich alles andere als alt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der neue Stil in der Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ist geprägt von Res­pekt und trotz des freundschaftlichen Umgangs miteinander auch von dem gebotenen Gefühl für Distanz. Darauf lege ich als Frau besonders Wert und darauf achte ich auch. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Umso verblüffender war für mich in letzter Zeit die Tatsache, wie Menschen, die sich Moral an die Fahne heften, mit ihren Kolleginnen und Kollegen umgehen. Wo war sie denn, diese viel zitierte, viel aufgerufene Moral? Unter Kollegialität verstehe ich schon etwas anderes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Das betrifft mich: Ich war lange Jahre Mentorin und habe versucht, jungen Frauen Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein mitzugeben, nämlich auch im Umgang mit raumgreifenden Männern. (Präsident Sobotka niest. – Abg. Wöginger: Gesundheit!) – Gesundheit! Als Gesundheitssprecherin darf ich das auch sagen.

Viele Frauen haben am Montag diesen Saal verlassen, und obwohl in den sozialen Netzwerken und in den Foren diverser Zeitungen geunkt und gespottet wird, möchte ich an dieser Stelle allen Frauen fraktionsübergreifend dafür danken. Das hat Rückgrat bewiesen und Sie können sicher sein, wir werden auch in Zukunft aufmerksam sein. (Ruf: ... zum Thema!) – Ja, das hat etwas mit dem Thema zu tun, zu dem ich gleich komme, das hat auch etwas mit dem Thema Gerechtigkeit in diesem Haus zu tun. Wir werden auch in Zukunft aufmerksam sein, wir werden hellhörig sein und uns diese Aufmerksamkeit bewahren.

Zum Thema Gerechtigkeit fand ich in den letzten Tagen auch die Forderung nach Offenlegung der Einkünfte sehr bemerkenswert. Im Zusammenhang mit 17 000 Euro finde ich das sehr tapfer. Ich kann Ihnen gerne meine Einkünfte offenlegen: Ich habe heuer neben den Einkünften hier in diesem Haus 64 Euro verdient, das war für einen zweistündigen Vortrag vor Sanitätern zum Thema Krisenintervention und SvE. Ich bin ehrenamtliche Landesleiterin der Krisenintervention und fahre selbst auch Einsätze. Wir sind 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche unentgeltlich für Menschen da. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wenn ich einen Vortrag zum Thema Krise halte, zum Beispiel bei Banken, dann geht das Honorar genau an diese Menschen, nämlich an die Ehrenamtlichen, zum Beispiel für Winterjacken. Ich bin übrigens gerne bereit, all jenen, die das Bedürfnis haben, zu spenden, eine Liste zur Verfügung zu stellen.

Glauben Sie mir, ich komme in viele Haushalte, und da spreche ich jetzt nicht von den traditionellen Hausbesuchen. Ich rede davon, dass ich in Familien bin, wo in dem Moment, in dem ich dort auftauche, kein Stein auf dem anderen bleibt. Und ich lasse mir von Ihnen sicher keine soziale Kälte attestieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich nehme das, was ich in diesem Haus tue, sehr ernst, auch als Gesundheits­sprecherin. Mit meinem Pendant Brigitte Povysil gibt es eine wirklich gute Zusammen­arbeit, und wir werden dieses solidarische Gesundheitssystem, das Österreich Gott sei Dank hat, bewahren und weiter verbessern. Wir arbeiten konzentriert und im Konsens. Ich verstehe mich gut mit meinen Sitznachbarinnen und Sitznachbarn, und das wird auch so bleiben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Die Wunderwaffe der SPÖ!)


10.17.04

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie Sie alle das sehen: Wenn gewisse Dinge das eine oder andere Mal passieren, kann man sagen, das ist vielleicht Zufall. Wenn es aber Dinge gibt, die immer wieder, die regelmäßig vorkommen, dann kann man sagen, das ist vielleicht kein Zufall mehr. So ein Zufallsweltmeister ist Sebastian Kurz. Man kann sich ganz sicher sein, dass Sebastian Kurz immer, wenn es irgendwie brenzlig wird, wenn irgendein Thema nicht passt, genau zu diesem Sitzungstermin ein Treffen mit seinen konservativen Parteifreunden hat. Das ist in Wahrheit kein Zufall mehr, das ist eine Regelmäßigkeit. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz sowie bei Abge­ordneten der NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Er hat wenigstens Freunde!)

Kollege Rosenkranz erinnert sich gerade, er denkt gerade nach und kommt vielleicht gerade drauf: Ihr erinnert euch, wer war denn einer der größten Lobbyisten und


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Kämpfer und hat immer gesagt, die Konzerne sind so wichtig, wir müssen schauen, Ceta ist so wichtig für die Konzerne? – Jahrelang war das doch Sebastian Kurz als Außenminister, ein Ceta-Fan der ersten Stunde! (Abg. Winzig: Die Klein- und Mittel­betriebe!)

Als wir das erste Mal im Parlament über Ceta gesprochen haben, wer ist denn da alleine wie ein Häufchen Elend auf der Regierungsbank gesessen? – Das war Vize­kanzler Strache; Sebastian Kurz war wieder irgendwo bei seinen konservativen Partei­freunden, und Strache hat uns allen auf einmal erklären müssen: Ceta ist Weltklasse, die Volksabstimmung ist eigentlich ein Käse, das brauchen wir alles nicht. – Das ist die verdrehte Politik; Sebastian Kurz: Immer wenn es brenzlig wird, ist er nicht da. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Wo ist der Kern? Abg. Winzig: Der Kern ist nicht einmal im Wirtschaftsausschuss! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was ist heute das Thema? – Heute geht es um politische Freunderlwirtschaft, um politische Postenbesetzungen im Umfeld des Bundeskanzlers. Man kann sicher sein, Kurz ist wieder nicht da. Das sind nämlich die Themen! Etwas, was wir in den vergangenen Tagen und Wochen Gott sei Dank auch mit Unterstützung der Medien herausfinden konnten, ist, dass es jetzt eine Armada an Pressesprechern gibt und dass es überhaupt noch nie so viele Politsekretäre und so einen großen Politapparat gegeben hat wie heute unter der schwarz-blauen Regierung. Das hat sich massiv geändert.

Herr Minister Blümel liest als Medienminister anscheinend nur die Zeitungen, die ihm irgendwie taugen, wo sozusagen keine Kritik vorkommt. Sie werden vielleicht „Kurier“, „Kronen Zeitung“ und „Standard“ überlesen haben – dort ist man nämlich draufge­kommen –, in denen es Kritik gegeben hat, indem man sagte: Das geht doch nicht, dass man sagt, alle anderen müssen sparen, aber im Politapparat von Sebastian Kurz und H.-C. Strache spielt Geld keine Rolle. Das ist unfair!

Als die Zeitungen draufgekommen sind, ging der Generalsekretär von Sebastian Kurz her und sagte: Verschleiern und vertuschen wir das einfach, behaupten wir einfach, dass alle Mitarbeiter, die bei uns im Politbüro sind, eigentlich ganz woanders arbei­ten! – Ist das ehrlich? Das ist der Versuch, die Leute am Schmäh zu halten, zu tarnen und zu täuschen. Die Wahrheit ist aber: Im eigenen Politsystem spielt Geld keine Rolle.

Eingespart wird dann im Gesundheitsbereich, bei der Unfallversicherung, wo es um schwerkranke Menschen geht, um Menschen, die Arbeitsunfälle hatten; da muss man einsparen. (Ruf bei der FPÖ: Das gibt’s ja nicht!) Den Kindern ist man 1,50 Euro am Tag neidig, da sagt man: 1,50 Euro, das ist zu viel Geld für das dritte Kind! Die müssen sparen, da ist die Kugel Eis zu teuer, da heißt es sparen.

Die Wahrheit ist: Wenn es um die politischen Günstlinge geht, um irgendwelche Leute, die jahrelang für Sebastian Kurz, für die Junge Volkspartei Flugzettel verteilt haben, sagt man: Deine Karriere in der ÖVP ist gesichert, du kannst irgendwann Botschafter werden. – Das alles sind Beispiele, die wir gehabt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Nehammer.)

Dem 53-jährigen Mann, der verzweifelt Arbeit sucht, bei dem Oma, Opa und die ganze Familie mitzittern, der verzweifelt sagt, ich hätte gerne eine Arbeit, sagt man: Schau, wo du bleibst, kümmere dich darum, die Aktion 20 000 brauchen wir nicht mehr! (Abg. Winzig: Bitte melden!) – Das ist unsoziale Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser 53-jährige Mann kann nichts dafür, dass er älter ist, das ist keine Schande. Wenn er jünger wäre, könnte er sagen, er geht auch zur Jungen Volkspartei, er kauft sich ein Stecktuch und ein Sakko und macht Karriere bei Sebastian Kurz, und dann ist alles geregelt. (Abg. Winzig: Das ist aber schon sehr tief jetzt!)


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Schaut euch die Regierungsbüros an, da werden alle versorgt. Auf ÖVP-Seite kriegt jeder, der für Sebastian Kurz Flugzettel verteilt hat, einen Job im Regierungsbüro. (Abg. Neubauer: Gehst du halt auch zur ÖVP!) Und jeder, der irgendwann einmal ein deutschnationales Liedchen geträllert hat, kann sich sicher sein, dass er bei der FPÖ versorgt wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Das ist die alte Politik, die Fakten stehen dafür. (Abg. Nehammer: Die SPÖ ist die größte Interventionspartei!) Ihr wisst ganz genau, ihr habt euren Politapparat auf eine Art und Weise aufgebläht, wie es das in Österreich noch nie gegeben hat. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Die Fakten sind Gott sei Dank auch in den Zeitungen nachzu­lesen. Vielleicht könnte sich der Medienminister einmal die Mühe machen, einfach nur nachzuvollziehen, dass das mit dem Sparen im System anscheinend nicht stimmt, sondern euer Politapparat massiv aufgebläht wurde. (Abg. Wöginger: Schauen wir uns einmal an, wer aller bei der Eisenbahn angestellt war! – Abg. Haider: Kerns Karriere als Ganzes!)

10.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte.


10.21.28

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr verehrte Damen und Herren! Ein bei Linken sehr weit verbreiteter Sport ist das Moralisieren und das Mahnen: Man trieft vor Selbstgerechtigkeit, vor Moral, vor Ethik, vor Menschenrechten, man weiß immer, was richtig ist, und man ver­körpert das Gute. Das hat Ihre ehemalige Parteikollegin Eva Glawischnig wirklich bestens gekonnt. Leider hat sie dann mit ihrem Abgang und dem Wechsel zu einem Glücksspielkonzern alles verraten, was sie jahrelang vertreten hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Wir sind nicht die Grünen!)

Dass Sie sich hierher stellen, Freunderlwirtschaft thematisieren und einen der erfolg­reichsten Unternehmer Österreichs, Herrn Stefan Pierer, damit in Zusammenhang brin­gen, ist eine Niederträchtigkeit. Ich sage Ihnen auch, warum: Herr Pierer hat im Zuge des Wahlkampfs für die ÖVP gespendet, er hat das transparent offengelegt, er hat es begründet, er hat sich für die Wirtschaft einen Aufbruch versprochen. Dieser Aufbruch ist nun gekommen, er wird gemeinsam mit der FPÖ von der neuen Bundesregierung verwirklicht. Man möchte die Wirtschaft entlasten, aber nicht, damit sich die Unterneh­mer bereichern können – so, wie Sie es ausdrücken – oder damit Herr Pierer abkas­siert, sondern damit die Unternehmen, nicht nur KTM, sondern alle anderen auch, entlastet werden. Warum? – Damit die Wirtschaft floriert und damit Arbeitsplätze ge­schaf­fen werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Herr Pierer kann sich vieles leisten – ich weiß es –, Gott sei Dank, aber auch seine 4 000 Arbeitnehmer können sich vieles leisten. Ohne ihn hätten sie es sehr schwer, in der Gegend um Mattighofen einen Arbeitsplatz zu finden. (Zwischenruf des Abg. Vogl.) Achten Sie daher bitte die Erfolge von Herrn Pierer und hören Sie auf, auf Menschen herumzutrampeln, die für Österreich wesentlich mehr geleistet haben und noch leisten werden als Sie. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn Sie wissen möchten, was alte Politik, überholte Politik, abgewählte Politik und Freunderlwirtschaft ist, dann schauen Sie einmal auf eine Partei, die Ihnen etwas näher steht als wir, denn alles, was wir Rechten vertreten und so weiter, ist ja uner­träglich, wie es Ihre ehemalige Parteikollegin immer ausgedrückt hat.

Sie brauchen nur die Stadt Wien anzuschauen: Da hat es eine gewisse Frau Renate Brauner gegeben, auch Ballkönigin genannt. Sie hat in ihrem Job als Finanzstadträtin


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kläglich versagt, war nur mäßig erfolgreich, sie hat es offenbar so verstanden, dass man die Finanzen aus dem Ruder laufen lässt. Das hat sie gekonnt. Sie hat ge­wechselt und ist nun Bevollmächtigte der Stadt Wien für Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft. Sie soll national und international als Türöffnerin und Stadtbotschafterin wirken. Mit zwei Mitarbeiterinnen wechselt sie in ein Büro ins Rathaus – sehr komfortabel –, bezahlt wird das Ganze von der Wien Holding; das ist ein Konzern, in dem viele Unternehmen vereint sind, für die Brauner als Stadträtin zuständig war. – Das ist Freunderlwirtschaft! (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ihre Kollegin, Frau Sonja Wehsely, die ehemalige Gesundheitsstadträtin, setzte sich nach ungefähr zehn arbeitsreichen Jahren im Stadtrat zu Siemens Healthcare nach Deutschland ab. Ich verstehe es gut, bei dem, was sie zu verantworten hat. Bei der ausufernden Mindestsicherung hat man nicht so genau geschaut, wer das kriegt, da hat man keine Ausweise verlangt, weil man ja so menschenfreundlich ist und man das Geld der anderen, nämlich der österreichischen Steuerzahler, gerne hergibt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wehsely hat gemeinsam mit Brauner zum Team Haltung gehört. Erwähnenswert ist, dass Siemens Healthcare ein Lieferant des Krankenhauses Nord ist und Frau Wehsely mit Siemens Healthcare verhandelt hat – auch gleich ihren Vertrag für nach der Politik. Gelernt hat sie das Ganze von ihrer Mentorin Brigitte Ederer, die ja auch aus der Politik zu Siemens gewechselt ist und auch immer dauerbesorgt war, weil es ja um etwas geht. Ja, es geht um viel Geld, das ihr Schützling verprasst hat.

Gut, um das Thema Team Haltung abzuschließen: Für Frau Frauenberger gibt es offensichtlich nicht einmal einen Freunderljob, die fällt jetzt in den Wiener Gemeinderat. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Kurz zusammengefasst: Die Liste Pilz ist als großer Warner und Mahner angetreten, und jetzt, nachdem angedrohte Watschen kolportiert wurden, damit Sie, Herr Pilz, wieder hier Platz nehmen können, stellen Sie sich allen Ernstes hierher und mahnen und warnen, dabei ist der moralische Kollaps leider in Ihrer Partei passiert. Sie wan­deln auf den Spuren einer ganz alten Politik: Sesselkleben, Intrigen, Heuchelei, Suchen des höchstpersönlichen Vorteils auf höchstem Niveau. Ich als Anwältin habe vor diesem Forderungskatalog Respekt, das nenne ich den persönlichen Vorteil auf die Spitze zu treiben, alles herauszuholen, was nur irgendwie möglich ist. Sie sind aber als Abgeordnete keine Ichvertreter, Sie sind Volksvertreter, und Sie sollten das Maximum für Ihre Wähler und für die Bürger herausholen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.


10.27.16

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bei der Debatte um die bisherige Regierungsarbeit ist meiner Mei­nung nach ein Thema zu kurz gekommen, ein Thema, das mir sehr wichtig ist, und zwar ist das die Frage, wo denn eigentlich die Verantwortung einer Regierung liegt. Was hat sie denn zu tun? Liegt die Verantwortung einer Regierung nicht darin, nach bestem Wissen und Gewissen dem Gemeinwohl zu dienen? Ist es dazu nicht notwendig, die Voraussetzungen dafür zu schaffen – soweit das in der Macht einer Re­gierung liegt –, dass die Menschen ihr Leben in Frieden und Sicherheit eigenver­ant­wort­lich gestalten können?


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Wenn man nun annimmt, dass das Aufgabe und Verantwortung einer Regierung ist, dann muss man ja sagen, dass dafür, dass die Menschen ihr Leben in Frieden und Sicherheit eigenverantwortlich gestalten können, nicht nur die materiellen Bedingungen ausschlaggebend sind, sondern dass auch das gesellschaftliche Klima eine ganz große Rolle spielt. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wie ist das nun zu bewerten, wenn eine Regierung bei praktisch jedem Thema, das ein Missstand ist, eine Verbindung zu Flüchtlingen, zu Zuwanderern herstellt und dadurch Ängste geschürt werden und die Spaltung der Gesellschaft vertieft wird? (Abg. Gudenus: Weil die Verbindung vorhanden ist! Das ist Realität! Das nennt sich Realismus! – Zwischenruf des Abg. Höbart.)

Der Herr Bundeskanzler hat als Integrationsstaatssekretär seinerzeit Integrationsbot­schafter vorgestellt: Menschen, die nach Österreich zugewandert sind, hier etwas aus ihrem Leben gemacht haben und einen wertvollen Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten. Es gibt diese Menschen. (Abg. Belakowitsch: Es gibt aber auch andere!) Wenn ich aber ständig Zuwanderer, Musliminnen und Muslime als die Gefahr hinstelle, die uns allen droht, dann darf ich mich nicht wundern, dass diese Menschen abgelehnt werden, dass sie sich ausgegrenzt fühlen, dass sie sich zurückziehen. (Abg. Höbart: Das ist nicht zu fassen!) Damit erreiche ich nicht, dass in der Gesellschaft ein Klima herrscht, in dem wir gemeinsam für Österreich arbeiten können. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gudenus: Sie können ja aus Solidarität ein Kopftuch tragen, Frau Griss!)

Es sind die Bücher von Paul Collier als Sommerlektüre empfohlen worden. (Abg. Höbart: Da lesen wir wieder die Bücher!) Ich habe sowohl sein Buch über Migration als auch das über die Ursachen der weltweiten Armut mit großem Interesse und mit großem Gewinn gelesen. Ich würde uns allen für diesen Sommer – und nicht nur für den Sommer – auch empfehlen, wieder einmal oder vielleicht zum ersten Mal „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ von Sir Karl Popper zu lesen. (Abg. Wöginger: Amen!) Es ist aktueller denn je! – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Höbart: Das kann sie mal in Favoriten erzählen und in Simmering! – Abg. Scherak: Kann sie eh! – Abg. Höbart: Dort versteht das nur keiner!)

10.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.


10.31.09

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Was verstehen wir unter Gerechtigkeit? – Das ist nicht nur die Frage, die wir heute im Rahmen der Aktu­ellen Stunde diskutieren, sondern im Wesentlichen auch der Kern jeder politischen Aus­einandersetzung in diesem Haus.

Auch wenn es viele womöglich nicht glauben wollen, selbst die schwarz-blaue Bun­desregierung setzt auf die Gerechtigkeitskarte. Sie spricht davon, dass die Ausländer unseren Wohlstand bedrohen, Sozialschmarotzer oder – wie wir es heute gehört ha­ben – Leute, die an der Armutsgrenze leben, die Hängematte ausnutzen wollen oder dass die EU-Bürokraten, -Bonzen uns braven Österreichern nur permanent Prügel vor die Füße werfen. Bei alledem geht es im Kern um Gerechtigkeit oder, besser gesagt, darum, ein Gefühl der Ungerechtigkeit gezielt zu schüren, ohne auch nur in letzter Konsequenz daran zu denken, wie eine gerechtere Zukunft für uns alle möglich wäre.

Es wäre falsch, zu behaupten, diese Bundesregierung würde nicht arbeiten. Ich möchte meine Aussagen so nicht verstanden wissen, denn die Feindbilder, die Sie an die


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Macht gebracht haben, die kultivieren sich nicht von selbst. Dahinter steckt harte Arbeit, und dies lässt sich sehr gut an der aktuellen Regierungspolitik ablesen. Ich möchte Ihnen auch ein paar Beispiele dazu nennen: Denken wir etwa an die Streichung wertvoller Beschäftigungsprojekte, wie der Aktion 20 000 für ältere arbeits­lose Menschen. Denken wir an Kürzungen der Beihilfe für Lehrlinge in überbe­trieb­lichen Lehrwerkstätten und die Streichung der Mittel für die Ausbildungsgarantie bis 25. Rufen wir uns die geplante Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages in Erin­nerung, die nicht zu mehr Freiheit führen, sondern – im Gegenteil – den Druck auf die Arbeit­neh­merInnen noch mehr erhöhen wird.

Denken wir an die geplante Einführung des Austro-Hartz-IV-Modells, mit der Absicht, langzeitarbeitslose Menschen finanziell auszuhungern, sie zu drangsalieren, sie zu stigmatisieren, anstatt sie zu fördern und ihren Wiedereinstieg in das Berufsleben zu unterstützen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Kassegger: Hörensagen! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Oder denken wir an die Reform der Mindestsicherung: Anstatt endlich wieder bundes­einheitliche Standards, bundeseinheitliche soziale Auffangnetze zu schaffen – und keine Hängematten, denn von diesen Beträgen, von denen Sie heute gesprochen haben, ist eine Hängematte weit entfernt; wir reden von einem letzten sozialen Netz zur Unterstützung von Menschen nach Schicksalsschlägen –, kultivieren Sie wiederum Feindbilder. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wieder wird von Ihrer Seite gegen Ausländer, gegen sogenannte Sozialschmarotzer gehetzt und mobilisiert, um letzten Endes was damit zu erreichen? – Sie versuchen, mit Ihrer aktuellen Regierungspolitik – darunter die angebliche Reform der Mindest­sicherung – auf dem Rücken von Kindern, vielen österreichischen Kindern, vielen Kindern, die in Österreich leben, massiv zu kürzen. Eine oberösterreichische Familie mit drei Kindern wird zukünftig 340 Euro weniger erhalten. Ist das gerecht?

Das sind die Fakten, die am Ende übrig bleiben, wenn man durch diese Nebelwand schaut, die durch Ihre Regierungspropaganda erzeugt wird. Das ist ungerecht! Das ist ungerecht, weil es nicht sein kann, dass diese vielen Millionen, die auf der einen Seite eingespart werden – wie wir heute bereits gehört haben –, auf der anderen Seite wiederum für Ihre Wahlspender ausgegeben werden und Sie sich damit Ihre Unter­stützer brav halten. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wer sich mit Sozialkürzungen bei Kindern – auch bei österreichischen Kindern – in unserem Land derart die Finger schmutzig macht, der hat offensichtlich großen Bedarf, dass eine Hand die andere wäscht. Das muss nicht so sein, und ich bitte Sie deshalb erneut um Unterstützung. Schreiben Sie soziale Gerechtigkeit mit uns in der Verfas­sung fest. Hören Sie auf – das ist nicht nur ein Appell an den Herrn Innenminister –, vom hohen Ross herunter auf sozial schwache Menschen hinzutreten. Bekennen Sie sich zur sozialen Gerechtigkeit, denn nur dann, wenn alle BürgerInnen ihren Möglich­keiten entsprechend zum Wohle des Staates beitragen können und ihren Bedürfnissen entsprechend am Wohle des Staates teilhaben können, wird es uns möglich sein, ein gerechtes Leben für alle sicherzustellen.

Unser Antrag liegt vor. – Insbesondere den Frauen von ÖVP und FPÖ möchte ich hier noch sagen: Stehen Sie auch dann selbstbewusst auf, wenn es darum geht, den von Ihren Parteien betriebenen Zukunftsraub für Zigtausende Kinder zu verhindern. Stehen Sie dann auf, wenn aus Ihren Reihen rassistische Zwischenrufe kommen (Beifall bei der Liste Pilz), und nicht nur dann, wenn Sie in pseudofeministischer Manier vor­ge­schickt werden, um unseren Rechtsstaat und seine Entscheidungen infrage zu stellen.


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Stehen Sie auf, liebe Frauen, stehen Sie auf für Gerechtigkeit! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf die Schülerinnen und Schüler der Landwirtschaftlichen Fachschule Otterbach recht herzlich im Parlament begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

10.36.18Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­ge­gen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1004/J bis 1019/J

2. Anfragebeantwortungen: 640/AB bis 655/AB

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungs­ge­setz und das Betriebspensionsgesetz geändert werden (164 d.B.)

Finanzausschuss:

Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkom­mens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Rus­sischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (183 d.B.)

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Antrag 269/A(E) der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbindung von Parlament, Rechtsschutzbeauftragten und Rechnungshof bei einer Reform des BVT

*****

10.36.29Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der NEOS-Parlamentsklub hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 270/A(E) der Abge­ordneten Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Reform der Zen­tralmatura: abgeschlankt, einheitlich, extern ausgewertet und als Sprungbrett für plan­volle Schulentwicklung“ dringlich zu behandeln.


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10.36.58Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 590/AB


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weiters teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beant­wortung 590/AB der Anfrage 601/J der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausweitung des Schutzes vor Diskriminierung auf europäischer Ebene“ durch die Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz abzuhalten.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den. Im Anschluss daran wird die kurze Debatte stattfinden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Somit gehen wir in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 6 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten erge­ben: ÖVP 111, SPÖ und FPÖ je 99, NEOS und Liste Pilz je 33 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich darf jene Damen und Herren, die damit einverstanden sind, ersuchen, ein Zeichen zu geben. – Das ist einstimmig angenommen.

10.38.281. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Punkt 1 der Tagesordnung.

Zu Wort ist Herr Abgeordneter Leichtfried gemeldet. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Ruf bei der FPÖ: Das kennen wir schon, das Schild! – Abg. Leichtfried – eine Tafel in der Hand haltend, auf dem Weg zum Rednerpult –: Schönes Schild, gell? – Abg. Höbart: Kassette schon eingelegt in den Kassettenrekorder?)


10.38.57

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der Heinz-Christian Strache zu sehen und der Text „Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksab-


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stimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt“ zu lesen ist, vor sich auf das Rednerpult.) Für das, was heute hier in diesem Haus geschieht, gibt es ein einfaches und leicht ver­ständ­liches Wort: das Wort heißt Verrat, geschätzte Damen und Herren (Zwischenruf des Abg. Brückl) – und zwar dreifacher Verrat, den Sie als Regierung, Sie als Regierungs­mehrheit zu verantworten haben: Verrat an den Wählerinnen und Wählern der FPÖ, Verrat an denen, die ein gerechtes Österreich wollen, Verrat an der parlamentarischen Demokratie, und das zur Unzeit! (Abg. Neubauer: Herr Präsident!)

Lassen Sie mich die historischen Standpunkte der Parteien in diesem Haus zu Ceta rekapitulieren! Die NEOS: so schnell wie möglich, so neoliberal wie möglich; die ÖVP: Handelsabkommen ja, Schiedsgerichte ja, immer der Standpunkt gewesen; die Sozial­demokratie: Ja zum freien Handel, Ja zu Handelsabkommen, Ja zur Senkung von Zöllen, Ja zu Erleichterungen für unsere Industrie, aber Nein zu Schiedsgerichten – das hat sich auch nie geändert – (Abg. Kassegger: Deshalb haben Sie ja auch meh­rere Dutzend ... unterschrieben, weil das so klar ist, Nein zu Schiedsgerichten!); und die Freiheitlichen: Handelsabkommen nie und nimmer, Schiedsgerichte nie und nim­mer – das war die Position der Freiheitlichen Partei, geschätzte Damen und Herren –; und außer bei einer Partei hat sich an diesen Standpunkten nichts geändert.

Was ist mit der Freiheitlichen Partei? Was ist mit der Aussage Ihres Parteivor­sit­zen­den: Nein zu Ceta, verbindliche Volksabstimmung!? (Ruf bei der FPÖ: ... Sie ver­wechseln da was!) – Dieses Credo, geschätzte Damen und Herren, haben Sie vor sich hergetragen. Wo ist Herr Strache heute, wenn es darum geht, sich zu rechtfertigen? (Rufe bei der FPÖ: Na geh!) Wo ist er? – Herr Strache ist mit dieser Haltung so krachend umgefallen, geschätzte Damen und Herren, dass der ganze 1. Bezirk heute wackeln wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Es war eindeutig der größte Umfaller in der Geschichte des österreichischen Parla­mentarismus (Heiterkeit bei der FPÖ Abg. Haider: Das sagt ein Roter!), denn seit diesem Zeitpunkt, geschätzte Damen und Herren, als Herr Strache gesagt hat: Ver­bindliche Volksabstimmung! (Abg. Neubauer: Was ihr verhindert habt!), ist nichts bes­ser geworden, sind keine Giftzähne gezogen worden, hat sich überhaupt nichts geän­dert. Diesen Umfaller, geschätzte Damen und Herren, werden sich Ihre Wählerinnen und Wähler merken. Das war ein Verrat, um in die Regierung einzutreten, und dieser Verrat war es wahrscheinlich nicht wert, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Wir springen aber für Sie ein. (Rufe bei der ÖVP: Oje! Das ist eine Drohung!) Wir ermöglichen es Ihren Wählerinnen und Wählern, geschätzte Damen und Herren, das Versprechen, das Herr Strache gegeben hat, zu erfüllen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das sind wir bereit zu tun, und da könnten Sie auch einmal applaudieren, nicht? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Wöginger. Die Abgeordneten der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen „Volksabstimmung“, „Ceta“ und „Jetzt“ zu lesen ist.)

Wir stellen daher folgenden Antrag (Abg. Belakowitsch: Warum habt ihr das nicht schon vorher gemacht?):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Bruno Rossmann, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Volksabstimmung über CETA“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, um CETA einer Volksabstimmung zuzuführen.“

*****

Geschätzte Damen und Herren, ich denke, diesem Antrag könnten Sie genauso zu­stimmen. (Ruf bei der FPÖ: Wo ist denn der Applaus? Abg. Wöginger: Was ist jetzt? Jetzt wird ’poscht! Jetzt müsst ihr klatschen! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. Abg. Wöginger: Ihr braucht den Günter Tolar!)

Es ist aber auch so, dass dieser Vertrag ein Verrat am gerechten Österreich ist, denn was bewirken diese Privatgerichte, für die Sie heute stimmen werden? Was bewirken diese Tribunale, für die Sie stimmen werden? Was bewirkt vielleicht in Zukunft irgend­wann einmal ein Handelsgerichtshof, für den Sie heute noch nicht stimmen, weil es ihn noch nicht gibt?

Sie schaffen zweierlei Art von Recht, geschätzte Damen und Herren, und das ist unge­recht. (Abg. Wöginger: Wie in der SPÖ, da gibt es mehrere Rechte!) Was Sie mit dieser Ratifizierung tun, ist, Sonderrechte für investierende Konzerne zu schaffen. Sie ermöglichen es, dass internationale Großbanken in Zukunft gegen österreichische Steuergesetzgebung klagen können, wenn diese verhindert, dass sie in Steueroasen Geld waschen.

Sie ermöglichen es, dass internationale Tabakkonzerne gegen Nichtraucher­bestim­mun­gen klagen können – ich weiß, das ist Ihnen von der FPÖ egal, aber das ist vielen Menschen in Österreich nicht egal, geschätzte Damen und Herren ‑, und Sie ermög­lichen es, dass internationale Waffenexporteure vielleicht gegen Ausfuhrverbote Öster­reichs stimmen, und so desavouieren Sie die Neutralität unseres Landes. Das haben Sie mit dieser Entscheidung auf dem Gewissen, geschätzte Damen und Herren! (Abg. Rosenkranz: Als ob Ihnen das jemals ein Anliegen war ...!)

Und auf der anderen Seite: Was kann der österreichische Pensionist dagegen tun, wenn Sie keine entsprechenden Regelungen zu Bankomatgebühren treffen? (Abg. Winzig: Ohhh!)

Was kann eine Mutter tun, die nicht will, dass ihre Kinder sich in einer Umgebung aufhalten, in der geraucht wird? Was kann ein Pflegebedürftiger tun, wenn Sie viel­leicht wieder den Regress einführen und er seine Wohnung verliert? Nichts können diese Menschen tun, geschätzte Damen und Herren, im Gegensatz zu den Konzernen; sie können höchstens zum Salzamt gehen. – Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Wöginger: Jössas Maria!)

Was heute hier ebenfalls geschieht, ist Ihr Verrat an der parlamentarischen Demo­kra­tie, geschätzte Damen und Herren! Es hat in unserer Geschichte einmal etwas gegeben, was von einigen die Selbstausschaltung des Parlaments genannt wurde. Ich möchte jetzt ganz dezidiert sagen, dass das natürlich nicht vergleichbar ist (Abg. Stefan: Aber! Alles, was vor aber gesagt wird, ist gelogen! Wann kommt das Aber?), aber ich habe mich mit diesem Thema lange befasst und habe überlegt: Wie können Abgeordnete beginnen, ihre eigenen Kompetenzen einzuschränken und sich selbst schwach zu machen? – Geschätzte Damen und Herren, das passiert jetzt hier!

Ich kann mich gut erinnern, wie die FPÖ in der Zeit ihrer Opposition immer wieder ganz vehement parlamentarische Verantwortung eingefordert hat. Da haben Sie recht gehabt! Ich kann mich gut erinnern, wie Kurz und Blümel in diesen letzten sechs Mo-


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naten das Prinzip der Subsidiarität hochgehalten haben und damit eine Renatio­nalisierung gemeint haben. Geschätzte Damen und Herren! Das ist jetzt aber alles Schall und Rauch. Sie sind dafür, dass allfällige zukünftige Veränderungen bei Ceta nicht mehr diesem Parlament vorgelegt werden. Damit schwächen Sie sich selbst und uns alle, geschätzte Damen und Herren! Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass Sie das tun. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Und Sie tun das noch dazu zum falschen Zeitpunkt: Sie wissen ganz genau, dass der Europäische Gerichtshof relativ rasch über Ceta entscheiden wird und klarlegen wird, ob es überhaupt europarechtlich geht, so etwas zu beschließen. Sie wissen ganz ge­nau, dass das derzeit am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Thema ist und dass auch nicht klar ist, ob das mit deutschem Verfassungsrecht übereinstimmt. Sie wissen ganz genau, dass diese Privattribunale, diese Schiedsgerichte erst verhandelt werden, und Sie wollen jetzt schon zustimmen. Warum machen Sie das?

Ich glaube, dafür gibt es nur ein ehrliches Motiv: Sie wissen, dass in Österreich kaum jemand dieses Abkommen möchte. Sie wissen, dass es ungerecht ist. Sie wissen, dass Ihre Wählerinnen und Wähler das schon überhaupt nicht möchten. Der einzige Grund dafür, dass Sie das jetzt so schnell umsetzen, ist Ihre Hoffnung, dass es bis zur nächsten Wahl vergessen ist – aber da täuschen Sie sich, geschätzte Damen und Herren, das wird nicht vergessen werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. Abg. Klinger: Warum habt ihr es dann unterschrieben? Abg. Gudenus: Der Kern hat es unterschrieben!)

Das, was die FPÖ da macht, kann man relativ klar zeigen: Ein leichter Schupfer, und Sie sind umgefallen. (Der Redner wirft die Tafel um, die vor ihm auf dem Rednerpult steht.) Das war es. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Bruno Rossmann, Kolle­gin­nen und Kollegen

betreffend Volksabstimmung über CETA

eingebracht im Zuge der Debatte zum und im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungs­vorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada an­de­rerseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Begründung

Noch vor der Wahl bekundete die FPÖ vehement ihre Ablehnung von CETA und Konzernklagerechten.

Strache ließ sich mit seiner Ablehnung von CETA sogar plakatieren:


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Einige weitere Beispiele für Aussagen zur Notwendigkeit einer CETA-Volksab­stim­mung:

•             „Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung.“ - Heinz-Christian Strache in "Österreich", September 2017.

•             „Sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen, wird der Ausbau der direkten Demokratie absolute Koalitionsvoraussetzung sein“, versicherte Hofer, „denn die Österreicher müssen über Inhalte selbst entscheiden können, wenn sie das wollen.“ – Norbert Hofer per OTS, September 2017.

•             Den Teil von CETA, der im Parlament zur Abstimmung kommt, wollen wir unbedingt einer Volksabstimmung unterziehen, weil es hier um eine starke Ein­schränkung der Souveränität Österreichs geht."  - FPÖ-Abg. Harald Stefan im ORF, November 2017.

Auch 562.379 ÖsterreicherInnen haben im Zuge des Volksbegehrens „Gegen TTIP/CETA“ ihre Kritik an den Abkommen kundgetan und ein Verfassungsgesetz gefordert, das eine Genehmigung von CETA und TTIP nur auf Grundlage einer eige­nen verfassungsrechtlichen Ermächtigung erfolgen darf.

Nunmehr soll aber alles anders sein. Die FPÖ stimmte bereits im Regierungs­programm der Ratifikation von CETA bedingungslos zu und enttäuscht dadurch nicht nur die 562.379 UnterstützerInnen des Volksbegehrens. Sie hat geradezu kapituliert. Als Trost erhielt sie scheinbar die vorübergehende Aufhebung des Rauchverbots. Die Bedrohung durch Konzernklagen gilt mit Zustimmung der FPÖ jedoch für alle Zukunft unbefristet.

Mit dem vorliegenden Antrag erhalten die FPÖ-Abgeordneten eine letzte Chance, zur Vernunft zu kommen und das von ihnen geleistete Wahlversprechen doch noch einzu­lösen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, um CETA einer Volksabstimmung zuzuführen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag, der eingebracht wurde, ist ordnungs­gemäß eingebracht, hat die nötige Unterstützung und steht somit mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.


10.48.05

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Leichtfried, ich habe es ja sehr einfach: Die ÖVP hat immer eine Linie gehabt. Wenn Sie die anderen kritisieren, muss ich aber sagen: Die SPÖ hat keine Linie gehabt, sondern sie ist in dieser Sache einen ganz klaren Zickzackkurs gefahren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich möchte schon daran erinnern, dass es seinerzeit Ihr Bundeskanzler war, der gesagt hat, Ceta sei das beste Abkommen, das die EU je verhandelt hat – und heute stehen Sie da und behaupten genau das Gegenteil. (Abg. Krainer: Das stimmt ja gar nicht!) Deshalb sage ich Ihnen: Es ist so, dass dieses Abkommen, dass Handels­abkommen im Allgemeinen für ein Land wie Österreich, aber auch insgesamt für Euro­pa etwas ganz Wichtiges sind. Gerade ein kleines Land wie Österreich mit neun Millionen Einwohnern, das wirklich vom Export und vom Handel lebt, braucht solche Handelsabkommen. Wir brauchen ungehinderten Zugang zu den Auslandsmärkten, und wir dürfen nicht vergessen, dass die österreichische Wirtschaft 6 von 10 Euro im Ausland verdient und 2,5 Millionen Arbeitsplätze in den KMUs von diesen Abkommen teilweise abhängig sind – deshalb ein klares Ja zu Handelsabkommen und auch ein klares Ja zum Handelsabkommen mit Kanada. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kanada ist ein Land mit 37 Millionen Einwohnern; die EU hat 510 Millionen Einwoh­ner –  also, meine Damen und Herren, wovor fürchten wir uns? Schauen wir uns doch die Geschichte der Handelsabkommen an! Die sind eine Erfolgsgeschichte für Öster­reich. Seit dem Jahr 1989 konnten die österreichischen Betriebe aufgrund der Handels­abkommen 375 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen – danke an die Betriebe an dieser Stelle! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Anzahl der exportierenden Betriebe ist in den letzten 25 Jahren von 12 000 auf 55 000 gestiegen. Weil Sie, Kollege Leichtfried, hier immer die Konzerne erwähnen: Nein, die Konzerne brauchen diese Handelsabkommen nicht, denn die richten es sich auf ihre Art und Weise.

Es sind – und da können Sie der Statistik Austria Glauben schenken – im Warenexport tätige Unternehmen zu 98 Prozent KMUs – zu 98 Prozent! –, und rund ein Drittel sind Kleinunternehmer mit bis zu neun Mitarbeitern. Die brauchen diese Handelsab­kom­men. (Abg. Plessl: Glauben Sie das wirklich, was Sie da sagen?)

Die Frau Minister hat ja auch im Ausschuss noch einmal darauf hingewiesen und hat Beispiele gebracht, vom kleinen Weinhändler in Niederösterreich bis zu einem Holz­plattenhersteller in Tirol. Ja, genau das sind die, die jetzt davon profitieren! Ich habe mir die Zahlen angeschaut: Seit Inkrafttreten von Ceta sind die österreichischen Ex-


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porte um 24,4 Prozent auf 510,9 Millionen Euro gestiegen. Ja, meine Damen und Herren: Die Zahlen zeigen es schon! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Noch ein Wort zu den Schiedsgerichten: Anders als bei herkömmlichen Ad-hoc-Schiedsgerichten werden kanadische Unternehmen, die einen EU-Staat klagen wollen, keine Möglichkeit haben, einen Schiedsrichter zu benennen oder das Verfahren sonst wie zu beeinflussen, vielmehr ist ein quasigerichtliches Schiedsverfahren vorgesehen, das noch dazu wesentlich transparenter ausgestattet ist als die meisten zivilrechtlichen Verfahren in der EU. Das war auch ein Ergebnis des Hearings im Wirtschaftsaus­schuss, wo zwei hochanerkannte Rechtsexperten uns das noch einmal sehr aus­führ­lich erklärt haben.

Ich möchte mich auch als Ausschussvorsitzender bei allen Fraktionen herzlich für dieses Hearing bedanken, in dem uns auch die hochqualifizierten Experten ganz klar die Vorteile und auch die Nachteile eines solchen Abkommens ausgeführt haben. Der Chef des IHS, Martin Kocher, hat beim Hearing im Ausschuss festgehalten, dass dieses Handelsabkommen mit Kanada ein sehr vernünftiges Abkommen ist, das über Jahre sehr gut verhandelt worden ist. Er hält vor allem auch fest, dass es nicht nur für die Wirtschaft sehr wichtig ist, sondern dass auch die Konsumenten von diesem Ab­kommen profitieren werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit wir weiter als Unternehmer mit unse­ren Mitarbeitern erfolgreich sein und Arbeitsplätze schaffen können, brauchen wir Abkommen mit anderen Ländern – deshalb auch ein klares Ja zu diesem Abkommen mit Kanada von unserer Seite. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

10.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte.


10.52.51

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Danke, Herr Präsident. (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der Heinz-Christian Strache zu sehen und der Text „Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt“ zu lesen ist. – Ruf bei der FPÖ: Ein Taferl aus der Arbeiterkammer? – Abg. Zanger: Hat Ihnen das der Leichtfried gegeben? – Ruf bei der FPÖ: Eine Teil­organisation der SPÖ! – Abg. Zanger – seine Arme vor der Brust überkreuzend –: Seid ihr zwei so?) Ich möchte an meinen Vorredner anknüpfen. Herr Kollege Haubner, Sie haben im Zusammenhang mit Ceta von einem Handelsabkommen gesprochen. – Ceta ist mehr als ein Handelsabkommen, das wissen Sie ganz genau. Also ich werde es ein bissel präzisieren und dann auch begründen, warum ich gegen Ceta bin und warum ich der Meinung bin, dass wir zu Ceta eine Volksabstimmung abhalten müssen. Den Antrag hat ja bereits Herr Kollege Leichtfried eingebracht.

Österreich, das ist schon richtig, ist ein kleines offenes Land, eine kleine offene Volks­wirtschaft und auf offene Handelsbeziehungen angewiesen. Daher sind Handelsab­kommen für Österreich und die österreichische Exportwirtschaft von großer Bedeutung. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich bin auch nicht grundsätzlich gegen Handels­abkommen, aber ich bin nur dann für Handelsabkommen, wenn sie auch fair aus­gestaltet sind. (Abg. Winzig: Das ist fair!) Ceta, Herr Kollege Haubner und Frau Kollegin Winzig, ist aber kein faires Abkommen. (Abg. Rosenkranz: Aber das behaup­ten nur Sie!)

Ceta ist mehr als ein Handelsabkommen, Ceta kommt nämlich einem Knebelvertrag gleich. Und warum? – Weil es eben den Investorenschutz enthält. Man kann und darf


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nicht alles in ein Handelsabkommen hineinverhandeln. Wenn wir den Investorenschutz draußen gelassen hätten, hätten wir kein Problem, dann müssten wir auch heute nicht darüber befinden, ob wir diesen Investorenschutz haben wollen oder nicht, denn mit dem Investorenschutz gehen Sonderklagsrechte für Großkonzerne, für ausländische Kon­zerne einher. Ganz im Gegensatz dazu erfahren heimische Klein- und Mittel­be­triebe eine Benachteiligung, und zwar deshalb, weil sie diesen Investorenschutz nicht in dem Ausmaß in Anspruch nehmen können wie große Unternehmungen, gleichzeitig stehen aber genau diese Klein- und Mittelbetriebe in internationaler Konkurrenz – ver­gessen Sie das bitte nicht, Herr Kollege Haubner!

Wenn ich mir diesen Vertrag anschaue, so muss ich sagen, er hat sich seit der Ratifizierung zwischen der EU und Kanada in Brüssel im Oktober 2016 überhaupt nicht verändert. Es können ihm daher auch, Herr Kollege Rosenkranz, keine Giftzähne gezogen worden sein. (Abg. Kassegger: Was ist mit der Gemeinsamen Auslegungs­erklärung? Abg. Rosenkranz: Geh, lass den g’scheiterln da vorne! Das zahlt sich überhaupt nicht aus!) Die Auslegungserklärungen sind politische Absichtserklärungen. Das wissen Sie ganz genau. Der Text des EU-Vertrages ist seit 2016 unverändert. Aus­legungserklärungen sind nicht dazu geeignet, diesem Vertrag die Giftzähne zu ziehen.

Kehren wir aber zurück zu den Änderungen bei der Schiedsgerichtsbarkeit. Es ist ja nach wie vor so, dass nicht unabhängige Gerichte entscheiden, und es ist ja auch nach wie vor so, dass private Juristinnen und Juristen herangezogen werden, die fallbe­zogen entscheiden – und das ist ein Problem, denn dadurch entsteht eine Parallel­justiz. Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, haben Sie kein Vertrauen in die heimische Justiz? (Abg. Rosenkranz: In Ihre Lynchjustiz haben wir es nicht!) Warum, Herr Kollege Rosenkranz und meine Damen und Herren von der ÖVP, warten Sie nicht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ab? Sie wissen ja, Belgien hat einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof eingebracht und will prüfen lassen, ob die Sonderklagsrechte und die Schiedsgerichte mit dem EU-Recht übereinstimmen oder nicht. Warum diese Eile? Ich verstehe es nicht.

Deutschland wartet ab, Deutschland ist vernünftig. Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, sind nicht vernünftig. Sie wollen diesen Vertrag heute durch dieses Haus peitschen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

So, und nun kommen wir zur FPÖ: Die FPÖ hat ja sehr, sehr lange eine Volksab­stim­mung zu Ceta gefordert. Ich kann und werde Ihnen jetzt einige Zitate dazu bringen. Am 20.9.2017 hat Herr Strache hier in diesem Plenum gemeint, dass wir „nach dem 15. Oktober selbstverständlich vehement für diese verbindliche Volksabstimmung zu CETA, TTIP, aber auch zu künftigen anderen Freihandelsabkommen [...] eintreten werden“.

Wenige Wochen später war derselbe H.-C. Strache nicht mehr Oppositionschef, son­dern da war er in der Regierung Vizekanzler. Selbst als Vizekanzler – und das hat mich eigentlich schon erstaunt – hat er aber im Zuge der Raucherschutzdebatte in einem Interview mit dem „Kurier“ am 23.2.2018 gemeint  da war er schon Vizekanzler! –: „Geht es nach mir, könnten wir sofort abstimmen“. Gemeint hat er, über die Raucher­geschichte. Er weitet diese Aussage auch auf ORF-Gebühren und – hören Sie gut zu, meine Damen und Herren von der FPÖ! – Ceta aus! Ja! (Abg. Rosenkranz: Ja, wir wissen das! Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum machen Sie jetzt diesen Bauch­fleck? Warum sind Sie jetzt plötzlich gegen diese Volksabstimmung? Warum wollen Sie diesen Vertrag jetzt unter Missachtung auch jener 562 000 Menschen, die ein


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Volksbegehren unterzeichnet haben, in aller Eile durch das Parlament peitschen? Ich kann das nicht nachvollziehen.

Nur zur Erinnerung: Herr Strache war ja auch einer von jenen, die das Volksbegehren damals unterzeichnet haben. Er hat also alles dafür getan, um dafür Sorge zu tragen, dass zu diesem Abkommen eine Volksbefragung durchgeführt wird. Was hat er aber gemacht, samt Ihnen, meine Damen und Herren, wenn Sie heute diesem Vertrag zustimmen werden? – Einen Bauchfleck! Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, haben Wählerverrat betrieben. Ich aber trete aus einigen Gründen – manche davon werde ich noch formulieren – für eine Volksabstimmung ein.

Ich habe hier dieses Taferl – ich weiß schon, das hat Herr Kollege Leichtfried auch gehabt. (Der Redner dreht die Tafel um, und auf der Rückseite wird ein Foto sichtbar, auf dem ein Haus, eine Straße, einige Straßenschilder, darunter „Kirchbichl Bad Häring“ sowie ein Plakatständer mit dem vorher gezeigten Plakat mit der Aufschrift „Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP. – Jetzt.“ sowie einem Bild von Heinz-Christian Strache zu sehen sind.) Wenn ich dieses Taferl jetzt umdrehe, dann sehen Sie Folgendes: Wenn Sie in Richtung Kirchbichl – Bad Häring in Tirol fahren, dann werden Sie feststellen, dass dieses Plakat tatsächlich noch immer dort hängt. Hat die FPÖ also vergessen, dieses Plakat abzumontieren? (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.) Oder gibt es in der FPÖ doch noch viele Menschen, die für eine Volksabstimmung eintreten, die sich von Ihnen, meine Damen und Herren von der FPÖ, verraten fühlen? (Abg. Rosenkranz: Da lacht er aber, der Herr Rossmann! Ha, ha!)  Ja, da lache ich; natürlich lache ich da, denn offenbar gibt es in Ihrer Partei eine Reihe von Menschen (Zwischenruf bei der SPÖ), die nach wie vor für eine Volksabstimmung eintreten. (Abg. Winzig: Weil die Liste Pilz keine Schaukästen hat!)

Sie ignorieren ja nicht nur die Unterzeichner dieses Volksbegehrens, Sie kommen immer wieder mit dem Argument, dass die Giftzähne gezogen wurden, aber das ist schlicht und einfach falsch. Ich habe es eh schon gesagt, aber ich kann es nicht oft genug sagen: Es hat sich an diesem Vertrag nichts geändert, es entscheiden nach wie vor nicht unabhängige Gerichte, es entscheiden private Juristinnen und Juristen im Zuge von Sonderklagsrechten, und das ist, finde ich, etwas, das man nicht tolerieren darf. (Abg. Jarolim: Kollege Rossmann, gibt es eine Erklärung, warum man so oft um­fallen kann? – Ruf bei der ÖVP: Die Frage müssten wir an euch richten!)

Ja, das ist eine gute Frage, Herr Kollege Jarolim (Abg. Zanger: Das wäre Ihnen jetzt nicht eingefallen!), es ist ja nicht das erste Mal. Ich erinnere mich daran, wir hatten früher eine Debatte über das Thema neuer Stil, alte Politik. Die FPÖ war ja eigentlich immer die Partei der kleinen Leute, im Zuge dieser Debatte hat sich aber heraus­ge­stellt (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Abg. Rosenkranz), und ich hoffe, ich konnte das nachweisen, dass die FPÖ die kleinen Leute verraten hat (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ), im Rahmen der Budgetpolitik, mit der Senkung der Arbeitslosen­ver­siche­rungsbeiträge, beim Familienbonus, bei der Mindestsicherung, mit der Streichung der Aktion 20 000 – und man könnte diese Liste fortsetzen, ein Bauchfleck folgt dem anderen. (Abg. Rosenkranz: ... bei den Pensionsprivilegien in der Arbeiterkammer, da sollte man auch noch nachschauen!)

Es gibt aber auch andere Dinge in diesem Vertrag, die mich stören, andere Klauseln zur Liberalisierung üben starken Druck auf die öffentlichen Dienstleistungen und damit auf die Leistungen der Daseinsvorsorge aus. Da nützt die Auslegungserklärung über­haupt nichts, da Sie das hier angeführt haben, Herr Kollege Kassegger. Das ist ein politisches Bekenntnis, aber nicht mehr. Es ist keineswegs garantiert, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von der Liberalisierung nicht betroffen sein können. Dieses Ab­kom­men mitsamt seiner Auslegungserklärung schließt das definitiv nicht aus, das


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haben uns im Übrigen auch die Expertinnen und Experten im Hearing im Wirtschafts­ausschuss vergangene Woche ziemlich deutlich vor Augen geführt. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Dasselbe gilt auch für die sogenannte regulatorische Kooperation, die in diesem Ab­kommen enthalten ist. Diese regulatorische Kooperation wird und kann dazu führen, dass Standards nicht nur nicht gehalten werden können, sondern unterlaufen werden können. Denken wir etwa an Standards im Bereich des Umweltschutzes, denken wir an den Bereich des Arbeitnehmerschutzes – auch eine Frage, die die kleinen Leute sehr stark betrifft –, denken wir aber auch an den Bereich des Konsumentenschutzes! Es gibt also eine Reihe von Gründen, warum dieses Abkommen nicht unterzeichnet werden darf und warum die österreichische Bevölkerung über dieses Abkommen entscheiden muss.

Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP und der FPÖ, noch einmal auf, in sich zu gehen und zu überlegen, ob Sie dieses Abkommen hier und heute ratifizie­ren wollen. An Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, gerichtet: Ich weiß nicht, ob Sie es heute schaffen, nach so vielen Umfallern und Bauchflecken noch einmal die Kraft aufzubringen, sich vom Boden zu erheben und heute gegen dieses Abkommen zu stimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.03


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Dr. Axel Kassegger. – Bitte.


11.04.11

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! TTIP, Ceta: Das gibt mir jetzt eine gute Gelegenheit, zum einen seitens der Frei­heit­lichen Partei einige Dinge richtigzustellen und klarzustellen, was das Handelsabkom­men grundsätzlich betrifft, und auch den Zickzackkurs der SPÖ – das ist ja von Kolle­gen Haubner schon angesprochen worden – zu hinterfragen. Ich werde auch noch auf den Terminus „Knebelvertrag“ eingehen, den Kollege Rossmann verwendet hat.

Kollege Rossmann hat es schon gesagt: Selbstverständlich ist dieses Abkommen kein reines Handelsabkommen, sondern differenziert zu betrachten. Da sind mehrere Dinge drinnen, das habe auch ich in den vergangenen Jahren im Parlament immer wieder gesagt, es steht Freihandelsabkommen drauf, es sind aber mehrere Dinge drinnen: erstens, selbstverständlich freihandelsrelevante Dinge wie die Senkung von Zöllen, der Abbau von Handelshemmnissen. Da kann ich als ehemaliger Wirtschaftssprecher der Freiheitlichen Partei sagen: Damit haben wir nicht das geringste Problem. Wir haben, im Gegenteil, Sorge hinsichtlich der Entwicklungen in Amerika – TTIP ist ja politisch tot – in diesem Bereich; das sehen wir mit großer Sorge.

Damit haben wir also überhaupt kein Problem, auch nicht mit dem Wunsch – und kein vernünftiger Mensch kann Probleme damit haben –, einheitliche Standards zu schaf­fen, insbesondere im technischen Bereich – das erleichtert vieles –, und auch nicht mit dem Wunsch und dem Ziel, Deregulierungen herbeizuführen (Zwischenruf des Abg. Angerer), wenn man es negativ formuliert. Wenn man es positiv formuliert, sind das ja Erleichterungen und Befreiungen von Hemmnissen und Vorschriften, die letztlich eben dazu dienen, die Wirtschaft zu befreien und Arbeitsplätze zu schaffen et cetera. Das sind die drei Punkte, mit denen wir nie ein Problem hatten.

Ein Problem hatten wir mit den Schiedsgerichten, das ist ja auch keine Frage, diesen stehen wir kritisch gegenüber, insoweit haben wir auch – und das ist ja überhaupt kein Thema, dass wir das jetzt wegleugnen oder wegdiskutieren – immer klar gesagt und


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auch vor den Wahlen angekündigt: Unser politischer Wunsch ist es, hinsichtlich dieses Themas eine Volksabstimmung zu machen.

Ich werde Ihnen erklären, warum diesem Wunsch nicht entsprochen werden konnte. Das hängt auch ein bisschen mit demokratischem Selbstverständnis zusammen und mit der Erkenntnis, dass die Freiheitliche Partei nicht 100 Prozent der Wählerstimmen erreicht hat, sondern 26 Prozent, sowie mit den Rahmenbedingungen, die sich nach der Wahl im Oktober ergeben haben. Es gab nämlich in Wahrheit zwei Alternativen: Alternative eins: Wir tun so weiter, das heißt, das Land tut so weiter, wie bisher, eine totale Stillstandsregierung wie in den letzten Jahren. Alternative zwei: Wir bilden eine Regierung des Aufbruchs, der Veränderung für unsere Republik. Das waren die Alter­nativen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Warum waren das die Alternativen? – Ganz einfach: weil die Österreichische Volks­partei in dieser Richtung immer klar war und uns klar und deutlich gesagt hat: Wenn ihr eine Volksabstimmung wollt – ich war selbst intensiv an den Regierungsverhandlungen beteiligt –, dann stehen wir auf, dann beenden wir das, dann gibt es keine Regierung zwischen ÖVP und FPÖ! (Abg. Haider: ... die Roten dabei! – Zwischenrufe der Abgeordneten Jarolim und Wittmann. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Dann hätten wir ein unregierbares Land gehabt beziehungsweise die Fortführung der Still­stands­regierung der letzten Jahre – und da geht es schon um die Wahrnehmung staatspolitischer Verantwortung. Kollege Leichtfried bezeichnet das als Verrat; ich hätte für diese Vorgehensweise ein paar andere Termini, mir fällt da eher ein: das Wahr­nehmen von staatspolitischer Verantwortung für dieses Land (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), die Respektierung des Wählerwillens, der nach dieser Wahl klar und eindeutig zu erkennen war.

Die Wähler wollten Veränderung, die Wähler wollten Aufbruch (Zwischenrufe bei der SPÖ), die Wähler wollten eine neue Politik für dieses Land (Ruf bei der SPÖ: Ein Jammer!), die wir mittlerweile umsetzen (neuerlicher Ruf bei der SPÖ: Ein Jammer!), jeden Tag, jede Woche. Wir sind erst ein halbes Jahr im Amt, aber wenn Sie sich an­schauen, was im Bereich der Sicherheitspolitik, im Bereich des Grenzschutzes, im Bereich des guten und sinnvollen Umgangs mit staatspolitisch gefährlichen Institutio­nen und dem radikalem Islam bisher geschehen ist, dann muss man sagen, das ist durchaus sehr beachtlich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn Sie sich anschauen, was diese Regierung in den letzten sechs Monaten im Bereich der Migrationspolitik, im Bereich der Familienpolitik – der Familienbonus ist schon mehrmals erwähnt worden –, im Bereich der Klima-, Energie- und Umweltpolitik geleistet hat: Diese Regierung schafft in fünf Monaten eine Klima- und Energie­stra­tegie, etwas, was die vergangenen Regierungen in Jahrzehnten nicht geschafft haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

In der Wirtschaftspolitik: Diese Regierung gibt ein klares Signal an die Wirtschaft. Heute hat ein Bashing gegenüber Herrn Pierer stattgefunden. Kollegin Fürst hat unse­ren Standpunkt sehr, sehr gut dargelegt. Es ist nicht unser Verständnis von Wirt­schaftspolitik, Leitbetriebe und Leitunternehmer in Österreich in dieser Art und Weise zu kritisieren, das ist nicht freiheitliche Politik, sondern ganz im Gegenteil: Wir machen gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei Wirtschaftspolitik und setzen Signale an die Wirtschaft. Selbstverständlich gibt es eine Korrelation zwischen der wirtschaft­lichen Entwicklung und der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen – und das können Sie nicht wegdiskutieren, nämlich den dramatischen Rückgang der Arbeitslosenzahlen und den dramatischen Anstieg der Wirtschaftsleistung. Das können Sie beim besten Willen nicht wegdiskutieren.


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Selbstverständlich gibt es einen Zusammenhang zwischen dem, was die Regierung macht, und diesen Zahlen – insoweit, als dass Wirtschaft immer eine Frage von Erwar­tungshaltungen ist; Investitionen sind eine Frage von Erwartungshaltungen. Und die Wirtschaft – und ich rede doch mit dem einen oder anderen Vorstandsvorsitzenden, aber auch mit klein- und mittelständischen Unternehmern – gibt uns das Signal: Ihr macht es genau richtig! Wir haben Vertrauen in diese Regierung, ihr schafft jetzt Rahmenbedingungen, unter denen wir uns auch wieder zu investieren trauen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In der Bildungspolitik: Es gibt einen Durchbruch in der Bildungspolitik; da war ich auch bei den Verhandlungen beteiligt. (Rufe bei der SPÖ: Ceta! Ceta!) Die Stimmung in der Koalition ist gut, sie ist auch deshalb gut, weil wir uns in vielen inhaltlichen Dingen einig sind, auch in vielen Dingen einig sind (Abg. Wittmann: Ein Jammer!), dass das, was in den letzten zehn bis 15 Jahren hier passiert ist, einfach nicht erträglich ist und wir das eben anders und besser machen wollen. (Ruf bei der SPÖ: Sie waren schon einmal besser!)

Auch in der Budgetpolitik, noch einmal: Wir sind erstmalig in der Lage, ein ausge­gliche­nes Budget zu präsentieren, haben einen klaren Entwicklungspfad auch für die - - (Abg. Wittmann: So eine schwache Rede ...!) – Ja, Sie können jetzt sagen: „schwache Rede“, das ist Ihre subjektive Beurteilung. (Abg. Rosenkranz: Frau Präsidentin, wollen Sie nicht ... ? – Ruf bei der ÖVP: Das wollen sie nicht hören! – Abg. Lausch – in Richtung Abg. Wittmann –: Auch in Wiener Neustadt! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

So, ich komme zum Schluss, zur entscheidenden Frage: Heinz-Christian Strache ist angesprochen worden: Wenn es nach mir ginge, würde er dieses und jenes machen. – Ja, aber Heinz-Christian Strache ist ein Demokrat und weiß, dass die Freiheitliche Partei 26 Prozent und nicht 100 Prozent hat; da ist überhaupt kein Widerspruch. Das heißt, wenn wir das durchgezogen hätten – und das bestreiten wir auch nicht, wir wollten diese Volksabstimmung –, dann wäre all das, was ich jetzt aufgezählt habe, nicht möglich. (Abg. Neubauer: Ceta wäre trotzdem gekommen!) Wir haben das poli­tisch entschieden, aus der Verantwortung gegenüber unseren Wählern, der Verantwor­tung für unser Land heraus, und haben die Entscheidung getroffen: Ja die Krot fressen wir, weil das wichtig ist, weil wir dieses Programm haben! (Abg. Stefan: Ceta wäre trotzdem ...!) – Und Ceta hätten wir trotzdem bekommen, mit der SPÖ; das ist sowieso auch klar. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Nicht die beste Rede ...!)

11.12


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cor­nelia Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Zwischenruf des Abg. Jarolim. – Ruf bei der FPÖ: Immer diese Zwischenrufe bei der SPÖ!)


11.12.41

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich möchte kurz auf die Vorredner replizieren, die der Sozialdemokratie einen Zickzackkurs vorge­worfen haben, und den auch auf das Schärfste zurückweisen. Unser Ansatz zu Ceta war immer eine ganz klare Linie (Zwischenrufe bei der FPÖ): Wir sind nicht gegen Freihandel, jedoch für faire Bedingungen (Beifall bei der SPÖ), die weder der Republik Österreich noch unseren Unternehmen einen Schaden zufügen. Und mit dem heutigen Ja zu Ceta machen ÖVP, FPÖ und auch die NEOS einen Kniefall vor den inter­natio­nalen Konzernen. (Abg. Loacker: ... Konzerne sagen! Konzerne!) Sie stellen sich gegen die österreichische Bevölkerung, gegen unsere Betriebe, die Klein- und Mittel-


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be­triebe, gegen unsere Kleinbäuerinnen und -bauern und vor allem gegen die Bevölkerung überhaupt. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist schlimm genug, aber es geht noch weiter: Sie entmachten mir Ihrer Zustim­mung zu Ceta heute die Justiz, Sie schwächen unsere unabhängigen Gerichte und führen bewusst eine Paralleljustiz ein, welche keiner staatlichen Kontrolle unterliegt. Ich frage mich: Sind Ihnen die österreichischen Gerichte nicht gut genug? Sie wollen hiermit eine Zweiklassenjustiz einführen. Konzerne werden es sich in Zukunft mit Sondertribunalen richten können, wenn es um die Durchsetzung ihrer vermeintlichen Rechte geht. (Abg. Winzig: Aber das Abkommen haben wir nicht gelesen, oder?) Die Bürgerinnen und Bürger schauen durch die Finger, Frau Kollegin. (Abg. Winzig: Schauen wir uns das einmal an!) Schwarz-Blau-Pink verraten damit die österreichische Bevölkerung und vor allem KMUs und EPUs. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Ihnen ist der Schuhhändler im Ort nicht so viel wert wie die internationale Turn­schuhkette; tut mir leid. Diese Regierung vertritt alles und jeden, aber mit Sicherheit nicht die österreichische Bevölkerung. Wir Sozialdemokraten stehen, wie ich schon eingangs gesagt habe, für freien Handel, aber es geht um dessen Ausgestaltung, und die ist bei Ceta das Problem. Lassen Sie mich das anhand von zwei Beispielen fest­machen!

Erstens: Österreich verliert durch die Sonderklagsrechte den politischen Spielraum, den wir hier national haben. (Abg. Gamon: Was denn genau? Haben Sie dafür ein Beispiel? – Zwischenruf der Abg. Winzig.) Ich möchte als Abgeordnete hier in Zukunft Gesetze für die österreichische Bevölkerung machen, nur: In der Ceta-Frage können wir das nicht mehr; wenn wir das heute durchwinken, werden wir das nie wieder hier im Parlament haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Mir geht es nicht um plumpe Angstmacherei, sondern ich möchte Ihnen Daten und Fakten auf den Tisch legen. Ein ganz konkretes Beispiel, es geht um Ecuador: Ecuador hat einen Rechtsstreit gegen den US-amerikanischen Ölkonzern Occidental verloren. Dieser hat ein riesiges Gebiet im Amazonas mit Öl verseucht und Tausende Menschen haben ihre Lebensgrundlage verloren. Nichtsdestotrotz hat das ISDS-Schiedsgericht entschieden, dass Ecuador dem US-Konzern 1,8 Milliarden Euro als Entschädigung für den durch das Gericht bewirkten Konzessionsentzug zahlen muss. (Zwischenruf der Abg. Gamon.) Herr Haubner, ich bin gespannt, ob Sie sich, wenn uns das in Österreich passiert, hier herausstellen und Ceta immer noch verteidigen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Winzig: Frau Ecker, das ist eine andere Rechtsbasis!)

Ceta zu ratifizieren ist meiner Meinung nach, wie wenn ich mir ein Haus kaufe mit einer Heizung, von der ich nicht weiß, ob sie in einem Jahr noch funktioniert; mir wurde ein edler Holzboden versprochen, ich weiß aber nicht, ob ich diesen in einem halben Jahr beim Einzug vorfinde, ob es nicht doch ein lausiger Teppichboden ist. (Abg. Winzig: Kennen Sie den Vertrag zwischen Ecuador ...?) Genau das möchte ich damit sagen: Es kann uns passieren, dass dieses Abkommen in einem Jahr, in zwei Jahren ganz anders ausschauen wird, und wir schauen hier in diesem Entscheidungsprozess hilflos zu.

Deshalb bringe ich folgenden Zusatzantrag ein:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Der Nationalrat behält sich gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG die Genehmigung verein­fachter Änderungen des gegenständlichen Staatsvertrags vor.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Zusatzantrag

gemäß § 53 Abs. 3 iVm § 76 Abs. 4 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada an­de­rerseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat behält sich gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG die Genehmigung verein­fachter Änderungen des gegenständlichen Staatsvertrags vor.“

Begründung

Das CETA-Abkommen enthält eine Reihe von vereinfachten Änderungsmöglichkeiten, durch die der Inhalt des Abkommens nach der parlamentarischen Genehmigung noch erheblich verändert werden kann. Sofern sich der Nationalrat eine Genehmigung die­ser Änderungen nicht vorbehält, erfolgen diese ohne irgendeine demokratische Kon­trolle.

Diese Vertragsänderungskompetenzen, die insbesondere dem Gemischten CETA-Ausschuss zustehen, hat auch das deutsche Bundesverfassungsgericht in seiner vor­läufigen Entscheidung über die Eilanträge gegen CETA kritisiert und verlangt, dass eine umfassende demokratische Rückbindung solcher Entscheidungen sicherzustellen ist.

Vereinfachte Vertragsänderungskompetenzen in CETA betreffen u.a.:

-             Eine allgemeine Änderungsermächtigung des Abkommens durch die Vertrags­parteien (Artikel 30.2 Abs. 1)

-             Die Änderung von Protokollen und Anhängen des Abkommens durch den Ge­mischten CETA-Ausschuss (Artikel 30.2 Abs. 2)

-             Änderungen anlässlich des Beitritts weiterer Staaten (Artikel 30.10 Abs. 4)

-             Änderungen und Erweiterungen der Konzerne zustehenden Sonderrechte durch den Gemischten CETA-Ausschuss (Artikel 8.10 Abs. 3)

-             Änderungen der Anhänge des Kapitels 5 durch den Gemischten Verwal­tungs­ausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (Arti­kel 5.14 Abs. 2 lit. d)


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-             Änderungen an den Streitbeilegungs- und Transparenzregeln (der Verfahrens­regeln der Konzerngerichte) (Artikel 8.44 Abs. 3)

-             Einseitige Änderungen der Anhänge des Kapitels 19 (Öff. Beschaffungswesen) (Artikel 19.18)

-             Änderung des Anhangs über geschützte Ursprungsbezeichnungen wie Tiroler Speck durch den Gemischten CETA-Ausschuss (Artikel 20.22)

Diese Änderungen können dazu führen, dass CETA ohne Zutun des Nationalrates völlig verändert wird. Durch den Vorbehalt der Genehmigung vereinfachter Änderun­gen kann ausgeschlossen werden, dass solche Änderungen völkerrechtlich verbindlich für Österreich ohne eine vorangehende demokratische Entscheidung wirksam werden.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Zusatzantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Gamon gelangt nun zu Wort. – Bitte.


11.17.06

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Ratifizierung von Ceta ist ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit. Gerade wenn man sieht, was in der Welt vorgeht, in Zeiten von Strafzöllen, von G-7-Treffen, die katastrophal in die Hose gehen, kann man eigentlich nur mit modernen Freihandelsabkommen wie Ceta antworten, um ein Zeichen zu setzen (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP) – ein Zeichen in Richtung proaktives Setzen globaler Standards, was nur geht, indem man freien Han­del mit Ländern betreibt, die hohe Standards haben, wie Kanada. Es geht auch darum, ein Zeichen für KMUs zu setzen, dass man eben ein System des Freihandels haben möchte, das auch Klein- und Mittelbetrieben durch den Abbau von nichttarifären Handels­hemmnissen den Zugang zu Märkten in der Welt erleichtert.

Die Gegner des Welthandels haben es im Moment eigentlich nicht so leicht – wenn man ein so prominentes Beispiel wie Donald Trump hat, der zeigt, welche verheeren­den Konsequenzen es für die europäische Wirtschaft haben kann, wenn man zum Protektionismus zurückkehrt.

Ich möchte in diesem Fall aber – gerade wenn man sich die populistischen Reden vonseiten der Sozialdemokratie anhört – einem letzten Mythos den Raum geben, hier aufgeklärt zu werden, nämlich einem Mythos zum Investitionsschutz. Der Rest von Ceta ist ja schon länger in Kraft, und ich habe nicht das Gefühl, dass unsere Standards seither gesenkt wurden; wenn es doch so ist, hätte ich gerne, dass jemand mit einem Fantasiehormonrindfleischstück an das Rednerpult kommt, so wie Leo Steinbichler das vielleicht gemacht hätte, um uns zu beweisen, was da passiert ist. Das kann man aber nicht machen, weil es einfach nicht stimmt. Die Standards sind nicht gesenkt worden, weil das in Ceta auch nicht so vorgesehen ist.

Ceta ist ein Vertrag, der gewährleistet, dass die europäischen Standards auch in Kanada und auch für kanadische Produkte, die nach Europa kommen, sichergestellt sind. Österreich hat 62 solcher Investitionsschutzabkommen, die europäischen Mit­glied­staaten haben über 1 400. Mythos Nummer eins: Es ist ein Privileg der Kon­zerne. – Nein. Es wird beharrlich ignoriert, dass das für den Besitzer eines Stau­damms genauso Schutz bedeutet wie für den Besitzer eines Würstelstands – sollte der denn


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Lust haben (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), ein Franchise­unterneh­men in Kanada aufzumachen.

Es wurde auch nachverhandelt, ganz besonders im Bereich des Investitionsschutzes, in dem es jetzt ein Investitionsschutzsystem gibt, ein Gerichtssystem – ICS statt ISDS –, und damit komme ich zum zweiten Mythos: dass das Ganze unglaublich geheim ist. ICS hat neue Transparenzregeln, also Bestimmungen betreffend die Öf­fent­lichkeit, die man in nationalen Gerichten eigentlich vergeblich sucht, zum Beispiel, dass alle Schriftstücke öffentlich sein müssen, dass die Verhandlungen öffentlich geführt werden, dass jeder eine Stellungnahme abgeben kann, die dann auch berück­sichtigt wird. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das ist etwas, was man im öster­reichischen Verfahrensrecht nicht hat – beim ICS gibt es das zum Beispiel.

Drittens: Warum brauchen wir das überhaupt? Oder – wie die SPÖ sagt –: Reichen Ihnen denn unsere Gerichte nicht? Die sind doch so gut! – Aber ist das in der ganzen Welt so? Kann man in der ganzen Welt darauf vertrauen, dass die Gerichte unab­hängig, unparteiisch, nicht von Korruption beeinflussbar sind? (Abg. Schieder: In Kanada schon! – Zwischenruf der Abg. Ecker.) – Nein, das kann man nicht. (Abg. Schieder: Aber Kanada ...!)

Genau deshalb – damit kommen wir zum nächsten Punkt – hoffe ich auch betreffend diese Bundesregierung, dass sie sich dafür verwenden wird, dass der Vorschlag der EU-Kommission, einen multilateralen Handelsgerichtshof einzusetzen, ganz klar unterstützt wird, und das ein Projekt ist, das auch während der Ratspräsidentschaft von dieser Bundesregierung weitergeführt wird. Das ist etwas, was ich mir erwarte, vor allem im Hinblick darauf, wie jetzt hier auch über dieses Thema gesprochen wird.

Um noch einmal darauf zurückzukommen: Nein, das ist in Kanada kein Problem, aber wissen Sie, was in Kanada ein Problem ist? – In vielen Staaten, zum Beispiel in Kanada, kann das Einhalten von Schutzstandards, die in völkerrechtlichen Verträgen festgehalten sind, vor nationalen Gerichten nicht eingeklagt werden, bei Schieds­ge­richten aber schon. Das heißt, es ist grundsätzlich notwendig, solch ein Schiedsge­richtssystem zu haben, denn sonst ist ganz Ceta quasi für die Fisch, weil man es dort nicht einklagen kann.

Das ist einfach nicht möglich, weil das dort vor nationalen Gerichten nicht geht, und das ist ganz genau der Punkt, warum man es braucht. (Abg. Schieder hält eine über­dimensionale Schaumgummihand in die Höhe, auf deren ausgestrecktem Zeigefinger steht: „Wir sagen Stopp!“) Es ist auch eine Erklärung dafür, wo diese 62 anderen Abkommen, die wir bisher abgeschlossen haben, eigentlich hergekommen sind. (Abg. Schieder: Aber irgendwann ist es genug!) Warum eigentlich haben wir die vorher gebraucht?

Natürlich geht es auch darum, dass im Unterschied zu Schiedssprüchen innerstaat­liche Urteile im Ausland zumeist nicht vollstreckbar sind. Es wäre doch schade, wenn unsere Gerichte, die ja so gut arbeiten, Urteile fällen, mit denen wir nachher nichts anfangen können. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Das sind drei Punkte, anhand derer man erläutern kann, dass diese Mythen einfach nicht stimmen und Unwahrheiten sind.

Und wenn wir schon von Kniefällen reden: Es hat von uns nie einen Kniefall vor irgend­jemandem gegeben. Wir haben uns immer klar dazu bekannt, dass wir zum globalen Freihandel stehen. Wir sind der Meinung, dass das die Grundlage unseres Wohlstan­des ist, aber die SPÖ genauso wie vorher im Parlament die Grünen und auch jetzt die Liste Pilz machen einen Kniefall vor der populistischen Lobby, die versucht, zurück zur Steinzeit zu kommen, was die Handelspolitik betrifft. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie


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bei Abgeordneten der FPÖ.) Das ist ein Kniefall! Das hat nichts mit verantwor­tungs­voller Politik zu tun, das ist verantwortungslos gegenüber der europäischen Bevölke­rung.

Im Übrigen handelt es sich quasi um ein Allparteiending, denn der Auftrag, das Ver­handlungsmandat, ist von einem SPÖ-Bundeskanzler gekommen, jetzt sind NEOS, ÖVP und FPÖ dafür, und ein grüner Bundespräsident wird die Unterschrift darunter setzen. – Wie schön! (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie des Abg. Kumpitsch.)

11.22


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


11.22.51

Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie! Ich möchte zuerst auf das Thema Wirtschaftsstandort eingehen: Wie geht es der österreichischen Wirtschaft? – Der österreichischen Wirtschaft geht es gut. Auf dem Index, dem IMD-Ranking, das vor Kurzem herausgekommen ist, sind wir von Platz 25 auf Platz 18 vorgerückt. Das ist der höchste Zuwachs eines Landes, der jemals erzielt worden ist.

Dieser Zuwachs basiert auch auf Interviews. Ein Drittel dieses Ergebnisses ergibt sich aus Befragungen der Wirtschaft, der Unternehmerinnen und Unternehmer, die uns ganz klar sagen, sie vertrauen uns. Dieses Vertrauen wollen und werden wir auch nicht brechen, sondern wir werden es damit verdienen, dass wir die Unternehmen Öster­reichs, die Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen, denn sie schaffen mit ihrem Export jeden zweiten Arbeitsplatz in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

6 von 10 Euro unseres Bruttoinlandsprodukts werden im Export generiert. Wir sind eine kleine Volkswirtschaft; aber wir sind eine kleine Volkswirtschaft, die jetzt eine große Bedeutung in Europa bekommt, indem wir mit der EU-Ratspräsidentschaft eine große Verantwortung übernehmen, und da gilt es für uns, geschlossen und gemeinsam mit Europa diese Außenwirtschaft zu stärken – diese Außenwirtschaft, die Gegner hat, die ganz klar vorhanden sind. Wir sehen, was der amerikanische Präsident Trump macht, wir sehen, wie er sich benimmt und worauf er es abgesehen hat. Er hat es auf die europäische Wirtschaft abgesehen, auf die europäische Automobilindustrie, an der auch Österreich sehr stark beteiligt ist und durch die wir sehr viel generieren. Deshalb ist es notwendig, zusammenzustehen und gemeinsam nach vorne zu gehen.

Ceta, das Abkommen mit Kanada, ist so etwas: Es unterstützt die Unternehmen, und im Gegensatz zu dem, was immer gesagt wird, nützt es nicht nur den Großkonzernen, sondern im Gegenteil, es ist Faktum, dass es den mittelständischen Unternehmen und den Kleinstbetrieben nützt. 1 400 österreichische Unternehmen exportieren nach Ka­nada. Diese 1 400 Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen wir, und – noch viel mehr – wir unterstützen auch jene kanadischen Unternehmen, die in Österreich tätig sind. Sie kennen sie: Magna, Bombardier, BRP-Rotax beschäftigen 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich. Wollen wir diesen Unternehmen sagen, ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung sind schlecht? Wollen wir die­sen Unternehmen, die nach Kanada exportieren, sagen, wir wollen euch nicht unter­stützen? – Nein, das wollen wir nicht. Wir unterstützen diese Unternehmen. Diese Unternehmen haben immerhin 125 Niederlassungen in Kanada, sie haben dort inves­tiert, und auch diese Unternehmen haben unsere Unterstützung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 57

Wie hat sich nun die Wirtschaft seit September entwickelt? – Die Zollteile sind ja seit September in Kraft; ich komme dann noch auf das Thema Investitionsschutz. Seit dem Inkrafttreten sind die Exporte nach Kanada um 24,4 Prozent gestiegen und die Lebens­mittelexporte sogar um 41,9 Prozent. Davon profitieren die Unternehmen im Bur­genland genauso wie die Unternehmen in Tirol, in Niederösterreich, in jedem Bundesland. Unsere Aufgabe ist es, das bestmöglich zu unterstützen, und das tun wir auch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Nun zum Thema Gerichte und Gerichtsbarkeit: Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Investitionen geschützt werden. Das Abkommen mit Kanada ermöglicht einen qualitativ hochwertigen Schutz dieser Investitionen der österreichischen Unternehmen in Kanada und auch der kanadischen Unternehmen in Österreich. Im beiderseitigen Einvernehmen haben wir, die EU und Kanada, vereinbart, dass es in diesem Fall keine Schiedsgerichte geben wird. So, wie es hier gesagt wurde, ist es nicht richtig: Es gibt keine Schiedsgerichte.

Was es allerdings geben wird, ist etwas Großartiges, etwas Neues. Das heißt, man hat dazugelernt, man hat auch die Kritik entsprechend gehört und schafft einen Inves­titionsgerichtshof. Das ist etwas ganz anderes als ein Ad-hoc-Schiedsgericht! Der Investitionsgerichtshof ist ein etablierter Gerichtshof; die Richter werden nach klaren Kriterien bestimmt und definiert und auf fünf Jahre bestellt. Sie werden auch nicht ad hoc, wie immer gesagt wird, zu einem Fall und ein einziges Mal zusammenkommen und sind auch nicht von den Firmen bestellt. Das, was gesagt wird, ist so nicht richtig! Sie werden zu einem Drittel von Kanada, zu einem Drittel von Europa und zu einem weiteren Drittel von nicht aus Europa und Kanada kommenden Vertretern bestellt, also von Unabhängigen.

Es gibt also keine Schreckgespenster-Schiedsgerichte, es gibt einen Investitionsge­richtshof (Zwischenruf des Abg. Rossmann), Herr Rossmann, Sie wissen das ganz genau. Ich möchte Ihnen übrigens noch zu Ihrem Gehalt gratulieren. Jeder CEO eines mittelständischen Unternehmens würde sich das wünschen. Der hat die Verantwortung für 200 oder 300 Mitarbeiter; ich frage mich, welche Verantwortung für wie viele Mitar­beiter Sie haben? (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Krainer: Unglaublich! So redet man nicht mit einem Abgeordneten! Der repräsentiert ... Menschen! Das steht Ihnen überhaupt nicht zu!)

Wir schauen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen! In diesen Unternehmen sind die Mitarbeiter beschäftigt, darum vertreten wir auch dieses Abkommen mit Kanada.

Kanada ist eine Industrienation. Wie wichtig ist Kanada für uns? – Kanada ist für uns ein wichtiger Handelspartner; Kanada ist das achtwichtigste Exportland in Übersee, das wir haben. Unsere Aufgabe ist es, jeden Arbeitsplatz, auch den geringsten Arbeits­platz in einem kleinen Unternehmen, zu unterstützen und zu schützen.

Wir unterstützen deshalb dieses Abkommen. Wir gehen den Weg gemeinsam mit Europa und mit Kanada, denn ich frage mich wirklich: Wenn man mit Kanada nicht mehr Geschäfte machen kann, wenn man mit diesem Land keine Partnerschaft mehr eingehen kann, mit welchem Land dieser Welt darf man das dann tun?

Es ist auch ein weiterer Punkt: Wir sind nicht das erste Land, das das tut. Beim letzten Mal, als ich zum Thema Ceta hier war, als wir darüber gesprochen haben und eine umfangreiche und gute Diskussion hatten, hat Finnland das Ceta-Abkommen ratifiziert. Jetzt ist es auch für Österreich an der Zeit, dazu zu stehen. Wir sind da im absoluten Mittelfeld. Dieses Abkommen wird Gutes für die österreichischen Unternehmen bringen und deshalb unterstützen wir es auch voll. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.30



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 58

Präsidentin Doris Bures: Danke vielmals, Frau Bundesministerin.

Frau Bundesministerin, wir hatten eingangs der heutigen Sitzung eine ausführliche Geschäftsordnungsdebatte, in der es um den respektvollen Umgang unter den Abge­ord­neten, aber vor allem auch der Regierungsmitglieder gegenüber dem Hohen Haus und der Funktion der frei gewählten Abgeordneten dieses Hauses gegangen ist. (Abg. Belakowitsch: Was war da respektlos?) Sie waren nicht anwesend, und wir haben uns ohnedies vorgenommen, in der Präsidialkonferenz darüber zu sprechen.

Ich würde wirklich darum bitten – wir haben einschließlich heute zwei Sitzungstage vor uns und keine Präsidialkonferenz dazwischen –, dass wir das, was wir in der Früh besprochen haben, nämlich auch einen respektvollen Umgang zu pflegen, auch so umsetzen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenruf des Abg. Wurm. – Abg. Belakowitsch: Was war jetzt respektlos? – Abg. Haider: Und was war jetzt? Was war da nicht respektvoll? Die Rede war in Ordnung, da gab es gar nichts!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind das nicht nur uns selbst als gewählte Abgeordnete schuldig, wir sind es vor allem den Menschen, die diese Debatte ver­folgen, schuldig, dass wir respektvoll miteinander umgehen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Mit diesem Ersuchen erteile ich nun Herrn Abgeordnetem Mag. Maximilian Unterrainer das Wort. – Bitte. (Abg. Haider: Da war nichts! – Abg. Belakowitsch: Was war jetzt eigentlich nicht respektvoll? – Abg. Wurm: Das ähnelt einer Diktatur langsam! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.32.33


Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmgeräten! Vorab eines noch einmal ganz klar – damit auch klar ist, wofür die Sozialdemokratie steht –: Wir sind für Handelsabkommen, aber wir sind gegen Schiedsgerichte. Das hat unser ehemaliger Kanzler immer gesagt, das haben wir immer gesagt. Dazu stehen wir und dabei bleiben wir auch. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haider.)

Wir sind aus einem ganz bestimmten Grund gegen diese Schiedsgerichte, nämlich weil damit die Rechtsstaatlichkeit Österreichs ausgehebelt wird, meine Damen und Herren. Alle Menschen, die euch, vor allem die Kollegen der FPÖ gewählt haben, sind in Zukunft, obwohl ihr die Mehrheit in diesem Haus habt, nicht mehr vertreten, wenn es um Themen bei Ceta geht. Das muss man sich vor Augen führen. Ihr führt die alle vorne weg.

Zu Kollegen Haubner: Es ist richtig, wir haben über 60 bilaterale Handelsabkommen, aber wir haben sie deswegen mit Schiedsgerichten versehen, weil diese Länder nicht dieselbe Rechtsstaatlichkeit haben wie wir. Das sind Länder wie Aserbaidschan, Algerien, Guatemala, Kasachstan, der Iran und so weiter und so fort. Das sind Länder, wo die Rechtsstaatlichkeit infrage gestellt ist, wo politische Einflussnahme auf die Justiz besteht, wo vermutlich auch Korruption besteht und wo vermutlich kriminelle Geister vorhanden und tätig sind. Mit Ihrer Entscheidung, mit der Entscheidung der FPÖ und der ÖVP, reihen Sie das Land Kanada in die Liste dieser Länder ein. Sie reihen Kanada in eine Liste von Ländern ein, die vordergründig ein Problem haben, rechtsstaatliche Strukturen aufrechtzuerhalten. Ist das wirklich das, was Sie wollen? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Österreich hat ein funktionierendes Rechtssystem, Kanada hat ein funktionierendes Rechtssystem, die EU hat ein funktionierendes Rechtssystem, und deshalb, sage ich ganz ehrlich, ist es vollkommen unverständlich, warum diese Systeme auf das Abstell-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 59

gleis wandern sollen. Stattdessen wollen Sie Tribunale einrichten, ein Investitions­schiedsgericht einrichten, die für Streitbeilegungen sorgen sollen. Großkonzerne sollen Österreich klagen können, und Österreich muss dann quasi zusehen, wie die national mühsam erarbeiteten, gut durchdachten Umwelt-, Sozial- und Konsumentenschutz­be­stimmungen einfach vom Tisch weggefegt werden. Das kann es doch wirklich nicht sein! (Beifall bei der SPÖ.)

Wie geht es denn dann überhaupt weiter? Wie sicher sind denn dann unsere Stan­dards im Umwelt-, Sozial und Arbeitsbereich noch? Offensichtlich hat es ja die FPÖ früher auch so gesehen, nämlich genau bis zu dem Zeitpunkt, als sie mit Tür­kis/Schwarz ins Bett gegangen ist, sprich, in die Regierung eingetreten ist. Vor einem Jahr noch vehement dagegen, habt ihr, Kollegen von der FPÖ, im letzten Wirtschafts­ausschuss namentlich alle für Ceta in der vorliegenden Form gestimmt, und auch das Volksbegehren ist auf einmal kein Thema mehr gewesen.

Es ist eigentlich bezeichnend: Das ist ein Kompromiss gewesen, damit ihr wieder in Lokalen rauchen dürft. Das war ein Kompromiss, und wie Kollege Kassegger schon richtig gesagt hat: Die Krot haben wir gefressen. – Mir ist es ehrlicherweise wurscht, was ihr für eine Krot fresst, aber da geht es um Österreich, da geht es um uns alle! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Genau deswegen! Genau deswegen!)

Da muss man sich schon die Frage stellen: Ist es euch das wirklich wert, die eigene Linie so offensichtlich über Bord zu werfen und die Menschen, die euch damals gewählt haben, einfach so zu enttäuschen? – Das müsst ihr mit euren Wählern das nächste Mal wirklich selbst ausmachen.

Heute wird aber Folgendes beschlossen: Beschlossen wird das Umgehen der natio­nalen Gerichtsbarkeiten – das ist Fakt –, beschlossen wird heute das Umgehen der Rechtsstaatlichkeit – auch das ist Fakt –, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem am EuGH noch Verfahren laufen und nicht einmal klar ist, ob die Schiedsgerichte EU-konform sind.

Ich verstehe nicht, Frau Ministerin, warum man diese Eile an den Tag legt. Sie sagen, sichere, hoch qualifizierte Abkommen, aber in Wahrheit sind die Vertragsklauseln noch nicht einmal festgelegt. Sie sprechen von sicheren, hoch qualifizierten Abkommen, aber selbst EU-Kommissarin Malmström sagt, es ist notwendig, in verschiedenen Bereichen noch Nachschärfungen und Nachbesserungen zu machen.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Rechtsstaatlichkeit, und diese muss gewahrt bleiben – auch in Zukunft gewahrt bleiben. Das heißt: Ceta in dieser Form? – Nein!

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Zusatzantrag ein:

Zusatzantrag

gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 60

„Die Genehmigung des gegenständlichen Staatsvertrages erfolgt unter der Bedingung, dass folgender völkerrechtlicher Vorbehalt anlässlich der Ratifikation durch Österreich rechtsverbindlich erklärt wird:

„Die Kapitel 8 Abschnitt F (Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) sowie Artikel 13.21 (Investitionsstreitigkeiten im Bereich Finanzdienst­leis­tungen) gelten nicht für von Österreich eingeführte oder aufrechterhaltene Maßnah­men.““

*****

In diesem Sinne: Ja zu Handelsabkommen, Nein zu Konzerntribunalen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Zusatzantrag

gemäß § 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker

zum Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungs­vorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Genehmigung des gegenständlichen Staatsvertrages erfolgt unter der Bedingung, dass folgender völkerrechtlicher Vorbehalt anlässlich der Ratifikation durch Österreich rechtsverbindlich erklärt wird:

„Die Kapitel 8 Abschnitt F (Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) sowie Artikel 13.21 (Investitionsstreitigkeiten im Bereich Finanzdienst­leistungen) gelten nicht für von Österreich eingeführte oder aufrechterhaltene Maß­nahmen.““

Begründung

CETA führt erstmals in einem EU-Handelsabkommen die Möglichkeit für Konzerne ein, Staaten auf Grund von Verletzungen des Abkommens direkt und unter Umgehung der österreichischen Gerichte vor einem internationalen Tribunal zu klagen. CETA selbst räumt Konzernen weitreichende Rechte ein, die eine eindeutige Schlagseite zu Gunsten von Profiten und zu Lasten allgemeiner gesellschaftlicher Interessen haben. Die bisherige Klagetätigkeit auf Grund solcher Konzernklagerechte zeigt, welche negativen Folgen die bloße Möglichkeit solcher Konzernklagen hat. Vor allem verletzen solche Konzernklagerechte einen fundamentalen Grundsatz unseres Rechtsstaates: die Gleichheit vor dem Gesetz. Während es sich die Konzerne richten können und ihr „Recht“ vor ihnen günstig gewogenen Tribunalen durchsetzen können, sind Bürgerin­nen und Bürger auf normale Gerichte verwiesen. Ihnen steht etwa bei Verletzung von ArbeitnehmerInnenrechten oder Verstößen gegen Umweltschutzpflichten nicht die Möglichkeit offen, vor Sondertribunalen Klage zu erheben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 61

Auch im Rahmen der Europäischen Union gibt es massive Bedenken gegen das System der Konzerngerichte. Im Achmea-Urteil hat der EuGH eindeutig ausge­sprochen, dass Sonderklagerechte für Konzerne dazu führen, dass das Europarecht ausgehöhlt wird und diese daher für unzulässig erklärt. Aktuell steht auf Grund eines belgischen Antrags ein weiteres Urteil des EuGH – diesmal konkret zu den Sonderklagerechten in CETA – bevor. Die damit verbundene Unsicherheit und die Möglichkeit von Nach­verhandlungen nimmt die Bundesregierung jedoch offenbar hin.

Die Bundesregierung begibt sich außerdem ihrer Verhandlungsmöglichkeiten und verzichtet durch eine überhastete Genehmigung von CETA selbst in einem Bereich, der eindeutig nationale Kompetenz ist, auf ihre Einflussmöglichkeiten. Denn Sonder­klagerechte sind seit dem Singapur-Gutachten des EuGH eindeutig alleinige Zustän­digkeit der Mitgliedstaaten. Diese können hier autonom entscheiden.

Es ist daher nötig, diese Handlungsfähigkeit auch wahrzunehmen und Österreich vor den negativen Folgen von Konzernklagerechten zu schützen.

Der Nationalrat hat (vgl. Öhlinger, Art. 50 B-VG Rz 101, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht) und die dort zitierte Staatspraxis, sowie das Gutachten des Verfassungsdienstes, zitiert in Peter Fischer/Gerhard Hafner, Aktuelle österreichische Praxis zum Völkerrecht, ZÖR 1982, 307f) die Möglichkeit, von sich aus die Geneh­migung eines Staatsvertrages von der Erklärung eines völkerrechtlichen Vorbehalts durch den Bundespräsidenten anlässlich der Ratifikation abhängig zu machen:

„Die österreichische Praxis geht – verfassungsrechtlich korrekt – davon aus, dass ein solcher Vorbehalt nicht nur ebenfalls der parlamentarischen Genehmigung bedarf, son­dern auch vom Nationalrat abgeändert und auch auf Initiative (von Mitgliedern) des Nationalrates beschlossen werden darf.“

Das bedeutet, dass der Nationalrat durch Annahme des vorliegenden Antrags bewir­ken kann, dass die CETA-Sonderklagerechte in Österreich keine Wirkung entfalten.

Die mögliche Durchführung einer Volksabstimmung über eine sonderverfassungs­ge­setzliche Ratifikationsermächtigung für CETA bleibt davon unbenommen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Zusatzantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Angelika Winzig zu Wort. – Bitte.


11.37.30

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministra! Kolleginnen und Kollegen! Das Handelsabkommen mit Kanada wird seit neun Monaten vorläufig angewendet, und keine von all den Weltuntergangsprophezeiungen der NGOs wie auch der SPÖ ist eingetreten. Sie werden auch nicht eintreten. Das ist natürlich schlecht für das Geschäftsmodell der NGOs.

Dennoch möchte ich heute einige Mythen mit Fakten entkräften, denn auch beim Hearing im Ausschuss habe ich den Eindruck gewonnen, dass sowohl die Vertreter von Attac und Greenpeace als auch andere einiges nicht gelesen beziehungsweise nicht verstanden haben.

Zunächst zum Vorsorgeprinzip, das ja angeblich gefährdet ist: Das kann nicht sein, denn das ist im EU-Primärrecht im Artikel 191 verankert und kann durch einen völker­rechtlichen Vertrag nicht abgeschafft werden. Weiters verwendet Kanada auf­grund der


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Teilnahme an multilateralen Umweltabkommen das Vorsorgeprinzip in sehr vielen Fällen, und selbst im nationalen Recht ist das Vorsorgeprinzip im Umwelt- und Nach­hal­tigkeitsrecht enthalten. Aber auch Ceta selbst hat wichtige Bezüge und Verweise auf das Vorsorgeprinzip.

Ein weiterer Kritikpunkt waren immer die Arbeitnehmerrechte, aber auch dieser Wunsch der Linken ist jetzt erfüllt, denn Kanada hat seit Juni 2017 alle acht ILO-Überein­kom­men ratifiziert. 

Zum Thema Investitionsschutz und Regulierungsmaßnahmen bekräftigen die Vertrags­parteien EU und Kanada im Abschnitt D ihr Recht – und ich zitiere –, „zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, des Schutzes der Umwelt oder der öffentlichen Sittlichkeit, des Sozial- oder Ver­braucherschutzes oder der Förderung und des Schutzes der kulturellen Vielfalt in ihrem jeweiligen Gebiet Regelungen zu erlassen.“

Artikel 8.18 besagt, dass ein Investor nur dann eine Klage gegen einen Staat ein­bringen kann, wenn der Staat eine Pflicht verletzt, das heißt zum Beispiel eine Dis­kriminierung bei Enteignung. Zusätzlich zu diesem Verstoß muss der Investor noch einen tatsächlich erlittenen Schaden haben.

Artikel 8.9 legt fest, dass durch Änderung von Gesetzen und Regelungen eines Staates, die sich auf einen Investor negativ auswirken, kein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung vorliegt.

Somit ist das right to regulate, also die Regulierungshoheit des Staates, ein wichtiger Bestandteil dieses Abkommens. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weiters ist sichergestellt, dass die öffentlichen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nicht untergraben werden. Das finden Sie nicht nur im Abkommen, sondern auch unter Punkt 4 der Gemeinsamen Auslegungserklärung, die sich Herr Klubobmann Kern auf die Fahnen geheftet hat und auf die er so stolz war. Ich zitiere:

„[...] CETA wird die Regierungen nicht daran hindern, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, die zuvor von privaten Dienstleistern erbracht wurden, oder Dienst­leis­tun­gen, zu deren Privatisierung die Regierungen sich entschlossen hatten, wieder unter öffentliche Kontrolle zu bringen.“

Die Irrwege und der Zickzackkurs der SPÖ bei Handelsabkommen sind bekannt; ich möchte zum Schluss meiner Rede heute noch einige Bonmots zitieren:

Da war zum einen ein Initiator des Volksbegehrens, SPÖ-Bürgermeister Thumpser, der vor laufender ORF-Kamera gesagt hat, er habe nur acht Seiten des Abkommens ge­lesen, dann sei ein Satz über 15 Zeilen lang gekommen und dann sei er ausgestiegen.

Es war des Weiteren die damalige SPÖ-Kollegin Holzinger, die ganz stolz aus dem Leseraum TTIP gekommen ist und uns das Investor-state dispute settlement erklärt hat. Darüber war aber leider im Leseraum nichts vorhanden. Sie hat das mit dem State-to-State dispute settlement verwechselt, etwas ganz anderem. (Abg. Haider: Dilettantisch!)

Was mich an der Umfrage der SPÖ zu Handelsabkommen am meisten fasziniert hat, war die Frage, ob wirklich gewollt wird, dass mit Handelsabkommen Standards gesenkt werden. – In der Tat haben 10 Prozent gesagt, dass sie das wollen, und das macht mir wirklich Angst. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich finde es schade, dass die SPÖ den freien fairen Handel, der uns jahrelang unseren Wohlstand beschert hat, auf dem Altar des Populismus opfert. Die nächste Generation hat ein Recht darauf, dass wir unsere Werte und Standards auch in diese globalisierte


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Welt einbringen und dass wir aktiv mitgestalten und nicht nach linker Manier den Kopf in den Sand stecken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Doris Margreiter. – Bitte.


11.42.32

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Die Abgeordneten der ÖVP, der FPÖ und auch der NEOS werden heute Ja zu Ceta sagen. Es ist klar, dass die ÖVP das tut, sie hat ja bei den Konzernen einiges gutzumachen. Sie erinnern sich: Wer zahlt, schafft an! Anders verhält es sich bei der FPÖ. Die FPÖ sagt Ja zu Ceta und Nein zu ihren Wählerinnen und Wählern, obwohl diese sie unter anderem aufgrund nachfolgender Ansagen gewählt haben.

„Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung.“ – Heinz-Christian Strache in der Tageszeitung „Österreich“, September 2017.

„Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Den Teil von CETA, der im Parlament zur Abstimmung kommt, wollen wir unbedingt einer Volksabstimmung unterziehen, weil es hier um eine starke Einschränkung der Souveränität Österreichs geht.“ – FPÖ-Natio­nalratsabgeordneter Harald Stefan im ORF. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute sind wir von einer Volksabstimmung meilenweit – was sage ich? –, Lichtjahre entfernt, obwohl 560 000 Menschen das Volksbegehren unterschrieben haben, aber das ist Ihnen egal. Sie werden mit Ihrem Ja zu Ceta unseren Rechtsstaat, wie wir ihn bisher kannten, aushebeln. Damit werden der privaten Paralleljustiz von heute an Tür und Tor geöffnet – und das an den Interessen der Österreicherinnen und Österreicher vorbei! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihnen kann es gar nicht schnell genug gehen, und das, obwohl der Europäische Ge­richtshof, wie wir gehört haben, zuletzt in einem Urteil feststellte, dass eben diese Schiedsgerichte – ich nenne es so – in Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten mit deren Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar sind. Belgien zum Beispiel lässt das beim Europäischen Gerichtshof prüfen, unsere Regierung macht das nicht. Sie legt auch noch eins drauf und wartet – anders als andere Staaten, wie zum Beispiel auch Deutschland – nicht auf das Ergebnis, welches übrigens noch heuer erwartet wird. Spannend ist das auch deshalb, weil Sie sonst immer beklagen, dass wir in Österreich bei der Umsetzung der EU-Richtlinien und -Gesetze zu schnell und überbordend sind. Jetzt bei Ceta ist das ganz anders, da kann es Ihnen nicht schnell genug gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch schon das Wort Weltuntergangsstimmung gefallen: Sie tun ja so, also ob die Welt unterginge, wenn Ceta nicht kommt. Ich sage dazu, die Handelsbeziehungen mit Kanada sind auch jetzt schon hervorragend, und die zu erwartenden Wachs­tumsimpulse befinden sich, wie man hört, im Promillebereich.

Zentraler Streitpunkt sind, wie gesagt, die sogenannten Schiedsgerichte, kurz ICS.

Ein Beispiel: Die Regierung will Arbeitsschutzbestimmungen oder Umweltstandards verbessern, und wenn das den Konzernen dann nicht passt und ihnen dadurch Ge­winne entgehen, werden sie klagen; im Übrigen für die, die klagen, und deren Anwälte ein millionenschweres Geschäftsmodell, die reiben sich jetzt schon die Hände. – Und Sie sind die Erfüllungsgehilfen dieser Leute, und das wissen Sie!

Den Auftrag für das Verhandlungsmandat haben wir gegeben, das stimmt; das betraf den tarifären Teil, also die Zölle. Jetzt geht es um den nichttarifären Teil, um den grau­sigen Teil, und dazu haben wir, die SPÖ, gemeinsam mit Christian Kern immer gesagt,


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dass wir das im Nationalrat nie – und ich wiederhole: nie! – ratifizieren werden und nicht dafür zu haben sein werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie von der FPÖ rechtfertigen sich jetzt damit, dass Sie sagen: Das war Koalitions­bedingung. Genau damit machen Sie klar, dass Ihnen die Schalthebel der Macht wich­tiger sind als Ihre Wählerinnen und Wähler, und dadurch machen Sie den Verrat noch schlimmer! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Mölzer.)

Man muss sich vorstellen, bei diesen Schiedsgerichten hat Österreich nicht einmal die Möglichkeit, Konzerne zu klagen, wenn sie Steuern hinterziehen. Aber auch das ist Ihnen egal; so schaut es eben aus.

Sie meinen immer, dass man Ceta die Giftzähne gezogen hätte, es wurde nach­ver­handelt. Ich sage Ihnen, dass das nur kosmetische Veränderungen und ein bisschen Botox sind. Es müsste in ein paar Wochen eine Nachbehandlung fällig sein, diese wird aber dann nicht mehr möglich sein, weil es zu spät sein wird.

Wir von der SPÖ stehen für fairen, gerechten Handel, wir sind für Freihandels­abkom­men, aber nicht um jeden Preis. Wir stehen zu einem Handelsabkommen, in dem Klima­schutz, Konsumentenschutz, ArbeitnehmerInnenschutzrechte, Sozialstandards kein Fremdwort sind. Wir wollen Chancengleichheit für alle Unternehmen und auch Landwirte. Handelsabkommen wie Ceta mit diesem Inhalt des Investorenschutzes haben dieses Ziel nicht im Fokus. Sie nützen eben Investoren, großen Konzernen, deren Renditen ganz bestimmt nicht bei den Menschen in Österreich ankommen werden. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

11.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider. – Bitte.


11.47.24

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Jetzt geht es also in den Endspurt bei Ceta, bei diesem – da muss ich direkt nachschauen – Umfassenden „Wirtschafts- und Handelsabkommen [...] zwi­schen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada andererseits [...]“ – So heißt es etwas sperrig. (Abg. Wittmann: ... sehr schwer!) Der ehemalige Kurzzeitkanzler und SPÖ-Vorsitzende Christian Kern hat das ganz prägnant zusam­mengefasst: das beste Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat. – Zitat Christian Kern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist daher schon irgendwie komisch, dass die - - (Abg. Friedl: Sie haben vorher nicht zugehört!) – Natürlich ist das komisch, dass Herr Kern gerade jetzt gegen Ceta wettert, jetzt, wo die Giftzähne gezogen sind, zumal er vorher dafür war, als all diese Giftzähne noch enthalten waren. Das können Sie nicht wegdiskutieren, das ist genau so. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Genauso wenig wegdiskutieren können Sie, dass auch sein Klubvorsit­zender­kom­pagnon Schieder ihn da uneingeschränkt unterstützt hat, ihn mit seiner Unterschrift sogar uneingeschränkt dabei unterstützt hat, auch dieses Haus zu umgehen. Er hat sich gar nicht getraut, dieses „beste Handelsabkommen“ dem Haus vorzulegen, und bei dieser Umgehung des Parlaments hat ihn Klubvorsitzender Schieder auch noch unterstützt. (Abg. Schieder: Vollkommen falsch!)

Aber das sind alte Geschichten, schauen wir uns doch einmal an, was sich in der Zwischenzeit ergeben hat. Es könnte ja so einen Meinungsschwenk um 180 Grad von ganz hui zu ganz pfui durchaus rechtfertigen, wenn sich da einiges geändert hat. Ich meine, wenn sich in der Sachlage etwas geändert hat, denn eines hat sich auf jeden


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Fall schon geändert: Kurzzeitkanzler Kern ist nicht mehr Kanzler. Da hat sich in Österreich inzwischen ja schon etwas positiv verändert. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber zurück zu Ceta! – Schauen wir uns einmal genau an, was sich jetzt wirklich getan hat, seit Sie mit Ihrer Unterschrift am 16. Oktober 2016 ermöglicht haben, dass Ceta seit vorigem Jahr, seit September 2017, provisorisch in Kraft ist. Da ist natürlich einmal die Sache mit den Schiedsgerichten. Das hat den meisten Bürgern, aber auch uns völlig zu Recht immer Bauchweh, immer große Bauchschmerzen bereitet. Schieds­gerichte, die zur Hälfte von Konzernen beschickt werden, Schiedsgerichte, die völlig intransparente Entscheidungen treffen, Schiedsrichter, die vielleicht der einen oder anderen Lobbygruppe nahestehen, sind eine äußerst ungute Vorstellung.

So war das übrigens auch geregelt, als Herr Kern Ceta als bestes Handelsabkommen bezeichnet hat. (Abg. Krainer: Das ist falsch!) Schauen wir uns an, wie die Sache jetzt ausschaut. – Reden Sie keinen Käse, Herr Krainer, das funktioniert so nicht!


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Haider, Sie wissen, eine unserer Usancen lautet, dass wir Namen nicht verunglimpfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Hat er ja nicht!)

Entschuldigung, ich möchte das jetzt gar nicht wiederholen, aber ich glaube, es gibt keinen Zweifel daran, dass das die Verunglimpfung eines Namens ist, und deshalb, Herr Abgeordneter, nehmen Sie bitte davon Abstand! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Ich bitte Sie, Herr Kollege Haider, reden Sie in Zukunft von Topfen!) – Ja.


Abgeordneter Mag. Roman Haider (fortsetzend): Dann fordere ich Herrn Krainer auf, keinen Topfen zu sprechen (Abg. Rosenkranz: Ist auch ein Milchprodukt!), was er hier sonst doch öfters tut.

Schauen wir uns einmal an, wie die Sache bei den Schiedsgerichten jetzt ausschaut! – Ganz klar: Die Schiedsgerichte sind heraußen, dafür gibt es ordentliche Gerichte. Es gibt sogar einen Investitionsgerichtshof, es gibt einen Instanzenzug, es gibt hohe, sehr hohe Ethik- und Unvereinbarkeitsbestimmungen für diese Richter. Es gibt Veröffent­lichungs- und Transparenzpflichten. Die Gerichte werden drittelparitätisch – von der EU, von Kanada und den Drittstaaten – beschickt. Außerdem haben diese Gerichte auch nicht die Kompetenz, nationale Gesetze aufzuheben.

Das alles ist euch so zuwider, Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ? Wären euch private, intransparente Schiedsgerichte wirklich lieber gewesen? Ist das das, was ihr möchtet? Herr Kern (Abg. Belakowitsch: Der ist nicht da!) – jetzt ist er weg, aber er fehlt mir nicht –, war das wirklich das beste Handelsabkommen, das die EU jemals abgeschlossen hat?

Das ist offensichtlich wirklich die Lehre aus dieser Diskussion: Die SPÖ favorisiert pri­vate, intransparente Schiedsgerichte. Jetzt, weil diese wegfallen, weil es einen Inves­titionsgerichtshof gibt, ist die SPÖ auf einmal gegen Ceta. – Ist das euer Ernst? Nehmt ihr euch da selbst noch ernst? Glaubt ihr wirklich, dass euch nach diesem Schwenk noch irgendjemand ernst nimmt? – Ich glaube nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Insofern passt es auch ganz gut dazu, dass Kollegin Pamela Rendi-Wagner als SPÖ-Vertreterin gemeinsam mit der Kabinettsdirektorin des Herrn Bundespräsidenten, Frau Ecker, mit dem Ex-SPÖ-Minister Rudolf Scholten, mit dem Ex-ORF-General Zeiler bei der Bilderberg-Konferenz in Turin ist – Sie wissen schon, diese Konferenz, bei der sich Konzernherren und Finanzhyänen und wer auch immer zusammensetzen und überlegen (Zwischenruf der Abg. Gamon), wie sie das meiste für sich herausholen können –, um dort genau über diese Themen zu sprechen. Das glaube ich, dass ihr


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dort intransparente Schiedsgerichte haben wollt. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Darum wundert mich überhaupt nicht, was ihr da in der letzten Zeit für einen Schwenk vollzogen habt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt fehlt mir wegen der Debatte mit Herrn Krainer wieder Redezeit, deshalb führe ich nun nicht näher aus, dass auch bei den öffentlichen Dienstleistungen die Giftzähne gezogen worden sind, dass bei der Daseinsvorsorge, beim Wasser die Giftzähne ge­zogen worden sind, dass auch bei den Lebensmittelstandards die Giftzähne gezogen worden sind.

Nur noch eines: Sämtliche Giftzähne sind gezogen, und jetzt auf einmal ist die SPÖ dagegen! – Das ist reinstes Parteitheater, und darüber machen sich die Öster­reicherinnen und Österreicher durchaus selbst ihr Bild.

Fürchtet euch weiter, liebe Genossen! Fürchtet euch weiter, wir werden in der Zwi­schenzeit darangehen, den Scherbenhaufen, den ihr hinterlassen habt, aufzuräumen! Fürchtet euch weiter, wir machen Österreich inzwischen zukunftsfit, denn wir sorgen dafür, dass Österreich für die Österreicherinnen und Österreicher lebenswert ist! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.54


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer. – Bitte. (Abg. Kassegger: Hoffentlich hören wir jetzt keinen Topfen! – Abg. Rosenkranz: Oder andere Milchprodukte!)


11.54.46

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider ist man von der FPÖ wenig gewöhnt, abgesehen von Polemik und Verächtlichmachung gegenüber Personen und dergleichen. (Ruf bei der FPÖ: Da sind ja Sie ganz anders!) Das hängt halt vor allem damit zusammen, dass einer Partei und deren Vertretern die inhaltlichen Argumente ausgehen. Es soll jeder daran denken: Wenn hier jemand untergriffig ist, dann hat er inhaltlich einfach kein Argument, und diese Art richtet sich ohnehin von selbst. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin Schramböck, Sie haben heute in Richtung des Kollegen Rossmann irgendwie gesagt, Sie beneiden ihn um sein Gehalt (Bundesministerin Schramböck: Nein!) oder Sie beglückwünschen ihn zu seinem Gehalt, aber er hat ja gar nicht so viele Mitarbeiter und ist gar nicht für so viele Mitarbeiter verantwortlich. (Bundesministerin Schramböck schüttelt verneinend den Kopf.) Hier im Hohen Haus geht es nicht darum, wie viele Mitarbeiter jemand – zwischen Anführungszeichen – „unter sich“ hat, sondern hier geht es darum, wie viele Wählerinnen und Wähler ein Abgeordneter hinter sich hat. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Alle Abgeordneten in diesem Haus vertreten circa 25 000 Wählerinnen und Wähler, und jeder Einzelne von uns vertritt gleich viele Wählerinnen und Wähler. Jemanden daran zu messen, wie viele Mitarbeiter er hat, womöglich noch unter sich hat, das ist nicht die Art und Weise, nach der man Menschen prinzipiell und schon gar nicht Abgeordnete beurteilt. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Jeder hier ist gleich viel wert und braucht sich von niemandem, auch nicht von jeman­dem auf der Regierungsbank, in irgendeiner Art und Weise polemisch Dinge vorhalten zu lassen. Niemand hält Ihnen etwas vor. Sie sind nicht in dieses Gremium gewählt, Sie vertreten hier nicht 25 000 Menschen (Ruf: Sie auch nicht!) wie alle anderen hier, und ich ersuche Sie, etwas mehr Respekt gegenüber jeden einzelnen Abgeordneten zu haben. So respektvoll Sie mit den Abgeordneten Ihrer Fraktion umgehen, genau denselben Respekt sollten Sie gegenüber den Abgeordneten der anderen Fraktionen hier walten lassen. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)


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Zum Thema Ceta: Kollege Haider, fast alles, was Sie hier gesagt haben, entspricht leider nicht der Wahrheit. Wir hatten ein sehr qualitätsvolles Hearing, in dem gerade der Experte, den die Freiheitlichen nominiert haben, sehr viele wichtige und richtige Sachen anführte. Ich war mit ihm nicht einer Meinung, aber es war eine vernünftige Auseinandersetzung auf einem hohen Niveau. Der von Ihnen nominierte Experte hat im Hearing gesagt, es habe sich seit der Unterschrift auf diesen Vertrag nichts ver­ändert, kein Beistrich!

Sie tun so, als ob seit damals irgendwelche Giftzähne gezogen worden seien, doch dafür können Sie sich beim damaligen Bundeskanzler Kern bedanken, dass er die Giftzähne gezogen hat, denn seither ist kein Beistrich im Vertrag geändert worden! (Beifall bei der SPÖ.) Sich hierher zu stellen und so zu tun, als ob etwas passiert wäre, das sind Fake News, und es ist auch dieses Hauses nicht würdig, wenn Sie hier Dinge behaupten, die nichts mit der Realität zu tun haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie sagen, es gibt klare Regeln, nach welchen diese Richter ausge­wählt werden, und klare Verhaltensweisen! – Das stimmt auch nicht, denn die Experten im Hearing – Sie waren ja persönlich anwesend – haben selbst gesagt, diese Kriterien liegen noch nicht vor, die müssen erst erarbeitet werden. Und deswegen ärgern wir uns auch darüber, dass das jetzt so schnell in diesem Hohen Haus durchgepeitscht werden soll, obwohl Gerichtsverfahren beim EuGH laufen, obwohl wir wissen, dass die Deutschen ein Urteil in Karlsruhe abwarten, obwohl all diese Durchführungsbestim­mungen zu den Schiedsgerichten nicht vorliegen. Diese Verbesserungen, die in Aus­sicht gestellt worden sind, liegen noch nicht vor! Wir verstehen überhaupt nicht, wieso man nicht noch ein halbes Jahr oder ein Jahr wartet, bis diese Dinge vorliegen, um dann entsprechend dem, was vorliegt, ernsthaft darüber entscheiden zu können.

Der Grund ist relativ einfach: Die FPÖ will das aus parteitaktischen Gründen möglichst schnell hinter sich bringen. Sie wissen, das ist unangenehm, weil Sie damit Wahl­ver­sprechen brechen, und Sie wollen sie möglichst früh brechen – in der Hoffnung, dass der Wähler und die Wählerin das vergessen. Wir werden dafür sorgen, dass die Wählerinnen und Wähler das nicht vergessen, denn das, was Sie vor der Wahl sagen, hat gar nichts damit zu tun, was Sie nach der Wahl machen – im Gegensatz zur SPÖ! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


12.00.01

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Hohes Haus! Ich bitte darum, dass wir hier nicht nur über Giftzähne reden, die angeblich gezogen wurden oder nicht, denn bei so vielen Giftzähnen, die da angeblich gezogen wurden, dürfte dieses Wesen gar keine Zähne mehr haben, und ich glaube, das wäre auch kontraproduktiv. Ich meine, es geht hier um etwas Ernsthaftes, nämlich um Ceta, und das ist ein wichtiges Freihandelsabkommen, das uns einen großen Schritt weiterbringt.

Ich glaube, Kollege Haubner war es, der schon zitiert hat, dass Professor Kocher  vom IHS gesagt hat, es ist ein vernünftiges Abkommen. Und dieses vernünftige Abkommen ist gerade für die Klein- und Mittelbetriebe ganz besonders wichtig, und diese sind die Basis unseres wirtschaftlichen Wohlstands, den wir in den letzten Jahren erarbeitet haben, haben doch diese Klein- und Mittelbetriebe in Österreich eine Relevanz wie in sonst wenigen Ländern.


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Wir alle hier im Haus wissen auch, wie wichtig der Export ist, gerade auch für die KMUs. 6 von 10 Euro werden in Österreich mit dem Export verdient, und ein Großteil der Exporte geht auch nach Kanada, und wir wissen auch, dass es durch dieses Freihandelsabkommen mehr werden wird.

In den letzten Jahren hatten wir leider immer Fraktionen, die Freihandel grundsätzlich ablehnen, und das, obwohl sie wissen, dass alle Experten sagen, das ist ein ganz wichtiger Schritt, um unseren Wirtschaftsstandort weiterzubringen. Jetzt ist die Sit­uation so, dass es einen letzten Strohhalm in Sachen Ceta gibt, an den man sich klammern will, und das ist die Schiedsgerichtsbarkeit. Da wird dann immer gesagt: Oh, mein Gott, da müssen wir schnell alles retten! – Ich möchte ein paar Punkte dazu sagen, die, glaube ich, alle diese Argumente entkräften.

Das Erste ist: Es gab ja dieses Hearing – es wurde schon von einigen Kolleginnen und Kollegen angesprochen –, bei dem ausnahmslos alle Bedenken von den Experten entkräftet wurden. Kollege Krainer hat vorhin darauf hingewiesen, wie großartig die Expertinnen und Experten da waren. Dementsprechend sollte das, glaube ich, auch zur Kenntnis genommen werden.

Ein zweiter wichtiger Aspekt ist, dass es ja Schiedsgerichte schon lange gibt, es gibt Hunderte Schiedsgerichte. Es sind auch all diese Verträge, die wir haben, auf Schiedsgerichten aufgebaut. Es kommen dann immer diese Totschlagargumente: Es gab da einmal so einen bösen Fall!, und so weiter. Auch all das sind Geschichten, die wir bitte nicht ernst nehmen dürfen.

Der wichtigere Punkt ist – ich glaube, das wurde vorher auch von Kollegin Winzig an­gesprochen – das right to regulate. Dadurch haben wir die Möglichkeit, auch weiterhin Standards zu erhöhen und vor Ort, nämlich hier bei uns in Europa, die Standards festzulegen und die auch bindend zu machen. Diese sind dann eben ausgenommen und dürfen auch negative Auswirkungen auf Investitionen haben.

Zum Schluss möchte ich sagen: Wenn wir gerade aktuell den Kontext zu den Han­delskriegen sehen, dann wissen wir alle, wie das ist, das ist ähnlich wie bei einem Ehevertrag: Den schließt man in guten Zeiten – genauso wie einen Handelsvertrag, den man auch in guten Zeiten schließt –, um für schlechte Zeiten gewappnet zu sein. In diesem Sinne bitte ich, dass wir das Abkommen heute hier ratifizieren. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.03


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Pilz tritt mit der schon mehrmals in der Debatte gezeigten Tafel mit einem Bild eines FPÖ-Plakats und einem Filzstift ans Rednerpult. – Abg. Zanger: Haben Sie das auch vom Leichtfried ausgeborgt?)


12.03.17

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen, auch von der Freiheitlichen Partei! Sie werden sich fragen: Warum schon wieder dieses Plakat? – Ich werde es Ihnen gleich erklären, vorher nur ein paar kurze Bemerkungen.

Was wir uns gewünscht hätten – und das betrifft jetzt nicht nur die Abgeordneten unserer Liste –, wäre ein ordentliches, sauberes und verantwortungsvolles parlamen­tarisches Verfahren. Und das hätte geheißen: abwarten, was der Europäische Ge­richtshof im Jänner urteilt, und dann ernsthaft hier im Haus darüber reden, welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen. Es stimmt, einiges ist an den Vertragsentwürfen geändert worden, aber es steht immer noch drinnen: Schiedsrichter, Schiedspanel. Da sind ein paar Begriffe leicht modifiziert worden, die Substanz ist dieselbe.


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Sie verzichten erstens auf ein seriöses parlamentarisches Verfahren unter Berück­sichtigung eines wichtigen Urteils eines internationalen Gerichtshofes und zweitens auf die unbedingte Forderung nach einer Volksabstimmung. Das waren doch Sie von der Freiheitlichen Partei, die Sie immer gesagt haben: Koalitionsbedingung ist eine Volks­abstimmung über Ceta. – Was ist jetzt? (Abg. Leichtfried: Nix! Nix! Umgefallen sind sie!) Was ist jetzt?

Und jetzt kommen wir zum Plakat. Wenn die FPÖ sich nicht durchsetzt und ihr eigenes Plakat befolgt (besagte Tafel in die Höhe haltend), wenn also das Plakat der FPÖ vom Umfallen bedroht ist, dann müssen wir wenigstens das Plakat retten, wenn schon die FPÖ nicht mehr zu retten ist.

Also gehen wir es einmal durch. Da steht: „FPÖ – Die Soziale Heimatpartei – Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt“. Gehen wir es Zeile für Zeile durch: „Weil es um Österreich geht:“ stimmt ja nicht mehr! Jetzt müssen wir „Österreich“, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, leider durchstreichen. Schreiben wir her: Konzerne. (Der Red­ner streicht „Österreich“ durch und schreibt „Konzerne“ darüber.) Also: „Weil es um Konzerne geht:“, jetzt sind wir der Wahrheit schon näher. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)Weil es um Konzerne geht:“, das ist jetzt freiheitliche Politik.

Darunter steht: „Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP“. Das wollen die ja nicht, und das will die FPÖ auch nicht. Das können wir einfach lösen: Wir schreiben „Keine“ dazu, weil das die Konzerne wollen. Das wollen zwar die Leute in Österreich nicht, aber das wollen die Konzerne. (Der Redner ergänzt den Satz um das Wort „Keine“.) Jetzt sind wir schon knapp an einer Lösung: „FPÖ – Die Soziale Hei­matpartei – Weil es um Konzerne geht: Keine Verbindliche Volksabstim­mung zu Ceta und TTIP“.

Aber was heißt das „Jetzt“? – Da könnten wir jetzt herschreiben: „Jetzt umfal­len(Heiterkeit bei der SPÖ) mit einem Rufzeichen, damit es ganz geschwind geht. (Der Redner schreibt nach „Jetzt“ das Wort „umfallen!“ dazu.) Ich glaube, jetzt haben wir es: „Weil es um Konzerne geht: Keine Verbindliche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt umfallen!(Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kuntzl: Das „Soziale“ ist noch falsch!) Und weil das der Realität entspricht, können wir den H.-C. Strache völlig unverändert drauflassen.

Wir müssen noch ein bisschen etwas ändern bei „FPÖ – Die Soziale Heimat­partei“, denn das stimmt auch nicht mehr. Da machen wir draus: „Die Umfal­lerpartei“. (Der Redner streicht „Soziale Heimatpartei“ durch und schreibt „Umfal­lerpartei“ darüber. – Abg. Schimanek: Was ist jetzt mit der Würde des Hauses? – Abg. Belakowitsch: Das ist die Würde des Hauses!) So, ich glaube, jetzt haben wir es: „FPÖ – Die Umfallerpartei – Weil es um Konzerne geht: Keine Verbind­liche Volksabstimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt umfallen!“. – Jetzt umgefallen!, muss es eigentlich heißen.

Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Nicht das Plakat ist das Lächerliche an der Situation (Abg. Belakowitsch: Nein, Sie sind das Lächerliche!), sondern die Art und Weise, wie Sie damit umgehen. Sie könnten doch einfach hier herausgehen und sagen, wir haben unser Versprechen gebrochen, weil es die ÖVP von uns verlangt hat. Das ist die Wahrheit. Sie könnten doch einfach sagen, ja, wir wollten unbedingt in diese Regierung, und die Schwarzen oder Türkisen haben gesagt, dann müsst ihr aber Ceta unterschreiben und umfallen. Und damit wir hineinkommen, sind wir halt umgefallen, denn lieber unter der Tür durch als gar nicht in die Regierung. (Abg. Zanger: Sie sind so gut! Sie sind überqualifiziert für dieses Parlament!)


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Das ist die Wahrheit! Ist es so schlimm, die Wahrheit zu sagen? Und wenn Sie dann die Wahrheit gesagt haben, ja, liebe Wählerinnen und Wähler, wir haben euch getäuscht, wir haben euch im Stich gelassen, wir haben euch die Unwahrheit gesagt, dann könnten Sie sich noch bei ihnen entschuldigen – das wäre ein Anfang. (Abg. Haider: Ja, da können Sie gleich üben! Üben Sie schon? Üben Sie schon?)

So, wir haben das Plakat in Ordnung gebracht. Dazu sind wir von der Liste Pilz imstande. (Abg. Haider: Ja, genau, wir wissen, wozu der Pilz imstande ist! Das wissen die Damen in Ihrer eigenen Fraktion ganz genau! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die FPÖ können und wollen wir nicht in Ordnung bringen. Da ist nach Ceta leider oder zum Glück nichts mehr zu retten. – Danke schön. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Neubauer: Das ist erbärmlich!)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte.


12.08.43

Abgeordnete Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wer von Ihnen hätte gedacht, dass China zum großen Globalisierungsgestalter werden könnte? Xi Jinping hat letztes Jahr beim Weltwirtschaftsforum in Davos für die Fortsetzung der wirtschaftlichen Globalisierung geworben und vor protektionistischen Ansätzen gewarnt, weil das zu Krieg und Armut führt.

Und was haben wir auf der anderen Seite des Ozeans? – Dort droht die Nafta zusam­menzubrechen. Trump ist aus dem transpazifischen Pakt ausgestiegen, und nun führt er Zölle ein. Damit gefährdet er übrigens 150 000 Arbeitsplätze; ich weiß nicht, ob er damit „America great again“ macht.

Und Europa? – Wenn wir nicht aufpassen, verlieren auch wir eine wichtige Rolle im Freihandel, und dann bleibt als einziger wirklicher Player nur noch China übrig. – Schwierige Zeiten für den Freihandel.

Dabei sollten wir uns bewusst machen, was der Freihandel eigentlich bewirkt hat. Er hat in den vergangenen 30 Jahren eine Milliarde Menschen aus der Armut befreit, und das ist mehr als alle Gewerkschaften, Kirchen und Parteien zusammen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und Österreich? – Unser Land hat ganz besonders vom Freihandel profitiert, von der Ostöffnung, dem Beitritt zur Europäischen Union, der Osterweiterung und dem Beitritt zum Euro. Dadurch wurden 480 000 Arbeitsplätze geschaffen. Und wir wissen, wir haben eine Arbeitslosigkeit von rund 360 000 Menschen.

Österreich ist ein Exportland. Wir haben das heute schon öfters gehört, aber man kann es nicht oft genug betonen: Wir verdienen 6 von 10 Euro im Ausland. Und auch durch Ceta haben wir bisher schon profitiert. Das Abkommen ist seit knapp neun Monaten in Kraft, und die Exporte nach Kanada sind um 25 Prozent gestiegen. Die Exporterfolgs­geschichte geht also weiter, und das ist gut so.

Am 27. April 2009 hat der Rat der Europäischen Union die Europäische Kommission ermächtigt, Ceta zu verhandeln. Siebeneinhalb Jahre später wurde es unterzeichnet, unter dem damaligen Bundeskanzler Kern – leider ist er jetzt nicht anwesend. Und seien wir einmal ehrlich: Würde Ceta jetzt nicht ratifiziert werden, wir würden uns doch lächerlich machen. Wir haben uns mit Kanada darauf verständigt, den Vertrag zu unterzeichnen und ihn natürlich auch zu ratifizieren. Und da sprechen Sie, Herr Kollege – Herr Kollege Leichtfried ist leider auch gerade nicht im Saal –, spricht er also


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von Verrat. (Abg. Greiner – in Richtung Liste Pilz weisend –: Stimmt nicht, der steht da oben!) – Ah so, Entschuldigung! Er steht dort oben. Grüß Gott! Herr Kollege Leichtfried spricht von Verrat. Ich sage Ihnen: Wer A sagt, muss auch B sagen. Rechtssicherheit war der Europäischen Union und Österreich immer ein wichtiger Wert. Und ich denke, die Kanadier können das jetzt auch von uns einfordern. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Gerade nach dem letzten Wochenende, nach dem Spektakel beim G-7-Treffen wissen wir, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit mit Kanada ist.

Jetzt zu dieser leidigen Diskussion um die Investitionsgerichtsbarkeit. Sie alle wissen, dass wir schon 60 Schiedsgerichtsabkommen haben. Und diese bösen Großkonzerne könnten über jedes dieser einzelnen Länder, wenn sie dort eine Zweigstelle haben, klagen. Das wissen Sie. Die jetzige Regelung ist transparenter, fairer und enthält eine Berufungsmöglichkeit.

Herr Kollege Rossmann hat vorher von den Richtern, die nicht unabhängig sind, ge­sprochen. Mein juristisches Verständnis, so wie ich es damals gelernt habe, ist ein anderes. Hören Sie also bitte endlich mit diesen Schreckgespenstern auf! Sie gefähr­den damit nicht nur das Abkommen, sondern auch den zukünftigen Freihandel. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Heute, nach 3 333 Tagen, ratifizieren wir also das Abkommen – eine schwere Geburt. Aber es ist ähnlich wie bei einer Geburt: Sie ist schmerzhaft, sie ist lang, manchmal glaubt man, man gibt auf, und am Ende ist man froh, wenn es endlich so weit ist. Freuen wir uns über den heutigen Tag! Die Wirtschaft und damit auch unser Sozial­staat werden den Ratifizierungsgeburtstag, den 13. Juni, in Zukunft bestimmt feiern. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.12


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger ist der nächste Redner. – Bitte.


12.13.08

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Kollege Pilz, wenn Sie hier in diesem Haus von ordentlich und sauber sprechen, dann hat das, glaube ich, einen ganz besonderen Beigeschmack. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Und wenn Sie der Freiheitlichen Partei vorwerfen wollen, dass sie umgefallen ist, dann schauen wir einmal nach den nächsten Wahlen, ob dann nicht die Partei der Pilze völlig auf dem Bauch liegt.

Zur Souveränität Österreichs im Zusammenhang mit Ceta: 85 Prozent der Gesetz­gebung haben wir bereits nach Brüssel transferiert. Ich erinnere nur an die Gur­kenkrümmung, die Pommes-Frites-Bräunung oder – was in letzter Zeit sehr bestim­mend und für mich völlig unverständlich ist, weil einfach nicht durchführbar – an die Datenschutz-Grundverordnung. Das heißt im Klartext: Wir haben sehr viel von der Gesetzgebung nach Brüssel transferiert und haben 2009 durch Faymann den Auftrag an die Europäische Kommission gegeben, dieses Handelsabkommen Ceta für Europa auszuverhandeln.

In allen Gesprächen, die ich damals geführt habe und die ich bis heute geführt habe, ist eines immer wieder zutage gekommen: dass diese Verhandlungen zu Ceta völlig intransparent waren und es wesentlich mehr an Information für alle Bürger und Bürgerinnen gebraucht hätte.

Der Auftrag, Ceta auszuverhandeln, ist, wie gesagt, im Jahr 2009 ergangen. 2011 wur­den dann diese Schiedsgerichte – ich werde darauf noch zurückkommen – in diesen


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Verhandlungsauftrag implementiert. Sie vonseiten der Opposition sprechen pausenlos die FPÖ darauf an, dass wir eine Volksabstimmung zu Ceta gefordert haben. Ja, das stimmt, das haben wir. Ich brauche jetzt nicht weiter darauf einzugehen, inwieweit eine Möglichkeit zur Volksabstimmung für die Freiheitliche Partei gegeben gewesen wäre und welche Folgen daraus resultiert hätten, nämlich keine Volksabstimmung und keine schwarz-blaue Regierung mit all den Erfolgen, die hier nachzuweisen sind.

Die SPÖ tut jetzt so, als ob sie bei diesen Ceta-Kernsachen nie dabei gewesen wäre. Mir kommt das vor wie eine Kindesweglegung höchsten Grades, weil man jetzt auf einmal alles anders haben möchte und sich für nichts verantwortlich zeigt, was man selbst ausverhandelt hat. Es ist schon ganz wesentlich, zu betonen, dass es zwischen hochentwickelten Staaten oder Staatenverbänden auch notwendig ist, entsprechende Handelsreglements abzuschließen. Die Schiedsgerichte, die im Laufe der Verhand­lungen entstanden sind und die so heftig kritisiert wurden, haben sicherlich auch eine wesentliche Berechtigung, weil so an neutraler Stelle, wie es jetzt möglich ist, ent­schieden wird, wer recht bekommt. Ein Punkt ist hier meiner Meinung ganz wichtig, etwas, das früher nicht der Fall gewesen wäre: Wenn eine Partei jetzt recht bekommt, dann hat sie auch das Recht, die Kosten in diesem Verfahren erstattet zu bekommen. Das ist ganz wichtig, weil es sonst nämlich so gewesen wäre, dass sich nur jene durchsetzen, die das meiste Geld haben.

Die Daseinsvorsorge wurde schon angesprochen. Ich glaube, dass wir hier sehr gut verhandelt haben und dass alle unsere Standards in Sachen Gesundheit, Umwelt­schutz und Arbeitsrecht auch in Zukunft eingehalten werden.

Zum Gutachten, das von Belgien initiiert wurde: Die meisten namhaften Experten sagen, dass nicht zu erwarten ist, dass der EuGH dieses Ceta-Verhandlungsergebnis kippen wird – und wenn doch, dann wird es diesbezüglich Nachverhandlungen geben.

Abschließend ein Hinweis an jene, die jetzt so polemisch hier gegen dieses Ver­handlungsergebnis wettern: Es wäre oft besser und intelligenter gewesen, nichts zu sagen, als das, was gesagt wurde.

Im Übrigen, an Pilz, Rossmann und Leichtfried gerichtet: Der Souverän wird das nächste Mal entscheiden, wo die FPÖ stehen wird, und niemand anderer! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte.


12.18.21

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über das Handelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada. Ich bin zweifellos der Meinung, dass es da auch ein wenig um den Platz der öster­reichischen Volkswirtschaft, der österreichischen Politik in der Welt geht. Es war heute schon die Leistungsbilanz der österreichischen Bundesregierung Thema. Ein Bereich, nämlich die Außenpolitik, wurde noch nicht erwähnt, und ich möchte schon festhalten, dass Bundeskanzler Kurz, Minister Blümel und Ministerin Kneissl hervorragende Arbeit leisten – hervorragende Arbeit! – und unserem Land eine starke Stimme in der Welt verleihen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir reden mit Russland, wir reden mit China, wir reden mit Israel. Es ist gut, zu sehen, dass jetzt die Verhandlungen mit Kanada dem Ende zugehen und diese Verträge ratifiziert werden. Kanada: 37 Millionen Menschen – die Europäische Union: 300 Mil­lionen Menschen. Wir haben in diesem internationalen Vertragswerk die europäischen


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Standards abgesichert. Das ist auch ein Best-Practice-Beispiel insofern, als die Ver­handlungen rund um den Brexit immer noch mit vielen Fragezeichen versehen sind und wir nur hoffen können, dass die Qualität der Zusammenarbeit mit Großbritannien ähnlich gut wie mit Kanada sein wird.

Ein Fakten- und Mythencheck in aller Kürze: Den Mythos Genlachs können wir mit bestem Wissen und Gewissen entkräften. Es wird keinen Genlachs in Europa geben, da die europäischen Regularien darauf achten werden, dass die Dinge, die wir nicht wollen, nicht auf unsere Märkte kommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein Fakten- und Mythencheck rund um die Investitionsgerichtsbarkeit: Diese unab­hängige Institution wird über die Fakten Enteignung, Diskriminierung und Willkür entscheiden, also auch dort eine positive Entwicklung.

Ich darf die besondere Stellung der Landwirtschaft in diesem Vertragswerk hervor­heben, es wurden sensible Bereiche mit Kontingenten versehen. Das ist eine wichtige Errungenschaft in diesem Vertrag. Ich darf auch sagen, dass wir dieses Beispiel für die Verhandlungen nützen müssen, wenn es um Mercosur und die Zusammenarbeit mit den Staaten Südamerikas geht.

Ich möchte aber noch ganz kurz, da wir heute auch einige historische Dinge diskutiert haben, ins Jahr 1994 gehen, in die Zeit, als die Grüne Partei gegen den EU-Beitritt kam­pagnisiert hat. Ihr Slogan dazumal war – ich glaube, Pilz und Rossmann, heute würde sich wahrscheinlich auch Kai Jan Krainer in diese Reihe einfügen –: „Wir haben den Vertrag gelesen!“ – Mittlerweile sind jene aus dieser Szene glühende Europäer geworden.

Ich möchte auch in die letzten Reihen schauen und fragen, was denn mit dem inter­nationalen Engagement dieser glühenden Europäer ist, und aus dem historischen Kontext schließen: Man kann sich auch täuschen und man sollte aus der Geschichte lernen.

In diesem Sinne: Die ersten Zwischenbilanzen in der realen Wirtschaft und auch in der Landwirtschaft sind positiv. Wir werden die Chancen nützen, wir werden aber auch die Entwicklung dieses Abkommens mit kritischen Augen betrachten, denn in der Dynamik des Wirtschaftens und in der Politik ist nichts in Stein gemeißelt. – Danke schön und alles Gute! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.22


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Dr. Walter Rosenkranz ist der nächste Redner. – Bitte.


12.22.28

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! In einem vorangegangenen Debattenbeitrag hat Herr Kucher von der SPÖ ge­meint, dass im Zuge einer Ceta-Debatte der Vizekanzler H.-C. Strache auf der Regie­rungsbank wie ein Häuflein Elend gesessen sei.

Ich kann das tatsächlich berichtigen: Er hat sich einer Diskussion und Debatte gestellt und hat ganz klar argumentiert. (Zwischenruf des Abg. Kucher.) – Herr Kucher, dass Sie das vielleicht anders wahrgenommen haben, mag daran liegen, dass Sie und Ihre Partei von der Regierungsbank weiter entfernt sitzen und immer weiter entfernt davon sitzen werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In dieser Republik hat es, auch was Ceta betrifft, eine Richtungsentscheidung gege­ben, die wir auch demokratisch respektieren – was beim Herrn Rossmann aber viel­leicht noch nicht so ganz angekommen ist –, das war die Bundespräsidentenwahl.


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Hätte es einen Bundespräsidenten Norbert Hofer gegeben, sähen unter Umständen auch die heutigen Beschlussfassungen anders aus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Herr Rossmann hat sich aber für etwas anderes entschieden (Heiterkeit des Abg. Rossmann), und das ist auch zur Kenntnis zu nehmen – so wie wir als Demokraten das zur Kennt­nis nehmen.

Was jetzt die Frage dieser Volksabstimmung betrifft - - (Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln mit den Aufschriften „Ceta“, „Volksabstimmung“ und „Jetzt“ in die Höhe.) – Was haben Sie da? Danke. Frau Präsidentin, Sie können die Aktion wieder beenden. Die Taferln haben jetzt alle gesehen. (Abg. Kuntzl: Sie wollten was sagen!)


Präsidentin Doris Bures: Sie sind am Wort.


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Frau Präsidentin, es war an sich immer Usus, dass nach einer gewissen Zeit die Präsidenten aufgefordert haben, die Taferln runterzugeben. Frau Präsidentin, wir werden uns schon noch in der Präsidiale über Ihre Vorsitzführung zu unterhalten haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Klubobmann Rosenkranz, Sie wissen, dass ich bereits aufgrund der Debatte am Montag und heute abermals darauf hingewiesen habe, dass ich das sehr unterstütze, dass wir uns in der Präsidialkonferenz darüber unterhalten. Daher schließe ich mich Ihrem Vorschlag gerne an. – Bitte. (Abg. Hammer: Da soll die Vorsitzführung etwas beitragen! – Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (fortsetzend): Die Frage der Volksabstimmung: Ja, die FPÖ wollte eine Volksabstimmung haben. Und wie Sie es richtig aufgezeigt haben, war es eine Frage im Zuge der Regierungsverhandlungen. Wir standen tat­sächlich vor der Wahl, in diese Regierung zu gehen – nicht so wie Herr Pilz das gemeint hat, wir sind aufrecht und partnerschaftlich in diese Regierung mithinein­gegan­gen. Wie Herr Pilz ins Parlament wieder hereingerückt ist – na ja, da sollte er vor seiner eigenen Haustür kehren, wie er das angelegt hat.

Wir hatten die Wahl: Gibt es freiheitliche Regierungsverantwortung zum Wohle der Österreicherinnen und Österreicher oder weiterhin eine Regierung mit der SPÖ? – Dazu muss ich Ihnen eines sagen – es wurden von der SPÖ Worte wie „Welt­untergangsstimmung“ und so weiter erwähnt –: Als Österreicher wäre man fast gut beraten, nach Kanada auszuwandern, wenn die SPÖ noch einmal in einer Regierung vertreten wäre, wenn ich mir ihre Lichtgestalten an Ministerinnen und Ministern der letzten Perioden vor Augen führe. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Spricht die SPÖ dann aber auch noch davon, dass die FPÖ umgefallen sei, dann ist die Frage des Standortes immer eine interessante. Liegt jemand so wie Sie am Rücken und muss eigentlich nur zur Kenntnis nehmen, wie der blaue Himmel über Österreich scheint, dann werden Sie wahrscheinlich gar nicht ermessen oder beurteilen können, was das ist. In diesem Zusammenhang gibt es leider Gottes nicht nur den blauen Himmel, es gibt auch Unwetterwolken. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

An dieser Stelle einen herzlichen Dank vor allem den Feuerwehrleuten, speziell im Bezirk Neunkirchen, die für die Bevölkerung angesichts der Unwetter wieder Groß­artiges geleistet haben. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Noll.)

Es ist richtig, wie Kollege Hoyos gemeint hat, dass es nicht sehr viele Giftzähne ge­geben hat, aber es hat einige gegeben, und das sind dafür die wesentlichen. Es ist die Frage der Schiedsgerichte: Es sind völkerrechtliche Schiedsgerichte, die von der EU und von Kanada beschickt werden – es werden Richterpersonen sein, die hauptamtlich


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angestellt sind –, mit einem entsprechenden Instanzenzug. Das ist etwas anderes als das private Schiedsgericht.

Ich kann Sie beruhigen, da Sie gesagt haben, man hofft, bis zur Wahl etwas zu vergessen – Sie können einiges dazu tun, dass bei der Wahl nichts vergessen wird, da brauchen Sie ja nur wieder den Herrn Silberstein zu holen, das wird durchaus ge­lingen –: Nein, wir werden die Menschen vor der Wahl fragen, ob das, was die Frei­heitlichen und die ÖVP getan haben, gut oder nicht gut war. Ich kann jetzt schon sagen, die große Mehrheit der Bevölkerung wird sagen, es war gut, insbesondere da sehr viele Menschen in diesem Land bemerken werden, dass sie nicht von irgend­welchen Investoren vor ein privates Schiedsgericht aus Kanada vorgeladen worden sind oder nicht, sondern es ist ein völkerrechtlich anerkanntes Schiedsgericht, das sich auch an die verbindliche Auslegung wird halten müssen; anders wird es nicht funk­tionieren.

Jetzt kommen wir zur Frage des Antrages, den die Sozialdemokratie freundlicherweise gestellt hat. Ich habe ihn gelesen, Klubobmann Schieder hat gemeint, die FPÖ bekom­me da eine Chance.

Kollege Schieder, das mit den Chancen seitens der SPÖ, das nehme ich Ihnen nicht ab. Sie sind es doch, die sagen, mit der FPÖ kann man nicht gemeinsam regieren. Sie haben doch den Beschluss der Ausgrenzung gefasst – das ist die Tatsache. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Ein besonders niederträchtiges Verhalten wurde von der SPÖ in Stockerau an den Tag gelegt. In der Stadt Stockerau sind die SPÖ und die FPÖ in einer Stadtregierung und wollten gemeinsam ein Sommerfest veranstalten. Das wurde von der Landes- und der Bundes-SPÖ untersagt. (Abg. Schieder: Warum keine Volksabstimmung? Das ver­stehe ich nicht! Warum keine Volksabstimmung?) Das sind Menschen, die sich tatsächlich für die Bürger einsetzen. Das ist Ihr Kalkül, das ist Ihre Haltung, ich lehne das ab! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir Abgeordnete bekommen neben verschiedenen Morddrohungen angesichts der Ceta-Abstimmung – darum kümmern sich aber normalerweise andere Instanzen – E-Mails. Es wurde zuerst von einer Dame am Rednerpult gesagt, man muss aufstehen – ich habe gesagt, es gibt auch eine Initiative, die „Aufstehn.at“ heißt, und von dieser Initiative haben die Abgeordneten sehr viele Mails bekommen. Mich hat gewundert, dass diese Menschen, die in Sorge um dieses Land sind, in den Mails dieselbe Rechtschreibschwäche zeigen, dass sie nämlich immer schreiben: Sehr geehrte Herr Klubobmann, und bei Hochachtungsvoll, – Beistrich – steht nirgends ein Name dabei.

Mich hat es nur insoweit verblüfft, denn wenn Sie jetzt sagen, das sind ernst zu neh­mende Ceta-Gegner, dann haben sich diese Menschen einen Bärendienst erwiesen – das wird man sich auch noch genau anschauen können –, denn wissen Sie, wer mir ein E-Mail an meine Adresse walter.rosenkranz@parlament.gv.at geschrieben hat, dass ich Ceta stoppen soll? Der Absender war die E-Mail-Adresse rosenkranz.law@gmail.com, meine berufliche Adresse.

Das heißt, und das kann ich Ihnen wirklich sagen, da ich nicht an Schizophrenie oder Sonstigem leide: Jemand muss sich meiner Daten bemächtigt haben. Die Ceta-Gegner, und das kann ich mit diesem Mail beweisen (ein Schriftstück in die Höhe haltend), sind Datenklauer.  – Sage mir, mit wem du dich umgibst, und ich sage dir, wer du bist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Karl Nehammer zu Wort. – Bitte.



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12.30.45

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Wir haben heute zum Thema Frei­handelsabkommen mit Kanada sehr viel gehört, und wir haben gesehen, dass da so richtig in die Werkzeugkiste der Polemik gegriffen wurde. Der rote Vorschlaghammer und auch der Vorschlaghammer der Liste Pilz wurden ausgepackt und es wurde so richtig fest auf die Argumente der Regierung eingedroschen. (Abg. Jarolim: Das ist aber schon übertrieben! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte aber schon auch differenzieren: Es gibt Angst, die aus Wut, aus Un­sicherheit entsteht. Diese Unsicherheit und diese Wut hat man heute in den Reihen der Opposition gesehen, und die Glaubwürdigkeit der Liste Pilz im Vorbringen ihrer Argu­mente – das müssen sich die Betroffenen ohnehin mit sich selbst ausmachen.

Angst und Wut sind das eine, die Sorgen der Menschen sind das andere. Diese hat diese Regierung sehr ernst genommen. Ich finde es sehr erstaunlich – auch Ihr Bun­desparteiobmann der SPÖ, damals noch Kanzler, hat das sehr ernst genommen und auch mitverhandelt, gerade dieses Freihandelsabkommen –, all das ist jetzt nichts mehr wert.

Ich habe unlängst einen interessanten Bericht gesehen, in dem ein Alpinist einen mir in Erinnerung gebliebenen Satz gesagt hat: Aus Angst kann auch Mut erwachsen. – Was kann jetzt der Mut bei dem Freihandelsabkommen mit Kanada sein? Zum Beispiel, dass jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich vom Export abhängig ist, dass wir 1 400 Un­ternehmen in Österreich haben, die mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen, die nach Kanada exportieren, dass wir jetzt schon in der Landwirtschaft einen Zuwachs der Exporte nach Kanada um 40 Prozent haben und dass wir allgemein in der Wirtschaft um 25 Prozent mehr nach Kanada exportieren.

Die Sorgen und Ängste der Menschen wurden wahrgenommen, das sieht man auch in der Ausrichtung der Schiedsgerichtsbarkeit – fünf Vertreter Kanadas, fünf Vertreter Euro­pas, fünf Vertreter von Drittstaaten. Das ist auch gelebte, internationale Rechtsstaat­lich­keit, und daraus kann auch viel Positives, Neues erwachsen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ und von der Liste Pilz! Geben Sie sich einen Ruck! Erkennen Sie, dass aus Angst, auch wenn sie aus Zorn entsteht, Mut erwachsen kann! (Abg. Jarolim: Bitte bei der Wahrheit bleiben!) Stimmen Sie für Arbeitsplätze in Österreich! Verweigern Sie nicht den Menschen, die von diesen Arbeitsplätzen abhängen, die Zukunftschance! Denken Sie an Österreich!

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich ein großes Danke an unseren Koalitionspartner, denn Sie (in Richtung SPÖ) waren heute zynisch hinsichtlich des Umgangs mit der Entscheidungsfindung in der FPÖ. Die FPÖ ist mutig im Vergleich zu Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Sie agieren ängstlich und ignorieren durch die Verweigerung der Zustimmung, durch falsche Argumentation, die schon mehrfach widerlegt worden ist, Ihre Verantwortung für die Arbeitsplätze in Österreich, für die Zukunft der Menschen in unserem Land.

In diesem Sinne fordere ich Sie frei nach unserer Bundeshymne auf: mutig in die neuen Zeiten! (Abg. Jarolim: Mutig in den freien Fall!) Nehmen Sie sich ein Beispiel an unserem Koalitionspartner, der Freiheitlichen Partei Österreichs! Diese Regierung denkt an die Arbeitsplätze, denkt an die Zukunft der Menschen. Legen Sie Ihre ideolo­gischen Scheuklappen ab! Denken Sie an Österreich: mutig in die neuen Zeiten – ich


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weiß, die zweite Zeile tut Ihnen am meisten weh –, frei und gläubig lasst uns schreiten! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.34


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Johann Gudenus. – Bitte. (Abg. Jarolim: Auf geht’s, mutig in den freien Fall! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


12.35.12

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Frau Präsidentin! Diesen sehr qualifizierten Zwischenruf des geschätzten Kollegen Jarolim nehme ich gerne auf. Das ist irgendwie das psychologische Phänomen der Projektion: „Mutig in den freien Fall!“ ist, glaube ich, der Leitsatz der SPÖ der letzten Monate und Jahre, den sie jeden Tag unter Beweis stellt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben heute viel über Giftzähne gesprochen – weniger, mehr, gezogen. Das ist natürlich Ansichtssache des Betrachters, keine Frage, ich glaube aber, die Zuseher vor den Bildschirmen konnten sich ein Bild davon machen. Man kann das noch einmal eindeutig zusammenfassen: SPÖ mit Giftzähnen für Ceta und ohne Giftzähne gegen Ceta. Das ist SPÖ. Gratulation! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das haben die Bürger verstanden. Die Bürger haben auch gesehen, dass Sie sich wie schlechte Verlierer verhalten, wie Taferlklassler, die mit Taferln herumhantieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) In Wirklichkeit stellen Sie nur zur Schau, dass Sie noch immer nicht Ihren Wahlverlust im Oktober überwunden haben. Auch das zeichnet die SPÖ bei der heutigen Sitzung aus, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf nach dem geschätzten Kollegen Nehammer sprechen, der ganz richtig von Mut, aber auch von Wut gesprochen hat. Man sieht ganz genau, wer von Mut getrieben und beseelt ist und wer von Wut – leider – besessen ist. Die Wut ist hier (in Richtung SPÖ zeigend) vorhanden – Ängstlichkeit, Wut, den Wahlverlust nicht vertragen oder verdauen können. (Abg. Vogl: Die Steigerungsform von Mut ist Übermut!) Herr Kern rotiert noch immer, weil er als sogenannter Oppositionsführer nicht in die Gänge kommt. Die SPÖ kommt einfach nicht in die Gänge, und da ist der SPÖ jedes Mittel recht.

Sie reden heute von Verrat. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Meine sehr geehrten Damen und Herren – Verrat! –, eine Partei, die in den letzten Tagen davon spricht, noch mehr Kompetenzen an Brüssel abzugeben, österreichische, eigenstaatliche Sou­veränität zugunsten von Brüssel aufzugeben, noch mehr nach Brüssel zu zahlen (Zwi­schenrufe bei der SPÖ) – das ist der wahre Verrat, meine sehr geehrten Damen und Herren, am Steuerzahler und am Wähler! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Führt man dieses Gedankenkonstrukt, dieses Bild weiter, dann ist das im Endeffekt die Aufgabe der eigenstaatlichen Souveränität Österreichs. Das nennt sich Verrat, Herr Kern! Das ist Verrat, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da spielen wir von der FPÖ und von der Bundesregierung sicher nicht mit! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Herr Kollege Pilz hat ja auch ganz schön für alle Zuseher unter Beweis und zur Schau gestellt, wer möglicherweise hinter den Plakatschmieragen der letzten Jahre, hinter beschmierten FPÖ-Plakaten bei jedem Wahlkampf steckt. Er hat es vor der Kamera zur Schau gestellt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Herr Pilz, ein Plakatbeschmierer! Er kommt hier bei jeder Rede heraus, spielt den großen Ober­moralisten und ist in Wirklichkeit nicht mehr ernst zu nehmen. Das sieht doch jeder


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Österreicher. Sie kommen hier heraus, schmeißen mit Dreck um sich, tun so, als wären Sie die moralische Instanz und sind in Wirklichkeit so was von unten durch. Es gibt überhaupt keinen Ausdruck dafür, Herr Pilz. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommen wir aber zur Sache, zur Genese und zur Begründung, warum wir heute mit gutem Gewissen für Ceta stimmen – mit gutem Gewissen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben im Oktober 2017 eine Wahl geschlagen. Es gab bei der Wahl zwei klare Gewinner, die FPÖ und die ÖVP. Die ÖVP mit über 30 Prozent, wir mit knapp 26 Prozent. (Abg. Kern: Da war was dazwischen, Herr Gudenus!) – Das kommt schon, keine Sorge! (Abg. Rosenkranz – in Richtung Abg. Kern –: Das ist so, da kommt was dazwischen zwischen zwei Mühlsteinen!) Die SPÖ ist nicht vom Stand gekommen, die SPÖ ist gleichgeblieben und hat nur davon profitiert, dass die Grünen sich ins Abseits gestellt haben, sonst hätte die SPÖ viel verloren. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Es gab zwei klare Wahlgewinner und einen ganz klaren Wählerauftrag. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sind im Sinne dieses Wählerauftrages in die Regierungsverhandlungen gegangen, um diesen Wählerauftrag umzusetzen, die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP.

In den Regierungsverhandlungen hat sich gezeigt, dass es da seitens der ÖVP einen sehr dringenden Wunsch gegeben hat. Wir hatten auch sehr dringende Wünsche. Es wurde unseren dringenden Wünschen da und dort stattgegeben, und umgekehrt war das ebenso der Fall. Regierungsverhandlungen sind ein Kompromiss – und dieser Kompromiss ist der beste Kompromiss, den Österreich je hatte: ein rot-weiß-rotes Regierungsprogramm! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Deswegen konnten wir dem mit gutem Gewissen zustimmen, denn wir standen partei­intern vor einer Wahl, einer auf den ersten Blick schwierigen Wahl, aber auf den zweiten Blick ganz klaren Wahl: weiter die SPÖ in der Regierung, weiter Belastung, weiter Armut, weiter offene Grenzen, weiter Verrat (Abg. Kern: Wahnsinn!), weiter Arbeitslosigkeit – oder eben eine FPÖ-Regierungsbeteiligung, wo wir wissen, das bedeutet sichere Grenzen, Grenzschutz, Entlastungen, Entlastung der Familien, eine EU-Politik mit Vernunft, Hausverstand und auch eine Außenpolitik, die von einem sehr, sehr rationalen Animo getragen ist. (Abg. Schieder: Der Animo, das ist es!) Das war die Entscheidung: eine weitere Regierungsbeteiligung der SPÖ, während der alles den Bach hinuntergeht – oder die beste Regierung, die Österreich je hatte, gebildet von der FPÖ gemeinsam mit der ÖVP. Eine ganz klare Entscheidung, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

SV-Reform: Wäre eine SV-Reform mit Ihnen möglich gewesen, Herr Schieder? Wäre mit Ihnen eine Mindestsicherungsreform möglich gewesen? Wäre es mit der SPÖ jemals möglich gewesen, die Menschen zu entlasten? Wir haben im ersten Halbjahr schon gezeigt, dass wir die Bezieher kleiner Einkommen entlasten, dass wir die Familien entlasten, dass wir die Gastronomen, die Hotelwirte entlasten. Wir zeigen jeden Tag, dass wir entlasten! – Das wäre mit Ihnen nicht möglich. Ihnen geht es nur darum, zu belasten, Steuern zu erhöhen, Arbeitslosigkeit zu fördern und Armut zu importieren. Das ist das Konzept der SPÖ. Das unterstützen wir sicherlich nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Deswegen war für uns die Entscheidung eindeutig: Wir verhandeln mit der ÖVP weiter. (Abg. Rossmann: Jetzt reden Sie einmal zur Sache!) Und das Ergebnis kann sich sehen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herr Scherak hat heute davon gesprochen, dass wir dauernd in Superlativen vom Regierungsprogramm und von unseren Umsetzungen und Entscheidungen reden. Das muss gar nicht sein, denn ich könnte einerseits sagen, wir haben das beste Regierungsprogramm und die beste Regierung, ich kann es andererseits aber auch im Komparativ formulieren, indem ich sage, wir haben die bessere Regierung im Vergleich zu dem, was vorher war. (Abg.


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Kassegger: Das können wir ganz sicher sagen!) Und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

12.42


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Zanger – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Wittmann –: Peter, spar deine Kräfte!)


12.42.52

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Ich werde auf die Rede meines Vorredners nicht ein­gehen, denn ich würde die Würde des Hauses verletzen, wenn ich auf diese Rede ein­ginge. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

Schlimm ist nur, wenn Mut zu Übermut wird – und das ist bei den Freiheitlichen der Fall. „Übermut tut selten gut“, heißt es in einem Sprichwort, und das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben, denn: Sie haben die Wähler verraten! Sie haben behauptet, es gibt eine Volksabstimmung zu Ceta! Sie haben behauptet: Ceta ohne uns! Sie haben für sechs Minister alle Ihre Wähler verraten! (Abg. Gudenus: Das sind Ihre Kategorien!) Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Das ist so, wie Sie denken: Sie denken nur in Posten, nicht in Inhalten!)

Ich frage mich, ob diese sechs Minister das wert waren. (Abg. Gudenus: Das sind Ihre Kategorien! – Ruf bei der FPÖ: Wie der Schelm denkt, so ist er!) Sie brauchen keine Angst vor der Debatte hier zu haben, Sie müssen Angst haben vor Ihren eigenen Wählern, und Sie werden die Rechnung kriegen, nicht wir.

Jetzt zum Thema. – Eine Richtigstellung: Frau Bundesminister! Lernen Sie, Verträge zu lesen! Heute beschließen wir die Schiedsgerichtsbarkeit – heute beschließen wir das Schiedsgericht! –, denn die steht in diesem Vertrag drinnen. Die steht drinnen – und nicht das, was Sie gerne hätten. Sie haben irgendetwas erzählt, wie die ÖVP das immer macht, irgendwelche Unwahrheiten. (Hallo-Rufe und Widerspruch bei der ÖVP.) Das sind Absichtserklärungen! Da gibt es keinen Gerichtshof – der wird verhandelt, es kann vielleicht sein, dass es einen geben wird, aber beschließen tun wir heute eine Schiedsgerichtsbarkeit. Und diese Schiedsgerichtsbarkeit ist das Tor, das weltweit geöffnet wird dafür, dass sich Konzerne ihre Gerichte aussuchen können. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Das ist doch ein Wahnsinn, wenn man das hier beschließt! Und wenn man das in einem Abkommen drinnen hat, dann hat man es in allen anderen Abkommen auch. Das heißt, die Konzerne stellen sich außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit. Ich halte das für einen Wahnsinn, weil unsere Gerichte mindestens genauso gut sind wie jedes Schiedsgericht dieser Welt.

Ich halte es für einen Wahnsinn, wenn man in diesen Gerichten Sonderklagsrechte gegen Staaten einräumt. Was heißt das? – Vattenfall ist ein berühmter Fall: Vattenfall hat in Deutschland in Atomkraft investiert. Deutschland sagt, wir steigen aus der Atom­kraft aus. (Ruf bei den NEOS: Vattenfall ist ein Staatsbetrieb!) Jetzt muss Vattenfall direkt an die deutschen Gerichte gehen. Ist das schlecht, dass sie an die staatlichen Gerichte gehen müssen? Nachher gehen sie zu den Schiedsgerichten, die außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit sind. Das ist doch kein Weg, den wir gehen wollen! Da schaffen wir uns doch als Politiker selbst ab, weil wir ja die Regeln für diese Gerichte beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir beschließen diese Regeln, wir beschließen die Gesetze, nach denen die Gerichte zu arbeiten haben. Dann aber können wir keine Regeln mehr beschließen, weil sie außerhalb unserer Gerichtsbarkeit sind. Die Konzerne können sich sogar das Recht


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aussuchen, nach dem sie behandelt werden wollen. Das ist eine weltweite Ent­wick­lung, die ausschließlich den Konzernen und nicht der Bevölkerung dient. Deswegen ist der Umfaller der FPÖ umso verwerflicher, weil sie damit die Bevölkerung im Stich lässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine kleine Nachhilfe noch, Frau Bundesminister, im Verfassungsrecht: Der Abge­ordnete Rossmann ist Abgeordneter, und das heißt, er ist Teil der Legislative. Wir haben in Österreich die Trennung der Staatsgewalten in Jurisdiktion, Exekutive und Legislative. (Ruf bei der FPÖ: Und Medien!) Sie sind Teil der Exekutive, er ist Teil der Legislative. Er vertritt 25 000 Personen, Sie niemanden, denn Sie sind nicht gewählt. Sie haben nicht das Recht, zu behaupten, dass er, wenn er keine Verantwortung trägt, hier nicht mitreden darf. Es gebührt einem Minister, der Teil der Exekutive ist, nicht, den Abgeordneten, der frei gewählt ist, hier zu maßregeln. Das sei Ihnen ins Stamm­buch geschrieben! (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Zum Schluss noch einmal: Umfallen wird die Bevölkerung bewerten. Nehmen Sie sich in Acht, die Leute lassen sich nicht für dumm verkaufen! Sechs Minister waren das nicht wert, was Sie heute machen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

12.47


Präsidentin Doris Bures: Ein zweites Mal zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Ruf: Jetzt entschuldigt er sich bei allen Frauen! – Abg. Höbart: ... ein Aufmerksamkeitsdefizit!)


12.47.42

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Abgeordneter Dr. Rosenkranz hat hier wörtlich erklärt: „Ceta-Gegner [...] sind Datenklauer.“ (Abg. Rosenkranz – einen Ausdruck eines E-Mails in die Höhe haltend –: Da hab ich einen!) 562 552 Menschen haben das Volksbegehren gegen Ceta, TTIP und Tisa unterschrieben. Ich vermute, dass sich darunter auch die Unterschriften von Rosenkranz, von Gudenus, von Strache und von vielen anderen finden. (Abg. Gudenus: Was Sie vermuten, ist relativ wurscht, Herr Pilz! – Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.) 562 552 Menschen und ihren Wunsch, dass es eine Volksabstimmung gibt, einfach zu ignorieren! (Abg. Rosenkranz – be­sagten Ausdruck neuerlich in die Höhe haltend –: Nein, nein, das sind Ihre Freunde!) Es geht um eine Volksabstimmung, um den Souverän – und das ist das erste Mal, dass ich erlebe, dass sich die Freiheitliche Partei vor dem Souverän fürchtet, dass sie dem Weg zum Souverän ausweicht. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie zu feig sind, sich einer Volksabstimmung zu stellen (Abg. Gudenus: Tun Sie Plakate beschmieren, das können Sie besser!), wenn Sie zu feig sind, sich dem Votum Ihrer Wählerinnen und Wähler zu stellen (Abg. Haider: Feig ist nur, wer sich einer Gerichtsverhandlung entzieht! – Abg. Gudenus: Justizflüchtling!), dann sollten Sie sich überlegen, ob Sie den Wählerinnen und Wählern nicht andere politische Konse­quen­zen schuldig wären.

Das ist der Mut der Freiheitlichen Partei! Das ist eine schwarze Stunde oder eine blaue Stunde für die direkte Demokratie. (Abg. Gudenus: Justizflüchtling! Am Tag davor noch Magen..., und dann eine PK machen?!) Wir werden alles versuchen, diese Wählerinnen und Wähler zu vertreten. Schämen Sie sich! (Beifall bei der Liste Pilz. – Ruf bei der FPÖ: Das ist eine Frechheit, was der aufführt! Feigling!)

12.49


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich nun noch Herr Klubobmann Dr. Walter Rosenkranz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klubobmann.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 81

12.49.35

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Abgeordneter Peter Pilz hat an diesem Rednerpult behauptet, ich hätte alle 525 000 Unterzeichner als Datenklauer bezeichnet. – Diese Bezeichnung ist unrichtig.

Ich habe aufgrund dieses Mails (wieder den Ausdruck des E-Mails in die Höhe hal­tend), das mich erreicht hat – von mir selbst an mich geschickt –, davon gesprochen, dass in den Reihen der Ceta-Gegner Datenklauer sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rossmann: ... eine Belehrung, was eine tatsächliche Berichtigung ist!)

12.49

12.49.50


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Wirt­schaft, Industrie und Energie, dem Abschluss des Staatsvertrages in 152 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Hierzu haben die Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen zwei Zu­satz­anträge eingebracht.

Ich werde zunächst über die Genehmigung des Staatsvertrages gemäß dem Aus­schuss­antrag und anschließend über die erwähnten Zusatzanträge abstimmen lassen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Indus­trie und Energie, dem Abschluss des Staatsvertrages 152 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (Ruf bei der SPÖ: Ein Riesenfehler!)

Wir kommen zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich eines Vorbehalts gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG.

Wer spricht sich für diesen Zusatzantrag aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich eines völkerrechtlichen Vorbe­halts.

Wer spricht sich für diesen völkerrechtlichen Vorbehalt aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Leichtfried, Mag. Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Volksabstimmung über CETA“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

12.52.352. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Re­gierungsvorlage (149 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (179 d.B.)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 82

Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zum 2. Punkt der Tagesordnung. (Unruhe im Saal. – Einige Abgeordnete erheben sich von ihren Sitzen und schicken sich an, den Saal zu verlassen.) – Meine Damen und Herren, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir sogleich wieder zu einer Abstimmung kommen, denn es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Mir liegt zu diesem Tagesordnungspunkt keine Wortmeldung vor. Damit wird in keine Debatte eingegangen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

12.53.10


Wir gelangen somit gleich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 149 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren des Hauses, die dem zustimmen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (Ruf bei der ÖVP: Na als­dann! Geht ja!)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte auch in dritter Lesung um ein Zeichen der Zustimmung. – Somit ist der Ge­setz­entwurf auch in dritter Lesung angenommen.

12.53.473. Punkt

Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den 41. Bericht der Volksan­walt­schaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2017) (III-86/181 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Volksanwalt Dr. Fichtenbauer, Frau Volksanwältin Dr. Brinek und Herrn Volksanwalt Dr. Kräuter in unserer Mitte und erteile als erster Rednerin Frau Abgeordneter Martina Diesner-Wais das Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.54.27

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Volksanwältin! Liebe Volksanwälte! Meine Damen und Herren im Plenum! Liebe Zuschauer! Der Bericht der Volksanwaltschaft kann sich wirklich sehen lassen, er ist eine eindrucksvolle Leistungsbilanz. Das Berichtsjahr 2017 ist sozusagen ein Jubiläum, denn es sind nunmehr 40 Jahre, seit es die Volksanwaltschaft gibt, die die staatliche Verwaltung prüft und uns jedes Jahr hier im Parlament einen Bericht abliefert, den wir diskutieren – 40 Jahre im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger, die zur Volks­anwalt­schaft einen kostenlosen und leichten Zugang haben.

Wir haben den Bericht der Volksanwaltschaft 2017 in zwei Ausschusssitzungen dis­kutiert, und der zweite Termin hat sich auch noch schwerpunktmäßig mit dem Son­derbericht über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen befasst. Wir tragen ja Verantwortung für alle Kinder, und daher sind wir dankbar für diesen wirklich guten Bericht. Wir schauen genau hin und versuchen auch, daraus zu lernen und Verbesserungen herbeizuführen, denn jeder einzelne Fall, der mit Gewaltbereitschaft behaftet ist, ist einer zu viel.

Die Bürgerinnen und Bürger sind mit der Arbeit der Volksanwaltschaft sehr zufrieden und haben großes Vertrauen. Das sieht man daran, dass sie die Volksanwaltschaft wirklich in Anspruch nehmen. Über die Jahrzehnte hat die Volksanwaltschaft auch viele


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neue, zusätzliche Aufgaben übernommen, so etwa seit dem Jahr 2012 die Aufgabe gemäß dem Opcat , bei der es um den Schutz und die Förderung der Menschenrechte geht, und seit 2017 auch die Einrichtung und Leitung der Rentenkommission für die Heimopfer. Das sind lauter wichtige Dinge.

Wie wir dem Bericht 2017 entnehmen können, sind 20 000 Menschen mit ihren Anlie­gen zur Volksanwaltschaft gekommen – das sind 82 Fälle pro Tag, die behandelt wurden. Die Volksanwaltschaft ist einfach und leicht zugänglich für alle, unkompliziert, und die Menschen können ihre Beschwerden an sie herantragen. Die Sprechtage werden gut in Anspruch genommen, und auch die Homepage wird ständig abgerufen.

Darum möchte ich mich bei den drei Volksanwälten für ihre Arbeit im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger besonders bedanken, dafür, dass sie unbürokratisch, unkompliziert, kompetent und sehr einfühlsam unseren Bürgern zur Verfügung stehen und Hilfe anbieten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schimanek.)

Nach 40 Jahren ist die Volksanwaltschaft schon zu einer Selbstverständlichkeit gewor­den, und das hohe Vertrauen und die Akzeptanz, die sie genießt, sind etwas sehr Schönes. Für die Arbeit, die dem zugrunde liegt, möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bedanken und Ihnen für die Zukunft und für die Bewältigung Ihrer Aufgaben wieder viel Erfolg und alles Gute wünschen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schimanek.)

12.57


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Mag.a Muna Duzdar ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.

12.58.07


Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschaue­rinnen auf der Galerie! Wir behandeln heute die Berichte der Volksanwaltschaft, und es gibt in unserem Land in der Tat Probleme, die seit Jahrzehnten aufgrund eines falsch verstandenen Föderalismus ungelöst sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus dem Bereich der Kinder- und Jugendwohlfahrt, mit dem sich auch die Volksanwaltschaft schon lange beschäftigt:

In Österreich ist nicht jedes Kind gleich viel wert, das sehen wir selbst an Beispielen der Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen in Heimen. Es gelten in Öster­reich in den verschiedenen Bundesländern nämlich unterschiedliche Qualitätskriterien, unterschiedliche Ausbildungsstandards für Betreuerinnen und Betreuer und sogar unterschiedliche Maximalgrößen für Gruppen. Das heißt, in einem Bundesland bedeutet eine Gruppe 16 Minderjährige, und in einem anderen Bundesland bedeutet eine Gruppe zum Beispiel acht Minderjährige. Das ist ungerecht und unfair. Und diese Ungerechtigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat auch sehr viel damit zu tun, dass wir in Österreich keine einheitlichen Regelungen haben, dass vieles nicht vom Bund geregelt wird. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Die Jugendfürsorge ist beispielsweise auch so eine Sache, die ist nämlich nur in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache. Seit Jahren versuchen wir, daran zu arbeiten, dass es einheitliche Standards gibt, weil uns das Kindeswohl wichtig ist. Ich denke, jeder, der sich damit beschäftigt, kann doch nur erkennen, dass wir Regelungen brauchen, die sicherstellen, dass jedes Kind gleich betreut wird, dass jedes Kind in Österreich gleich viel wert ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was macht die österreichische Bundesregie­rung? – Da ist viel die Rede von Verwaltungsreform, viel die Rede von Entwirrung von Kompetenzen, viel die Rede von Deregulierung, aber dann liegt mir plötzlich ein Minis-


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terialentwurf vor, der genau das Gegenteil bewirken soll, nämlich in der Jugend­fürsorge keine Vereinheitlichung, keine überschaubaren Regelungen, stattdessen noch mehr Zersplitterung, noch mehr Ungerechtigkeit. Ich sage Ihnen, warum: weil dieser Entwurf vorsieht, dass die Jugendfürsorge ausschließlich Ländersache werden soll. Das ist für mich in Wirklichkeit ein Skandal, wenn man bedenkt, dass wir seit Jahren daran arbeiten, einheitliche Standards zu erwirken. (Beifall bei der SPÖ.)

Erklären Sie mir daher bitte, wie diese neue Gesetzgebung auf diese Weise einen modernen Bundesstaat schaffen soll. Was ist daran modern, wenn die Ungleichheit zwischen Kindern in Fremdunterbringung in den unterschiedlichen Bundesländern noch stärker einzementiert wird? Was ist daran modern, wenn nicht jedes Kind gleich viel wert ist? – Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Bun­desregierung: Halten Sie sich doch bitte an die Empfehlungen der Volksanwaltschaft und setzen Sie die richtigen Schritte in Richtung mehr Gerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land! (Beifall bei der SPÖ.)

13.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


13.02.02

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Volksan­wälte! Liebe Zuschauer auf der Galerie! Hohes Haus! Die beiden Berichte betreffend die Kon­trolle der öffentlichen Verwaltung und die präventive Menschenrechtskontrolle sowie der Sonderbericht der Volksanwaltschaft über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen stehen heute zur Diskussion. Diese drei Berichte legen Zeugnis von der hervorragenden Arbeit der Volksanwaltschaft ab.

An dieser Stelle möchte ich mich namens meiner Fraktion und als Obfrau des Volks­anwaltschaftsausschusses recht herzlich bei den Volksanwälten und deren Mitarbei­tern bedanken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie der Abgeordneten Klaus-Uwe Feichtinger und Scherak.)

Meine Kollegin Diesner-Wais ist schon kurz auf die Beschwerdetätigkeit an die Volks­anwaltschaft eingegangen: 20 097 Beschwerden, 10 333 eingeleitete Prüfverfahren, davon betreffen 7 155 Fälle die Bundesverwaltung und 3 178 die Landes- und Gemein­deverwaltung. Das ist ein erhebliches Arbeitsaufkommen, und diesem Auftrag kommt die Volksanwaltschaft hervorragend nach.

Ich möchte in meiner Rede kurz auf zwei Bereiche eingehen: Ein ganz persönliches Anliegen ist mir das von Herrn Dr. Fichtenbauer im Ausschuss angesprochene Thema Haftpflichtversicherung für Katastrophenfälle. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Bereich, den wir ansprechen müssen, denn es gibt diesbezüglich eine reale Lücke im österreichischen Rechtsschutzsystem. Dieser müssen wir uns annehmen. Es geht darum, dass es zu einer weitgehenden Abdeckung der real eingetretenen Schäden, wie etwa im Hochwasserfall, kommen soll; das ist mehr als sinnvoll. Dafür könnte man sich Länder wie Belgien oder die Schweiz zum Vorbild nehmen, damit es zu einer Verbesserung für die Österreicher kommt.

An dieser Stelle möchte ich mich unserem Klubobmann anschließen und mich bei den Einsatzkräften im Land bedanken, die sich jetzt, in diesen Tagen und Wochen, her­vorragend für uns, für die Österreicherinnen und Österreicher eingesetzt haben und einsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie der Abgeordneten Klaus-Uwe Feichtinger und Greiner.)

Der zweite wichtige Bereich, den ich ansprechen möchte, ist das Thema Gewaltschutz. 20 Jahre Gewaltschutzgesetz hat die Volksanwaltschaft motiviert, Bilanz zu ziehen und


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auch als interdisziplinäres Anliegen in einer Vorlesungsreihe zu diskutieren. Und die Volksanwaltschaft kam da zur Erkenntnis, dass es bedauerlicherweise im gesamten Bereich der Gewalt kaum Forschung und Statistik gibt.

Ein Satz im Bericht hat mich besonders nachdenklich gemacht. Im Bericht steht: „Offenbar will es“ in Österreich „niemand genau wissen.“ – 60 000 Frauen machen jährlich in Österreich Erfahrungen mit sexueller Gewalt. Viele leben in einer Subkultur, in einem Klima ständiger körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, kann man im Bericht lesen. Insgesamt gibt es auch eine hohe Diskrepanz zwischen Prävalenz, Anzeigen und Verurteilungen. Ich glaube, auch da sind die Gerichte jetzt maßgeblich gefordert.

Meiner Ansicht nach ist es wirklich wichtig, ein Signal zu setzen, null Toleranz für Gewalt an Frauen zu zeigen, egal in welcher Form; auch wenn es um selbsternannte Pseudoaufdecker geht – die jetzt nicht einmal im Saal sitzen –, die vorab vollmundig verkünden, ein Vorbild für Männer sein zu wollen, ihr Mandat nicht annehmen und dann – ich kann es nicht anders sagen –, Frauen benutzen, um sich wieder in ihren Mandatsstand zu heben, um wieder politische Immunität zu haben. An dieser Stelle sage ich Ihnen, Herr Pilz: Sie sind eine Schande für dieses Parlament! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Hafenecker: Die Liste Funghi ist beim Mittagessen!)

13.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


ö13.06.44

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Ich möchte Ihnen zuerst, wie schon im Ausschuss, für Ihre Arbeit danken, auch Ihren Geschäftsbereichsleiterinnen und -leitern und Ihren Mitarbeitern, die ich in meiner Arbeit für die Volksanwaltschaft kennenlernen durfte.

Ich möchte über einen Wermutstropfen sprechen, den wir auch schon im Ausschuss für mich nicht befriedigend diskutiert haben und aus dem sich für mich eine Forderung ableitet. Die Volksanwaltschaft ist ja aufgrund der Verpflichtung Österreichs aus dem Zusatzprotokoll der Antifolterkonvention als Nationaler Präventionsmechanismus ein­gesetzt worden. In Österreich hat das aber einen massiven Schönheitsfehler: nämlich dass die oberste Hierarchie nicht unabhängig ist, nämlich nicht unabhängig bestellt wird, und daraus ein Zweifel an Unabhängigkeit herrscht.

Deswegen erlangte Österreich bei dem Akkreditierungskomitee nur B-Status, weil eben laut Verfassung automatisch die drei größten Parteien die Volksanwälte stellen. Herr Volksanwalt Kräuter wird vielleicht sagen, damit teilen wir uns den B-Status mit Schweden, und den haben wir lieber als den A-Status mit Afghanistan. – Es ist aber so, dass der Unterausschuss zur Verhütung von Folter der UNO  auch vorsieht, einen unabhängigen Bestellmodus zu implementieren.

Die Frage für mich ist nun, ob man das in der Arbeit der Volksanwaltschaft sieht. Wir haben im Ausschuss nur einen Aspekt diskutiert, auf den ich auch jetzt wieder zurück­kommen möchte.

Sehr geehrter Herr Volksanwalt Fichtenbauer, unsere Polizei leistet täglich großartige Arbeit. Es gibt wenige Fälle, bei denen es zu Misshandlungen kommt, das liegt ganz in der Natur der Sache. Für diese muss es im Sinne des Rechtsstaates ein effizientes Beschwerdeverfahren geben. Wir haben in Österreich das Problem, dass von allen Seiten, von der UNO, vom Europarat, von Experten, seit Jahrzehnten schon kritisiert wird, dass es in den ersten 24 Stunden ein nicht unabhängiges, aber schnelles Verfah-


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ren gibt und danach ein unabhängiges, aber nicht schnelles, denn in der ersten Phase ist die Polizei selbst zuständig, erst in der zweiten dann die Staatsanwaltschaft. Das heißt, es gibt zu keiner Zeit ein effizientes und schnelles Verfahren, wie vorgesehen.

Nun ist die Volksanwaltschaft für die Prävention von Folter zuständig. Artikel 3 der Menschenrechtskonvention sieht vor, dass, um Folter zu verhindern, die Polizei gut ausgebildet sein muss, der Einsatz gut geplant sein muss und es danach bei Be­schwerden auch ein effizientes Beschwerdeverfahren geben muss. Es hat sich nun das Komitee des Europarates für Folterprävention gefreut, dass die Volksanwaltschaft die Misshandlungsvorwürfe auf den Tisch bekommt. Aber warum bekommt sie diese? – Damit sie sich diese anschaut, und wenn es Probleme mit den Beschwer­deverfahren gibt, sich diesen widmet. Was ich vermisse, ist eine Empfehlung von Ihnen für eine Gesetzesänderung im Sinne der internationalen Kritik.

Was ich daraus für mich ableite, ist, dass solche Fälle auch immer wieder Anlass zur Kritik am Bestellmodus der Volksanwaltschaft geben und ich deswegen hier für NEOS ein Hearing fordern werde. Wir wissen, dass sich der Bestellmodus nicht ändern wird, wir möchten aber ein verpflichtendes und transparentes Hearing, in dem die Kan­didaten ihre Kompetenz, ihre Unabhängigkeit und ihr Interesse für dieses Thema beweisen müssen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.10


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Dönmez. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.10.25

Abgeordneter Efgani Dönmez, PMM (ÖVP): Hohes Präsidium! Sehr geehrte, geschätzte Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und zu Hause! Ich habe mir den Bericht genau angesehen und habe mich mit den Justizvollzugsanstalten beschäftigt. Auf über 60 Seiten hat die Volksanwalt­schaft viele Verbesserungsvorschläge und Anstöße für Änderungen, sei es baulicher Natur oder personeller Besetzung, angeregt. 2017 hat es in unseren 27 Justizanstalten und in den 13 Außenstellen 35 Besuche der Volksanwaltschaft gegeben. In den Poli­zei­anhaltezentren, im Anhaltezentrum in Vordernberg, im Kompetenzzentrum Eisen­stadt und in der Familienunterbringung Zinnergasse hat es insgesamt 21 Besuche ge­ge­ben.

Wir haben in Österreich – aktueller Stand – zurzeit 9 180 Häftlinge, davon sind 4 129 Österreicher, das entspricht 45 Prozent. Die Nichtösterreicher belaufen sich auf eine Zahl von 5 051 Inhaftierten, das entspricht einem Anteil von 55 Prozent. Wenn man sich die Nationalitäten ein bisschen genauer anschaut, so führen die serbischen Staatsangehörigen mit 719 Inhaftierten, dann kommen die Rumänen mit 474 Häft­lingen, aus Afghanistan sitzen 298 Häftlinge ein, aus der Türkei 242, aus der Slowakei und aus Russland 241, aus Nigeria 237 und so weiter.

Jetzt haben wir das Problem, dass in den Justizanstalten das Personal, das dort tätig ist, mit so vielen Aufgaben eingedeckt ist, dass es unmöglich ist, dort ordentlich Dienst zu verrichten. Die Beamtinnen und Beamten dort sind sehr bemüht, gute Arbeit zu leisten. Es ist kein Job, in dem Menschen weggesperrt werden und man die Tür auf- und zusperrt, ganz im Gegenteil, im Strafvollzug sind Menschen tätig, die einen großen Teil zum Erhalt unserer öffentlichen Sicherheit beitragen, denn diese inhaftierten Men­schen müssen resozialisiert werden, müssen wieder an die Gesellschaft herangeführt werden.


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Und da ist es schon komisch und sollte uns allen – wirklich allen! – zu denken geben, dass wir so viele ausländische Inhaftierte in österreichischen Gefängnissen haben und dass bei uns auch sehr viele aus europäischen Ländern inhaftiert sind, wie zum Beispiel aus Rumänien oder dem Beitrittskandidaten Serbien. Und wenn wir Leute in diese Herkunftsländer rücküberstellen möchten, sofern es überhaupt einmal so weit kommt, lautet dann die Antwort: Man kann das aus menschenrechtlichen Gründen nicht, weil dort die Voraussetzungen nicht erfüllt werden. – Das ist doch ein Treppen­witz!

Das heißt, wir müssen auch den Fokus darauf legen und Unterstützung geben, dass dort, bei der Verwaltung, bei der Justiz, aber auch im Justizvollzug das Niveau ange­hoben wird, damit wir viele in österreichischen Gefängnissen inhaftierte Ausländer wieder in ihre Herkunftsländer überführen können, damit eben unsere Justizwache­beamten entlastet werden und weiterhin einen wertvollen Dienst an unserer Gesell­schaft leisten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

In diesem Sinne ein Danke an unsere Justizwachebeamten: Wir alle wissen das zu schätzen, was Sie für unsere Sicherheit leisten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Schatz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


13.14.36

Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksan­wältin! Die Herren Volksanwälte! Sehr geehrte Damen und Herren! Gewalt gegen Frau­en ist alltäglich. Eine Maßnahme zum Schutz von Frauen, die aktiv von Gewalt betrof­fen sind, ist das Wegweiserecht, bei dem die Polizei ein Betretungsverbot ausspricht. Die Volksanwaltschaft hat im Berichtszeitraum 2017 zwei Gewaltverbrechen überprü­fen lassen, denen ein Betretungsverbot gegen den Gewalttäter vorausgegangen ist.

Beiden Fällen ist gemeinsam, dass die Sicherheitsbehörden wussten, dass es eine potenzielle Gefährdung der Opfer gab. Wir sehen da Schwachstellen, die sich im Opferschutz auftun, der oberste Priorität in diesen Fällen haben muss. Die Volks­an­waltschaft hat angemerkt, dass eine dringende Vernetzung von Polizei und Opfer­schutzeinrichtungen sowie Interventionsstellen dringend notwendig ist, vorbildhaft ist dabei das Wiener Marac-Bündnis zur Prävention von schwerer und wiederholter Gewalt.

Gewaltschutzzentren werden nach einem Betretungsverbot kontaktiert, um die Opfer bestmöglich zu betreuen. Was aber gänzlich fehlt, ist eine verpflichtende Täterarbeit. Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass rasch einsetzende Therapie­mög­lichkeiten für den Gewalttäter in den ersten 72 Stunden nach der Gewalttat dringend notwendig wären.

Männerberatungsstellen könnten diese Täterarbeit leisten, diese sind allerdings nicht im notwendigen Ausmaß vorhanden, schon gar nicht, um verpflichtende Täterarbeit durchführen zu können, und die vorhandenen Angebote konzentrieren sich auch nur auf die Ballungszentren.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein Blick auf die Zahlen: Im Jahr 1997 wurden öster­reichweit 1 449 Betretungsverbote ausgesprochen, 2016 waren es 8 637, das ist eine Versechsfachung und damit auch ein klarer Hinweis darauf, dass es dringenden Hand­lungsbedarf zum Opferschutz gibt.


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Wir haben in der vergangenen Sitzung beschlossen, hundert zusätzliche Betreuungs­stellen für von Gewalt betroffene Frauen einzurichten. Sehr geehrte Damen und Her­ren, ich fordere Sie auf, diese nicht erst 2022, also in der nächsten Gesetzgebungs­periode, umzusetzen, sondern sie rasch umzusetzen, im Sinne der von Gewalt betroffenen Frauen! (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich abschließend noch auf das Thema Sexismus zu sprechen kommen. In der Sondersitzung am Montag sind die Frauen aus Protest gegen Sexismus aus diesem Plenarsaal ausgezogen, und ich finde, das war eine gute Aktion. In derselben Sitzung ist eine junge Abgeordnete aber mit rassistischen und sexistischen Vorwürfen konfrontiert worden. Liebe Kolleginnen – mit kleinem i – von FPÖ und ÖVP: Wenn Ihr Protest ein echter Protest gegen Sexismus war, dann erwarte ich mir aus Ihren Reihen auch, dass Sie konsequent gegen Sexismus in den eigenen Reihen vorgehen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz sowie der Abgeordneten Doppelbauer und Krisper.)

Andernfalls war Ihr Protest nur für die Medien und für entsprechende Publicity, aber kein echter Protest gegen Sexismus. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Schimanek: Das war ein echter Protest!)

13.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Herbert. – Bitte.


13.18.17

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Dame und meine Herren Volksanwälte! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Krisper, da Sie das Thema der Misshandlungsvorwürfe im Zusammenhang mit der Polizei ange­sprochen haben, darf ich mich an Sie wenden: Ja, uns eint der Wunsch, dass es keine Misshandlungsvorwürfe bei der Polizei geben möge, aber ich möchte an dieser Stelle schon festhalten, dass die weit überwiegende Mehrheit aller Polizistinnen und Polizis­ten, aller Exekutivbeamten, ihren Beruf tadellos und im Rahmen der Richtlinien und gesetzlichen Vorgaben erfüllt und von solchen Vorwürfen nicht betroffen ist. Es ist mir wichtig, das festzuhalten, damit das nicht im Raum stehen bleibt, als wären Misshand­lungsvorwürfe bei der Exekutive der Alltag. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Ich weiß, das haben Sie so nicht behauptet, aber es könnte leicht der Eindruck entstehen, das wäre jetzt ein konkretes Thema, was es ja in diesem Fall, in diesem Ausmaß nicht ist. Jeder einzelne Misshandlungsvorwurf ist einer zu viel, da bin ich bei Ihnen, aber wir wollen der Exekutive unsere Wertschätzung hier nicht verwehren, weil, wie gesagt, die überwiegende Mehrheit der Exekutivbeamten ihren Dienst tadellos und im Sinne der Richtlinien und Gesetze gut und richtig versieht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ein Punkt, auf den ich in Bezug auf den Bericht der Volksanwaltschaft eingehen möchte und der mir persönlich auch am Herzen liegt, weil ich ja Mitglied des Daten­schutzrates bin, ist der gute Ansatz mit den intelligenten Stromzählern, Smartmeter genannt, der momentan wieder an Aktualität gewonnen hat, weil ja diesbezüglich bereits eine Umstellung begonnen hat und ein weiterer Austausch von alten auf neue Stromzählgeräte, nämlich diese Smartmeter, wohl in nächster Zeit bevorsteht.

Diese Stromzähler messen ja nicht nur den Stromverbrauch, sondern sie speichern auch und können diese gespeicherten Informationen darüber, wie , in welchen Zeit­räumen und in welchem Ausmaß der Strom verbraucht wird, auch weitergeben. Durch Fernabfrage können diese gespeicherten Informationen nicht nur abgefragt werden, sondern diese Stromzähler können auch manipuliert werden.

Da gibt es natürlich berechtigte Sorgen der Verbraucher, aber auch der Datenschutz­institutionen, dass man diese Fernabfragen nicht nur dazu verwenden kann, daten­schutz-


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rechtlich ungesetzlicherweise Benutzerprofile zu erstellen, nämlich wie die Lebens­ge­wohnheiten von Menschen oder wie ihre zeitlichen Abläufe während des Tages sind. Es gibt auch die Sorge, dass – und das ist ein nicht unwesentlicher Aspekt – eben durch diese Fernabfragen kriminelle Handlungen und insbesondere auch im weiter­ge­henden Sinne terroristische Manipulationen – nämlich dann, wenn man in einer großen Anzahl solche Stromzähler manipuliert und das vielleicht auch gleich über den Strom­anbieter macht – nicht auszuschließen sind.

Ich danke daher Dr. Fichtenbauer, dass er sich dieser wichtigen Frage angenommen hat, auch wenn die wichtigen Fragen, die damit verbunden sind, vom Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus leider nicht beantwortet werden konnten, weil das zum Zeitpunkt des Berichts eben noch nicht rückgemeldet war. Ich denke aber, es ist wichtig, zu erfahren, nämlich insbesondere für die Verbraucher, wie denn die tatsäch­liche Konfiguration dieser Smartmeter auch bezüglich der Problematik mit der Opt-out-Regelung, das heißt, dass man gewisse Optionen von diesen Geräten wegnehmen kann, im Sinne der Verbraucher erfolgt, inwieweit das für den Verbraucher nachvoll­ziehbar ist, und vor allem, ob das nicht nachträglich durch Fernmanipulation wieder rückgängig gemacht werden kann.

Das sind wichtige Fragen für die Verbraucher; daher natürlich auch für die Volks­anwaltschaft, die sich dieser Sache angenommen hat. Nochmals herzlichen Dank für diese aus datenschutzrechtlicher, aber natürlich auch aus sicherheitspolizeilicher Sicht nicht unwesentlichen Inputs! Ich darf mich an dieser Stelle persönlich einmal mehr für diesen aufschlussreichen und höchst interessanten Bericht bei Ihnen bedanken. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Kaufmann. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


13.23.36

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Liebe Kollegin­nen und Kollegen hier im Hohen Haus, aber vor allem auch liebe Gäste auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Wir haben sehr umfassende Berichte der Volks­anwaltschaft vorliegen. Ich werde mich auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fokussieren, und da ist ein Fazit, dass es ganz deutliche Zahlen beziehungsweise eine starke Tendenz zur Unterbringung in den sozialpädagogischen Einrichtungen gibt; eine Tendenz, die sich auch in meinem Heimatbundesland, der Steiermark, zeigt. Das sollte irgendwie auch die Frage aufwerfen, was wir dagegen tun können.

Politisch haben wir in der Vergangenheit immer wieder darüber diskutiert, dass ambu­lante Hilfen vor stationären Hilfen eingesetzt werden müssen, und haben das als Politiker auch immer gefordert. Das ist auch das Fazit des Volksanwaltschafts­berich­tes. Ich möchte in meinem Redebeitrag gern darauf hinweisen, dass wir auch weiter­denken sollten.

In Graz wird im Moment gerade ein Pilotprojekt im Auftrag der Steiermärkischen Lan­desregierung ausprobiert, um herauszufinden, ob es andere Varianten gibt, und zwar einer integrierten Kinder- und Jugendhilfe. Da kann man zum Beispiel mit einer ge­samten Familie in eine Trainingswohnung hineingehen. In dieser Trainingswohnung ist der Kinderschutz gewahrt. Bei einem begleitenden Elterncoaching hat man auch die Eltern mit dabei, man kann sie unterstützen, bei der Erziehungsarbeit begleiten und zeigen, wie man bei der Betreuungsarbeit mit den Kindern und Jugendlichen umgehen kann.


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Man kann, wenn die Situation in der Familie dann wieder entschärft ist, wieder zurück in die Familie gehen. Man könnte so – das Pilotprojekt wird dann sicher evaluiert wer­den, und es wird Erfahrungen daraus geben – dann auch verhindern, dass Kinder und Jugendliche dauerhaft fremduntergebracht sind. Ich glaube, es sollte unser aller Ziel in der Politik sein, dass wir die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Mühlberghuber.)

Unsere Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, unsere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten österreichweit im gesamten Bereich der Kinder und Jugendlichen hervorragende Arbeit, Kinder, Jugendliche und auch deren Familien dabei zu unter­stützen, dass Familie gelingt. Dafür möchte ich wirklich ein großes Dankeschön sagen. Ich kenne ganz, ganz viele, die in diesem Bereich arbeiten. Ich weiß, wie schwierig diese Herausforderung ist und wie schwierig es ist, wenn dann medial immer wieder Einzelfälle diskutiert werden.

Ihr schaut euch auch diese Einzelfälle an und führt sie in euren Berichten an. Es gibt natürlich die Möglichkeit, sich damit an die Volksanwaltschaft zu wenden. Das ist wichtig, und es ist gut, dass wir dieses System in Österreich haben. Ich möchte hier auch ein großes Dankeschön an die Volksanwaltschaft richten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kumpitsch. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.27.02

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Mein Beitrag befasst sich mit dem Mangel an Gymnasialplätzen in Deutschlandsberg in der Steiermark. Zum Ver­ständnis: Der Bezirk Deutschlandsberg ist einer von neun Bezirken beziehungsweise einer von drei Bezirken in der Steiermark, die über keine AHS-Langstufe verfügen. Den rund 2 150 Volksschülerinnen und -schülern stehen in ihrem Wohnbezirk zwar neun Neue Mittelschulen zur Verfügung, aber keine AHS-Unterstufe. Eine allgemeinbildende höhere Schule gibt es nur als Oberstufe, also ab der 5. Klasse.

Diesen unbefriedigenden Umstand will eine Elterninitiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, Bildungsgerechtigkeit für alle Schüler herzustellen, beenden. Zu diesem Zweck sammelte diese Interessengemeinschaft 466 Unterschriften und brachte eine Petition an den Landesschulrat und das damalige Bundesministerium für Bildung ein.

Das schien zunächst erfolgversprechend zu sein, unterstützte doch die damalige amts­führende Landesschulratspräsidentin in einem Schreiben an das Bundesministerium dieses Anliegen klar und deutlich. Sie schrieb, gute Schulen sind immer ein ent­scheidendes Kriterium für das Festlegen des Lebensmittelpunktes von Familien, dass das Fehlen von Wahlmöglichkeiten im Bereich der Sekundarstufe I sozioökonomischen Schaden verursacht und die langfristige Entwicklung in der Region nachhaltig benach­teiligt und dass es vor allem nicht politischer Wille sein kann, dass in einer demo­kra­tischen Gesellschaft Regionen benachteiligt werden und dass vor allem Kinder in ihren Entwicklungschancen beschnitten werden. Das sei Diskriminierung.

Das war ihre anfängliche Meinung, die ich zu 100 Prozent teile. Aber wozu politischer Wille, vor allem dann, wenn es sich um sozialistische Bildungspolitik handelt, imstande ist, musste diese Elterninitiative beziehungsweise mussten wohl auch viele Eltern, die ihre Kinder gern in einem Gymnasium untergebracht hätten, erfahren, denn das, was nicht sein darf, das darf nicht sein.


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Plötzlich machte nämlich die geschäftsführende Landesschulratspräsidentin einen Salto rückwärts. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Plötzlich war alles ganz anders. Man hatte ihr offenbar einen Maulkorb aufgesetzt. Sie meinte nun, dass die im Bezirk bestehenden Mittelschulen sowieso eine bestmögliche Förderung von allen Schülerinnen und Schülern bieten und, was ja noch schlimmer wäre, dass dann, wenn dem Gymnasium zu viel Zuspruch zukommen würde, eine der Neuen Mittelschulen geschlossen werden könnte. Das kann es nicht geben.

Ich sage Ihnen: Das sollte es geben, es besteht nämlich ein verfassungsrechtlicher Auf­trag für ein differenziertes Schulsystem. Das sieht die Verfassung vor. Es kann nicht sein, dass alle anderen Argumente sozusagen beiseitegelassen werden. Des­wegen haben wir Freiheitliche voriges Jahr durch Kollegen Mölzer auch einen Antrag auf Errichtung einer Unterstufe am Borg in Deutschlandsberg eingebracht. Die Hoffnung besteht, dass mit der neuen Bundesregierung wieder Vernunft einkehrt und wir dieses Thema glücklich abschließen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

13.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hofinger. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


13.30.54

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 82 Beschwerden pro Ar­beitstag werden an die Volksanwaltschaft gerichtet. Das sind in Summe 20 000 Be­schwerden; 10 000 ist die Volksanwaltschaft nachgegangen, und diese wurden geprüft. Das ist eine beachtliche Zahl, das ist eine Steigerung von 17 Prozent. Ich möchte hier den Volksanwälten Brinek, Fichtenbauer und Kräuter und ihren Mitarbeitern herzlichen Dank für diesen sehr, sehr professionellen Bericht aussprechen. (Beifall bei ÖVP und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die meisten Beschwerden gehen in Richtung innere Sicherheit, aber an zweiter Stelle kommt schon der Sozialbereich. Aufgrund der aktuellen Thematik möchte ich etwas genauer in den Bereich der Pflege hineingehen, weil es einfach ein Zukunftsthema ist und wir uns wahrscheinlich mit diesem Thema in Zukunft sehr intensiv auseinan­der­setzen werden müssen. Es sind diese Kontrollbesuche der Volksanwaltschaft in den Pflege- und Altersheimen und das Gespräch mit den zu Pflegenden ein ganz we­sentlicher Bestandteil, bei dem sich diese manchmal auch die Probleme von der Seele reden können.

Was mir bei diesem Bericht aber besonders gefallen hat: Es wurde darauf hinge­wie­sen, dass das Pflegepersonal, die Pflegerinnen und Pfleger, unter einem sehr hohen persönlichen Einsatz leidet, eine sehr hohe Arbeitsbelastung hat. Das kommt natürlich von einer unterschiedlichen Sichtweise.

Erstens ist der Pflegeberuf ein sehr anstrengender. Aus persönlichen Gesprächen mit Pflegerinnen und Pflegern weiß ich, dass die Dokumentationspflicht, die im Ausschuss auch thematisiert wurde, schon eine sehr große Belastung ist. Wir müssen uns alle anstrengen, hierfür eine Lösung zu finden. Allein in Oberösterreich brauchen wir in den nächsten Jahren 700 Pflegerinnen und Pfleger. Das ist eine große Zahl. Zum Beispiel in meinem Wahlkreis Innviertel wurde im vergangenen Jahr ein Pflegeheim mit 80 Plät­zen gebaut. Wir können es jedoch nur mit einem Drittel an zu Pflegenden besetzen, weil wir kein Pflegepersonal haben.

Wir müssen da einen großen Gedankenwechsel vollziehen. Ich glaube, wir sind in Oberösterreich auf einem sehr, sehr guten Weg, weil wir dort den Lehrberuf der Pflege


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installieren möchten. Die Schweiz ist da ein großes Vorbild. Über 4 000 Lehrlinge gibt es in der Schweiz, die den Beruf der Pflege lernen. In der Schweiz ist der Pflegeberuf bei den Lehrlingen interessanterweise der drittinteressanteste und -beliebteste Lehr­beruf. Da haben wir also noch einiges an Aufholpotenzial.

Ich möchte natürlich auch ganz kurz noch die mobile Pflege, die uns ganz wichtig ist, und die 24-Stunden-Pflege ansprechen. Auch dort haben wir ein großes Potenzial nach oben. Ich möchte aber schon auch das sagen, was im Ausschuss genannt wurde. Die Indexierung der Familienbeihilfe ist nicht der Schlüssel von allem, denn 75 Prozent der Pflegerinnen und Pfleger haben Kinder, die über 20 Jahre alt sind, also wird sich die Pflege aufgrund der Indexierung sicher nicht verändern, nicht so stark, wie immer berichtet wird.

Ich glaube, wir müssen in der Ausbildung des Pflegepersonals besonders Rücksicht nehmen. Wir müssen den Beruf attraktiver gestalten, die Ausbildung vielleicht etwas verkürzen. Es gibt viele Frauen, die aufgrund einer persönlichen Pflege in diesen Pfle­geberuf einsteigen möchten, aber 1 600 Ausbildungsstunden sind für manche Frauen einfach zu viel. Da müssen wir ansetzen, aber ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Ich danke der Volksanwaltschaft noch einmal für diesen sehr, sehr ausführlichen Bericht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Zanger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.34.58

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Volksanwälte! Frau Kollegin Schatz hat in ihrer Rede davon gesprochen, dass es hier Sexismus gibt. Da sie da offensichtlich mich und meinen Zwischenruf von vorgestern angesprochen hat, möchte ich ein paar Dinge zur Klarstellung sagen.

Ich bin seit zwölf Jahren in diesem Haus und bin stets allen Frauen aus allen Frak­tionen mit Respekt, Anstand und Wertschätzung gegenübergetreten. Dafür gibt es namhafte Zeugen. Frau Präsidentin Bures hat mir das heute bestätigt und unter anderem auch unsere viel zu früh von uns gegangene ehemalige Frauenministerin Sabine Oberhauser, die mir de facto sogar den Titel Frauenminister der Herzen verliehen hat, geschätzte Frau Kollegin Schatz. Umso erstaunter war ich, als ich den Medien entnehmen musste, dass ich für meinen liebevoll gemeinten und zugege­bener­weise mit steirischem Charme versehenen Zwischenruf „Alma, bei mir bist du sicher!“ als Sexist hingestellt wurde – wie auch immer. (Zwischenruf des Abg. Zinggl. – Abg. Rosenkranz: Aber deswegen darf er es trotzdem sagen, oder?)

Verwundert war ich auch deswegen, weil ich Frau Kollegin Zadić als selbstbewusste, erfolgsorientierte Kollegin kennengelernt habe, wertschätze und respektiere – das mache ich auch jetzt noch – und mir gedacht habe: Warum sagt Sie mir nicht selbst, dass ihr das nicht gepasst hat, sondern richtet es mir über die Medien aus? Daraufhin habe ich zum Telefonhörer gegriffen und die Frau Kollegin angerufen. Wir haben uns wirklich in einem vernünftigen, guten Gespräch ausgeredet, darüber geredet, wie das gemeint war. Wenn es so ist, dass es unterschiedliche Wahrnehmungen zu einer Aussage gibt, dann bin ich der Letzte, der nicht sagen kann, es war nicht so gemeint, es tut mir leid, schade, dass es so angekommen ist. Da bin ich der Letzte, und wir haben uns auch ausgeredet.


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Interessant ist nur, dass Frau Kollegin Zadić mir dann gesagt hat: Es ist schon auf Twitter herumgegeistert, und sie musste quasi so reagieren. Interessant ist auch, dass ich unmittelbar nach meiner Rede draußen eine Zigarette geraucht habe und Kollege Krainer gekommen ist und gesagt hat: Das geht gar nicht, das war sexistisch! Inter­essant ist auch, dass Kollege Scherak dann herausgegangen ist und auch gesagt hat: Das geht gar nicht! Also frage ich mich: Wer sind hier die Feministinnen? Sind es nicht doch die Männer, die in Wahrheit schon femininer, feministischer sind als alle Femi­nistinnen, die hier herinnen sitzen? (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Scherak: Ich glaube, ich bin gleich feministisch wie ...!)

Das ist schon interessant. Ich muss eines dazu sagen, und das ist das, was mir an der Frauenpolitik der letzten Jahre nicht gefällt (Zwischenruf bei der SPÖ): Da wird eine selbstbewusste, junge, anständige Abgeordnete in eine Opferrolle gedrängt, in der sie sich gar nicht selbst wiederfindet, denn sie hätte mir das schon gesagt, wenn ihr das nicht gepasst hätte. (Ruf bei der SPÖ: Sie drängen sich selber ...!) Nein, da müssen irgendwelche Feministenmänner hergehen und es auf Twitter lancieren, sodass ihr dann gar nichts anderes übrig bleibt. Das finde ich nicht in Ordnung. Das finde ich nicht korrekt! (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend, weil schon in der Früh so viel über Zwischenrufe, über Emotionen, die man hier hat, diskutiert wurde: Ich stehe für ein lebendiges Parlament. Ich bin nicht für ein Schweigeparlament, denn dann können wir uns gegenseitig Brieferl schicken, mit Bussi und Herzerl versehen, und Bedienstete des Parlaments können es da vorne verlesen. Das ist doch etwas ganz anderes. Schadet das, wenn wir ein bisschen Lebendigkeit in unsere Diskussion hereinbringen? – Also für mich muss ich sagen, sicher nicht, und ich werde so bleiben, wie ich bin. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Ries. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Duzdar: Zur Volksanwaltschaft hat er nichts gesagt! – Abg. Zanger: Ich habe nur auf die Kollegin repliziert! – Abg. Rosenkranz: Also die Volksanwaltschaft hat sich mit Zwischenrufen des Parlaments bisher noch nicht auseinandergesetzt! – Ruf bei der SPÖ: Wird schon noch kommen! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Ja, die Frau Kollegin Schatz einmal ansprechen darauf!)

Herr Abgeordneter Ries ist am Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.38.51

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren der Volksanwaltschaft! Werte Mitglieder des Hohen Hauses! Zuerst darf ich mich im Namen aller Österreicherinnen und Österreicher für die 40 Jahre auf­opfernde, unermüdliche Arbeit der Volksanwaltschaft bedanken. (Abg. Noll: Sie sprechen nicht im Namen aller Österreicher!) – Das ist ein sehr interessanter Zwi­schen­ruf.

Es ist wirklich beeindruckend, mit welcher Akribie die Volksanwälte ihre Fälle bear­bei­ten, um die Bürger vor Missständen in der Verwaltung zu schützen und über die Men­schenrechte in Österreich zu wachen, und das bei einer beachtlichen Fallzahl von über 20 000 pro Jahr. Das ist wirklich sehr beeindruckend.

Auch die Polizei hat sich natürlich immer wieder diesen Überprüfungen zu stellen, und das ist auch richtig so, denn die Polizei darf bei uns in Menschenrechte eingreifen. Das ist kein einfacher Job, und da muss man eine Überprüfung aushalten. Da kommt es natürlich, was in der Natur der Sache liegt, öfters zu Beschwerden gegen Polizei­be­amte, denn wer lässt sich schon gerne in seinem Tun einschränken? Wer glaubt von


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sich selbst nicht, immer im Recht zu sein? Da muss es klarerweise zu Reibungsfeldern kommen.

Solche gibt es unter anderem bei der Dienstverrichtung in Polizeianhaltezentren, wo die wirklich heiklen Angelegenheiten der polizeilichen Arbeit erledigt werden. Der sen­sible Umgang mit den Schubhäftlingen ist eine große Herausforderung für die Be­amten und die Volksanwaltschaft widmet diesem Umgang auch wirklich größte Auf­merk­samkeit. Das kann man allein an den 21 Besuchen ablesen, die den Anhaltezentren abgestattet wurden. Da wurde eine Prüfung gemacht, die Hand und Fuß hat. Es wurde nicht nur an der Oberfläche gekratzt. Der Bericht der Volksanwaltschaft lässt sich wirklich sehen und hebt sich von anderen Berichten in Wochenzeitschriften ab, die dann von der Opposition genutzt werden, um irgendwelche windigen Argumente vorzubringen. (Abg. Keck: „Windig“? Was heißt „windig“?)

Aufgrund dieser Überprüfungen hat die Volksanwaltschaft 20 konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Standards in Anhaltezentren an die Polizei gerichtet. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Es ist erfreulich, dass ich heute hier sagen kann, dass ein Großteil dieser Vorschläge unter der Verantwortung des Bundesinnenministers Herbert Kickl durch Erlässe im Januar und Juni bereits zur Umsetzung gelangt ist. Unter Innenminister Kickl wird der Schubhaftvollzug ein überwiegend offener sein. Sicher­heitsverwahrungen wird es nur noch unter genau definierten Bedingungen geben – penibelst dokumentiert und zeitlich befristet. Unter Innenminister Kickl gibt es jetzt auch klare Anweisungen, wie mit Hungerstreikenden umzugehen ist. Unter Minister Kickl ist ausreichend Zeit für Bewegung im Freien vorgesehen. (Abg. Noll: Mit Pferd oder ohne Pferd?) – Das ist eine Albernheit, auf die ich nicht antworten möchte. (Beifall bei der FPÖ.)

Unter Minister Kickl wird der Empfang mehrsprachiger Radio- und TV-Sendungen möglich sein und unter Minister Kickl ist ein zweimaliger Besuch pro Woche – unab­hän­gig vom Wochentag – garantiert. Unter Innenminister Kickl wird es noch viele andere Hafterleichterungen für Angehaltene geben.

Auch die Tätigkeit der Volksanwälte wird Eingang in die Lehrpläne der Polizeibildungs­zentren finden. Das alles geschieht unter einem Minister, dem von der Opposition fälschlicherweise unterstellt wird, die Menschenrechte und die Menschenwürde nicht zu achten. (Abg. Noll: Gibt es richtige Unterstellungen auch?)

Liebe Opposition! Ihre falschen Behauptungen richten sich ja von selbst. Auch die Volksanwälte werden mir recht geben, wenn ich sage, dass eben unter diesem Innen­minister Kickl in nur wenigen Monaten viel weitergegangen ist, was die Menschen­rechte in polizeilicher Verwahrung betrifft. (Heiterkeit und Ruf bei der SPÖ: Hat die Rede Kickl geschrieben?) – Es ist Faktum, die Erlässe liegen auf dem Tisch, es ist klar belegbar.

Abschließend möchte ich mich bei der Volksanwaltschaft für ihre Arbeit herzlich bedanken. (Ruf bei der SPÖ: Und bei Kickl, bitte!)  Ihnen von der Opposition möchte ich Folgendes ans Herz legen: Skandalisieren Sie nichts, wo nichts zu skandalisieren ist, äußern Sie keine Verdächtigungen, wenn es gar keinen Verdacht gibt, machen Sie saubere und objektive Oppositionsarbeit (Beifall bei der FPÖ), dann machen Sie das zum Wohle und zum Ansehen der Republik! – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Volks­an­wältin Dr. Brinek. – Bitte, Frau Doktor.



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13.43.34

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf auf ein paar Redebeiträge Bezug nehmen und mich auch ge­nerell für Ihre Rückmeldung und für Ihre Anerkennung bedanken. Ich habe schon einmal den Dank, den Sie im Ausschuss an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet haben, in einer Hausnachricht weitergegeben und er ist sehr, sehr gut angekommen.

In der Tat haben Sie den Bericht 2017 zitiert. Der ist wie ein 40-Jahre-Geburtstags­be­richt, der einen repräsentativen Querschnitt über die Arbeit gibt und darüber, wie diese in den letzten Jahren angefallen ist und erledigt wurde. Ich darf darauf verweisen, dass die Volksanwaltschaft – 1977 eingerichtet – in der Tat bewegte und erfolgreiche Jahre hatte und ihre Dienste und ihre Tätigkeit gegenüber den Bürgern immer weiter ausgebaut hat. Ich habe mir die Zahlen angeschaut, da sieht man ständig steigende, größer werdende Säulen in der Abbildung.

Ein wichtiger Beitrag war die Kooperation mit dem ORF und die Möglichkeit, die Arbeit in der wöchentlichen Sendung „Bürgeranwalt“ oder „Ein Fall für den Volksanwalt“, wie sie früher geheißen hat, darzustellen und damit auch den Public-Value-Charakter des ORF zu verstärken und viel, viel an – wenn Sie so wollen – Bildungsarbeit zu leisten. Das bestätigen auch die Rückmeldungen und Mails, die wir ständig bekommen.

Ich darf noch mit ein paar Zahlen aufwarten. Insgesamt 40 Jahre Volksanwaltschaft hat bedeutet: 9 300 Sprechtage und Gespräche mit 73 000 Menschen. Sie können sicher sein, über all diese Gespräche gibt es Protokolle. Ja, man kann auch im vielen Material ersticken, aber es entsteht schon so etwas wie ein Eindruck davon, wie es in unserem Land zugeht. Ich darf zur steigenden Zahl der Beschwerden – es sind über 400 000 registrierte Beschwerden – auch sagen, dass sie im Bereich der Landes- und Gemein­deverwaltung gestiegen sind und proportional dazu auch in der Bundesverwaltung. Es haben uns ja nicht von Anfang an, von 1977 an alle Länder zum Landesvolksanwalt oder zur Landesvolksanwaltschaft gemacht, sondern das geschah erst nach und nach durch verfassungsgesetzliche Beschlüsse in den Ländern.

Ich darf dazu sagen, dass sich im Laufe der Zeit einige Erweiterungen unseres Auf­gabenspektrums ergeben haben. Der Fristsetzungsantrag im strafrechtlichen Bereich bei Gericht zum Beispiel war schon eine Verbesserung. Die größte stammt aber vom 1. Juli 2012, nämlich das Menschenrechtsmandat, das über die Opcat-Aufgaben hin­aus­geht und auch Polizeibegleitung und bestimmte Dimensionen der UN-Behin­derten­rechtskonvention umfasst. In diesem Bereich waren wir sehr, sehr offensiv und enga­giert tätig. Es gab 2 587 Besuche nach dem Opcat-Protokoll, nach dem öster­reichi­schen Opcat-Gesetz. Auf Grundlage eben dieses erweiterten Gesetzes waren wir tätig und haben Besuche gemacht und hunderte Empfehlungen abgegeben, die auch um­gesetzt wurden. Ich kann sie nur im Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzuges nennen: Es gab 540 Anregungen und Empfehlungen. Auf die Frage hin, wie inter­national wirksam die Volksanwaltschaft in dieser Aufgabe als Menschenrechtshaus ist, sage ich Ihnen: Davon wurden 38,1 Prozent umgesetzt, 15,7 Prozent zugesagt, 37 Pro­zent sind noch offen, also noch in Arbeit. Das heißt, man kann sagen: Die Volksanwalt­schaft wirkt. Das ist ein gutes Zeichen. Das sollten Sie auch wissen, so quasi als Querschnitteindruck.

Dennoch gibt es noch viel zu tun. Einiges ist von Ihnen angesprochen worden, zum Beispiel der Opferschutz. Ja, wir sind per Gesetz aufgefordert, mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Das tun und taten wir ohnedies gerne. Wir haben auf diese Weise mit der Medizinischen Universität Wien und mit dem Verein Autonome Öster­reichische Frauenhäuser eine interdisziplinäre Lehrveranstaltung entwickelt. Ich darf


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schon jetzt wieder dazu einladen. Sie findet wieder statt – mit einem öffentlich zugäng­lichem Auftakt für alle. Außerdem ist die Lehrveranstaltung für alle Hörerinnen und Hörer aller Fakultäten offen und auch für Vertreterinnen und Vertreter aus dem jewei­ligen Fachpersonalbereich – Pflege, Kinder, Polizei und so weiter. Wir haben aus den Vorträgen des ersten Jahres, die einen Überblick über die Lage von Opfern, Opfer­schutz und Frauen bieten, einen Sammelband gemacht. Wenn Sie wollen, steht Ihnen dieser zur Verfügung.

Überhaupt lade ich dazu ein, auf die Homepage zu schauen. Dort gibt es unter Publikationen vom Kinderrechtebuch über Broschüren bis hin zur Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen in den öffentlichen Medien oder zu chronisch kranken Kindern im Schulsystem eine Fülle an Informationsmaterial. Schauen Sie auf die Homepage! Wenn Sie einen Wunsch haben, schreiben Sie uns ein Mail, wir können Ihnen das Material zur Verfügung stellen.

Wir machen weiter mit dem Opferschutz. Insofern wir tätig werden können, sind wir es auch – auf vielfache Weise, von der Polizei über die Bereiche, in denen wir sonst noch in der Pflege und in der Wohlfahrt tätig sind. Unser Anliegen ist auch – das ist ange­sprochen worden – die Täterarbeit. Es geht darum, die Täter-Opfer-Spirale zu durch­brechen, denn leider wissen wir aus dem Vorjahr – da haben wir uns mit der Täterarbeit beschäftigt –, dass vielfach Opfer wieder zu Tätern werden und dass aus dieser Gewaltweitergabespirale schwer herauszufinden ist.

Ich darf noch auf einen Arbeitsbereich, der mich sowohl aus der Opcat-Arbeit als auch aus der nachprüfenden Kontrolle betrifft, eingehen, das ist die Arbeit der Justiz, der Justizverwaltung. Die unabhängige Rechtsprechung ist natürlich von uns nicht prüfbar, vor allem was die inhaltliche Arbeit anlangt, sondern nur die Säumnis. Die Justiz­verwaltung und der Strafvollzug betreffen hingegen unmittelbar unsere Agenden. In der Tat ist die Arbeit in den Justizanstalten für alle dort Tätigen – für die Wachen, für die Fachdienste, für die Psychologen, für die Facharbeiter, für die Sozialarbeiter – nicht leichter geworden. Ich darf aber sagen, dass ich mich schon grundsätzlich beim Justiz­ministerium – so nenne ich es der Kürze halber – für die Initiative einer erfolgreichen Personaloffensive bedanken darf.

Wir können gegenwärtig sagen, dass wir bei den Justizwachebediensteten – unter Gänsefüßchen – „nur“ von sechs Fällen von Langzeitkrankenstand reden können. Es gibt eine stagnierende Insassenzahl. Natürlich haben wir offene Stellen – schwer­punktmäßig in Innsbruck und Garsten und noch in ein paar anderen Stellen, anderen Häuser im Lande –, während andere Stellen zumindest formal mit genügend Personal ausgestattet sind. Die Arbeit ist schwerer, die Herausforderungen sind – wenn Sie so wollen – multifaktorieller geworden. Abhilfe kann in Wirklichkeit nur Ausbildung, Fortbildung, Supervision, Hilfe schaffen. Ich weiß, dass das vom Ministerium und von den Häusern angeboten wird. Wir sind in ständigem Kontakt mit den Repräsentanten der Häuser. Wir werden demnächst wieder eine Konferenz der Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter haben. Wir sind auch offen. Wir hatten ein Gespräch mit der Perso­nal­vertretung und mit den Dienststellenausschussrepräsentanten und wir sind offen für weitere, um hier gute Voraussetzungen schaffen zu können, damit menschen­rechts­konform gearbeitet wird.

Ich meine, dass Menschenrechte – und das Grundrecht auf gute Verwaltung würde ich im großen Bogen dazuzählen – dort beginnen, wo Vorurteile enden. Wir wollen auch mit unserer Arbeit in diese Richtung künftig weiterarbeiten. Ich darf das Wort an Volksanwalt Fichtenbauer weitergeben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

13.51



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 97

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke vielmals Frau Volksanwältin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Dr. Fichtenbauer. – Bitte, Herr Volksanwalt.


13.51.52

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Volksanwälte! Zunächst eine kurze Erwähnung: Frau Abgeordnete Dr. Krisper hat eine Positionierung der Volksanwaltschaft dazu verlangt, was betreffend externe Untersuchungsstellen bei der Behauptung von Polizeimisshandlungen denn angebracht wäre. Das war schon – kurz, aber doch – Gegenstand der Aussprache im Ausschuss.

Frau Abgeordnete Dr. Krisper, vielleicht habe ich zu undeutlich oder zu freundlich oder zu mäßig gesprochen; die Volksanwaltschaft hat sich schon positioniert, und zwar im Bericht 2015 und im Bericht 2016. Mehr kann die Volksanwaltschaft nicht tun. Die Volksanwaltschaft ist nicht Gesetzgeber, das sind Sie. Wenn Sie also zu einem Ent­schluss kommen – wozu die Volksanwaltschaft positiv eingestellt wäre –, dann müssen Sie hier eine entsprechende gesetzliche Vorschrift erzeugen, die eine externe Unter­suchungsstelle bei der Behauptung von Polizeimisshandlungen vorsieht. Es wäre auch angezeigt, das zu machen, weil es selbstverständlich tendenziell verdächtig ist, wenn die Polizei selber eine gegen die Polizei gerichtete Behauptung negativer Art unter­sucht. Es wären sozusagen alle im Prinzip fein heraußen, wenn das ausgelagert würde. Bitte lesen Sie die beiden Berichte 2015 und 2016! An Klarheit kann da gar nichts mehr ergänzt werden.

Ob Sie sonstige gesetzliche Änderungen zum Bestellmodus von Volksanwälten erzeu­gen oder nicht, das ist nicht unsere Sache, das ist Parlamentssache; aber die letzten 40 Jahre haben bewiesen, dass sich die gegenwärtige Modalität der Bestellung von Volksanwälten, deren Aufgabenstellung, Überwachung, wenn Sie so wollen, durchaus bewährt haben. Da wir ja den Bericht an das Parlament und an die Landtage machen, überwachen wir uns ja tendenziell selber und reflektieren das, was Sie zu den Erzeug­nissen der Volksanwaltschaft sagen, im Ergebnis als Gegenstand dieser Aussprache.

Gut, ich bin sehr erfreut, dass das Thema, das Frau Abgeordnete Schimanek erwähnt hat, so auf dem Tableau bleibt. Es handelt sich um die von mir sehr, sehr nachhaltig und aus gutem Grund geforderte Einrichtung einer Haftpflichtversicherung für Katastro­phenschäden. Ich habe heute in der Früh – ich glaube, in der „Heute“-Zeitung – gelesen, dass sogar eine Haftpflichtversicherung für Rasenmäher ins Auge gefasst oder verlangt wird. Rasenmäher, kleinere oder größere, können ja irgendwie auch einen Schaden anrichten. Dazu will ich mich gar nicht äußern. Das Ansinnen mag für sich selber gerechtfertigt sein, aber im Katastrophenschutzfall – und ich kann das nicht nachdrücklich genug sagen, im Ausschuss habe ich es auch dargelegt, und ich habe es voriges Jahr dargelegt und so weiter und so fort – haben wir ein Problem.

Nehmen wir durch Hochwasser geschädigte Hauseigentümer: Das Stichwort für mich war die Erfahrung aus der großen Zahl an Beschwerden, aus dem Fall im Eferdinger Becken, da gab es 1 500 auf Dauer vernichtete Einfamilienhäuser. Aufgrund der Tatsache, dass eine Katastrophenschutzversicherung keine Haftpflichtversicherung ist und weil das keine Pflichtversicherung ist, kann die österreichische Versicherungs­wirtschaft keine Rückversicherungen eindecken. Das Ergebnis ist, dass höchstens 10 Prozent – höchstens 10 Prozent! – des Gebäudewerts von Versicherungen erstatt­bar sind. Das heißt, die Leute bleiben auf 90 Prozent Schaden sitzen. Das ist nicht die ganze Wahrheit, weil es auf Länderebene Hilfsfonds, Ausgleichsfonds und alles Mög­liche gibt. Aufgrund meiner grundsätzlichen Auffassung bin ich aber der Meinung, dass


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 98

man all dies auf die Beine von Rechtsansprüchen stellen kann, statt es von Gnaden­erweisen von Landeshauptleuten und so weiter abhängig zu machen.

Ich habe ein Beispiel dazu: Wenn sich morgen ein Unfall mit meinem Auto ereignet und meine Autotür kaputt ist, rufe ich auch nicht den Landeshauptmann an und sage: Ich bitte gar schön, ich brauche eine neue Autotür, kannst du mir die nicht aus einem Hilfsfonds zahlen? – So, das ist der schlechte Ansatz. Ich bin dafür, dass ein System eingeführt wird, wonach aufgrund eines bestehenden Rechtsanspruchs ein vollkom­mener Schadenersatz entsteht – vollkommen wird er nicht sein, weil der Grund und Boden bleibt, der ist nie abgeltbar, aber da können Hilfsfonds ja eine Rolle spielen. Die Einführung einer Haftpflichtversicherung für Katastrophenschäden soll also sein.

Das bedarf noch einiger ergänzender Maßnahmen, die aber leicht durchführbar sind. Es dürften auch in hochwassergefährdeten Zonen, in roten Zonen keine Baubewilli­gungen mehr erteilt werden – was derzeit der Fall ist –, da diese beiden Systeme nicht deckungsgleich sind. Die roten Zonen sind aktuell nicht Verbotszonen für Baube­willi­gungen. Ergänzend sollte auch eine Grundbuchsanmerkung zur Hochwasser­gefähr­dung im Gutsbestandsblatt erfolgen. Österreich ist nun einmal ein Land des Katastro­phenwesens – von der Lawine in Galtür bis zum Hochwasser im Osten Österreichs. Jetzt erleben wir es ja wieder: Für die Leute, die jetzt durch Hochwässer schwerstens beeinträchtigt und gefährdet sind, wäre es schon höchste Eisenbahn. Wir schieben das Problem dauernd vor uns her.

Ich habe auf meiner Ebene durchaus schon Bemühungen entfaltet, damit das geändert wird, aber es bedarf auch des parlamentarischen Bewusstseins und der parlamen­tari­schen Initiative. Es bedarf der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Einführung eines Haftpflichtversicherungssystems für Katastrophen. Andere Länder haben das schon. Wir brauchen nicht das Rad neu zu erfinden. Die Schweiz, Belgien, Frankreich – wir brauchen diese Länder ja nur als Beispiel herzunehmen und müssen endlich einen Durchbruch schaffen. – Damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank, Herr Volksanwalt.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Volksanwalt Dr. Kräuter. – Bitte schön, Herr Volksanwalt.


13.59.09

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte noch einmal zu dem Bestellmodus für die Volks­anwälte etwas betonen und unterstreichen. Das ist ja selbstverständlich Sache des Parlaments. Ich kann nicht verstehen, wie es zu dieser kolossalen Fehlinterpretation kommt, dass man das den Volksanwälten vorwirft – zumal wir uns auch empfehlend für ein Hearing ausgesprochen haben.

Was allerdings richtig ist, ist, dass uns eine Vereinigung in Genf mit einem B-Status qualifiziert, was die Unabhängigkeit betrifft. Na ja, wer sind die Länder mit A-Status? Wer ist da gelistet? Wer hat nach dieser Listung eine stärkere Unabhängigkeit als die österreichische Volksanwaltschaft? – Russland, Aserbaidschan, Haiti, Nicaragua, Malawi und so weiter und so weiter. Schweden, das mit einem Musterbeispiel an Unab­hängigkeit über die traditionsreichste Ombudseinrichtung weltweit verfügt, hat ebenfalls B-Status – also wir als österreichische Volksanwaltschaft fühlen uns da eigentlich recht wohl und in guter Gesellschaft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 99

Ich darf mich herzlich für den Allparteienkonsens bedanken, was die Reform des Heimopferrentengesetzes betrifft, es gibt da einen gemeinsamen Antrag, der Ende des Monats finalisiert werden soll. Dann können endlich auch Menschen, die in Kran­kenhäusern oder in privaten Kinderheimen, denen sie staatlich zugewiesen worden waren, Gewalt erlitten haben beziehungsweise dort misshandelt wurden, so einen Antrag auf eine Heimopferrente stellen. Auch für Menschen mit Behinderungen sind einige Klarstellungen erforderlich, das entwürdigende vorherige Wenden an eine Opfer­schutzeinrichtung würde wegfallen und Feststellungsbescheide sollten ermöglicht werden. Das heißt also, das ist eine sehr positive Entwicklung im Sinne von Gleich­behand­lung und Gerechtigkeit.

Was mir bisher niemand erklären konnte, ist, warum der Mehraufwand, der logischer­weise für unser Büro und unsere Kommission entsteht, mit einer Reduktion von vier Mitarbeitern auf drei quittiert wird – das ist wirklich ein Problem! Wir haben in der Zwischenzeit, seit es dieses Gesetz gibt, rund 4 000 Telefonate geführt, das sind sehr sensible Gespräche, mehr als 700 Akten werden bearbeitet. Leider sind einige hoch­betagte Menschen inzwischen verstorben und konnten diese Anerkennung gar nicht mehr erleben. Vielleicht findet man jedoch im Sozialausschuss noch eine Lösung dahin gehend, dass man uns entsprechend ausrüstet, damit wir die Fälle zügig bearbeiten können.

Ich habe vor ungefähr zwei Jahren der Öffentlichkeit und dem Parlament über Defizite und Missstände in Alten- und Pflegeheimen berichtet, unsere Kommissionen besuchen ja unangekündigt Pflegeeinrichtungen. Man hat das dann österreichweit und auch in den Bundesländern ein bisschen damit abgetan, das wären Einzelfälle und das Prob­lem wäre nicht so gewichtig.

Wir haben bis jetzt Hunderte Alten- und Pflegeheime besucht, wie sieht also die statis­tische Auswertung aus, meine Damen und Herren? – Die Personalbesetzung im Nacht­dienst ist in 47 Prozent der Einrichtungen unterdurchschnittlich. Die Supervision für das Personal ist in 77 Prozent der Einrichtungen nicht ausreichend, und bedenk­liche Medikationen wurden in 58 Prozent der Alten- und Pflegeheime in Österreich festgestellt, quer durchs Land. Das sind ja wohl doch keine Einzelfälle, sondern klar und deutlich Strukturprobleme, die gelöst werden müssen.

Wie sieht es mit der Personalausstattung aus, wie mit der Qualitätssicherung? Von Bundesseite her könnte man ja den Pflegefonds entsprechend orientieren und Vor­gaben an die Länder erlassen, also ein Instrument stünde zur Verfügung. Wir müssen immer bedenken, dass nur 16 oder 17 Prozent der hilfs- und pflegebedürftigen Men­schen in einem Heim untergebracht sind, alle anderen werden – und die Menschen wollen das ja – in der Familie betreut und gepflegt. Diese sind natürlich auf ambulante Dienste angewiesen, haben vielleicht eine 24-Stunden-Betreuung oder werden von der Familie versorgt.

Da gibt es einen politischen Konsens quer durch ganz Österreich, dass man die Pflege zu Hause stützen und fördern muss, und ich glaube, das sollten wir einmal mit dem Pflegegeld machen: Seit Einführung des Pflegegeldes gibt es einen Wertverlust von 30 Prozent! Es wäre höchste Zeit, das auszugleichen (Beifall der Abgeordneten Loacker und Neubauer), das Pflegegeld entsprechend anzuheben und natürlich jährlich zu valorisieren. Ebenfalls notwendig sind Qualitätskriterien für Agenturen, die 24-Stunden-Betreuung vermitteln, und wahrscheinlich wird auch eine effiziente Kon­trolle nötig sein. Es geht bei diesem Thema um Menschenwürde, was die Betreuung und Pflege von alten Menschen betrifft – das ist kein Kostenfaktor, sondern letztendlich eine Frage der Kultur!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 100

Abschließend noch ein Thema, welches mir auch sehr, sehr am Herzen liegt, nämlich Menschen mit Behinderungen: Rund 23 000 von ihnen arbeiten in Tageswerkstätten; dazu eine kritische Frage: Wann wird die Republik Österreich endlich aufhören, erwach­sene Menschen mit Behinderungen wie kleine Kinder zu behandeln? Diese Menschen bekommen nämlich erhöhte Familienbeihilfe sowie ein Taschengeld, und wenn die Eltern irgendwann tragischerweise versterben, sind die Kinder rechtlich gesehen Waisen. – Das widerspricht natürlich eklatant jeder Form von Inklusion und Teilhabe, natürlich auch der UN-Behindertenrechtskonvention!

2019 wird es eine Staatenprüfung Österreichs durch die UN geben, und viel Zeit ist bis dahin nicht mehr! Ich meine, dass dieses Thema gelöst werden muss. Die Behin­dertenanwaltschaft, die NGOs, die Selbstvertreter, die Volksanwaltschaft: Wir fordern, eine faire Sozial- und Pensionsversicherung für diese Menschen einzuführen! Sehr interessant ist, dass es dazu ganz aktuell eine Stellungnahme des Sozialministeriums gibt: Man habe eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht und ökonomisch würde sich wenig ändern – dann ist es ja wirklich höchste Zeit, dass man das angeht! Das ist auch eine Frage der Menschenwürde, und da besteht dringender Handlungsbedarf. – Danke für Ihre Unterstützung. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS.)

14.05

14.05.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank, Herr Volksanwalt.

Es ist nun dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Volksanwaltschafts­aus­schus­ses, den vorliegenden Bericht III-86 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Bericht zur Kenntnis nehmen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

14.06.00 4. Punkt

Bericht des Volksanwaltschaftsausschusses über den Sonderbericht der Volks­anwaltschaft über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen (III-55/182 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


14.06.15

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Volks­anwälte! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zuerst einmal der Volksanwaltschaft sehr, sehr herzlich für diesen Sonderbericht über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen danken. Dieser Bericht zeigt uns, wie wichtig die Volksanwaltschaft für eine Demokratie ist. Dafür ein herzlicher Dank! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und SPÖ.)

Ich möchte ganz besonders das Thema der Fremdunterbringungen aufgreifen. Wir wis­sen, manchmal ist es leider als letztes Mittel, als Ultima Ratio notwendig, ein Kind fremdunterzubringen. Viele Menschen leisten dabei unter schwierigen Bedingungen großartige Arbeit. Auch dafür sei herzlich gedankt!


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 101

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Parlament reicht es aber nicht, dass wir danken, sondern wir sind dafür zuständig, uns die Fragen zu stellen: Läuft alles richtig? Können, müssen wir etwas verbessern? Dafür ist ein Bericht der Volksanwaltschaft ein wichtiger und richtiger Aufhänger. Ich habe mir diesen Bericht sehr genau angesehen und habe der knappen Redezeit entsprechend vier Fragen mitgebracht, die eigentlich vier Forderungen dazu sind, was wir gemeinsam, hoffentlich auch parteiübergreifend, in diesem Bereich tun sollten.

Erste Frage: Wie erklären wir uns die statistischen Auffälligkeiten, die wir in diesem Bericht finden? Zum Beispiel ist die Zahl der fremduntergebrachten Kinder in den letzten zehn Jahren von circa 8 000 auf 13 500 angestiegen. Eine andere Frage, die sich durch diesen Bericht ergibt: Wie erklären wir uns das Gefälle zwischen den Bun­desländern? In Wien, der Steiermark und in Vorarlberg werden rund ein Drittel mehr Kinder abgenommen als in den anderen Bundesländern. Ich glaube, es wäre wichtig, dazu wissenschaftliche Studien durchzuführen und daraus Handlungsmöglichkeiten abzuleiten.

Zweite Frage: Wie können wir die angesprochenen Missstände in Einrichtungen beseitigen? Da geht es etwa um das Burgenland und Niederösterreich. Ein Mitarbeiter sagt, es gebe einen Berg ungelöster Probleme. Zwei Familien haben mir erzählt, unter Missbrauchsverdacht seien ihnen die Kinder beziehungsweise das Kind abgenommen worden – missbraucht wurden ihre Kinder aber erst in der Einrichtung! Das ist ein Missstand, den wir kennen und den wir beseitigen müssen.

Dritte Frage: Tun wir wirklich alles, damit die Kindesabnahme ein letztes Mittel ist? Manche Eltern sagen: Die Therapie, die wir gebraucht hätten, hat man uns als Familie nicht angeboten – aber in der Einrichtung wird sie dann finanziert! Ich habe mit Ver­antwortlichen im Wiener Jugendamt gesprochen, die haben gesagt: Wir müssen mehr in begleitende, frühe Hilfen investieren, da kann man so viel abfangen! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen, wie viel ein Kind in der Fremdunterbringung kostet, es sind 5 000 bis 7 000 Euro pro Monat. Frühe Hilfen könnten helfen und würden unterm Strich auch viel weniger kosten.

Vierte Frage: Tun wir alles, um die Besuchsrechte der Eltern für ihre abgenommenen Kinder zu gewährleisten? Eine Familie hat mir geschrieben: Wir haben unseren Neun­jährigen von November 2017 bis April 2018 nicht gesehen. Wir haben jeden Tag ange­rufen, ein E-Mail geschickt und gesagt, bitte, wir möchten unser Kind zu Weihnachten oder zumindest zum Geburtstag sehen.

Dazu schreibt jetzt die Volksanwaltschaft, es gibt einen finanziellen Anreiz, dass Kinder in anderen Bundesländern untergebracht werden, einen Zuschlag. Dies ist zum Beispiel im Burgenland der Fall, und die Konsequenz ist, dass 30 Prozent der Kinder in Fremdunterbringungseinrichtungen im Burgenland aus anderen Bundesländern kommen. In Vorarlberg gibt es diesen Zuschlag nicht, dort sind nur 2 Prozent aus an­de­ren Bundesländern. Ich glaube, wir müssen uns das anschauen, solche Zuschläge gehören selbstverständlich abgeschafft.

Sehr verehrte Damen und Herren! Die Liste Pilz sagt ja, sie rede mit betroffenen Eltern – ich mache das auch –, aber die Liste Pilz war im Ausschuss, als wir das diskutiert haben, nicht anwesend. (Abg. Loacker: Das kann ja mal vorkommen!)

Ich habe aus meinen Gesprächen mit den Eltern mitgenommen, dass die Eltern ganz oft die Abnahme ihrer Kinder als Strafe erleben, als unverhältnismäßig, oft als will­kürlich. Sie fühlen sich von den Jugendämtern schlecht behandelt, sie werden über die


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wahren Gründe, die Hintergründe der Kindesabnahme, im Unklaren gelassen, und sie fühlen sich gegenüber den Behörden vollkommen hilflos.

Ich glaube, das ist ein Appell an uns, an das Parlament: Was können wir tun, damit sich Eltern und Betroffene in Österreich nicht hilflos fühlen müssen, wenn es um Grundrechte, und in diesem Fall um massive Grundrechtseingriffe, geht? Ich glaube, da gibt es massiven Handlungsbedarf. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Wimmer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.11.52

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Ich möchte mich ebenfalls zuerst bei der Volksanwaltschaft herzlich für diesen Sonder­bericht über Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen bedanken. Sie haben sehr viel Zeit dafür aufgewendet, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, und für uns Parlamentarier ist dies eine wichtige Grundlage dafür, Missstände aufzuarbeiten und Kinderrechte zu schützen. Vielen Dank also für diesen umfangreichen Bericht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

In meiner beruflichen Laufbahn konnte ich selbst sehr oft erfahren, wie schwierig und belastend gewisse Lebensumstände für Kinder sein können. Das Aufwachsen in Gewaltbeziehungen oder mit psychisch kranken oder suchtkranken Eltern prägt für das ganze Leben, und nicht selten entwickeln sich die Kinder ohne entsprechende Hilfe wie ihre Vorbilder. Umso wichtiger ist es, dass Minderjährige, die in Wohneinrichtungen un­ter­gebracht werden, deutlich bessere Aufenthaltsbedingungen als in den vergangenen Jahrzehnten vorfinden, wie die Volksanwaltschaft auch positiv in ihrem Bericht heraus­hebt.

Ich kenne persönlich viele MitarbeiterInnen in den Einrichtungen, die ausgezeichnet und überaus engagiert in einem sehr herausfordernden Arbeitsfeld tätig sind, und möchte mich auch bei meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Sozialbereich dafür bedanken, dass sie sich mit so viel Herz in ihrem Arbeitsfeld engagieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht besetzte Dienststellen und häufige Personalwechsel führen jedoch dazu, dass neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ausreichend geschult sind und schon nach sehr kurzer Zeit mit sehr großer Verantwortung, zum Beispiel im Nachtdienst, allein ge­lassen werden. Beanstandet wird, dass zuweilen noch immer unangemessene bis ernied­rigende Sanktionen und auch Übergriffe zwischen den Jugendlichen selbst vorkommen. So fehlen in manchen Einrichtungen gewaltpräventive oder sozialpäda­gogische Konzepte – diese sollten in allen Bundesländern Bewilligungsvoraussetzung für sozialpädagogische Einrichtungen sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Zusätzlich braucht es bundeseinheitliche Standards betreffend Personalschlüssel und Ausbildung des Betreuungspersonals, es braucht familienähnliche Wohngruppen oder kleinere Gruppengrößen, und vor allem auch Stabilität beim Betreuungspersonal. All das setzt eine ausreichende Finanzierung bei den Tagsätzen voraus. In ganz Öster­reich fehlen flächendeckend sozialtherapeutische und sozialpsychiatrische Angebote. Allein in meinem Bundesland Oberösterreich steht einem Bedarf von 1 121 sozialthera­peutischen Betreuungsplätzen ein Angebot von nur 74 Plätzen gegenüber. Es ist un­tragbar, dass die Republik diese Kinder einfach ihrem Schicksal überlässt: Die Folge­schäden sind nur sehr schwer oder gar nicht mehr zu beheben.


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Meine Damen und Herren! Wenn wir Kinderrechte ernst nehmen, müssen wir weiterhin intensiv an den von der Volksanwaltschaft empfohlenen Verbesserungen in den Ein­richtungen arbeiten, sowohl für die MitarbeiterInnen als auch für die betroffenen Kinder, und dafür braucht es auch die entsprechenden finanziellen Mittel. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Povysil zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


14.15.45

Abgeordnete Dr. Brigitte Povysil (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren im Plenum, auf der Galerie und via soziale Medien! Kindergesundheit hat absolute Priorität in unserer Gesundheitspolitik – umso bestürzender ist es, sehr geehrte Volks­anwälte, dass in Ihrem Bericht aufscheint und Sie uns auch berichten, dass bis dato keine umfassende systematische Datenerhebung zur Kinder- und Jugendgesundheit vollzogen worden ist. Das ist ein übles Versäumnis vergangener Gesundheitspolitik, muss man schon sagen. Ohne solche aktuellen epidemiologischen Daten vorliegen zu haben, ist es jedoch unmöglich, regionale oder auch bundesweite Versorgung aus­reichend sicherzustellen.

Dies zu ändern, ist also ein Gebot der Stunde. Es ist eine Freude, dass für unsere kommende EU-Ratspräsidentschaft ein Leuchtturmprojekt des Gesundheitsministe­ri­ums sein wird, die Digitalisierung der Gesundheitsdaten anzugehen, diese wird zu einer größeren Datenerfassung in diesem so sensiblen Bereich führen.

Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention beschreibt das „Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“, und dafür müssen wir eintreten. Kinder brauchen zum einen eine gesundheitsfördernde Umgebung, sie brauchen beste medizinische Versorgung, sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Spitalsbereich. Da haben wir ein Defizit, wir wissen, dass wir es haben, daher brauchen wir auch die Reform der Sozialversicherungen, die wir oft diskutiert haben. Sie ist notwendig, denn die Pädiater, die ohnehin nur in geringer Zahl zur Verfügung stehen, nehmen die Kas­senverträge nicht mehr an. Wir haben ein Defizit in dieser niedergelassenen medizini­schen Versorgung für unsere Kinder.

Was auch noch ganz wichtig ist, sind spezielle Ausbildungsformen für die Behandlung unserer Kinder, auch diese dürfen nicht verwässert werden und nicht einer allgemeinen Ausbildung anheimfallen. Es muss weiterhin spezielle Ausbildungen im Bereich der Pflege, im Bereich der Medizin, im Bereich Narkose, in meinem Fach, der Radiologie, und so weiter geben, damit es nicht dazu kommt, dass wir in diesen Bereichen nicht mehr europaweit führend sind – was derzeit leider aufgrund von Versäumnissen frühe­rer Politik der Fall ist.

Meine Damen und Herren! Der Leitspruch meiner Fachrichtung – das sollte aber meiner Meinung nach der Leitspruch für alle Kinder überhaupt sein – lautet: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Kinder benötigen spezielle Fürsorge, spezielle Auf­merk­samkeit, spezielles Wissen. Ich denke, das ist parteiübergreifend allen, die hier sitzen, ein Anliegen, und ich hoffe, wir arbeiten in diesem Bereich zusammen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Singer und Loacker.)

14.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Schwarz zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.



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14.19.01

Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Volks­anwältin! Meine Herren Volksanwälte! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anschließen, was meine Kollegin Brigitte Povysil bereits erwähnt hat, nämlich die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.

Ich bin beim Sonderbericht erschrocken: Jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen im Volksschulalter sind übergewichtig, 10 Prozent der Kinder sind adipös, sprich fettleibig! Was heißt das? – Das heißt, dass man in der Kindheit und Jugend den Grundstein für spätere Fettleibigkeit, für gesundheitliche Belastungen und Herz-Kreislauf-Erkran­kun­gen legt. Das Risiko, an Diabetes zu erkranken, steigt, und natürlich gehen damit auch psychische Probleme einher.

Was kann man dagegen tun? – Das eine ist das, was im Elternhaus vorgelebt wird, Bewegung und gesunde Ernährung, das geht selbstverständlich in der Schule weiter. Dabei sei die Initiative „Unser Schulbuffet“ erwähnt, die es in vier Bundesländern gibt.

Eine Form der Prävention ist die Ernährung und die andere, mindestens genauso wichtige ist die Bewegung. Ein Projekt, das mir aufgefallen ist und bei dem mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden sollen, ist Wrestling goes school, ins Leben gerufen vom hauptberuflichen Justizwachebeamten und Nationalteamtrainer der österreichischen Ringermannschaft, bei dem Kinder zu Gewaltprävention, sozialer Kompetenz und gleichzeitig zu Bewegung angeleitet werden. Viele der 500 Kinder, die dieses Programm in der Nachmittagsbetreuung im Burgenland bereits wahrgenommen haben, gehen dann weiter in Vereine. Das muss unser Ziel sein: Freude an der Bewe­gung; denn alleine dagegen zu wettern, wenn Kinder sich ausschließlich mit dem Handy oder dem Fernsehapparat beschäftigen, ist zu wenig. Wir müssen attraktive Angebote ins Auge fassen und auch anbieten.

An dieser Stelle möchte ich auch allen Trainerinnen und Trainern, die das ehrenamtlich machen, und allen Funktionärinnen und Funktionären in den Sportvereinen danken, denn bei ihnen sind die Kinder wirklich gut aufgehoben und werden gut vorbereitet. Hätten wir sie nicht, dann würde es noch wesentlich schlimmer ausschauen. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das eine ist die gesunde Ernährung, einhergehend mit der wirklich guten Bewegungs­therapie, worum wir uns jedoch auch kümmern müssen – und da bin ich auch ganz bei Kollegin Povysil –, ist die psychische Gesundheit. Gewaltprävention und soziale Inte­gration sind ein Thema, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass es wesentlich bes­sere Betreuung durch Kinder- und Jugendpsychiater und auch durch Psychothera­peu­ten gibt.

Wir nehmen den Bericht der Volksanwaltschaft sehr ernst, wir werden nicht nachlassen und uns bemühen, damit wir den Kindern und Jugendlichen eine gute Zukunft und ein gesundes Erwachsenenleben bereiten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Friedl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.21.49

Abgeordnete Klaudia Friedl (SPÖ): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­se­herInnen auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte mich auch gleich zu Beginn bei der Frau Volksanwältin und den Herren Volksanwälten bedanken, die in den Ausschüssen in der vergangenen Woche sehr ausführlich und vor allem auch


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sehr nachvollziehbar Einblick in ihre Arbeit gegeben haben. Das ist sehr wertvoll für unsere parlamentarische Arbeit. Ich bedanke mich aber nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei Ihren vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Erstellung dieser Berichte beteiligt waren.

Meine Vorrednerinnen haben schon darüber berichtet, dass wir seit 2017 die erste offizielle Studie haben, in der festgestellt wurde, wie es mit dem Übergewicht oder mit Adipositas bei unseren Kindern aussieht. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, es ist eigent­lich sehr erschreckend. Wir nehmen natürlich wahr, dass es vermehrt Jugendliche und vor allem auch Kinder gibt, die übergewichtig sind – ich glaube, das geht uns im Privatleben, im Bekanntenkreis so –, aber dass die Zahlen schon dermaßen dra­ma­tisch sind, dass von den Acht- bis Zehnjährigen jeder dritte Bub, jedes vierte Mädchen übergewichtig ist und davon auch noch 10 Prozent fettleibig sind, das sind wirklich alarmierende Zahlen.

Es gibt auch sehr interessante Berichte darüber, dass ein Ost-West-Gefälle vor­herrscht, das heißt, die Ernährung und die Bewegungshäufigkeit ist im Osten anders als im Westen. Im Westen sind die Kinder weniger übergewichtig als im Osten, die Lebens­weisen in der Stadt und am Land sind also ganz divers.

Kinder bewegen sich zu wenig, sie essen Falsches – zu fett, zu süß –, der Anteil an gesunden Lebensmitteln wie Obst und Gemüse auf dem Speisezettel ist sehr gering, und vor allem ist Fast Food ein ganz großes und wichtiges Thema. Wir wissen aber auch, dass aus all diesen übergewichtigen Kindern übergewichtige Jugendliche und letzt­endlich übergewichtige Erwachsene werden. Zurzeit haben wir 41 Prozent über­gewichtige und adipöse Erwachsene, also jede Zweite und jeder Zweite von uns ist daran schon – ich sage es einmal so – erkrankt. Die Folgen kennen wir alle: 40 Pro­zent der Menschen, die jährlich sterben, sterben an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Tendenz ist stark steigend. Trotz Körperbewusstsein, trotz verän­derter Einstellung zum Essen hat sich aber unser Essverhalten nicht wirklich verändert; deshalb, sehr geschätzte Damen und Herren, brauchen wir aufgrund dieser drama­tischen Zahlen ein Gesamtkonzept, beginnend bei den Kleinsten in der Kinderkrippe, über den Kindergarten bis zu den Schulen.

Was hat Übergewicht zur Folge? Wir wissen es genau: ein Leben mit Beschwerden. Wir müssen Medikamente einnehmen, wir können uns nicht bewegen, wir haben Kran­kenhausaufenthalte, wir haben psychische Probleme, wir müssen in den Krankenstand gehen, es droht der Verfall, es gibt Kündigungen, und letztendlich haben wir eine viel niedrigere Lebenserwartung als Menschen mit normalem Körpergewicht.

Die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und auf die Volkswirtschaft brauche ich Ihnen, geschätzte Damen und Herren, wohl nicht zu erklären. Maßnahmen, die bereits gesetzt wurden, greifen – aber nicht genug. Das Thema gesunde Jause wurde nach Ablauf des Projekts leider Gottes nur von vier Bundesländern weitergeführt, dem Burgenland, der Steiermark, Niederösterreich und Kärnten.

Fangen wir an: Die Kinder müssen wissen, was sie essen, wie viel sie essen, was gesund ist, was ihnen schadet, was Fett und Zucker mit ihren Organen anrichtet. Die tägliche Turnstunde, geschätzte Damen und Herren vor allem in der ersten Reihe, sollte auch über das Jahr 2019 weitergeführt werden. Das ist zusätzliche Bewegung und das ist gesund.

Wir müssen aber auch den Menschen und Familien mit niedrigen Einkommen helfen, um gesunde Nahrung, die teuer ist, niederschwellig zur Verfügung stellen zu können.

Wir alle haben diese Verantwortung jetzt, geschätzte Damen und Herren, aber auch für zukünftige Generationen. Sie sitzen in der Regierung, Sie sind dafür verantwortlich,


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dass aufgrund dieser alarmierenden Zahlen endlich etwas passiert. Wir stehen Ihnen zur Seite und werden das mittragen.

Ich möchte noch ganz kurz auf Kollegen Zanger eingehen: Ein Ordnungsruf, Herr Kollege, ist und bleibt ein Ordnungsruf, und der ist nicht schönzureden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

14.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Mühlberghuber. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.26.08

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Volks­anwalt! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Werte Damen und Herren im Hohen Haus! Der Schutz von Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Einrichtungen ist der Volks­anwaltschaft ein besonderes Anliegen, daher auch dieser Sonderbericht 2017. Der Bericht entstand durch unangekündigte Expertenbesuche über fünf Jahre hinweg, und dadurch konnten Schwachstellen der Systeme aufgedeckt und Rückschlüsse gezogen werden.

Ein Schwerpunkt im Bericht ist die Kindergesundheit, die meine zwei Vorrednerinnen schon angesprochen haben. Ich möchte auf ein ähnliches Thema eingehen, und zwar auf jenes der chronisch kranken Kinder. Auch das ist ein Schwerpunkt des Berichts über Kindergesundheit, jenen Kindern besonderes Augenmerk zukommen zu lassen.

Chronisch kranke Kinder im Schulsystem sind kein Randthema, sondern eine wirklich große Problematik, denn in Österreich leben mehr als 190 000 Kinder und Jugendliche mit chronischen Krankheiten wie Asthma, Allergien, Diabetes, Rheuma und anderen Krankheiten. Diese Kinder lernen schnell, wie sie mit dieser Krankheit umgehen müs­sen, sie lernen aber auch, wie sie in der Schule mit Mitschülern und Lehrern umgehen müssen. Aber es gibt auch immer wieder Probleme, da Lehrer mitunter Angst haben, einen Fehler zu machen, ein Problem damit haben, diese Kinder bei medizinischen Tätigkeiten zu unterstützen. Und dafür müssen die Gesetzgeber und die Behörden recht­liche Rahmenbedingungen schaffen.

Dazu gab es auch eine Enquete im Parlament, mit dem Titel „Das chronisch kranke Kind im Schulsystem“. Bei dieser Veranstaltung wurde diese Schwierigkeit beleuchtet und es wurden Verbesserungen und Empfehlungen dargestellt. Durch das Bildungs­reformgesetz 2017 trägt die Initiative bereits erste Früchte, denn durch die Geset­zesänderung werden gewisse medizinische Tätigkeiten durch Lehrpersonal nun ein­deutig als Ausübung von Dienstpflichten anerkannt. Und passieren dabei Fehler durch die Lehrkräfte, haftet nicht primär die Lehrperson selbst, sondern der Staat als Dienst­geber im Wege der Amtshaftung.

Dennoch sind weitere Verbesserungsmaßnahmen wichtig und notwendig. Laut Bericht sollte es in jeder Schule – je nach Bedarf – eine oder mehrere Lehrpersonen mit einer Art Ersthilfeausbildung geben, damit sie einfache medizinische Tätigkeiten durchführen können, und dadurch die betroffenen Kinder, wenn diese selbst nicht mehr weiterwis­sen, Unterstützung bekommen. Schulärztinnen und Schulärzte können selbstver­ständ­lich eine wertvolle Hilfe leisten, da sie aber nicht immer vor Ort sind, benötigt man zusätzliche medizinisch gebildete Ansprechpersonen innerhalb der Schule.

Obwohl bereits ein erster Erfolg zu sehen ist, ist es noch ein langer Weg bei der Um­setzung aller Verbesserungen und Empfehlungen.

Abschließend möchte ich mich recht herzlich bei der Volksanwaltschaft für ihr Enga­gement bedanken. Ich möchte mich auch für die Sprechtage in den Bezirken bedan-


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ken, wo Sie die Nähe zu der Bevölkerung, zu den Menschen finden, und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Marchetti. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.30.38

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Volksanwälte! Toughe Anwälte, die knifflige Fälle lösen, schier über­mächtige Gegner in die Knie zwingen und für Gerechtigkeit sorgen, dieser Helden­mythos wird gerade in jeder zweiten Fernsehserie gepflegt. Derartige Figuren sind aber natürlich immer nur frei erfunden, denn die wahren Helden findet man nämlich nicht auf Netflix, sondern in der Singerstraße 17. Ich möchte mich an dieser Stelle wirklich bei Gertrude Brinek, Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es ist, glaube ich, nicht selbstverständlich, dass man 20 000 Bürgeranfragen jährlich – das haben schon einige Kollegen erwähnt – mit seinem Team so akribisch und mit einer so hohen Erfolgsquote abarbeitet. Gerade für uns als Parlament ist das wichtig, denn das ist genau das Vertrauen, das die Bevölkerung dann auch in die staatlichen Institutionen hat, wenn ihr geholfen wird, wenn wo etwas nicht passt, und stärkt im Endeffekt auch das Vertrauen in die Demokratie.

Der aktuelle Sonderbericht zu Kindern und ihren Rechten in öffentlichen Einrichtungen ist auch ein ganz wichtiger Baustein, bei dem einige Missstände zutage gekommen sind. Es gibt zum Beispiel in Psychiatrien viel zu wenige kindgerechte Betreuungs­plätze. Meine Kollegin hat es vorhin gesagt, Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und brauchen gerade in diesem sensiblen Bereich ganz, ganz viel Unterstützung. Und nicht nur das, es gibt auch viel zu wenige Plätze in der nachstationären Betreuung. Das heißt, Kinder und Jugendliche müssen länger in stationärer Betreuung bleiben, was gerade in diesem Alter nicht einfach zu verkraften ist. Allein in Wien kommen auf 2 217 Kinder im stationären Bereich lediglich 100 dieser sozialtherapeutischen Betreu­ungs­plätze.

Damit komme ich auch gleich zu meinem Heimatbundesland Wien, denn am Montag ist auch ein Wienbericht veröffentlicht worden. Und da war ein Fall besonders absurd: Eine Dame hat ordnungsgemäß Pläne für die Errichtung eines Wintergartens einge­reicht und diesen dann gebaut. Und 25 Jahre später ist die MA 37 an sie herangetreten und hat gemeint, das sei nicht in Ordnung und sie müsse ihn jetzt abreißen. Die Volks­anwaltschaft hat die Säumigkeit der Behörde aufgedeckt und das wird jetzt nach­träglich genehmigt. Für genau solche Themen ist die Volksanwaltschaft da. Teil­be­reiche des Berichts sind Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt, intransparente Vor­gänge, mangelnde Bürgerinformation bei Bauprojekten; das waren die Gründe, warum im Wienbericht 8,4 Prozent mehr Beschwerden als im letzten Jahr angeführt werden.

Nach all dem Lob für die Volksanwaltschaft möchte ich trotzdem auf ein Problem hin­weisen. Die ausgelagerten Unternehmen der Daseinsvorsorge sind vom Prüfgebiet der Volksanwaltschaft nicht umfasst. Zum Beispiel ist die Friedhöfe Wien GmbH ein Mono­pol, ein privates Unternehmen, aber zu 100 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand. Dort wurden die Grabbenützungsgebühren beispielsweise verdoppelt und die Bürgerin­nen und Bürger können sich dagegen nicht in vollem Umfang wehren. Ich sage daher, es braucht für die Volksanwaltschaft auch eine Prüfkompetenz für die privaten Betriebe der Daseinsvorsorge, denn wenn etwas zu 100 Prozent im öffentlichen Besitz ist, sind die Bürger nicht Kunden, sondern sie sind Eigentümer und brauchen diese besonderen


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Rechte. Das halte ich für ganz, ganz wichtig und ich möchte diese Diskussion damit auch anstoßen, da ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir den Bürgern in diesem Zusammenhang dieses effiziente Tool der Volksanwaltschaft in die Hände geben.

Ich möchte mich abschließend noch einmal bedanken. Diese Debatte ist auch er­fri­schend, denn es hat keine Zwischenrufe gegeben, es war auch sonst eine sehr vernünftige Debatte. Vielleicht können wir uns daran auch bei brisanteren Themen ein Beispiel nehmen, da ich denke, das würde auch der Glaubwürdigkeit der Demokratie, zumindest unserem Anteil daran, sehr gut tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit kommen wir nun zur Abstimmung über den Antrag des Volksanwaltschafts­aus­schusses, den vorliegenden Bericht - - (Volksanwältin Brinek: Meine Wortmeldung ist nicht registriert worden!) – Entschuldigung.

Als Nächste ist Frau Volksanwältin Brinek zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


14.35.10

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Hohes Haus! Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für Ihre Befassung mit dem Sonderbericht. Zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft in den letzten 40 Jahren gehörte und gehört auch, dass wir per Gesetz beauftragt sind, Sonderberichte zu legen. Ein solcher ist dieser Kinderbericht. Der Volksanwaltschaftsausschuss, den es nicht von Beginn an gab, ist etwas, das wir als sehr wichtig erachten, und den Redebeiträgen habe ich entnehmen können, dass auch Ihnen die Auseinandersetzung, die Debatte, der Dialog im Ausschuss wichtig ist.

Zum Kinderbericht: Als wesentliche Basis gilt die UN-Kinderrechtskonvention und das BVG Kinderrechte 2011. Als Maßstab gilt das Kindeswohl, das auf alle Fälle in allen Bereichen, die wir bearbeitet haben, vertreten ist. Es geht um Rechte, die die Teilhabe betreffen, Unterstützung und Partizipation, und daher ist es auf alle Fälle von Wich­tigkeit, den Kindern verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen.

Aus meinem Arbeitsbereich darf ich in aller Kürze sagen, dass es eine besorgnis­erre­gende Entwicklung im Zusammenhang von Kindern und Kriminalität gibt. Ich muss nicht auf die in den letzten Tagen und Wochen nachlesbaren und diskutierten Vorfälle, die im Zusammenhang mit kriminellen Akten und Taten geschehen sind, eingehen. Wichtig ist – im Hinblick auf die gestiegene Zahl: es waren im Jahr 2014 96 Personen und jetzt sind wir mit Juni 2018 schon bei mehr als doppelt so vielen –, dass es um Straffälligkeit geht, um psychische Auffälligkeit, um Alternativen zum Gefängnis. Da verweise ich auf das vorhin Gesagte mit der Täter-Opfer-Spirale, dass es darum geht, Unterstützungsangebote so weit wie möglich außerhalb der Haft zu entwickeln und dass diese auf alle Fälle in Richtung Beschäftigung gehen sollen, um aufgestaute Aggressionen nicht noch weiter zu pflegen.

Ich verweise darauf, dass es seit dem dramatischen Vorfall in der Justizanstalt Josef­stadt Erfahrungen gibt, auch der Brunnenmarkt sei da ein Stichwort. Es geht um die verstärkte Freizeitbeschäftigung, um Beschäftigung überhaupt, um die Verkürzung von Einschlusszeiten und überhaupt um die Unterbringung von auffällig gewordenen jun­gen Menschen außerhalb der Gefängnismauern.


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Es wird Aufgabe der Volksanwaltschaft sein und bleiben, unabhängig von Sonder­berichten das Augenmerk auf die Kinder zu richten, denn wer heute die Rechte der Kinder sichert, sichert morgen die Rechte der Menschen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

14.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nächster Redner: Herr Volksanwalt Fichtenbauer. – Bitte.


14.38.21

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Abgeordneter Marchetti hat ein Lieblingsthema von mir aufgebracht – dieses ist nicht diesem speziellen Thema zugehörig, das wir jetzt be­sprechen, sondern würde zum vorigen Tagesordnungspunkt passen –: Ich habe schon oft die Schließung von Prüflücken erwähnt. Durch die Auslagerung von Rechtsträgern kam es dazu, dass der Rechnungshof zwar für ausgelagerte Rechtsträger, an denen die öffentliche Hand zu 50 Prozent beteiligt ist, zuständig ist, das aber nicht für die Volksanwaltschaft gilt. Ich wiederhole den vielleicht schon hundert Mal ausge­sproche­nen Appell, das Parlament möge diese Prüflücke schließen.

Zum aktuellen Thema darf ich sagen, dass ich sehr dankbar bin, dass dem Gebiet des mir besonders nahe liegenden Themas – wir haben ja doch eine Arbeitsaufteilung –, nämlich der chronisch kranken Kinder im Schulsystem, Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ich darf auch bei dieser Gelegenheit wiederholen: All das, was wir feststellen, ersin­nen und an Verbesserungen einfordern, ist Gegenstand der Gesetzgebung. Die Volksanwaltschaft zeigt auf, aber gesetzliche Anpassungen muss das Parlament treffen.

Ich wiederhole das, was schon von Frau Abgeordneter Mühlberghuber gesagt wurde: Wir haben im Schulsystem 190 000 chronisch kranke Kinder. Das ist erschreckend viel, das ist keine kleine Zahl, da sie tendenziell auch steigt. Aus Gründen, die sozial­medizinischer Betrachtung bedürfen, haben wir leider – leider! – eine Zunahme typi­scher Kinderkrankheiten: Epilepsie, Diabetes, Asthma und so weiter. Mit dieser Zunah­me, diesem wachsenden Bedrohungsszenario – so würde ich es nennen  nicht ein­her­gegangen ist die Fähigkeit des Schulsystems, damit umzugehen.

Immerhin ist es so gewesen, dass einer Forderung der Volksanwaltschaft, die anläss­lich des Symposiums im Jahr 2015 erhoben worden ist, dass die Hilfstätigkeit medizi­nischer Art durch Lehrpersonen eventuell als Fall der Amtshaftung zu betrachten wäre – denn viele Lehrer haben sich davor gefürchtet, haftbar zu sein, wenn sie helfen, Spritzen zu geben –, nachgekommen wurde. Es gibt keinen einzigen Fall, aber mit dem Bildungsreformgesetz 2017 ist diese Befürchtung beseitigt worden.

Die Volksanwaltschaft bittet das Parlament, dieses Thema nicht nur einmal im Jahr anlässlich der Berichtslegung zu debattieren, sondern sich permanent damit zu be­schäf­tigen. Es gibt keine Gegenargumente, keine Widerworte zu einer weiteren For­derung, die wir erhoben haben, nämlich dass chronisch kranken Kindern jedenfalls die volle Teilhabe am schulischen Alltag zu ermöglichen ist. Es muss daher das Maß der Aufmerksamkeit, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen, als Dienstpflicht der Lehrerschaft verankert sein. Die Pädagogen müssen im Rahmen ihrer Aus- und Fort­bildung, die jetzt ohnedies schon sehr viele Jahre in Anspruch nimmt, über grund­legende medizinische Fakten und ausreichende problemorientierte Kompensations­mög­lichkeiten hinreichend informiert und dafür ausgebildet werden.

Medizinisches Grundwissen ist daher als fixes Ausbildungsmodul in der Lehrer­ausbildung zu verankern. Speziell geschulte Ansprechpersonen innerhalb der Lehrer-


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schaft müssen zur Verfügung stehen, um eine eventuell rasch erforderliche Hilfeleis­tung zu gewährleisten. Als Fern- und Abschlussziel schwebt mir vor, ein School-Nurse-System nach englischem Vorbild einzurichten, wonach für Schwerpunktschulen jeder­zeit schnell verfügbares Hilfspersonal medizinischer Art etabliert werden sollte.

So weit, so gut. Wir handeln im Rahmen des Bohrens harter Bretter. Es genügt aber nicht, das einmal positiv zu verankern. Verbunden mit meiner Wahrnehmung, dass Gott sei Dank die Behandlung chronisch kranker Kinder in der Schule und die Behand­lung von Kindern und ihren Rechten in den öffentlichen Einrichtungen nicht farbnotiert sind, sondern eine Querschnittsmaterie, bin ich der festen Überzeugung, dass dieses Thema – und die Verbesserung – nicht parteipolitisch konnotiert werden kann, sondern ein Maß des Zusammenwirkens der parlamentarischen Kräfte darstellt und darstellen muss. Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nächster Redner: Herr Volksanwalt Kräuter. – Bitte, Herr Volksanwalt.


14.44.00

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich einmal herzlich bedanken, dass wir die Berichte der Volksanwaltschaft heute zu einer guten Zeit diskutieren können. Ich glaube, dass das auch die interessierte Öffentlichkeit schätzt. Vielleicht ist das auch der Beginn einer guten Tradition, was die Gestaltung der Tagesordnungen betrifft.

Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zu Kindesabnahmen und Fremdunter­bringung machen: Wir haben leider eine alarmierende Tendenz. Wenn ich Wien oder die Steiermark hernehme: Mehr als 1 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind fremd­untergebracht. Da ist es wirklich einmal notwendig, den Ursachen auf den Grund zu gehen.

Ich habe dem steiermärkischen Landtag jetzt empfohlen, eine wissenschaftliche Unter­suchung machen zu lassen – das habe ich auch in Richtung Wien gemacht –, dann kann man, glaube ich, vermeiden, dass – derzeit 9 000 – Kinder und Jugendliche in sozialpädagogischen Einrichtungen untergebracht sind. Dort gibt es natürlich wieder die Probleme, was fehlende Qualitätskriterien, fehlende einheitliche Rahmenbedin­gun­gen betrifft. Unsere Empfehlungen liegen auf dem Tisch: Unterbringung nahe der Fa­milie, maximale Gruppengröße: zehn Kinder und Jugendliche, Gewaltprävention, sexu­al­pädagogische Konzepte, natürlich entsprechende Aus- und Weiterbildung, Super­vision, was qualifiziertes Personal betrifft.

Derzeit gibt es riesige Unterschiede zwischen den Bundesländern. Das widerspricht übrigens krass der UN-Kinderrechtskonvention, die ja bei uns in Österreich in Geltung und anzuwenden ist. Es gibt einen Entwurf der Bundesregierung betreffend Kompe­tenzverschiebung der Kinder- und Jugendhilfe zu den Ländern. Ich möchte davor warnen, das ist die ganz falsche Richtung – glauben Sie mir aufgrund unserer Erfah­rungen aus den Kommissionsbesuchen, unseren amtswegigen Prüfverfahren, den Beschwerden –, damit würden die Probleme prolongiert und wahrscheinlich verschärft. Also wir als Volksanwaltschaft werden in der Begutachtung sehr klar zum Ausdruck bringen, dass die Gesetzgebung Bundessache sein muss und die Vollziehung in die Länder gehört.

Ich möchte noch etwas zum Gesundheitsthema sagen, weil das so oft angesprochen wurde. Ja, tatsächlich gibt es da wirklich dramatische Zahlen: Jeder dritte Bub und jedes vierte Mädchen in der Volksschule ist mit allen nur erdenklichen Spätfolgen – übergewichtig. Ich weiß schon, es gibt einzelne Projekte, was Ernährung betrifft  Schul-


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buffetprojekte, da und dort auch eine tägliche Turnstunde , aber es fehlt ein Master­plan; gemeinsames koordiniertes Vorgehen ist der Appell, die positiven Absichts­erklärungen sind zu wenig.

Vielleicht wäre dieser Sonderbericht über Kinder und Jugendliche eine gute Gelegen­heit, eine parlamentarische Enquete ins Leben zu rufen, im Rahmen derer sich dann Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Forschung, aber auch die Kinder- und Jugendan­waltschaften, die Volksanwaltschaft und auch die Betroffenen – also zivilgesellschaft­liche Vertretungen und die Kinder und Jugendlichen selbst  zu Wort melden können und wo man gemeinsam etwas entwickelt. Wir haben heute sehr viel über Kinder und Jugendliche geredet, aber nicht mit Kindern und Jugendlichen, und solch eine Enquete wäre eine großartige Gelegenheit dazu.

Ich appelliere und ersuche, dass man das ins Auge fasst und sich zwischen den Fraktionen darauf verständigt. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.47

14.47.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Nein, das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Volksanwaltschaft, den vorlie­genden Bericht III-55 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

14.47.585. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungsvorlage (137 d.B.): Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastrukturaufbau für alternative Kraftstoffe (180 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 5.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Leichtfried. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


14.48.25

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte Damen und Herren! Das gegenständliche Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. Es ist gerade in Zeiten des Klimawandels, in Zeiten, in denen man endlich zur Kenntnis nimmt, dass der Verkehr auf der Straße, dass Verbrennungsmotoren insgesamt für die Klimaent­wicklung ein großes Problem darstellen, natürlich ein enorm wichtiges Dossier.

Wesentliche Teile wurden bereits im Nationalen Strategierahmen „Saubere Energie im Verkehr“ im November 2016 umgesetzt, da wurden insbesondere die strategischen Vor­gaben für die Strukturen festgelegt, die grundsätzlich notwendig sind, um weiter ins Detail zu gehen.

Bei diesem Detail war es dann etwas holprig, die Umsetzung der technischen Vor­gaben war insbesondere legistisch schwierig, da es Meinungsverschiedenheiten zwi­schen dem damaligen BMVIT und dem Wirtschaftsministerium gegeben hat und der


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Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eingreifen musste, um Klärungen herbei­zuführen. Das hat bis ins Jahr 2017 gedauert.

Mehr als ein Jahr später haben wir jetzt – da muss man schon sagen: endlich! – den Entwurf, der nun aber erstaunlicherweise nicht mehr vom Wirtschaftsministerium, son­dern vom Nachhaltigkeitsministerium vorgelegt wurde. 

Ob das jetzt mit der Zuständigkeit wirklich so sein muss und ob es so sein muss, dass das Nachhaltigkeitsministerium eine Verordnungsermächtigung für das Wirtschafts­ministerium ausstellt, das möchte ich jetzt nicht hinterfragen. Ich bin froh, dass es endlich ins Laufen gekommen ist.

Wenn man möchte, dass sich die E-Mobilität weiterentwickelt, bedarf es vieler Maß­nahmen, hier ein Fortkommen zu finden, ist eine davon. Wir hätten – ich muss das mit Bedauern sagen dem Gesetz auch gerne zugestimmt, da es prinzipiell durchaus in Ordnung ist. Es fehlt aber unseres Erachtens ein wesentlicher Teil, nämlich Vorgaben für die Transparenz und Vergleichbarkeit der Preise für die Nutzerinnen und Nutzer. Wenn derartige Vorgaben fehlen, kann es dazu kommen, dass man beim Laden vorher keine Ahnung hat, welche Preise am Ende verlangt werden und wie viel man zahlen muss. Das ist natürlich etwas, was unseres Erachtens nicht wirklich sinnvoll ist.

Erstaunlicherweise wurde das auch in der Begutachtung von ganz verschiedenen Stellen  vom Sozialministerium, von der E-Control, von der Arbeiterkammer, von Aus­trian Mobile Power – sehr intensiv angemerkt, diese Einwände wurden jedoch nicht zur Kenntnis genommen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich finde es bedauerlich, dass auf diese Einwände nicht reagiert wurde. Deshalb können wir auch nicht zustimmen, ich darf dafür auch um Verständnis bitten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

14.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lettenbichler. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.51.53

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste, Zuhörer auf der Galerie! Wir haben vor drei Wochen hier in einer sehr, sehr guten Enquete zur Klima- und Energiestrategie viele wichtige Punkte besprochen, diskutiert, ein wesentlicher Punkt war natürlich der Bereich Verkehr.

Die Ziele, die wir uns vor allem auch im Bereich des Verkehrs bei der #mission 2030 gesetzt haben, sind ambitioniert, sind notwendig, aber sie sind auch erreichbar. Dafür braucht es große Anstrengungen von uns allen, vom Gesetzgeber, von der Bun­des­regierung, von der Wirtschaft, vom Konsumenten, vom Bürger. Uns war es wichtig  und es wird uns auch weiterhin wichtig sein , dass wir den einzelnen Bürger in diesem Prozess mitnehmen.

Wir wollen dafür Anreize schaffen, möglichst nicht mit Verboten arbeiten, wir wollen keine Steuern erhöhen, dafür aber Barrieren beseitigen. So bin ich froh, dass wir heute eine dieser Erleichterungen beschließen können; da hat Kollege Leichtfried recht. Des­wegen tut es mir leid, dass die SPÖ als einzige Oppositionspartei nicht mitgeht, denn wer will, dass alternative Kraftstoffe stärker genützt werden, der muss auch die dafür notwendigen Voraussetzungen herstellen.

Mit der Vorlage, über die wir hier diskutieren, kann das Parlament die Lage sowohl für Nutzer als auch für Betreiber von Ladestationen stärken. Ich möchte die einzelnen


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Punkte ein wenig ausführen: Erstens: Mit der Konkretisierung des Gesetzestextes, welche E-Ladestationen öffentlich zugänglich sein müssen, werden den Nutzerinnen und Nutzern mehr Lademöglichkeiten zur Verfügung stehen. Vor allem auf öffentlichem Gelände und öffentlichen Verkehrsflächen sowie auf Raststätten entlang der Autobah­nen ist ein dichteres Angebot für eine verstärkte Nutzung alternativer Kraftstoffe ohne Zweifel förderlich und notwendig.

Zweitens: Wenn, wie vorgesehen, Betreiber von öffentlichen Tankstellen sicherstellen müssen, dass ihre Ladestationen von allen das heißt auch jenen ohne Mitgliedschaft oder Ähnlichem  benutzt werden können, muss der Kunde sich weniger binden, wird dadurch flexibler und somit wird E-Mobilität attraktiver. Gleichzeitig sind sinnvolle Ausnahmen bei der Ladeinfrastruktur für betriebliche Zwecke wie E-Taxidienste oder Ladepunkte für E-Busse sichergestellt.

Drittens: Derzeit, und das verwundert natürlich auch, gibt es noch keine einheitlichen Standards für die Ladestecker an diesen Ladestationen. Das führt oft zu Unsicherheit bei möglichen Nutzern und verhindert oft genug, dass der Kunde und der Verkäufer zueinander finden. Was bei anderen Kraftstoffen schon längst Usus ist, muss auch in der E-Mobilität, beim Wasserstoff und im Bereich des Gases möglich sein.

Planungssicherheit für Unternehmen durch klare Vorgaben und möglichst einfache und einheitliche Nutzung für den Verbraucher: Die Gesetzesvorlage schafft genau dafür die Grundlage und erfüllt die Vorgaben der EU-Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. Daher gratuliere ich stellvertretend für alle Mitbeteiligten auch ein herzliches Danke an den Koalitionspartner und die Opposition, zumindest an jene Parteien, die mitgehen  Frau Bundesministerin Köstinger zum vorliegenden Ge­setzentwurf, der Unternehmen und Nutzern viel bringt, alternative Kraftstoffe attraktiver macht und auch die angestrebten Ziele der #mission 2030 unterstützt.

Ich lade noch einmal die gesamte Opposition ein, hier mitzugehen. Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Klinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


14.56.17

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Dieses Gesetz, das eine Vertragsverletzung mit der EU bereinigen wird, ist absolut notwendig und in zweiter Linie ist die Zielsetzung natürlich auch die Attraktivie­rung von sauberen Antrieben.

Wir haben schon die Vorgaben zu Rechten und Pflichten und für Verordnungs­ermäch­tigungen gehört, aber es ist mir schon wesentlich, in diesem Zusammenhang zu erwähnen: Wenn wir die E-Mobilität in Österreich entsprechend fördern wollen, dann bedarf es nicht nur einer Infrastruktur, die in allen Bereichen – angefangen bei den Steckern zum Beladen der Fahrzeuge kompatibel ist, sondern auch Transportleis­tungen der elektrischen Energie, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass ein System mit E-Mobilität in Österreich tatsächlich funktionieren kann.

Wir wissen, dass wir in Österreich circa 70 000 Gigawattstunden Strom verbrauchen, und können von diesen 70 000 Gigawattstunden Strom ungefähr zwei Drittel aus heimischer Wasserkraft erzeugen. Anzuführen ist in diesem Zusammenhang, dass wir in Österreich noch ein Ausbaupotenzial der Wasserkraft von 30 Prozent haben und dass diese 30 Prozent, wenn wir sparsam mit Strom umgehen, auch dazu geeignet wären, Österreich autark von Importen fossiler Energie für Stromerzeugung zu machen.


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Wichtig dabei ist allerdings, dass die Projekte der Transportleitungen in Österreich auch die Genehmigung erhalten. So wie es bisher war, nämlich dass mit allen Mitteln versucht wird, elektrische Hochspannungsleitungen zu verhindern, wird es in Zukunft nicht gehen. Man muss sich überlegen, ob man eine ordentliche Infrastruktur für E-Mobilität und für den gesamten Strommarkt aufbauen will, denn dann müssen auch entsprechende Transportleitungen nicht nur in Österreich, sondern europaweit zur Ver­fügung gestellt werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Deshalb wird es entscheidend und wichtig für Österreich sein, unsere heimische Wasserkraft, die, wie gesagt, zu 30 Prozent noch nicht ausgebaut ist, in Zukunft – so wie im Regierungsprogramm beschlossen unter Abänderung der internationalen Was­serrah­menrichtlinien weiter auszubauen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank.

Da wir nur noch 1 Minute zur Verfügung haben, frage ich Sie, Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff: Wollen Sie diese Minute in Anspruch nehmen oder warten Sie? (Abg. Hoyos-Trauttmansdorff verneint die Inanspruchnahme.)

Dann unterbreche ich die Verhandlung über Tagesordnungspunkt 5, damit die ver­langte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.10Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Reform der Zentralmatura: abgeschlankt, einheitlich, extern ausge­wertet und als Sprungbrett für planvolle Schulentwicklung“ (270/A)(E)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 270/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Zentralmatura ist dieses Jahr erneut mit durchwegs negativer Berichterstattung in die Medien geraten. Nachdem im letzten Jahr Hoffnung aufkeimte, dass nun endlich eine gewisse Routine eingekehrt sei, haben wir dieses Jahr erneut große Aufregung – vor allem hinsichtlich der schlechten Ergebnisse in Mathematik und der diesbe­züglichen Rahmenbedingungen.

Auf der Website des Ministeriums heißt es dazu: „In einer ersten Zwischenbilanz zur Matura 2018 hat Bundesminister Heinz Faßmann bekannt gegeben, dass der Anteil der mit Nichtgenügend beurteilten Arbeiten in Mathematik höher ist als im vergangenen Jahr.“ [1]

In der medialen Berichterstattung ist unter anderem von „Fünfer-Debakel“ und „Nicht Genügend für die Zentralmatura“ zu lesen. Bei den Kompensationsprüfungen sollte nun noch gerettet werden, was zu retten ist. Die schlechten Ergebnisse sollen ausge­bessert werden. Aber auch hier gab es Beschwerden. Laut Kurier werden Leh­rer_innen für Vorbereitungsstunden für Kompensationsprüfungen nicht bezahlt. Auch die seitens des BMBWF versprochenen Zusatzbeispiele seien bis einen Tag vor der AHS Kompensationsprüfung nicht auf der Website zu finden gewesen. [2] Das ist natürlich eine Zumutung für alle Betroffenen. Laut Medienberichten wird zudem hinter


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vorgehaltener Hand von einem „gewaltigen Chaos“ rund um die Zentralmatura ge­sprochen. Bereits von Anfang an sei „der Wurm drinnen“ gewesen. [3]

Mit dieser neuerlichen Panne werden wieder einmal tausende Schüler_innen – in einer ohnehin sehr aufregenden und herausfordernden Phase ihrer Schulkarriere – zusätz­lich verängstigt und verunsichert. Gleiches gilt für zahlreiche Lehrer_innen, die eben­falls unter großem Druck stehen und keine Planungssicherheit und an-scheinend keine ausreichende Information und Unterstützung seitens des Ministeriums bekommen.

Rückblick, eine Geschichte voller Pannen

Diese Pannen sind allerdings nicht neu. Von Beginn an schien die Zentralmatura unter einem schlechten Stern zu stehen. Der Startschuss für die Zentralmatura fiel im Früh­jahr 2008. Die damalige Unterrichtsministerin (Claudia Schmied) schickte eine dahin­gehende Novelle in Begutachtung. Im Juni 2009 einigten sich SPÖ und ÖVP auf die Details der neuen Reifeprüfung.

Es sollte noch einige Jahre dauern, bis die Zentralmatura dann tatsächlich ihren Weg ins Klassenzimmer fand. Speziell in den Anfangsjahren musste das Konzept der neuen Reifeprüfung so viel Kritik einstecken wie kaum eine andere Reform.

Schüler_innen, Eltern und Lehrer_innen gingen im Jahr 2012 auf die Barrikaden. Geklagt wurde unter anderem über mangelnde Vorbereitungsstunden, unausgegorene Konzepte, schlechte Übungsbeispiele sowie mangelhafte Information und Kommuni­kation mit den Betroffenen. Tatsächlich wurde daraufhin der verpflichtende Start um ein Jahr verschoben. Leider wurde die zusätzliche Zeit offensichtlich nicht ausreichend genutzt. Gleich mehrere Pannen gab es bei der Generalprobe für die Zentralmatura im Mai 2014. An einigen Standorten fehlten beispielsweise die Mathematik-Aufgaben und in den Fremdsprachen wurde noch kurzfristig der Notenschlüssel verändert. Unter anderem aufgrund solcher Pannen wurde das Direktorenduo des BIFIE abgelöst. 2017 wanderte die Zuständigkeit für die Zentralmatura ins Bildungsministerium.

Weitere Themen, die auch dieses Jahr die Schüler_innen, Lehrer_innen und Eltern zu Protesten bewegte und bewegt: ein, in den Augen vieler Betroffener, unfaires Beno­tungs­system und immer wieder mangelhafte Vorbereitung auf die Matura seitens des Ministeriums. Bereits 2015 hagelte es an den AHSen Fünfer. Und nach-dem letztes Jahr die Ergebnisse im zu erwartenden Rahmen waren, gibt es, wie oben bereits beschrieben, dieses Jahr in Mathematik wieder deutlich schlechtere Ergebnisse.

Erschwerend kommt die komplizierte Abwicklung der vorwissenschaftlichen Arbeit hinzu. Auch hier kam es im Jahr 2015 zu einer Panne. Die sogenannte VWA konnte aufgrund von Überlastung nicht auf den dafür vorgesehenen Server hochgeladen werden.

Die Conclusio auf diese Geschichte voller Pannen: Es reicht nicht mehr, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. NEOS fordern eine mutige Weiterentwicklung der Zentral­matura.

Zielrichtung einer teilzentralen Matura NEU

Vor Kurzem haben sich etliche Lehrer_innen zu einer Online-Petition zusammen-ge­schlossen, um gegen die aktuelle Form der Mathematik-Matura und deren Benotung zu mobilisieren. Dort ist gleich als erster Absatz zu lesen:

„Wir, die Unterzeichneten, halten die zentrale kompetenzorientierte Reifeprüfung für die AHS in der gegenwärtigen Form für

•             ungerecht

•             ungeeignet, die mathematischen Kompetenzen angemessen abzubilden


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•             ungeeignet, um die Studierfähigkeit in den MINT-Fächern (Mathematik, Infor­matik, Naturwissenschaften, Technik) sicherzustellen

•             problematisch, was den Einfluss auf den Mathematikunterricht der Oberstufe insgesamt betrifft.

Wir appellieren daher an alle Verantwortlichen, die Reifeprüfung im Fach Mathematik unter Einbeziehung erfahrener Lehrkräfte zu reformieren und ein System zu imple­mentieren, das sich verstärkt an fachlichen Inhalten orientiert und auf einem gerechten und sinnvollen Beurteilungssystem beruht.“ [4]. Mittlerweile haben über 4.200 Bürger_innen diese Petition unterschrieben.

Aber was soll eine Zentralmatura können, was ist der damit verbundene Anspruch? Warum eine standardisierte kompetenzorientierte Reifeprüfung? Auf der Website des Ministeriums ist dazu zu lesen:

“Höchstmögliche Objektivität, Transparenz und Vergleichbarkeit von Schüler/innenleis­tungen – Erhöhung der Aussagekraft von abschließenden Prüfungen im Sinne einer Ergebnisverantwortlichkeit“ [5]

Diesem Anspruch wird die Reifeprüfung aktuell nicht ausreichend gerecht. Des-halb braucht es dringend die nötigen Änderungen und eine Weiterentwicklung.

Momentan umfasst der zentralisierte Teil der Matura zu viele Fächer. Bestandteil sind nicht nur Mathematik, Deutsch, Englisch, sondern auch Französisch, Italienisch, Spa­nisch, Griechisch, Latein sowie die Minderheitensprachen Slowenisch, Kroatisch und Ungarisch. Hier handelt es sich um Fächer, die kein „Muss-Kriterium“ für die allge­meine Hochschulreife sind. Zudem gibt es zu viele Versionen dieser Fächer für die unterschiedlichen Schultypen.

Die Zentralmatura muss so gestaltet werden, dass die Ergebnisse echte Vergleich-barkeit schaffen. Das aktuell unübersichtliche Zentralmatura-Programm auf einen ge­meinsamen Nenner zu fokussieren, ist nach den bisherigen Entwicklungen und Erfah­rungen ein Gebot der Transparenz und Fairness.

Eine Zentralmatura NEU soll sich auf jene Fächer konzentrieren, die zur allgemeinen Hochschulreife führen. Der gemeinsame Kern der Matura soll dafür wirklich zentral – im Sinne von einheitlich (Verzicht auf breite Auffächerung nach Schultypen) – und vergleichbar durchgeführt werden. Die mündlichen Kompensationsprüfungen sollen durch eine schriftliche Wiederholungsmöglichkeit ersetzt wer-den. Zudem müssen die Ergebnisse extern beurteilt werden.

Diese weiterentwickelte – auf den gemeinsamen Kern der allgemeinen Hochschul-reife verschlankte – Zentralmatura hätte dann ihren Namen wirklich verdient. Gleichzeitig sollten die Schulen die Möglichkeit erhalten, im Rahmen der Reifeprüfung schultypen- und schulprofilspezifische Inhalte mit eigenen Aufgaben schul-autonom abzuprüfen. Damit bekämen die Schulen die Gelegenheit, gemäß ihrem Schulprofil schulautonom Schwerpunkte zu setzen.

Auch der Mathematiker und ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner hat die Diskus­sion über diese Form der "teilzentralen Matura" bereits losgetreten:

„Es wäre klug, wenn man die schriftliche Prüfung teilen würde. Die erste Hälfte sollte ein zentraler Teil sein, der von allen positiv bewältigbar ist. Es sollte das Mindestmaß sein, das junge Leute erreichen müssen. Die zweite Hälfte sollte von Lehrern erstellt werden, die in diesem Teil zeigen können, was sie mit ihren Schülern gelernt haben und was diese besonders gut können. Es wäre damit ein Pflicht- und ein Kürteil.“ [6]


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Auch viele Lehrer_innen und Elternvertreter_innen halten solche Überlegungen für sinnvoll: "Wir wissen am besten, wo die Kompetenzen der Schüler je nach Schul­schwerpunkt liegen", sagt beispielsweise Gerlinde Bernhard, Vorsitzende der Standes­vertretung der Lehrer für Berufsbildende Höhere Schulen im Standard. [7]

NEOS fordern zudem im Rahmen der Reifeprüfung einen Fokus auf Medienkom­petenz. Dank der digitalen Revolution hat man ganze Bibliotheken jederzeit zur Hand. Nachrichten sind immer, überall und sofort verfügbar und die große Menge kann auch überfordern. Menschen müssen deshalb lernen, sich daraus eine sachkundige, eigene Meinung zu bilden. Dementsprechend sollen künftig auch in Prüfungen moderne Konzepte wie „Open Book Testing“ und internetfähige Geräte zum Einsatz kommen. Dies entspricht dann auch Bewährungssituationen, wie sie „im echten Leben“ auf die mündigen Menschen warten werden.

Die Zentralmatura als Instrument für kontinuierliche Schulentwicklung

Die Zentralmatura soll jedoch nicht nur im Sinne der Schüler_innen und Lehrer_innen nachgeschärft werden, sondern auch verstärkt als Instrument für kontinuierliche Schulentwicklung genutzt werden. Faktisch hängt das Instrument der Zentralmatura derzeit bildungspolitisch ungenutzt im Raum. Die öffentliche Akzeptanz leidet nicht nur durch wiederkehrende Pannen in der Umsetzung, sondern auch deswegen, weil sich vielen Bürger_innen die Sinnhaftigkeit nicht erschließt. Dabei liegt es doch auf der Hand, die Ergebnisse am jeweiligen Schulstandort als Ausgangspunkt für kontinuier­liche Verbesserungsprozesse heranzuziehen. Die Zentralmatura ist die umfang­reichste, jährlich wiederkehrende Evaluation der maturaführenden Schulen in Österreich – doch leider passiert mit den Ergebnissen so gut wie nichts.

Ziel der Evaluationen auf allen Ebenen des Bildungssystems muss jedoch die Ver­besserung der Schüler_innenleistungen, der Unterrichtsqualität und der Arbeitsbedin­gungen im Klassenzimmer sein. Im Mittelpunkt stehen die Schüler_innen und ihr Lernerfolg. Wenn sich die Schule als „lernende Organisation“ begreift, drängt sich die Nutzung der Zentralmatura-Ergebnisse für eine planvolle Weiterentwicklung der indivi­duellen Schulstandorte und der Unterrichtsqualität geradezu auf.

Dazu müssen die Ergebnisse der Zentralmatura nicht nur im Detail der Schulleitung und dem Schulgemeinschaftsausschuss vor Ort bekannt gemacht werden, sondern auch zusammen mit der zuständigen Behörde als Parameter für die weitere Schulent­wicklung herangezogen werden. Hierbei wäre es sinnvoll und notwendig, Schulen mit unterschiedlichen Ergebnissen als Entwicklungspartner miteinander zu vernetzen und so die Kooperation zwischen einzelnen Schulstandorten zu forcieren. Für diesen Peering-Ansatz sind eigene Projekttöpfe vorzusehen. Damit würde die Möglichkeit geschaffen werden, mit treffsicheren Maßnahmen vor Ort an Verbesserungen zu arbeiten. Diese Entwicklungsprozesse sollen professionell begleitet und evaluiert wer­den, wobei die Schulbehörde eine zentrale Rolle übernehmen soll. Sie soll so schritt­weise von einer Regulierungsbehörde zu einer professionellen Begleitung für Qualitäts­entwicklung umgebaut werden.

Als Good-Practice-Beispiel dafür können die Niederlande dienen. Die Ergebnisse der nationalen Abschlussprüfungen qualifizieren die Schüler_innen für ihren weiteren Bil­dungsweg. Sie dienen aber auch der Schulevaluation durch den Vergleich der Ergeb­nisse mit anderen Schulen. Überdies werden die Schulen mindestens einmal in vier Jahren durch mehrtägige Inspektionen evaluiert. Diese beinhalten strukturierte Check­listen für Dokumentenanalyse, Beobachtungen und Interviews. Wesentliches Merkmal jeder Schulinspektion ist die Einbeziehung von Ergebnissen der Selbsteva­luation und die Beratung bei deren professioneller Durchführung. Die Qualität der Selbst­evaluation ist auch ein wesentlicher Indikator für die Schulqualität insgesamt. Dort zeigt sich, dass


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die Einbeziehung von schulischen Selbstevaluationen nicht nur die externe Evaluation bereichert und validiert, sondern an den Schulen auch zur Schärfung des Bewusst­seins für Qualitätsentwicklung und zu einem für beide Seiten förderlichen und hilf­reichen Dialog mit der Schulaufsicht führt. Veröffentlicht werden diese Inspektions­ergebnisse gemeinsam mit der Test-statistik im Schulbericht.[8]

Auch in Südtirol ist es üblich und Vorgabe, dass jeder Schulstandort auf Basis seiner Evaluation jedes Jahr einen Entwicklungsplan auf seiner Website präsentiert. So wird Schule als „lernende Organisation“ bewusst gelebt – im Interesse und zum Vorteil aller Betroffenen und Beteiligten.

Voraussetzung für solche Entwicklungsprozesse ist die Bereitschaft und Kompetenz der Schulen, Evaluationsdaten zu interpretieren und teilweise auch selbst zu generie­ren. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit seitens der Schulaufsicht, Evaluation nicht als Kon­trollinstrument, sondern als Grundlage für ein Feedback an die Schulen zum Zweck einer evidenzbasierten Unterrichts- und Schulentwicklung einzusetzen und mit maßgeschneiderten Unterstützungsangeboten zu koppeln.

[1] https://www.bmbwf.gv.at/

[2] https://kurier.at/chronik/wien/kompensationspruefungen-schueler-wieder-alleine-gelassen/400045652

[3] https://www.krone.at/1716930

[4] https://www.openpetition.eu/at/petition/online/zentralmatura-in-mathematik-wir-wollen-eine-reform#petition-main

[5] https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/unterricht/ba/reifepruefung.html#heading_Warum_eine_neue_Reifepr_fung_

[6] https://kurier.at/chronik/wien/mathematik-zentralmatura-in-pflicht-und-kuer-aufteilen/400041322

[7] https://derstandard.at/2000080946249/Bildungsminister-will-bei-Zentralmatura-massiv-nachschaerfen

[8] Forschungsprojekt „Auswirkungen von Schulrankings auf Unterricht, Schul­orga­nisation und Bildungssystem: Internationale Erfahrungen und Schlussfolgerun-gen für die österreichische Bildungspolitik“, Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fort­bildung (Klagenfurt, Graz, Wien), Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung 2017

Aus diesem Grund stellen die unterfertigenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, ehest­möglich die Zentralmatura dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie tatsächliche Vergleichbarkeit schafft. Zudem soll ein Kriterienkatalog und Maßnahmenbündel für die interne und externe Schulevaluation entwickelt und umgesetzt werden. In weiterer Folge sollen die Ergebnisse dieser Evaluation der einzelnen Schulstandorte – und damit auch die Ergebnisse der Zentralmatura – für die Öffentlichkeit nachvollziehbar transparent gemacht werden. Dabei sind jedenfalls folgenden Punkte zu beachten

•             Die Zentralmatura soll abgeschlankt werden und sich – im Sinne einer teilzentralen Matura – nur auf jene Fächer konzentrieren, die zur allgemeinen Hoch­schulreife notwendig sind.


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•             In diesen Gegenständen soll „ein gemeinsamer Kern“ bundesweit und schultypenübergreifend einheitlich geprüft und extern beurteilt werden.

•             Gleichzeitig sollen die Schulen die Möglichkeit erhalten, schultypen- und schul-profilspezifische Inhalte mit eigenen Aufgaben schulautonom selbst abzuprüfen.

•             Bei Prüfungen im Rahmen der Zentralmatura sollen künftig verstärkt moderne Konzepte wie „Open Book Testing“ und internetfähige Geräte zum Einsatz kommen, um damit auch der Medienkompetenz zeitgemäßen Raum zu geben.

•             Die Zentralmatura ist zudem in ein umfassendes und kohärentes Evaluations- und Schulentwicklungskonzept einzubetten.

•             Ein Katalog bundesweit anerkannter Kriterien für Schulqualität und deren Evaluation soll entwickelt werden.

•             Es soll ein Rahmen geschaffen werden, in dem schulautonom kooperative Reflexions- und Entwicklungsprozesse, unter Begleitung der zuständigen Behörde, wachsen können.

•             Schulstandorte sollen verstärkt in Peering-Projekten vernetzt werden.

•             Die Schulbehörde soll so schrittweise von einer Regulierungsbehörde zu einer professionellen Begleitung für Qualitätsentwicklung im Schulsystem umgebaut werden."

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs. 2 zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antragssteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Abgeordnetem Dr. Strolz als Antrag­steller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort erteilen. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


15.00.42

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hallo (in Richtung des soeben den Saal betretenden Bun­desministers Faßmann), Herr Bildungsminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, vor allem liebe Schülerinnen und Schüler, falls ihr mit dabei seid!

Circa 45 000 Schülerinnen und Schüler haben in diesen Wochen ihre Reifeprüfung. (Abg. Jarolim: ... der Herr Bundeskanzler auch?) – Der Herr Bundeskanzler hat sie hinter sich, das ist schon ein paar Jahre her, danke der Nachfrage! Diese teilzentrale Matura, die wir haben, feiert heuer das zehnjährige Jubiläum. Sie wurde 2008 ange­stoßen, und es hat dann einige Jahre gedauert, bis sie im Klassenzimmer ankam. Heuer geht sie faktisch als politisches Projekt in die Zweistelligkeit.

Man kann sich vorstellen: Es sind 45 000 Schülerinnen und Schüler pro Jahr. Die Eltern, die Geschwister und mitunter auch die Omas und Opas fiebern mit. Jedes Jahr sind also gut 200 000 Österreicherinnen und Österreicher in dieser Frage exponiert.

Es ist so, dass an und für sich, glaube ich, eine weite Übereinkunft besteht – auch in diesem Haus –, dass das Instrument einer teilzentralen Matura sinnvoll ist. Es ist aber auch so, dass viele von uns das Gefühl haben, die Zentralmatura ist nie so richtig angekommen. Wir merken auch in der öffentlichen Berichterstattung, dass nach wie


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vor sehr viel Verunsicherung vorhanden ist. Wir merken, dass auch sehr viel man­gelnde Akzeptanz im Raum ist.

Wenn wir das aufrechnen und sagen, dass das Ding nun seit knapp zehn Jahren unter­wegs ist und der nächste Jahrgang auch schon zittert, dann summiert sich das auf fast zwei Millionen Menschen in diesen zehn Jahren, die mit einem bildungspolitisch ausgerollten Instrument zu tun hatten, das nie so richtig in die Klarheit und in die Kraft gefunden hat.

Das möchte ich ein Stück weit mitbewegen, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, dass wir diesbezüglich – das halte ich für dringlich, das müssen wir unmittelbar nach einer Matura anstoßen, sonst kommt der nächste Jahrgang in die Verun­siche­rung – in größere Klarheit kommen, dass wir bei diesem Instrument nachschärfen.

Das ist, wenn man so will, ein Abschlusspaket, das ich schnüre, denn es ist ja bekannt, dass ich mich in einer geordneten Übergabe befinde. Ich spüre an manchen Ecken und Enden die Notwendigkeit, Dinge als Übergabepaket zusammenzubinden, die mir wich­tig sind und bei denen es mir zudem realistisch erscheint, etwas bewegen zu können. Und dann möchte ich es auch ordentlich sortiert übergeben. In diesem Fall übergebe ich dieses Paket diesem Haus und dem Bildungsminister.

Ich glaube, dass wir Mehrheiten für die Nachschärfung der Zentralmatura finden können. Ich glaube, dass wir es zügig angehen müssen, damit nicht der nächste Jahr­gang mit in die Verunsicherung hineinwächst – das wären wiederum mit den engsten Angehörigen 150 000 Menschen. Und ich glaube, dass wir einfach auch aus den Pannen der Vergangenheit lernen können, sollen und müssen, denn das ist unser Job.

Was ist heuer die mediale Zuschreibung? – Man liest vom „Fünfer-Debakel“ bei der Zentralmatura. Man liest: „Hinter vorgehaltener Hand wird [...] von einem ‚gewaltigen Chaos‘ [...] gesprochen“. Man liest: „Der Wurm ist drin“. – Solche Zitate werden auch medial ausgeschildert.

Wir hatten im letzten Jahr das Gefühl, dass sich die Aufregung vielleicht beruhigt und alles in geordnete Bahnen kommt. Heuer jedoch kam es wieder zu einem Punkt, an dem viele Beteiligte den Eindruck hatten, dass die Zentralmatura noch nicht dort ist, wo sie sein sollte.

Im Rückblick ist die Zentralmatura eine Geschichte vieler Pannen. Ich glaube zwar, dass die allermeisten nicht mutwillig passiert sind, aber sie sind halt passiert und es gab Betroffene. Schlussendlich ist ja auch die Geschäftsführung des Bifie, das früher mit der Abwicklung der Zentralmatura betraut war, über diese Pannen gestolpert und wurde abgelöst. Zuletzt wurde die Abwicklung wieder ins Bildungsministerium zurück­geholt.

Ich will die Pannenserie nun nicht im Einzelnen ausschildern, denn ich glaube, Sie haben es alle noch im Ohr, dass es die letzten Jahre einfach nicht rund gelaufen ist. Meines Erachtens ist das Fazit: Es reicht nicht, an kleinen Stellschrauben zu justieren, denn wir brauchen eine Generalüberholung, die Zentralmatura muss zum Service. Wir müssen grundsätzlich daran schrauben, sonst sollte sie für das nächste Jahr nicht mehr das Pickerl bekommen. – Das ist der Eindruck, den sehr viele teilen, weswegen ich der Meinung bin, dass wir es auch gemeinsam anpacken sollten.

Zuletzt sind auch die Lehrerinnen und Lehrer aufgestanden, die vor allem betreffend Mathematik ihre Beschwerden formuliert haben. Sie sprechen davon, dass sie das Instrument „in der gegenwärtigen Form für ungerecht [halten], ungeeignet, die mathe­matischen Kompetenzen angemessen abzubilden, ungeeignet, um die Studierfähigkeit in den MINT-Fächern [...] sicherzustellen, problematisch, was den Einfluss auf den Mathematikunterricht der Oberstufe insgesamt betrifft.“


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Natürlich wird es bei solch einem Thema wie der Zentralmatura immer Beschwerden geben, das ist klar. Diese Art von Analyse, dass der allgemeine Glückszustand nicht ausbricht, werden sicherlich auch ehemalige Ministerinnen formulieren können. Man kann aber in andere europäische Länder schauen, die mit einer teilzentralen Matura schon länger Erfahrung haben. Man wird dann feststellen, dass diese in diesen Ländern als wichtiges Instrument umfassend gesellschaftlich anerkannt ist.

Es gibt zudem Länder, die dieses Instrument der Zentralmatura umfassend für Schul­entwicklungsprozesse nutzen, was mir, Herr Minister Faßmann, ein ganz besonderes Anliegen ist. Die Zentralmatura wurde vor zehn Jahren als ein Instrument angestoßen, und de facto hängt sie irgendwie ungenutzt und ein Stück weit orientierungslos im bil­dungspolitischen Raum. Es handelt sich um die größte strukturierte Evaluierung der maturaführenden Schulen Österreichs, die jedes Jahr wiederkehrend mit großem Aufwand gemacht wird. Wir bekommen immens viele Daten. Was machen wir damit? – Eigentlich nicht viel, um nicht zu sagen, nichts.

Das kann natürlich nicht sein. Ich kann es als Zwischenschritt akzeptieren, dass man sagt: Wir führen das Ding einmal ein und dann schauen wir weiter! – Im zehnten Jahr aber muss uns doch mehr dazu einfallen, als dass wir einen Datenfriedhof haben, der nicht einmal besucht und auch in keiner Art und Weise gewürdigt wird. Wir müssen einen Schritt weiterdenken, und zwar zum Wohle der Schülerinnen und Schüler, der Eltern sowie der Lehrerinnen und Lehrer.

Unsere Marschrichtung ist klar. Wohin wollen wir mit einer Zentralmatura Neu? – Wir wollen zu einer teilzentralen Matura. Diese soll erstens abgeschlankt sein, also schlan­ker als bisher sein. Zweitens soll sie wirklich einheitlich sein, denn das ist sie heute nicht. Drittens soll sie extern ausgewertet werden und nicht vom eigenen Lehrer oder von der eigenen Lehrerin. Viertens soll sie auch ein Sprungbrett für planvolle Schul­entwicklung sein.

Wir haben in Österreich wenig Tradition im Bereich der Schulentwicklung. Wir haben keine Tradition, das Schulsystem und die Schule selbst – jede einzelne – als lernende Organisationen zu begreifen. Ich sehe ein gewaltiges Weiterentwicklungspotenzial darin, wenn wir uns ein neues Mindset, eine neue Bewusstseinshaltung geben und sagen: Ja, eine Schule ist eine Organisation, und eine Organisation ist ein soziales Lebewesen! Ein soziales Lebewesen ist immer unterwegs, denn jedes Leben wandelt sich, und zwar hoffentlich zum Besseren! Man muss aber auch dranbleiben, denn wer stillhält, fällt zurück.

Machen wir einen Schritt zurück und fragen, was die Intention des Gesetzgebers war, was das Ziel der Reifeprüfung ist und wie dieses auf der Website des Bildungs­ministeriums ausgeschildert wird: „Höchstmögliche Objektivität, Transparenz und Ver­gleichbarkeit von Schüler/innenleistungen – Erhöhung der Aussagekraft von ab­schließenden Prüfungen im Sinne einer Ergebnisverantwortlichkeit“. – So steht es auf der Website. Das macht Sinn. Nun müssen wir das Instrument halt nachschärfen.

Ich gehe nun zu unseren Zielsetzungen. Abschlanken: Warum ist es uns derzeit zu breit? – Die Zentralmatura wird derzeit in zu vielen Fächern abgehalten. Sie wird in Mathematik, Deutsch und Englisch abgehalten – so weit sind wir einverstanden. Ich glaube, was wir nicht brauchen – lassen Sie uns gemeinsam darüber diskutieren, würde ich sagen –, sind die Fächer Französisch, Italienisch, Spanisch, Griechisch und Latein sowie die Minderheitensprachen Slowenisch, Kroatisch und Ungarisch – wir sind große Fans der Minderheitensprachen und haben ganz andere Vorschläge gemacht, um diese auch im Schulsystem entsprechend zu würdigen.

Ich glaube, wir sollten und können uns in einer teilzentralen Matura auf jene Fächer konzentrieren, die im Kern auch die allgemeine Hochschulreife darstellen. Man kann


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da einige Abwurfpakete formulieren, sodass wird die Matura Neu schlanker machen können.

Wir müssen sie auch, Herr Minister, in ihrer mannigfaltigen Ausgestaltung abschlan­ken, denn wenn sie wirklich vergleichbar sein soll, können wir nicht mit rund 70 Prü­fungsheften arbeiten, wie wir sie derzeit haben. Wir haben 70 verschiedene Ausformungen der Zentralmatura in den verschiedenen Fächern. Das ist halt nicht mehr einheitlich und wird dann auch dem Auftrag und dem Namen nicht mehr ganz gerecht.

Die Zentralmatura Neu soll entsprechend der Transparenz, Fairness und Vergleich­bar­keit einen gemeinsamen Kern formulieren, der wirklich zentral ist. Dieser soll einheit­lich, also unter Verzicht auf eine breite Ausfächerung nach Schultypen, und damit vergleichbar durchgeführt werden. Wichtig ist auch, dass extern ausgewertet werden soll, was in anderen Ländern völlig selbstverständlich ist.

Ich halte nichts von der internen Auswertung, also dass jener Lehrer, der die Schü­lerinnen und Schüler über Jahre begleitet hat und die Lernergebnisse gemeinsam mit ihnen erreichen soll, am Ende auch prüft. Um beim Pickerl zu bleiben - - (Abg. Hauser: Es gibt ja die Koprüfer!) – Ich stelle mir das Pickerl nicht selber aus. Das geht sich, glaube ich, nicht aus. Es gibt zwar die Anleitung, wie es zu machen ist, aber ich finde auch das problematisch. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Wenn ich mich in die Schuhe eines Lehrers oder einer Lehrerin stelle: Ich bekomme da allein für Deutsch einen elfseitigen Bogen, die Handreichung zum Beurteilungsraster. Man muss schon ein sehr gestandener Lehrer oder eine sehr gestandene Lehrerin sein, um davon nicht mehr verwirrt zu sein. (Zwischenruf der Abg. Hammerschmid.) Im Sinne der Vergleichbarkeit wird jeder diese elf Seiten ein Stück weit anders verdauen. Ich glaube, dass das im Sinne einer einheitlichen Auswertung natürlich zen­tral organisiert sein soll. Das halte ich für wichtig. Vergleichbarkeit ist also der Wunsch, auch das ist wichtig. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Ich bin nicht alleine mit diesen Vorschlägen. Rudolf Taschner – durchaus amtsbekannt hier im Haus, ÖVP-Bildungssprecher – hat in einem Interview gemeint: „Es wäre klug, wenn man die schriftliche Prüfung teilen würde. Die erste Hälfte sollte ein zentraler Teil sein, der von allen positiv bewältigbar ist.“ – Weiß ich nicht. Die Hosen müssen wir nicht unbedingt runterlassen, aber ich verstehe den Punkt. Vielleicht war es in diesem Interview unscharf rezipiert. – „Es sollte das Mindestmaß sein, das junge Leute erreichen müssen. Die zweite Hälfte sollte von Lehrern erstellt werden, die in diesem Teil zeigen können, was sie mit ihren Schülern gelernt haben und was diese besonders gut können. Es wäre damit ein Pflicht- und ein Kürteil.“

Ich bin einverstanden, wenn auch noch nicht in jedem Detail. Denken wir es im Sinne einer teilzentralen Matura: Es gibt einen zentralen Teil und einen Teil, der schul­typenspezifisch und standortspezifisch montiert werden kann. Das wäre das Ziel. Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Taschner, sind wir Verbündete auf der Reise? (Abg. Taschner: Sie werden es noch hören!) – Eine gemeinsame Zielrichtung ist immerhin schon etwas. Es ist ja nicht immer der Fall, dass Herr Taschner und ich einer Meinung sind. Ich nehme das wohlwollend zur Kenntnis. Ich sehe auch, dass Sie einen Antrag in Vorbereitung haben, der in diese Richtung zielt.

Was uns auch wichtig ist, ist die Mitaufnahme der Medienkompetenz in eine Reife­prüfung, weil wir natürlich schauen müssen, dass aus einer Reifeprüfung kein Fall fürs Museum wird. Zu sagen, dass man keine Hilfsmittel verwenden darf, das Internet nicht verwenden darf, halte ich für zunehmend problematisch. Warum? – Weil es nicht den Lebensrealitäten entspricht.


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Den Arbeitsplatz muss man mir zeigen, an dem ein junger Mensch in eine Bewäh­rungsprobe kommt und der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin sagt: Du, schau, dass du gute Ergebnisse erzielst, aber du darfst das Internet dabei nicht benutzen. – Das ist weltfremd. Wir müssen da schon auch moderne Konzepte integrieren, wie Open Book Testing und internetfähige Geräte.

Ein zentraler Auftrag des Schulsystems ist natürlich auch das, was Irmgard Griss immer als Kritikfähigkeit bezeichnet. In einer Reifeprüfung muss so etwas mitintegriert sein, das halte ich für essenziell.

Damit komme ich zu einem Bereich – schon ausgeschildert –, der mir im Sinne eines Übergabepakets immens wichtig ist, und ich hoffe, dass dieses Paket in den nächsten Jahren zur Entfaltung kommt, nämlich zum Thema Schulentwicklung. Es gibt so viele gute Geister, zum Beispiel die Leadership Academy, die von Ihren Amtsvorgän­gerin­nen angestoßen wurde. Das ist ein großartiger Beitrag zum Thema Schulentwicklung, es sind mittlerweile Tausende von Absolventinnen und Absolventen im Schulsystem verankert. Wir haben deswegen auch schon telefoniert, Herr Minister.

Diese Tradition darf nicht sterben, auch wenn Sie es budgetär nun irgendwie anders einhängen wollen. Schauen Sie, dass dieser Faden nicht abreißt, denn das wäre ewig schade! Nehmen Sie diese Tausenden von Menschen, die in ihre eigenen Leadership-Qualitäten, ihr organisatorisches Verständnis und ihr Verständnis für Schulentwicklung investiert haben, als Verbündete, denn diese warten darauf, sie wollen es und haben freiwillig bewiesen, dass sie bereit sind für mehr, dass sie MitunternehmerInnen im Schulsystem sein wollen. Nehmen Sie diese kreative Kraft und diese Kompetenz als Allianzpartnerin, geben Sie ihnen den Rahmen für gelingende Prozesse, denn das ist so wichtig!

Ich habe da ein echtes - - (Abg. Jarolim: Unterstützt der Herr Bundeskanzler diese Idee?) – Bitte? (Abg. Jarolim: Unterstützt der Herr Bundeskanzler ...?) – Der Herr Bun­deskanzler? Das weiß ich nicht. Die Frage war, ob der Herr Bundeskanzler diese Idee unterstützt. Das erschließt sich mir nicht ganz. Er ist darüber informiert, dass ich eine Passion für die Bildung habe. Er hat es an Herrn Faßmann delegiert, soweit ich es verstanden habe – und das ist schon einmal etwas. (Beifall des Abg. Jarolim. – Zwi­schenruf des Abg. Wöginger.)

Ich sehe ja, Herr Faßmann, dass Sie da mit großem Willen an die Dinge herangehen. Ich sehe, dass die Agenda, die Sie bisher bestritten haben, ein Stück weit sehr stark in der Logik dieser schwarz-blauen Regierung steht. Sie müssen halt Themen bewirt­schaften, die mit Ausländern zu tun haben – gekauft. Wir haben bei der Integration auch viele Themen, bei denen es Lösungen braucht, aber schauen Sie in den nächs­ten Monaten und Jahren bitte auch ein Stück weit über diese Ihnen auf den Weg mitgegebenen Schwerpunkte hinaus! Schauen Sie dorthin, wo es wirklich Hand­lungsbedarf gibt, nämlich in den Bereich der Schulentwicklung!

Wir sollten die Schule als lernende Organisation begreifen. Wenn man das macht, dann ist man wirklich in einer Sekunde an dem Eck, an dem man sagt: Wow, wir haben mit der Zentralmatura einen großen Schatz, einen riesigen Datenschatz. Wir haben von jeder maturaführenden Schule dieser Republik eine Batterie an Daten, und das ist doch ein wunderbarer Ausgangspunkt für Schulentwicklung. Warum nutzen wir ihn nicht? Wie kann man auf die Idee kommen, ihn nicht zu nutzen?

Ihre Amtsvorgängerin hatte schon einiges angestoßen, aber ich habe das Gefühl, dass das zuletzt wieder eingeschlafen ist. Die Frage ist: Wie gehen wir mit den Ergebnissen um? Dürfen Schulleitungen die Ergebnisse im Detail erfahren? – Ja, natürlich, darüber haben wir, glaube ich, Einvernehmen. Darf das auch der Schulgemeinschafts­aus­schuss, der SGA? – Ja, natürlich, würde ich meinen.


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Diese Daten sind Daten der Republik, der Res publica, der gemeinsamen öffentlichen Sache, weil Bildung ein öffentlicher Auftrag ist. Das ist ein öffentliches Gut – ein merito­risches Gut, sagt der Volkswirtschaftler, ein öffentliches, sagt der Liberale. Wir müssen da öffentliche Gelder investieren. Wir stehen mit jeder Faser unseres Herzens dahinter – dann sind aber natürlich auch die Daten, die wir erheben, öffentlich. Natür­lich haben sie das Potenzial, die eine oder andere Schule zu beschämen – das ist mir schon klar und das muss man auch sehr ernst nehmen, denn das kann nie der Auftrag sein.

Finnland macht nicht alles richtig, aber Finnland lebt den Grundsatz, und insbesondere skandinavische Länder sagen im Schulsystem: Kein Kind beschämen! Das ist so ein wunderbarer kraftvoller Grundsatz, da können wir in Österreich noch ganz viel lernen. Jeder von uns weiß, dass er selber oder in seinem Umfeld Erlebnisse der Beschämung in der Schule hatte, die einen ein Leben lang nicht mehr loslassen. Ich treffe immer wieder Leute, die mir erzählen, dass sie auch mit 55 von dieser oder jener Prüfung träumen, und zwar nicht im Guten, sondern einen Albtraum, der sie offensichtlich bis ans Lebensende verfolgt. Das ist nicht die Abteilung Flügelheben, nicht die Abteilung Entfaltung, da ist etwas falsch gewickelt, da kann man anders damit umgehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte!


Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS) (fortsetzend): Ich komme zum Schluss­satz: Ich bitte, dass wir hier eben die Daten der Zentralmatura nutzen, um auch in ge­deihliche Schulentwicklungen zu kommen, so wie die Niederlande – das wird ein langer Satz, aber ich komme zum Ende, Herr Präsident –, so wie Südtirol, die einen Auftrag haben, dass auf jeder Schulwebsite auch ein Entwicklungsplan für den Schul­standort steht, ich bitte um ein Bekenntnis: Wir wollen besser werden, und wir können, wenn wir wollen! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

15.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bevor ich dem Bundesminister das Wort erteile, begrüße ich unsere Pensionisten der Polizei aus Mistelbach recht herzlich. Herzlich willkommen im Hohen Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Herr Minister, Sie haben das Wort. – Bitte.


15.21.32

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und vor den Fernsehern! Die Matura stellt unzweifelhaft für viele junge Menschen eine wichtige Schnittstelle in ihrem Leben dar. Sie markiert den Abschluss einer zwölfjährigen Schullaufbahn, sie bietet die Grundlage für gute und qualifizierte Jobs und sie ist nicht zuletzt ein Türöffner für die Universitäten und Hochschulen.

Matura heißt ja bekanntlich Reife und Matura bescheinigt Reife und zertifiziert dies auch durch ein öffentliches Dokument. Matura ist daher wichtig und sie betrifft insge­samt – vollkommen korrekt dargestellt – 40 000, 42 000, 44 000 junge Menschen jähr­lich. Wir müssen uns daher ernsthaft, aber auch ernstnehmend damit auseinander­setzen.

Ich darf vielleicht gleich vorwegschicken, dass ich die Debatte, die wir hier führen, durch­aus begrüße, wenngleich ich nicht jede Zeile Ihres Antrages, Herr Strolz, so unterschreiben würde, aber das würden Sie von mir auch mit Sicherheit nicht verlangen. Ich glaube, es ist gar nicht notwendig, eine mediale Debatte zur Legiti­mation der Wichtigkeit in den Antrag aufzunehmen, denn mit welcher Diktion die Me-


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dien manche Dinge darstellen, ist nicht die Realität und schon gar nicht Ausdruck einer ernsthaften Analyse. Ich hätte es also in Ihrem Antrag weggelassen, aber ich bin ja nicht der Oberlehrer des Herrn Strolz. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Auch eine Überschrift in Ihrem Antrag – „Rückblick, eine Geschichte voller Pannen“ – geht dane­ben, denn das Maturajahr 2018 war kein Jahr voller Pannen, und knapp daneben, muss ich sagen, heißt eben auch: Ziel verfehlt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ. – Abg. Strolz: Das bezieht sich auf die zehn Jahre, die Überschrift!)

Die standardisierte Reifeprüfung ist inzwischen sehr gut organisiert, das ist ja auch ein Verdienst meiner Amtsvorgängerinnen. Dank auch an das Haus – die können das eben: vorher geheim gehaltene Prüfungsfragen für dieses Mal 42 000 Schüler und Schülerinnen zu organisieren und abzugeben. Das ist alles sehr gut organisiert.

Es hat, glaube ich, drei kleine Fälle gegeben: Irgendein Mathematiklehrer hat auf die Uhr geschaut und um eine Stunde zu früh abgebrochen. Das spricht vielleicht nicht für den Lehrer. In einem zweiten Fall sind die falschen Kuverts geöffnet worden, aber es wurden sofort die Ersatzkuverts bereitgestellt. Das ist eine Marginalie. In einem dritten Fall hatte jemand offensichtlich ein zweites Handy. Das Ersthandy wurde abgegeben, dann wurde das Beispiel schnell fotografiert und dem Nachhilfelehrer durchgespielt, aber auch das wurde identifiziert. Ich sage Ihnen also: Der Maturajahrgang 2018 wurde organisatorisch ausgezeichnet abgewickelt.

Ich sage Ihnen auch, dass es mir sehr darauf ankommt, dass diese standardisierte Reifeprüfung eine faire Prüfung ist. Sie kann selektiv sein, sie soll selektiv sein. Ich habe ja auch eingangs gesagt, dass es hier um etwas geht, hier wird sozusagen Reife durch ein öffentliches Dokument zertifiziert. Dabei geht es also schon um etwas, aber es soll fair sein.

Herr Strolz, ich habe sofort, als die schriftlichen Beurteilungen bei der Mathematik-Teilmatura im Haus bekannt geworden sind, eine Pressekonferenz einberufen und gesagt: Wir stehen derzeit bei diesem und jenem Stand, und es schaut so aus, als ob dieses Jahr die standardisierte Reifeprüfung Mathematik, schriftlicher Teil, schlechter ausfällt als im letzten Jahr! Das ist ein vollkommen legitimes Verhalten meinerseits.

In der Zwischenzeit, das wissen die Profis aus dem Schulsystem, fand die Kompen­sationsprüfung statt. Die Kompensationsprüfung ist eine auch sinnvolle Maßnahme, ein Nichtgenügend auf eine Vier oder eine Drei auszubessern, und da sind die Ergebnisse gut ausgefallen. Kompensationsprüfungen finden vor einer Prüfungskommission statt, da gibt es auch eine Art des Dialogs, und man kann dann sagen: Lieber Schüler, liebe Schülerin, meinen Sie das wirklich so? Es ist also eine gewisse Hilfestellung, aber ohne die Lösung eines Beispiels zu geben. So, wie es jetzt ausschaut, werden wir ein normales Maturajahr 2018 hinter uns lassen.

Nichtsdestotrotz, Herr Strolz, bin ich durchaus fürs Nachschärfen, das habe ich auch medial gesagt. Das Produkt ist hier schon einige Jahre auf dem Markt, und es macht nichts, nein, es ist sogar gut, wenn wir nachschauen, ob bestimmte Dinge so funk­tionieren und ob sie auch im Sinne meiner Fairness realisiert sind.

Ich habe daher auch in der Zwischenzeit eine Arbeitsgruppe eingesetzt, das heißt aber nicht, dass die Arbeitsgruppe das Thema schubladisieren soll, ganz im Gegenteil, sie soll es aktiv bearbeiten. Es sind im Wesentlichen vier Punkte, die mir auffallen – als einem, der die Zentralmatura mitverfolgt, auch als Ehemann einer Mathematiklehrerin, die mir jeden Tag von ihren Sorgen erzählt und mich teilhaben lässt. Ich habe dann auch probiert, die Maturaaufgaben zu lösen, das ist nicht ganz so einfach. Manche Dinge fallen einem auf:


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Das eine sind sicherlich die Texte. Die Texte sind schwierig formuliert, oft sehr lang und episch breit, bis man dann auf das eigentliche mathematische Problem drauf­kommt. Hier haben, glaube ich, die Autoren und Autorinnen dieser Beispiele vielleicht die Präzision zu ernst genommen oder sie wollten zeigen, dass Mathematik auch ein sehr praktisches Fach sein kann. Da werden die Geschichten vom Fallschirmjäger erzählt, der vergisst, seinen Fallschirm loszumachen und der dann irgendwann ab­stürzt, und man muss berechnen, glaube ich, nach wie vielen Sekunden er sein Amen sagen darf. Auf diese Dinge sollte es ja gar nicht so sehr ankommen, Text und Auf­gabenstellung sollen angeschaut werden.

Wir müssen uns sicherlich das Bewertungsschema anschauen, denn wenn jemand alles richtig macht, aber sich blöd bei einem Rechenfehler verhaspelt, sind das dann aber null Punkte, denn es muss alles richtig sein oder es ist nichts richtig. Diese dichotome Null-eins-Entscheidung ist also schon ein Problem.

Wir müssen sicherlich die Grundkompetenzen durchgehen. Herr Strolz, Sie haben sich für Ihren Antrag ja, denke ich, vorbereitet, und in Mathematik gibt es beispielsweise 50 Grundkompetenzen. Es ist eine Frage, ob jetzt Differentialquotient oder Differen­zenquotient eine Grundkompetenz sein muss – Herr Taschner, Sie werden mir viel­leicht in Ihrer Antwortrede dann auch Antwort geben können. Es ist eine normative Setzung einer Gruppe von Personen gewesen, die gesagt hat, dass das eine Grund­kompetenz ist. Da können wir ohne Weiteres einmal durchschauen, ob das alles so wichtig ist oder ob nicht andere Dinge wichtig sind.

Ich denke auch, dass wir überlegen müssen, ob wir die Sache an den jeweiligen Schul­typ besser anpassen, weil natürlich unterschiedliche Schultypen eine unterschiedliche Mathematik-, Deutsch- oder Englischintensität haben. (Abg. Rosenkranz: Sehr richtig!)

Ich habe eben daher eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und die Arbeitsgruppe besteht aus anderen Personen als jenen, die die standardisierte Reifeprüfung gemacht haben, denn sonst kann ich das Ergebnis vorwegnehmen: Die werden sich selbst bestätigen. Man muss eine Sichtweise von außen bekommen, und da sitzen Praktiker drinnen, auch Elternvertreter werde ich hineinnehmen, also eine durchaus beachtliche Stake­holdergruppe, und die sollen sich diese wesentlichen vier Fragen, die ich ihnen stelle, durchsehen.

Herr Strolz, da bin ich auch ganz bei Ihnen: Was wir aus der standardisierten Reife­prüfung herausbekommen, ist ein wunderbares Material für eine Evaluierung der jewei­ligen Schulstandorte. Wir wissen dann sehr gut, wo was wie gut funktioniert, Lern- und Lehrkultur können wir nachvollziehen. Das ist ein Datenmaterial, welches ausgewertet wird. Ich sehe es auch so, dass man dies den Schulen zur Verfügung stellen soll, denn Schulen sind ein lernendes System, es wäre traurig, wenn sie es nicht wären. Es ist also auch ein Ansatz dazu, selbst besser zu werden.

Ich wäre beim Abschlanken der Fächer einer Matura ein bisschen vorsichtig, denn wir brauchen dazu auch das Gegenüber, nämlich die Hochschulen, die da sicherlich ein Wörtchen mitreden müssen. Latein ist in manchen Fächern – vielleicht auch nur tra­ditionell bedingt – durchaus etwas, was wesentlich ist. Ich würde auch beim Veröf­fentlichen schulspezifischer Ergebnisse im Boulevard oder in interessierten Zeitungen vorsichtig sein, denn Sie wissen genauso wie ich, dass wir dann einen umgekehrten Effekt haben: Eltern, die es immer gut mit ihren Kindern meinen, schicken ihre Kinder dann nicht mehr dorthin, und die Schulsegregation erhöht sich.

Mein Schlusssatz: Ich habe die Optimierung selbst angekündigt. Der Antrag überrascht mich inhaltlich nicht, ich muss aber auch bei allem Respekt sagen: Ich hätte ihn nicht gebraucht, denn die Prozesse laufen in meinem Ministerium sowieso. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Ich freue mich auf die weiteren Diskussionsbeiträge. Ich danke Ihnen, Herr Strolz, für Ihr Bildungsinteresse, für Ihr Schulinteresse. Ich bin mir sicher, dass wir uns in der einen oder anderen Gasse im Bereich des Schulsystems wiedersehen werden. Ich darf auch herzlich für das gemeinsame Interesse an einer Optimierung des österreichi­schen Bildungssystems danken. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Gamon ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


15.32.47

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bildungsminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich sehe es als durchaus verständlich, dass Sie gewisse stilistische Dinge in dem Antrag kritisieren, aber es ist nicht das erste Mal, dass die Zentralmatura in den letzten drei Jahren auch durch negative Berichterstattung aufgefallen ist.

Es mag sein, dass Medien manchmal dazu neigen, Dinge etwas reißerisch darzu­stellen, ich bin aber nicht der Meinung, dass es an uns liegt, das zu beurteilen. Es ist aber sehr klar, dass es doch eine Realität, nämlich die Lebensrealität der LehrerInnen, der SchülerInnen und deren Eltern, widerspiegelt. Das ist etwas, was wichtig ist, denn die Matura ist doch ein gewisser Stress im Leben eines jungen Menschen und nicht irrelevant für das, was danach kommt, für die Möglichkeiten, die man im Leben nach der Matura hat.

Es ist in den letzten Jahren ja schon ein wenig die Hoffnung aufgekeimt, dass es jetzt zu einer gewissen Routine kommt. Es war für uns ein wenig überraschend, dass auch dieses Jahr die Ergebnisse in Mathematik so außerordentlich schlecht ausgefallen sind. Auf Ihrer Website haben Sie selbst dargelegt, „dass der Anteil der mit Nicht­genügend beurteilten Arbeiten in Mathematik höher ist als im vergangenen Jahr“. Die Medien haben das als „Fünfer-Debakel“, „Nicht genügend für die Zentralmatura“ und so weiter bezeichnet.

Sie haben darauf reagiert – das haben Sie ja jetzt auch gesagt –, indem es gewisse Sofortmaßnahmen für die Kompensationsprüfung gegeben hat. Die Volksanwaltschaft, die erst vorhin hier vertreten war, hat das sehr kritisch gesehen. Es geht darum, dass diese Sofortmaßnahmen, die jetzt für diese Kompensationsprüfungen vorgeschlagen wurden, eigentlich den Zielen der Zentralmatura vollkommen widersprechen und das, was ursprünglich die Idee war, nämlich die Vergleichbarkeit und so weiter, ein wenig ad absurdum führen.

Das möchte ich genauer ausführen. Ein Teil dieser Sofortmaßnahmen ist, dass sich die Aufgaben nur auf allgemeine Themen beziehen, dass in der mündlichen Kompen­sa­tions­prüfung ausschließlich Grundkompetenzen nachzuweisen sind, dass der Beurtei­lungsschlüssel noch einmal überprüft und qualitätsgesichert wird und so weiter und so fort.

Das hat eigentlich alles schon stattgefunden, und wir reden jetzt im Nachhinein da­rüber. Es hat ein paar verwundert, warum wir jetzt über die Zentralmatura reden, ob­wohl sie schon vorbei ist. – Damit es nächstes Jahr besser wird! Später hätte man das gar nicht machen sollen, sondern es ist gut, dass wir das jetzt thematisieren, wenn es auch noch in den Köpfen drinnen ist, dass das ein wichtiges Thema ist, damit es nächstes Jahr nicht wieder zum selben Problem kommt.

Bei diesen Kompensationsprüfungen hätte jetzt eben quasi gerettet werden sollen, was noch zu retten ist. Das klingt aber wie ein Herunterschrauben der Anforderungen, und Sie haben gerade erwähnt, dass das auch eine Sache ist, die man eigentlich mit den


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Unis zu diskutieren hat. Woher kommen denn diese Anforderungen und warum machen wir das eigentlich? Auch da hat es einige Unklarheiten gegeben, wie zum Bei­spiel, dass es lange geheißen hat, dass diese Zusatzbeispiele nicht auf der Website zu finden waren. Laut „Kurier“ wurden die LehrerInnen für die Vorbereitungsstunden nicht bezahlt, Medienberichte wiederum haben gesagt, dass das ein gewaltiges Chaos ist und dass bei der Zentralmatura von Anfang an der Wurm drinnen war. Das war dann letztendlich das Urteil.

Reden wir aber darüber, was in Zukunft gemacht werden soll, was laut dem Minis­terium mittelfristige Maßnahmen sind, nämlich eine Evaluation des Ganzen, bei der auch die Überprüfung des Beurteilungsschemas beinhaltet werden soll, eine Analyse des Erstellungsprozesses und der Qualitätssicherungsmaßnahmen und so weiter und so fort! Reden wir doch darüber, was grundsätzlich mit der Zentralmatura passieren wird! Reden wir darüber, was wir von der Zentralmatura wollen und wozu wir sie eigent­lich brauchen!

Was bedeutet zum Beispiel mittelfristig bei der Evaluation? Soll das noch Jahre dau­ern – abgesehen davon, dass diese Evaluation hätte begleitend sein sollen und es zu Teilen dieser Punkte bereits seit Jahren eigentlich auch schon Material im Ministerium gibt?

Es hat eine Studie gegeben, ein Forschungsprojekt, bei dem es darum gegangen ist, wie sich Schulrankings generell auf den Unterricht auswirken. Es ist ja auch ein wichtiger Zusatzpunkt bei der Zentralmatura, dass dadurch – auch was diesen Punkt betrifft – überhaupt erst einmal die Vergleichbarkeit bei Schulen möglich wäre.

Was soll eine Zentralmatura eigentlich leisten können? Warum brauchen wir das Ganze, warum war die Idee ursprünglich so wichtig? Ist nicht die jetzige Situation ein Beweis dafür, dass wir eben – wie es Matthias schon gesagt hat – nachschärfen müs­sen, um dieses ursprüngliche Ziel der Zentralmatura überhaupt erst einmal erfüllen zu können?

Wir haben derzeit an unterschiedlichen Schulstandorten sehr unterschiedliche Aus­gangs­punkte und Ausgangssituationen für die Zentralmatura, und es ist offensichtlich, dass Chancengerechtigkeit sowohl für die SchülerInnen als auch für die Schul­standorte in diesem Zusammenhang ein unglaublich relevanter Parameter ist. Beim Thema Chancengerechtigkeit geht es oft stark um Elementarpädagogik in den Volks­schulen, und manchmal lassen wir aus den Augen, dass auch bei der Matura die Unter­schiedlichkeit der Schulen ein ganz großer Faktor ist. Das ist aber eigentlich nichts Negatives, sondern es ist im Rahmen der Schulautonomie etwas ganz Wich­tiges, dass die Schulen auch die Möglichkeit haben, im Sinne einer Profilbildung auf ihre eigenen wichtigen Punkte, die ihre Schule wirklich ausmachen, mit denen sie sich hervorheben und von anderen abheben, aufmerksam zu machen.

Das ist mit ein Grund, warum wir so stark für die teilzentrale Matura plädieren. Es soll einerseits in diesem Bereich, der eben zentral sein soll, die Möglichkeit geben, eine echte Vergleichbarkeit zu schaffen, dass man sich wirklich auf die Grundkompetenzen konzentrieren kann, die zur allgemeinen Hochschulreife führen und dafür auch notwendig sind. Auf der anderen Seite sollte man aber auch sehr viel Raum für die Profilbildung an den Schulen lassen, wozu man auch gerne immer wieder von Leh­rerinnen und Lehrern zu hören kriegt: Das sind die Themen, in denen unsere Schü­lerinnen und Schüler ganz besonders ausgebildet sind, auch weil sie sich bewusst für diese Schule entschieden haben, weil sie diesen Fokus setzen wollen, weil sie sich auf diesem Gebiet weiterbilden und spezialisieren wollen. – Darauf soll und kann Rücksicht genommen werden, das ist etwas, was man bei einer grundsätzlichen Reform der Zentralmatura hin zu einer teilzentralen Matura unbedingt berücksichtigen sollte.


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Wir sind der Meinung, dass die Zentralmatura so funktionieren soll, dass sie diesen Namen auch verdient. Eine Zentralmatura ist nur dann zentral, wenn wir das Ganze auch so abwickeln können. Es sollte zum Beispiel auch keine mündlichen Kompen­sationsprüfungen mehr geben, sondern stattdessen eine zweite Chance, um in diesem bestimmten Fach die Matura schriftlich noch einmal zu machen.

Im Übrigen ist die mündliche Kompensationsprüfung eigentlich nicht dazu da, um Schülerinnen und Schülern zu sagen: Bist du dir sicher, dass du das so machen wolltest? – Das ist nicht Sinn und Zweck einer Zentralmatura und eigentlich auch nicht einer Kompensationsprüfung. Wenn, dann ist das allerhöchstens zum Schluss noch einmal eine Methode, um zu schauen, ob man die Leute doch noch einmal rüberkriegt, aber das hätte es nie sein sollen. Deshalb macht man es besser grundsätzlich schon einmal gescheit und gibt den Schülern eine zweite Chance, um die Matura in diesem Fach noch einmal schriftlich zu wiederholen, es ordentlich zu machen.

Damit das aber möglich ist, müssen wir ehrlich darüber reden, was wir von der Zentral­matura wollen, müssen zum Schluss auch den Mut aufbringen, die Ergebnisse so ver­gleichbar darzustellen, dass man auch sagen kann: Es gibt Schulen, die dies­bezüglich Nachholbedarf haben. Dann müssen wir zu Eltern und SchülerInnen ehrlich sein, was die Leistungen betrifft, die an einer gewissen Schule aufgrund der Rahmenbe­dingun­gen möglich sind, und auch was die Profilbildung in Bezug auf bestimmte Themen betrifft, auf die sich die Schule konzentriert. Dann hätten wir, glaube ich, ein Zentral­maturasystem, das auch fair gegenüber den LehrerInnen, den SchülerInnen und den Eltern ist.

Fairness war ja auch etwas, worauf Sie sehr viel Wert gelegt haben, Herr Minister. Deshalb hoffe ich, dass wir sehr konkret über unseren Vorschlag zur teilzentralen Matura diskutieren können und nicht nur über die Stilkritik zu manchen Formulierungen im Antrag. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

15.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gäste von der Neuen Mittelschule Eggersdorf recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte.


15.41.45

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Lieber Herr Kollege Strolz! Ich kann durchaus nachvollziehen und finde es auch außeror­dentlich sympathisch, dass Sie sagen: Jetzt, da ich gleichsam den Schwanengesang in diesem Parlament halte, werde ich mich dem Zukunftsthema widmen, dem Thema Matura. – Ich kann mich nur dafür bedanken, dass Sie in Ihrer Rede auch meinen Namen genannt haben, was mich sehr ehrt.

Nebenbei gesagt, fühle ich mich auch deshalb geehrt, weil ich schon im Jahre 2008, als dieses Projekt in Gang gesetzt wurde, versucht habe, eigene Gedanken darin einfließen zu lassen – beziehungsweise waren es nicht einmal eigene Gedanken. Ich habe viele Ideen von einem niederländischen Mathematiker bekommen, der wirklich ein guter Mathematikdidaktiker ist, nämlich Jan de Lange, und diese Ideen versuchte ich einzubringen.

Ich habe es auch über die Medien gemacht, aber es war damals so: Ministerin Schmied hatte diese Idee der Zentralmatura, die eine gute Idee ist, einzubringen versucht, und es meldeten sich dann die Scharen derer, die die Bildungsexperten sind und gemerkt haben: Die Spielwiese ist offen, sodass wir unsere im Elfenbeinturm entstandenen Ideen des didaktischen Daseins in dieser Matura verwirklichen können. –


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Da gibt es dann 50 Kompetenzen in Mathematik. Ich kenne diese Kompetenzen nicht – obwohl ich die Mathematikgrundvorlesungen für künftige Elektrotechnikerinnen und Elektro­techniker halte –, ich brauche sie auch nicht zu kennen, ehrlich gesagt. Ich weiß ungefähr, worum es geht.

Jetzt müssen wir aber auf der Technischen Universität Nullerkurse machen. Nuller­kurse heißt, wir müssen den jungen Damen und Herren beibringen, was ein Doppel­bruch ist, damit sie nicht davor erschrecken, und dass Sinus und Kosinus eine gewisse Bedeutung haben. Die wissen das wirklich nicht! Das ist auch Geldverschwendung, denn diese Nullerkurse müssen ja irgendwie bezahlt werden. Wir wollen doch, dass die Leute, die bei uns zu studieren beginnen, über so viel Wissen verfügen, dass wir mit einer höheren Mathematik beginnen und diese den jungen Damen und Herren bei­bringen können.

Auf dieser Spielwiese haben sich die Bildungsexperten jedenfalls ausgetobt, haben Kompetenzlisten erstellt und dann die Beispiele ihren Kompetenzlisten gemäß verortet. Dann kommen Beispiele vor wie zum Beispiel beim Nebentermin im Jahr 2017, das zweite Beispiel bei der Mathematikmatura der AHS, das so dumm gestellt war, dass es effektiv falsch war. Die, die das gestellt haben, haben nicht einmal gewusst, dass es falsch ist, weil sie einen Lösungsvorschlag gegeben haben, der natürlich falsch war. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Man muss sich das einmal vorstellen – feldgetestet! Das Beispiel hat nämlich nicht gelautet: Hier ist eine quadratische Gleichung, bitte löse sie – das macht man ja nicht mehr, denn das würde ja zum Rechnen führen, das tun wir uns nicht an –, wir müssen da unsere abstrakten Kompetenzen durchführen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das war diese Spielwiese und die haben wir jetzt sozusagen immer vor uns. Daher kommt auch diese Textlastigkeit. Daher kommt auch folgendes Phänomen: Man fragt: Was kommt nach Montag? – Dass die Antwort „Dienstag“ lautet, wird aber so ver­klau­suliert gefragt, dass man sich fragt: Muss ich wirklich „Dienstag“ antworten? – Das ist wirklich kompliziert gemacht. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Jammer ist letztendlich, dass das nicht Mathematik ist. (Abg. Schieder: Was haben jetzt die Wochentage mit Mathematik zu tun?) – Das frage ich mich auch. Das haben nämlich auch die Mathematikprofessoren an deutschen Hochschulen gefragt, die gegen die Matura in Hamburg und in Niedersachsen gewettert und gesagt haben, diese Beispiele sind nicht geeignet für ein WIMINT-Studium – Wirtschaft, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, das, was wir wirklich brauchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem die Bildungsministerinnen der vori­gen Regierungen gesagt haben: Nein, weiter so – Sie kennen das –, wir wissen zwar, dass dieser Weg falsch ist, nehmen aber den nächsten Gang und fahren weiter so (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek), haben wir jetzt endlich die Möglichkeit, zu sagen: Wir beginnen, neu darüber nachzudenken. – Das ist gut so und dafür sind wir dem Bildungsminister dankbar. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Strolz, ich verstehe es, dass Sie sagen: Jetzt möchte ich das noch irgend­wie auf Schiene bringen!, aber wissen Sie, wir müssen zum Beispiel die Deutsch­förderklassen auf Schiene bringen (Abg. Strolz: Ja!), weil wir wollen, dass die Kinder, die in diesem neuen Schuljahr in die Klassen kommen, wirklich davon profitieren können. Die müssen wir schnell auf Schiene bringen; bei der Matura aber haben wir Gott sei Dank Zeit, nachzudenken. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Sie geben Lösungsvorschläge, über die können wir natürlich diskutieren. Wir müssen nicht alle Lösungsvorschläge eins zu eins übernehmen, aber wir wollen doch bitte


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darüber nachdenken. Ich schlage vor, dass wir wirklich einen tiefen Nachdenkprozess beginnen, der nicht nur von den sogenannten Bildungsexperten geführt wird, sondern vor allem auch von denen, die wirklich Experten sind. Das sind die Damen und Herren, die unterrichten und wissen, was sie mit ihrem Fach machen wollen. Deren Ideen wollen wir uns anhören. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was soll die Matura?, wird gefragt. Es wird immer von Vergleichbarkeit gesprochen, und damit müssen wir die Diversität in gewis­ser Hinsicht in Einklang bringen. Das ist ja nicht ganz so einfach. Was versteht man denn unter Vergleichbarkeit?

Matura soll in Wirklichkeit zweierlei sein, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auf der einen Seite will ich die Kontrolle haben: Ist wirklich das gemacht worden, wovon ich als Staat erwarte, dass es die jungen Leute können, damit sie studierfähig sind? Auf der anderen Seite ist es der Leistungsnachweis: Wir wollen zeigen, was wir können. – Beides soll ineinandergeflochten werden.

Ich glaube, der Leistungsnachweis ist vielleicht sogar das Interessantere, weil wir unseren Damen und Herren, die unterrichten, ja vertrauen können, dass sie wirklich diese Leistungsfähigkeit bei den Kindern hervorbringen, dass sie wirklich unterrichten können. Und nachdem man unterrichtet hat, sagt man: Schaut, das können unsere Schüler, sie zeigen, was sie können, und mit diesem Wissen können sie dann auch studieren oder vielleicht auch gleich in die Wirtschaft gehen und erfolgreich werden!

Die Matura dient dazu, dass wir den jungen Leuten sagen: So, jetzt habt ihr eine Stufe erreicht und habt eine neue Chance, und diese wird euch fair gegeben! – Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird jetzt gelingen, und ich hoffe, dass es auch gut gelingen wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Dr. Hammerschmid gelangt zu Wort. – Bitte.


15.48.38

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich würde gerne mit Fakten und einem Blick zurück auf die Genese, auf die Entstehung der standardisierten Reife- und Diplomprüfung, vulgo Zen­tralmatura, beginnen.

Ich möchte noch einmal die Ziele vor Augen halten, die damals handlungsanleitend dafür waren, dass man diese Zentralmatura eingeführt hat: Fairness, Transparenz, Objektivität, Vergleichbarkeit. Es geht darum, die Grundkompetenzen – und ich betone es noch einmal: die Grundkompetenzen – in den Fächern Mathematik, Deutsch und lebende Fremdsprachen zu überprüfen, sprich jene Grundkompetenzen, die in den Lehrplänen als unverzichtbare Lernziele definiert sind.

Diese sind noch dazu jeweils an die Schultypen angepasst, also zugeschnitten auf die AHS und auf die unterschiedlichen Typen der berufsbildenden höheren Schulen. Es ergeben sich daraus nicht 70 Pakete, sondern 33 unterschiedliche Prüfungspakete für diesen schriftlichen, zentral abgeführten Teil. Dieser zentrale Teil ergibt gemeinsam mit den vorwissenschaftlichen Arbeiten und mit den Schwerpunktfächern, die mündlich abgeprüft werden, die allgemeine Hochschulreife.

An dieser Stelle sei in Richtung Frau Gamon bemerkt: Die jetzige Zentralmatura – da Sie so betont haben, dass die Schwerpunkte der Schulen stärker in den Mittelpunkt


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kommen und abgeprüft werden sollen – ist, wenn Sie so wollen, eine teilstandardisierte Reifeprüfung, denn die Fragestellungen im mündlichen Teil liegen in der Verant­wor­tung der Pädagoginnen und Pädagogen an den Schulen und bilden genau diese Schwerpunkte der Schulen entsprechend ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch mit einem Mythos aufräumen, der jetzt immer wieder im Raum stand, nämlich dass diese Fragen irgendjemand im stillen Kämmerlein erstellt und so das Schul­system besonders herausfordern beziehungsweise Lehrer oder Schülerinnen und Schüler quälen will. Das stimmt nicht. Es sind 180 Pädagoginnen und Pädagogen, die eigens dafür geschult sind, die tagtäglich in den Schulen unterrichten, in allen Bundes­ländern, in allen Schultypen. Diese Fragen werden von Praktikerinnen und Praktikern erarbeitet. Es gibt ein Qualitätssicherungssystem, in das zahlreiche ExpertInnen einge­bunden sind – aus den Fächern, aus den wissenschaftlichen Fächern, aus der Didaktik, aus der Testtheorie und aus allen Ebenen des Schulsystems. (Ruf bei der ÖVP: So schaut’s auch aus!)

Erstellte Fragen werden in Feldtestungen mit Tausenden Schülerinnen und Schülern genau darauf überprüft, ob sie machbar und verständlich sind. Das ist, wie ich meine, ein recht gut abgesichertes Kriterienset, um diese Fragen zu testen (Ruf: Nein, ist es nicht!), und nur jene Fragen, die all diese Kriterien erfüllen, kommen in den Fragenpool für die Matura. So weit, so gut.

Lieber Matthias! (Abg. Strolz: Ja?) Der Prozess der Einführung der standardisierten Reife- und Diplomprüfung ist politisch seit zehn Jahren auf dem Weg, da gebe ich dir schon recht, aber im Vollausbau, mit der Teilnahme aller Schulen, haben wir jetzt genau drei Jahrgänge. Es gab eine Pilotphase, es wurde 2015 evaluiert. Auf Basis dieser Evaluierung hat man gelernt und hat dann erstmals 2015/16 alle Schülerinnen und Schüler der AHS und BHS in diese Reifeprüfung übernommen. Das heißt, das Projekt ist jung, und es ist ein großes Projekt, das da gestartet wurde.

Klar ist, dass man aufgrund dieser fehlenden langjährigen Erfahrung bezüglich der zentralen standardisierten Reife- und Diplomprüfung jedes Jahr aufs Neue hinschauen muss, dass man schauen muss, ob das passt, ob die Kriterien wirklich erfüllt sind, und dass man natürlich Verbesserungsmöglichkeiten immer wieder aufnehmen muss, und das ist in den letzten Jahren geschehen.

Im Übrigen lohnt auch ein Blick über die Grenzen. Es ist ganz, ganz klar, dass die Einführung eines so großen Themas wie der Zentralmatura Kinderkrankheiten hat und dass da immer wieder nachjustiert werden muss, selbst bei bester Vorbereitung. Das soll keine Ausrede sein, aber ich finde, dass gerade in den drei Jahren des Voll­ausbaus, in denen wir jetzt alle drinnen hatten, recht viel geglückt ist. Von organi­satorischen Pannen war da gar nichts mehr zu sehen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić.)

Anstatt jetzt herzugehen und an den Grundfesten zu rütteln, zu sagen, wir hauen jetzt alles wieder über den Haufen und fangen an, neu nachzudenken, finde ich, dass wir bei diesem Thema zentrale Reifeprüfung dranbleiben, hinschauen, nachevaluieren, nachjustieren und es besser machen sollten. Ich denke, das ist der richtige Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir international schauen – das wurde heute immer wieder erwähnt –, dann sehen wir, dass ganz Europa zentrale Reifeprüfungen abführt, in unterschiedlichen Ausformungen.

Ich nehme zwei Beispiele heraus. In Frankreich gibt es bei der Reifeprüfung nur zentral erarbeitete Fragen, auch mündlich. Geprüft wird über Externe, das stimmt. In Finnland läuft bei der Reifeprüfung alles nur schriftlich, da gibt es überhaupt keinen mündlichen Teil mehr. Die Fragen werden zentral gestellt, von den eigenen Lehrern korrigiert, aber


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immer auch von einem externen Lehrer kontrolliert. Das heißt, wir sind da, wie ich meine, wirklich auf dem richtigen Weg.

Du sagst, du würdest diese Ergebnisse der zentralen Reifeprüfung gerne in die Schulentwicklung einfließen lassen. Ja, genau, das haben wir auch getan. Das war das Erste, was ich 2016 gemacht habe, als ich ganz neu ins Amt gekommen bin und die Zentralmaturaergebnisse bekommen habe. Ich habe die Ergebnisse gesehen, habe gesagt, da muss man genau hinschauen und mit jenen Schulen arbeiten, die nicht so gut abschneiden. Ich habe die Schulaufsicht und auch mein Haus dazu angehalten, genau diese Prozesse einzuleiten, zu lernen, Schulentwicklung zu machen.

Dabei geht es aber nicht nur um Zentralmaturaergebnisse, sondern auch um Bildungs­standards, um Pisa-Daten – all diese Ergebnisse haben wir. Die müssen wir in solche Schulentwicklungsprojekte aufnehmen, und mit dem Bildungsreformpaket ist die Schulentwicklung in den Mittelpunkt gerückt. Genau das muss dort passieren: Peer-Learning, Schulentwicklung auf Basis von Bewertungen, Leistungsvereinbarungen, Entwicklungsplänen – aber genau das ist auf den Weg gebracht. Das habe ich selbst noch angestoßen, die Prozesspläne zur Ausrollung sind bereits in Kraft. Schulen sollen reflektierte, lernende Systeme sein und noch besser werden, das ist ganz, ganz klar und dazu gibt es auch meine Unterstützung.

Wenn wir schon über die zentrale Reifeprüfung und über Weiterentwicklungs­möglich­keiten reden, möchte ich noch einen Gedanken einbringen, der mir wirklich überle­genswert erschiene, nämlich jenen, die Jahresnoten mit in die Bewertung zur Matura einfließen zu lassen. Das ist jetzt keine Idee, die mir gerade eingefallen ist, auch da nützt der internationale Blick. Es gibt Länder, die diesbezüglich Vorbilder sind. So werden beispielsweise in Bayern vier Zeugnisnoten in die Bewertung zum Abitur hin­eingenommen. Auch andere Länder haben diesen Weg gewählt, weil es eine Möglich­keit ist, den Einfluss punktueller Tagesverfassungen auf die Gesamtnote zu senken.

An der Universität, das ist ja meine Herkunft, haben wir bei den Aufnahmeprüfungen für die Veterinärmedizin immer die Jahreszeugnisse und die entsprechenden Noten der entsprechenden Fächer in der Zusammenschau, ob das Aufnahmeverfahren be­stan­den wurde oder nicht, miteinfließen lassen. Das könnte ein Weg sein, um in die zentrale Reifeprüfung eine neue Dimension, eine neue Dynamik hineinzubekommen.

Herr Bundesminister Faßmann, ich danke Ihnen sehr dafür, dass Sie sagen: Es ist für mich selbstverständlich, dass ich analysiere, dass ich hinschaue und dass ich weiter­entwickle. – Das war auch unser Weg. Ein Entschließungsantrag dürfte ja unterwegs sein; ich finde es spannend, wenn die eigenen Parteien Sie auffordern, etwas zu tun, das Sie ohnehin machen. (Heiterkeit des Bundesministers Faßmann.) Danke, dass Sie es tun. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.


15.57.00

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuhörer, Zuhörerinnen und Zuseher, Zuseherinnen vor den Bild­schirmen und auf der Galerie! Frau Kollegin Hammerschmid! Das war heute ein bisschen eine Bewerbungsrede in Richtung des Herrn Ministers: Vielleicht haben Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) bei Ihnen im Ministerium etwas frei?

Ich muss Ihnen heute in weiten Teilen beipflichten. Man merkt, dass Sie die Oppo­sitionsrolle noch nicht ganz gefunden haben und NEOS gegenüber etwas verteidigen, was Sie nicht müssen (Zwischenrufe bei der SPÖ), was aber vielleicht auch ehrlich


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ist – in diesem Fall ein Kompliment –, weil Sie natürlich in den letzten zehn Jahren – nicht nur Sie persönlich – für die Durchführung der Zentralmatura verantwortlich waren.

Zum Dringlichen Antrag der NEOS: Ich fühle mich da immer ein bisschen an meine jungen Zeiten im Chronikjournalismus erinnert. Da sind jedes Jahr zu Beginn und gegen Ende des Schuljahres in den Zeitungen, im Radio und so weiter immer wieder die gleichen Geschichten gekommen; so ähnlich ist es hier. Jedes Mal, wenn die Matura ansteht – da haben Sie natürlich recht, Herr Kollege Strolz –, redet die Öffentlichkeit darüber, und dann versinkt das Ganze im Untergrund.

Ich bin Ihnen an dieser Stelle sehr dankbar dafür, dass wir die Gelegenheit haben, heute hier über die Zentralmatura oder die standardisierte Reife- und Diplomprüfung, aber auch über Bildungspolitik generell zu reden. Das ist, finde ich, immer wichtig. Ich muss aber sagen, dass wir nicht zu jenen gehören, die immer nur am Schulschluss oder gerade, wenn es anlassbezogen ist, daran denken, sondern wir denken über solche Dinge und solche Fragen natürlich laufend nach. So ist es auch kein Zufall – der Herr Minister hat es ja schon angedeutet beziehungsweise gesagt und Kollege Taschner auch –, dass wir bereits im November etwa im Regierungsprogramm klar und deutlich festgehalten haben, dass wir uns die standardisierte Reife- und Diplomprüfung entsprechend anschauen werden, und zwar vor allem unter gewissen Gesichtspunkten.

Wir bekennen uns natürlich klar dazu, das ist keine Frage, aber es geht auch darum, dass wir uns die Durchführungsbestimmungen anschauen, dass wir uns die Beurtei­lungs­kriterien anschauen, dass wir natürlich darauf schauen werden, Rücksicht auf das differenzierte Schulsystem zu nehmen – Stichwort teilzentral –, und dass wir uns natür­lich auch die Zulassungskriterien anschauen wollen.

Dass das ehestmöglich zu passieren hat, ist auch keine Frage – no na net –, aber ich glaube, nach dem Motto Speed kills darf man nichts übers Knie brechen und muss natürlich schauen, dass man qualitätsvoll arbeitet, dass man entsprechend zu schauen versucht, wo der Hund tatsächlich begraben liegt.

Wenn Sie von den Medienberichten sprechen, die von Pannen handeln, die da oder dort passiert sind, muss ich sagen: Überall, wo Menschen am Werk sind, passieren auch Fehler. Das ist vielleicht auch in Zukunft nicht ganz vermeidbar, aber ich finde, die großen Pannen sind tatsächlich ausgeblieben, wenn man da an die Vergangenheit denkt, daran, was das Bifie etwa gemacht hat.

Wir alle wissen, und da sind wir uns, glaube ich, einig, dass es eben Probleme gibt, beispielsweise mit der Textlastigkeit in der Mathematikmatura – das hat Kollege Taschner sehr schön ausgeführt –, dann aber natürlich auch generell in der Frage der Beur­teilungskriterien, Stichwort Kompetenzaufteilung, und eben letztlich auch im Bereich der Rücksichtnahme auf die Differenzierung unseres Schulsystems. Wenn es so ist, dass beispielsweise Schüler in einem sprachlichen Gymnasium die gleich schwere Mathematikmatura zu absolvieren haben wie jene in einem Realgymnasium, wo es naturgemäß mehr Stunden Mathematikunterricht gibt, so sind das Dinge, die wir uns definitiv anschauen müssen. (Abg. Rosenkranz: Richtig!)

Bei mir – ich gehe schon wieder in meine Vergangenheit zurück – ist es heuer 20 Jah­re her, dass ich maturiert habe – alt wird man! –, und ich kann mich erinnern, schon damals – Ende der 1990er-Jahre war das, 1998 – ist in mir der Gedanke gereift, dass es natürlich wichtig ist, dass man faire Beurteilungskriterien hat. Mir ist damals auf­gefallen, dass ehemalige Schulkollegen, die andere Schulen besucht haben, es in der einen Schule nicht geschafft haben und in einer anderen Schule plötzlich Vorzugs­schüler waren. Man sagt, das kann es einfach nicht sein, das darf nicht sein. So ge­sehen ist der Grundgedanke einer standardisierten Reifeprüfung ein absolut richtiger,


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darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Trotzdem müssen wir uns dabei natürlich anschauen, wie weit es auf der einen Seite auf die unterschiedlichen Schul­typen Rücksicht zu nehmen gilt und andererseits unter Umständen auf unterschied­liche Ansprüche im Zusammenhang mit dem, was die Schulen machen wollen. Da sind wir dann in gewisser Weise bei einer Autonomiefrage.

Eines muss man auch festhalten – das hat der Herr Minister schon gesagt –: Natürlich ist es auch so, dass Schule die Aufgabe hat, bis zu einem gewissen Grad zu selek­tieren. Das darf meines Erachtens natürlich nicht erst bei der Matura oder bei der Zen­tral­matura am Schluss einer Schullaufbahn sein, das sollte schon vorher passieren.

Wir haben eine Reihe von Maßnahmen im Regierungsprogramm festgehalten, so dass wir Kindern und Schülern die Möglichkeit geben, sich auf ihrem Bildungsweg richtig zu orientieren, es muss darin aber eine gewisse Qualität enthalten sein. Die Matura ist eben auch ein – sage ich einmal – Meilenstein oder eine Wegentscheidung darüber, ob jemand die allgemeine Hochschulreife hat oder nicht.

Da ist es bei aller Differenzierung eben so wichtig, dass man einheitliche Befähigungen hat. Wenn ich von Kollegen Taschner höre, dass es beispielsweise Maturanten gibt, die nicht wissen, was ein Doppelbruch ist, oder von anderen, Geisteswissenschaftlern beispielsweise, dass es Schüler gibt, die nach bestandener Matura nicht wissen, wann die Republik gegründet worden ist, muss man natürlich nachschauen, denn dann wis­sen wir, dass wir arbeiten müssen, sodass wir eine faire Matura, die auch qualitätsvoll ist, zustande bringen.

Abschließend darf ich noch all jenen jungen Damen und Herren, die dieser Tage ihre Matura schon erfolgreich bestanden haben, recht herzlich dazu gratulieren, und jenen, die die mündliche noch vor sich haben, viel Erfolg wünschen. Wir werden weiter dafür arbeiten, dass unsere Kinder eine entsprechende Zukunft haben, dass wir eine quali­tätsvolle Schule und Bildungspolitik machen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cox. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.02.45

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minis­terin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein Danke an Herrn Kollegen Strolz für das Abschiedsgeschenk – so sehe ich das im Moment. Zum Geschenk komme ich gleich, ich werde es gleich auspacken. Bevor ich aber das Ge­schenk auspacke, würde ich gerne dem Rat von Herrn Kollegen Taschner folgen und noch schnell einen tiefen Nachdenkprozess starten, und zwar indem ich mir prinzipiell die Frage stelle: Was ist die Matura eigentlich? – Sie haben vorhin gesagt, es geht um die Reife, Sie haben den Abschluss der Schullaufbahn erwähnt und ihn als Grundlage und Türöffner für Unis bezeichnet.

Von anderen Kollegen wurde gesagt, dass die Studienfähigkeit getestet wird, es also quasi darum geht, eine Hochschulreifeprüfung zu machen. Würden Sie mir zustimmen: Hochschulreifeprüfung? Also wenn es heißt, das ist eine Hochschulreifeprüfung, so heißt das: Wer die Matura geschafft hat, ist fürs Studium bereit. So würde ich es einmal zusammenfassen. (Ein Schriftstück fällt vom Rednerpult zu Boden.) – Jetzt fällt mir ein Zettel hinunter, den hebe ich auf. Beim Nachdenken muss man kurze Pausen ein­legen.

In den letzten Jahren wurden immer mehr Studieneingangsprüfungen geschaffen, und ich muss mir hier in diesem Nachdenkprozess einfach die Frage stellen: Warum müs­sen SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern diesem Stress der Matura ausgesetzt wer-


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den? Ich selber habe diesen Stress durchgestanden, und viele – es wurde schon erwähnt – gehen gerade durch diesen Prozess.

Wenn man die Matura heute nicht mehr als Hochschulreife anerkennt, wenn es so ist, dass man Zugangsprüfungen an den Unis machen muss, ist die Frage: Ist es dann wirklich eine Hochschulreifeprüfung? Braucht es dann die Aufnahmetests, oder ist es so, dass man eigentlich die Hochschulreifeprüfung braucht? – Das ist ein bisschen so, kommt mir vor, als würden wir vor einer Kreuzung stehen und sagen: Okay, entweder oder! Das ist eine Anregung. Wir stehen hier quasi vor einer Kreuzung, und man muss sich prinzipiell die Frage stellen, wie wir in Zukunft mit dem Thema umgehen wollen.

Jetzt aber zum Geschenk des Herrn Kollegen Strolz. Es wurde schon von mehreren Seiten erwähnt, dass wir hier an etwas arbeiten, das es schon seit 2008 gibt, wir haben also ein zehnjähriges Jubiläum, das wurde auch schon erwähnt. Es geht um die Zentralmatura, und bis jetzt wurde immer wieder ein kleines Rädchen gedreht. Es sind in den letzten Jahren viele Pannen passiert, das heißt, wir waren ein bisserl am Pannenstreifen, dann haben wir wieder Fahrt aufgenommen, sind wieder stehen geblieben. Natürlich würde ich mir wünschen, wenn wir uns an dieser Kreuzung für die Zentralmatura entscheiden und sagen: Okay, das ist eine wichtige Prüfung auf vielen verschiedenen Ebenen!, dass das dann heißt, wir müssen hier auch Fahrt aufnehmen.

Ich glaube, wenn man hier Fahrt aufnimmt, muss man – also Sie haben es auch so genannt – das Produkt nachschärfen und das auch tun. Man muss ab und zu auf den Pannenstreifen fahren, stehenbleiben und dann wieder zurück auf die Straße.

Der Antrag, der grundsätzlich auf jeden Fall meinen Support hat, gefällt mir, weil auch ich glaube, dass man die digitale Welt inkludieren sollte, wenn man zum Beispiel von Open Book Testing spricht.

Ich finde, das ist ein sehr, sehr spannender Ansatz. Natürlich könnte man jetzt sagen: Okay, man kann Messages an den Nachhilfelehrer oder die Nachhilfelehrerin schicken. Ich bin aber überzeugt davon, dass man auch technische Lösungen finden kann, mit denen man das ausschließen kann und bestimmt, welche Websites man anklicken kann und welche nicht. Ich bin überzeugt und glaube es nicht nur, dass man dazu tech­nische Lösungen finden kann. Wenn wir hier von Kompetenzen in diesem Bereich sprechen, glaube ich sehr wohl, dass es ein guter Test wäre, diese da einzusetzen. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Strolz.)

Was ich mir auch wünschen würde, wenn wir hier am Pannenstreifen stehen und dis­kutieren, ist, dass eine Weiterentwicklung im Bildungsbereich evidenzbasiert, also auf Daten und Fakten beruhend, passiert. Dass Ergebnisse verwendet werden, um sich weiterzuentwickeln, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Es wurde schon des Öfte­ren erwähnt: Eine Schule sollte eine lernende Organisation und ein Ort, der sich weiterentwickelt, sein.

An dem Antrag gefällt mir sehr gut, dass man davon spricht, wie man die Daten auch wirklich verwenden kann, wie man einen Vergleich schaffen kann, nicht nur von den Ergebnissen her, sondern auch in dem Sinne, wie die Schule und das Umfeld davon lernen können. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Ansatz, und ich hoffe sehr, dass Sie diesen auch mitnehmen, wenn Sie daran gerade basteln.

Des Weiteren ist ein sehr wichtiger und spannender Ansatz, wie man es schafft, dass auch andere außerhalb der Schule diese Korrektur vornehmen. Natürlich könnten da die Kosten ein Totschlagargument sein. Die Frage ist halt: Ist es einem das wert, das zu investieren, haben wir das Geld dafür? – Ich glaube, das sollte nicht immer die Keule sein, sondern man sollte sich die Frage stellen, was es den Schülerinnen und Schülern bringt, was zu den besten Ergebnissen führt, denn es sollte in erster Linie


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schon unser Ziel sein, ein bestmögliches Outcome für die Schülerinnen und Schüler zu haben. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Strolz.)

Wichtig ist auch – weil ich auch diese Gefahr sehe, wenn wir: Evaluierung hin, Evalu­ierung her, sagen –, dass man die SchulleiterInnen nicht überlastet. Ich glaube, es ist von großer Bedeutung, anzuerkennen, dass SchulleiterInnen einen sehr wich­tigen und richtigen Job machen und auch Zeit für die LehrerInnen und SchülerInnen im Feld brauchen und man sie nicht mit bürokratischen Aufgaben überhäufen soll. Ich glaube, das muss man auf jeden Fall mit in Betracht ziehen, wenn man von solchen Aspekten spricht.

Wie gesagt, der Antrag enthält einige gute Ideen, die ich unterstütze. Ich bedanke mich für das Geschenk, ich hoffe, es gibt noch viele weitere Geschenke von Ihrer Seite in diese Richtung. Ich bin schon gespannt, was da noch auf uns zukommt. Die Zentral­matura ist der richtige und ein wichtiger Weg. Wir sind hier schon weit gekommen, dürfen uns aber nicht ausruhen, sondern müssen uns weiterentwickeln, das heißt, nicht so viel Zeit am Pannenstreifen verbringen, sondern Gas geben, Fahrt aufnehmen. Das sind wir unseren Schülerinnen und Schülern schuldig. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Strolz.)

16.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


16.09.44

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Werte Zuseher oben auf der Galerie und an den Fernseh­geräten! Hohes Haus! Wir haben in den letzten Minuten schon einige wichtige Punkte gehört, aber eine ganz wichtige Sache ist, dass die Zentralmatura kein Selbstzweck sein darf.

Die ehemalige Ministerin Hammerschmid hat schon angesprochen, was ursprünglich die Ziele waren. Es sind Objektivität, Fairness, Vergleichbarkeit und Transparenz. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, und es ist auch ganz wichtig, dass wir uns dies immer wieder vor Augen halten, denn eines der zentralen Ziele muss natürlich sein, dass die Ergebnisse dazu führen, dass man vergleicht.

Nur: Um diese Vergleichbarkeit zu gewährleisten, brauchen wir auch die Ergebnisse, ich glaube, das muss uns allen klar sein. Dementsprechend glaube ich, dass es sehr wichtig ist, die Ergebnisse zu veröffentlichen und dann auch Schritte zu machen, um die Schulen weiterzuentwickeln.

Das ist keine Forderung, die wir alleine haben, Matthias Strolz und Claudia Gamon haben es schon gesagt. Es ist schon seit 2016 so, dass das von verschiedenen Seiten immer wieder gefordert wird. Der Landesschulratspräsident von Oberösterreich hat 2016 gesagt, die Öffentlichkeit habe ein „Recht auf Information“, und aus Niederöster­reich kamen ähnliche Worte, ebenfalls 2016: „Warum man da so ein Geheimnis daraus macht, das ist mir nicht ganz klar.“ – Warum wir da so restriktiv sind, ist mir, ganz ehr­lich, auch nicht ganz klar.

Als Jugendorganisation von NEOS haben wir einmal eine Initiative gemacht, um diese Ergebnisse zu veröffentlichen. Es sind leider nicht sehr viele zusammengekommen, aber man hat schon gesehen, dass sie zwischen den Schulen durchwegs unterschied­lich sind, und das ist, denke ich, sehr interessant.

Ich glaube, es ist wichtig, dass das im ersten Schritt natürlich in der Schule behandelt und im Schulgemeinschaftsausschuss mit der Schulleitung diskutiert wird, dass aber


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auch in einem zweiten Schritt, der ebenfalls ganz wesentlich ist, die Behörde diese Ergebnisse nimmt, auf die Schule zugeht und aus diesen Ergebnissen dann individuell auf Schulebene Maßnahmen ableitet, die für die einzelnen Schulstandorte wichtig sind.

Hierbei, glaube ich, wäre es auch eine gute Idee, gute und schlecht abschneidende Schulen – und ich sage extra: schlecht abschneidende Schulen, weil Schulen, die schlecht abschneiden, nicht unbedingt schlecht sind, denn es können viele Gründe dahinter sein – zusammenzuspannen und gemeinsam Ergebnisse ausarbeiten zu las­sen, sodass man wirklich einen Dialog der Schulen hat, die ein Peering eingehen und gemeinsam individuelle Maßnahmen auf lokaler Ebene ausarbeiten.

Ich glaube, dass Transparenz auch darüber hinaus sehr wichtig ist. Ich denke, dass man bei der Transparenz nicht hier stehen bleiben darf, sondern noch einen Schritt weiter gehen muss, denn es ist natürlich auch für Eltern wichtig, vergleichen zu kön­nen, wie Schulen abschneiden, um dann auch wirklich die Wahlfreiheit im Schulsystem zu haben, damit Eltern mit Kindern gemeinsam anhand von objektiven Kriterien – einerseits, was die Schwerpunkte an den Schulen sind, andererseits aber auch, was einem dort geboten wird – entscheiden können.

Herr Kollege Taschner hat uns eine Nachdenkpause verordnet. Ich glaube, dass Nach­denkpause in diesem Bereich nicht der richtige Weg ist, denn ich denke, dass wir nicht zu lange Pause machen können, da es immerhin um das Wohl der nächsten Gene­rationen geht. Darüber nachzudenken und in einen Dialog einzutreten ist aber, glaube ich, der richtige Weg.

Sie haben auch etwas ganz Wichtiges angesprochen: Es geht darum, dass wir breit einbinden, dass wir nicht nur die Experten reden lassen, sondern wirklich die Schüle­rinnen und Schüler gemeinsam mit Politikern, den Lehrern und so weiter diskutieren lassen. Nur: Um diesen Diskurs zu starten, um wirklich arbeiten zu können, brauchen wir auch wieder die transparent aufbereiteten Daten, denn sich nur zusammenzu­setzen und zu sagen: Na ja, ich glaube, ich habe das Gefühl!, wird nicht viel bringen. Wir brauchen also diese Daten auch, um den Dialogprozess zu starten.

In dieser ganzen Debatte wären wir ja auch keine Vorreiter – das wissen Sie, Herr Minister, ganz besonders gut. Es gibt viele Staaten, die ähnliche Prozesse durchlaufen. Die Niederlande werden da immer wieder als großes Vorbild genannt. Sie machen genau das, was ich jetzt gesagt habe. Als Erstes einmal arbeiten die Bildungsinspek­toren dort vor Ort mit den Schulen eben diese individuellen Lösungen aus und gehen dann wirklich auch in die schwächeren Schulen und schauen sich an, welche Maß­nahmen gesetzt werden müssen, um alle Schulen auf ein hohes Niveau zu bringen.

Die durchschnittlichen Ergebnisse werden dann veröffentlicht, sodass dieses Thema Wahlfreiheit wirklich in den Vordergrund gerückt wird. – Auch das ist ganz wichtig.

Was sie zudem machen: Sie stellen die Daten auch der Forschung zur Verfügung. Das ist ebenfalls wichtig, sodass Universitäten, Forschungsinstitute, Thinktanks und so weiter mit diesen Daten Maßnahmen ausarbeiten und sich genau anschauen können: Wo sind die Hürden in unserem System, wo verlieren wir Schüler? Das ist mit diesen Daten natürlich viel besser abzubilden.

Ich glaube, es ist der richtige Zeitpunkt, die Angst vor der Transparenz hinten liegen zu lassen und den Schritt zu machen, denn wir wissen, dass der evidenzbasierte Weg der richtige ist. Wir haben genug Vorbilder, die wir nutzen können und deren Wege wir weitergehen können. Wir müssen nicht warten. Wir müssen das Rad auch nicht neu erfinden. Wir müssen es, glaube ich, tun. Wir müssen in den von Kollegen Taschner angesprochenen Dialog eintreten, nicht langsam, sondern schnell, und schnell mit Maßnahmen weitertun – und es gibt dazu auch einige Maßnahmen.


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Sie kennen hoffentlich diese Studie, Herr Minister! (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) – Ich gebe Sie Ihnen nachher, wenn Sie sie nicht kennen. Sie wurde von Ihrem Ministerium im November 2016, glaube ich, um immerhin 12 000 Euro in Auftrag gegeben und enthält genau all diese Punkte. Die Studie nennt sich „Auswirkungen von Schulrankings auf Unterricht, Schulorganisation und Bildungssystem: Internationale Erfahrungen und Schlussfolgerungen für die österreichische Bildungspolitik“.

Genau die Maßnahmen, die ich angesprochen habe, stehen drinnen, aber dieses Papier liegt jetzt eineinhalb Jahre, und es ist, in unserer Wahrnehmung, nicht sehr viel umgesetzt worden. Die Studie spricht von der Einbettung der Schulevaluation in ein umfassendes Gesamtsystem. Sie spricht von der Entwicklung von bundesweit aner­kannten Kriterien für die Schulqualität, von der Sicherstellung der Kompetenz und der Glaubwürdigkeit von Externen – also all diesen Dingen, die wir jetzt hier angesprochen haben, von denen auch viele Ihrer Kollegen, Kollege Taschner unter anderem, und auch Sie immer wieder gesagt haben, dass das wichtige Dinge sind. Sie finden sich da drin.

Ich bitte Sie nur: Lassen Sie dieses Papier nicht in irgendeiner Schublade liegen, son­dern nehmen Sie es, gehen Sie wirklich sorgsam damit um und machen Sie etwas da­raus! Es ist gut, wenn Sie eine Arbeitsgruppe machen, aber das kann nur der erste Schritt sein. Eine Arbeitsgruppe ist schön und gut; wenn es aber ohnedies schon viel gibt, dann nehmen wir doch das und arbeiten wir mit dem weiter!

Ich glaube – um zum Schluss zu kommen –, dass es wichtig ist, jetzt langsam in einen Kultur- und Mentalitätswandel im Bildungsbereich zu gehen. Wir dürfen nicht nur zuschauen, wie die Chancen der jungen Menschen die Donau runterschwimmen, son­dern müssen sie nutzen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir von Regulierungsbehörden langsam hin zu potenziellen Begleitungsagenturen gehen, die die Schulen begleiten und die Qualität sichern. Das sind zwei ganz, ganz wichtige Punkte, die auch in Zu­kunft an den Schulen und an den Schulstandorten stattfinden müssen. In diesem Zu­sammenhang ist wieder das Thema Autonomie ganz wichtig.

Jetzt ginge es sehr lange weiter, wenn ich dieses Thema auch noch anschneide, ich glaube aber, dass durch Schulautonomie genau die individuellen Maßnahmen, die die einzelnen Schulen brauchen, um besser zu werden, gesetzt werden können. Matthias Strolz hat die Schule als lebende Organisation angesprochen. Genau das brauchen wir. Wir brauchen eine Schule, in der Vielfalt eine Rolle spielt. Wir brauchen eine Schule, die selber lernen kann und die sich selbst weiterentwickelt, und das ist genau das, was wir mit diesem Antrag anstoßen. Ich hoffe, dass wir bald zu Lösungen kom­men, denn die Chancen der jungen Menschen können nicht weiter verloren gehen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die erst heute angelobte Abgeordnete Salzmann. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.17.44

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Faßmann! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Medien daheim! Es freut mich, dass ich bereits am ersten Tag, am Tag der Angelobung, zu Ihnen sprechen darf. Es ist für mich eine Ehre, als Abgeordnete tätig sein zu dürfen.

Als Juristin und Pädagogin bin ich seit vielen Jahren im Bildungsbereich tätig und bringe eine lange Unterrichtserfahrung in verschiedenen Schularten mit ein, einerseits in der APS, aber auch in der BHS, der berufsbildenden Schule, und seit mehr als


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20 Jahren an einer Langform des Gymnasiums in Zell am See. Ich komme aus dem schönen Pinzgau.

Die zentralen Themen der Bildung sind mir somit als Lehrerin, als Mutter von zwei erwachsenen Kindern, als Klassenvorständin und nicht zuletzt auch als Schulrechtlerin sehr bekannt. Die schriftliche Reifeprüfung mit der zentralen Aufgabenstellung vor allem in Mathematik, Englisch und Deutsch ist ein Thema, das Schüler, Eltern und Lehrer sehr beschäftigt und auch sehr bewegt – und das nicht nur jetzt in der Hoch­phase der Reifeprüfung, in der wir derzeit sind. An vielen Schulen werden derzeit die mündlichen Reifeprüfungen abgelegt, auch mein Sohn ist nächste Woche dran. Wir wissen das alle, und wir kennen das nur zu gut.

Die Reifeprüfung ist deshalb auch so heiß umstritten, weil sie die letzte abschließende Prüfung ist, die eben wirklich die Eintrittskarte in den tertiären Bildungsbereich, zu den Fachhochschulen und Universitäten, mit sich bringt.

Nach nunmehr drei Durchgängen der zentralen schriftlichen Reifeprüfung ist es an der Zeit und berechtigt – und Sie, Herr Minister, haben das bereits angekündigt –, hiezu wirklich einen Nachdenkprozess einzuleiten, nachzudenken über dieses Modell, das jetzt drei Jahre gelaufen ist, und es wirklich gut zu prüfen, gut zu analysieren. Wir müssen uns die Stärken und die Schwächen dieses Modells vor Augen führen, wir müssen sehr verantwortungsvoll und, wie ich meine, durchaus auch ergebnisoffen in diesen Nachdenkprozess hineingehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines möchte ich hier schon noch anfügen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Da einen Schnellschuss zu machen, wäre nicht zielführend und es wäre nicht sehr seriös. In diese Evaluation, Herr Bundesminister, sind tunlichst alle Schulpartner mit einzu­binden. Das Ergebnis sollte eine Verbesserung für die Schülerinnen und Schüler brin­gen. Wir müssen aber aufpassen, dass wir die Schülerinnen und Schüler der nächsten ein, zwei Jahrgänge nicht verunsichern, denn Veränderungen brauchen natürlich auch Vorbereitungszeit.

In diesem Prozess werden wir uns auch die Frage stellen müssen, welche immanenten Ziele die Reifeprüfung verfolgt. Einer Abwertung der Reifeprüfung dürfen wir nicht zu­schauen. Dabei gilt es, einen sehr intensiven Dialog mit den Fachhochschulen und Universitäten zu führen, um klar herauszuarbeiten, welche Anforderungen unsere Schü­lerinnen und Schüler für diverse Studien erfüllen müssen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Österreich hat ein sehr gutes differenziertes Schulsystem. Jeder junge Mensch kann seinen Bildungsweg seinen Talenten und Fähigkeiten entsprechend wählen. Dieses Modell, meine Damen und Herren, ist fast einzigartig und wird mittlerweile in etlichen anderen Ländern kopiert. Ich meine, dass wir die verschiedenen Schultypen durchaus in die Evaluierung miteinbeziehen und schauen müssen, wie wir ihnen auch in der schriftlichen Reifeprüfung gerecht werden können. Das wird eine wichtige Frage sein. Eine Vergleichbarkeit ist auch unter diesem Gesichtspunkt sicherlich zu überdenken.

Ich möchte wirklich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, Herr Minister, dass Sie diesen Nachdenkprozess starten. Sie haben gesagt, es ist sinnvoll, nachzuschärfen, wo das Ergebnis dies anzeigt, und ich kann Ihnen versichern, wir Praktikerinnen und Praktiker sowie die Schulpartner werden diesen Dialog sehr, sehr gerne mit Ihnen führen und ihn auch positiv begleiten. (Beifall bei der ÖVP.)

Somit darf ich im Sinne meines Vorredners Rudi Taschner und auch Ihres Statements, Herr Bundesminister, für meine Partei, die ÖVP, einen Entschließungsantrag einbrin­gen.

Ich darf den Antrag verlesen, werte Kolleginnen und Kollegen:


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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Weiterentwicklung der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben der Standardisierten Reife- und Diplomprüfung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, die Durch­führung der Standardisierten Reife- und Diplomprüfung einer Analyse zu unterziehen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln, um die einer Matura innewohnenden Ziele, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Schularten, und der Praxistauglichkeit der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben sicherzustellen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf Mathematik bzw. Angewandte Mathematik gelegt werden sowie auf die Beurteilungskriterien, die von den Prüferinnen und Prüfern anzuwenden sind.“

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

16.24

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kolle­gen

betreffend Weiterentwicklung der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben der Stan­dardisierten Reife- und Diplomprüfung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag gem. § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR der Abgeordneten Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend dringende Reform der Zentralmatura: abgeschlankt, einheitlich, extern ausge­wer­tet und als Sprungbrett für planvolle Schulentwicklung

Mit der Standardisierten Reife- und Diplomprüfung wird dem Verlangen nach einem objektiv nachvollziehbaren Prüfungsmodus Rechnung getragen. Rückmeldungen der Praktikerinnen und Praktiker aus dem Schulsystem zeigen jedoch, dass die konkrete Ausgestaltung der Prüfungsaufgaben, insbesondere im Bereich der Mathematik bzw. Angewandten Mathematik, sowohl den Ansprüchen der Fachleute wie auch den Schü­lerinnen und Schülern vermittelten Kenntnissen und Fertigkeiten nicht genügend ent­spricht. Auch das Beurteilungsschema (Punkteschlüssel) wurde wiederholt kritisch hin­terfragt.

Eine Analyse der Standardisierten Reife- und Diplomprüfung mit Blick insbesondere auf die Rückmeldungen aus der Praxis kann deshalb wertvolle Hinweise liefern, u.a. wie die Aufgabenerstellung nachhaltig verbessert werden kann. Um den Beson­der­heiten des differenzierten österreichischen Schulwesens, insbesondere im Bereich der international anerkannten Berufsbildung, Rechnung zu tragen, müssen dabei auch schul­spezifische Fragen erörtert werden.

Die Einbeziehung der Schulpartner und externer, bisher nicht mit der SRDP befassten Fachleute ist wichtig, um zu einer soliden Gesamteinschätzung gelangen zu können.

Im Regierungsprogramm 2017-2022 wurde ein Bekenntnis zur standardisierten Reife- und Diplomprüfung und zur Notwendigkeit der Überprüfung und Weiterentwicklung ab-


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gelegt. Modalitäten und Bedingungen sollen unter besonderer Bedachtnahme auf fol­gende Aspekte verbessert werden: Durchführungsbestimmungen, Beurteilung, Zulas­sungs­voraussetzungen (Vorwissenschaftliche Arbeit – VWA / Diplomarbeit) und Be­rücksichtigung des differenzierten Schulsystems und seiner Schwerpunkte.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, die Durch­führung der Standardisierten Reife- und Diplomprüfung einer Analyse zu unterziehen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln, um die einer Matura innewohnenden Ziele, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Schularten, und der Praxistauglichkeit der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben sicherzustellen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf Mathematik bzw. Angewandte Mathematik gelegt werden sowie auf die Beurteilungskriterien, die von den Prüferinnen und Prüfern anzuwenden sind.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Christian Kovacevic. – Bitte.


16.24.46

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich möchte auch gleich eingangs diese Gelegenheit nutzen und den Schülerinnen und Schülern der 5CK der Handelsakademie Wörgl gratulieren, die heute die Matura erfolgreich abgelegt haben, und natürlich auch allen anderen Matu­rantinnen und Maturanten in Österreich, die dieser Tage die Reifeprüfung erfolg­reich ablegen. Und jenen, die es nicht geschafft haben, wünschen wir natürlich – ich glaube, da spreche ich im Namen aller – alles Gute für die nächste Chance im Sep­tem­ber. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Zentralmatura: Ja, es stimmt, es hat sehr viel Kritik und negative Berichterstattung gegeben. Dies war vielleicht teils berechtigt, weil die Quote derjenigen, die die Reife­prüfung speziell in Mathematik nicht bestanden haben, durchaus hoch war, höher als letztes Jahr. Allerdings muss man auch dazusagen, dass die Quote im letzten Jahr aus­gezeichnet, also sehr niedrig war. Ich denke, man sollte in der Debatte das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren. Auch der Herr Minister selbst hat das erwähnt. Die Berichterstattung kann immer so oder so ausfallen. Ich denke auch, dass man da mit Kritik nicht gespart hat, dass man aber durchaus ein bissel sparen hätte können. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass die Reifeprüfung jedes Jahr gleich ausfällt oder immer das gleiche Ergebnis bringt. Das wird bestimmt nicht so sein; das geht mit und ohne Zentralmatura nicht. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Interessant war auch, dass die Kritik hauptsächlich oder zu einem sehr großen Teil von Eltern gekommen ist. Es ist mir klar, dass Eltern natürlich instinktiv versuchen, ihre Kinder zu beschützen. Ich glaube, dass da niemand die Reifeprüfung bewusst so gestaltet hat, dass sie nicht zu schaffen war. Ich gebe den Kritikern jedoch schon recht: Vom Text, von den Formulierungen her waren einige Schülerinnen und Schüler sicher-


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lich überfordert, wie dies Kollege Taschner bereits ausgeführt hat. Das mag schon so gewesen sein, aber es hat sehr viele Versuche, Feldtests gegeben. Das wurde also im Vorhinein genau geprüft und evaluiert. Aus der Kritik als Grundlage für den vorlie­genden Antrag erschließt sich mir jetzt nicht, warum man da jetzt so tiefgreifende Än­derungen oder Einschnitte macht.

Weiterentwicklung ist klar; das muss immer sein, muss immer geschehen. Dem ver­schließt sich auch keine der Fraktionen hier im Parlament. Es muss aber vor allem an der Umsetzung, das heißt an der Durchführung gearbeitet werden. Es geht nicht nur um die Zentralmatura als solche, sondern auch darum, wie sie umgesetzt wird.

Da muss ich jetzt schon in Richtung des Herrn Kollegen Dr. Taschner etwas anmerken. Er hat behauptet, heuer habe es fast reibungslos funktioniert, die Jahre davor habe es gar nicht so gut funktioniert. Es wurde jedoch schon von Anfang an immer versucht, Verbesserungen zu erzielen. Dass man sich da verbessern will, ist kein Phänomen, das sich erst in der Amtsperiode des Bundesministers Faßmann zeigt. Auch alle Minis­terinnen vor Minister Faßmann waren stets bestrebt, das ständig weiterzuentwickeln. Die ÖVP hat ja diese Zentralmatura auch mitbeschlossen und mitentwickelt. Ich würde da also vielleicht ein bisschen sachlicher bleiben, um es einmal höflich zu formulieren.

Auch die Aussagen des Kollegen Mölzer kann ich nicht ganz nachvollziehen. Mir scheint ja, dass wir in dieser Angelegenheit alle so ziemlich die gleiche Meinung ver­treten, dass wir alle für die Zentralmatura sind und wir alle sie weiterentwickeln, ständig verbessern wollen – klar. Da jetzt so zu tun, als ob frühere Regierungen absolut untätig oder fehlgeleitet gewesen wären, finde ich jedenfalls unangebracht.

Wir sollten also weiterarbeiten, aber keine komplette Abkehr von der Zentralmatura erwirken. Da geht mir der Antrag von Kollegen Strolz ganz einfach in gewissen Teilen ein bisschen zu weit. Besonders der Punkt Schulautonomie steht für mich konträr zum Gesamtprojekt Zentralmatura, denn wir wollen ja Vergleichsmöglichkeiten schaffen, wir wollen zentralisieren. Wenn wir auf der anderen Seite dann den Schulen wieder mehr autonome Möglichkeiten geben, befürchte ich einfach, dass die dann auseinander­trif­ten könnten.

Die ursprünglichen Ziele der Zentralmatura wurden ja jetzt bereits mehrmals ange­sprochen. Ich will das jetzt nicht alles noch einmal wiederholen. Vergleichbarkeit, Trans­parenz und Objektivität wurden genannt. Da geht es generell darum, dass die Vorbereitungsarbeiten und auch die Kommunikation mit den Lehrern an den Schulen besser gestaltet werden. So werden wir die Ziele der Zentralmatura eher erreichen als durch eine komplette Umkrempelung.

Ein Punkt noch zu den Ausführungen des Kollegen Hoyos, der auf die Veröf­fent­lichun­gen der Ergebnisse, diese sogenannten Schulrankings eingegangen ist. Da sollte man berücksichtigen, dass uns dafür ganz einfach die gesetzlichen Grundlagen fehlen. So ein Gesetz wurde im Parlament meines Wissens einfach noch nicht beschlossen. Dabei sollten auch die Rahmenbedingungen der einzelnen Schulstandorte berücksich­tigt werden, da diese durchaus unterschiedlich sind. In einer wissenschaftlichen Veröf­fentlichung wird konstatiert, dass das Ausgehen von nur einem einzigen Perfor­mance­indikator extrem fragwürdig ist. Daher würde ich also auch diesen Punkt eher sehr kritisch sehen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir diese Punkte auch noch im Ausschuss weiter behandeln und daran noch weiter arbeiten werden, aber der vorliegende Antrag geht mit den verlangten Einschnitten zu weit, würde ich behaupten.

Zum Entschließungsantrag: Nun ja, Analyse – sehr oberflächlich; da fällt mir jetzt nichts ein, wogegen man da sein könnte. Ja, Analyse ist immer gut und immer wichtig. Er ist


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insgesamt wenig aussagekräftig, darum kann man auch zustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dipl.-Ing. Schandor. – Bitte.


16.30.58

Abgeordneter Dipl.-Ing. Christian Schandor (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr verehrte Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehschirmen zu Hause! Wir haben zum Thema Zentralmatura schon eini­ges gehört, ich möchte hier aber trotzdem noch einmal darauf eingehen, was die Zentralmatura überhaupt ist – für all jene, die vor vielen Jahren oder Jahrzehnten eine Matura abgelegt haben, aber vor allem auch für unsere Zuseher.

Die Zentralmatura oder teilstandardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplom­prü­fung, wie sie genau heißt, besteht ja im Wesentlichen aus drei Säulen. Die erste Säule ist eine vorwissenschaftliche Arbeit, eine Präsentation und eine Diskussion bezie­hungs­weise an den berufsbildenden Schulen eine Diplomarbeit, die ebenso mit einer Präsentation und Diskussion verbunden ist. Die zweite Säule ist die Klausurarbeit und die dritte die mündliche Prüfung.

Sie ist modular aufgebaut, das bedeutet, dass ein Schüler trotz einer negativen Leis­tung in der ersten oder zweiten Säule zu einer mündlichen Prüfung antreten kann – das sind die Kompensationsprüfungen. Diese Kompensationsprüfungen sind tatsäch­lich eine wirkliche Chance, sich ein Nicht genügend auszubessern. Besonders viele, das haben wir heute schon gehört, nämlich österreichweit 18 Prozent, trifft dieses Schicksal im Fach Mathematik.

Ich habe Ihnen dazu einen Auszug aus einem Kommentar mitgebracht, den ich hier zum Besten geben möchte – der Titel lautet: „Die Gummibären sind nicht schuld“ –:

„Habe ich selbst immer einen Seiltanz zwischen Nicht genügend und dem positiven Jahresabschluss vollführt, stieg ich aus der diesjährigen Matura mit einem Gut aus – und das ohne Vorbereitung. Wenn ein Lehrer jetzt über schlechte Ergebnisse seiner besten Schüler klagt, hat er sie dann ausreichend vorbereitet? Oder hat er die Beur­teilungen in den letzten Jahren einfach nur verschenkt, um einen guten Notenschnitt zu erhalten? Wo liegen also die strukturellen Probleme, von denen in der vergangenen Woche gesprochen wurde? Bei den Schulen oder einer vom Niveau her überraschend einfachen Mathematikmatura?“

Ich selbst habe gestern noch bei mir in der Schule, in der HTL in Fürstenfeld, geprüft. Wir haben die Zentralmatura seit mittlerweile drei Jahren, und bei uns ist in Mathematik bis dato noch kein Schüler durchgefallen. Ich muss aber dazusagen, wir verlieren in den ersten beiden Jahren bis zu einem Drittel der Schüler, die diese HTL eben nicht abschließen, die nicht Techniker und nicht Ingenieure werden.

Ich möchte aber auch wie meine Vorredner all jenen, und das sind 82 Prozent, ganz herzlich gratulieren, die diese Mathematikmatura mit Erfolg gemeistert haben. Gratu­liere! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass die Mathematikmatura gerade auch im Hinblick auf die Punkteverteilung, den Notenschlüssel und die Art und Weise der Beurteilung evaluiert werden muss, liegt auf der Hand. Eine kritische Reflexion ist erforderlich, und ohne Verbesserungen wird es nicht gehen. Das orten nicht nur Elternvereine, sondern auch die betroffenen Mathe­matik­professoren. Ich kann daher das eine oder andere aus Ihrem Antrag, Herr Dr. Strolz, durchaus mitnehmen und ihm auch etwas Positives abgewinnen, wenn Sie


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von einer Korrektur durch eine externe Stelle sprechen, denn das entlastet die Kolle­ginnen und Kollegen, und genauso wenn Sie auf die Schwerpunktbildung für die jeweilige Schule und den jeweiligen Schultyp achten wollen.

Erlauben Sie mir, eine Zwischenbilanz aus drei Jahren Zentralmatura zu ziehen. Der erste Punkt ist: Die Zentralmatura ist mittlerweile angekommen; sie ist der Normal­zu­stand. Der zweite Punkt ist: Nach anfänglichen Startschwierigkeiten ist wieder eine organi­satorische Ruhe an den Schulen eingetreten. Drittens: Die Notenschwankungen werden ein Thema bleiben. Viertens: Im Bildungsministerium ist die Zentralmatura am richtigen Ort. Fünftens: Meine Damen und Herren, es gibt immer Verbesserungs­poten­zial, und auch die Kritik wird bleiben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Dr. Griss. – Bitte.


16.36.11

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Viktor Mayer-Schönberger, ein Salzburger, der in Harvard studiert hat und jetzt eine Professur in Oxford hat, hat ein Buch mit dem Titel „Das Digital“ veröffentlicht. Er hat den Titel ganz bewusst in Anlehnung an „Das Kapital“ von Karl Marx gewählt, weil er sagt: Die Digitalisierung, die Daten bringen in unserer Zeit eine ähnliche revolutionäre Umwälzung wie das Kapital und der Kapitalismus im 19. Jahr­hundert, denn die Digitalisierung bestimmt längst unser Leben. Das ist keine Frage der Zukunft, das ist die Gegenwart.

Es ist daher selbstverständlich, dass die Schule den Kindern Kompetenzen mitgeben muss, die sie in die Lage versetzen, damit umgehen zu können. Das sind technische Kompetenzen, das sind aber genauso intellektuelle, inhaltliche Kompetenzen.

Die Vorgängerregierung hat ein großes Paket für die Verbesserung der Infrastruktur in den Schulen beschlossen: Ausstattung mit IT-Endgeräten, WLAN, also sehr leistungs­starke Internetverbindungen, und hat die Kosten, die damit verbunden sind, auf 222 Mil­lionen Euro jährlich geschätzt.

Das ist natürlich nur ein Element, und es ist klar, dass auch die beste technische Ausstattung noch nicht dazu führt, dass die Digitalisierung auch wirklich das Leben in der Schule prägt und der Unterricht den Kindern die notwendigen Kompetenzen vermit­telt. Dazu braucht es auch entsprechende pädagogische Konzepte.

Wesentlich wichtiger oder genauso wichtig ist der inhaltliche Bereich. Wir leben in einer Gesellschaft – und ich sehe das bei meinen Kindern und auch bei den Enkelkindern –, in der Kinder ganz automatisch lernen, mit diesen Geräten umzugehen. Was sie aber lernen müssen, und das ist eine Schlüsselfrage für unsere Gesellschaft, das ist die Kompetenz, Informationen einzuordnen, zu hinterfragen, kritisch zu denken.

Herr Bundesminister! Sie haben vorgeschlagen, ein Unterrichtsfach Digitale Grund­bil­dung einzuführen. Ich denke, das muss man breiter aufsetzen. Das muss ein Fach sein, das sich durch die gesamte Schulpflicht zieht, und ein Fach, das vor allem kriti­sches Denken einschließt, kritisches Hinterfragen von Informationen, Medienkom­pe­tenz.

Peter Bieri, der bekannte Schweizer Philosoph, sagt in seinem Buch „Wie wollen wir leben?“: Wann immer neue Entwicklungen oder Informationen auf uns zukommen, müssen wir zwei Fragen stellen. Die erste Frage ist: Was bedeutet das?, und die zweite Frage ist: Woher weiß ich das?


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Die Quelle ist ganz entscheidend für die Bewertung einer Information. Das gilt in einem Maß, in dem es noch nie zuvor gegolten hat, für all die Informationen, die wir heute durch das Internet erreichen und die auf uns einströmen. Ich brauche daher bei den Kindern, bei den jungen Leuten und bei jedem von uns auch die Fähigkeit, damit um­gehen zu können, das zu hinterfragen.

Das muss sich in der Zentralmatura abbilden, die ein wichtiges Steuerungsinstrument ist. Es muss Prüfungen geben, die den tatsächlichen Lebensverhältnissen ent­sprechen. Das heißt, ich muss einen Laptop verwenden dürfen; eine sogenannte Open Book Examination, das ist nicht so neu und nicht so modern. Ich habe vor 40 Jahren in Amerika studiert, und dort hatten wir auch Open Book Exams, wo wir eben mit den Informationen, die zugänglich waren, Fälle lösen mussten, was viel anspruchsvoller ist als nur Wissen abzuprüfen. (Beifall bei den NEOS.)

Das heißt, es liegen große Chancen in der Zentralmatura. Ich hoffe sehr – und ich bin ein optimistischer Mensch –, dass diese Chancen genützt werden. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kuss- Bergner. – Bitte.


16.41.24

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Werter Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Dr. Strolz, ich bitte kurz um Ihre Aufmerksamkeit: Ich habe Ihren Antrag sehr genau gelesen, eines hat mich ein bisschen verwundert, und zwar: Punkt 5, 6, 7, 8 und 9 in Ihrem Antrag sind, bitte, zu finden im Bildungsreformgesetz 2017, §§ 5 und 6, Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetz. Wir haben das dort schon verankert.

Ich möchte hier heute drei Themen, drei Punkte zur Zentralmatura nennen. Der erste ist aus Sicht der Mutter einer Tochter, die gerade mitten in der Matura steckt – ich darf ihr von hier aus alles Gute wünschen, auch ihren Mitschülerinnen und Mitschülern –; nächste Woche ist die mündliche Matura. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Ich habe sie natürlich um ihre Meinung gefragt, um ihre Meinung gebeten: Was sagst du zur Zentralmatura? – Ich war überrascht: Sie war nämlich sehr positiv eingestellt. Sie hat mir gesagt, sie findet es ausgesprochen gut, dass es österreichweit eine ein­heitliche Aufgabenstellung gibt, von Vorarlberg bis zum Burgenland, von Wien bis Kärnten dieselbe Aufgabenstellung. Verwundert war sie aber schon über eines: Die Durchführung war unterschiedlich. Es gab Schulen, an denen in Mathematik keine höheren technischen Hilfsmittel verwendet wurden, sondern nur der Taschenrechner. Es gab also Schulen – weil hier das Open Book Testing angeführt worden ist –, da wurde die Mathematikmatura mit dem Computer gemacht, es gab Schulen, an denen das GeoGebra-System verwendet wurde, und es gab Schulen, an denen es nicht verwendet wurde. Die Deutschmatura wurde an manchen Schulen handschriftlich ab­gelegt, und an manchen Schulen wurde die Matura am Computer geschrieben, mit einem Rechtschreibprogramm.

Meine Damen und Herren! Ich denke, da sollten wir nachdenken, unter welchen Voraussetzungen unsere Schülerinnen und Schüler maturieren, denn es sollten österreichweit dieselben Voraussetzungen gelten.

Wir sprechen immer wieder davon, den individuellen Bedürfnissen unserer Schüle­rinnen und Schüler gerecht zu werden. Unsere Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit der Auswahl der Gegenstände, in denen sie maturieren, mündlich oder


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schriftlich. Es gibt Schülerinnen und Schüler, die tun sich schriftlich leichter, und an­dere, die tun sich mündlich etwas leichter. Daraus erkläre ich mir auch, dass es bei den Kompensationsprüfungen vor allem in Mathematik dazu gekommen ist, dass sich etliche Schülerinnen und Schüler ein Nicht genügend ausbessern konnten. Dazu darf ich auch recht herzlich gratulieren.

Herausfordernd ist – und das haben wir auch heuer bei den Aufgaben der Mathematik­matura gesehen –, dass ein sehr gutes Leseverständnis erforderlich ist. Das ist ein Grund mehr, unsere geforderten Deutschförderklassen so schnell wie möglich einzu­führen, um unseren Kindern eine gute Grundlage für ihren weiteren Bildungsweg zu geben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mein zweiter Punkt ist: Ich sehe die Zentralmatura auch aus Sicht einer Mutter mit drei Töchtern, die die Matura noch vor sich haben. Da in zwei Jahren bei meiner zweiten Tochter die Matura ansteht, möchte ich ihr und allen zukünftigen Maturantinnen und Matu­ranten vor allem eines gewährleisten, und das ist Kontinuität. Unter Kontinuität verstehe ich, dass das Niveau der Aufgabenstellungen für die Matura konstant bleibt und sich nicht jährlich ändert.

Drittens, meine Sicht über die Zentralmatura als Nationalrätin und Lehrerin: Unser Bil­dungsminister Faßmann hat bereits bekannt gegeben, an den Instrumenten zu schär­fen. Das finde ich notwendig. Begrüßenswert ist diesbezüglich eine fundierte Evaluie­rung unter Einbeziehung der Lehrerinnen und Lehrer, um auf keinen Fall den Praxisbezug zu verlieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Verunsicherung soll und darf es in diesem Bereich nicht geben. Wir sind es unseren Schülerinnen und Schülern schuldig, dass sie sich darauf verlassen können, gut vor­bereitet und unterstützt ihre Matura ablegen zu können. Wir sind es ihnen schuldig – machen wir das! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hauser ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.46.37

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Kollege Strolz, danke für die Auswahl des Themas! Ich denke, es ist immer gut, wenn wir über Bildung, über Aus- und Weiterbildung nachdenken. Das ist unser Potenzial! Wir müssen schauen, dass wir aus diesem vielen Geld – dieses Jahr immerhin 8,8 Milliarden Euro im Budget – das Beste für unsere Kinder machen. Das ist unsere Zukunft, das ist unser Potenzial, und deswegen ist jede Debatte hier im Hohen Haus über Bildung einfach notwendig und wichtig, auch wenn wir bei diesem Thema – auch da – nicht in jedem Punkt über­einstimmen.

Zur Matura und dazu, was Matura ist, wurde vieles gesagt, aber Matura ist mit Sicherheit eines, nämlich der krönende Abschluss einer Schullaufbahn; und deswegen verdienen unsere Jugendlichen die Chance, zu zeigen, was sie über die Jahre gelernt haben.

Glauben Sie mir – jeder weiß das, jeder von uns hat selber maturiert, jeder hat Kinder, zum Teil noch in der Ausbildung stehend –, die Vorbereitung auf die Matura ist in Wahrheit ein jahrelanger Stress! Jeder, der einmal im Bildungssystem drinnen war, weiß, dass bereits spätestens ab der siebten Klasse AHS von der Matura gesprochen wird, so nach dem Motto: Schaut euch das an, das wird möglicherweise für die Matura von Bedeutung sein!


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Das ist also ein Abschluss, der nicht nur für unsere Jugendlichen, sondern auch für das Umfeld, für die Eltern, ein durchaus entscheidender Abschnitt ist. Wenn Kollege Strolz hier von 43 000, 44 000 Maturanten und Maturantinnen gesprochen hat und wenn man das innerfamiliär hochrechnet, sind es 150 000 Personen, die pro Jahr mit den Maturanten mitzittern. Das ist wirklich viel.

Deswegen: Was sind wir unseren Schülerinnen und Schülern, unseren Maturantinnen und Maturanten wirklich schuldig? – Fairness! Was bedeutet Fairness? – Fairness bedeutet, dass die Maturanten im Zuge der Matura die Chance haben, die Aufgaben auch zu erfüllen.

Es kann also sicherlich nicht sein, dass, so wie jetzt bei dieser Mathematikmatura, im Nachhinein darüber geklagt wird, dass die Texte zu kompliziert waren, unverständlich waren. Die Mathematik muss etwas mit Mathematik zu tun haben, und wenn ich den Text nicht verstehe, dann ist das für mich schon sehr infrage zu stellen. Das ist nicht fair! Ich vermassle den Schülern einen positiven Abschluss, und das kann es wohl nicht sein.

Noch einmal: Man zittert, man arbeitet über Jahre auf diese Matura hin. Das ist der krö­nende Abschluss, nicht nur eine Studienberechtigung. Es ist ein gewaltiges Zeugnis, das man hat, und man soll auch die Chance haben, das mit der eigenen Leistung, so gut es geht, abzuschließen. Es kann nicht dem Zufall überlassen werden, ob ein Text gerade verstanden wird oder eben nicht verstanden wird. Darüber muss man sicherlich nachdenken. So gesehen, Herr Minister, Gratulation an Sie, dass Sie von Haus aus diesen Evaluierungsprozess, diese Analyse bereits in Auftrag gegeben haben! Es ist notwendig, darüber nachzudenken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Was wird allerdings immer bleiben? – Immer, wenn geprüft wird – das wird auch zu­künftig so sein –, gibt es bei den Noten eine Normalverteilung. Es wird Sehr gut geben, es wird aber auch Nicht genügend geben. Das ist die Natur der Sache, es ist so; damit werden wir leben müssen. Was nicht sein soll, ist, dass aus dieser Nor­malverteilung eine Verteilung wird, bei der die Fünfer überproportional werden, so wie jetzt in Mathe­matik: schriftlich 20 Prozent, fast jeder Fünfte hat Mathematik nicht positiv abschließen können. Dass das überwiegt, ist nicht normal, deswegen müssen wir darüber nach­denken.

Es wird aber immer auch Schüler geben, die in Mathematik oder in einem anderen Fach leider Gottes durchfallen. Deswegen ist es wichtig, dass es auch Kompen­sations­prüfungen gibt. Da bin ich schon auch der Meinung, dass es sinnvoll ist, diese Kom­pen­sationsprüfungen in der jeweiligen Schule durch den jeweiligen Lehrer abzuhalten. Die NEOS haben gemeint: keine Kompensationsprüfung, keine mündliche Prüfung, sondern eine weitere schriftliche Prüfung. Fakt ist: Es gibt Schüler und Schülerinnen, die eben im mündlichen Teil ihre Stärken haben. Auch das liegt in der Natur der Sache. Sie artikulieren sich vielleicht besser, das kommt vor; es kommt gar nicht so selten vor. Deswegen ist es auch fair, wenn neben einem schriftlichen Teil ein Teil mündlich abgeprüft wird und die Schülerinnen und Schüler die Chance haben, ihre Note im Zuge einer Kompensationsprüfung auszubessern. (Beifall bei der FPÖ.)

Es wurde seitens der NEOS angeregt, dass es nicht objektiv ist, wenn die Lehrer beurteilen. Fakt ist: Es beurteilt nicht nur der jeweilige Fachlehrer, sondern immer auch ein zweiter Lehrer. Diese Objektivität ist also sichergestellt, da kann nichts dane­bengehen. Speziell wenn Arbeiten negativ beurteilt werden, ist es verpflichtend, dass ein Fachkollege diese Arbeit auch anschaut. Also da wird die Objektivität sichergestellt.

Es wurde von euch kritisiert, dass die Stunden für die Vorbereitung nicht bezahlt wer­den. Ich halte fest: Es gibt die übliche Lehrverpflichtung, die weiterläuft. Die Stunden


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werden weiterbezahlt, also wird auch die Vorbereitung bezahlt. Also das sind alles Argumente, die durchaus ins Leere gehen.

Wir sind ergebnisoffen, und man kann durchaus darüber nachdenken, ob man tat­sächlich eine Teilmatura macht, mit einem Pflichtteil, in dem Grundkompetenzen öster­reichweit differenziert nach Schulsystem abgeprüft werden, und eben einer Kür, die je nach Schultyp vor Ort vorgegeben wird. Über so etwas können wir nachdenken, was wir auch sicherlich tun werden. Also das ist sicherlich ein positiver Anreiz.

Dann noch ein Wort zur Digitalisierung, weil Kollegin Griss so ausführlich darüber ge­sprochen hat und Kollege Strolz das auch in seinem Antrag angeregt hat: Grund­sätzlich gilt diesbezüglich, dass wir zukünftig überhaupt dynamische Lehrpläne brauchen, weil eben die Digitalisierung so rasch voranschreitet, dass wir gar nicht in der Lage sein werden, hinsichtlich der Lehrpläne immer mit diesem Tempo nachzuziehen. Wir wer­den einfach unsere Türen und Fenster noch weiter öffnen müssen, um die fortschrei­tende Digitalisierung natürlich auch in der Schule ankommen zu lassen. Das wird notwendig sein, in diese Richtung werden wir also sicherlich auch denken müssen.

Abschließend noch ein Wort zu dem SPÖ-Kollegen, der gemeint hat: Na ja, der Antrag, den wir heute hier und jetzt einbringen, das ist so ein No-na-net-Antrag. Herr Kollege Kovacevic, wenn man sich diesen Antrag anschaut, dann stellt man fest, dass da unglaublich viel drinsteht. Ich gehe einmal davon aus: Bitte lesen, bevor man so etwas kritisiert! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich darf also den einen oder anderen Satz schnell noch einmal zitieren: „Der Nationalrat wolle beschließen: ‚Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, die Durchführung der Stan­dardisierten Reife- und Diplomprüfung einer Analyse zu unterziehen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln, um die einer Matura innewohnenden Ziele‘“ – et cetera, et cetera – „der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben sicherzustellen.“ – Also das ist wirklich konkret! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das beschließen wir heute, das machen wir. Wir werden Schritt für Schritt auch die Matura dementsprechend positiv weiterentwickeln. Ich bedanke mich bereits jetzt für die möglichst breite Zustimmung und für das Thema, das Sie, Kollege Strolz, vorge­geben haben. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rosenberger ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


16.55.29

Abgeordneter Dipl.-Ing. Alois Rosenberger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Be­sucher auf der Galerie und Damen und Herren vor den Fernsehgeräten! Herzlichen Dank für die sachliche Diskussion! Das freut mich besonders. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Reifeprüfung ist meiner Meinung nach nicht nur der krönende Abschluss einer Schullaufbahn, sondern auch eines Lebensabschnitts, eines nicht unkritischen Lebens­abschnitts. Wir sollten uns gesellschaftlich diesem Prüfungsformat weiterhin zuwen­den, diese Berechtigung erhalten, einerseits die berufliche Berechtigung in den berufs­bil­den­den höheren Schulen, andererseits den Zugang zu den tertiären Bildungsein­rich­tun­gen.

Ich darf denjenigen, die es im ersten Anlauf noch nicht ganz geschafft haben, von dieser Stelle aus alles Gute wünschen, so wie ich es immer gegenüber meinen Maturantinnen und Maturanten gemacht habe – auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut –: Nehmen Sie das Ergebnis ernst, aber gelassen, Ihr gültiges Reifeprüfungs-


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zeugnis wird sich nur durch das Datum von einem anderen unterscheiden! Verzagen Sie nicht!

Die entscheidende Frage, denke ich, ist – und das wird die Gretchenfrage sein –, dass wir bei diesem hochdifferenzierten Schulwesen, wie wir es haben und auf das wir stolz sein können, weil wir auf die Talente, Neigungen und Interessen unserer Schülerinnen und Schüler eingehen können und ihnen ein Angebot machen, zentralisierte Frage­stellungen finden, die das alles abdecken. Das Problem liegt eigentlich im Detail der technischen Umsetzung. Hätten wir den Bewertungsschlüssel oder einzelne Fragestel­lungen etwas anders formuliert, wer weiß, ob wir diese Dringliche Anfrage hier auf dem Tisch hätten.

Die vorgesehene Evaluierung und Analyse wird, so wie sie angeregt wird, durch­ge­führt. Ich lege auch Wert auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung und auf keine großen Änderungen. Man sollte aufgrund der Ergebnisse das Kind jetzt nicht mit dem Bade ausschütten.

Die Ergebnisse, die in die Schulentwicklung eingebunden sein sollen: Das wird auch im Sinne der Einsetzung der Bildungsdirektionen, des Bildungsreformgesetzes 2017 ge­sche­hen, da werden diese Ergebnisse auch sicherlich in die weitere Entwicklung der zentralisierten Reife- und Diplomprüfung Eingang finden. Man muss die Daten natürlich auch den einzelnen Schulen zur Verfügung stellen. Sie stehen zum Teil schon zur Verfügung, und man kann sich auch in der Landschaft wiederfinden und feststellen, wo man entsprechend liegt.

Ich würde in der weiteren Entwicklung der zentralisierten Reife- und Diplomprüfung vielleicht als einen spannenden Aspekt noch einbringen, dass das Ergebnis zumindest der zentralisierten Fächer nicht nur das grundsätzliche Startticket für den tertiären Bildungsbereich ist, sondern dass wir ein Element eines Bonustickets hineinbrächten. Das würde eine unglaubliche Motivation in das sekundäre Schulwesen bringen und würde diejenigen, die ein gutes Ergebnis einfahren, auch entsprechend belohnen, zumal wir in dieses Prüfungsformat insgesamt auch sehr viel Geld hineinstecken und die tertiären Bildungsreinrichtungen dann wiederum ihre Aufnahmeverfahren haben, bei denen auch grundlegende Kompetenzen abgeprüft werden.

In diesem Sinn danke ich noch einmal für die Diskussion und bitte auch um ent­sprechende Zustimmung zu dem Entschließungsantrag unserer Fraktion. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Strolz. – Bitte.


16.59.31

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Ministerin! Sie inspirieren mich immer, wenn ich Sie sehe. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Ja, ja!) Keine Angst, ich bin hier der Schlussposten für diese Dis­kussion. Niki Scherak hat gerade gesagt, es ist ja fast unerträglich konstruktiv. Ja, es ist ungewöhnlich, hier so eine Sachdebatte zu führen. (Beifall bei NEOS und ÖVP.) Ich weiß, es wird sicher auch die Stimmen geben, die sagen: Das ist ja viel zu wenig scharf für die Opposition, da muss man doch einihaun! – das gehört auch dazu, stimmt’s, Frau Ministerin? –, aber ich glaube, man muss nicht immer nur einihaun.

Ich möchte Ihnen abschließend zu dieser Debatte einen Wunsch, einen Traum für das Parlament mitgeben, Herr Minister. Meine Sehnsucht als Bürger ist ja die nach einem echten Arbeitsparlament, und ich höre im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen zum Be7ispiel in Skandinavien, mit Parlamentariern und Parlamentarierinnen in Benelux,


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dass die sich zum Beispiel im Bereich Bildungsausschuss einmal monatlich mit dem Minister austauschen. Mir ist fast die Lade runtergefallen. Unlängst habe ich welche getroffen, die gesagt haben, sie sind mit dem Fachausschuss wöchentlich im Aus­tausch mit dem Fachministerium.

Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) schüttelt es schon am ganzen Körper (Heiterkeit des Bundesministers Faßmann und bei Abgeordneten der ÖVP); mir ist klar, dass das ungewohnt ist, aber ich will nur ausschildern: Es gibt auf diesem Kontinent und allemal auf diesem Planeten ganz unterschiedliche Arten und Weisen, wie man parlamentarisch miteinander arbeitet, und ich behaupte, es gibt bessere als die in Österreich. Ich glaube, wir können Schritt für Schritt in Richtung eines Arbeits­parlaments gehen und die Sachkompetenz der Abgeordneten nicht nur nähren, sondern auch nutzen, indem wir in ein prozesshafteres Arbeiten kommen.

Ich glaube, wir haben heute bewiesen, dass wir (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ) – Zwischenapplaus erlaubt, Begeisterung überschaubar – in ein prozesshafteres Arbeiten kommen, Herr Minister, dass wir das können. Wenn wir es hier auf der exponiertesten aller parlamentarischen Bühnen, nämlich im Plenum, kön­nen, dann können wir es allemal in den Ausschüssen. Und wenn Sie sagen, Sie haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, dann wäre es für mich als Minister ein natürlicher Reflex, zu sagen: Da gehören auch Vertreter aller fünf Parlamentsfraktionen hinein! Warum? – Weil sie die gewählten Vertreterinnen und Vertreter des Volkes sind. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich bitte einfach – das ist mein Wunsch, mein Traum –, die Abgeordneten und Volks­vertreter anders einzubinden als bisher. Ich glaube, es wäre der Qualität der Ergeb­nisse in der größten Anzahl der Fälle zuträglich. Das ist ein abschließender Wunsch, diesem Übergabepaket beigestellt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Liste Pilz.)

17.02

17.02.38


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 270/A(E) der Ab­geordneten Dr. Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Reform der Zentralmatura: abgeschlankt, einheitlich, extern ausgewertet und als Sprungbrett für planvolle Schulentwicklung“.

Wer sich hierfür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Ab­gelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Taschner, Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Weiterentwicklung der zentral vorgegebenen Prüfungsaufgaben der Standardisierten Reife- und Diplomprüfung“.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist einstimmig angenommen. (E 21)

(Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.03.41Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 590/AB


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­men­ten­schutz mit der Ordnungszahl 590/AB.


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Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Ver­lesung durch die Schriftführerin oder den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung 10 Minuten zur Verfügung stehen.

Der Begründer ist Herr Abgeordneter Mario Lindner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.04.25

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Der neue Stil dieser Bundesregierung in der Beantwortung parlamentarischer Anfragen ist nicht unbedingt vorbildhaft. Das ist den meisten von uns schon immer klar gewesen, aber, Frau Ministerin, die Substanzlosigkeit Ihrer Antwort auf die Anfrage zum Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene ist schon sehr beschämend.

Es kommt nicht oft vor, dass ich Herrn Präsidenten Sobotka zitiere, aber seine Mah­nung an den Bundeskanzler vor einigen Monaten sollten Sie sich schon zu Herzen nehmen. Das Auskunfts- und Kontrollrecht der Abgeordneten gegenüber der Bundes­regierung ist „Ausdruck des der Verfassung zugrunde liegenden demokratischen Grundprinzips“, und als solches sollten Sie es auch betrachten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Scherak und Noll.)

In der Anfrage, die jetzt zur Diskussion steht, haben die Abgeordneten der SPÖ Sie zur Ausweitung des Diskriminierungsschutzes befragt, also zu einem Thema, das sowohl im Regierungsprogramm als auch in der Arbeit der Regierung mit keinem Wort vorgekommen ist. Daher liegt es nahe, dass Sie dem Parlament und der Öffentlichkeit endlich Auskunft darüber geben, wie Sie und diese Regierung die EU-Rats­prä­si­dentschaft nützen wollen, um dieses Thema voranzubringen. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Neun Fragen und insgesamt 18 Unterfragen haben wir Ihnen gestellt, und ich muss schon sagen, Ihre Antwort hat uns überrascht: vier lapidare Sätze. Wenn die Pläne der Bundesregierung für den Gleichstellungsbereich oder die EU-Ratspräsidentschaft so schnell zusammengefasst werden können, dann spricht das wohl Bände.

Wir haben Sie gefragt, ob Sie die EU-Richtlinie, die Diskriminierung im Privatleben zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Alters verhindern soll, während der Ratspräsidentschaft vorantreiben werden. Wir haben Sie gefragt, ob sich die Position der Regierung zu dieser Richtlinie von ihren Vorgängerinnen unterscheidet. Wir haben Sie gefragt, bei welchen Terminen im Zuge der Präsidentschaft die Richt­linie Thema sein wird. Wir haben Sie gefragt, wie der Stand der Gespräche mit den vorherigen Vorsitzländern zu diesem Thema ist, und wir haben Sie ausführlich gefragt, wie und in welcher Weise Sie den Diskriminierungsschutz nationalstaatlich umsetzen wollen, wenn es zu keiner europäischen Einigung kommt. Ihre Antwort: vier Sätze. Gerade von einer Regierung, die sonst nicht um Worte und Inszenierungen verlegen ist, hätte ich mir mehr erwartet. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Ich möchte aber auch Ihre KollegInnen in der Regierung für die beeindruckende Ge­schlossenheit bei diesem Thema loben. Sie scheinen mit dem Bundeskanzler, dem Europaminister, der Außenministerin und der Frauenministerin ja so sehr einer Meinung zu sein, dass ihre Antworten auf diese Anfrage fast schon Wort für Wort dieselben sind. Bei so viel Geld, das dieses Kabinett für PressesprecherInnen, für MitarbeiterInnen ausgibt, wäre zumindest im Wording mehr Kreativität drin gewesen.


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(Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Haben Sie keine anderen Sor­gen?)

Worum geht es eigentlich genau bei dieser EU-Richtlinie, die Ihnen, Frau Ministerin, vier Sätze wert war? – In Österreich dürfen Menschen aufgrund von sechs Gründen in Job und Arbeitswelt nicht diskriminiert werden: wegen ihres Geschlechts, ihrer ethni­schen Herkunft, ihres Alters, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion und Weltan­schauung oder einer Behinderung. Außerhalb der Arbeitswelt, also beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, gilt dieser Schutz nur aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung. Ein entsprechendes Gesetz zur An­gleichung wurde in Österreich bisher stets von den Kolleginnen und Kollegen der ÖVP blockiert.

Obwohl es diesen Schutz in den meisten europäischen Ländern längst gibt, besteht auf EU-Ebene noch keine Verbindlichkeit dafür. Das sollte durch eine EU-Richtlinie gelöst werden, die von der Kommission im Jahr 2008 vorgeschlagen wurde, also schon vor über zehn Jahren. Seitdem wird ihre Umsetzung im Europäischen Rat blockiert.

Unsere Frage an Sie, Frau Bundesministerin, war daher, ob und vor allem wie die Regierung den österreichischen Vorsitz im Rat dazu nützen will, den längst überfälligen Diskriminierungsschutz umzusetzen. Wir haben Sie auch gefragt, warum Österreich diesen Schutz nicht nationalstaatlich umsetzt, so wie es viele unserer Nachbarn getan haben, statt auf eine europäische Lösung zu warten.

Ihre lapidare Antwort – übrigens Wort für Wort auch die Antwort der Frau Frauen­ministerin –: „Im Übrigen gehe ich davon aus, dass Österreich im Bereich der Antidis­kriminierung bereits sehr hohe Standards erreicht hat. Allfällige innerstaatliche Verbes­serungen werden daher anlassbezogen geprüft.“

In einem Punkt muss ich Ihnen recht geben: Österreich hat hohe Standards im Schutz vor Diskriminierung. Das darf aber niemals eine Ausrede dafür sein, zu handeln, wenn diese Standards ganz offensichtlich nicht ausreichen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

Sie wollen anlassbezogen prüfen. Da frage ich mich: Welchen Anlass brauchen Sie denn bitte? – Es passiert leider viel zu oft, dass Menschen zum Beispiel wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden, dass Händchen haltende Jugendliche aus Taxis oder Freibädern geschmissen werden, dass lesbische Paare eine Wohnung nicht bekommen, weil solche Partnerschaften dem Vermieter eben nicht passen. Das beste Beispiel ist wohl das Café Prückel in Wien, wo ein lesbisches Paar aus dem Lokal ge­worfen wurde – nur wegen eines Kusses. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Rosenkranz.)

Verdienen diese Menschen nicht auch den Schutz des Staates? Sehen Sie da keinen Anlass, zu handeln, Frau Bundesministerin? – Wenn Sie es ein bisschen offizieller brauchen, dann schauen Sie sich einmal die Empfehlung des Europarates an! Ecri, die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, hat Österreich 2015 geprüft und glasklar festgestellt, dass es genug Anlässe gibt, diesen Schutz endlich national­staat­lich zu garantieren. Ganz konkret wurden wir damals aufgefordert, endlich ein allge­meines Diskriminierungsverbot für den öffentlichen und privaten Sektor und alle Dis­kriminierungsgründe umzusetzen, und das wäre auch dringend notwendig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Ob und wie Sie so einen Schutz umsetzen wollen, haben wir Sie auch in dieser Anfrage gefragt. Bisher sind ja mehrere Anläufe dazu trotz Sozialpartnereinigung immer an der ÖVP gescheitert. Also, Frau Ministerin, wird Ihre Regierung handeln? Haben Sie vor, Diskriminierungsschutz für alle Gruppen in unserem Land zu garan-


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tieren, oder wollen Sie dieses Thema weiter ignorieren und aussitzen, so, wie es Ihr Koalitionspartner schon mit der Ehe für alle getan hat?

Am Samstag werden wieder 200 000 Menschen bei der Regenbogenparade um den Ring ziehen. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass auch Sie und diese Regierung dieses Zeichen gegen Diskriminierung und für Vielfalt nicht auf Dauer werden igno­rieren können. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Abschluss: Ich kann mir vorstellen, dass Sie in den letzten Monaten mit dem Kampf gegen den Nichtraucherschutz oder den Angriffen auf die Jugendvertrauensräte sehr beschäftigt waren. Frau Bundesministerin, ÖGB-Präsident Erich Foglar hat ges­tern bei der Eröffnung des Bundeskongresses des Österreichischen Gewerkschafts­bundes gesagt, ich zitiere: „Gerade die Gewerkschaftsjugend ist ein Bollwerk gegen Antisemitismus und Wiederbetätigung. Die Abschaffung der Jugendvertrauensräte wäre eine demokratiepolitische Bankrotterklärung!“ (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich möchte Ihnen aber trotzdem eine kleine Lektüre mitgeben (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), den Bericht der Europaratskommission (ein Exemplar des Berichts in die Höhe haltend) über Diskriminierungen in Österreich. Vielleicht finden Sie einmal ein paar freie Minuten, Sie könnten dabei wahrscheinlich etwas lernen. (Abg. Belakowitsch: Steht da die Diskriminierung ... drin?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne wünsche ich Happy Pride! (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.14


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort hat sich nun Frau Bundesministerin Mag.a Beate Hartinger-Klein gemeldet. Frau Bundesministerin, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte. (Bundesministerin Hartinger-Klein: Die werde ich nicht brauchen!)


17.14.41

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Lieber Herr Abgeord­ne­ter Lindner, Sie können versichert sein, dass ich parlamentarische Anfragen sehr ernst nehme – ich war einmal Parlamentarier, also kann ich mich in Ihre Rolle versetzen –, aber sorry: Bei diesen Fragen war nicht mehr drinnen.

Zur parlamentarischen Anfrage Nr. 601 betreffend eine Ausweitung des Schutzes vor Diskriminierung auf europäischer Ebene hat am 10.4.2018 eine Koordinierungssitzung im Bundeskanzleramt stattgefunden, da unterschiedliche Ressorts für die Gleich­be­handlung zuständig sind und die Anfrage gleichlautend, wie Sie selber gesagt haben, an mehrere Ressorts gerichtet wurde.

Mein Ressort ist federführend für die Gleichbehandlung im Privatbereich zuständig. Dazu möchte ich noch anmerken, dass der Staat mit der Umsetzung dieser Richtlinie tief in die Privatsphäre eingreifen würde, denn dieser Richtlinienentwurf soll das Ver­hältnis zwischen den Bürgern regeln, aber nicht das Verhältnis zwischen den Bürgern und dem Staat. Das sehe ich als sehr bedenklich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Der Richtlinienvorschlag zur Gleichbehandlung stammt aus dem Jahr 2008 und wird unter dem österreichischen Ratsvorsitz weiterverhandelt. Von den Beamten und Beam­tinnen meines Ressorts wurde bereits ein Konzept mit Abänderungsvorschlägen zum


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Richtlinienvorschlag für den österreichischen Vorsitz erarbeitet, das Grundlage für die Fortsetzung der Diskussion sein soll. Dieses Konzept wurde letzte Woche mit der Europäischen Kommission abgestimmt.

Am 16. Juli 2018 ist die erste Ratsgruppensitzung unter dem österreichischen Vorsitz in Brüssel geplant, in der diese Abänderungen beraten werden. Bei der Abänderung handelt es sich in erster Linie um eine Klarstellung des Richtlinientextes. Die bishe­rigen Präsidentschaften haben jeweils zwei Ratsarbeitsgruppensitzungen abgehalten. Diese Vorgangsweise werden wir weiterführen. Es ist somit noch eine zweite Rats­arbeitsgruppensitzung in Brüssel geplant.

Der Richtlinienvorschlag ist von den Mitgliedstaaten einstimmig zu beschließen und wird derzeit von zwei Mitgliedstaaten, Deutschland und Polen, blockiert. Der vorlie­gen­de Richtlinienvorschlag zielt darauf ab, Diskriminierungen wegen Religion, Weltan­schau­ung, Behinderung, Alters und sexueller Orientierung, die außerhalb der Arbeitswelt erfolgen, zu verhindern. Gerade im Bereich des Zugangs zu Gütern und Dienstleis­tungen ist das Spannungsverhältnis zur Privatautonomie zu beachten. Wir haben diese Frage in Österreich in den vergangenen Jahren mehrmals diskutiert.

Ich möchte in diesem Zusammenhang herausstreichen, dass der Schutz vor Dis­kriminierung in der Arbeitswelt umfassend geregelt ist. Was den Bereich außerhalb der Arbeitswelt betrifft, haben wir wichtige Bereiche, vor allem Diskriminierungen beim Zugang zu Gütern wegen Geschlechts, ethnischer Herkunft oder Behinderung, gut geregelt. Im Übrigen halte ich es für sinnvoll, die Entwicklung auf europäischer Ebene abzuwarten. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.17


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Mag.a Michaela Steinacker zu Wort gemeldet. Ab jetzt gilt 5 Minuten Redezeitbeschränkung. – Bitte.


17.18.09

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, das Thema der Anfragebeantwortung, der Richtlinienvorschlag, der einen Grundsatz der Gleichbehandlung vorsieht – wie gesagt, nicht nur betreffend einen einzigen Bereich, sondern auch was Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Orien­tierung betrifft –, wird auf europäischer Ebene schon sehr lange diskutiert, um nicht zu sagen: Das zieht sich wie ein Strudelteig. Und warum zieht es sich wie ein Strudel­teig? – Weil es eben aufgrund der Vielfalt der Thematik und des Eingriffs in sehr persönliche Rechte von Privaten sehr, sehr kontrovers diskutiert wird.

Nicht umsonst hat die Europäische Union genau in diesem Fall das Gesetz­gebungs­verfahren aufgrund des Artikels 19 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen, der besagt: In dieser sensiblen Materie und aufgrund der damals schon im Vorfeld sehr, sehr kontroversen Diskussionen wollen wir einerseits eine Ein­stimmigkeit im Rat und andererseits eine Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Schon alleine daraus können Sie ablesen, dass es nicht so einfach ist und dass es natürlich in der Findung einer gemeinsamen Richtlinie, die dann in dieser Art und Weise verabschiedet werden kann, nicht nur einer langen Vorbereitungszeit bedarf, sondern genau dieser Initiative, die die Frau Bundesminister jetzt setzt, um mit Lösungsvorschlägen im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes von Österreich eben wieder Fahrt aufzunehmen. Dass es in Österreich aufgrund unserer bereits im Bereich der Antidiskriminierung geltenden Gesetze sehr wohl schon einen sehr, sehr hohen Stan-


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dard gibt, das, glaube ich, wissen wir hier im Hohen Haus, die wir auch an diesen Ge­setzen mitgewirkt haben, sehr genau.

Eines ist klar: Einen Alleingang Österreichs zu diesen Themen soll und wird es aus meiner Sicht nicht geben. Ich bin sehr dafür, dass die Frau Bundesministerin versucht, im nächsten halben Jahr Lösungen zu finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es geht um Achtsamkeit und Sorgsamkeit, denn der Eingriff in die Privatsphäre von Menschen, in die Grundrechte, die jeder Einzelne hat, trifft Betroffene ja massiv. Nicht umsonst gibt es dazu auch in der europäischen Menschenrechtskonvention, der wir uns verpflichtet haben, ganz klare Regelungen.

Wir überlegen in jeder Hinsicht, wenn wir einen Eingriff in Grundrechte vornehmen, dass dies jedenfalls dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit untergeordnet sein muss. Mit Achtsamkeit die Rechte von Privatpersonen einzuschränken erachte ich wirklich als etwas, bei dem man meiner Meinung nach darüber nachdenken kann, ob man es überhaupt tut, und wenn man es tut, dann muss man es mit Sorgfalt, Überlegtheit und Räson tun. Diese Abwägung der Verhältnismäßigkeit, Frau Bundesministerin, erwarten wir alle, und ich glaube, bei Ihnen ist das gut aufgehoben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.20


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.


17.21.14

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Vielleicht wäre es angebracht, nicht so viel über Paragrafen und Richtlinien zu reden (Abg. Steinacker: Doch! Wir sind hier im Parlament!), sondern über den Willen hier im Hohen Haus, den wir durchaus kundtun könnten, weil 18 von 28 EU-Staaten den Diskriminierungsschutz schon ohne europäische Richtlinie ausgeweitet haben. Sogar acht von neun österreichischen Bundesländern haben das getan – Nieder­österreich leider nicht – und gewährleisten Diskriminierungsschutz außerhalb der Ar­beitswelt für lesbische Personen, für schwule Personen, für transidente Personen, für queere Personen, für bisexuelle Personen, für intersexuelle Personen.

Wir hier im Hohen Haus wären durchaus in der Lage – Frau Bundesministerin, ohne Ratsarbeitsgruppen –, ein Zeichen zu setzen, gerade jetzt, da wir zwischen 2. und 17. Juni die Vienna Pride hier in Österreich feiern und sich Wien als Regenbogen­haupt­stadt wunderbar zu den Themen Liebe, Respekt und Solidarität präsentieren kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir hier im Hohen Haus müssen einander nicht lieben, das will ich auch gar nicht, wenn ich an einige denke. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Wir hier im Hohen Haus sollten aber auch Respekt zeigen, Respekt und Solidarität denen gegenüber, die diesen Diskriminierungsschutz noch nicht erfahren dürfen.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Einem lesbischen Paar mit zwei Kindern wurde in Mini­mundus eine Familienkarte nicht gewährt (Abg. Zanger: Das geht ja auch nicht! Wie können ...?), nachdem eine Mama und eine Mama und zwei Kinder um diesen vergünstigten Eintritt gebeten haben. – Das kann es im 21. Jahrhundert nicht sein! Die Leute da draußen sind viel weiter als einige hier im Hohen Haus, und das ist wirklich etwas beschämend. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Also in Kärnten ist die Welt noch in Ordnung!)


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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gleichgeschalten beantworten viele Ressorts diese Anfragen wirklich sehr dürftig. Ich glaube, wir schulden es einer großen Menge an Menschen, die einen anderen Lebensentwurf haben, aber wir geben ihnen nicht die Möglichkeit, dass sie so leben können, wie sie wollen, und die Leute lieben können, die sie wollen.

Ich darf Ihnen noch eine Zahl zur Kenntnis bringen: Vor einiger Zeit wurden 93 000 Per­sonen in Europa befragt, welche Diskriminierungen sie aufgrund ihrer sexuellen Orien­tierung – und um die geht es hauptsächlich – erlebt haben. Das Ergebnis ist eigentlich erschütternd.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Schade, dass Sie mir jetzt nicht zuhören! (Abg. Belakowitsch: Ich horche Ihnen die ganze Zeit zu!) Ich weiß, dass Sie das Thema sexuelle Orientierung und der Schutz der betroffenen Menschen nicht interessiert. Ich bedauere wirklich sehr, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz woanders hingelenkt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Zadić. – Abg. Zanger: Aufmerk­samer geht’s gar nicht!)

Es ist erschütternd, dass viele dieser Personen Gewalterfahrungen nicht nur am Arbeitsplatz sondern auch außerhalb erleben mussten, dass sich drei Viertel der Männer nicht trauen, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten und dass vor allem Schülerinnen und Schüler – wir hatten gerade ein wichtiges Bildungsthema – das Coming-out auf den Sankt-Nimmerleins-Tag, aufs Erwachsenenalter verschieben und viele Jahre des Leidens erdulden müssen.

Ich habe selbst in meinem Bekanntenkreis sehr junge Menschen, die sich geoutet haben, deren Familien zu ihnen stehen. Wir wissen auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass gerade die Familienberatungsstellen, die 1 Million Euro weniger erhalten, auch junge Menschen vor einem Outing oder nach einem Outing beraten. Es ist wirklich bedauerlich, dass zigtausende Beratungsstunden für junge Leute, die das dringend bräuchten, nicht mehr geleistet werden können.

Das heißt, in Summe ist es wichtig, dass wir ein Zeichen der Solidarität setzen, dass wir ein Zeichen des Respekts setzen und nicht auf eine EU-Richtlinie warten müssen. Wir waren in Österreich knapp dran. (Abg. Belakowitsch: Knapp dran ist aber auch vorbei!) Ich wiederhole noch einmal, was mein Kollege Mario Lindner gesagt hat: Wir hatten sogar im Ministerrat eine Einigung darüber, dass wir den Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt auch auf sexuelle Orientierung und das Alter ausweiten wollen. (Abg. Belakowitsch: Warum habt ihr es dann nicht beschlossen?) Wir haben Rücksicht auf die katholische Kirche genommen, die Religion und Weltanschauung aus nachvollziehbaren Gründen draußen lassen wollte. Es ist aber wieder von der Tagesordnung genommen worden, weil es damals leider am ÖVP-Klub gescheitert ist, einer großen Gruppe von Menschen in Österreich diesen Respekt und diese Solidarität zu zeigen.

Wir müssen einander nicht lieben, aber wir sollten Respekt und Solidarität für an­dersgeschlechtliche Menschen, für andere Lebensentwürfe zeigen. Und das vermisse ich leider. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

17.26


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch ist die nächste Rednerin. – Bitte.


17.26.23

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Heinisch-Hosek, bei Ihnen gibt es Diskriminierung offensichtlich nur aufgrund sexueller Orientierung (Abg. Schieder:


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Nein!) – Sie haben jetzt 5 Minuten nur darüber gesprochen –, Diskriminierung ist aber sehr viel vielseitiger.

Ich sage Ihnen aber auch eines, und das ist das, was mich an dieser ganzen Debatte ein bisschen stört: Im Arbeitsbereich haben wir einen guten Diskriminierungsschutz. Den haben wir, und dazu bekennen wir uns, und der soll auch bleiben. Schwieriger ist es im privaten Bereich (Abg. Heinisch-Hosek: Warum?), weil es einerseits darum geht, Menschen privat nachzuschnüffeln, und man andererseits vielleicht manches Mal auch mit Eigentumsrechten in Konflikt kommt. Auch das ist ein Problem und das sollten wir uns schon vor Augen halten, denn damit öffnet man in Wahrheit einer Klagewelle Tür und Tor. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein Beispiel: Wenn ich als Vermieter sage, meine Wohnung liegt in einer ruhigen Gegend, ich will keine jungen Menschen, ich will eine 70-jährige Frau, weil die ruhig ist, dann kann ich eine Klage wegen Altersdiskriminierung bekommen. Das ist doch alles lebensfremd, was Sie hier fordern!

Man muss auch fragen, und das ist heute überhaupt noch nicht vorgekommen: Was ist denn mit den Menschen, die aufgrund ihrer Weltanschauung, aufgrund ihrer politischen Einstellung diskriminiert werden? Das erleben Freiheitliche nämlich tagtäglich. (Abg. Schieder: Na, na! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da werden dann Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer aus Lokalen ausgeschlossen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Da dürfen Wähler, die Norbert Hofer gewählt haben, bestimmte Lokale nicht besuchen! Das ist auch Diskriminierung. Da werden oft 70-jährige Männer aus Lokalen hinauskomplimentiert. Andere werden aufgrund ihrer Welt­anschauung nicht bedient, wissen Sie? (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Wenn Sie sich in manchen Branchen, in manchen Berufen outen, dass Sie Frei­heitlicher sind, haben Sie oftmals mit Problemen zu rechnen, bis hin zu einer Kündigung. Auch das ist Diskriminierung! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich weiß nicht, Herr Kollege Lindner, ob das auch in Ihrem europäischen Bericht drinnen steht. Das glaube ich nämlich nicht. Diskriminierung gibt es nicht nur auf einer Seite, die kann es immer und überall geben. Wenn ich dieses Thema ernst nehme, dann muss ich auch eine politische Einstellung ernst nehmen. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Das finden Sie jetzt zum Lachen, das finden Sie lustig. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Das ist eben keine Einbahnstraße, und genau das ist das Problem, meine Damen und Herren.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das ist letzte Woche bei der Medienenquete passiert: Es gibt Journalisten, die nicht im linken Spektrum, also im sogenannten guten Spektrum, zu Hause sind, und dann ganz alleine stehen. Die Kollegen sprechen nicht mit ihnen, denn sie sind ja böse, vielleicht Rechte, vielleicht auch nur schwer konservativ, auch das ist schon zu viel in manchen Branchen. Das ist auch Diskriminierung.

Hören Sie also auf, etwas herbeizureden, das es in Wahrheit nicht gibt! (Zwischenruf des Abg. Lindner. – Abg. Vogl: Was heißt das gibt es nicht?) Ich bin der Meinung, wir haben in Österreich einen sehr guten Diskriminierungsschutz, der wirklich alle Men­schen schützt, und dabei sollten wir auch bleiben. Man sollte nicht immer noch mehr und noch mehr und noch mehr fordern.

Sagen Sie konkrete Beispiele, wo jemand diskriminiert worden ist! (Abg. Lindner: Haben wir gesagt! – Zwischenruf des Abg. Vogl.) Das haben wir immer wieder gehabt, im Bereich der Behinderten beispielsweise, da haben wir nachgeschärft. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Immer wieder mal gibt es Veranstaltungen, es wird immer nachgeschärft. Es gibt immer Nachschärfungen, wenn es konkrete Beispiele und


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Anlassfälle gibt. Sich aber hier herzustellen und zu sagen, Menschen, die eine andere sexuelle Orientierung haben, würden pauschal diskriminiert, ist einfach Blödsinn, weil es nicht stimmt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Letzte Woche war der Life Ball, und interessant waren auch die sozialen Medien. (Abg. Jarolim: Bitte sachlich bleiben!) Gerade viele Ihrer linken Freunde, die Journalisten sind, haben nämlich genau das kritisiert: Einige wenige, die sich dort hinstellen und grell herumschreien, schaden in Wahrheit vielen homosexuellen Menschen, die mit dieser grellen Gruppe überhaupt nichts zu tun haben wollen (Abg. Heinisch-Hosek: Was interessiert Sie ...?), die ihr ganzes Leben einfach leben, wie sie wollen, genau wie alle anderen auch, die sich auch nicht diskriminiert fühlen und die auch nicht immer schreien müssen: Ich bin so arm, ich werde diskriminiert, ich werde ausgegrenzt!

Das ist einfach nur ein Politikum, das Sie zu veranstalten versuchen. Sie glauben, Sie haben jetzt ein Thema, mit dem Sie in irgendeiner Marktnische vielleicht wieder ein paar Wähler lukrieren können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch das wird nicht funk­tionieren, genauso wenig wie Ihre Angriffe von heute Vormittag oder vom Montag funktionieren werden. Sie haben in Wahrheit nicht Fuß gefasst. Versuchen Sie einmal, sich selbst zurückzunehmen, versuchen Sie einmal wirklich Oppositionspolitik zu machen! Versuchen Sie einmal, inhaltliche Kritik zu formulieren! Das schaffen Sie offensichtlich nicht, entweder, weil die Regierungsarbeit so gut ist (Zwischenruf des Abg. Vogl), oder einfach, weil Sie es gar nicht schaffen, das durchzulesen und einen Fehler zu finden. Das ist das Hauptproblem, das Sie haben. Kommen Sie nicht mit irgendwelchen gekünstelten Problemen, die es in Wahrheit nicht gibt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Das war aber nicht sehr sachlich! – Abg. Neubauer: Aber die Wahrheit! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

17.31


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak ist der nächste Red­ner. – Bitte.


17.31.12

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Es gibt ja zwei Aspekte bei dieser Anfrage und der Anfragebeantwortung, die, glaube ich, relevant sind, um über sie zu diskutieren. Das erste ist die Frage, wie die Anfrage beantwortet wurde. Frau Bundesministerin, ich finde, da ist die Kritik ohne Weiteres berechtigt. Mit den Unterfragen sind es insgesamt 27 Fragen, die Kollege Lindner gestellt hat. Sie haben einerseits gesagt, dass Sie zuständig sind und dass es eine Querschnittsmaterie ist, und Sie haben darüber hinaus gesagt, dass sich Öster­reich im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft weiter einsetzen wird und dass Sie der Meinung sind, dass es hohe Standards gibt. Ich finde, das ist bei 27 Fragen, die sehr detailliert sind (Abg. Zanger: Ausreichend!), zu wenig. Ich glaube, das kann man an­ders auch beantworten.

Sie haben auch gesagt, so wie ich es verstanden habe, dass die Arbeitsgruppe bei Ihnen im Ministerium die Vorschläge erst danach ausgearbeitet hat. Dementsprechend finde ich es auch gut, dass wir diese Anfragebeantwortung heute diskutieren, weil wir jetzt wissen, dass es Vorschläge gibt. Noch mehr hätte uns interessiert, was die kon­kreten Vorschläge sind, damit wir dann auch wissen, was wir während der Ratsprä­sidentschaft weiter diskutieren werden. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abge­ordneten der Liste Pilz.)

Das Zweite ist die inhaltliche Komponente. Da finde ich etwas schade: Frau Kollegin Belakowitsch hat ja eigentlich etwas sehr Wesentliches zum Thema Diskriminie­rungs-


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schutz angesprochen, nämlich die Frage, wie weit dieser gehen soll und auch, was das für Probleme mit sich bringt. Da habe ich eine andere Meinung als die SPÖ. Fakt ist: Es gab erst vor zwei Wochen eine Entscheidung des amerikanischen Supreme Court, der sich damit auseinandergesetzt hat, ob ein Bäcker aus religiösen Gründen ver­weigern darf, einem homosexuellen Paar eine Torte zu backen. Der Supreme Court hat entschieden: Er darf das.

Frau Kollegin Belakowitsch hat das richtigerweise angesprochen: Diskriminierungs­tat­bestände, insbesondere nach den Vorschlägen der Richtlinie, gibt es viele, es sind viele vorgeschlagen, aber insbesondere die Frage, wie man mit der Weltanschauung umgeht, die auch immer wieder debattiert wird, ist eine, die die Sozialdemokratie aus meiner Sicht noch nicht beantworten konnte.

Ich persönlich finde es in Ordnung, wenn ein Wirt sagt, er will Kollegen Gudenus, Kollegen Strache und Kollegen Hofer nicht in seinem Lokal bewirten. Das ist zwar nicht sonderlich nett, aber ich finde, im Sinne der Privatautonomie muss er das Recht dazu haben, genauso wie er übrigens sagen darf, Kollegen Scherak, den Liberalen, will er auch nicht in seinem Lokal haben. (Abg. Belakowitsch: Dann muss er auch das Recht haben, beim Rauchen ...! – Abg. Rosenkranz: ... rauchen!)

Die Frage ist, ob man die Weltanschauung in diese Diskriminierungstatbestände mit hineinnimmt. Ich glaube, dass es das gute Recht im Sinne der Privatautonomie ist, dass man einen Unternehmer nicht dazu zwingt, dass er in irgendeiner Art und Weise mit jemandem kontrahieren muss.

Daher glaube ich auch, dass wir diese Debatte noch intensiver führen müssen, denn wo kommen wir denn da hin? Nehmen wir einmal an, ich bin Unternehmer, ich bin Wirt, und ein bekannter Rechtsradikaler will bei mir essen. (Abg. Gudenus: Sie kennen Leute!) Dann ist die Frage: Was ist, wenn der Staat mich in Zukunft dazu zwingt und ich nicht mehr sagen kann, dass ich keine Rechtsradikalen oder auch Linksradikalen, keine bekennenden Kommunisten bei mir im Lokal sitzen haben will? Ich will das nicht! (Abg. Hafenecker: Nehmen Sie da schon Vorverurteilungen vor?) – Kollege Hafenecker, es ist eine ganz sachliche Diskussion. Ich stehe übrigens auf Ihrer Seite in dieser Frage, weil ich auch glaube, dass das zu komplex ist, um einfach zu sagen, wir weiten die Diskriminierungstatbestände dermaßen aus. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kuntzl und Neubauer.)

Die Frage ist, ob es dann nicht noch viel mehr Diskriminierungstatbestände geben könnte. Ich glaube einfach, dass es im Sinne der Privatautonomie und auch im Sinne einer liberalen Gesellschaft weiterhin möglich sein muss, dass Unternehmerinnen und Unternehmer in solchen Fragen zu Entscheidungen kommen – die mir im Übrigen nicht immer persönlich passen, weil das Beispiel des Café Prückel angesprochen wurde. Für mich ist es vollkommen unvorstellbar, wieso jemand, der ein Gasthaus betreibt, einem lesbischen Paar sagt: Ihr seid hier nicht erwünscht. – Das ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, das hat mit meinem liberalen Weltbild absolut nichts gemein. (Abg. Neubauer: Das ist aber jetzt ein Widerspruch!) Ich bin trotzdem der Meinung, dass er das Recht dazu hat.

Herr Kollege Neubauer, das ist kein Widerspruch. (Abg. Neubauer: Warum?) Sie müssen nur zuhören! Ich bin der Meinung, er muss das Recht haben - - (Abg. Neubauer: Die ... darf er raushauen, aber ...!) – Nein, Herr Kollege Neubauer, bis zum Ende zuhören! Ich bin der Meinung, er muss das dürfen. Inhaltlich lehne ich es immer noch ab. Ich lehne es übrigens auch ab, wenn irgendjemand dem Kollegen Gudenus sagt, dass er bei ihm nicht essen darf. (Abg. Gudenus: Das war der Kellner, nicht der Eigentümer!) Er muss aber die Möglichkeit haben, er muss das dürfen, und das ist ein wesentlicher Unterschied.


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Ich glaube, der Besitzer des Café Prückel wird mich als Gast nie wieder sehen, ich habe meine Konsequenzen gezogen. Ich sage, ich will auch nicht mit Leuten kontra­hieren, die so ein antiquiertes Weltbild haben, das brauche ich persönlich nicht, das ist meine freie Entscheidung. Ich glaube aber auch, dass es die freie Entscheidung eines Gasthausbesitzers ist, dass er sagt, er will Kollegen Gudenus nicht bedienen. Das muss in einer liberalen Gesellschaft zumindest aus meiner Sicht möglich sein.

Ich hoffe, dass das auch weiterhin möglich ist, denn wenn wir einen allgemeinen Kon­trahierungszwang haben und Diskriminierungstatbestände noch weiter ausweiten, wer­den wir irgendwann einmal alle Menschen in ihrer Privatautonomie sehr massiv ein­schränken, und das ist etwas, das ich nicht haben will. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Rosenkranz: Was ist beim Rauchen? Der Gastwirt ...!)

17.36


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Wolfgang Zinggl. – Bitte.


17.36.13

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Es ist ja nicht so, dass Sie auf die Fragen von Kollegen Lindner gar keine Antwort gegeben hätten, Sie haben in der Tat vier Zeilen zur Beantwortung eines dreiseitigen Fragenkatalogs geopfert. Was sagt uns das? – Das sagt uns, dass Sie dazu entweder nichts zu sagen haben oder dass Sie dazu nichts sagen können. Ich weiß, dass im Ministerium sehr gute Leute arbeiten, dass Sie also durchaus etwas zu dem Thema sagen könnten, also bleibt nur das Zweite: Sie wollen dazu nichts sagen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da bemüht sich Europa, da bemühen sich unsere Vorgängerländer bei der Rats­prä­sidentschaft Estland und Bulgarien um ganz konkrete Linien, die Österreich fortsetzen soll, darum, Richtlinien zu Fragen der sozialen Absicherung, zu den sozialen Rechten, zu fairen Arbeitsbedingungen, letztendlich auch zu Rassismus auszuarbeiten, und vor allen Dingen, den Schutz vor Diskriminierung zu erweitern, und Österreich hat dazu nichts zu sagen. Das kann ich irgendwie nicht nachvollziehen. Das sind alles Themen, die Europa jedenfalls lebenswerter machen könnten und würden, und wir sollten da zumindest sagen, dass wir das nicht wollen. Das wäre ja auch eine Antwort.

Sie antworten aber nur, dass Sie erstens zuständig sind, aber zweitens: Schauen wir einmal, was kommt, wenn es irgendwann einmal einen Anlass gibt, können wir darüber reden!, als würde es im Zusammenhang mit Diskriminierung nicht tagtäglich Anlässe geben! Wir haben gerade jetzt bei den Vorrednern, bei Kollegen Scherak, bei Kollegin Belakowitsch und anderen gesehen, wie maximal das zu diskutieren ist. Täglich tauchen Fälle auf, bei denen Entscheidungen gefällt werden könnten und müssten.

Europa bemüht sich darum, und Sie hätten jedenfalls Anlass, eine Meinung dazu kundzutun. Wenn Sie schriftlich zumindest diese Antwort gegeben hätten, die Sie jetzt mündlich gegeben haben, wenn Sie vielleicht so etwas Ähnliches geschrieben hätten, wie Kollegin Belakowitsch gesagt hat, nämlich es gebe keine Probleme, dann wären wir zumindest insofern informiert, als wir dann wüssten, welchen Standpunkt Sie ver­treten. Sie sagen aber: Wir schauen einmal, was irgendwann einmal kommt.

Es gibt also zwei Defizite: Das eine Defizit besteht darin, dass Sie thematisch nichts sagen wollen, und das zweite Defizit ist in der Tat das parlamentarische. Kollege Lindner fragt ja nicht nur, weil es ihn persönlich interessiert, sondern er ist als gewähl­ter Parlamentarier Vertreter vieler Menschen in diesem Land, er ist Vertreter der Wäh­lerinnen und Wähler, die genau diese Frage an Sie stellen würden, wenn sie könnten. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Er vertritt sozusagen eine Community und möchte für diese Community eine Antwort haben. Es ist schon eine Anmaßung von Ihnen, hier schnoddrig zu antworten: Ja, ich bin zwar zuständig, aber schauen wir einmal, was passieren wird!

Sagen wir es so: Diese beiden Defizite machen es wünschenswert, dass in Zukunft die Fragen, die an Sie gerichtet werden, besser beantwortet werden, denn sonst müssen wir das wieder in der Präsidiale diskutieren. Es kann nicht sein, dass schriftliche Anfra­gen hier immer nur mündlich beantwortet werden; wir wollen doch eigentlich diese Kultur des Parlamentarismus und des Interpellationsrechts nicht schwächen, sondern stärken! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.39


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

17.40.01Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit nehme ich die Verhandlungen über Tagesordnungs­punkt 5 wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte, Herr Abgeord­neter.


17.40.09

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Der vorliegende Gesetzentwurf hat, glaube ich, zwei Facetten, die man beleuchten muss: ein technisches Ziel und ein inhaltliches Ziel.

Beim technischen Ziel geht es darum, dass ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Europäischen Kommission anhängig ist, das wir natürlich beenden wollen, und deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf hier vorliegen. Das inhaltliche Ziel ist, dass man schauen will, einen stärkeren Markt für alternative Beförderungsmethoden zu schaffen. Ich glaube, dass das durchaus nachvollziehbar ist und dass diese Ziele nicht ganz fern sind.

Wenn man sich das genauer anschaut, merkt man aber relativ rasch, dass es da ein bisschen zu schnell gegangen ist und dass in diesem Gesetzentwurf ein paar kleine Fehler drinnen sind. Die Regierung lobt sich immer wieder und hat den Anspruch an sich selbst, kein Gold Plating zu betreiben, den Föderalismus einzudämmen et cetera. Leider haben wir genau da ein bisschen ein Problem.

Ich möchte insbesondere den Föderalismus herauspicken. Schauen wir uns das am Beispiel der Rechte und Pflichten von Betreibern von Ladepunkten an: Im Gesetz­ent­wurf sind Grundsatzbestimmungen festgehalten, allerdings werden diese dazu führen, dass die verschiedenen Länder, also unsere neun Bundesländer, eigene Aus­füh­rungs­gesetze dazu beschließen. Was heißt das mittelfristig bis langfristig? – Wir werden wieder in jedem Bundesland eine eigene Regelung haben. Für Betreiber, die öster­reich­weit ein Netz aufbauen wollen, ist es natürlich ein extremer administrativer Auf­wand, in jedem Bundesland eigene Anträge zu stellen und dann die Anlagen aufzu­bauen, die sehr wichtig sind, um erneuerbare Energie auch in der Infrastruktur einzusetzen und für Fahrzeuge et cetera zu nutzen.

Was auch spannend ist, ist der Punkt, wie geregelt werden soll, dass die Ladepunkte öffentlich zugänglich sind. Da haben wir durchaus wieder Divergenzen, da man das


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nicht ganz regeln kann. Es stellt sich auch die Frage, wie man das in diesem Punkt mit der Rechtssicherheit macht.

Zusammengefasst wurde, glaube ich, bei diesem Gesetzentwurf ein bisschen zu schnell gearbeitet, es wurde ein bisschen gehudelt, und es ist am Ende etwas heraus­ge­kommen, bei dem wir ein bisschen Bauchweh haben. Wir glauben, dass die Richtung die richtige ist, wir glauben auch, dass das wichtige Schritte in die richtige Richtung sind, und werden deswegen mit viel Bauchweh zustimmen. Wir möchten aber trotzdem anmerken, dass es durchaus Punkte gibt, an denen man noch nachbessern kann.

In diesem Sinne: Lernen Sie noch ein bisschen dazu, schauen Sie, dass das ordentlich gemacht wird, und wenn Sie dazu Fragen haben, helfen wir Ihnen gerne, sodass das beim nächsten Mal ein bisschen besser klappt! (Beifall bei den NEOS.)

17.42


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


17.43.05

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete zum Nationalrat! Ich freue mich, dass wir heute mit Ihnen das Bundesgesetz zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastruk­turaufbau für alternative Kraftstoffe diskutieren dürfen.

Gerade im Verkehr sind die CO2-Emissionen seit 2016 wieder im Steigen begriffen. Das bedeutet für uns natürlich auch, dass wir einen großen Auftrag haben, die Attrak­tivität von sauberen Antrieben zu forcieren und damit einhergehend natürlich auch den CO2-Ausstoß im Verkehr zu reduzieren. Das ist ein wesentlicher und großer Schwer­punkt, den wir auch mit unserer #mission 2030, unserer integrierten Klima- und Ener­giestrategie, verfolgen. Wir haben darin das ambitionierte Ziel verankert, rund 7,2 Mil­lionen Tonnen CO2 rein im Verkehr einzusparen. Das ist sehr ambitioniert, aber auf jeden Fall machbar.

Die Tank- und Ladeinfrastruktur wird dazu natürlich einen maßgeblichen Anteil leisten müssen. Wir sehen, dass uns zum Teil die Automodelle fehlen – wir haben zurzeit in Österreich aufgrund der Nachfrage immer wieder Lieferengpässe –, aber nicht nur das, ganz entscheidend wird auch sein, die Rahmenbedingungen herzustellen, damit die Besitzer von E-Autos ihre Autos in Österreich wirklich flächendeckend betanken kön­nen.

Das vorliegende Gesetz leistet einen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele, und es ist auch eine Umsetzung einer EU-Verordnung. Wir schaffen mit diesem Gesetz die Vor­aussetzungen dafür, dass Ladestationen öffentlich zugänglich zu betreiben sind. Ich muss Herrn Abgeordneten Hoyos, der vor mir gesprochen hat, ein bisschen kor­rigieren – er dürfte sich auf einen alten Gesetzestext bezogen haben –: Es ist keine Grundsatzverordnung und somit auch keine Ländergesetzgebung mehr notwendig. Das war im ersten Entwurf, wie er noch vor wenigen Monaten vorgelegen ist, so, wir haben aber maßgeblich nachgebessert. Die Klarstellungen führen vor allem auch zu einer wesentlichen Verbesserung für Nutzerinnen und Nutzer von Elektrofahrzeugen und, was uns wichtig ist, zu einem dichteren Netz an öffentlichen Ladestationen.

Zweitens sagt das Gesetz, dass Betreiber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten ihre Ladesäulen allen Nutzerinnen und Nutzern anbieten müssen, das heißt, die Be­treiber müssen sicherstellen, dass ihre Ladepunkte von jedem genutzt werden können, ohne dass beispielsweise eine Mitgliedschaft oder Ähnliches vorgewiesen werden muss.


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Wir haben aber gleichzeitig auch sinnvolle Ausnahmen eingeführt, das betrifft bei­spielsweise E-Taxidienste, E-Carsharing-Modelle oder Ladepunkte für E-Busse. In diesem Fall würde nämlich eine Verpflichtung zur öffentlichen Zugänglichkeit Neu­investitionen in die Ladeinfrastruktur verhindern oder erschweren.

Zum Dritten, und das ist auch sehr wichtig – wir alle kennen es eigentlich auch von unserer Handynutzung –, wird die Grundlage für einheitliche Steckerstandards bei E-Ladestationen sowie eben auch bei Wasserstoff- und CNG-Tankstellen geschaffen. Das Problem, dass man zu einer Tankstelle kommt und dann nicht laden kann, weil der Stecker ein falscher ist, sollte hiermit in diesem Bereich ausgemerzt werden. Dazu werden von meiner Kollegin Bundesministerin Margarete Schramböck entsprechend EU-Vorgaben Normen erlassen und die technischen Standards somit einheitlich umgesetzt. Mit diesem Gesetz wird sichergestellt, dass sowohl die Nutzerinnen und Nutzer von Elektrofahrzeugen als auch die Unternehmen einen klaren Vorteil haben.

Bezogen auf seinen vorhergehenden Redebeitrag kann ich Herrn Abgeordnetem Leichtfried sogar ein Argument liefern, damit die SPÖ auch zustimmen kann – ich verstehe seinen Schmerz zum Teil, da er das als zuständiger Minister damals leider nicht zur Umsetzung hat bringen können –: Der Vorwurf, dass es keine Preistrans­parenz oder Sonstiges geben soll, stimmt nicht, weil die EU-Richtlinie in diesem Punkt bereits durch innerstaatliche Vorschriften umgesetzt ist. Es handelt sich dabei nämlich um die Bestimmungen des Preisauszeichnungs- und des Dienstleistungsgesetzes und bei der Angemessenheit der Preise um Bestimmungen des Zivilrechts und des Wettbe­werbsrechts. Diese beiden Gesetze decken also Ihre Forderung vollends ab, das heißt, wir haben diese Umsetzung nicht noch einmal machen müssen, weil wir das bereits innerstaatlich umgesetzt haben.

Zu den verschiedenen Methoden der Preisfindung – das ist jetzt schon auch wichtig – und Preisfestsetzung bei öffentlich zugänglichen Ladeeinrichtungen ist aber dazuzu­sagen, dass nicht nur Österreich, sondern auch andere EU-Staaten noch kein einheit­liches Geschäftsmodell gefunden haben, das sich wirklich etabliert hat. Wir sind da in sehr engem Austausch mit anderen EU-Staaten, werden auch beobachten, wie sich das entwickelt, und natürlich gegebenenfalls auch Anpassungen vornehmen.

Ich hoffe, dass sich auch die SPÖ überzeugen lässt. Es gibt diese nationale Verord­nung und Umsetzung bereits, somit sind auch Ihre Punkte vollends erfüllt. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir für das vorliegende Gesetz eine sehr breite Mehrheit bekommen, weil es unser großes Ziel, die CO2-Reduktion maßgeblich voranzutreiben, erleichtern wird. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.48


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christoph Stark. – Bitte.


17.49.03

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Werte politikinteressierte ZuhörerInnen und ZuschauerInnen! Nach der Frau Ministerin für ein Gesetz zu werben ist natürlich etwas schwierig, da die Frau Ministerin schon sehr umfassend über dieses Gesetz gesprochen hat. Ich möchte mich aber trotzdem darin versuchen, unsere Kolleginnen und Kollegen der SPÖ dafür zu gewinnen, dem Gesetz doch zuzustimmen. Vielleicht gelingt ja heute das zweite parlamentarische Highlight nach der Maturadebatte und wir kommen von einer Dringlichen Anfrage zu einem einstimmigen Beschluss. – Man wird sehen.


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Ich werbe jedenfalls offensiv für dieses Gesetz, das aus meiner Sicht wichtig ist, weil es um die Energie geht, um eines unserer nachhaltigsten Zukunftsthemen. Wir wissen, es muss viel geschehen, und, wie gesagt, ich möchte dafür werben, diese Standards für E-Ladestationen und Alternativkraftstoffe auch bei uns umzusetzen. Mit der #mission 2030 ist schon einiges auf den Weg gebracht worden. Ich bedanke mich bei Bundesministerin Elli Köstinger und auch bei Bundesminister Ing. Norbert Hofer für die bisherigen Initiativen.

Zur Erreichung dieser Ziele braucht es ein paar Dinge. Erstens: Wir können besser werden, wir können in jedem Fall besser werden. Österreich ist als Meister der For­schung und Entwicklung mit über 3 Prozent gemessen am BIP in der EU-Spitzen­klasse, und ich glaube, dass auch da noch einiges möglich wäre. Ich zitiere hier Professor Helmut List, eine der Koryphäen in Sachen Dieselgeneratoren, Diesel­moto­ren, der sagt: Beim Diesel ist noch viel möglich, wenn es darum geht, den Diesel schadstoffärmer zu machen, weil wir den Diesel auf Dauer natürlich nicht wegbringen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen natürlich auch den Gesamtverkehr verändern – daran führt kein Weg vorbei –, das heißt, wir müssen den öffentlichen Verkehr stärken und auch den ökolo­gischen Individualverkehr unterstützen und verbessern; dazu dient diese Initiative. Man muss davon ausgehen, dass die E-Mobilität bis 2030 rund 34 000 neue Arbeitsplätze schaffen und rund 3 Milliarden Euro an Wertschöpfung bringen wird; deshalb müssen wir Strukturen verändern und den Menschen den Zugang dazu erleichtern.

Seien wir ehrlich, das steht unter drei Prämissen: Klarheit, Bequemlichkeit und intuitive Nutzung. Heute glauben oder meinen wir, wir können alles mit einem Wisch erledigen, alles ist intuitiv, alles ist bequem. Auch bei der Nutzung von E- und Alternativ­lade­stationen braucht es diese Bequemlichkeit, damit sie von den Nutzerinnen und Nutzern angenommen werden. Das ist das große Ziel. Dieses Gesetz, liebe Frau Ministerin, bringt uns auf diesem Weg – dass wir in Österreich diese Klarheit schaffen, diese Bequemlichkeit erreichen und damit der Ökologie einen guten Dienst erweisen – ein Stück weiter. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.52


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer ist der nächste Redner. – Bitte.


17.52.16

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Unsere Frau Bundesminister hat inhaltlich alles gesagt. Was ich noch einmal festhalten möchte, ist, wie wichtig das auch für den Tourismus ist, gerade jetzt. Wir sind vor Kurzem mit den Kollegen vom deutschen Tourismusausschuss zusammengesessen und haben auch thematisiert, wie wir den europäischen Binnenverkehr im Rahmen des Tourismus – gerade wenn wir auf die Umwelt schauen – in den Griff bekommen können. Diese Vereinheitlichung, gerade was die Elektroautos betrifft, die jetzt praktisch innerhalb Europas – wo man auch im Urlaub hauptsächlich mit dem Auto unterwegs ist – passiert, ist ganz, ganz wichtig. Die gleichen Voraussetzungen und der gleiche Standard für alle sind Grund­bedingungen dafür, den Tourismus umweltschonend zu machen. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ich bin aber auch froh, dass wir heute auch in einem zweiten Punkt – den wir nicht dis­kutiert haben, weil darüber ja Konsens besteht – aufgrund einer EU-Vorgabe eine


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büro­kratische Erleichterung für den Tourismus erreicht haben. Die Pauschalreise­richtlinie wurde ja in Österreich zunächst so umgesetzt, dass man Angst haben musste, dass alle Wirte, die im Rahmen ihrer Pakete eine Liftkarte oder irgendeine Kleinigkeit dazu anbieten, ein Reisebürogewerbe brauchen. Das konnten wir abwehren. Unsere kleinen Wirte und Hoteliers bauchen keine Angst zu haben, dass sie in die Pauschal­reiserichtlinie hineinfallen, wenn sie Liftkarten, eine Wanderung oder sonst etwas mit anbieten. Das zeichnet diese Regierung eben aus.

Frau Bundesministerin, Sie sind ja, wie gesagt, nicht nur für Nachhaltigkeit, sondern auch für Tourismus zuständig. Dazu haben wir heute wieder zwei Punkte auf der Tagesordnung gehabt. Ich danke beim ersten Punkt, bei der Pauschalreiserichtlinie, für die Einstimmigkeit. Schön wäre es, wenn auch dieser Punkt einstimmig erledigt werden würde. Das ist ein weiterer Schritt für den Tourismus. Es ist, wie gesagt, auch wichtig, dass uns wieder etwas gelungen ist, durch das unsere Hoteliers und unsere Wirte weniger Bürokratie haben. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.54


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

17.54.43Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 137 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. (Ruf bei der ÖVP: Auf geht’s, SPÖ!) – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren Abgeordneten, die ihre Zustimmung auch in dritter Lesung geben, um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung ange­nommen.

17.55.33 6. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (144 d.B.): Proto­koll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausge­wogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (155 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dominik Schrott. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.56.01

Abgeordneter Dominik Schrott (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es beim Nagoya-Protokoll – ein Begriff, der sich nicht von alleine erklärt? Es geht um Gerechtigkeit, globale Gerechtigkeit, es geht darum, dass auch Industriestaaten wie Österreich einen Beitrag dazu leisten, Entwicklungsländern beim Erhalt des genetischen Bestandes zu helfen.

Immerhin sind es mitunter auch unsere Konzerne im Agrarbereich, die einen großen wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen, entsprechende Produkte mithilfe dieses genetischen Bestandes auf den Markt zu bringen. Es geht also um eine ausgleichende


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 167

Gerechtigkeit zwischen Industriestaaten auf der einen Seite und Entwicklungsländern auf der anderen Seite. Gleichzeitig geht es aber auch darum, die sogenannte Bio­piraterie, die Ausbeutung genetischer Vielfalt, wie etwa die des Regenwaldes, zu stop­pen. Dies soll durch einen finanziellen Ausgleich oder durch die Weitergabe von Tech­nologien verhindert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich ist, wenn ich richtig nachgerechnet habe, nach Afghanistan und Tansania das 107. Land, das diesen wichtigen internationalen Vorstoß zum Schutz der Artenvielfalt umsetzt – und das, obwohl wir uns bereits am 23. Juni 2011 in Japan, in Nagoya, dazu verpflichtet haben. Von der Unterzeichnung bis heute sind also ganze sieben Jahre vergangen. Warum hat das so lange ge­dauert? – Grund für diese Verzögerung war einmal mehr die Aufteilung der Zustän­digkeiten zwischen Bund und Ländern.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt hier im Haus wohl keine Meinungs­ver­schiedenheiten darüber, dass auch Österreich diese wichtigen Anliegen unterstützen soll. Es war ein langer Weg, den die eigentlich dringende Umsetzung dieses Überein­kom­mens genommen hat, wie sich heute gezeigt hat. Das müssen wir auf jeden Fall verbessern und schneller auf solche Entwicklungen, insbesondere in wichtigen Zu­kunfts­fragen wie bei der Umwelt und dem Klimaschutz, reagieren.

Wenn sich selbst die Verantwortlichen in diesem Land jahrelang nicht klar darüber sind, wer wofür zuständig ist, wie undurchsichtig muss das dann erst für die Bür­gerinnen und Bürger sein! Deshalb möchte ich hier abschließend auch noch einmal betonen, wie wichtig eine zeitgemäße Verteilung der Kompetenzen verbunden mit klaren Verantwortlichkeiten ist. Wir brauchen dringend Klarheit in unserem Staat und eine Zusammenführung der Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung, und das nicht nur im Umwelt- und Klimabereich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.58


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Preiner. – Bitte.


17.59.00

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehap­paraten! Der vorliegenden Regierungsvorlage zur Umsetzung des Protokolls von Nagoya werden auch wir unsere Zustimmung erteilen. Hierbei handelt es sich um die Umsetzung der UN-Biodiversitätskonvention, das ist das Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, und die Umsetzung einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2014 über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile für die Vertragsparteien, auch was die Erhaltung der biologischen Vielfalt betrifft.

Das Protokoll soll letzten Endes auch mehr Gerechtigkeit, mehr Rechtssicherheit und Transparenz für Anbieter und Nutzer schaffen, weiters soll ein verstärkter Ausgleich zum Zweck der Forschung und Entwicklung erfolgen. Vor allem aber soll biodiver­sitätsreichen Entwicklungsländern insofern geholfen werden, als einer unkontrollierten Ausbeutung genetischer Ressourcen, die etwa in der Landwirtschaft für Züchtungen herangezogen und gebraucht werden, entgegengewirkt wird. Negativbeispiele gibt es ja diesbezüglich leider Gottes zur Genüge.

Der Mitgliedsbeitrag zu diesem internationalen Abkommen beträgt für Österreich pro anno 28 000 Euro. Ich denke, diese Mittel sind zielgerichtet, nachhaltig und richtig einge­setzt.


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Bis dato haben über 100 Staaten dieses Protokoll unterzeichnet, davon 17 EU-Staaten. Österreich hat das Protokoll, wie mein Vorredner vorhin kurz angesprochen hat, bereits 2011 unterzeichnet, bis dato wurde es aber noch nicht ratifiziert und umgesetzt. Da wir diesbezüglich säumig sind, haben wir natürlich auch bereits von der EU ein ent­sprechendes Mahnschreiben bekommen. Wir wissen auch, dass, was die Umsetzung betrifft, nicht nur der Bund zuständig ist, sondern natürlich auch die Länder; diese müssen ebenfalls in die Pflicht genommen werden.

Ich möchte daher kurz drei Fragen an Sie, Frau Nachhaltigkeitsministerin, richten: Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand der Gespräche mit den Bundesländern? Bis wann erfolgt die Ausarbeitung gesetzlicher Grundlagen? Und, was das Wesentlichste ist: Wie erfolgt die diesbezügliche Kontrolle? Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun Herr Abgeordneter Walter Rauch gemel­det. – Bitte.


18.01.33

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Herr Kollege Preiner, der Applaus aus Ihren Reihen in allen Ehren, aber diese Bundesregierung setzt die Maßnahmen um, die in unserem Regie­rungsprogramm stehen.

Dieses Nagoya-Protokoll enthält explizit drei Punkte: die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile, Zugangsregelungen sowie die gerechte Aufteilung von Vorteilen, die aus der Nutzung genetischer Ressourcen entstehen. All dies sind Maßnahmen, die wir in dieser kurzen Zeit seit Bestehen dieser Bundesregierung, also in den letzten sechs Monaten, umgesetzt haben beziehungs­weise umsetzen werden.

Was sind die wichtigen Punkte bei diesem Abkommen? – Der Artenschutz ist wichtig. Es ist auch wichtig, die nachhaltigen Ökosysteme zu schützen, und diesbezüglich haben wir natürlich in den vergangenen Jahren Probleme aufgebaut, etwa was den Alpenraum betrifft; da besteht natürlich die Gefahr, dass wir Pflanzenarten verlieren. Dieses Abkommen schützt uns jetzt europaweit, weltweit.

Welche Arten sind betroffen? – Im Alpenbereich zum Beispiel sind es auch Tierarten, von der Kreuzotter über den Steinkauz bis zum Eurasischen Luchs. Auch da ergreifen wir Maßnahmen, sodass dieses Abkommen mit Leben erfüllt wird. Es geht darum, nicht in Europa wie auf einer Insel der Seligen zu leben, sondern auch darüber hinaus Maßnahmen zu treffen, um den Schutz der Artenvielfalt zu gewährleisten.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen: Unser Klubobmann Walter Rosenkranz hat am Vormittag Neunkirchen und die Einsatzkräfte vor Ort erwähnt. Aktuell sind gerade in der Steiermark die Blaulichtorganisationen von Rettung über Feuerwehr bis hin zur Exekutive im Einsatz und waren das auch während der letzten Tage. Ich möchte mich auch von diesem Rednerpult aus für ihren Einsatz recht herzlich bedanken, ihnen alles Gute und Gesundheit wünschen und auch, dass sie alle wieder gut nach Hause kommen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

18.04


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte.



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18.04.05

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! Auch ich freue mich, dass wir mit dieser Vorlage letztendlich einen weiteren Schritt in Richtung Ratifikation des Nagoya-Protokolls set­zen und dann endlich auch in die Umsetzung gehen können. Speziell der Erhalt der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung und vor allem auch die angemessene und gerechte Aufteilung von Vorteilen, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben, sind zentrale Teile dieses Nagoya-Protokolls, das bereits 2010 von der Vertragsstaatenkonferenz konkretisiert und ausgearbeitet worden ist.

Der verlässliche und transparente Zugang zu den genetischen Ressourcen ist die Basis, und für Österreich ist es sehr wichtig, diesen Punkt zu unterstützen. Tatsächlich betrifft das in vielen Fällen Staaten außerhalb Europas. Es gibt unterschiedliche Bei­spiele. Speziell große Kosmetikhersteller, aber auch andere Unternehmen sind zum Teil bekannt dafür, dass sie sich Nutzungsrechte genommen haben, was speziell die jeweilige indigene Bevölkerung vor große Herausforderungen gestellt hat.

Wir unterstützen die Umsetzung des Nagoya-Protokolls vollinhaltlich. Es ist bereits an­ge­sprochen worden, dass die Umsetzung in Österreich zum Teil an Kompetenz­streitigkeiten und Unsicherheiten zwischen Bund und Ländern gescheitert ist. Wir haben bereits im Jänner alle entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung ergriffen. Es wird seitens meines Ressorts alles entsprechend ausgearbeitet. Es ist eine klassische Querschnittsmaterie, und mein Ministerium übernimmt auch die Zuständigkeit der Umsetzung. Das ist bereits, um auch die Frage des Herrn Abgeordneten Preiner zu beantworten, mit den Bundesländern abschließend besprochen und auch klar definiert.

Wir sind gerade dabei, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen und gleichzeitig die Frage der Kontrollen und Sanktionen in diesem Gesetzentwurf zu regeln. Wir arbeiten an einem entsprechenden Gesetzentwurf, und die Ratifikation heute ist natürlich ein erster, aber wichtiger Schritt zur Umsetzung dieser internationalen Verpflichtung. Vor allem freue ich mich, dass wir durch diesen Schritt heute im November bei der Tagung der Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls wirklich wieder als gleichberechtigter Part­ner am Tisch sitzen und entsprechende Schritte setzen können. – Vielen herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Abg. Plessl: Die Kontrolle hat gefehlt! Bundesministerin Köstinger: Im Gesetzentwurf! Abg. Plessl: Da ist die Kontrolle auch dabei? Bundesministerin Köstinger: Ja!)

18.06


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Schmiedlechner. – Bitte.


18.06.52

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Frau Minis­ter! Geschätzte Zuseher! Ziel des Protokolls von Nagoya zur internationalen Biodiversitätskonvention ist es, sicherzustellen, dass jene Staaten, die dazu beigetragen haben, biologische Vielfalt zu erhalten, auch von den Vorteilen profitieren können.

Österreich hat das Protokoll am 23. Juni 2011 unterschrieben, es trat mit 12. Okto­ber 2014 in Kraft und hat aktuell 107 Vertragsparteien. Leider hat die Vorgängerregie­rung dieses Abkommen noch nicht ratifiziert. Das holen wir jetzt nach.

Ziel ist es, Österreichs Reichtum an biologischer Vielfalt geplant zu schützen, zu erhal­ten und zu nutzen, aber auch biodiversitätsreichen Entwicklungsländern zu helfen, ihre


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Interessen zu wahren, und einer unkontrollierten Ausbeutung von genetischen Res­sourcen entgegenzuwirken.

Laut WTO sind allein im vergangenen Jahrhundert rund drei Viertel der Kulturpflanzen ausgestorben. Der Erhalt der schwindenden Biodiversität ist die Basis jeder zukunfts­fähigen Landwirtschaft. Nur so können wir zukünftig Herausforderungen wie die geän­derten Klimabedingungen, neue Krankheiten und Schädlinge bewältigen.

Durch die Unterzeichnung des Protokolls von Nagoya ergeben sich neben dem Schutz vor Biopiraterie auch andere Vorteile für die Mitgliedstaaten, zum Beispiel Zusammen­arbeit, Kooperation und Mitwirkung an wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten, wei­ters der Zugang zu wissenschaftlichen Informationen, die für die Erhaltung und nach­haltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Belang sind, und damit Vorteile für die Sicherung der Existenzgrundlagen und die Ernährungssicherheit.

Mit der heutigen Zustimmung setzen wir um, was die Vorgängerregierung verabsäumt hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.09

18.09.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 144 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Ich lasse jetzt über den Antrag des Umweltausschusses, wonach der vorliegende Staatsvertrag im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlas­sung von Gesetzen zu erfüllen ist, abstimmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

18.10.297. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (147 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Chemikaliengesetz 1996, das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (156 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 237/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufarbeitung des Kärntner HCB-Skandals (159 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zu den Punkten 7 und 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Robert Laimer. – Bitte, Herr Abge­ordneter.



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18.11.16

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Meine Damen und Herren! Der Beschluss der vor­liegenden Novelle des Chemikaliengesetzes, des Wasserrechtsgesetzes und des Abfall­wirtschaftsgesetzes anlässlich der Umsetzung der EU-Quecksilberverordnung hätte eigentlich eine reine Formalangelegenheit werden können, ja, werden müssen.

Die Regierungsvorlage in der Fassung, die dem Umweltausschuss vorgelegt wurde, hätte dazu auch eine gute Grundlage geboten und wäre, was die Umsetzung der Richtlinie betrifft, zustimmungsfähig gewesen. – Hätte, hätte! (Abg. Höbart auf einen Aufkleber auf der Brusttasche des Redners mit der Aufschrift „Ceta stoppen“ deutend : Haben Sie so einen Sticker für den Herrn Kern auch? Hat er den auch getragen, der ehemalige Herr Bundeskanzler?) Leider haben es ÖVP und FPÖ aber einmal mehr vorgezogen, sich in Umweltbelangen als Befehlsempfänger der Wirtschaftskammer in Szene zu setzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Rund zwei Stunden vor dem Umweltausschuss haben ÖVP und FPÖ nämlich einen Abänderungsantrag übermittelt, der im Wesentlichen aus der Begutachtungs­stellung­nahme der Wirtschaftskammer abgeschrieben war. (Rufe bei der SPÖ: Das ist ja unerhört!)

Worum geht es inhaltlich? – Die Regierungsvorlage hat vorgesehen, dass die Sicher­heitsdatenblätter für gefährliche Stoffe, wie schon bisher in der Chemikalienverordnung geregelt, auch künftig an das Umweltbundesamt und zusätzlich an die Vergiftungsinfor­mationszentrale übermittelt werden sollen. Diese Regelung wurde von der AUVA auch ausdrücklich begrüßt und als wichtiger Beitrag zum ArbeitnehmerInnenschutz bezeich­net. In der Stellungnahme der Wirtschaftskammer ist allerdings von einem wesent­lichen „Aufwand bei den Verantwortlichen“ und davon die Rede, dass, „auch wenn es dem derzeitigen Stand entspricht [...] eine Meldung [...] keinesfalls [...] notwendig“ ist. Ich frage mich, was im digitalen Zeitalter dieser wesentliche Aufwand ist, wenn man bei einer Meldung einen zweiten oder einen dritten Empfänger hinzufügen würde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenig überraschend haben sich die Regierungs­fraktionen gegen die ausdrückliche Empfehlung der AUVA gestellt und für das „Wünsch dir was!“-Konzert der Wirtschaftskammer ausgesprochen. (Abg. Plessl: Das verstehen wir nicht!) Das ist wieder einmal bezeichnend dafür, wessen Interessen diese Regie­rung vertritt, nämlich nicht die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Kurioserweise hat Abgeordneter Rauch von der FPÖ dann auch noch den Abän­derungsantrag im Ausschuss eingebracht; sonderlich überzeugt hat der Kollege dabei nicht gewirkt, aber so geht es einem eben als FPÖ, wenn man Sozius der ÖVP ist. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Sie sprechen aus Erfahrung!)

Ich habe es im Ausschuss schon angesprochen: Mit diesem Paket soll auch eine Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes beschlossen werden. Auch da fehlt die längst ausständige Umsetzung der Aarhus-Konvention – und wieder stellen Sie, Frau Minis­terin, sich gegen Umweltinteressen; von Ihnen hören wir leider nur Lippenbe­kennt­nisse. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

18.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Hörl. – Bitte.


18.14.47

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Ich darf heute zu einem ganz spannenden Thema reden, nämlich zur Umsetzung von zwei EU-Verordnungen.


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Das ist zum einen – es ist schon gesagt worden – die EU-Verordnung aus dem Jahr 2008 betreffend chemische Gemische und zum anderen die Quecksilber­verord­nung; eigentlich gelten diese im nationalen Recht ohnehin. Wir ändern in einem Fall die Kennzeichnung, im anderen werden die zuständige Behörde, der Vollzug, die Über­prüfungsmodalitäten und die Strafhöhen klargestellt. Das ist eine kleine Geschichte, aber auch im Kleinen liegt das Detail, im Kleinen kann man Bürokratie aufbauen und im Kleinen kann man auch der Wirtschaft und unserem Wohlstand sehr schaden. (Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Ich denke, dass in diesem Fall – das ist meiner Meinung nach ganz besonders wich­tig – gerechtfertigte Umwelt- und Gesundheitsinteressen im Vordergrund stehen und das alles im Einklang mit einer praktikablen Lösung steht, die die wirklichen Probleme ins Auge fasst und auch auf das Wesentliche konzentriert ist. Ich kann nicht nachvollziehen, was Sie, Herr Laimer, jetzt gerade von sich gegeben haben; es ist eben nicht so. Wir haben die österreichische Meldepraxis aufgehoben und durch die europäische ersetzt; und die Meldepflicht gegenüber dem Umweltbundesamt bleibt, auch da wurde also mit Augenmaß vorgegangen. Es ist uns natürlich auch ein ganz großes Anliegen, dass wir mit Quecksilber, einem doch sehr umweltrelevanten Stoff, vorsichtig umgehen. Wir haben da einige Giftzähne gezogen und tragen einer weiteren Entwicklung Rechnung.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Bundesminister, Sie haben in Ihrem Ressort die entsprechende fachliche Arbeit leisten lassen und darauf geschaut, dass wir kein Gold Plating – wie das bei uns oft passiert ist – machen. Man merkt Ihre Handschrift als Europäerin, und man sieht, dass Sie mit beiden Beinen in der Heimaterde stehen. – Danke für dieses Augenmaß und dafür, dass Sie sich nicht diesen Wünschen hingegeben haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. Rufe bei der SPÖ: „Heimaterde“! „In der Heimaterde“!)

Herr Abgeordneter Michael Bernhard von den NEOS wollte eine Verschärfung der Gesetze haben. Der Grund war der Vorfall zum Jahreswechsel 2014/2015, der Skandal in Kärnten, im Görtschitztal. Da wurde mit Blaukalk unsachgemäß umge­gangen. Ich kann mich noch daran erinnern, der Schaden war groß. 332 Höfen musste man die Futtermittel vernichten, 800 Tonnen Milch wurden vernichtet, 289 Rinder wur­den gekeult. Der zuständige Landesrat war Herr Holub, ein Grüner.

Im Nachhinein muss man jetzt aber sagen: Es ist alles untersucht. Es gab auch Strafverfahren, die aber eingestellt wurden. Man hat festgestellt, dass die gesetzlichen Bestimmungen nicht eingehalten wurden. Es nützt dann natürlich auch nichts, wenn man die Gesetze verschärft. Wir kennen das ja auch alle vom Straßenverkehr. Angeb­lich gibt es ja Leute, die auf der Straße zu schnell fahren, und da hat man auch nichts davon, wenn man bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung aus einem 50er einen 40er macht, denn diese Leute werden sich auch an den 40er nicht halten. Des­halb war es richtig, einfach darauf zu schauen, dass die Gesetze eingehalten werden.

Ich hätte noch vieles zum Umweltschutz in Österreich zu sagen. Er ist viel besser, als er immer wieder dargestellt wird. Es gibt ja einige hier, die uns ständig in Brüssel vernadern. Österreich ist ein wunderschönes Land, wir schauen auf dieses Land, und die Bundesministerin ist ein Garant dafür, dass Österreich eine schöne Heimat bleibt, in der Wohlstand auch noch Platz hat. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 173

18.18.24

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hörl, wo ist er denn jetzt? (Abg. Prinz auf Abg. Hörl deutend : Hier! Abg. Hörl: Ich bin da!) Da, da drüben ist er. Wer die Anträge im Detail liest, bevor er sie ablehnt, ist schwer im Vorteil, kann ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was war denn der Inhalt meines Antrags? – Die Grundlage meines Antrags war eine Bürgerinitiative von betroffenen Landwirtinnen und Landwirten und generell Menschen, die im Görtschitztal gewohnt haben; diese wurde an den Nationalrat gerichtet. Der Nationalrat, die damalige Mehrheit – das waren ÖVP und SPÖ – hat diese Bürger­initia­tive nicht weiterverfolgt und in die Rundablage geschmissen; da waren die Freiheit­lichen gar nicht dabei.

Mein Anliegen war damals, dass wir den Menschen im Görtschitztal weiterhin Gehör verschaffen, weil zum damaligen Zeitpunkt einfach das Thema Hexachlorbenzol, also dieser HCB-Skandal, nicht aufgearbeitet war. Was waren die Forderungen der Bürgerinnen und Bürger? – Eine Forderung war eine lückenlose Aufklärung und die Übernahme von politischer Verantwortung. Die politische Verantwortung ist bis heute nicht geklärt.

Eine weitere Forderung war die Einbindung der betroffenen Bevölkerung. Auch das war zuletzt nicht gegeben.

Es wurde außerdem die Entsorgung von Problemstoffen dieser Gefahrenklasse in streng überwachten Anlagen gefordert. Herr Hörl, das Zeug liegt noch immer im Görtschitztal! Die Deponiefrage ist nicht geklärt. Wenn Sie der Meinung sind, dass strengere Gesetze umgesetzt werden sollen, dann bedenken Sie: Es ist nach wie vor nicht geklärt, wie es umzusetzen ist, wenn die Menschen dort wollen, dass das, was sie belastet, auch wirklich ordentlich abtransportiert wird.

Eine Beschränkung der Anzahl derartiger Entsorgungsanlagen bundesweit, das war eine Einschränkung, die ich tatsächlich gefordert habe, weil die Länder – das Land Kärnten im Konkreten – rückgemeldet haben, dass sie gar nicht genug Personal haben, um die Anlagen ausreichend zu überprüfen. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Der letzte Punkt ist eine Verpflichtung der Agentur für Ernährungssicherheit zur Veröffentlichung aller Mess- und Testergebnisse. Das Paradoxe an dieser Situation war, dass eine Behörde, die Testergebnisse hatte, wusste, dass es gesundheits­schäd­lich für die Bevölkerung ist, diese Ergebnisse aber nicht veröffentlicht hat, weil der Auftraggeber ein privates Unternehmen war. Diese Dinge haben Sie jetzt mit verschärf­ter Regulierung oder Ähnlichem zusammengefasst und gesagt, es sei alles gelöst. – Es ist insofern gelöst, als die Gesundheitsgefährdung, das Risiko im Görtschitztal nicht mehr gegeben ist.

Die Deponiefrage im Görtschitztal ist nicht geklärt, und für den Umweltschutz ist in unserem Land gar nichts geklärt. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wenn Sie heute Vormittag vielleicht den „Standard“ gelesen haben, werden Sie gesehen haben, dass wir von HCB direkt zu Asbest weitergehen. Wir haben in Frohnleiten aktuell genau das gleiche Thema, das wir zuvor im Görtschitztal hatten. In Frohnleiten ist über Jahre Asbestabfall deponiert worden, und zwar nicht fachgerecht, nicht entsprechend den Bestimmungen, die für die Deponie an sich gelten, und genau da kommen wir in die gleiche Situation, die wir auch in Kärnten hatten, nämlich ein Versagen der Politik und ein Versagen der Verwaltung.

Ich möchte das ganz kurz skizzieren, denn es war – lieber Herr Hörl, ich bitte Sie, weiter zuzuhören, damit Sie sich dann noch einmal herausbegeben und uns unter­stüt-


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zen können – ein Versagen der Verwaltung und der Politik, vor allem auch immer ÖVP-getragen, in der Steiermark. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wie hat das Ganze aus­gesehen? – Es gab ein anonymes Schreiben mit Details betreffend die extreme Gesund­heitsgefährdung für Anrainer und auf der Deponie Arbeitende. Das heißt ganz konkret, dass Asbest dort ungesichert gelagert ist, und wenn das durch die Verwitte­rung und Witterung in die Luft kommt, verwirbelt wird, Menschen das einatmen, dann ist die Gefährdung für eine Krebserkrankung, für verschiedene Lungenerkrankungen massiv hoch. Es gibt gute Gründe dafür, dass wir Asbest in Österreich in der Verar­beitung verboten haben.

Es hat drei ganze Tage gedauert, bis die steirische Landesregierung eine Person zur Deponie entsandt hat, um zu prüfen, ob diese Gefährdung tatsächlich besteht. Die Person, die von der Landesregierung entsandt wurde – und das ist jetzt das Span­nende –, ist die ehemalige Leiterin der Deponie. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie hat drei Tage gebraucht, um am Schluss die ehemalige Leiterin der Deponie zu ent­sen­den, um zu prüfen, ob sie selbst in den vergangenen Jahren einen Fehler gemacht hat. Es ist so, dass bereits seit einem Jahr darauf aufmerksam gemacht wird, auch durch anonyme E-Mails, dass die Arbeitenden nicht mehr in einen bestimmten Bereich der Deponie gehen sollen, weil dort Asbest ungesichert lagert. Die Menschen können es sich nur leider nicht immer aussuchen, und die Luft ist nicht so gut sichtbar, dass man weiß, wann man gesundheitsgefährdet ist und wann nicht; und Anrainerinnen und An­rainer in Frohnleiten können auch nicht ihre Häuser verkaufen, nur weil die Verwaltung dort unfähig ist.

Was daran ist Bundeskompetenz? – Wir haben in Österreich das Problem, dass wir Verantwortung im Umgang mit tatsächlichen Problemstoffen an die Landesebene dele­gieren und die Länder offensichtlich teilweise damit überfordert sind.

Lieber Herr Hörl, wenn Sie als ÖVP-Politiker jetzt herausgehen und sagen: Es ist alles erledigt, wir brauchen keine schärferen Gesetze; mögen die Menschen im Asbest sich fröhlich vergnügen (Zwischenruf des Abg. Hörl) und ihre HCB-Milch trinken!, dann sind Sie nichts anderes als ein tatsächlicher Verweigerer der Realität. Unserer Ansicht nach müssten Sie als hoffentlich verantwortungsvoller Regierungspolitiker herausgehen und Initiative zeigen, wenn wir aufzeigen, dass für die Menschen in Kärnten und die Men­schen in der Steiermark durch das Versagen der Verwaltung, das Versagen der Politik tatsächlich eine Gesundheitsgefährdung besteht, und nicht rausgehen und ein bisschen herumschwadronieren. Das ist zu wenig für einen Regierungspolitiker. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.24


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Josef Riemer. – Bitte.


18.24.30

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Bun­des­gesetz, mit dem das Chemikaliengesetz und das Wasserrechtsgesetz geändert wer­den; Schwerpunkt: Verbot von allem, was mit Quecksilber zu tun hat. Ergänzend zu dem, was jetzt schon gesprochen worden ist: Es fußt auf dem Minamata-Überein­kommen, und zwar dem Übereinkommen der UNO betreffend Verbot von Förderung, Handel und Export des toxischen Schwermetalls Quecksilber. Dieses Abkommen bildet ja auch die Grundlage für eine entsprechende EU-Verordnung; mit einer Novelle zum Chemikaliengesetz sollen die Vorgaben – etwa Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen und Vorschriften zur Bewirtschaftung von Quecksilberabfällen – nun in österreichisches Recht übertragen werden.


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Wir haben schon gehört, dass Quecksilber ein toxisches Metall ist, ein Schwermetall, von dem natürlich nicht unerhebliche Gefahren für die Umwelt, für den Menschen, aber letztendlich auch für die Tiere ausgehen. Wir wissen, dass Quecksilber Schädigungen des Nervensystems verursachen kann, wir wissen auch, dass es vor allem für Unge­borene schädlich ist. Wir wissen aber auch, dass heute bereits viele Tiere schwer ver­seucht sind. Wie passiert das? – Der natürliche Weg ist der, dass über Vulkan­aus­brüche, Geysire oder Wald- und Steppenbrände das Quecksilber gelöst in die Atmo­sphäre aufsteigt, global verteilt wird und dann letztendlich wieder in den Flüssen oder auf der Erde landet. Der Problemkreis ist: es wird in den Sedimentschichten abge­schlossen. Dann gibt es natürlich auch das von Menschen verursachte Übel, das bedeutet, Menschen haben durch den Kohleabbau über Jahrhunderte diese Quecksil­berbelastung praktisch mit verursacht. Das bedeutet natürlich auch, dass sehr viele Flüsse auch heute noch darunter leiden, dass Abwässer von Industrieanlagen einge­leitet worden sind.

Minamata – vielleicht noch eine kleine Ergänzung dazu – ist eine japanische Küsten­stadt, in der in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrtausends Quecksilberabwässer ins Meer geleitet worden sind, 17 000 Menschen erkrankten, 3 000 sind daran gestorben.

Dass die Bundesregierung sich dem Quecksilberthema besonders widmet und es im Regierungsprogramm verankert hat, das begrüße ich besonders im Sinne sämtlicher Lebewesen, der Ökologie innerhalb Österreichs, aber auch EU-weit und weltweit. 40 bis 60 Prozent kommen nämlich von außerhalb der EU durch Emissionen zu uns. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.27


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abge­ordneter Franz Hörl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.27.42

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Herr Abgeordneter Bernhard von den NEOS hat behauptet, ich hätte Asbest für gesund erklärt beziehungsweise ich wäre der Meinung, dass das sehr gesund sei.

Ich möchte tatsächlich berichtigen: Ich habe gesagt, dass im Zusammenhang mit die­sem Vorfall im Görtschitztal die Gesetze gebrochen wurden und dass es nichts nützt, wenn man schärfere Gesetze macht, wenn die Gesetze nicht eingehalten werden.

Dass ich laut Ihnen hier herumgeschwafelt habe, das schenke ich Ihnen, das ver­ste­hen die NEOS wahrscheinlich unter gutem Stil, dass wir hier herumschwafeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.28


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.28.34

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Speziell die Novelle des Chemikaliengesetzes ist für uns ein weiterer wichtiger Umsetzungsschritt. Quecksilber ist ein Schwermetall, das bekannter­maßen giftig für Menschen und auch für die Umwelt ist. Es kommt zum einen in der Umwelt natürlich vor, wird aber zum anderen vor allem vom Menschen in der Umwelt frei­gesetzt, egal ob über fossile Brennstoffe in der Energieerzeugung oder in zahl­reichen Produkten.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 176

Im Minamata-Übereinkommen haben sich die Staaten dazu verpflichtet, genau diese vom Menschen verursachte Freisetzung von Quecksilber maßgeblich zu reduzieren, dazu bekennt sich auch Österreich. In zahlreichen Produkten wie Messinstrumenten, Lampen und Batterien ist nach wie vor Quecksilber in rauen Mengen enthalten. Wir gehen da den Weg, die Produktionsprozesse und die Produkte sukzessive durch um­weltverträgliche Alternativen zu ersetzen. Um das Minamata-Übereinkommen jetzt umsetzen zu können, bedarf es der entsprechenden Gesetzesänderung.

Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Laimer, der behauptet hat, es würde zu einer Verschlechterung des Schutzstandards kommen: Das Gegenteil ist der Fall. Wir werden mit der vorliegenden Novelle nur zahlreiche Bestimmungen aufheben, die auf Grundlage europaweiter Bestimmungen mittlerweile einheitlich gelöst werden, somit wird sich eine Doppelbelastung und eine Doppelmeldung auf nationaler Ebene erübri­gen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Angerer.)

Es ist schon wichtig, Folgendes noch einmal dazuzusagen: Es kommt unter keinen Um­ständen zu einer Verschlechterung der Sicherheitsstandards. Es besteht nach wie vor die Übermittlungspflicht gegenüber dem Umweltbundesamt bei gefährlichen Stof­fen, diese bleibt für jedes Unternehmen aufrecht.

Zu Ihrer Aussage bezüglich Aarhuskonvention: Da gibt es sehr gute Nachrichten, die Umsetzung der Aarhuskonvention wird noch vor dem Sommer in die Begutachtung gehen. Auch da arbeiten wir bereits sukzessive etwas ab, das in den letzten Jahren auch unter Ihrer Regierungsbeteiligung zum Teil sehr lange liegen gelassen worden ist.

Darauf freue ich mich, und ich freue mich auch, wenn Sie der Novelle des Che­mi­kaliengesetzes Ihre Zustimmung geben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte.


18.31.07

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren im Parlament! Kollege Laimer, Sie haben gesagt, unsere Bundesministerin mache nur Ankündigungen: Sie hat selbst gerade ge­sagt, dass die Umsetzung, was die Aarhuskonvention betrifft, im Gange ist. Ich möchte festhalten, dass auch die Klima- und Energiestrategie schon lange, seit Paris, ange­dacht ist – und unsere Frau Minister hat sie jetzt umgesetzt.

Das alles geschieht zum Schutz der Umwelt und der Menschen, so auch in diesem Punkt, bei dem es um das Quecksilberverbot geht; wir haben heute schon sehr viel darü­ber gehört. Das Minamata-Übereinkommen wurde schon 2013 geschlossen, da­mals hat Österreich es als eines der ersten Länder unterschrieben, denn wir wissen, wie giftig dieses Metall ist. Trotzdem ist es noch in vielen Bereichen in Verwendung, etwa bei den Energiesparlampen, bei den Fieberthermometern, bei Katalysatoren und vielem mehr.

Wir haben das UNO-Abkommen im vergangenen Jahr hier im Parlament bereits rati­fiziert, wir haben dahin gehend auch in Europa schon strenge Regeln, es ist jedoch ein weltweites Problem, ein globales Problem. Quecksilber breitet sich relativ schnell über Wasser, Pflanzen und Tiere aus, und so gelangt über Fische das Quecksilber zu den Menschen, auch bei uns in Europa und in Österreich.

Diese Novelle des Chemikaliengesetzes sieht aber auch vor, dass ein harmonisiertes Meldesystem für medizinisch genutzte Chemikalien aufgebaut werden soll, das im


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 177

Umweltbundesamt seinen Sitz haben soll, damit die Sicherheit auch weiterhin gegeben ist.

In diesem Sinne ist diese Regierungsvorlage ein weiterer Baustein, um eine positive Veränderung zum Wohle unserer Umwelt und für uns Menschen zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


18.33.27

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Kollege Bernhard, der HCB-Skandal im Görtschitztal ist kein einfaches Thema, es ist ein sehr sensibles Thema. Sie haben mit dem Antrag dahin gehend, dass man mit der Entsorgung von Altlasten und vor allem giftigen Abfällen sehr sensibel umgehen muss, grundsätzlich schon recht. Man muss aber die Verantwortung schon dort lassen, wo sie ist (Zwischenruf des Abg. Bernhard), und es ist und bleibt ein rot-grüner Skandal in Kärnten. Primäre Verantwortung in die­ser Causa hat Herr Landeshauptmann Peter Kaiser (Ruf bei der SPÖ: Geh bitte!), da muss man einfach die Kirche im Dorf lassen. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Schauen wir uns den Umgang damit an, das ist eigentlich der wahre Skandal, der pas­siert ist: 2012 hat Frau SPÖ-Soziallandesrätin Prettner (Zwischenruf des Abg. Wittmann) einen Bescheid betreffend Verbrennung des giftigen Blaukalks im Görtschitztal erlas­sen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Die Umsetzung ist aber nie kon­trolliert worden, und erst 2014 ist über eine lokale Molkerei der Skandal aufgeflogen. Die lokale Molkerei hat im Frühjahr 2014 erstmals durch Untersuchungen der Milch festgestellt, dass HCB in der Milch ist; dann ist die Landesregierung informiert worden, im Frühjahr 2014 – und dann ist man einmal in die Sommerpause gegangen. Man ist einmal in die Sommerpause gegangen, der Sommer ist vorbeigegangen, und im Herbst, im Oktober 2014, sind die Bürger aufgestanden, weil sie mitbekommen haben, dass es da ein Problem gibt. Und dann stellt sich Herr Landeshauptmann Kaiser am 1. Dezember 2014 – das muss man sich einmal vorstellen! – im Görtschitztal vor die Bevölkerung und sagt: Aktuell keine Gefahr durch HCB, alles in Ordnung, Sie können Obst und Gemüse weiterhin verzehren! (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Das ist der Skandal, das ist der wahre Skandal: wie die politisch Verantwortlichen damals damit umgegangen sind und noch heute damit umgehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie haben grundsätzlich schon recht, man kann natürlich die Gesetze verschärfen, man muss mit den Stoffen sensibel umgehen. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Da hat Herr Hörl vorhin aber auch vollkommen recht gehabt: Man hat die bestehenden Gesetze schon nicht eingehalten, dann nützt es auch nichts, diese zu verschärfen.

Insofern kann ich nur sagen: Geben Sie Ihren Antrag Herrn Bundesvorsitzenden Kern mit auf die Reise nach Kärnten, er soll ihn dem Herrn Landeshauptmann übergeben! Ich würde mich sehr freuen, wenn er sich endlich darum kümmert und das Gift aus dem Görtschitztal wegkommt, entsorgt wird, sauber entsorgt wird, dorthin, wo es hin­gehört, damit die Görtschitztaler Bevölkerung wieder in eine sichere Zukunft blicken und in diesem Tal auch wieder leben kann. Das wäre schön, das würden wir unter­stützen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.36

18.36.19


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 178

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­neh­me.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Entwurf betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Chemikaliengesetz, das Wasserrechtsgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 156 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist auch in dritter Lesung mit Mehrheit so angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Umwelt­aus­schusses, seinen Bericht 159 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist mit Mehrheit so zur Kenntnis genommen.

18.37.349. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (148 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird (157 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Klaus Uwe Feichtinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.38.04

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­den­tin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie wir alle, die sich mit dem Themen­bereich Umwelt- und Klimaschutz beschäftigen, wissen, läuft die gesetzliche Grund­lage zur Förderung der thermischen Sanierung heuer aus. Folglich muss mit einer Novelle zum Umweltförderungsgesetz eine neue gesetzliche Basis für künftige Förder­vergaben ge­schaffen werden. Ziel ist dabei die Steigerung der Energieeffizienz und des Einsatzes erneuerbarer Energieträger. – So weit, so notwendig und begrüßens­wert.

Das Problem dabei ist jedoch, dass die vorgeschlagene UFG-Änderung, die aus einem schlanken Satz inhaltlicher Natur und einem Satz formaler Natur besteht, keine kon­kreten finanziellen Angaben zu den Fördermitteln und eine zeitliche Begrenzung ent­hält. Im aktuellen Doppelbudget ist für die thermische Sanierung für das Jahr 2018 rund 1 Million Euro weniger an Mitteln vorgesehen als für das vergangene Jahr 2017; da waren es noch 43,5 Millionen Euro.

Unsere Kritik, Frau Bundesministerin, richtet sich dagegen, dass das Doppelbudget nicht für das Vorsehen einer langjährigen Förderdauer und eine Fördererhöhung ge­nutzt wurde, dass die angekündigten Erleichterungen bei den Anträgen de facto nicht existieren und dass die Sanierungsrate bei sinkenden Mitteln und einem Extrabonus für „Raus aus dem Öl!“ sicher nicht auf die in der Klimastrategie vorgesehenen 2 Pro­zent steigen wird.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 179

In der vorliegenden Novelle zum UFG wird die Förderdauer für die thermische Sanie­rung auf die Jahre bis 2020 begrenzt, was für uns ebenfalls nicht nachvollziehbar ist.

Aus unserer Sicht spricht überhaupt nichts dagegen, die Förderdauer unbefristet zu beschließen; dies wäre auch ein Signal im Hinblick auf eine künftige stringente Klima- und Umweltpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit kommen wir zu einem Abänderungsantrag, den ich heute nochmals einbringen darf. Dieser basiert auf einem Entwurf, den das BMNT in Begutachtung geschickt hat und der raschest wieder zurückgezogen wurde, nachdem man draufgekommen ist, dass damit wirklich effiziente Umweltpolitik mit entsprechender finanzieller Unterlegung verbunden gewesen wäre.

Ich darf den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage 148 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes 157 der Beilagen einbringen und in den Grund­zügen erläutern.

Er beinhaltet zwei wesentliche Punkte: Die thermische Sanierung wird in unbefristeter Weise fortgesetzt – das wäre ein Signal im Bereich der Klimapolitik –, und im Bereich der Förderungen für gewässerökologische Maßnahmen werden für den Zeitraum 2018 bis 2023 150 Millionen Euro an Förderungen vorgesehen.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

Im Gegensatz zum ursprünglichen Begutachtungsentwurf fehlen nämlich in der vor­liegenden Regierungsvorlage zum UFG Bestimmungen zur Förderung dieser Maßnah­men, und wie im Entwurf des BMNT selbst ausgeführt, ist ohne die Fortschreibung die­ser Förderschiene in der Wasserwirtschaft im dargestellten Ausmaß die fristgerechte Umsetzung der nationalen beziehungsweise EU-rechtlichen Vorgaben im Gewässer­schutz nicht möglich.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien, wir geben Ihnen heute die Mög­lichkeit, Maßnahmen zuzustimmen, die ein von einem Ihrer Regierungsmitglieder ge­führ­tes Ministerium als sinnvoll und notwendig erachtet hat. Nutzen Sie diese Gele­genheit! (Beifall bei der SPÖ.)

18.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 148 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Um­weltförderungsgesetz geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichtes (157 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 180

Das Umweltförderungsgesetz (UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 58/2017 und die Bundesministeriengesetz-Novelle 2017, BGBl. I Nr. 164/2017, wird wie folgt geändert:

1. In § 6 Abs. 2e wird nach dem 2. Satz folgender Satz eingefügt:

„In den Jahren 2018 bis 2023 können für Zwecke der Verbesserung des ökologischen Zustandes der Gewässer Förderungen zugesagt oder Maßnahmen gemäß § 12 Abs. 9 finanziert werden, deren Ausmaß insgesamt dem Barwert von höchstens 150 Millionen Euro entsprechen; für die Finanzierung von Maßnahmen gemäß § 12 Abs. 9 steht davon jedoch höchstens ein Barwert von 50 Millionen Euro zur Verfügung.“

2. Im letzten Satz in § 6 Abs. 2f Z 1 wird die Wortfolge „für die Jahre 2011 bis 2018“ durch die Wortfolge „ab 2011“ ersetzt.

3. In § 12 Abs. 9 wird die Wortfolge „wenn der Bund als Träger eines bestehenden wasserrechtlichen Konsenses verpflichtet ist, diese umzusetzen.“ durch folgende Z 1 und 2 ersetzt:

„1. wenn der Bund als Träger eines bestehenden wasserrechtlichen Konsenses verpflichtet ist, diese umzusetzen oder

2. wenn auf Flächen des öffentlichen Wassergutes (§ 4 WRG 1959) im öffentlichen Interesse eine einmalige Maßnahmensetzung durch den Bund als Grundeigentümer erforderlich ist, die infolge des Erlöschens des Wasserbenutzungsrechtes, dem letzten Wasserberechtigten (§ 29 WRG 1959) nicht aufgetragen werden kann, weil

a) dieser nicht mehr existent ist oder

b) das Erlöschen ohne Vorschreibung der notwendigen Maßnahmen abschließend fest­gestellt wurde und nachvollziehbar dargelegt werden kann, warum Vorschrei­bun­gen letztmaliger Vorkehrungen zur Hintanhaltung einer Verletzung des öffentlichen Interesses (der Hintanhaltung einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit oder des ökologischen Zustandes) als nicht erforderlich erachtet wurden.“

4. In § 51 Abs. 5a wird die Wortfolge „mit einem Barwert von 140 Millionen Euro“ durch die Wortfolge „mit einem Barwert von 290 Millionen Euro“ ersetzt.

5. In § 53 erhält der durch das Verwaltungsreformgesetz BMLFUW, BGBl. I Nr. 58/2017 angefügte Abs. 18 die Absatzbezeichnung „(19)“; folgender Abs. 20 wird angefügt:

„(20) Die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2018 vorgesehenen Änderungen treten mit 1. Jänner 2018 in Kraft.“

Begründung

Zu Z 1 und Z 4 (§ 6 Abs. 2e und § 51 Abs. 5a UFG):

Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (EU-WRRL) fordert bis spätestens 2027 die Herstellung des guten Zustands in allen Gewässern der Gemeinschaft.

Zur Behebung der in Österreich bestehenden hydromorphologischen Defizite und zur Sicherung oder Wiederherstellung eines guten Zustandes der Oberflächengewässer ist eine Fortschreibung der Förderung für Maßnahmen zur Verbesserung des ökologi­schen Zustandes der Gewässer im Rahmen der Wasserwirtschaftsförderung des UFG auch für die Dauer des 2. Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans vorgesehen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 181

Der Zusagerahmen für diese Förderschiene über die Periode von 2018 bis 2023 beträgt insgesamt 150 Millionen Euro, wobei die dazu erforderlichen Mittel ebenso wie die Abwicklungskosten ausschließlich aus dem Reinvermögen des Umwelt- und Was­ser­wirtschaftsfonds zur Verfügung gestellt werden.

Ohne die Fortschreibung dieser Förderschiene in der Wasserwirtschaft im dargestell­ten Ausmaß ist die fristgerechte Umsetzung der nationalen bzw. EU-rechtlichen Vor­gaben nicht möglich.

Zu Z 2 (§ 6 Abs. 2f Z 1 UFG):

Die Möglichkeit zur Festlegung von Zusagerahmen für Förderangebote im Rahmen von Sanierungsoffensiven durch die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Touris­mus und den Bundesminister für Finanzen endet mit 2018. Um die weitere Fortsetzung der erfolgreichen Förderungsaktion sicherzustellen, wird die Ermächtigung zur Fest­legung von Zusagerahmen über 2018 hinaus ausgeweitet.

Zu Z 3 (§ 12 Abs. 9 UFG):

Zusätzlich zu den Bundeskonsensen soll auch für „herrenlose Bauwerke“ auf Grund­stücken der Republik Österreich die Möglichkeit geschaffen werden, Maßnahmen zu setzen, um wasserwirtschaftliche Ziele wie den guten ökologischen Zustandes – die ohne diese Maßnahmensetzung nicht möglich wären - zu erreichen.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der gesamtändernde Abänderungsantrag wurde an alle Abgeordneten verteilt und in den Kernpunkten erläutert. Er steht daher mit in Verhand­lung.

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Johann Rädler zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Plessl: Aber zur Sache bitte!)


18.43.02

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Präsident! (Der Redner stellt ein Foto auf das Rednerpult, auf dem er und andere Personen mit Uniformjacken und einige große Kartons mit dem Logo einer Hilfsorganisation zu sehen sind.) Frau Bundesminister! (Abg. Strolz: Die Chance auf eine Entschuldigung, Herr Rädler!) – Genau! – Wenn wir die Novelle zum Umweltförderungsgesetz diskutieren und von der SPÖ der Einwand kommt (das Foto rutscht vom Rednerpult und fällt zu Boden) – na, das ist Pech! (der Redner hebt das Foto auf und stellt es neuerlich auf das Rednerpult – Oje-Rufe bei der SPÖ – Ruf bei der SPÖ: Rädler ist abgestürzt! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ) –, dass alles zu wenig sei und alles mit einem Abänderungsantrag geändert werden muss, dann frage ich mich: Macht man das jetzt nur, weil man dagegen sein will, oder warum macht man das, Herr Kollege Feichtinger? (Abg. Krainer: Weil man dafür ist!)

Sie wissen ganz genau, dass wir - - (Das Foto fällt neuerlich zu Boden. – Oje-Rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Üben!) – Ich komme später darauf zu sprechen. – Sie wissen ganz genau, dass wir die rechtlichen Voraussetzungen für diese Förderungs­maß­nahmen brauchen, um die Klima- und Umweltstrategie umsetzen zu können. Des­halb sollten Sie eher zustimmen als einen Abänderungsantrag einbringen. Es geht nämlich um zwei Mal 42 Millionen Euro, die an Förderungsmaßnahmen in den nächs­ten zwei Jahren eingebracht werden können, um zwei Effekte zu erzielen, nämlich die thermische Sanierung und die Senkung des Energieverbrauchs.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 182

Betreffend die thermische Sanierung wissen wir ganz genau, dass wir der Raumwärme 10 Prozent des CO2-Ausstoßes zu verdanken haben, dass wir da viele Möglichkeiten haben, dass rund 23 Prozent des Energieaufwandes eingespart werden könnten, dass wir zusätzliche Maßnahmen in diesem Bereich treffen können, wenn wir Geld zur Verfügung stellen. Und das Geld, das wir da zur Verfügung stellen, würde Green Jobs schaffen (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger) – rund 55 000 Green Jobs, das wurde errechnet – und eine Wertschöpfung von rund 3 Milliarden Euro. Dass man damit Arbeitsplätze absichern kann, müsste Ihnen als Partei doch sehr wichtig sein!

Nun zum Energiebereich: Im Energiebereich 8 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß auf 5 Millionen Tonnen zu verringern, sollte als Zielmaßnahme auch für die SPÖ einen Wert haben und könnte natürlich hier auch mitgetragen werden.

Jetzt zu dem, was da dauernd hinunterfällt (der Redner hebt das Foto vom Boden auf und stellt es ein weiteres Mal auf das Rednerpult), nämlich ein Wort zu verschiedenen Aussagen, die in den letzten Tagen getätigt wurden. Frau Kollegin Zadić, zu meinem Zwischenruf: Der war weder gegen Sie persönlich gerichtet – Sie haben das auch nicht behauptet, sondern der Kollege neben Ihnen – noch gegen Ihre Herkunft, denn eines darf ich Ihnen sehr wohl sagen: Wir sind gemeinsam in der bosnischen Freundschafts­gruppe, jawohl, und wir fahren im Oktober gemeinsam nach Bosnien.

Ich bin bewusst in die bosnische Freundschaftsgruppe gegangen, und zwar aus folgen­dem Grund: Ich war in der französischen Freundschaftsgruppe, da war ich mit dem Kollegen Cap und mit dem Kollegen Westenthaler in Frankreich. Da ist es eher um Rotwein gegangen, und deshalb habe ich mir gesagt: Diese Inhaltsleere tue ich mir nicht mehr an, sondern ich möchte echt etwas bewirken. – Hier (auf zuvor erwähntes Foto weisend) ist ein Bild, und da ist jemand drauf, den kennt auch der ehemalige Herr Bundeskanzler sehr genau: Das ist der neue Klubobmann der SPÖ Niederösterreich, der mit mir gemeinsam Bosnienhilfsaktionen durchgeführt hat.

Ich habe 1994 zwei ganz große Züge nach Bosnien in Flüchtlingslager gebracht, ich bin dreimal im Jahr in Bosnien und versorge dort ein Spital, ich versorge dort das Rote Kreuz. Sie, Frau Abgeordnete Zadić, kommen aus Tuzla, Sie kennen die Stadt Bugojno. Sie sollten dort den Herrn Bürgermeister, den Primar im Krankenhaus, den Rot-Kreuz-Chef nach dem Herrn Rädler fragen, dann würden Sie sicherlich etwas über mich erfahren. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Das sage ich jetzt nicht zu Ihnen, sondern in Richtung Liste Pilz, die solche Dinge über mich verbreitet. Da fühle ich mich wirklich gekränkt. (Abg. Kuntzl: Sie sollten sich entschuldigen!)

Ich würde Herrn Rossmann jetzt einmal auffordern, von seinem Gehalt – ich gebe Ihnen dann gerne die Kontonummer – etwas an das Bosnische Rote Kreuz in Bugojno, dem ich helfe, wie ich auch einen Studierenden dort privat unterstütze, zu überweisen, dann können wir auf diesem Niveau weiterreden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ord­neten der FPÖ.)

18.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Martha Bißmann zu Wort. – Bitte.


 18.47.42

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Geschätzte Bundesministerin! Ich wünsche mir eine neue politische Kultur hier im Hohen Haus, einen neuen Umgang miteinander (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP) – Herr Rädler, speziell an Sie gerichtet –, einen neuen Umgang, in dem Kooperation,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 183

Respekt, Solidarität die Werte sind, die wir ernst nehmen und leben und die uns helfen werden, das angeschlagene Vertrauen der Menschen in die Politik zu rehabilitieren. (Abg. Höbart: Das darf ja nicht wahr sein! Ist das Parodie oder ist das ...?)

Glauben wir an den Systemwandel! Systemwandel beginnt bei jedem von uns: bei jedem von uns 183 Abgeordneten. (Abg. Höbart: Das sollten Sie bei Ihrer Fraktions­sit­zung erzählen!) Er beginnt hier im Haus und er setzt sich in Gesellschaft und Wirtschaft fort – oder umgekehrt. Das braucht es, um der größten globalen Bedrohung der Menschheit, dem Klimawandel, Herr und Frau zu werden.

Der Klimawandel ist eine viel größere Gefahr als Terrorismus, Cyberwar, Migration und soziale Ungleichheit. Selbst unsere Außenministerin Karin Kneissl misst in ihrem Res­sort dem Klimawandel als Thema von sicherheitspolitischer und nicht nur umweltpoli­tischer und volkswirtschaftlicher Relevanz höchste Bedeutung zu.

Bei der Bewältigung des Klimawandels hat die Energieeffizienz eine ganz wichtige Be­deutung. Energieeffizienz ist nämlich das stärkste und gleichzeitig günstigste Kraft­werk. Das sind auch Ihre Worte gewesen, Frau Ministerin Köstinger: Die „beste Ener­gie ist die, die gar nicht erst gebraucht wird“. Kein anderer Bereich kann so stark zum Klimaschutz und zur Gesundheit beitragen wie der Gebäudesektor. Der Gebäude­sektor verbraucht nämlich ein Drittel der Endenergie in Österreich.

Wenn schon Gebäude sanieren, dann aber richtig, das heißt auf dem besten energe­tischen Niveau unter Anwendung der State-of-the-Art-Technologie – kurz gesagt: Deep Renovation oder Mustersanierung. Mehr als 80 Prozent des Heizwärme­bedarfs kann nämlich durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen eingespart werden. 80 Prozent weniger Heizwärmebedarf bedeutet auch geringere Heizkosten für die Verbrauche­rinnen und Verbraucher. Das ist Sparen im System und nicht beim Menschen, denn den Menschen bleibt mehr Geld im Börsel, und wir wären der Einfüh­rung einer CO2-Steuer einen deutlichen Schritt näher, wenn wir Lenkungsmaßnahmen anwenden.

Bei der Energieeffizienz in Gebäuden hat Österreich viel Erfahrung und findet inter­national viel Anerkennung für seinen Know-how-Vorsprung, und in keinem anderen Bereich wurde höchste Energieeffizienz so gründlich behandelt wie beim Bauen und Sanieren, nirgends die Möglichkeiten so tief erforscht und in Tausenden Projekten hier in Österreich umgesetzt. Lassen Sie uns diesen Wettbewerbsvorteil, der auch unseren Wirtschaftsstandort stärkt, bewahren und ausbauen, indem wir ihn gezielt fördern! Abgesehen von den Exportchancen in die ganze Welt können wir uns bei 500 Millionen Quadratmetern Gebäudenutzfläche auch in Österreich mit der Sanierung so richtig austoben.

In der finalen – und wie wir alle wissen, knieschwachen – Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung steht unter „Leuchtturm 5“: „Baustandards für [...] Sanierung lau­fend an den besten verfügbaren technischen Stand anzupassen“. – Das ist ein weite­res Beispiel dafür, dass die Leuchttürme in der Klimastrategie auf Sand gebaut sind: schöne Phrasen, schöne Strategien, aber keine Ziele, keine Maßnahmen und vor allem zu wenig Geld. Es braucht deutliche zusätzliche Förderanreize seitens des Bundes im Umweltförderungsgesetz, die vorgelegte Novelle reicht nicht aus.

Wir von der Liste Pilz werden uns dafür einsetzen, dass zumindest im Jahr 2020 im Staatsbudget genügend Mittel dafür freigemacht werden. Nur so schaffen wir die Trendwende in Richtung hochwertige und energieeffiziente Gebäude, stärken dabei unseren Wirtschaftsstandort, erreichen die Pariser Klimaziele, und das, ohne unseren Kindern eine Hypothek zu hinterlassen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

18.52



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 184

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.52.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Ja, wir wollen heute diese Regie­rungsvorlage, das Bundesgesetz, mit dem das Umweltförderungsgesetz geändert wird, beschließen. Im Prinzip ist es nur eine Verlängerung, eine Verlängerung für die Zusa­ge­rahmen für die Sanierungsoffensiven. Das heißt, es wird sichergestellt, dass die Möglichkeit zur Fortführung von effizienten Anreizförderungen auch weiterhin gegeben wird, und zwar für die Dauer von zwei Jahren.

Was wird daran kritisiert? – Wir haben einen Abänderungsantrag vorliegen, der sozu­sagen ein offenes Ende vorsieht. Warum wollen wir das nicht? – Ein offenes Ende würde heißen: Das Gesetz, wie es jetzt ist, soll auch in Zukunft weiterbestehen. Wir haben uns aber grundsätzlich auf etwas anderes geeinigt, und die Frau Bundes­minis­terin hat das konsequent so fortgeführt. Wir haben eine Enquete gehabt, es gibt jetzt eine Strategie, und aufbauend auf diese Strategie wird die Frau Bundesministerin in der kommenden Zeit entsprechende neue gesetzliche Regelungen schaffen – neue! Sie wird nicht das Alte in irgendeiner leicht veränderten Form fortführen.

Genau das ist der Grund. Wir wollen neue Gesetze! Wir wollen unsere Ziele, die wir uns bis 2030 gesetzt haben, auch wirklich erfüllen, und da macht es keinen Sinn, jetzt einfach nur ein open end vorzusehen und dann zu sagen: Na ja, für die Wasserwirt­schaft und für die Förderungen in der Sanierung bei der Energieeffizienz würde das schon reichen. – Nein, wir wollen ein neues System, das wesentlich besser als das alte, herkömmliche ist (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), und da wollen wir umfassend und sinnvoll agieren, das heißt dort, wo es effizient ist, dort, wo es klug ist und so weiter, entsprechend fördern. Wir wollen kein reines Cost Cutting, wie man es in der Wirtschaft hat, sondern effizient, bürgernah und bei den Menschen ordentlich eingreifen und das Ganze mit Förderungen verbessern.

Ich kann nur sagen, der Abänderungsantrag der SP ist gut gemeint. Er ist allerdings nicht gut in dem, was inhaltlich vorgeschrieben wird, daher werden wir ihn ablehnen und das Gesetz so, wie es ist, mit dem zweijährigen Rahmen, beschließen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.55


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Andreas Kollross zu Wort. – Bitte.


18.55.17

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolle­ginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Herr Kollege Rädler – jetzt weiß ich nicht, ob er noch hier ist oder ob er hinausgegangen ist; ah, da sitzt er eh –, es ist ja nett, wenn Sie herauskommen und hier so eine Art von „Geschichten aus dem Wiener Wald“ erzählen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ehrt Sie auch, was Sie ehrenamtlich tun. Wir alle tun das eine oder andere ehren­amtlich, aber das will ich Ihnen gar nicht absprechen. Was ich Ihnen absprechen möchte, wäre ein Stück weit die Glaubwürdigkeit, denn glaubwürdig wäre Ihr ganzes Enga­gement dann gewesen, wenn Sie sich hierhergestellt – das hat sogar der Vertreter der FPÖ zusammengebracht – und sich öffentlich und offiziell auch entschul­digt hätten. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 185

Das wäre das Mindeste gewesen, und dann wären Sie für mich auch glaubwürdig gewesen. Nur anzuführen, was man bei irgendwelchen Hilfsorganisationen macht – so ehrend das ist –, aber sich nicht für das zu entschuldigen, was man getan hat, das ist meiner Meinung nach nicht glaubwürdig – sowohl was Sie betrifft als auch was die gesamte ÖVP betrifft. (Abg. Neubauer: ... zum Thema! – Abg. Rädler: Zur Sache!)

Sie sagen, ich soll zum Thema sprechen: Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, was die Umweltpolitik betrifft, weil wir leider immer wieder erleben, dass das, was die Frau Ministerin vorgibt, teilweise das, was im Regierungsprogramm geschrieben steht, was in der Klima- und Energiestrategie steht und formuliert wird, dann den Elchtest nicht schafft und mit der Wirklichkeit leider selten bis nie etwas zu tun hat, so auch in diesem konkreten Fall. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber lassen Sie mich etwas in Erinnerung rufen – wir würden Ihnen ja gerne helfen –: Sie haben am 8. Februar einen tollen Antrag eingebracht, was zum Beispiel die ther­mische Sanierung betrifft, den wir, namentlich Kollege Feichtinger, jetzt hier wieder als Antrag eingebracht haben. Der kommt aber eigentlich gar nicht von uns – ich möchte das nur noch einmal auch für die Zuseherinnen und Zuseher sagen –, sondern der kommt eigentlich von Ihnen. Den haben Sie am 8. Februar eingebracht, und dann haben Sie ihn wieder zurückgezogen und haben einen verwurschtelten anderen Antrag einge­bracht, in dem vor allen Dingen die thermische Sanierung nicht für die nächsten Jahre, sondern jetzt einmal nur für zwei Jahre finanziert ist – nicht so, wie es in Wirklichkeit im Regierungsprogramm drinsteht, nämlich für die gesamte Legislaturperiode.

Die Frage, Frau Ministerin, ist – und diese Frage richtet sich auch an die gesamte Re­gierung –: Warum eigentlich? Warum können wir heute nicht den Antrag beschließen, der von Ihnen selbst kommt, der aus Ihrem Haus kommt, der die thermische Sanierung bis zum Ende der Legislaturperiode regelt? Warum müssen wir heute einen Antrag beschließen, der zwar auch von Ihnen kommt – vielleicht hat der Regierungspartner ein bisschen mitgeplaudert –, der aber nicht die thermische Sanierung bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode regelt, sondern nur für die nächsten zwei Jahre? Was be­deu­tet das? Was machen wir dann? Was haben Sie vor? Wollen Sie die thermische Sanierung reduzieren, oder warum machen wir das? Warum können wir nicht ganz einfach diesen Antrag beschließen?

Das ist eine Frage, die ich gerne irgendwann von Ihnen beantwortet hätte, die haben Sie nämlich auch im Umweltausschuss leider nicht beantwortet. Da Sie sich heute aber sehr oft zu Wort gemeldet haben, nehme ich an, Sie werden sich noch einmal zu Wort melden, und vielleicht kriegen wir ja heute eine Antwort. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.58.50

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Weil die Debatte um die Umweltpolitik und die Frage des richtigen Umgangs mit dem Klimawandel immer sehr zahlengetrieben ist, möchte ich mit einem Zitat beginnen, und zwar über den Sachstandsbericht Klimawandel. Zen­trale Erkenntnis ist: „Die Leidtragenden des Klimawandels sind in praktisch allen Bereichen zu finden, vor allem die Land- und Forstwirtschaft, Ökosysteme, Biodiver­sität, aber auch Tourismus und das Gesundheitssystem sind betroffen. Die ökonomi­schen Auswirkungen extremer Wetterereignisse in Österreich sind bereits jetzt erheb­lich und


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haben in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen. Eine klimabedingte Verstärkung solcher Schadensereignisse hätte signifikante Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Österreichs.“ (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Genau das ist die wissenschaftliche Erkenntnis; 99,5 Prozent aller Wissenschaftlerin­nen und Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, stimmen dieser Erkenntnis zu.

Es gibt genau zwei Möglichkeiten, wie die Politik auf dieses Thema reagieren kann: Sie kann entweder mehr Steuermittel in die Hand nehmen und in einen nachhaltigen Sys­temwechsel, in grüne Technologien, in ein resilienteres System in Österreich inves­tieren oder sie kann das Steuersystem umbauen. Das von uns oft geforderte sozu­sagen CO2-Steuer-Modell wäre eine sehr passende Antwort. Diese Regierung macht beides nicht, und das ist für uns NEOS nicht akzeptabel. Wir wollen die Auswirkungen nicht hinnehmen, sondern wir wollen dagegen ankämpfen und wir wollen einen der beiden Wege mit den Abgeordneten hier im Hohen Haus gehen.

Entscheiden Sie sich für einen der beiden Wege! Wir helfen gerne konstruktiv mit, die richtigen Lösungen zu finden. Den Kopf in den Sand zu stecken, das ist sicher nicht die richtige Antwort, dabei unterstützen wir Sie nicht. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

19.00


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Bun­des­minister. – Bitte.


19.00.42

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Dass der Klimawandel nichts Abstraktes ist, erleben wir, glaube ich, speziell auch in diesem Jahr 2018, in dem wir zuerst einen eigentlich lan­gen Winter, aber dann sehr schnell ein heißes Frühjahr hatten. Vor allem in den letzten Wochen haben wir erlebt, dass die Wetterextreme massiv zunehmen – aktuell in Neunkirchen, auch heute wieder, aber auch in anderen Gebieten in Niederösterreich, im Burgenland, in der Steiermark, in Kärnten – und dass Hunderte Einsatzkräfte, auch viele Freiwillige, im Einsatz sind, um die Schäden zu beseitigen. Das zeigt, dass wir da wirklich massiv Handlungsbedarf haben und dass vor allem der Klimawandel nichts Abstraktes mehr ist.

Wir als Bundesregierung widmen uns diesem Thema sehr intensiv, und speziell in meinem Ressort haben das Thema Kampf gegen den Klimawandel und vor allem auch das Thema Energiesicherheit und Energiezukunft absolute Priorität.

Wir haben mit der #mission 2030 die Grundlage dafür geschaffen, in den nächsten Jahren bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen um rund 36 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Wir verpflichten uns somit auch, den eingeschlagenen Pfad wei­terzugehen und das Pariser Abkommen zu erfüllen.

Der Gebäudebereich gehört zu den drei größten Treibhausgase emittierenden Sekto­ren in Österreich und speziell auch in unserer Klima- und Energiestrategie zu den ganz großen Prioritäten; dieser Sektor führt nämlich zu rund 27 Prozent des österreichischen Gesamtenergieverbrauchs. Die #mission 2030 hat sich auch zum Ziel gesetzt, eine Anhebung der Sanierungsrate auf durchschnittlich 2 Prozent zu schaffen. Das wird nur gelingen, wenn wir eben auch gemeinsam, Bund, Länder und Gemeinden, ein nach­haltiges Konzept zur Umsetzung ausarbeiten.

Es ist uns nicht nur gelungen, innerhalb von 150 Tagen mit der integrierten Klima- und Energiestrategie den Pfad und die Strategie vorzuschreiben, sondern wir haben


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wirklich auch ab dem ersten Tag begonnen, Maßnahmen konkret umzusetzen. Das vorliegende Gesetzesvorhaben regelt die Verlängerung eines gesonderten Zusagerah­mens für die Förderung von thermischen Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden im Umweltförderungsgesetz in den Jahren 2019 und 2020. Die genaue Festlegung des Zusagerahmens erfolgt gemeinsam mit dem Bundesminister für Finanzen. Für die Sanierungsoffensive 2018 stehen jedenfalls 43,5 Millionen Euro für Private und auch Betriebe zur Verfügung.

Anders als von Herrn Abgeordnetem Kollross dargestellt, wurde die Frage nach der thermischen Sanierung von mir bereits mehrmals beantwortet. Wir haben jetzt einmal die Verlängerung und den Übergang beschlossen, um noch weitere Maßnahmen set­zen zu können, und wir, vor allem Bund und auch Länder, arbeiten sehr intensiv daran, den Bereich der thermischen Sanierung neu aufzustellen, weil wir nämlich gesehen haben, dass die aktuellen Förderrichtlinien überhaupt nicht der Praxis entsprechen. In den letzten Jahren war für thermische Sanierung viel mehr im Budget veranschlagt, als abgeholt worden ist. Grund dafür waren zum Teil praxisfremde Förderbestimmungen, die in vielen Bereichen auch zu bürokratisch waren.

Das geht nicht von heute auf morgen, sondern dafür braucht es wirklich ein gesamtes Konzept – wie gesagt, da sind natürlich auch die Länder maßgeblich eingebunden –, und dieses Konzept werden wir vorlegen. Bis zum Jahr 2020 haben wir aber auf jeden Fall alles gesichert. Wenn wir früher fertig werden, dann bietet sich natürlich auch frü­her die Möglichkeit, das zu ändern und umzusetzen.

Wir werden auf jeden Fall auch um die entsprechenden Gelder kämpfen, aber das wird dann natürlich auch von den Maßnahmen abhängen, davon, wie viel wir dafür brauchen werden.

Mit der Sanierungsoffensive 2018 beginnen wir, wie gesagt, auch rasch und konkret mit der Umsetzung von Maßnahmen, die wir in der Klima- und Energiestrategie verein­bart haben. Was mir besonders wichtig ist und was mich vor allem auch freut, ist, dass wir den früheren Sanierungsscheck inhaltlich neu aufgestellt haben, dass wir einen „Raus aus Öl!“-Bonus geschaffen haben. Mit dem neuen Sanierungsscheck kann ein Kesseltausch weg von der Ölheizung hin zu einer erneuerbaren Heizform mit bis zu 5 000 Euro gefördert werden. Damit setzen wir einen starken Impuls dahin gehend, Schritt für Schritt aus den rund 700 000 Ölheizungsanlagen in Österreich auszusteigen, und ziehen wieder einen Schritt weiter, um unsere Klima- und Energieziele zu er­reichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich darf mich bei allen Vertretern der Parlamentsparteien im UFI-Komitee sehr herzlich bedanken. Dort ist die Debatte um einiges konstruktiver, aber ich hoffe trotzdem, dass die UFG-Novelle 2018 hier eine breite Zustimmung erfährt. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Frau Minister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Zadić. – Bitte sehr, Frau Abgeord­nete.


19.05.57

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Bevor ich mich zu dieser Debatte äußere, möchte ich kurz auf Herrn Abgeordneten Rädler zu sprechen kommen. Ich habe größte Wertschätzung dafür, was Sie für Flüchtlinge machen, was Sie für bosnische Flüchtlinge gemacht haben, und auch größte Wert­schätzung dafür, was Sie für Menschen in Not und auch für Menschen in Bosnien tun


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und was Sie da auch alles investiert haben. – Meine größte Wertschätzung und vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich freue mich auch, mit Ihnen gemeinsam nach Bosnien zu fahren. Wir dürfen das jetzt aber bitte nicht mit dem, was am Montag passiert ist, verwechseln. In einer sach­lichen Debatte haben Sie nicht Argumente zur Sache vorgebracht, sondern Sie haben meine Herkunft angesprochen und diese Herkunft gegen mich verwendet. (Abg. Rädler schüttelt verneinend den Kopf.) Sie haben mich auf meinen Migrationshinter­grund reduziert. Ich frage Sie: Warum? Warum haben Sie nicht die gleiche Rück­mel­dung bei Herrn Krainer, warum haben Sie nicht die gleiche Rückmeldung bei Frau Krisper ange­bracht, sondern ausgerechnet bei mir? Sie haben mich auf meinen Migrationshinter­grund reduziert, und das geht nicht. (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

Nun stelle ich Ihnen die Frage – und die ist mir wichtig, ich bin in den letzten Tagen oft­mals mit dieser Frage konfrontiert gewesen –: Ab wann ist man für Sie ein Öster­reicher? Was muss man gemacht haben, um wirklich Österreicher zu sein, um ein Teil dieser Gesellschaft zu sein? Was muss man getan haben? (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Ich und viele andere Personen mit Migrationshintergrund oder mit Migrationsvorder­grund möchten nicht darauf reduziert werden, woher sie kommen, sie möchten ein Teil dieser Gesellschaft sein. Ich würde Sie bitten, auch mir mit Respekt zu begegnen und mich nicht auf meine Herkunft zu reduzieren. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Gudenus: Wer tut das?) Ich möchte mich in der BVT-Debatte genauso wie jeder andere äußern dürfen, ohne dass das Wort Bosnien fällt, ohne dass meine Herkunft in der Debatte zur Sprache kommt. (Anhaltender Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS. – Abg. Gudenus: Ist das Wort Bosnien jetzt tabu, oder wie?)

19.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lettenbichler. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.08.40

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte wieder zum Thema zurück­kommen, denn es ist ein sehr wichtiges Thema. Heute ist ein guter Tag für die öster­reichische Umwelt-, Klima- und Energiepolitik. (Der anhaltende Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS für Abg. Zadić ist noch nicht verstummt.) – Danke für den anhal­tenden Auftrittsapplaus.


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben Ihren Applaus zur Kenntnis genommen. Ich bitte, den Abgeordneten zu Wort kommen zu lassen. – Danke schön.


Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (fortsetzend): Heute ist ein guter Tag für die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik in Österreich, denn wir beschließen immerhin über 85 Millionen Euro, die in den nächsten zwei Jahren für die thermische Sanierung im Gebäudesektor freigemacht werden. Ich darf an die Ausführungen des Kollegen Deimek anknüpfen und sagen, es handelt sich hiebei nicht um ein fantasieloses Fortschreiben dieser Geldmittel, wie die SPÖ das fordert, sondern wir wollen – und das ist ja auch schon mehrfach angesprochen worden, auch bei der Enquete –, dass es in den kom­menden Monaten zu einer Evaluierung der verschiedenen Förderinstrumente nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landesebene und auf Gemeindeebene kommt.


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Wir wollen treffsicherer werden, wir wollen effizienter werden, und Sie können sicher sein, dass es natürlich auch ab dem Jahr 2020 noch Geld für die thermische Sanierung geben wird. Wir sind auch bemüht, dass es trotz der brisanten budgetären Themen, die wir haben, mehr Geld geben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich darf aber auch auf den Kollegen Kollross zu sprechen kommen, der hier in einer generösen Art und Weise die Ministerin aufgefordert hat, sich gefälligst zu Wort zu melden, der gemeint hat, dass sie im Umweltausschuss die Fragen nicht beantwortet hätte. Sie hat das jetzt, glaube ich, zum dritten Mal gemacht, und hat man es noch immer nicht verstanden, dann ist das eben so oder man hat einen anderen Hinter­gedanken.

Wir hatten hier vor drei Wochen eine inhaltlich sehr gute und qualitätsvolle Enquete zur Klima- und integrierten Energiestrategie, und ich hätte mich gefreut, liebe Vertreter der SPÖ, wenn die Erstrednerin der SPÖ-Fraktion – das war keine Kollegin vom Bundesrat oder vom Nationalrat – nicht eine parlamentarische Mitarbeiterin gewesen wäre. Das war schon ein bissel kurios und das zeugt auch ein bissel vom Zustand der SPÖ.

Sie hat das sehr, sehr gut gemacht, muss ich sagen – Respekt! –, ich habe auch ge­klatscht, sie hat das sehr gut gemacht, aber das zeugt nur (in Richtung SPÖ) vom Zustand in Ihrer Fraktion: Sie haben sich beim Thema Klima- und Energiepolitik abge­meldet. Ich erhoffe mir, dass Sie nun einen Neustart schaffen, damit man mit Ihnen wieder auf Augenhöhe diskutieren kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Schrott. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.11.39

Abgeordneter Dominik Schrott (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich vorab bei unserer Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger und der gesamten Bundesregie­rung, dass es in so kurzer Zeit gelungen ist, diese Sanierungsoffensive zu verlängern. Immerhin ist die Förderung dieser Sanierung eine der wichtigsten Maßnahmen zur Um­setzung der Klimastrategie, wie wir vorhin schon von der Frau Bundesministerin gehört haben.

Wir wissen, dass der Gebäudesektor für rund ein Drittel des gesamten österreichi­schen Energieverbrauchs verantwortlich ist. Vor diesem Hintergrund sind unsere Her­ausforderungen im Bereich des Klimaschutzes zu sehen. Es muss uns gelingen, die Baustandards laufend zu verbessern, sprich erstens die Gebäude energieeffizienter zu gestalten. Die beste Energie ist schließlich die, die wir nicht verbrauchen und die wir sparen können. Zweitens sollen wir danach trachten, die Energieversorgung auf erneu­erbare Energiequellen umzurüsten. All das wird uns aber nicht gelingen, wenn wir nur alle 40 Jahre sanieren.

Geschätzte Damen und Herren! Wenn wir die Klima- und Energiestrategie mit den Menschen und für die Menschen umsetzen wollen, dann müssen wir weiterhin ent­sprechende Anreizsysteme schaffen. Die Menschen sind einfach viel eher dazu bereit, an das Große und Ganze zu denken, wenn sie auch persönlich einen Nutzen daraus ziehen.

Die Frau Bundesminister hat die Zahlen schon angesprochen, daher möchte ich sie nur noch kurz erwähnen: Im Budget stehen finanzielle Mittel in der Höhe von 43,5 Mil­lionen Euro für Private und Betriebe bereit, und mit dem „Raus aus dem Öl!“-Bonus, für


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den bis zu 5 000 Euro bezahlt werden, werden wir es schaffen, die 700 000 Ölhei­zungs­anlagen in Österreich Schritt für Schritt verschwinden zu lassen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen keine Verbotsgesellschaft in Öster­reich errichten, die Menschen wollen auch nicht, dass sie ständig bevormundet wer­den. Stattdessen wollen wir auch beim Klimaschutz mehr auf Eigenverantwortung set­zen und dafür entsprechende Anreize schaffen. Ich lade Sie deshalb ein: Arbeiten wir gemein­sam, stellen wir uns der Herausforderung und gehen wir diesen Weg gemeinsam! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.13

19.13.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 148 der Beilagen. Hie­zu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen las­sen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Nicht angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Ein­gang in der Fassung der Regierungsvorlage, und ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung, und ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

19.15.2810. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über die Regierungsvorlage (151 d.B.): Ände­rung des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (158 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.15.58

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Montrealer Proto­koll bestimmt letztendlich den Abbau, die Reduktion und das Verbot von die Ozon­schicht zerstörenden Stoffen wie etwa Fluorchlorkohlenwasserstoffen. Das wurde bereits in den Achtzigerjahren erkannt, in diesem Protokoll umgesetzt und von meh-


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reren Nationen ratifiziert. Man musste aber beobachten, dass es zu einem Ersatz ge­rade dieser Stoffe durch sogenannte teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe kam.

In dieser Änderung geht es nun darum, auch diese Stoffe sukzessive vom Markt zu drängen und zu verbieten, denn sie sind zwar geringer treibhausgaswirksam als Fluor­chlor­kohlenwasserstoffe, aber noch immer tausend Mal schädlicher als zum Beispiel Kohlendioxid. Das ist ein wichtiger Schritt, um das 2-Grad-Ziel des Pariser Klimaab­kom­mens zu erreichen. Wir haben mit dem Verbot dieser Stoffe das Potenzial, bis 2100 die gesamte Erderwärmung um 0,5 Grad Celsius zurückzuführen. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, daher ist es im Ausschuss zu einer einhelligen Zustimmung zu diesen Änderungen gekommen, und auch hier herrscht große Zustimmung.

Ein wichtiger Punkt für mich ist aber, auch darauf hinzuweisen, dass bereits in den Neun­zigerjahren ein multilateraler Fonds eingerichtet wurde, der auch sogenannte Entwick­lungsländer dazu ermächtigt, ebenfalls aus der Verwendung dieser Produkte auszu­stei­gen, in einer ein bisschen zeitversetzten Version, aber eben unterstützt von den Industriestaaten, denn Klimapolitik wird man nicht an den Grenzen stoppen können.

Ungeachtet der unglaublichen Anstrengungen, die wir in Europa vollführen, die wir jetzt national mit der #mission 2030 auch umsetzen, angesichts einer Klima- und Energie­strategie, die sich wirklich sehen lassen kann, brauchen wir natürlich den internatio­nalen Zusammenhalt, um das Erdklima entsprechend zu erhalten und letztendlich die Klimakatastrophen zurückzudrängen. Daher danke ich recht herzlich für die Gesamtzu­stim­mung im Umweltausschuss und bitte Sie, diesen Änderungen auch hier im Plenum zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Feichtinger. – Bitte.


19.18.24

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Der Klimaschutz gehört zu den größten und schwierigsten politischen Heraus­forderungen unserer Zeit, und wenn wir die Chance erhalten, die Erderwärmung mit einer Maßnahme um ein halbes Grad zu reduzieren, dann sollten wir diese einmalige Chance nutzen und sofort umsetzen. Das globale Verbot der Fluorkohlenwasserstoffe, auf das sich die Weltgemeinschaft 2016 geeinigt hat, ist so eine einmalige Chance. FKWs waren in den letzten Jahren die Treibhausgase, deren Verbrauch am stärksten gestiegen ist. Ihr Treibhauseffekt ist teilweise um das 23 000-Fache höher als jeder CO2-Wert. Dass wir diese Klimakiller jetzt endlich aus dem Verkehr ziehen, ist ein wirklich großer Erfolg.

Aber eine Ratifizierung allein ist nicht wirklich zielführend und bringt dem Klima nicht wirklich etwas. Man muss dann auch das tun, wozu man sich in dem Abkommen verpflichtet hat. Das gilt für jedes Abkommen wie auch für das Klimaschutzabkommen von Paris, das Österreich ebenfalls ratifiziert hat und bezüglich dessen die Regierung noch beweisen muss, dass sie es abseits der Ankündigungen auch ernst meint. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

Globale Abkommen können extrem erfolgreich sein. Wir können globale Risiken für uns und unsere Umwelt erfolgreich bekämpfen, wenn wir alle an einem Strang ziehen.

Das hat gerade das Montrealer Abkommen gezeigt, mit dem es in den Achtzigerjahren gelungen ist, geschlossen und in sehr kurzer Zeit auf das wachsende Ozonloch zu reagieren. Das Montrealer Abkommen zeigt aber auch, was uns droht, wenn sich


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einzelne Länder nicht wirklich daran halten. In den Medien war kürzlich zu lesen, dass ein bislang unbekannter Akteur gegen das weltweite Verbot verstößt und seit 2012 FCKW in industriellem Ausmaß in die Atmosphäre bläst. Das schwächt nicht nur un­sere Ozonschicht wieder, das schwächt internationale Umweltabkommen insgesamt, denn die beruhen auf dem gegenseitigen Vertrauen, dass sich alle an die Regeln hal­ten.

Wir Sozialdemokraten und -demokratinnen werden daher den Änderungen am Mon­trealer Protokoll selbstverständlich zustimmen, aber wir erwarten uns von der Regi­erung auch, dass sie sich mehr anstrengt, wenn es um die eigenen Umsetzungen von Umweltabkommen geht, etwa beim Pariser Klimavertrag, und wir erwarten uns einen starken Einsatz, wenn es um den Schutz des Montrealer Abkommens geht. Österreich muss sich hier für eine strenge Überwachung und eine rasche Aufklärung einsetzen, damit der jetzt entdeckte Verstoß beim FCKW schnell ein Ende hat. (Beifall bei der SPÖ.)

19.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Pewny. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.21.24

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bun­desminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Im letzten Umweltaus­schuss haben wir eine wichtige Änderung im Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht diskutiert. So sollen zukünftig auch sogenannte teilhalogenierte Fluor­kohlen­wasserstoffe, kurz HFKW, im Montrealer Protokoll geregelt werden.

Nach dem Verbot des FCKW, das bis dahin als Treibmittel in Sprühdosen, Schaum­stoffen sowie als Kältemittel in Kühlschränken und Klimaanlagen in Verwendung war, fand man den Ersatz in den HFKWs. Diese sind zwar nicht so starke Ozonkiller wie ihr Vorgänger, tragen aber leider trotzdem erheblich zur Klimaerwärmung bei, da sie laut Umweltorganisationen wesentlich schädlicher sind als CO2, was ja von meinen Vorrednern schon berichtet wurde.

Daher ist es jetzt höchst an der Zeit, auch diese HFKWs zu reduzieren. Dass derartige multilaterale Abkommen von Wirkung sind, zeigt der bisherige Erfolg des Montrealer Protokolls aus dem Jahre 1987. Nachdem der weltweite Ausstieg aus dem FCKW 2015 abgeschlossen werden konnte, zeigen sich inzwischen erste positive Ergebnisse: Die Konzentration der Verursachersubstanzen in der unteren Atmosphäre hat tat­säch­lich abgenommen.

Die Reduktionsverpflichtungen für HFKWs beziehen sich sowohl auf die Herstellung als auch auf den Verbrauch. Die HFKWs sollen bis 2036 um 85 Prozent reduziert wer­den. Für die Industrie dürfte diese Umstellung auf umweltfreundlichere Stoffe im Übri­gen kein großes Problem sein. Propan zum Beispiel wird bei der Förderung von Erd­gas als Nebenprodukt gewonnen und kann daher in Österreich hergestellt werden, was wiederum unserer Wirtschaft zugutekommen würde.

Bei der Abstimmung im Umweltausschuss wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Herr Abgeordneter.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesminister. – Bitte, Frau Minister.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 193

19.24.01

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich glaube, der Kampf gegen das Ozonloch ist wohl eine der größeren Erfolgsgeschichten in der internationalen Umweltpolitik der letzten Jahre und vor allem auch Jahrzehnte. Viele hier herinnen können sich noch an die Schreckens­meldungen über das wachsende Ozonloch und die gesundheitlichen Folgen erinnern. Mittlerweile geht das Ozonloch sukzessive zurück. Es wurde speziell eben auch mit diesem internationalen Abkommen, dem Montrealer Protokoll, eine maßgebliche Ver­bes­serung erreicht und erzielt. HFKW stellen eine Gefahr für das Klima dar, sie sind rund tausendmal so treibhausgaswirksam, wie es Kohlendioxid ist.

Ich möchte auf die Ausführungen von Frau Abgeordneter Feichtinger eingehen, die gemeint hat, das Montrealer Protokoll wäre zu wenig. Nur um hier auch bei den Fakten zu bleiben: Die Umsetzung des Montrealer Protokolls wird eine Verringerung der glo­balen Erwärmung um circa 0,5 Grad bis zum Jahr 2100 erzielen. Somit ist dieser Bei­trag unverzichtbar, eben auch was die Erfüllung des Pariser Übereinkommens betrifft.

Und zu dem, was auch bezüglich der Bundesregierung gesagt worden ist, nämlich dass in diesem Bereich nichts gemacht würde: Wir haben soeben die UFG-Novelle be­schlossen, leider ohne Zustimmung der SPÖ; auch Frau Feichtinger hat nicht mitge­stimmt. Gerade der Ausstieg aus Ölheizungen ist auch einer der großen Beiträge, die wir jetzt bereits als Maßnahme in die Umsetzung bringen.

Zum Zweiten wurde angesprochen, dass ein Observatorium zurzeit wieder einen An­stieg von FCKW-Mengen in der Atmosphäre entdeckt hat, der vermutlich auf eine illegale Produktionsstätte wahrscheinlich im asiatischen Raum zurückzuführen ist. Die­sem Fall wird bereits sehr intensiv nachgegangen. Es sind auch schon Sanktionen in Aussicht gestellt worden. Unterstützungszahlungen an jenen Staat, auf dessen Gebiet die Produktion festgestellt wird, werden durch den multilateralen Fonds sofort ausge­setzt. Also Maßnahmen sind sofort die Folge, sollte dieser zurzeit noch unbekannte Emittent von neuen FCKW-Mengen gefunden werden.

Ich freue mich sehr, dass wir jetzt auch das Montrealer Protokoll ratifizieren, und ich bedanke mich bei den Abgeordneten sehr für die Unterstützung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.26

19.26.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank, Frau Minister.

Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Umweltausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 151 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hier zustimmen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das geschieht einstimmig. Somit angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 194

19.27.1311. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungs­vor­lage (143 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 geändert wird (165 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 11. Tagesordnungspunkt.

Auf die mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Preiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.27.39

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher hier auf der Galerie und vor den Fern­seh­apparaten! Der vorliegenden Regierungsvorlage zur Novellierung des Marktordnungs­gesetzes 2007 werden wir nicht unsere Zustimmung erteilen, und zwar deshalb, weil sie unserer Meinung nach zu wenig weitreichend und teilweise nur kosmetischer Natur ist. Wir bringen daher einen eigenen Abänderungsantrag ein.

Die sogenannte Omnibus-Verordnung der EU ermöglicht viel weiter gehende Gestal­tungsmöglichkeiten, vor allem in den Bereichen des Programms für ländliche Ent­wicklung, aber auch was die Direktzahlungen betrifft.

Frau Ministerin, Sie haben im Landwirtschaftsausschuss gemeint, dass die Förder­gelder den richtigen Bauern zugutekommen sollen. Da gehen wir natürlich mit Ihnen völlig konform, aber nur dann, wenn Sie nicht die Großkonzerne, die Großagrarier gemeint haben und auch nicht gemeint haben, dass die Getreidebauern weiterhin keine AMA-Marketing-Beiträge leisten sollen.

Wir stehen dafür, dass wir die kleinbäuerlichen Familienbetriebe weiterhin unterstüt­zen. Wir stehen für eine ehrliche und gerechte Verteilung der Fördermittel, Kolleginnen und Kollegen, daher gibt es diesbezüglich einige Vorschläge unsererseits. Wir machen den Vorschlag, dass es bei den Direktzahlungen eine Obergrenze von 25 000 Euro geben soll – 97 Prozent der Landwirte sind davon nicht betroffen – und dass es auch eine entsprechende Umverteilungsprämie geben soll, das heißt, dass die Landwirte bis zu 20 Hektar um 100 Euro mehr Förderung bekommen.

Ich denke, dass auch Europaminister Blümel auf unserer Seite steht, wie sein Interview vom 23. Mai 2018, das er der APA gegenüber gegeben hat, vermuten lässt.

Wir denken, dass auch das Programm für die ländliche Entwicklung – das ist die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik – weiter gestärkt werden muss, also mehr Mittel von der ersten in die zweite Säule transferiert werden sollen. Es geht darum, den gesamten ländlichen Raum finanziell zu stärken, die biologische Landwirtschaft ent­sprechend auszubauen und auch die „Donau Soja“-Strategie endlich mit Leben zu erfüllen. Das heißt, es muss auch ein parlamentarischer Prozess im Hinblick auf die zweite Säule, das Programm für die ländliche Entwicklung stattfinden.

Daher möchte ich einen Abänderungsantrag einbringen, der folgendermaßen lautet:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 195

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungs­vor­lage (143 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 geändert wird (165 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 1 lautet:

„1. § 2 Ziffer 2 lautet:

,2. die im Europäischen Garantiefonds für Landwirtschaft (EGFL) sowie im Europä­ischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) ge­mäß Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008, ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 549 für die gemeinsame Agrarpolitik bereitgestellten Mittel umfassend auszuschöpfen.‘“

2. Ziffer 2 lautet:

„2. § 3 Abs. 3 lautet:

,(3) (Verfassungsbestimmung) Gemeinsame Marktorganisationen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang I des AEUV angeführten Erzeugnisse, sonstige Handelsregelungen, Regelungen zu Direktzahlungen einschließlich der hori­zontalen Regelungen betreffend Verwaltung und Kontrolle, landwirtschaftliche Betriebs­­beratung und Cross Compliance sowie Regelungen betreffend die Förderung der Ent­wicklung des ländlichen Raums.‘“

Die bisherigen Randziffernbezeichnungen 1. bis 19. erhalten die Bezeichnungen 3. bis 21.

*****

Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, dass die österreichische Landwirt­schaft keine Spielwiese eines Ministeriums sein darf und dass nicht am Parlament vorbei die Hard Facts der zweiten Säule fixiert werden sollen.

Liebe Kollegen, auch von den Regierungsfraktionen! Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und unterstützen Sie unseren Abänderungsantrag! Wir wissen, wir haben die Erde nur geliehen und tragen auch Verantwortung für Grund und Boden für die nach­folgenden Generationen. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne, Frau Ministerin für Nachhaltigkeit, wünsche ich Ihnen zur Geburt Ihres Kindes alles erdenklich Gute und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

19.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 196

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungs­vor­lage (143 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 geändert wird (165 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

1.Ziffer 1 lautet:

„1. § 2 Ziffer 2 lautet:

„2. die im Europäischen Garantiefonds für Landwirtschaft (EGFL) sowie im Euro­pä­ischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) ge­mäß Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008, ABl. Nr. L 347 vom 20.12.2013 S. 549 für die ge­meinsame Agrarpolitik bereitgestellten Mittel umfassend auszuschöpfen.““

2. Ziffer 2 lautet:

„2.§ 3 Abs. 3 lautet:

„(3) (Verfassungsbestimmung) Gemeinsame Marktorganisationen im Sinne dieses Bun­desgesetzes sind Regelungen zur Schaffung und Durchführung der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte für die in Anhang I des AEUV angeführten Erzeugnisse, sonstige Handelsregelungen, Regelungen zu Direktzahlungen einschließlich der hori­zon­talen Regelungen betreffend Verwaltung und Kontrolle, landwirtschaftliche Be­triebs­beratung und Cross Compliance sowie Regelungen betreffend die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums.““

Die bisherigen Randziffernbezeichnungen 1. bis 19. erhalten die Bezeichnungen 3. Bis 21.

Begründung

Die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union fußt in jeder Periode auf meh­reren Verordnungen (EU). Die Vergabe der Agrarförderungen soll auch in der nächsten Periode der GAP über zwei Säulen erfolgen.

Das Verteilungsvolumen der derzeitigen Periode 2014-2020 beträgt in Österreich ins­ge­samt ca. 12,5 Milliarden Euro (inklusive nationaler Kofinanzierung von 3,8 Milliarden Euro). Die Höhe des Gesamttopfes der Säule 1 liegt bei ca. 692 Millionen/Jahr.

Die erste Säule wird in Österreich unter Einbeziehung der nationalen Gesetzgebung geregelt, braucht also die Zustimmung von Nationalrat und Bundesrat.

Die Voraussetzungen für die Vergabe von Fördermitteln der „Säule 2“ werden derzeit jedoch nur in Sonderrichtlinien des zuständigen Ministers/der zuständigen Ministerin im Rahmen des sogenannten „Programms für die ländliche Entwicklung“ festgelegt.

Aus grundsätzlichen demokratiepolitischen Überlegungen der parlamentarischen Kon­trolle und zur erhöhten demokratischen Legitimation der Vergabe von öffentlichen Mit­teln sowie, um eine größere Transparenz zu gewährleisten, welche Förderungen über den Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) abge­wickelt werden und unter welchen Bedingungen diese bezogen werden können, zu erreichen, muss auch die Vergabe der öffentlichen Fördermittel der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik Eingang in die Marktordnung finden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 197

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ordnungs­ge­mäß unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Wir kommen nun zur nächsten Wortmeldung: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.


19.32.30

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Regierung hat es sich zur Aufgabe gemacht und zum Ziel gesetzt, unsere bäuerlichen Betriebe von unnötiger Bürokratie zu be­freien und die Agrarverwaltung zu verschlanken. Mit dieser Änderung des Marktord­nungsgesetzes passiert genau das, was wir zugesagt haben. Österreich nützt die Spielräume im Marktordnungsbereich, die von Brüssel eingeräumt werden, und verrin­gert den Verwaltungsaufwand.

Ich möchte mich bei der Frau Bundesminister bedanken, dass sie hier diesen ersten wichtigen Schritt setzt und im Bereich der Agrarverwaltung die zugesagten Einsparun­gen tätigt. – Danke, Frau Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt zukünftig für unsere Bäuerinnen und Bauern weniger Bürokratie, weniger Kosten und weniger Aufwand.

Die Änderung des Marktordnungsgesetzes wurde auch notwendig, da bestehende Vor­schriften durch zwischenzeitliche EU-rechtliche Änderungen nicht mehr aktuell sind. Jetzt wird es eine 1:1-Durchführung von EU-Recht geben. Es darf also hier kein Gold Plating mehr stattfinden.

Österreich war im Bereich der Agrarverwaltung, glaube ich, immer sehr vorschrifts­mäßig unterwegs, vielleicht hin und wieder auch zu fleißig. Das hat einen gewissen Mehraufwand für unsere bäuerlichen Betriebe gebracht. Mit diesem Marktordnungs­ge­setz setzen wir heute einen richtigen Schritt in die richtige Richtung.

Nach dem neuen Marktordnungsgesetz werden in Zukunft die Bestimmungen über die sogenannten aktiven Betriebsinhaber nicht mehr zur Anwendung kommen. Bisher galt, dass an Personen, die Flughäfen, Wasserwerke, dauerhafte Sport- und Freizeitflächen be­treiben sowie Eisenbahnverkehrsleistungen und Immobiliendienstleistungen erbrin­gen, keine Direktzahlungen gewährt wurden, außer sie konnten belegen, dass sie be­stimmte Kriterien erfüllen wie etwa, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit nicht unwe­sentlich ist.

Diese Regelung ist in Österreich aber nur wenigen Betrieben zugutegekommen. Sie verursachte einen hohen Verwaltungs- und Zeitaufwand. Jetzt können Personen, die neben der landwirtschaftlichen Tätigkeit derartige Aktivitäten betreiben, ohne Erbrin­gung zusätzlicher Nachweise Zahlungen erhalten. Flächen im abgegrenzten Bereich von Flughäfen oder als Teil von Golf- und anderen Sportplätzen bleiben aber weiterhin nicht beihilfefähig.

Durch das Auslaufen der Milchquotenregelung entfallen die dafür vorgesehenen natio­nalen Regelungen der Marktordnung, diese werden gestrichen.

Bei der Änderung dieses Marktordnungsgesetzes werden jetzt auch Empfehlungen des Rechnungshofes hinsichtlich der Beteiligung der Länder an den Kosten allfälliger Anlastungen im Agrarbereich umgesetzt. Als Rechnungshofsprecher befürworte ich natürlich dies ganz besonders.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 198

Diese Regelungen im Marktordnungsgesetz gelten nur im Bereich der ersten Säule und nur, soweit die Länder im eigenen oder übertragenen Wirkungsbereich involviert sind.

Abschließend, glaube ich, kann man durchaus sagen: Am heutigen Tag sind für die Landwirtschaft einige weitreichende Beschlüsse gefasst worden. Wir haben Ceta beschlossen. Es werden auch zukünftig alle EU-Lebensmittelstandards eingehalten, das heißt kein Import von Hormonfleisch, keine Chlorhendl und eine genaue Kenn­zeichnung bei den GVOs. Es ist also insgesamt ein Tag, der die Landwirtschaft wieder wettbewerbsfähiger und im Bereich der Verwaltung schlanker macht, und das wird aus unserer Sicht begrüßt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Feichtinger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.36.10

Abgeordnete Elisabeth Feichtinger, BEd BEd (SPÖ): Sehr geehrte Frau Prä­si­dentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wer hat, dem wird gegeben. Im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik ist das leider noch immer eine Tatsache. Dabei ist eine grundlegende Veränderung unserer Landwirtschaft mehr als wichtig. Wir brauchen Verteilungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit und keine überschießende Förderung der Agrarindustrie. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Fast täglich bekommen wir erschreckende Nachrichten darüber, in welchem schlech­ten Zustand unsere Tier- und Pflanzenwelt ist. Als Imkerin haben mich folgende Mel­dungen wirklich sehr getroffen: Studien in Deutschland zeigen, dass die Insektenpo­pulation um 80 Prozent einbricht. Laut aktueller Greenpeace-Studie zum westlichen Österreich sind 40 Prozent aller Schmetterlingsarten vom Aussterben bedroht. Auch viele heimische Vogelarten sind betroffen: Rebhuhn, Braunkehlchen und Lerche – Vogelarten, die für unsere Landschaft ganz prägend und aus dieser nicht wegzuden­ken sind. Ihre Existenz ist gefährdet. Der Grund dafür ist auch in Europas Gemein­sa­mer Agrarpolitik zu sehen. Die Masse und nicht die Qualität wird hier gefördert. Gezahlt wird den Bauern natürlich pro Hektar, egal ob er dort Mais mit Glyphosat besprüht oder pestizidfreie Paprika erntet. Das Ergebnis sind hochoptimierte Kultur­landschaften – arm an Wildpflanzen, arm an Insekten, arm an allen Vögeln, aber im­mer stärker be­sprüht mit Pestiziden.

Das heißt, obwohl immer wieder behauptet wird, dass Pestizide gezielt eingesetzt wer­den, obwohl die Biolandflächen immer größer werden und obwohl die landwirt­schaft­lichen Flächen insgesamt abgenommen haben, hat sich die Menge an ausgebrachten Pestiziden nicht eindeutig verringert. (Abg. Schmuckenschlager: Das stimmt ja nicht! – Abg. Strasser: Das stimmt nicht! Seit 1990 haben sie abgenommen!) Im Gegenteil, die Intensität der eingesetzten Pestizide pro Hektar hat sogar zugenommen! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Strasser.) Dies zeigen uns die Zahlen aus dem Grünen Bericht, lieber Kollege, der eine der wichtigsten Arbeitsgrundlagen für uns Parlamentarier im landwirtschaftlichen Bereich ist. Nehmen wir doch bitte diese Zahlen endlich ernst!

Wir brauchen endlich eine Agrarpolitik, die Umweltrisiken ernst nimmt und die Land­wirte dabei unterstützt, dass sie gesunde und qualitativ hochwertige Lebensmittel pro­duzieren können und gleichzeitig unsere Pflanzen- und Tierwelt schützen können. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 199

Dazu gehören klare Umweltkriterien für die Förderungen sowie beispielsweise ein Pestizidverbot im Umweltprogramm. Die Debatte um Glyphosat, Neonicotinoide und das Insektensterben hat gezeigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher das breit unterstützen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nehmen die deutlichen Zeichen der Natur sehr ernst, und wir fordern, dass sie auch von dieser Regierung ernst genommen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Linder. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.39.16

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Liebe Vorrednerin! Es ist gut, wenn man engagiert ist, aber man sollte sich in der Sache schon ein bisschen auskennen. Gly­phosat im Maisanbau ist in Österreich nicht denkbar und nicht machbar. Ja, man kann damit Klischees bedienen, aber man sollte irgendwo bei der Wahrheit und beim Praktikablen bleiben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Änderung des Marktordnungsgesetzes beinhal­tet einige Anpassungen an Vorgaben der EU sowie Verwaltungsvereinfachungen; wir haben es vom Kollegen Gahr schon gehört. Das ist das eine.

Mir ist es aber ganz wichtig, heute etwas zur neuen Verordnung zum Thema Schul­milch zu sagen. Ich glaube, es ist interessant und wichtig, was da gelungen ist, nämlich dass alles daran gesetzt werden soll, dass noch mehr Interesse der Schüler an der Trinkmilch geweckt wird, und die Beihilfe dafür erhöht wird. Die Schüler sollen noch mehr Milch trinken, und – das ist ganz wichtig – für die Volksschüler der ersten Klasse soll die Trinkmilch gratis sein. Das ist durchaus eine gute Sache, um die Jugend zum Milchtrinken zu motivieren. Wichtig ist mir dabei aber auch, dass mithilfe von EU-Mitteln für die Landwirtschaft Lebensmittel für Konsumenten verbilligt oder in dem Fall sogar gratis abgegeben werden.

Meine Damen und Herren, deshalb möchte ich auf einen Artikel im „Standard“ reflek­tieren (Zwischenruf des Abg. Vogl), der vor ein paar Tagen erschienen ist. Da schreibt ein Journalist Folgendes:

„Die agrarischen Direkt- und Ausgleichszahlungen umfassen durchschnittlich 71 Pro­zent des bäuerlichen Einkommens in Österreich. Man stelle sich vor, irgendeine andere Berufsgruppe würde seit einer Ewigkeit nur dadurch überleben können, dass man ihr jahrein, jahraus 70 Prozent des Einkommens schenken müsste. Bei jedem anderen würde die aktuelle Bundesregierung umgehend tätig werden und ihn aus seiner [...] Hängematte zu vertreiben suchen.“

Weiters schreibt er: „Die Entwöhnungskur vom EU-Subventionstropf ist jedenfalls über­fällig.“

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, wir Bauern liegen nicht in der Hänge­matte, wir erbringen eine enorme Leistung für die Allgemeinheit! Dies gilt es auch zu respektieren und zu schätzen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Diesem Journalisten wünsche ich nur eines: Er möge in einem Land leben, in dem die Bauern ohne diese Förderung auskommen müssen, und er möge sich in jenem Land auch von den dort produzierten Lebensmitteln ernähren müssen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.42



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 200

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Unterrainer zu Wort gemeldet. – Bitte.


19.42.22

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte KollegInnen! Werte Gäste auf der Galerie und vor den Bildschirm­geräten! Derzeit laufen die Verhandlungen für die nächste gemeinsame Agrarperiode, und dabei geht es um mehr als nur um Agrarwirtschaft. Wesentlich betrifft das auch unsere Bergbauern. Die Bergbauern sind Landwirte und pflegen und erhalten und gestalten unsere Gebirgslandschaften, die auch und vor allen Dingen zu unseren Tourismusregionen zählen. Ohne den unermüdlichen Einsatz dieser Menschen, die aus Überzeugung und oftmals unter wirklich schwierigen Bedingungen in unwegsa­mem Gelände ihre Arbeit verrichten, wären der Sommer- und der Wintertourismus mit ihren enormen Erfolgen nicht machbar und nicht denkbar. Trotzdem sind die Berg­bauern bei den Förderungen wesentlich schlechter gestellt als jene, die flächenmäßig große Landwirtschaften betreiben.

Deshalb ist es so wichtig, dass Landwirtschaftsförderungen richtig und vor allen Dingen gerecht verteilt werden. Genauso wichtig ist es auch, dass Sie, Frau Ministerin, als Tourismusministerin einen Blick darauf haben und Mittel frei machen, um die Leis­tungen, die diese Bergbauern für den Tourismus erbringen, auch dementsprechend zu unterstützen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Plessl: Sehr gut!)

Es geht hier um die Menschen, die direkt und indirekt daran beteiligt sind, dass der Freizeit- und Tourismusbereich so gut funktioniert, dass jedes Jahr Millionen von Menschen nach Österreich kommen, um Naturbelassenheit, ein gepflegtes Umfeld und atemberaubende Berglandschaften sowie auch Ruhe genießen zu können. Und es geht vor allem darum, unser Land so zu erhalten, dass es noch für Generationen lebenswert bleibt. In Zukunft muss der Fokus noch stärker darauf gerichtet und in den laufenden Verhandlungen auch dementsprechend berücksichtigt werden.

Ich möchte aber noch einen anderen Punkt kurz ansprechen und vorab eine Frage stellen: Frau Ministerin, ist es in Ihrem Sinne als Landwirtschaftsministerin, dass, um Arbeitskraft zu sparen, Gesundheitsrisiken in Kauf genommen werden? – Frau Minis­terin, Sie sind zwar beschäftigt (Bundesministerin Köstinger unterhält sich mit der an der Regierungsbank stehenden Abg. Zadić), aber ich glaube, diese Frage würden Sie auch mit Nein beantworten.

Ich frage nämlich deshalb, da es mir um den Einsatz von Pestiziden geht, den meine Kollegin schon vorher angesprochen hat, speziell nämlich um den Einsatz von Glypho­sat in der Landwirtschaft.

Nein, Kollege Strasser – da du gerade da bist (Abg. Strasser: Es gibt in einem öster­reichischen Produkt kein Glyphosat!) –, es geht da nicht um Hexenjagd, wie du es im Ausschuss bezeichnet hast. Es geht ausschließlich darum, den Fokus auf die Tatsache zu lenken, dass da irgendetwas nicht richtig läuft. Es geht darum, dass aufgrund von großflächigem Glyphosateinsatz nachweislich ganze Felder ruiniert werden und die Gesundheit der Menschen bewusst riskiert wird. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Ich habe das auch im Ausschuss gesagt und möchte, um das zu unterstreichen, einen Tiroler Fall anführen. Es ist ein Fall, der bekannt wurde und bei dem der betroffene Bauer die Aufregung darüber, dass er mit Glyphosat ganze Felder großflächig bespritzt hatte, nicht nachvollziehen konnte und dazu meinte – ich zitiere –: „‚So wie es tausend­fach in Österreich gemacht wird und auch erlaubt ist.‘ Dadurch müsse nicht umgepflügt werden, was wiederum enorme Energie- und Emissionsersparnis bringe.“ Dieser


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 201

Bauer, der das Glyphosat ausbringt, sagt dann wörtlich: „Ich bin ein totaler Natur­mensch, aber es ist nun mal so, dass Chemie billiger ist als Arbeitskräfte.“

Dass er noch dazu mit dem Pestizid zu nahe an einen Bach gekommen ist, könne vielleicht sein, aber auch das hat er nicht als schlimm empfunden.

Nein, Herr Kollege, es geht dabei wirklich nicht um Hexenjagd, es geht darum, unsere Gesundheit zu erhalten und den Blick darauf zu richten, wo etwas falsch läuft. Es geht darum, dies zu korrigieren, damit wir auch in Zukunft noch eine funktionierende Landwirtschaft und vor allem eine gesunde Umwelt haben. Das, Kollege Strasser, ist keine Hexenjagd, das ist Verantwortung für unsere Umwelt und für unsere Menschen in diesem Land. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.46


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Doppelbauer zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.46.12

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich möchte auch eine Berichtigung machen, denn ich glaube, der Ausdruck Hexenjagd im Ausschuss kam von mir. Ich glaube, wir haben dann gesagt, wir teilen es uns.

In dieser Diskussion geht es um eine Regierungsvorlage, der wir eigentlich zustimmen. Im Wesentlichen geht es dabei um eine Anpassung im Marktordnungsrecht an die aktuelle EU-Rechtslage.

Das Thema in dieser Vorlage ist Pflanzengesundheit. Es geht darum, die Einschlep­pung und Ausbreitung gefährlicher Pflanzenschädlinge zu verhindern, die Effizienz von Kontrollen zu erhöhen, Einfuhrkontrollen zu verschärfen – alles vernünftig. Insbe­son­dere, dass der Verwaltungsaufwand reduziert werden soll – das ist auch schon gekom­men –, ist sehr vernünftig. Deswegen gehen wir bei dieser Vorlage auch mit.

Das Thema Pflanzengesundheit ist natürlich ganz nah verwandt – wir haben es schon gehört – mit dem Thema Pflanzenschutz und mit dem Thema Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft. Am Ende des Tages ist das ein Thema, das uns in den nächsten Jahren sehr intensiv beschäftigen wird. Daher möchte ich mir heute ein paar grund­sätzliche Überlegungen zu diesem Thema erlauben.

Es geht nämlich nicht mehr nur um die Lebensmittelsicherheit, sondern es geht auch um ganz viele Nebenwirkungen, das heißt auch um die Fragen: Wie verhindern wir das Insekten- und Bienensterben? Wie gehen wir mit den Neonicotinoiden, mit dem Glyphosat, mit den neuen Methoden in der Gentechnik um? Und: Wie sorgen wir dafür, dass die wichtigen Naturkreisläufe unbeschadet bleiben?

Im Interesse der Sicherheit und im Interesse der Nachhaltigkeit geht es darum, dass wir konstruktiv und über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten. Es geht nicht um Gebote, Verbote, Überwachungen oder Einhaltungen.

Ich greife zwei ganz wichtige Bereiche heraus: Der eine Bereich, der mir besonders am Herzen liegt, ist die Forschung. Die letzten 30 Jahre – das muss man in dieser Härte sagen – hat es die Bundesregierung verabsäumt, da zu investieren. Was ist pas­siert? – Wir haben de facto im Bereich der Pflanzenzüchtung viel zu wenige gute Er­geb­nisse gehabt. Wir brauchen da eine politische Strategie, damit wir besser werden.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 202

Der zweite Punkt ist das Thema Bildung und Weiterbildung: Es ist Gott sei Dank nicht mehr so, dass die Bauern ins Lagerhaus fahren, um sich dort den Spritzmittelplan und das dazu passende Spritzmittel abzuholen; diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Es gibt da aber eine große Verantwortung der Landwirte, denn am Ende des Tages muss das Motto im Bereich des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sein: punktgenau und so wenig wie möglich ausbringen. – Das ist noch nicht überall angekommen, und daran muss man natürlich arbeiten.

Die Konsumenten können hier aber auch einiges bewirken, denn am Ende des Tages, wenn alle gleich aussehende Äpfel haben wollen, kann man sich leicht ausrechnen, dass diese natürlich mit Spritzmitteln behandelt sind. Diese kommen nicht vom Bauern ums Eck und sind wahrscheinlich auch nicht aus biologischem Anbau.

Was wir aber nicht wollen – die Debatte hat es wieder ein bisschen gezeigt –, ist das Verbreiten von Panik ohne Evidenz. Das Thema Glyphosat ist ein großartiges Beispiel: Die Risikobewertung durch die Wissenschaft sagt mehrheitlich, dass der Einsatz die­ses Stoffes vertretbar ist. – Dann war es plötzlich des Teufels. Die Frage, was nach dem Verbot kommt, ist genau die Frage, die eben nicht geklärt wird und in der Dis­kussion immer ausgespart wird. Das ist scheinheilig, und das sollten wir ändern.

Über sinnvolle Maßnahmen wie die Einschränkung im Privatbereich – jede Hausfrau kann Glyphosat kaufen und im Garten anwenden – diskutieren wir nicht. Wir werden dazu aber einen Antrag ausarbeiten.

Glauben Sie mir, ich bin Biobäuerin und sehr kritisch, was die konventionelle Land­wirtschaft und den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln betrifft. Man muss aber auch realistisch sein – man möge es mir erlauben –, die konventionelle Landwirt­schaft wird nicht morgen abgeschafft und durch die Biolandwirtschaft ersetzt werden, und das ist auch gut so. Deswegen bleibt es ein Faktum: Wir müssen uns mit diesen Themen sachlich auseinandersetzen und evidenzbasiert diskutieren, damit wir hier in Zukunft einen politischen Diskurs haben und keine Panikmache in der Gesellschaft. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strasser: Frau Kollegin, super!)

19.50


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste hat sich Frau Bundesminister Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


19.50.00

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Schön langsam, nach ein paar Stunden, wundere ich mich nicht mehr, dass die SPÖ gegen jede Vorlage stimmt. Den Wortmeldungen zufolge ist es, glaube ich, nicht ganz klar, worum es in der Änderung des vorliegenden Marktord­nungsgesetzes geht. Ich darf das vielleicht inhaltlich ein bisschen ausführen, denn jetzt ist, glaube ich, sehr vieles miteinander vermengt worden, das wir heute aber nicht be­schließen werden, auch nicht beschließen können, da wir ja über das Marktordnungs­gesetz reden.

Wir haben im Sinne einer unbürokratischen Abwicklung alle Erfahrungen im Bereich des aktiven Betriebsinhabers, speziell auch betreffend Hutweiden, eingearbeitet. Hut­wei­­den  das wurde einige Male angesprochen, auch vom Herrn Abgeordneten Unterrainer sind extensiv bewirtschaftetes Dauergrünland, da ist vor allem das Land Tirol betroffen. Das heißt, mit dieser Novelle zum Marktordnungsgesetz versuchen wir vor allem auch den Betrieben im Berggebiet, im Grünland massiv zu helfen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 203

Wir haben neue Erfahrungen betreffend die Anpassung bestehender Regelungen an die Änderungen im EU-Recht, die setzen wir um, gleichzeitig gibt es auch einige Anpassungen aufgrund des neuen Datenschutzrechtes.

Drei zentrale Punkte in dieser Novelle zum Marktordnungsgesetz, die wir vorschlagen, sind erstens Bürokratieabbau, durch die Möglichkeiten, die uns die europäische Omni­bus-Verordnung gibt; zweitens eine Neuregelung für Hutweideflächen, da wurde eine Neuzuweisung der Zahlungsansprüche vorgenommen, die vor allem den von Ihnen propagierten kleinen und mittleren Betrieben maßgeblich zugutekommt; und als Drittes eine Kostentragung beim Thema Anlastungen.

Vielleicht ganz kurz zur Omnibus-Verordnung: Durch diese gesetzliche Änderung auf europäischer Ebene haben wir mehr Flexibilität in der Abwicklung erhalten, und die setzen wir jetzt auch gerne um. Speziell bei dem Thema des aktiven Betriebsinha­bers – das ist nicht zu verwechseln mit der tatsächlichen landwirtschaftlichen Tätig­keit – ist der Verwaltungsaufwand für alle Betroffenen zurzeit noch enorm, das haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt. Wir können in diesem Bereich eine maß­gebliche Vereinfachung sicherstellen, und wir stellen auch sicher, dass die Leistungs­abgeltung wirklich bei den Richtigen ankommt, also den Bäuerinnen und Bauern.

Zum Thema Hutweiden: Die Umsetzung der reduzierten Zuweisung von Zahlungs­an­sprüchen für Hutweideflächen wurde von der Europäischen Kommission beanstandet. Um diese Anlastung zu vermeiden, haben wir die bisherige Regelung abgeändert. Es ist jetzt vorgesehen, dass für das Antragsjahr 2017 rückwirkend für freie Hutweide­flächen zusätzliche Zahlungsansprüche zugewiesen werden können.

2015 wurden für circa 10 Hektar Hutweide nur zwei Zahlungsansprüche zugewiesen, jetzt bekommen die Bäuerinnen und Bauern in den betroffenen Regionen für 8 Hektar frei gebliebene Hutweidefläche zusätzlich acht Zahlungsansprüche.

Das Marktordnungsgesetz wird die Kostentragung beim Thema Anlastungen neu regeln. Nunmehr werden die Länder, soweit ihnen die EU-Rechtswidrigkeit zuzurech­nen ist, die Anlastung mittragen. Mit dieser Änderung setzen wir auch eine Forderung des Rechnungshofes um. Ich glaube, das ist auch im Sinne der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und soll vor allem dazu beitragen, dass sich das System nachhaltig ver­bessert. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Frau Minister.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.54.06

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute die Änderung des Marktordnungsgesetzes. Wenn sich da eine Diskussion über den verantwortungsbewussten Umgang der Bäuerinnen und der Bauern mit der Umwelt entwickelt, dann bitte ich Sie, Herr Kollege Unterrainer: Nennen Sie mir ein Land, wo die Bäuerinnen und die Bauern mit mehr Verantwortungsbewusstsein der Umwelt gegenüberstehen, und nennen Sie mir auch eine Regierung, die mit mehr Verantwortungsbewusstsein der Umwelt gegenüber­steht! – Sie werden kein Land finden. Es ist Österreich und es sind die österreichischen Bäuerinnen und Bauern an der Spitze. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Änderung des Marktordnungsgesetzes beinhaltet vernünftige Änderungen, admi­nistrative Vereinfachungen. Sie beinhaltet aber auch, die Frau Bundesministerin hat es


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soeben erwähnt, eine Neuzuteilung der Zahlungsansprüche. Wie gesagt, im Jahr 2013 beziehungsweise 2015 wurden die Zahlungsansprüche bei Almen und Hutweiden mit einem Verringerungskoeffizienten von 20 Prozent vergeben. Das hat die Europäische Union beanstandet, und um einer Anlastung zu entgehen, werden wir das jetzt ändern.

Das kann natürlich zur Folge haben, dass Bauern plötzlich für diese Jahre rückwirkend mehr Zahlungsansprüche haben, unter Umständen die Futterflächen aber nicht vor­handen sind. Darum ist es auch notwendig, die Verordnung gibt das her, dass es dem Betriebsführer freigestellt ist, Zahlungsansprüche in die nationale Reserve zu geben. Das ist ein bisschen technisch, aber für die Bäuerinnen und für die Bauern sehr, sehr wichtig.

Wenn wir die Diskussion heute auch noch über die gesamte Agrarpolitik führen, kommt natürlich von Ihnen, Herr Kollege Preiner, wieder die Groß/Klein-Debatte. (Zwischenruf des Abg. Preiner.) Im Ausschuss seid ihr euch aber nicht darüber einig gewesen: Was ist groß und was ist klein? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Preiner.) Kollegin Ecker hat die Großbetriebe bei der Hälfte von dem angesetzt, wo Sie sie angesetzt haben, und so hat sich das entwickelt.

Für mich ist es wichtig, dass man die Landwirtschaft in Österreich insgesamt ent­sprechend stärkt. Wir haben jetzt die Debatte über die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020, und da müssen wir in den Vorschlägen, die von Europa, von der EU kommen, feststellen, dass da von Kürzungen die Rede ist. Genau dagegen müssen wir uns ge­meinsam stemmen und zur Wehr setzen, damit diese Kürzungen nicht stattfinden können; dann können wir intern über die Verteilung reden.

Da ist es uns als ÖVP, als Regierungskoalition natürlich auch wichtig, dass wir auch in Zukunft wieder vernünftige Maßnahmenprogramme setzen können: ein praktikables Umweltprogramm, Ausgleichszulagen für die Erschwernisse der Bergbauern und andere Maßnahmen mehr. Das ist also wichtig. Unsere Bäuerinnen und Bauern können diese Leistungen für die gesamte Gesellschaft erbringen, aber wir müssen die nötigen Mittel aus Brüssel erst sichern und dann hier im Parlament entsprechend beschließen.

Eines ist mir als Abschluss noch wichtig zu sagen: Diese Gelder, die da zu den Bauern kommen, sind keine Geschenke an die Bauern, sondern Gelder, die sie für Leistungen, die sie erbringen, bekommen. Sie erbringen Leistungen für die Umwelt, sie erbringen gemeinwirtschaftliche Leistungen, Grunddienstleistungen. Das kommt dann der gesamten Bevölkerung zugute, und dafür bekommen sie das Geld.

Das Marktordnungsgesetz brauchen wir auch zur Umsetzung dieser Maßnahmen, und darum sage ich: Stimmen wir der Gesetzesvorlage zu! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Berlakovich. – Bitte. (Abg. Loacker: Da so viele Bauernbündler reden, muss etwas Schmutziges im Gange sein! Zwischenruf des Abg. Strasser.)


19.58.26

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir sind mitten in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für die kommende EU-Finanzperiode. So sicher wie die neue Finanzperiode kommt, so sicher beginnen die ideologischen Debatten zur Agrarpolitik.


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Es gibt aber eine Konstante, nämlich die SPÖ, die immer wieder die gleichen ideo­logischen Argumente verwendet. Was Sie hier darstellen, ist so wie in diesem zitierten Artikel vom „Standard“: Da sitzen die Bauern, bekommen Geld, weil sie Bauern sind! Soll heißen: Das sind Sozialzahlungen an die Landwirtschaft! – Genau das sind sie nicht! Diese Prämien für die Bauern sind keine Sozialleistungen – dann könnten Sie nämlich von Umverteilung, von Verteilungsgerechtigkeit reden –, genau das sind sie nicht.

Ich ersuche Sie um Fairness, denn man muss auch wissen (Zwischenruf der Abg. Yildirim), warum das System so entstanden ist: Das gemeinsame europäische System hatte das Ziel, dass Lebensmittel leistbar sind, auch für Menschen, die ein niedriges Einkommen haben. Weil die Bauern von den Erzeugerpreisen nicht leben können – es kann kein Bauer vom Milchpreis, vom Getreidepreis leben –, hat sich die Europäische Union entschlossen, den Bauern Prämien zu zahlen, Direktzahlungen zu geben, die es aber nicht zum Nulltarif gibt, sondern die mit Auflagen verbunden sind. 

Sie degradieren die Bauern ja zu Almosenempfängern: Weil du ein Bauer bist, kriegst du Geld. – Das ist genau so nicht der Fall, sondern man bekommt dann eine Prämie, wenn man Umweltleistungen erbringt, Tierschutzstandards einhält, Sozialstandards einhält.

Und jetzt erklären Sie mir: Warum soll ein Betrieb, der 20 Hektar hat, weniger Geld bekommen als einer, der 10 Hektar hat, wenn der auf 20 Hektar mehr Umweltleis­tun­gen erbringt? Das widerspricht ja dem Leistungsgedanken! Und ehrlich, Herr Kollege Preiner: Wenn er jetzt ein paar hundert Euro mehr bekommt, deswegen gibt er seinen Betrieb nicht auf? Meinen Sie das ernst?

Sie dürfen hier auch nicht in die Polemik verfallen, zu sagen, dem Mais wird Glyphosat drübergespritzt. Wissen Sie, was mit dem Mais passiert, wenn Glyphosat drüberge­spritzt wird? – Er ist dahin. Also bitte befassen Sie sich fachlich damit, worum es wirklich geht! Wenn nämlich, wie Sie das möchten, das Geld von der ersten Säule in die zweite Säule transferiert wird, dann fehlt es nicht nur den großen Bauern, sondern auch den kleinen Bauern für die Cross-Compliance-Zahlungen. (Abg. Preiner: Das ist ja nicht richtig!) Na mit Sicherheit ist das so! (Abg. Preiner: Da geht es um ... Bio­landwirtschaft, Nebenerwerbslandwirtschaft!)

Der Punkt ist nämlich, dass wir wettbewerbsfähige Betriebe brauchen – egal ob Ne­benerwerb oder Vollerwerb –, solche, die sich auch behaupten können. Und das, was wir in Österreich seit Jahren erfolgreich machen, ist, dafür zu sorgen, dass Bauern, die mehr für die Umwelt tun, mehr bekommen. Ein Biobauer bekommt eben mehr Prämien als einer, der gar nichts tut – der bekommt nämlich nichts, wenn er am Umweltpro­gramm nicht teilnimmt. Und das ist die Herausforderung einer Bundesministerin und auch Österreichs, dass wir das in der nächsten Periode der Agrarpolitik auch absichern: einen ökologischen, nachhaltigen Weg auf Basis bäuerlicher Familienbe­triebe.

Folgendes sei auch noch festgehalten: Ja, die Bergbauern erbringen wertvolle Leistun­gen in der Erhaltung der Kulturlandschaft, aber die Land- und Forstwirtschaft in Öster­reich insgesamt, alle Bauern pflegen die Kulturlandschaft, denn der Tourismus findet ja nicht nur in Westösterreich statt, sondern in ganz Österreich, und die Bauern schaffen die Basis dafür, sie erbringen Leistungen für den Tourismus in ganz Österreich. Das ist wichtig, und daher werden wir uns diesen Dingen auch weiterhin verpflichten. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.02


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Prinz. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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20.02.10

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minis­terin! Meine Damen und Herren! Frau Bundesministerin, zunächst einmal ein herzliches Dankeschön dafür, dass man die Möglichkeiten in der Marktordnung, die jetzt gegeben wurden, auch entsprechend nutzt und umsetzt. Ein herzliches Danke­schön gilt auch der Bundesregierung und, Frau Bundesministerin, dir für deine Initiative dafür, dass Ende Mai ein entsprechendes Maßnahmenpaket für die Land- und Forst­wirtschaft beschlossen wurde, denn die bäuerlichen Familien sind die, die wirklich mit der Natur arbeiten müssen. Die Trockenheit ist gerade in Oberösterreich und in Nieder­österreich ein großes Thema. Ich komme selbst aus einer Gemeinde, wo es in den letzten drei Wochen sehr wenig geregnet hat – nämlich 5 Millimeter, wenn man den gestrigen Abend weglässt –, und da unser Grund so gestaltet ist, dass er relativ pflinzig und steinig ist, kann man sich vorstellen, wie die Futtermengen ausschauen. Forstwirt­schaftlich ist beispielsweise Kärnten relativ intensiv betroffen. Den bäuerlichen Fami­lien ist mit diesem Maßnahmenpaket rasch geholfen worden. Danke dafür! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Angerer und Haider.)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, kurz zwei Gedanken anzubringen. Einer­seits zur Gemeinsamen Agrarpolitik: Dieses Thema wird massiv darüber entscheiden, wie es den bäuerlichen Familien mittelfristig gehen wird. Die Vorschläge, die wir jetzt kennen, dürfen nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wir sollten nie vergessen, dass gerade in der sogenannten Säule 2 vieles enthalten ist, was die Erbringung von Leis­tungen für die Gesellschaft seitens der bäuerlichen Familien betrifft, und da geht es auch um eine gewisse Leistungsabgeltung. Denken wir an das Umweltprogramm: Da gibt es nur Geld, wenn bäuerliche Familien entsprechende Auflagen erfüllen. Oder, auf der anderen Seite: Mit der Ausgleichszulage für das Berggebiet werden natürliche Bewirt­schaftungsnachteile abgegolten. Nur wenn wir auch in Zukunft die entsprechen­den Voraussetzungen für die Familien haben – neben besseren Preisen für bäuerliche Produkte als derzeit –, ist eine flächendeckende Bewirtschaftung durch bäuerliche Fa­milien möglich. – Das ist das eine.

Das zweite emotionale Thema in der nächsten Zukunft ist aus meiner Sicht – auch wenn es da und dort noch belächelt wird, wir sollten es trotzdem ernst nehmen – das Thema der sogenannten großen Beutegreifer. Erlauben Sie mir, hier durchaus festzu­halten, dass ich dankbar dafür bin, dass man aufseiten des Ministeriums konkrete Überlegungen anstellt und auch etwas in Richtung eines Zentrums in Österreich um­setzen will, in dem man sich mit diesem Thema beschäftigt, damit wir einfach Kompe­tenz, unabhängige Kompetenz haben.

Es gibt Gemeinden in Österreich, in Oberösterreich und in Niederösterreich, in denen die Eltern ihre Kinder nicht mehr alleine zum Schulbus gehen lassen möchten, weil sie Angst haben vor dem Wolf, da dieser regelmäßig gesichtet wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Stopp, ruhig! Hören Sie ruhig zu! Herr Kollege Preiner, das ist in Winden am See durchaus anders als in Liebenau im Bezirk Freistadt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Hören Sie zu, Herr Kollege! – Es ist nicht überall so, dass sozusagen die Straßenbahn oder der Postbus oder die U-Bahn daneben ist, sondern es gibt auch Kinder, die bis zu zwei Kilometer zum Schulbus gehen, und dieser zwei Kilometer lange Weg führt überwiegend durch den Wald.

Nehmen wir diese Dinge ernst! Es geht nicht nur um die Bewirtschaftung der Flächen, das ist auch ein Thema in der Nutztierhaltung. Nehmen wir diese Dinge ernst, suchen wir Lösungen mit Hausverstand und denken wir daran: Es muss beides möglich sein, aber dafür müssen wir vernünftige Regelungen treffen. Österreich ist schließlich nicht


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so besiedelt wie Schweden, wo es Tausende Quadratkilometer ohne Bevölkerung gibt. Es ist wirklich ein ernstes Thema.

Erlauben Sie mir, abschließend zu dieser Debatte noch Folgendes anzumerken: Ein bisschen habe ich bei den Rednern der SPÖ, bei den zwei Herren, das Gefühl gehabt, man hat es nicht besser gewusst – ich denke positiv, ich gehe davon aus, es war nicht absichtlich – und hat daher manche Dinge hier falsch dargestellt.

Kollegin Feichtinger möchte ich sagen: Jugendliches Engagement ist positiv und wert­voll, ich habe aber folgende Bitte: Nutzen Sie die Sommermonate im Bezirk Gmunden, egal ob in Vorchdorf, in Roitham, in Ebensee oder in Bad Goisern, um Praxiskennt­nisse in der Landwirtschaft zu erwerben, und dann reden Sie hier wieder mit. Das wäre von Vorteil. – Alles Gute! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ein zweites Mal hat sich Herr Abgeordneter Unterrainer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wurm: Schon wieder der Max! Ein Wahnsinn! – Abg. Unterrainer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Du sollst mich in Erinnerung behalten!)


20.06.40

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich möchte von den Großgreiftieren wieder auf das Thema der Pestizide und des Einsatzes von Pestiziden zurückkommen.

In den letzten 20 Jahren hat in der österreichischen Landwirtschaft trotz der Agrarum­weltprogramme, trotz des Screenings, das durchgeführt wurde, und obwohl ein Teil der Direktzahlungen ja Einfluss auf eine umweltgerechte Bewirtschaftung nehmen soll, keine wirklich nachhaltige Entwicklung, sondern eine gefährliche Intensivierung stattge­funden.

Ich möchte anhand der Statistik, die sich aus den diversen Grünen Berichten ergibt, berichten, dass seit Anfang der 1990er-Jahre der Trend bei den in Verkehr gebrachten Wirkstoffmengen mehr oder weniger konstant blieb. Im Durchschnitt der Jahre 1994 bis 1996 wurden 3 529 Tonnen, von 2014 bis 2016 durchschnittlich circa 3 587 Tonnen in Verkehr gebracht – nicht eingerechnet die insektizide Lagerbegasung. Im gleichen Zeitraum nahm aber die Intensität des Einsatzes pro Hektar Ackerfläche von 2,51 Kilo Wirkstoff auf 2,67 Kilo Wirkstoff pro Hektar zu, obwohl immer wieder beteuert wurde, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gezielt und damit effizienter erfolge.

Zudem gab es parallel dazu eine Ausdehnung der biologisch bewirtschafteten Flächen um circa 150 000 Hektar auf in Summe 550 000 Hektar, sodass es eindeutig ist, dass im konventionellen Anbau immer größere Mengen an Pestizidwirkstoffen ausgebracht werden – und dies obwohl seit den 1990er-Jahren in jeder Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik Förderungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen stattfinden.

Ich würde einfach sagen: Es mache sich jeder selber ein Bild, ob die Mengen sinken oder steigen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

20.08

20.08.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 143 der Beilagen.


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Hiezu haben die Abgeordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und dann über den Ge­setzentwurf in der Fassung der Regierungsvorlage abstimmen lassen.

Da der vorliegende Zusatzantrag eine Verfassungsbestimmung enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erfor­derliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Preiner, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag betref­fend Einfügung von neuen Ziffern 1 und 2 sowie die sich daraus ergebende Umnum­merierung der Ziffernbezeichnungen eingebracht.

Wer hiefür stimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Die erfor­derliche Zweidrittelmehrheit wurde nicht erreicht. Der Zusatzantrag ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die hiefür sind, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen, um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

20.10.17 12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungs­vorlage (138 d.B.): Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Pflanzen vor Pflanzenschädlingen (Pflanzenschutzgesetz 2018) (166 d.B.)

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lindinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.10.42

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Wir diskutieren hier das Bundesgesetz über Maßnah­men zum Schutz der Pflanzen vor Pflanzenschädlingen, kurz gesagt das Pflanzen­schutz­gesetz. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieses nicht mit dem Pflanzenschutz­mittelgesetz zu verwechseln ist.

Das erste Pflanzenschutzgesetz wurde bereits im Jahr 2007 erlassen. Dieses Gesetz regelt den Schutz von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen vor Schadorganismen und auch die Bekämpfung auftretender Schadorganismen.

Was sind jetzt konkret die Änderungen und Ziele des vorgelegten Gesetzentwurfs? – Es geht um die Verbesserung der phytosanitären Sicherheit, das heißt um die Pflan­zengesundheit, es geht um schnelle Maßnahmen beim Befall durch Schädlinge, es geht auch um die Umsetzung von EU-Vorschriften, es geht um die Steigerung der


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Effizienz bei amtlichen Kontrollen, und es geht um die Verhinderung der Einschleppung und Ausbreitung gefährlicher Pflanzenschädlinge.

In Österreich haben wir sehr strenge Kontrollen, und genau so muss es auch strenge Kontrollen bei den Einfuhren auf den europäischen Markt geben. Ich spreche mich auch für die Ausweitung der verpflichtenden Pflanzengesundheitszeugnisse aus. Mit diesen ist es uns möglich, sämtliche Handelsströme zwischen den Unternehmen zu kontrollieren. Durch Begleitmaßnahmen dieses Gesetzes werden unter anderem auch Anpassungen aufgrund des Klimawandels vorgenommen. Das muss uns auch ein generelles Anliegen sein, und das ist es auch.

Ich darf Ihnen, meine geschätzten Damen und Herren, dies anhand eines Beispiels verdeutlichen: Das Bakterium Xylella fastidiosa – oder, wie es bei uns auch heißt, Feuerbakterium – kann durch kleine Insekten verbreitet werden und kann bei vielen Nutzpflanzen auch Krankheiten auslösen. Ursprünglich war es ein in den USA ver­breitetes Bakterium, und es wurde wahrscheinlich in den Jahren 2012/13 durch infi­zierte Kaffeepflanzen nach Europa gebracht. 2013 ist es erstmals in Süditalien festge­stellt worden, und seit dem Jahr 2013 sind in Süditalien über eine Million Olivenbäume diesem Bakterium zum Opfer gefallen.

Was mich auch stutzig macht, ist, dass dieser Erreger auch Obstbäume und Reb­stöcke befallen kann. So könnten in einigen Jahren auch die heimischen Nutzbäume in Gefahr sein. Das Fortschreiten der Krankheit wird durch die steigenden Temperaturen und den Klimawandel verstärkt, und genau dieses Gesetz soll die Einfuhr verhindern. Deshalb sind die Maßnahmen in Bezug auf den Klimawandel unumgänglich, und die verstärkten Kontrollen und die strengeren Einfuhrvorschriften werden den heimischen Pflanzenschutz verbessern.

Das braucht aber auch die Unterstützung der neuen und effizienten Management­systeme. Die Politik muss die Rahmenbedingungen festlegen, und dieses Gesetz ist der Grundstein für eine Modernisierung der Kontrolle von Futter- und Lebensmitteln und für eine intakte Pflanzengesundheit in Österreich. Dieses Gesetz dient dem Schutz der Futtermittel hier in Österreich, es dient dem Schutz der Lebensmittel hier in Öster­reich, und es dient schlussendlich auch dem Schutz der Bevölkerung hier in Öster­reich. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Wimmer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


20.14.40

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Pflanzengesundheit ist für das Ökosystem, für unsere schönen Wälder, Wiesen, Kulturflächen und für die biologische Vielfalt von großer Be­deutung. Durch den globalisierten Handel und den Klimawandel besteht in höherem Maße die Gefahr, dass gefährliche Pflanzenschädlinge eingeführt und weiterverbreitet werden. Die Europäische Union hat deshalb neue Vorschriften auf dem Gebiet der Pflanzengesundheit und der Kontrolle erlassen, da das von den Mitgliedstaaten oft sehr unterschiedlich gehandhabt wurde.

Mit diesem Gesetz werden nun entsprechende EU-Vorgaben näher ausgeführt, um die Ausbreitung von Krankheiten und Pflanzenschädlingen zu verhindern. Diese Regie­rungs­vorlage sieht auch einen einheitlichen Rechtsrahmen für amtliche Kontrollen vor, und auch dieser dient dem Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen. Die Bundesländer treffen nähere Regelungen innerhalb dieses Rahmens,


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und damit wird der Pflanzenschutz durch ein möglichst einheitliches und effizientes Kontrollsystem gewährleistet. Grundsatzgesetzgebung ist also nicht immer schlecht.

Pflanzenschutz ist insgesamt sehr wichtig für die Landwirtschaft, aber Pflanzenschutz kann nicht nur über den Einsatz von Pestiziden, sondern auch durch eine intelligente Bewirtschaftungsform wie etwa den Fruchtfolgeanbau erfolgen. (Beifall bei der SPÖ.)

§ 12 Abs. 1 Z 4 zählt dezidiert als Pflanzenschutzmaßnahme „die Anwendung und die Überwachung bestimmter Pflanzenschutzverfahren sowie die Einhaltung bestimmter Fruchtfolgen“ auf, also eine intelligente Bewirtschaftungsform wie Fruchtfolgeanbau. Ich wiederhole noch einmal, was meine Kollegen bereits gesagt haben: Obwohl in Österreich der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen zunimmt und der Anteil der insgesamt bewirtschafteten Flächen abnimmt, hat sich die Menge der ausge­brach­ten Pestizide nicht verringert. Grüne Berichte zeigen dies eindeutig nachvollziehbar auf.

In Österreich werden nach wie vor hochgiftige Pestizide angewandt, im österreichi­schen Pflanzenschutzmittelregister finden sich immer noch Pestizide mit hormoneller Wirkung, bienen- und insektengefährliche Mittel. Wir brauchen wirksame und mess­bare Nachhaltigkeitskriterien als Voraussetzung für die Abrufbarkeit von EU-Agrar­fördermitteln. Es sollen nur Betriebe, die sich zu einer messbaren Pestizidreduktion verpflichten, Agrarfördermittel erhalten können. (Beifall bei der SPÖ.)

Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, sollen nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von Pestiziden gänzlich verzichtet wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

20.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Linder. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.17.57

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Meine liebe Vorrednerin, wieder dasselbe: Wir reden über das Pflanzenschutzgesetz und nicht über Chemikalien zum Schutz der Kulturpflanzen.

Neophyten kennen wir alle, sie sind ebenfalls durch flapsigen Umgang zu uns einge­führt worden. Sie sind teilweise bunt und schön anzuschauen – auf den Bachböschun­gen und Straßenböschungen –, bergen aber eine große Gefahr in sich. Ich erinnere an den Bärenklau, die Verätzungen, die man dadurch erleiden kann, und den Aufwand, der zu seiner Entfernung notwendig ist. Aber auch Bakterien, die mit Fremdpflanzen eingeführt werden, sind für die heimischen Kulturpflanzen eine große Gefahr.

Die Verdrängung der heimischen Kulturpflanzen, der wild wachsenden Pflanzen durch Neophyten merkt man erst viel später, wenn die Pflanzen wuchern und überhand­neh­men. Auch das Artensterben in der Vergangenheit ist in vielen Fällen auf das Ein­schlep­pen von Schädlingen und Schadpflanzen zurückzuführen.

Das Gesetz ist wichtig, damit man dem Ausbreiten dieser Pflanzen und Bakterien Einhalt gebietet und, noch viel mehr, das Einschleppen neuer Pflanzen und Bakterien verbieten und verhindern kann. Ich glaube aber, auch Folgendes ist dabei zu beden­ken: Die gesetzliche Situation ist eines, ganz wichtig ist aber auch die Vernunft der einzelnen Menschen, dass man etwa die schöne Pflanze aus dem Urlaub nicht sorglos mitnimmt und zu Hause aussetzt, denn die Gefahr ist sehr groß, dass dadurch Bakte­rien oder Schadpflanzen eingeschleppt werden. Es sei aber auch dem einen oder an-


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deren, der billiges Saatgut in Drittländern kaufen und einschmuggeln will, gesagt, dass er damit großen Schaden anrichten kann.

Ich appelliere neben der gesetzlichen Regelung natürlich auch an die Vernunft der Einzelnen, dass man mit dieser Situation achtsam und sorgsam umgeht und so die heimischen Pflanzen schützt. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.20


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Bißmann. – Bitte.


20.20.24

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist klar, dass wir unsere Bauern vor massive finanzielle Heraus­forderungen stellen, wenn sie im Frühjahr nicht mehr per Glyphosat Sikkation – also das Trocknen der Felder oder das künstliche Verwelken der Pflanzenteile vor dem Ernteprozess – betreiben können. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Es ist aber aufgrund der Erfahrungen aus Nordamerika, wo Glyphosat bereits viel länger einge­setzt wird, klar, dass sich eher früher als später Resistenzen gegen dieses Gift bilden, die unsere Bauern später noch viel teurer zu stehen kommen werden. Das Problem der Sikkation muss also gelöst werden.

Weiters wissen wir, dass 2 000 der 4 000 heimischen Schmetterlingsarten vom Aus­ster­ben bedroht sind, dass die heimischen Singvögel unter massivem Populations­rückgang leiden. Wir wissen aber nicht, welche Langzeitfolgen ein derart massives Ein­greifen in das natürliche Gleichgewicht hat. Werden auch wir in Zukunft unsere Feld­früchte mit Drohnen bestäuben müssen, weil wir die natürlichen Pollinatoren ausge­rottet haben?

Wir verschließen uns nicht nur den Problemen der Zukunft, nein, wir verstärken sie auch noch mit Nachdruck. Es braucht eine clevere Strategie, sehr geehrte Damen und Herren. Die Bezeichnung Pflanzenschutzgesetz 2018 suggeriert den Schutz der natür­lichen Umwelt und der Menschen, der Gesundheit. In Wirklichkeit aber findet sich in diesem Gesetz nicht einmal ein schrittweises Verbot, ein schrittweiser Ausstieg aus Glyphosat. Es verdichten sich mittlerweile nachhaltig die Hinweise, dass Glyphosat diverse Erkrankungen auslöst, die WHO hat es als potenziell krebserregend eingestuft. Wir gehen damit so um, dass wir sicherheitshalber weiterhin eine potenziell karzino­gene Substanz unters Volk bringen, bis wir uns wirklich ganz sicher sind, dass sie nicht gefährlich ist. Da hat also eine Umkehr des Schutzprinzips stattgefunden, das einst lautete: Solange nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass eine Substanz sicher ist, erhält sie keine Zulassung.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bauernstand hat es weiß Gott schon schwer ge­nug. Wir alle wissen, dass niemand will, dass weitere Bauern in unserem Land zusper­ren müssen. Über 150 000 landwirtschaftliche Betriebe haben in den letzten 20 Jahren die Tore geschlossen.

Das Problem der Frühjahrssikkation muss also mit Methode angegangen werden. Die Liste Pilz schlägt daher vor, dass die Bundesregierung einen Preis ausschreibt, um das Problem der Sikkation per Wettbewerb zu lösen. Gehen Sie doch auf die Suche nach den besten Köpfen und den kreativsten Ideen zur Lösung dieses Problems! Wir helfen Ihnen auch gerne dabei.

In vielen EU-Ländern wurde dieses Pflanzengift schon längst verboten. Rund 600 österreichische Gemeinden verzichten auch schon freiwillig darauf. Parteienhickhack und das Ziehen von Grenzen zwischen den Parteien ist bei diesem Thema völlig fehl am Platz. Wir brauchen alle unsere Bauern und die Lebensmittel, die sie erzeugen.


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Lassen Sie uns den Umweltschutz als übergeordnetes Ziel aller Parteien, und zwar auf wissenschaftlicher Basis, in unsere Debatten einbeziehen! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Strasser zu Wort gemeldet. Ich gehe davon aus, dass Sie die für eine tatsächliche Berichtigung geltenden Bestimmungen beherzigen werden. – Bitte.


20.23.50

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Frau Kollegin Bißmann hat berichtet, dass in Österreich vor der Ernte auf Früchte am Acker Glyphosat angewendet wird. Das ist die sogenannte Sikkation. Das ist so nicht richtig, weil in Österreich die Sik­kation seit einigen Jahren verboten ist.

Richtig ist vielmehr, und Sie haben es ein bisschen angedeutet, dass die Glyphosat­anwendung zur Beendigung des Zwischenfruchtanbaus verwendet wird. Das ist ein feiner Unterschied. Aus diesem Grund ist nämlich auf österreichischen Ackerfrüchten kein Glyphosat zu finden. Das heißt, wenn man Bedenken gegen das Mittel hat, sollte man bitte österreichische Qualität kaufen, 100 Prozent glyphosatfrei. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke, Herr Abgeordneter.

Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesminister. – Bitte, Frau Minister.


20.24.53

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! Ich darf auch hier die Gelegenheit nutzen, kurz ein paar Punkte herauszustreichen, worum es bei der Erlassung des Pflanzenschutz­gesetzes 2018 wirklich geht. Die Grundlage ist eine Änderung des EU-Rechtes, die wir damit umsetzen. Es gibt Begleitmaßnahmen zur neuen Pflanzenschädlingsverordnung sowie zur neuen Verordnung über die amtlichen Kontrollen der Europäischen Union. Neben der Erlassung von begleitenden Vorschriften wie jenen betreffend die Behör­den­zuständigkeit, die Anforderungen an Kontrollorgane und auch die Festlegung von Datenschutzvorschriften und Strafbestimmungen gilt es, einige konkrete Ziele der neu­en Rechtsvorschriften umzusetzen.

Wir dehnen die Kontrollpflicht auf Schädlinge auf alle gewerblichen Handelsströme aus. Das betrifft sowohl die Erzeugung als auch den Handel mit Pflanzen und Pflan­zen­erzeugnissen. Durch die Verschärfung der Einfuhrvorschriften sollen vor allem auch die Einschleppung aus Drittländern und die weitere Ausbreitung gefährlicher Schäd­linge effektiv verhindert werden, und die Ausnahmen für die Einfuhren im Reiseverkehr werden stark eingeschränkt.

Das zweite Ziel, das wir mit der Verordnung verfolgen, ist die Effizienzsteigerung der Kontrollen. Das heißt, dass wir durch Maßnahmen wie beispielsweise die Harmonisie­rung der amtlichen Kontrollen in allen Bereichen der Lebensmittelsicherheit auf europä­ischer Ebene und die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen der Kontrollbe­hörden diese Effizienzsteigerung zustande bringen wollen und auch werden.

Ich würde mich über eine sehr breite Zustimmung zum Pflanzenschutzgesetz 2018 freuen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Vielen Dank, Frau Minister.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 213

Jetzt gelangt Frau Abgeordnete Krenn zu Wort. – Bitte.


20.27.07

Abgeordnete Barbara Krenn (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehbildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aufg­rund des sich globalisierenden Handels sowie des Klimawandels besteht eine erhöhte Gefahr der Ausbreitung gefährlicher Pflanzenschädlinge. Unsere heimische Pflanzen­welt ist bedroht. Ja, das Bedrohungsszenario ist real. Aktuelle Gefährdungen gibt es durch die Japanische Esskastanien-Gallwespe, den Asiatischen Laubholzbockkäfer, Pilz­schädlinge gefährden Eichen und Buchen. Aktuell haben wir in Mitteleuropa ein sehr massives Eschensterben, durch Pilze verursacht. Die Amerikanische Rebzikade gefährdet die Weinreben, die Kirschessigfliege bedroht Obstgehölze.

Welche Vorhaben umfasst dieses Pflanzenschutzgesetz hauptsächlich? – Es umfasst die Ausweitung der Pflanzenpasspflicht für sämtliche B2B-Handelsströme, die Ver­schär­fung der Einfuhrkontrollen, harmonisiertes Monitoring und bei festgestelltem Be­fall Ausmerzverpflichtungen. In diesem Sinne ist dieses Pflanzenschutzgesetz sehr wichtig, es ist sehr, sehr wichtig, dass es verschärft wird und dass da endlich etwas geschieht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Es ist wichtig für uns, für unsere Umwelt, aber vor allem auch für unsere Land- und Forstwirte.

An dieser Stelle möchte ich mich aber als steirische Abgeordnete vor dem Hintergrund der aktuellen Situation, den Unwetterkatastrophen bei allen Blaulichtorganisationen noch auf das Allerherzlichste für ihren Einsatz bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Als ehemalige Bürgermeisterin und Lawinenkommissionsobfrau weiß ich, was es heißt, wenn man von einer Umweltkatastrophe betroffen ist, und wie es da in den Gemeinden und Städten ausschaut. Eines kann ich euch sagen: Wir können stolz auf die Ein­satzkräfte in unserem Land sein. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

20.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kainz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.30.12

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bild­schirmen zu Hause! Die Land- und Forstwirtschaft ist für mich eine Herzens­angele­genheit, insbesondere da in meinem Wohnort Thaua in der Stadtgemeinde Allentsteig, welche im Zentrum des Waldviertels liegt, auch heute noch sehr viele land- und forst­wirtschaftliche Betriebe angesiedelt sind.

Natürlich möchte ich, wie vermutlich Sie alle, dass unsere heimischen land- und forst­wirtschaftlichen Betriebe bestmöglich vor gefährlichen Pflanzenschädlingen geschützt sind. Mit dem Beschluss des vorliegenden Pflanzenschutzgesetzes setzen wir euro­pä­ische Pflanzenschutzbestimmungen um, die darauf abzielen, die phytosanitäre Sicher­heit zu verbessern, die Einschleppung beziehungsweise Ausbreitung gefährlicher Pflan­zenschädlinge zu verhindern und die Effizienz der amtlichen Kontrollen zu steigern.

Aufgrund des globalisierten Handels sowie des Klimawandels besteht in immer höhe­rem Ausmaß die Gefahr, dass gefährliche Pflanzenschädlinge in Österreich eingeführt werden und sich diese verbreiten. Es ist daher nur zu begrüßen, dass die Vorschriften in Bezug auf die Pflanzengesundheit verschärft werden. Die Pflanzengesundheit ist nicht nur für die Pflanzenerzeugung, sondern auch für Wälder, natürliche Flächen wie auch Kulturflächen, für Ökosysteme und die biologische Vielfalt von großer Bedeutung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 214

Um die Pflanzengesundheit zu gewährleisten, wird es zu einer Ausweitung der Pflan­zenpasspflicht für sämtliche B2B-Handelsströme kommen, und auch die amtlichen Kontrollen werden effektiver gestaltet. Außerdem werden mit dem Pflanzenschutz­ge­setz Maßnahmen festgelegt, die sofort zu ergreifen sind, sollten sich die Pflanzen­schädlinge in einem Gebiet bereits ausgebreitet haben.

Meine Damen und Herren, dadurch können wir sicherstellen, dass unsere heimischen Pflanzen bestmöglich vor Schädlingen geschützt sind. Davon profitieren letztendlich unsere heimischen Betriebe, aber auch wir als Konsumenten, denn die Landwirtschaft kann dank modernem Pflanzenschutz ausreichend qualitativ hochwertige Nahrungs­mittel liefern. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.32


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Riemer. – Herr Abgeordneter, bitte schön.


20.33.02

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bun­desminister! Ja, das Pflanzenschutzgesetz ist ein heißes Thema, das uns nicht nur heute beschäftigt, sondern auch morgen und übermorgen und vielleicht auch infolge des Klimawandels oder der Umweltveränderungen. Ob immer der Klimawandel alleine schuld ist, das wissen wir nicht. Eines wissen wir aber sicher: Seit es Aufzeichnungen gibt, seit 1491, zu Zeiten Kolumbusʼ, wissen wir, dass es invasive Pflanzen gibt. An viele dieser invasiven Pflanzen haben wir uns schon gewöhnt. Nicht alle invasiven Pflanzen verhalten sich so wie invasive. Manche sind ja Nutzpflanzen, denken wir nur an die Kartoffel. Es gibt aber natürlich eine ganze Menge anderer invasiver Pflanzen. Denken wir an die Amerikanische Rebzikade, denken wir an den  Asiatischen Marien­käfer. Da sind wir natürlich schon sehr betroffen.

Denken wir – ich habe es einer Zeitung entnommen – an diesen Beutenkäfer. Der Beutenkäfer stammt aus einem Gebiet südlich der Sahara, wurde aber auf dem Post­weg bis nach Neuseeland verschickt, wurde nach Amerika verschickt und ist jetzt in Süditalien. Es ist ein Drama, bitte, ein Drama! Es geht da um unsere Imker. Wo der Beutenkäfer in einen Stock einfällt, da ist nichts mehr zu holen.

Man sieht also, das sind massive Bedrohungen. Man kann dieses Gesetz ja gar nicht genug verschärfen. Ich denke aber, man muss sich auch mit dem Wesen der invasiven Pflanzen beschäftigen und auseinandersetzen. Es gibt in der EU zwar ungefähr 12 000 Stück davon, aber nur 10 bis 15 Prozent verhalten sich invasiv.

Die andere Geschichte dazu, die nicht minder spannend ist, ist, dass sich diese invasiven Pflanzen in ihrem Ursprungsland ganz normal verhalten, weil sie dort auch im Wettbewerb stehen. Kommen sie aber in ein anderes Land, in ein anderes Klima, dann vermehren sie sich so, dass sie die heimische Pflanzen- und Tierwelt verdrän­gen. Ich glaube, das sollte uns zu denken geben und dazu führen, sich mit diesen Tieren und Pflanzen näher zu beschäftigen.

Das Pflanzenschutzgesetz ist eine Herausforderung für die Bauern, ist vielleicht eine Herausforderung für jeden, der entlang eines Weges geht und vielleicht ein Drüsiges Springkraut ausreißt, im Sinne unserer heimischen Bauern, Kulturlandschaft und unse­rer wunderschönen Heimat. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

20.35

20.35.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 215

Wünscht der Herr Berichterstatter noch ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 138 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Stimmenmehrheit. Angenommen.

Wir kommen nun zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist auch die Stimmenmehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

20.36.2313. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungs­gesetz 1975) geändert wird (57/A und Zu 57/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Griss. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.36.55

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es gibt einen berühmten Ausspruch von Bismarck:  „Ge­setze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht wer­den.“ – Die Ära Bismarck liegt lange zurück, seither ist viel geschehen, aber offenbar wirkt dieser Ausspruch noch immer fort, denn sonst wäre es nicht erklärbar, dass Ausschussberatungen nicht öffentlich sind. (Abg. Hammer: Ja, seid froh, den Blödsinn, den ihr oft redet!) Damit läuft ein wesentlicher Teil des Gesetzgebungsprozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab und die Arbeit der Opposition wird erschwert. Denn dadurch ist die Hemmschwelle sehr gering, Anträge der Opposition zu vertagen und sie nicht wieder auf die Tagesordnung zu setzen, bis sie am Ende der Legislatur­pe­riode verfallen.

Wir sollten uns doch klar darüber werden, dass da ein Widerspruch zur Forderung besteht, die Bevölkerung stärker an der demokratischen Willensbildung zu beteiligen, denn das sind leere Worte, solang nicht einmal der Gesetzgebungsprozess transparent abläuft. Was spricht denn dagegen? – Abgeordnete werden doch in der Lage sein, der Versuchung zu widerstehen, sich zu inszenieren, nur weil eine Beratung öffentlich ist. Dass das klappt, sieht man im englischen Parlament, das sieht man im Europa­parlament. Daher hoffe ich, dass auch wir Beratungen in Ausschüssen grundsätzlich öffentlich machen und mit so viel demokratischer Reife dann diesen Ausspruch von Bismarck Lügen strafen. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Zadić.)

20.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zinggl. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 216

20.39.16

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Nur schnell drei von sehr vielen Gründen, die für öffentliche Ausschüsse sprechen:

Der erste Grund ist: Die Öffentlichkeit wird über die vielen sinnvollen Anträge infor­miert, die von den Regierungsfraktionen regelmäßig vertagt und damit versenkt wer­den.

Der zweite Grund ist: Die Öffentlichkeit wird über die vielen unsinnigen Begründungen informiert, mit denen die vielen sinnvollen Anträge vertagt und damit versenkt werden. Das häufigste Argument, mit dem die Anträge vertagt werden, lautet: Das ist ein sehr guter Antrag, aber die Regierung arbeitet ohnehin gerade Ähnliches aus. So warte ich zum Beispiel seit zehn Jahren auf Maßnahmen von baukultureller Notwendigkeit gegen Zersiedlung und Versiegelung in Österreich. Es kommt immer wieder das gleiche Argument: Wir werden das machen! – Und nie passiert etwas, egal von welcher Regie­rung man es hört. Das geht vielen Anträgen so.

Der dritte Grund: Mit öffentlicher Beobachtung wird es schwieriger für manche Minister, anstelle einer Teilnahme an den Verhandlungen lieber mit dem eigenen Handy zu kommunizieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der Liste Pilz.)

20.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 57/A und Zu 57/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

20.41.0614. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Dienst­verhältnis der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter sowie ein Bundes­ge­setz, mit dem das Bundesgesetz vom 19. Juni 1968 über den Obersten Gerichts­hof geändert werden (225/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster erhält der Antragsteller, Herr Abgeordneter Noll, das Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.41.30

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Seit gut 30 Jahren bin ich fast jede Woche bei österreichischen Gerichten. (Abg. Zanger: So ein Gauner sind Sie?) Wenn man das über die Jahrzehnte verfolgt, dann kann man einiges feststellen. Man sieht zum Beispiel, dass die österreichischen Richterinnen und Richter um vieles, vieles besser geworden sind, dass sie um vieles besser informiert sind, dass sie freundlicher sind, dass sie kenntnisreicher sind, dass die Ausbildung der österreichischen Richterinnen und Richter besser ist als noch vor einigen Jahrzehnten.

Was damit leider nicht Schritt gehalten hat, sind die Arbeitsbedingungen für Richte­rinnen und Richter, insbesondere weil es nur ganz zögerlich beziehungsweise nur in wenigen Fällen zur Ausdehnung des nichtrichterlichen Personals gekommen ist. Das,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 217

was wir heuer im Justizbudget sehen, lässt leider nicht die Hoffnung zu, dass sich da sehr viel verbessern wird.

Es gibt aber noch einen Bereich, wo es meines Erachtens nicht genügend Fortschritte gegeben hat: Das ist bei der Ernennung der Richter selbst, bei der Ernennung der OGH-Präsidenten. Ich glaube, da würden – das kostet gar nichts – mehr Transparenz und Offenheit dem Ansehen der Justiz insgesamt nützen. Wir wissen aus Umfragen in der Bevölkerung, dass das Vertrauen in unsere Justiz zwar groß ist, aber immer noch ist gerade bei der Besetzung von Richterstellen und insbesondere jenen von OGH-Präsidenten der Verdacht vorhanden, dass nach politscher Willkür entschieden wird.

Wir schlagen vor, dass es diesbezüglich Besetzungsvorschläge der Vollversammlung des Obersten Gerichtshofes geben sollte. Die Entscheidungskompetenz und Befugnis zur Ernennung sollten nach wie vor beim Justizminister bleiben. Lehnt er allerdings einen Besetzungsvorschlag der Vollversammlung ab, dann müsste er begründen, wa­rum er davon abweicht. Der Vollversammlung der OGH-Richter sollte dann auch die Möglichkeit gegeben werden, dazu Stellung zu beziehen.

Wir werden das im Ausschuss nochmals argumentieren. Ich meine, dass dieser Zuge­winn an Transparenz und Offenheit jedenfalls den Verdacht und den Anschein politi­scher Willkür bei den Bestellungen von Richterinnen und Richtern zu vermeiden hülfe. Das täte der österreichischen Justiz sehr gut. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

20.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Das war nahezu eine Punktlandung. Die Redezeit Ihrer Fraktion ist fast erschöpft, 1 Minute hätten Sie noch. Also wenn jemand von Ihnen noch Lust hätte – bitte.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


20.44.10

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Hohes Haus! Verehrte Damen und Herren! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, der Vorschlag von Kollegen Noll liegt da. Er will die Besetzung des Obersten Gerichtshofes ändern. Schauen wir uns einmal an, warum er das vorschlägt, welche Argumente dafür und welche dagegen sprechen. Das werden wir natürlich im Justizausschuss entsprechend diskutieren.

Ganz klar geregelt ist das in Artikel 92 der Bundesverfassung. Es geht um das oberste Gericht, die oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen in Österreich in der ordent­lichen Gerichtsbarkeit. Da ist eben geregelt, dass der Präsident des Obersten Gerichts­hofes nicht nur die Aufgabe der Rechtsprechung, sondern auch die Vertretung des Obersten Gerichtshofes nach außen und dazu auch die Dienstaufsicht über die Richte­rinnen und Richter innehat. Das ist bei allen anderen Gerichten anders. Dort ist natür­lich die Rechtsprechung unabhängig, aber der innere Dienstbetrieb wird durch Verord­nung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gere­gelt. – So weit die Gesetzeslage.

Warum betrachte ich den Vorschlag doch einigermaßen kritisch? – Er würde ja bedeuten, dass zukünftig die Richterinnen und Richter, die dieser Vollversammlung des OGH angehören, aus ihrer Mitte heraus selbst ihren Präsidenten oder ihre Prä­sidentin bestimmen. Also ich frage den Kollegen Noll und Sie alle: Wer würde sich in einem Unternehmen nicht gerne selbst den Chef aussuchen? – Ich persönlich erachte es als nicht richtig, das so zu tun. Über die verschiedenen Ansinnen, die dahinter­ste­hen, zu diskutieren – nämlich Objektivität, Transparenz, dem Bürger klarer zu machen, warum jemand diese herausragende Position bekommt –, dafür bin ich gleich zu haben.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 218

Mir erschließt sich im Antrag die vermeintliche Transparenz, die von Noll behauptet wird, nicht. Ich glaube einfach – es gibt dann auch eine Bewerbungsphase im Obersten Gerichtshof –, in Wahrheit ist das dann ein hineingezogener Wahlkampf unter den Richtern. Es gibt jede Menge Eigeninteressen und Befindlichkeiten, die dann dort Platz greifen würden.

Ich finde es richtiger, dass unser Bundesminister für Justiz in seiner Verantwortung, losgelöst von der Rechtsprechung, objektiv und ohne irgendwelchen internen Usancen verpflichtet zu sein, diese Entscheidung treffen kann. Über die Kriterien dafür bin ich gerne bereit zu sprechen. Der Herr Bundesminister ist uns auch – entgegen diesem Vorschlag – selbstverständlich für seine Amtsführung rechenschaftspflichtig, indem er uns hier im Parlament dafür verantwortlich ist.

Eine Anmerkung noch: Der jetzige Präsident der Obersten Gerichtshofes, Eckart Ratz, geht Ende Juni in Pension. Die Nachfolge ist geregelt – problemlos. Wenn man den Medien, die da immer bestens informiert sind, trauen darf, dann ist die Person, die für seine Nachfolge bestimmt ist, eine ausgezeichnete Persönlichkeit und eine gute Ent­scheidung.

Ich sage: Die nächste Besetzung für eine Präsidenten- oder Vizepräsidentenstelle steht erst in ein paar Jahren an. Nutzen wir die Zeit bis dahin, um an eventuellen sinn-vollen Verbesserungen zu arbeiten! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­ne­ten der FPÖ.)

20.47


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Duzdar. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.47.28

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir vonseiten der Sozialdemokratie sehen den Antrag nicht so kritisch wie Kollegin Steinacker. Ganz im Gegenteil: Was soll schlecht daran sein, dass die Richter aus ihrer Mitte heraus einen Vorschlag machen, wer der Vizepräsident oder der Prä­sident des Obersten Gerichtshofes sein soll?

Ich glaube, Kollege Noll hat es auch richtig gesagt: Es geht nicht darum, die Entschei­dungskompetenz des Justizministers einzuschränken – ganz im Gegenteil. Diese bleibt aufrecht, man geht allerdings einen Schritt weiter, indem man Transparenz ermöglicht und indem man vor allem das Gericht, das betroffen ist – nämlich den Obersten Gerichtshof –, einbezieht und ihm die Möglichkeit einräumt, gehört zu werden. Dieser soll einfach nur das Vorschlagsrecht haben. Ich finde, daran ist überhaupt nichts ver­werflich.

Ganz im Gegenteil: Ich finde, in einem modernen Rechtsstaat sollte auch immer wieder überlegt werden, wie man diesen weiterentwickeln kann. Daher spricht nichts gegen mehr Transparenz und gegen eine Aufwertung der Justiz. In diesem Sinne können wir uns sehr gut mit diesem Antrag anfreunden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja, wenn ... mehr Transparenz!)

20.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Tschank. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 219

20.48.57

Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen Herren! Herr Kollege Noll, zu Ihrem Antrag: Die Richter des Obersten Gerichtshofes sollen sich die Präsidenten und Vizepräsidenten des OGHs in Zukunft selber aussuchen und auswählen dürfen. Aus Sicht der Richter verstehe ich das durchaus – wer würde sich denn nicht gerne seinen eigenen Chef aussuchen? (Heiter-keit der Abgeordneten Steinacker und Winzig.) Die Frage ist, ob das aus staats­politi­scher Sicht verantwortungsvoll ist. Das stelle ich hier an dieser Stelle einmal infrage.

Stellen Sie sich eine Aktiengesellschaft vor, in der sich die Vorstände den Vorstands­vorsitzenden selber aussuchen könnten. (Heiterkeit der Abg. Winzig.) Denken Sie an jene Privatstiftungen, in denen sich der Stiftungsvorstand selber erneuern darf. Oder denken Sie etwa an die ÖIAG in einem Zeitraum vor dem Jahr 2015. Wie positiv war das jetzt vom Aktienrecht abweichende Recht des Aufsichtsrates, sich sozusagen sel­ber zu ergänzen? – Da besteht einfach die Gefahr einer Tendenz in Richtung einer Insiderclique, genau so wie das in diesen von mir zitierten Fällen dargestellt ist.

Verbessert daher Ihr Vorschlag zwingend die innere Verbandsordnung der Gerichts­barkeit, der staatlichen Organisation? – Ich denke: Nein.

Vielmehr ist richtig, dass der Justizminister seinen Bestellungsvorschlag vor diesem Parla­ment auch rechtfertigen muss. Deswegen ist diese Aufgabe bei seiner Person grundsätzlich richtig aufgehoben. Die Richter im Personalsenat müssen ihre Beset­zungsvorschläge zwar begründen, aber eben nicht verantworten. Keine Verantwort­lich­keit der Richterschaft für ihre Bestellungsvorschläge ist natürlich ein ganz klares Unter­scheidungsmerkmal und ein Grund, warum diese Aufgabe unter Umständen besser in der Hand des Justizministers aufgehoben ist. (Abg. Noll: Ja, derweil ...!)

Ich glaube auch, es gibt keinen akuten Handlungsbedarf. Die Planstellen sind ja schon besetzt oder wurden in jüngerer Zeit besetzt. Das bisherige System hat sich bewährt und funktioniert. Und, wie gesagt, der Justizminister ist ja dem Parlament für seine Vor­schläge voll verantwortlich. (Beifall bei der FPÖ.)

Das soll aus unserer Sicht so bleiben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

20.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 225/A dem Justizausschuss zu.

20.51.3415. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (242/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Wittmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 220

20.51.57

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es geht um die nächsten vier Tagesordnungspunkte. Kurz zusammengefasst: Mit dem Verfassungssprecher der ÖVP, aber auch mit allen anderen Verfassungssprechern hat es in der vorigen Gesetzgebungsperiode eine Übereinkunft dahin gehend gegeben, dass man Teile aus der Enquete-Kommission zur „Stärkung der Demokratie in Österreich“ verwirklicht. Drei dieser Anträge betreffen diese Teile.

Zum einen sieht ein Antrag eine attraktivere Bearbeitung der Volksbegehren vor, mit einer Sitzung, wo die Proponenten auch teilnehmen und sprechen können, einer zweiten Sitzung, wo sie auch am Ende noch einmal dabei sind, und in der Mitte die Möglichkeit, im Ausschuss auch ihre Argumente vorbringen zu können. Das wäre in diesem einen Antrag enthalten.

Der zweite Antrag würde die elektronische Unterstützung von Petitionen und Bürger­initiativen bedeuten.

Der dritte betrifft Livestreaming oder ein Video-on-Demand bei öffentlichen Sitzungen.

Der vierte Antrag beinhaltet – das wäre neu –, dass man den Abgeordneten die Mög­lichkeit einräumt, einmal pro Jahr beim Legislativdienst ein Gutachten zu bestimmten Sachthemen einzufordern, und ein Minderheitsrecht, einmal pro Jahr auch Experten laden zu können, sowie eine Ausweitung der Prüfmöglichkeiten des Rechnungshofes.

Das wären die vier Anträge. Das wäre eigentlich eine Umsetzung des Demokratie­pakets, und ich gehe davon aus, dass wir darüber eine konstruktive Diskussion führen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

20.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.53.49

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ja, ich kann mich dem Kollegen Wittmann anschließen: Wir sind gesprächsbereit, was die Ergeb­nisse aus der Enquete-Kommission zur direkten Demokratie anbelangt. Ein Teil davon ist bereits umgesetzt, ein Teil davon ist noch offen. Wir stehen zu dem, was wir auch immer zugesagt haben – es muss eben ausverhandelt werden.

Was die anderen Anträge betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass wir auch das Ge­schäftsordnungskomitee einberufen haben, um überhaupt über Änderungen in der Geschäftsordnung zu reden, was die Sitzungsabläufe anbelangt, was Hearings anbelangt, was die Öffentlichkeit bei Sitzungen anbelangt. Da gibt es zahlreiche Vor­schläge. Wir haben am 28. Mai die erste Sitzung des Geschäftsordnungskomitees abge­halten. Es gibt von allen Fraktionen aus meiner Sicht sehr, sehr gute Vorschläge.

Wir von der Volkspartei gehen stark in die Richtung, darüber nachzudenken, wie wir die Sitzungsabläufe noch effizienter gestalten können. Da geht es – ich nenne nur zwei, drei kurze Beispiele – unter anderem darum, ob man die Dringlichen Anfragen vom Zeitpensum her anders aufstellen kann, oder darum, ob man zum Beispiel auch, wenn es um die Berichterstattung geht, diese für die Zuseherinnen und Zuseher interessanter gestalten kann. Es wird immer gefragt: Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Viele wissen gar nicht, wer der Berichterstatter ist, wenn man nicht auf die Tagesordnung schaut. Es wäre sinnvoll, wenn es zu Beginn eine sachliche Information von der Berichterstattung gäbe, worum es überhaupt in dieser


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 221

Gesetzesmaterie geht, bevor man letzten Endes in die Diskussion über das Pro und Kontra einsteigt.

Das heißt, es gibt eine Menge von Vorschlägen in diesem Bereich. Einige liegen hier konkret zur ersten Lesung vor. Wie gesagt: Wir gehen davon aus, dass das im Paket ausgehandelt wird. Die Klubdirektoren sind beauftragt, und im Herbst wird es weitere Sitzungen des Geschäftsordnungskomitees geben. Wir werden aktiv daran mitarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schrangl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.55.57

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehschirmen! Hohes Haus! Mein Kollege, Klubobmann Wöginger, hat es schon ausgeführt: Es arbeitet derzeit ein Ko­mitee, das die Geschäftsordnung behandelt. (Abg. Zanger: Schleimer!) In diesem Komitee sind sämtliche Parlamentsfraktionen vertreten. Dort verhandeln wir alle ge­meinsam ein Gesamtpaket und keine Einzelmaßnahmen.

Die Geschäftsordnung – für die Damen und Herren zu Hause – muss man sich wie ein Uhrwerk vorstellen, in dem die Zahnräder ineinandergreifen, ein Uhrwerk, das das Parlament am Laufen hält. Ihre Vorschläge, die auch durchaus einer Diskussion wert sind, sind in diesem Komitee bestens aufgehoben, und in diesem Komitee sollen diese Vorschläge auch behandelt werden, in einem Komitee, in dem alle dabei sind, in dem wir das alle miteinander diskutieren können. Keine Einzelmaßnahmen, ein Gesamt­paket: Das ist das Gebot der Stunde. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.57


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scherak. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.57.00

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Kollege Schrangl hat schon vorgeführt, wie man versucht, Dinge zu verzögern. Es wirkt zumindest so. Ja, das Ge­schäftsordnungskomitee tagt. Es tagt ja regelmäßig, zu Fragen, wie wir die Geschäfts­ordnung weiterentwickeln können; aber – und es ist, glaube ich, in diesem Zusam­menhang wichtig, das zu betonen – die meisten Vorschläge der SPÖ, nämlich drei von vier, sind Dinge, auf die wir uns in der letzten Legislaturperiode schon gemeinsam geeinigt hatten.

Man muss auch dazusagen, dass das das Ergebnis der Demokratie-Enquete-Kom­mission ist, einer anderthalb Jahre andauernden Enquete-Kommission zur Frage, wie man die direkte Demokratie weiterentwickelt. Davon ist eh schon so gut wie nichts übrig geblieben, leider. Wir haben es damals nicht geschafft, uns auf die Weiter­ent­wicklung der direkten Demokratie zu verständigen.

Die FPÖ und die ÖVP, die an und für sich auch sehr begeistert von diesen Fragen sind, haben das auch im Regierungsprogramm – zumindest aus meiner Sicht – zu weit nach hinten geschoben. Jetzt kann man darüber diskutieren, ob es Sinn macht, das erst am Schluss zu beschließen. In der Regel wissen wir: Was am Schluss beschlos­sen werden soll, wird nicht beschlossen. Man soll vor allem – das ist vielleicht mein Appell hier – beginnen, die Verhandlungen aufzunehmen, denn man braucht für die Änderungen eine Zweidrittelmehrheit, wie wir wissen. Das braucht auch länger, bis


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll28. Sitzung, 13. Juni 2018 / Seite 222

man da zu einem sinnvollen Ergebnis kommt. (Abg. Wöginger: Da braucht es vor allem uns dazu! – Heiterkeit der Abg. Winzig.)

Fakt ist, dass diese kleinen Maßnahmen, die Kollege Wittmann vorschlägt, Dinge sind, auf die wir uns schon geeinigt hatten. Dazu braucht es auch nicht das große Ge­samt­paket, um die Geschäftsordnung zu ändern, denn wenn wir damit anfangen, habe ich sicher andere Vorstellungen als die FPÖ oder die SPÖ oder die ÖVP. Das sind ganz kleine Maßnahmen, die könnten wir ganz schnell beschließen. Das ist schon akkordiert gewesen, das tut niemandem weh und ist ein kleiner Fortschritt in der Ge­schäfts­ordnung. Deswegen sollten wir es so schnell wie möglich beschließen und nicht erst darauf warten, bis wir den großen Wurf finden. Den werden wir höchstwahr­schein­lich gemeinsam nicht finden, weil wir unterschiedliche Vorstellungen haben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Somit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 242/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

20.59.2016. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (243/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort ist dazu niemand gemeldet. Somit ist die Debatte auch schon wieder ge­schlossen.

Ich weise den Antrag 243/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

20.59.3817. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (244/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Auch dazu ist niemand zu Wort gemeldet. Somit ist auch diese Debatte schon wieder geschlossen.

Ich weise den Antrag 244/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu. 

 21.00.06 18. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die


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Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975) geändert wird (245/A)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Es ist dazu niemand zu Wort gemeldet. Die Debatte ist somit auch schon wieder ge­schlossen.

Ich weise den Antrag 245/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.00.37 Einlauf


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 271/A(E) bis 297/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 21.02 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.01.04Schluss der Sitzung: 21.01 Uhr

 

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