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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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152. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 10. November 2016

 

 


Stenographisches Protokoll

152. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode  Donnerstag, 10. November 2016

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 10. November 2016: 9.06 – 18.25 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl einer Ordnerin/eines Ordners

2. Punkt: Bericht über den Antrag 1809/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats­Wahlordnung 1992, das Bun­despräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenz­gesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989 geän­dert sowie das Volksbegehrengesetz 2018 und das Wählerevidenzgesetz 2018 erlas­sen werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2017)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienste­tengesetz 1948 geändert werden (Besoldungsrechtsanpassungsgesetz)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gewebesicherheitsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1863/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Er­win Rasinger, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1695/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begleitforschung zur De-Institutionalisierung und selbstbestimmtem Wohnen von Menschen mit Behinderungen

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1747/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Kassasturz in der Sozialversicherung

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1520/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vermögensmanagement der Sozialversicherungs­träger

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1743/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Offenlegung der Personalpolitik im AMS

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1742/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Regelung des Arbeitsmarkts gemäß Beschluss der Ar­beiterkammer Burgenland vom 20. Mai 2016

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1505/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend sektorale Schließung des Ar-


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beitsmarktes im Zusammenhang mit der Entsendung von ausländischen Arbeitneh­mern nach Österreich

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1317/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhöhung der Treffsicherheit der Bildungskarenz

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1826/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird

14. Punkt: Kunst- und Kulturbericht 2015 der Bundesregierung

15. Punkt: Bericht über den Antrag 1563/A(E) der Abgeordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauenförderung in der Filmbranche

16. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Kosovo über kulturelle Zusammenarbeit

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016, geändert wird (1845/A)

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Inhalt

Nationalrat

1. Punkt: Wahl einer Ordnerin/eines Ordners ............................................................... 35

Wahlergebnis:

Ordnerin: Martina Schenk ............................................................................................. 35

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 12

Ordnungsruf ................................................................................................................. 116

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwor­tung 9704/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 34

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung         118

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 118

Johann Hell ................................................................................................................. 120

Nikolaus Prinz ............................................................................................................ 121

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein ........................................................................ 123

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 124

Mag. Judith Schwentner ............................................................................................ 125

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 126

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 127

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kol­legen, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 1887/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen


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und Kollegen betreffend Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 13. Dezember 2016 zu setzen                  34

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 34

Redner/Rednerinnen:

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................. 129

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 131

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................. 132

Dr. Johannes Hübner ................................................................................................. 134

Tanja Windbüchler-Souschill .................................................................................... 135

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 136

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 137

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 139

Antrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 840/A der Ab­geordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBI. Nr. 1/1930, geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 24. Dezember 2016 zu setzen – Ablehnung ................................................................................................ 34, 172

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 34

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 117

Fragestunde (21.)

Finanzen ........................................................................................................................ 12

Kai Jan Krainer (249/M); Erwin Angerer

Dorothea Schittenhelm (241/M); Mag. Bruno Rossmann

MMag. DDr. Hubert Fuchs (247/M)

Mag. Werner Kogler (246/M); Mag. Karin Greiner

Dr. Rainer Hable (244/M); Leopold Steinbichler

Ing. Robert Lugar (245/M); Josef Schellhorn, Nikolaus Prinz

Dr. Christoph Matznetter (250/M)

Ing. Mag. Werner Groiß (242/M)

MMMag. Dr. Axel Kassegger (248/M)

Mag. Bruno Rossmann (252/M); Marianne Gusenbauer-Jäger, Ing. Hermann Schultes, Wolfgang Zanger

Ing. Markus Vogl (251/M)

Gabriel Obernosterer (243/M)

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 12


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Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  33, 172

Verhandlungen

2. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1809/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats­Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstim­mungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert sowie das Volks­begehrengesetz 2018 und das Wählerevidenzgesetz 2018 erlassen werden (Wahl­rechtsänderungsgesetz 2017) (1298 d.B.)                   35

Redner/Rednerinnen:

Dr. Nikolaus Scherak ............................................................................................  35, 45

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 38

Christoph Hagen .......................................................................................................... 39

Mag. Wolfgang Gerstl ...........................................................................................  40, 61

Mag. Harald Stefan ....................................................................................................... 47

Mag. Albert Steinhauser .............................................................................................. 50

Dr. Peter Wittmann ....................................................................................................... 52

Johann Singer .............................................................................................................. 53

Dieter Brosz, MSc .................................................................................................  54, 61

Bundesminister Mag. Wolfgang Sobotka .................................................................. 56

Mag. Michaela Steinacker ............................................................................................ 57

Mag. Philipp Schrangl .................................................................................................. 58

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .................................................................................. 58

Mag. Gerald Loacker (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 59

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................... 60

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 62

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (tatsächliche Berichtigung) ....................................... 63

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (tatsächliche Berichtigung) ...................................... 63

Annahme des Gesetzentwurfes in 1298 d.B. ................................................................. 64

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1298 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Datenschutz bei Wahlkarten (E 178) ............................................................................. 65

3. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1296 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertrags­bedienstetengesetz 1948 geändert werden (Besoldungsrechtsanpassungsgesetz) (1325 d.B.) ........................................................ 65

Redner/Rednerinnen:

Christian Lausch .......................................................................................................... 65

Staatssekretärin Mag. Muna Duzdar .......................................................................... 66

Otto Pendl ..................................................................................................................... 67

Mag. Albert Steinhauser .............................................................................................. 69

Mag. Dr. Beatrix Karl .................................................................................................... 70

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 71

Angela Lueger .............................................................................................................. 72

Christoph Hagen .......................................................................................................... 73

Mag. Günther Kumpitsch ............................................................................................ 74

Annahme des Gesetzentwurfes in 1325 d.B. ................................................................. 76


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Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1325 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die dringend nötige Reform des Dienst- und Besoldungs­rechtes für den Öffentlichen Dienst (E 179)             ............................................................................................................................... 76

4. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1293 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Gewebesicherheitsgesetz geändert wird (1309 d.B.) ..................................... 76

Redner/Rednerinnen:

Erwin Spindelberger .................................................................................................... 76

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 77

Dr. Andreas F. Karlsböck ............................................................................................ 77

Dr. Eva Mückstein ........................................................................................................ 79

Bundesministerin Dr. Sabine Oberhauser, MAS ...................................................... 80

Annahme des Gesetzentwurfes in 1309 d.B. ................................................................. 83

5. Punkt: Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1863/A der Ab­geordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1310 d.B.)           ............................................................................................................................... 83

Redner/Rednerinnen:

Marianne Gusenbauer-Jäger ...................................................................................... 83

Dr. Erwin Rasinger ....................................................................................................... 84

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .......................................................................... 84

Dr. Eva Mückstein ........................................................................................................ 85

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 86

Ing. Waltraud Dietrich .................................................................................................. 88

Martina Diesner-Wais ................................................................................................... 89

Angela Fichtinger ......................................................................................................... 90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der maximalen wöchentlichen Betriebszeit von Apotheken sowie Aufheben der Bedarfsprüfung für Filialapotheken – Ableh­nung ..............................................................................  87, 91

Annahme des Gesetzentwurfes in 1310 d.B. ................................................................. 90

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1695/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begleitforschung zur De-Institutionalisierung und selbstbestimmtem Wohnen von Menschen mit Behinderungen (1322 d.B.) ................ 91

Redner/Rednerinnen:

Ulrike Königsberger-Ludwig ...................................................................................... 91

Dr. Franz-Joseph Huainigg ......................................................................................... 92

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .......................................................................... 92

Mag. Helene Jarmer ..................................................................................................... 93

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 94

Ing. Waltraud Dietrich .................................................................................................. 94

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ..................................................................... 95

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1322 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend De-Institutionalisierung im Bereich des Wohnens (E 180)                                                                 95

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1747/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Kassasturz in der Sozialversicherung (1316 d.B.)   ............................................................................................................................... 95


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8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1520/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Vermögensmanagement der Sozialversicherungsträger (1317 d.B.)                                                                                               96

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1743/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Offenlegung der Personalpolitik im AMS (1318 d.B.)                                                                                                                                          96

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1742/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Regelung des Arbeitsmarkts gemäß Beschluss der Arbeiterkammer Burgen­land vom 20. Mai 2016 (1319 d.B.) ......................................... 96

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1505/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kollegin­nen und Kollegen betreffend sektorale Schließung des Arbeitsmarktes im Zu­sammenhang mit der Entsendung von ausländischen Arbeitnehmern nach Öster­reich (1320 d.B.) ...................................................................................................................... 96

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1317/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Erhöhung der Treffsicherheit der Bildungskarenz (1321 d.B.) ...................................................................................................................... 96

13. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1826/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (1315 d.B.)                                                                                                                        96

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................  96, 145

Walter Schopf ............................................................................................................... 99

Mag. Judith Schwentner ............................................................................................ 100

August Wöginger ....................................................................................................... 102

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................. 103

Dietmar Keck .............................................................................................................. 104

Ing. Waltraud Dietrich ................................................................................................ 106

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 107

Mag. Gertrude Aubauer ............................................................................................. 108

Peter Wurm ................................................................................................................. 109

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 112

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 113

Johann Höfinger ......................................................................................................... 114

Josef Schellhorn ........................................................................................................ 115

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 117

Gabriel Obernosterer ................................................................................................. 139

Erwin Spindelberger .................................................................................................. 140

Mag. Michael Hammer ................................................................................................ 141

Johann Hell ................................................................................................................. 142

Gerhard Schmid ......................................................................................................... 143

Dr. Marcus Franz ........................................................................................................ 143

Christoph Hagen ........................................................................................................ 146

Karl Öllinger ................................................................................................................ 148

Ulrike Königsberger-Ludwig (tatsächliche Berichtigung) ........................................ 149

Dr. Marcus Franz (tatsächliche Berichtigung) ............................................................ 149

Kenntnisnahme der sieben Ausschussberichte 1316, 1317, 1318, 1319, 1320, 1321 und 1315 d.B.         ............................................................................................................................. 150


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 7

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Kunst- und Kulturbe­richt 2015 der Bundesregierung (III-295/1304 d.B.) .............................................................................................................. 151

15. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1563/A(E) der Abge­ordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frau­enförderung in der Filmbranche (1302 d.B.)                    151

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 151

Elisabeth Hakel ........................................................................................................... 153

Christoph Hagen ........................................................................................................ 154

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................. 155

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 156

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl .......................................................................................... 157

Mag. Nikolaus Alm ..................................................................................................... 158

Mag. Gisela Wurm ...................................................................................................... 160

Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................................................. 161

Mag. Aygül Berivan Aslan ......................................................................................... 162

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 163

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 165

Dr. Harald Troch ......................................................................................................... 165

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 166

Bundesminister Mag. Thomas Drozda .................................................................... 167

Kenntnisnahme des Berichtes III-295 d.B. ................................................................... 168

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1302 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Frauenförderung in der Filmbranche (E 181) .............................................................. 168

16. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1147 d.B.): Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über kulturelle Zusammenarbeit (1303 d.B.) .................................................................................................................... 168

Redner/Rednerinnen:

Dr. Josef Cap .............................................................................................................. 168

Mag. Dr. Maria Theresia Fekter ................................................................................. 169

Genehmigung des Staatsvertrages in 1303 d.B. ......................................................... 169

17. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsge­setz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016, ge­ändert wird (1845/A) ................................................................................................................ 169

Redner/Rednerinnen:

Dieter Brosz, MSc ...................................................................................................... 169

Dr. Peter Wittmann ..................................................................................................... 170

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................... 170

MMMag. Dr. Axel Kassegger ..................................................................................... 171

Dr. Nikolaus Scherak ................................................................................................. 171

Zuweisung des Antrages 1845/A an den Geschäftsordnungsausschuss .................... 172

Eingebracht wurden

Petition .......................................................................................................................... 33


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 8

Petition betreffend „Verbesserung der Postversorgung in der Berggemeinde Weer­berg“ (Ordnungsnummer 92) (überreicht vom Abgeordneten Hermann Gahr)

Anträge der Abgeordneten

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Start-up Paket: Mitarbeiter­flexibilisierung (1891/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dotierung des Vereins für Konsu­menteninformation (1892/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dotierung des Vereins für Konsu­mentenschutzpolitik (1893/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Stopp der Privatisierung des Wiener Krankenanstaltenverbundes (1894/A)(E)

Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Auswirkungen von gemeinnützi­gen Tätigkeiten durch Asylwerber auf den 2. Arbeitsmarkt (1895/A)(E)

Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bericht über das Projekt RIO 2016 (1896/A)(E)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend: finanzielle Leistungsfähigkeit bei Fahrzeugkonzessionen anpassen (1897/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Johann Rädler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Fluglärm über Bad Fischau-Brunn (10701/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Waffenlager, Waffentrainings, Waffenverbote und Wiederbetätigung (10702/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Reichsbürger“ und Co. (10703/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-re­ligiösen Weltanschauungen (10704/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Reli­gionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10705/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissen­schaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Differenzierung der Rechte zwischen aner­kannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Welt­anschauungen (10706/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Diffe­renzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemein­schaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10707/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht an­erkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10708/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 9

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht an­erkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10709/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Reli­gionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10710/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend Differenzierung der Rechte zwischen aner­kannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Welt­anschauungen (10711/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10712/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Reli­gionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10713/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkann­ten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschau­ungen (10714/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend Differenzierung der Rechte zwischen aner­kannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Welt­anschauungen (10715/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Reli­gionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10716/J)

Mag. Nikolaus Alm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, In­tegration und Äußeres betreffend Differenzierung der Rechte zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sowie nicht-religiösen Weltanschauungen (10717/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend originäre Erwerbsunfähigkeit (10718/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10719/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10720/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „die Durchsetzung österrei­chischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10721/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebe­ne durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10722/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 10

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kul­tur, Verfassung und Medien betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10723/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10724/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10725/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10726/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Sozia­les und Konsumentenschutz betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10727/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10728/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10729/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Eu­ropäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10730/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Euro­päischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10731/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „die Durchsetzung österreichischer Interessen auf Europäischer Ebene durch die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung“ (10732/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Dienstreisen der Bundesre­gierung 2016“ (10733/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10734/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Familien und Jugend betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10735/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10736/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10737/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 11

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10738/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10739/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10740/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10741/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10742/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Alterslügen von angeblich minderjährigen Flüchtlingen“ (10743/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend „Neue Staatsbürger in Österreich“ (10744/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10745/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10746/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung und Sport betreffend „Dienstreisen der Bundesregierung 2016“ (10747/J)

Dr. Marcus Franz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Dienst­reisen der Bundesregierung 2016“ (10748/J)

*****

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates be­treffend die „Künstlerperformance“ im Zuge des Tages der offenen Tür am National­feiertag (35/JPR)

Zurückgezogen wurde die Anfrage der Abgeordneten

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Aussagen im Gastkommentar des oberösterreichischen Landespolizeidirektors in den OÖ Nachrichten (10595/J) (Zu 10595/J)


 


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 12

09.05.54Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Prä­sident Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich wünsche Ihnen einen schönen guten Morgen! Ich eröffne die 152. Sitzung des Nationalrates.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Mag. Becher, Heinzl, Dr. Jarolim, Mu­chitsch, Mag. Muttonen, Gahr, Dr. Nachbaur, Dipl.-Ing. Deimek, Hafenecker, MA, Mag. Hai­der, Ing. Höbart, Walter Rauch, Weigerstorfer, Doppler und Mag. Vavrik.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertre­tung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter wird durch die Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 11 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung live und in voller Länger übertragen, wobei jener Teil der Sit­zung, der über 19.45 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.07.13Fragestunde

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den bei­den Rednerpulten im Halbrund aus vorgenommen, die Beantwortung durch den Herrn Bundesminister für Finanzen erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten aus.

Für die Anfrage- und Zusatzfragesteller ist jeweils 1 Minute Redezeit vorgesehen. Die Beantwortung der Anfrage durch den Herrn Bundesminister soll 2 Minuten, jene der Zusatzfrage 1 Minute nicht übersteigen. Wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Re­dezeit werde ich darauf aufmerksam machen.

Bundesministerium für Finanzen

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zur 1. Anfrage, der des Herrn Abgeordneten Krainer, 249/M. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Bundesminister! Wir haben uns 20 Monate lang im Hypo-Untersuchungs­ausschuss natürlich genau angesehen, wie es dazu kam, und klar herausgearbeitet: Es gab viele Hypos. Einige hatten Probleme. Es gab nur einen Unterschied zu Kärnten, nämlich: In allen anderen Bundesländern haben die verantwortlichen Politiker die Stopp­taste rechtzeitig gedrückt. Da sind auch Verluste entstanden – in vielen Bundeslän-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 13

dern –, aber es wurde rechtzeitig die Stopptaste gedrückt, bevor das Problem so groß wurde wie in Kärnten.

Und die Politiker, die in Kärnten verantwortlich waren, die Stopptaste zu drücken, oder verantwortlich gewesen wären, waren ausschließlich Freiheitliche. (Abg. Neubauer: Un­sinn!) Insofern konnten wir, glaube ich, ganz klar herausarbeiten, dass die Verantwor­tung für das Hypo-Desaster bei den Freiheitlichen, bei der FPÖ in Kärnten und ihren Vertretern auf Bundesebene gelegen ist und liegt. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er hat die Weste verkehrt an!)

Meine Frage an Sie, da wir im Zuge dieser Aufräumarbeiten sehr viel geschafft haben:

249/M

„In welcher Höhe belastet das von den Freiheitlichen in Kärnten verursachte Hypo-De­saster die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Herr Ab­geordneter! Da auf den Untersuchungsausschuss Bezug genommen wird, möchte ich mich bei allen Abgeordneten sehr herzlich für die geleistete Arbeit bedanken. Sie sollte uns dabei helfen, solche Desaster in Zukunft zu vermeiden.

Der Zeitraum 2008 bis 2015 ist der relevante Zeitraum. Vor der Notverstaatlichung sind insgesamt Mittel von 5,56 Milliarden € entweder durch Kapitalzeichnungen, Gesell­schafterzuschüsse oder Haftungen in Anspruch genommen worden. Der jetzige Ab­wicklungsfall wird 8,16 Milliarden € nach dem FinStaG zur Verfügung stellen. 1,2 Mil­liarden € werden von Kärnten bereitgestellt. Diese 1,2 Milliarden € sind durch ein Dar­lehen des Bundes finanziert.

Nach heutigem Wissensstand läuft die Abwicklung der HETA und damit die soge­nannte Recovery deutlich besser, als ursprünglich geplant und von der FMA einge­schätzt wurde. Das war auch schon Thema beim letzten Gespräch mit der FMA im Fi­nanzausschuss. Und ergänzend dazu wissen Sie, dass wir einen Vergleich mit 1,23 Mil­liarden € mit Bayern geschafft haben. Dieses Geld wird nach heutigem Wissensstand an die Republik zurückgeführt.

 


Präsidentin Doris Bures: Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das heißt, wir können mit 8 oder 9 Milliar­den €, also mit einem einstelligen Milliardenbetrag, aber sicher mit einem unwahr­scheinlich hohen Schaden rechnen. Wir haben uns im Untersuchungsausschuss wirk­lich auch angesehen, wer welchen Beitrag geleistet hat. Und über diesen gesamten Untersuchungszeitraum von 15 Jahren ist es uns wirklich nicht gelungen, einen ein­zigen positiven, konstruktiven Beitrag der Freiheitlichen zur Lösung der Probleme zu finden. (Ironische Heiterkeit des Abg. Lugar. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die haben ausschließlich den Schaden vergrößert, Öl ins Feuer gegossen, aber keinerlei kons­truktiven Beitrag geleistet, um das Risiko für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu reduzieren.

Ist Ihnen in Ihrer Tätigkeit – und Sie haben ja sehr viel mit der Hypo zu tun gehabt – irgendein positiver, konstruktiver Beitrag der Freiheitlichen dazu aufgefallen, den Scha­den (Abg. Neubauer: Zeit! – Ruf bei der FPÖ: Frau Präsidentin, schauen Sie zu!) für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu verkleinern?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Viele Fragen, die jetzt hier auftreten, betreffen Gegebenheiten, die ja längst vor meiner Amtszeit passiert sind. Ich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 14

kann nur aus der Analyse heraus sagen: Es ist manches, wie der Untersuchungsaus­schuss aufgezeigt hat, einfach nicht richtig entschieden worden. Die Frage, die sich mir in jüngster Zeit gestellt hat, war, warum eigentlich diejenigen, die das Desaster ver­ursacht haben, bei der Lösung nicht mitgewirkt haben, sondern sogar noch dagegen­gestimmt haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abgeordneten Willi und Aslan.)

Da sind meiner Ansicht nach große Anstrengungen unternommen worden, um weite­ren Schaden und vor allem Kollateralschäden von der Republik abzuwenden. Und ich höre aus den Entscheidungen der Kärntner, insbesondere auch des Kärntner Landta­ges, heraus, dass diejenigen, die den Schaden weitestgehend verursacht haben, an der Lösung nicht mitwirken. (Zwischenruf des Abg. Lugar. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Doris Bures: Es gibt eine weitere Zusatzfrage. – Herr Abgeordneter An­gerer, bitte.

 


Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Kollege Krainer lebt immer noch in seiner Pippi-Langstrumpf-Welt: Die mache ich mir, wie sie mir gefällt! – Der Hypo-Untersuchungsausschuss und auch die Griss-Kommission haben eindeutig herausgearbeitet, dass die Freiheitlichen in Kärnten für den Schaden, der da entstanden ist, definitiv nicht verantwortlich sind (Beifall bei der FPÖ – ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP), sondern diesem vielmehr andere Ursachen und Fehlentscheidungen zugrunde liegen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Daher meine Frage an Sie, Herr Finanzminister: In welcher Höhe belasteten der Rück­kauf der Bank im Jahr 2009 durch den damaligen Finanzminister Dipl.-Ing. Josef Pröll und Herrn Klubobmann Schieder, der leider nicht da ist, die Verhinderung der Errich­tung einer sogenannten externen Bad Bank durch die Finanzministerin Fekter, die lei­der auch nicht hier ist, und die vermögensvernichtende Verwertung der Assets durch die nachfolgenden Finanzminister die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuer­zahler?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Zum einen glaube ich, dass Sie damit nicht bestreiten, dass die FPÖ in Kärnten in der Regierung war, da Sie meinen, Sie seien nicht zuständig gewesen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Ironische Hei­terkeit bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das Zweite ist: Ich bin seit 2014 Finanzminister. Es gibt viele Meinungen dazu. Es gab Meinungen, die HETA in Konkurs zu schicken, Kärnten in Konkurs zu schicken; es gab Meinungen über die Frage der Verstaatlichung. Meine Aufgabe besteht darin, nun die­sen Schaden zu minimieren, abzuwickeln, den Finanzplatz Österreich wieder als ver­lässlichen Partner darzustellen und Kollateralschäden zu vermeiden. Die konkrete Fra­ge kann man dann untersuchen, wenn die Abwicklungen erfolgt sind und der Schaden feststeht, sodass man feststellen kann, ob in dieser Zwischenzeit Schäden entstanden sind. Dazu allerdings hat der Untersuchungsausschuss getagt und meines Wissens keine entsprechenden Äußerungen getätigt.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, der der Frau Abgeord­neten Schittenhelm. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir alle wissen, dass durch die Steuerreform, welche ja mit diesem Jahr wirksam ge­worden ist, eine deutliche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger erreicht wurde. In der Folge berechnen nun die Experten ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent. Damit wurden erste wichtige Schritte gesetzt.

Sie, geschätzter Herr Bundesminister, haben in Ihrer Budgetrede angekündigt, dass nun die Abschaffung der kalten Progression, also der schleichenden Steuererhöhung bei Lohnsteigerungen für alle Steuergruppen, der nächste Schritt sein muss.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 15

Meine Frage lautet:

241/M

„Inwieweit werden die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler durch die Kalte Progression belastet?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Wie die meisten Staa­ten der Welt hat Österreich ein progressives Steuersystem, und daher sind die Belas­tungen meistens auch nicht nur bei der Steuer, also dass da Mehreinnahmen passie­ren, sondern auch bei anderem entstanden. Überall dort, wo über den Lohnabschlüs­sen, die höher als die Inflationsraten sind, einbezahlt wird, entsteht dieser Effekt.

Wenn man sich die Steuertarifsenkung des letzten Jahres anschaut, so sieht man, dass wir sowohl rückwirkend wie vorschauend diese kalte Progression in den Griff bekom­men haben. Je nach Modell, das man rechnet, und je nachdem, wie lange die Zeiträu­me des Sammelns sind, entsteht da in etwa im Schnitt jährlich eine Belastung der Steuerzahler von ungefähr 400 Millionen €.

 


Präsidentin Doris Bures: Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Welches Modell zur Entlastung der Steu­erzahlerinnen und Steuerzahler durch die Abschaffung der kalten Progression schla­gen Sie vor? Und können Sie sich einen Automatismus vorstellen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Es gibt viele Länder, die das gemacht und zum Teil im Verfassungsrang festgeschrieben haben. Die Schweiz zum Beispiel macht das sowohl auf kantonaler als auch auf gesamtstaatlicher Ebene. Auch die Schweden machen so etwas. Ich habe angekündigt, dieses Modell vorzu­stellen. Es ist termingerecht eingereicht worden, es steht in Verhandlung.

Das Modell sieht vor, dass wir über einen bestimmten, festzulegenden Zeitraum die Inflationsrate sammeln und dann, wenn dieser Punkt erreicht ist, in der vollen Höhe des gesammelten Inflationswertes alle Tarifstufen automatisch entlasten – mit einer ein­zigen Ausnahme, die darin bestehen könnte, dass man, wenn im Bereich des Wachs­tums eine sehr, sehr schlechte Entwicklung da ist, temporär diesen Automatismus aus­setzen kann. Dieses Modell ist vorgeschlagen worden und steht zur Verhandlung.

 


Präsidentin Doris Bures: Es liegt eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mag. Ross­mann vor. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! In den letzten Jahren sind die Nettorealeinkommen insbesondere der niedrigen Einkommen stark gesunken. Dazu kommt eine Steuerentlastung, die insbesondere die oberen Ein­kommen und weniger stark die niedrigen Einkommen entlastet hat. Das hat uns eine Studie der Europäischen Kommission jüngst gezeigt.

Und nun planen Sie, Herr Minister, ein Modell der Abgeltung der kalten Progression, das an der durchschnittlichen Inflation ansetzt. Jetzt sind natürlich die niedrigen Ein­kommen von der Inflation stärker betroffen als die oberen Einkommen – relativ stärker betroffen.

Nun gibt es eine weitere Studie von jungen Forschern an der Wirtschaftsuniversität Wien, die gezeigt hat, dass nach diesem Modell die kalte Progression der niedrigen Einkommen nicht zur Gänze kompensiert wird, während die kalte Progression bei der


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oberen Einkommenshälfte überkompensiert wird. Wenn man so will, bekommt diese obere Hälfte ein Körberlgeld.

Jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Werden Sie angesichts dieser verteilungspolitischen Schieflagen ein Modell zur Abgeltung der kalten Progression vorlegen, das die genann­ten Verwerfungen berücksichtigt?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Mein Modell liegt vor, es gibt keinen Grund, das jetzt während der Verhandlungen zu ändern.

Der zweite Punkt ist folgender: Wenn Sie sich die von Ihnen zitierte Studie anschauen, dann können Sie erkennen, dass zum Beispiel keine Rücksicht auf die Transferzah­lungen, die aus jenen Steuereinnahmen, die jene, die mehr verdienen, leisten, kom­men, genommen wurde. Das wurde dort nicht berücksichtigt. Es wurde auch die Frage nicht berücksichtigt, in welcher Höhe sonstige Leistungen und zum Beispiel auch Ne­gativsteuern das beeinflussen. Nimmt man die Transferzahlungen dazu, so ist es nach unseren Berechnungen möglich, dass wir ein sehr korrektes und für alle Steuerstufen relevantes Modell einsetzen können.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, der des Herrn Abge­ordneten Dr. Fuchs. – Bitte.

 


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Finanzminis­ter, wenn sich ein Gesellschafter einer GmbH eine Luxusvilla mit Baukosten von zum Beispiel 3 Millionen € zulegen möchte, dann macht er das nicht privat, sondern über seine GmbH. Würde er sich nämlich die Luxusvilla privat bauen lassen, dann müsste er sich vorher das Geld ausschütten lassen und in unserem Beispiel dafür 825 000 € KESt zahlen. Der Gesellschafter kann sich jedoch die KESt sparen, wenn er sich die Luxusvilla von seiner GmbH bauen lässt. Einzige Bedingung: Er muss sich mit einer sehr hohen Miete freikaufen.

Angeblich will man der GmbH nun auch den Vorsteuerabzug auf die Baukosten von Luxusimmobilien zugestehen, was wiederum etliche Hunderttausend Euro Steuergut­schrift bedeuten würde. Dieses Steuersparmodell für Luxusimmobilien hat sich kein Steuerberater ausgedacht, sondern das Finanzministerium.

Meine Frage:

247/M

„Ist beabsichtigt, die Freikaufsmöglichkeit für Luxusimmobilien in der Rz 637 ff KStR 2013 auch im Bereich der UstR 2000 umzusetzen, um damit auch einen Vorsteuerabzug für Luxusimmobilien zu ermöglichen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Zuerst ist die hohe Kom­plexität dieser Frage festzuhalten. Sie haben es schon angesprochen: Wenn das nicht entsprechend im wirtschaftlichen Eigentum geklärt ist, dann entsteht eine sogenannte verdeckte Ausschüttung an der Wurzel in Höhe der von der Gesellschaft getragenen Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Die in der Anfrage angesprochene Freikaufsmöglichkeit bedeutet, dass der Gesell­schafter die Möglichkeit hat, die sogenannte Renditemiete an die Gesellschaft zu leis­ten, damit keine verdeckte Ausschüttung an der Wurzel vorliegt und damit das wirt­schaftliche Eigentum bei der Gesellschaft verbleibt.


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Die Renditemiete ist mit der für das eingesetzte Kapital durchschnittlichen Immobilien­rendite zuzüglich einer Risikoprämie festzulegen. Erfolgt das nicht – und da folgen wir einer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs –, dann wäre das nicht gerechtfertigt.

Auf Ihre konkrete Frage in Sachen Vorsteuerabzug: Die Frage ist nicht eins zu eins übersetzbar, denn bei der Vorsteuerabzugsmöglichkeit muss eine entsprechende un­ternehmerische Tätigkeit vorliegen. Somit ergibt sich nur bei marktkonformer Vermie­tung eine unternehmerische Tätigkeit, die bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzun­gen in weiterer Folge zum Vorsteuerabzug berechtigen würde.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Regelungen in der Körperschaft­steuer mit jenen in der Umsatzsteuer nicht vergleichbar sind. Eine Übernahme der Regelung aus dem Körperschaftsteuerrecht in den Bereich der Umsatzsteuer ist auch aus europarechtlichen Gründen gar nicht möglich.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Beabsichtigen Sie die Freikaufs­möglichkeit für Luxusimmobilien im Bereich der Körperschaftsteuer mehr oder weniger zu streichen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Wir sind derzeit dabei, die gesamten Fragen, die in diesem Zusammenhang stehen, durch eine Expertengrup­pe prüfen zu lassen, und werden das dann, wenn die Ergebnisse vorliegen, angesichts dessen, dass mehrere Fragen zu beantworten sein werden, allenfalls ändern, wenn es notwendig ist.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, der des Herrn Abgeord­neten Mag. Kogler. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister, der angesproche­ne Untersuchungsausschuss hat ja in Person der Vorsitzenden und in allen sechs Fraktionsberichten Gott sei Dank eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, im Rahmen derer einerseits Gesetzesinitiativen und andererseits exekutive Maßnahmen im bestehenden Rechtsrahmen vorgeschlagen werden. Ich möchte exemplarisch nur das gigantische Aufsichtsversagen, insbesondere zwischen 2000 und 2008, heraus­greifen – so etwas ist zukünftig zu verhindern –, oder auch die jämmerliche Rolle der StaatskommissärInnen, die ja nach wie vor Sie zu bestellen haben, womit Sie keine Freude haben werden; diese Funktion sollten wir entweder abschaffen oder reformie­ren.

Weitere Beispiele sind das Fehlen einer Insolvenzordnung und – das liegt nicht unmit­telbar in Ihrem Bereich, aber möglicherweise könnten Sie da auch koordinierend tätig werden – die Notwendigkeit einer weiteren Novelle der wirtschaftsprüferrelevanten Ge­setze, weil unübersehbar ist, dass da in einer Art und Weise, die zum Milliarden­schaden mit beigetragen hat, danebengedoktert wurde.

Meine Frage lautet also:

246/M

„Welche Maßnahmen und Gesetzesinitiativen wird das Finanzministerium als Konse­quenz aus dem ‚Hypo-Untersuchungsausschuss‘ vorbereiten beziehungsweise werden aus dem BMF heraus koordiniert?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Jene Bereiche, bei de­nen wir selbst ansetzen können, sind bereits in Arbeit. Es ist von uns bereits ge-


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meinsam mit dem Bundeskanzleramt eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, in welcher Maßnahmen für die neue Aufsichtsarchitektur diskutiert werden. Sie kennen meine Mei­nung, die da lautet, dass die bescheiderlassende Behörde und die prüfende Behörde in eine Hand kommen sollen, um diese Schnittstellenproblematik zu verhindern.

Der zweite wesentliche Punkt steht im Zusammenhang mit der Frage: Wie bringen wir die Schnittstelle auf die europäische Ebene? Wir haben auf der europäischen Ebene eine Bankenaufsicht installiert, die an und für sich gut funktioniert. Wer vertritt uns dann dort bei den Fragen, die in dem Supervisor Report zu behandeln sind? Auch diese Frage ist zu klären.

Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben, betrifft zu Recht die Kritik im Zu­sammenhang mit der Frage, wie man mit den Staatskommissären umgeht. Da wird einmal als erster Schritt eine Ausbildungs- und Prüfpflicht installiert, bis das geregelt ist.

Zu der Frage hinsichtlich des Insolvenzrechts: Meine Meinung dazu kennen Sie eben­falls sehr genau, die da heißt: Ab 2017 sollte das kommen. Zuständig dafür ist das Bundesministerium für Justiz; ich bin diesbezüglich im Gespräch mit dem Justizminister.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass sowohl durch die Regelungen, die auch im Rah­men von anderen Gesetzesmaterien, wie zum Beispiel dem BaSAG, getroffen wurden, als auch durch andere Maßnahmen, die im Bereich der Europäischen Union gesetzt worden sind, wie zum Beispiel den Single Supervisory Mechanism, versucht werden soll, in Zukunft auch auf europäischer Ebene einen eventuellen Schaden abzuwenden beziehungsweise zu verhindern, auf jeden Fall aber einen solchen nicht auf den Steu­erzahler überzuwälzen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Sie haben dankenswerterweise die Fra­ge des fehlenden Insolvenzrechts für Bundesländer angesprochen und auf das Justiz­ministerium verwiesen. Gibt es in Ihrem Haus auch Überlegungen in die Richtung – und das Vorhaben, das Wirtschaftsministerium in ähnlicher Form zu kontaktieren –, dass man bei der Reform der Reform der Bestimmungen rund um die Wirtschaftsprüfer noch etwas nachschärfen sollte?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Wir stehen in Kontakt. Sie wissen, dass die eigentliche Aufsicht im Finanzministerium angesiedelt wurde. Die Behörde wurde jetzt gerade installiert, die Personen sind bestellt, sodass die Behörde zu arbeiten beginnen kann. Wir werden nach etwa sechs Monaten unmittelbar einen Evaluierungsbericht zu der Frage erstellen, ob Nachschärfungen erforderlich sind oder nicht.

Ich halte es für wichtig, dass gerade der Untersuchungsausschuss aufgezeigt hat, dass das Versagen nicht nur bei der staatlichen Aufsicht lag, sondern offensichtlich auch im Bereich der privaten Wirtschaftsprüfer der Bank. Daraus resultierend war es erforder­lich und zweckmäßig, dass wir dieses Gesetz gemacht haben. Die Behörde ist instal­liert, und sobald sie die Arbeit begonnen hat, werden wir das unverzüglich evaluieren und dann, wenn Nachschärfungen erforderlich sind, auch nachschärfen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Greiner, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Als Konsequenz aus dem Hypo-Untersuchungsausschuss leite ich folgende Frage ab: Was soll eine Landeshypothekenbank machen?

Die Hypo Kärnten war ja nicht die einzige Landeshypothekenbank in Österreich. Es gab insgesamt sieben. Viele hatten Probleme, verloren haben alle etwas, aber keine


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hat so hohe Verluste gebaut wie die Hypo in Kärnten, die das Zehnfache von dem aller anderen verloren hat.

Das Problem war, dass Hypos seit Beginn der Neunzigerjahre Dinge tun durften, die über ihr Kerngeschäft hinausgegangen sind. Die SPÖ hat dazu einen Vorschlag ge­macht, nämlich: Die Landeshypothekenbanken sollten sich im Wesentlichen auf ihr Kern­geschäft beschränken, nämlich Hypothekarkredite zu vergeben, Wohnbauförderungen abzuwickeln und Landesprojekte zu finanzieren.

Wie stehen Sie, Herr Finanzminister, zu diesem Vorschlag?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Ich glaube, zuerst sollte man noch einmal darauf hinweisen, was in diesen Jahren passiert ist. Sie wissen, dass 2004 bestimmt wurde, dass es keine weiteren Haftungsübernahmen mehr geben soll – mit der Übergangsfrist bis 2007 und mit dem Abreifen bis 2017. Daher wird das nächs­te Jahr, was das Abreifen der Haftungen der Hypos anlangt, ein sehr entscheidendes Jahr sein, und es sind tatsächlich Fortschritte erkennbar.

Gerade in Kärnten wurden aber in der Zeit zwischen 2004 und 2009 fast 9 Milliarden € an zusätzlichen Haftungen übernommen. Daraus resultiert ja auch dieses Problem.

Ich glaube, soweit ich im Gespräch mit den Hypos bin, dass die Hypos erkannt haben, dass sich der Markt massiv verändert und dass eine Konzentration auf das Kernge­schäft sinnvoll ist. Auch wenn es manche Produkte sind, die aus heutiger Sicht etwas altmodisch klingen, wie etwa Pfandbriefe, wird es, glaube ich, auch dort eine Renais­sance geben, und ich bin überzeugt davon, dass man aus diesen Erfahrungen gelernt hat und die Eigentümer entsprechende Maßnahmen setzen, um sich auf das Kernge­schäft zu konzentrieren.

Ich bin aber auch der Meinung, dass das nicht nur die Hypos betrifft. Ich war ja selbst auch Aufsichtsratsvorsitzender einer anderen Bank, und auch dort wäre es, im Nach­hinein betrachtet, viel besser gewesen, man hätte sich auf das Kundengeschäft in Ös­terreich konzentriert und keine Internationalisierungsschritte gesetzt. Aus diesen Leh­ren haben wir, glaube ich, alle erkannt, wohin der Weg geht. Daher ist der Vorschlag mit den Eigentümern zu diskutieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, der des Herrn Abgeord­neten Dr. Hable. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Frau Vorsitzende! Herr Bundesminister!

244/M

„Wie der Budgetdienst des Parlaments in seiner Analyse des Budgetvollzuges der Mo­nate Jänner bis September 2016 festhält, konnten die erhofften Mehreinzahlungen aus den Gegenfinanzierungsmaßnahmen zur Steuerreform bisher nicht erzielt werden. Die veranschlagten Einzahlungen werden daher deutlich unterschritten werden. – Welche Schritte setzen Sie, um diese Lücke zu schließen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Zum einen trifft das nicht auf alle Einzahlungen zu. Es gibt bei manchen Einzahlungen sogar massive Stei­gerungen. Wenn Sie mit Ihrer Frage auf das Thema Mehrwertsteuer abzielen, so ist das richtig. Da gibt es mehrere Effekte, die ich auch schon einmal erläutert habe: zum Ersten das zeitversetzte Inkrafttreten der Registrierkassenpflicht aufgrund der Ent­scheidung des Verfassungsgerichtshofs, zum Zweiten der Umstand, dass die Mehr-


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wertsteuererhöhung im Bereich Übernachtungen erst dann greift, wenn Zahlungen er­folgen, und zum Dritten das Faktum, dass das Wifo seine Prognose zur Konsumquote zurückgenommen hat.

Tatsächlich ist es so: Auch wenn sich die Mehrwertsteuer schwächer entwickelt als bud­getiert, besteht aus heutiger Sicht kein Anlass zu der Annahme, dass die wesentlichen Budgetkriterien 2016 nicht eingehalten werden können. Im Gegenteil: Die wesentlichen Indikatoren wie das Maastricht-Defizit und die öffentliche Verschuldung werden 2016 niedriger ausfallen, als noch im Frühjahr 2016 erwartet wurde.

Konkret wird das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit 1,6 statt 1,4 betragen, die Staats­verschuldung wird bei rund 83,3 liegen und das strukturelle Defizit bei 0,5. Maßnah­men, die gesetzt worden sind, sind ein restriktiver Budgetvollzug, eine sehr strikte Vor­gangsweise bei den Überschreitungsermächtigungen und tatsächlich weitere Maßnah­men, die erst jetzt greifen und im letzten Quartal sichtbar werden müssen – etwa das Thema Kontenregister und all die Maßnahmen, die erst mit Oktober in Kraft getreten sind.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Der Budgetdienst des Parlaments hat auch festgestellt, dass die Ausgaben heuer aktuell um jedenfalls 3 Prozent steigen. Das kann sich auf bis zu 5,8 Prozent erhöhen, je nachdem, inwieweit die Überschreitungs­ermächtigungen ausgeschöpft werden. Planen Sie auch insbesondere im Bereich der Staatsausgaben Maßnahmen, um das Budgetdefizit in den Griff zu bekommen und die Schuldenlast nicht weiter zu erhöhen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Im Budgetvoranschlag 2017, der jetzt im Hohen Haus zu behandeln ist, sind diese Maßnahmen bereits gesetzt. In der ursprünglichen Mittelfristplanung war noch eine Verschuldung von 4 Milliarden € vor­gesehen, wir sind jetzt bei knapp über 2 Milliarden €. Diesen Weg müssen wir weiter­gehen, auch wenn das nicht alle so sehen.

Zum zweiten Punkt, den Überschreitungsermächtigungen: Ich habe das im Rahmen des letzten Ausschusses auch schon kurz dargestellt: Wenn man diese in Summe rechnet, sind es ungefähr 1,8 Milliarden €. Derzeit sind 30 Prozent ausgeschöpft. Ich gehe also nicht davon aus, dass wir bis Jahresende – sprich in den nächsten sechs, sieben Wochen – eine Ausschöpfung in dieser Höhe erreichen werden. Da wirkt der restriktive Vollzug tatsächlich dahingehend, dass wir das Budget, so wie geplant, auch bei Abweichungen einzelner Posten werden halten können.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Steinbichler, bitte.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Österreich ist EU-Nettobeitragszahler. – Haben Sie die Möglichkeit geprüft, ob Österreich seine Flüchtlingskosten direkt von den Nettozahlun­gen an die EU abziehen kann, um die Lücke im Budget zu schließen, die durch die ebenfalls schon angesprochenen nichtrealisierten Einnahmen aus den Gegenfinanzie­rungsmaßnahmen zur Steuerreform entstanden ist?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Es gibt auf der Ebene Europas klare Regeln in Bezug auf den Wachstums- und Stabilitätspakt. Der hat be­stimmte Flexibilitäten. Das, was wir erreicht haben, ist, dass die EU für die Jahre 2016 und 2017 zugestimmt hat, dass wir die überproportionalen Kosten für den Bereich Flüchtlinge und Integration in Ansatz für die Berechnung des strukturellen Defizits brin­gen können.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 21

Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, der des Herrn Abgeordne­ten Klubobmann Lugar. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Alle Experten sind sich darüber einig – auch der Rechnungshof ist dieser Mei­nung –, dass bei den Ländern einiges passieren muss. Das heißt, die Aufgaben der Länder müssen neu geordnet werden. Wir brauchen Transparenz, und wir müssen vor allem wissen, wofür die Länder ihr Geld ausgeben.

Nun haben Sie auch selbst in Aussicht gestellt, dass da Transparenz herrschen muss. Dass Sie eine Aufgabenreform umsetzen wollen und all diese Dinge, haben Sie uns zu­gesagt.

Meine konkrete Frage dazu:

245/M

„Seit eineinhalb Jahren verhandeln Sie nun schon mit den Ländern über den neuen Fi­nanzausgleich. Es wurde bereits vor Monaten eine Aufgabenreform versprochen, wo­bei zuerst die Aufgaben der Länder definiert und dann das dafür notwendige Geld zweckgebunden überwiesen werden sollte. Nun werden wiederum 35 Milliarden € für das Jahr 2017 pauschal veranschlagt. – Aus welchen Gründen wurde es verabsäumt, die angekündigte Aufgabenreform umzusetzen?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Mit der Einigung zum Fi­nanzausgleich ist es gelungen, Bewegung in ein sehr erstarrtes System zu bringen. Wir haben immer gesagt, das geht nicht auf einen Schlag, man kann nicht einfach ei­nen Hebel umlegen; wir brauchen aber einen Einstieg.

Wir haben daher in zwei Bereichen die Aufgabenorientierung fixiert. Am 1. Jänner 2018 tritt sie im ersten Bereich in Kraft, und zwar für die Elementarpädagogik, und ab 1. Jän­ner 2019 für den zweiten, den Pflichtschulbereich. Da werden die Mittel in Zukunft nicht mehr nach dem Bevölkerungsschlüssel zur Verteilung kommen, sondern nach ganz klar definierten qualitativen und quantitativen Kriterien.

Was den Bereich Kindergärten betrifft, werden die Fragen sein, wie viele Kinder zu be­treuen sind, wie die Öffnungszeiten sind, wie viele Gruppen es gibt und verschiedene andere Kriterien, durch die diese Aufgabenorientierung erreicht wird. Damit wird darge­stellt, dass das Geld auch der Leistung folgt.

Im Bereich der Abgabenautonomie, die ich auch angekündigt habe, wurde auch ein erster Schritt gesetzt, und zwar in der Fragestellung, wie wir mit den Wohnbauförder­beiträgen umgehen. Im Gegenzug dazu wurde versucht, Maßnahmen auf die Bundes­ebene zu bekommen. Zum Beispiel wird es bundesweit eine einheitliche technische Bauordnung geben.

Zusätzlich haben wir mit den Ländern ein Benchmark-System installiert, im Rahmen dessen durch die Statistik Austria Leistungen pro Einwohnerzahl abgefragt werden, nämlich wie hoch die Kosten pro Einwohner für Leistungen sind, die die Verwaltung erbringt. Wir haben vereinbart, über viele Themen das sogenannte Spending Review ein­zuführen.

Zweitens: Im Bereich Gesundheit und Pflege, wo die Kosten am dramatischsten anstei­gen, wurden zwei Kostendämpfungspfade entwickelt, wobei der Kostendämpfungspfad Gesundheit zur Anstrengung für die Reformen mit 3,6 beginnt und auf 3,2 herunter­gehen wird. Zusätzlich ist im Bereich der Gesundheit vereinbart, dass in Zukunft die


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Planung und Steuerung des stationären Bereichs durch die Bundeszielsteuerungskom­mission und nicht mehr durch die Länder erfolgen.

Nicht zuletzt wurde festgestellt – neben vielen Details, die auch im Bereich anderer Maßnahmen verhandelt wurden –, dass die Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden übereinkommen, auf Basis des Österreich-Konvents und der Vorarbeiten, die geleistet wurden, bis 2018 eine umfassende Aufgaben- und Bundesstaatsreform vor­zulegen.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Herr Minister, wenn man die Aufga­be, die Länder endlich an die Kandare zu nehmen, als Achttausender bezeichnet, dann muss man sagen, dass Sie mit dem, was Sie jetzt geschildert haben, noch nicht einmal einen ersten Schritt gemacht haben, dass Sie gerade einmal den Rucksack gepackt haben. Das heißt, da liegt noch unglaublich viel Arbeit vor uns. Sie haben wieder eine Gelegenheit ausgelassen, die Länder entsprechend in die Schranken zu weisen, denn Sie als Finanzminister haben das ja in der Hand, Sie könnten ja den Ländern über den Finanzausgleich jederzeit diktieren, wie die Sache zu laufen hat. Diese Chance wurde verpasst. Warum haben Sie diese Chance nicht ergriffen, obwohl Sie uns das vor ein­einhalb Jahren zugesagt haben?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Die Maßnahmen, die ich genannt habe – Aufgabenorientierung, Abgabenautonomie, interkommunale Zusammen­arbeit, mehr Transparenz bei den Finanzströmen, Haftungsobergrenze, Spekulations­verbot –, sind alle in diesem Paktum enthalten. Jetzt können Sie nach Ihrem politi­schen Verständnis, das sich nicht mit meinem deckt, argumentieren, dass man ja alles auf einen Schlag machen kann.

Der entscheidende Punkt war aber: Schaffen wir es, aus dem starren System auszu­brechen und Maßnahmen zu setzen, um in diesen Umstieg zu kommen? – Das ist ge­lungen, und daher kann ich nur noch darauf hinweisen: Wenn man sich die Diskus­sionen angeschaut hat, wer wofür oder wogegen war, dann kann man sagen, dieser Schritt ist gelungen. Wenn Sie meinen, wir sollten auf einen Achttausender steigen, dann müssten Sie auch wissen: Man geht zuerst ins Basislager!

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Schellhorn, bitte.

 


Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Guten Morgen, Herr Bun­desminister! Im Zuge des Finanzausgleichs haben Bund, Länder und Gemeinden ver­einbart, dass sie bis Ende 2018 eine Bundesstaatsreform vorbereiten, aufbauend auf die Arbeiten des Österreich-Konvents.

Konkret: Welche Reformvorschläge oder -vorhaben werden im Zuge dessen umgesetzt werden?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Abgeordneter, Sie haben zu Recht auf die Ausgangsbasis verwiesen, nämlich auf die Ergebnisse des Ös­terreich-Konvents. Ich halte die meisten Ergebnisse des Österreich-Konvents für sehr gut, und daher haben wir vereinbart, dass diese Verhandlungen ausschließlich auf Ba­sis des Österreich-Konvents geführt werden. Sie wissen, dass parallel dazu vonseiten der Bundesländer eine Umsetzungsgruppe eingesetzt wurde, die da integriert wird.

Einen Punkt, der mir wichtig ist, sollte man sich – vor allem diejenigen, die noch nie einen Finanzausgleich im Detail erlebt haben – klarmachen: Der Finanzausgleich kann kein Ersatzinstrument für eine Bundesstaatsreform sein, weil jede Maßnahme, die wir


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dort setzen, entweder bundesverfassungsrelevant oder bundesfinanzverfassungsrele­vant ist. Das bedeutet, um weiterführende Schritte setzen zu können, brauchen wir auf Basis des Österreich-Konvents eine ganz klare Aufgabenreform, und es muss klar sein, dass das Grundprinzip lautet: die Zuständigkeit und die Verantwortlichkeit in eine Hand! Das ist auch mit den Ländern und den Gemeinden so vereinbart.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Prinz, bitte.

 


Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Bundesminister, ich bin persönlich froh, dass es gelungen ist, eine entsprechende gemeinsame Einigung zwischen Finanzmi­nisterium, Ländern, Städtebund und Gemeindebund als Verhandlungspartner zu errei­chen, und dass es auch gelungen ist, Bereiche abzudecken, die für den Einzelnen wichtig sind, auch wenn sie in der Summe nicht groß sind. Denken wir zum Beispiel an den Wegfall des Spitalskostenbeitrags bei Kindern oder auch an die zusätzlichen Mittel für den Palliativbereich!

Als einen Gemeindesprecher interessiert mich aber natürlich sehr, wie das für kleinere Gemeinden, vor allem für strukturschwache Gemeinden im Finanzausgleich ausschaut. Welche Möglichkeiten sind da in Zukunft vorgesehen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Es sind mehrere Berei­che, die die Gemeinden unmittelbar betreffen. Das eine ist die von mir angekündigte Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit. Es wurde festgelegt, dass von den Bedarfszuweisungen ab 2017 auf Länderebene mindestens 15 Prozent für inter­kommunale Zusammenarbeit zu reservieren sind und ab 2020 mindestens 20 Prozent. Eingesetzt werden kann das sowohl für strukturschwache Gemeinden oder auch all­fällig für die Förderung von Gemeindefusionen, wie sie ja zurzeit gerade auch in Ober­österreich entschieden worden sind.

Zum Zweiten wird es einen Strukturfonds geben, auf den sich der Städtebund und der Gemeindebund geeinigt haben, es werden circa 60 Millionen € aus den Mitteln, die vereinbart sind, zur Verfügung stehen. Die Vergabe dieser Mittel wird vom Österreichi­schen Gemeindebund erarbeitet, und mit Zustimmung des Städtebundes wird entspre­chend investiert. Dadurch haben wir einen abgestuften Bevölkerungsschlüssel durch die zwei Aufgabenorientierungen erreicht. Diese zusätzlichen Maßnahmen haben wir gesetzt

Dann darf ich noch erwähnen, dass wir hier im Parlament einen Gesetzentwurf ein­bringen werden, um für die nächsten zwei Jahre 175 Millionen € an Investitionsförde­rung für die Kommunen zur Verfügung stellen zu können.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, der des Herrn Abgeord­neten Dr. Matznetter. – Bitte.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister! Die OECD geht schon jahrelang gegen Steueroasen aller Art vor. Ich erinnere daran, dass es unter Ihren Amtsvorgängern für Österreich ja oft schwierig war, nicht auf graue und schwarze Listen zu kommen. Nunmehr ist auch die EU-Kommission dabei, die Steueroasen in diversen EU-Mitgliedstaaten auszutrocknen. Ich erinnere daran, dass Irland gestern vor dem EuGH gegen die Entscheidung der EU-Kommission wegen einer unerlaubten Beihilfe in Höhe von 13 Milliarden € an Apple durch Irland vorgegangen ist.

Es kann passieren, dass Österreich wegen seiner Bestimmungen zur Gruppenbe­steuerung ebenfalls wieder in den Fokus kommt, obwohl wir diesen Bestimmungen in den letzten zehn Jahren, seit dem Wiedereintritt der SPÖ in die Bundesregierung, ja eigentlich die Giftzähne gezogen haben. In diesem Zusammenhang daher auch gleich die Frage:


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250/M

„Was sagen Sie zum SPÖ-Vorschlag, dass statt der Gruppenbesteuerung bei der Kon­zernbesteuerung alle Tochterunternehmen einbezogen werden und daher der Konzern­gewinn besteuert wird, wobei im Ausland bezahlte Steuer angerechnet werden darf?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Es ist richtig, dass vor allem auf europäischer Ebene durch BEPS-OECD-Maßnahmen versucht wird, diese Steuergestaltungsmöglichkeiten, die ja zu einem beträchtlichen Teil offensichtlich legal sind, einzudämmen.

Die Gruppenbesteuerung ist ein wesentlicher Bestandteil für den Standort Österreich. Sie ist mehrfach korrigiert worden, wie Sie selbst schon erwähnt haben, ob das nun die Vollstreckungshilfen sind, die Verlustzuweisung, der Verlustdeckel oder der Umstand, dass nur noch beim Tatbestand des wirtschaftlichen Ausscheidens definiert wird, oder auch die Frage, für welche Länder das überhaupt anzuwenden ist. Bisher bestand kein Anlass zu einer Diskussion, ob diese Maßnahme nicht konform sei.

Ihr konkreter Vorschlag ist nach Ansicht des BMF nicht umsetzbar. Gewinne ausländi­scher Tochtergesellschaften unterliegen nämlich nicht der österreichischen Besteue­rungshoheit. Weder das nationale Steuerrecht noch die von Österreich abgeschlos­senen Doppelbesteuerungsabkommen sehen ein Besteuerungsrecht für Österreich an Gewinnen ausländischer Körperschaften vor. Diese kommen ausschließlich dem An­sässigkeitsstaat der ausländischen Körperschaft zu, was auch der gängigen Abkom­menspraxis der Vertragsstaaten entspricht. Gewinne ausländischer Gruppenmitglieder sind daher für Zwecke der Gruppenbesteuerung aus der heutigen Sicht unbeachtlich.

Zudem würde das vorgeschlagene Modell zu einer endgültigen und ungedeckelten Be­rücksichtigung ausländischer Verluste führen, die wir ja jetzt bewusst eingeschränkt haben, und im Gegensatz zu der Zeit, wo die Verlustberücksichtigung lediglich tem­porär ist, erfolgt eine Nachversteuerung im Inland bei Verlustberücksichtigung bezie­hungsweise Ausscheiden im Ausland.

Von Komplexität ist noch nicht zu sprechen, aber ich denke, die Gruppenbesteuerung ist ein gutes Instrument für die Standortpolitik in Österreich. Daher denke ich, dass sie so, wie sie jetzt korrigiert wurde, auch aufrechterhalten bleiben sollte.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundesminister! Der nicht gera­de als Kryptokommunist bekannte CDU-Finanzminister Schäuble hat vor Kurzem einen Referentenentwurf vorgelegt, in dem sehr scharf auf die Ergebnisse von Panama-Leaks und Bahama-Leaks eingegangen wird, unter anderem dadurch, dass eine Offen­legungspflicht für solche in Steueroasen angesiedelten Gesellschaften vorgeschrieben wird, dass die Finanz- und Bankinstitute in die Pflicht genommen werden. Auf dem Weg, diese Dinge anzuerkennen, ist – ich sage einmal – eine sehr scharfe Form der Be­kämpfung vorgenommen worden.

Können Sie sich vorstellen, dass wir eine solche Bestimmung auch in unser Steuer­recht übernehmen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Zum einen sind wir ja lau­fend dabei, diese Veränderungen durchzuführen – Country-by-Country-Bail-Reporting, Verrechnungspreisdokumentationsgesetz, all diese Maßnahmen sind in Umsetzung.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 25

Deutschland hat eine etwas andere Ausgangssituation, weil dort steuerrechtliche Mög­lichkeiten vorhanden sind, die es in Österreich nicht gibt. Wir werden uns jeden dieser Vorschläge anschauen und prüfen, ob das auch für uns geeignet ist.

Wir haben ja zum Beispiel im Gegensatz zu Deutschland bereits ein Kapitalabfluss- und Kapitalzuflussgesetz gemeinsam hier im Parlament verabschiedet, das uns auch ent­sprechende Möglichkeiten gibt.

Sollten weiterführende Vorschläge da sein, die uns helfen, dieses Problem der Steuer­gestaltung unter Kontrolle zu bringen, bin ich jederzeit bereit, auf die Vorschläge einzu­gehen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, der des Abgeordneten Mag. Groiß. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Herr Minister! Die deutschsprachige Wirtschaft und insbesondere die Wirtschaft in Österreich ist geprägt von Klein- und Mittelbetrieben, deren Finanzierung extrem bankenabhängig ist. In letzter Zeit stellt sich aufgrund der Regulatorien immer wieder die Frage: Kommen die Klein- und Mittel­betriebe zu den entsprechenden Krediten? Auf der anderen Seite klagen die Banken­vertreter, wenn man mit ihnen spricht, über die Vorschriften, die sie haben und durch die es zu Problemen kommt, wenn es darum geht, dass sie überhaupt Kredite heraus­geben können. Derzeit tagt das Basel-Komitee, und es wird befürchtet, dass weitere Verschärfungen in diesem Zusammenhang beschlossen werden könnten.

Meine Frage:

242/M

„Wie werden Sie sicherstellen, dass im Hinblick auf Basel IV keine Einschränkungen von Unternehmensfinanzierungen die Folge sind?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Wie Sie wissen, hat Ös­terreich keinen Sitz im Basel-Komitee. Wir sind dort sehr stark von den Entwicklungen auf europäischer Ebene abhängig. Ich habe im Rahmen des Ecofin erwirkt, dass es eine klare Resolution an das Basel-Komitee gibt, dass keine Benachteiligungen euro­päischer Finanzierungsformen gegenüber anderen Finanzierungsformen erfolgen.

Die Konsultationsmechanismen mit den Banken laufen. Unsere Banken haben da sehr aktiv mitgearbeitet. Wir haben im Moment mehrere Studien vorliegen. Manche sind po­sitiv, zum Beispiel ist beabsichtigt, dass im Zusammenhang mit Krediten an Unterneh­men, wo wir derzeit ja bis zu 1 Million € begünstigte Risikogewichtung haben, die Risi­kogewichtung auch für klein- und mittelständische Unternehmen auf 85 gesenkt wird. Anders schaut das bei den Beteiligungen aus, die Banken an Unternehmen halten. Dazu laufen die Konsultationsmechanismen. Es ist eine höhere Unterlegungspflicht vor­gesehen. Man ist ursprünglich von ungefähr 400 Prozent ausgegangen, jetzt ist man in den Verhandlungen bei etwa 250 Prozent.

Alle Maßnahmen, die Basel vorschlägt, werden durch solche Studien von uns entspre­chend bewertet und beurteilt und dann jeweils über die Banken und über den Ecofin wieder eingebracht. Es wird erforderlich sein, dass es gerade im Bereich der klein- und mittelständischen Unternehmen zu keinen Verschlechterungen kommt. Es schaut der­zeit durch alle Beschlüsse, die durch G 20 und Ecofin gefasst wurden, danach aus, dass es zu keinen Verschlechterungen und Verschärfungen kommen darf.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr


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Abgeordneter.

 


Abgeordneter Ing. Mag. Werner Groiß (ÖVP): Herr Minister! Sie haben es selbst an­gesprochen: In Österreich ist ein Bankenmodell das Beteiligungsmodell, das speziell von einigen Banken durchgeführt wird. Da kommt es zu den verschärften Kapitalhinter­legungen, wie es derzeit ausschaut.

Können wir irgendwie sicherstellen, dass es nicht zu Wettbewerbsnachteilen kommt, wenn ganze Geschäftsmodelle nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt zum Tragen kommen, sei es durch Übergangsbestimmungen, Ausnahmebestimmungen oder sons­tige Aktivitäten?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Zunächst ist festzuhal­ten, dass eine Regelung des Basel-Komitees weltweit gilt. Das soll eben dazu führen, dass es zu keinen Wettbewerbsnachteilen kommt. Nun wissen wir, wenn man sich Ba­sel III anschaut, dass manche das intensiver einsetzen und manche weniger intensiv, vor allem jene Länder, wo es einen Split zwischen Investmentbanken und Geschäfts­banken gibt.

Daher sind wir dabei, auch auf der Ebene der Ecofin-Minister, tatsächlich festzulegen, dass es zu Einschleifregelungen und Übergangsregelungen kommen soll. Gerade die österreichischen Banken haben zum Teil Beteiligungen in Unternehmen, die vielleicht nicht mehr haltbar wären, wenn so hohe Unterlegungsvorschriften da sind. Richtig ist, dass man den Bereich Unternehmensbeteiligungen eigentlich erst neu ordnet, weil er bisher gar nicht in der Form geregelt war.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zur Anfrage 9, der des Herrn Abgeordne­ten Dr. Kassegger. – Bitte.

 


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesmi­nister! Ich möchte den Blick ein bisschen auf den Europäischen Stabilitätsmechanis­mus, also auf den Preis für die Konstruktion der Währung Euro, lenken. Wir wissen ja, dass Österreich an der EFSF einen Haftungsanteil von 9,7 Milliarden € hat, also 9 700 Millionen €. Wir wissen, dass wir bereits 2,2 Milliarden € in den ESM einbezahlt haben.

Meine Frage wäre:

248/M

„Wie hoch sind aktuell die Haftungen Österreichs beim ESM?“

Und: Wie wäre das Prozedere – Stichwort: Rufkapital –, wenn diese Haftungen schla­gend würden?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Der Anteil Österreichs am Kapital des ESM liegt bei 2,8 Prozent, das entspricht 2,2 Milliarden €, um es genau zu sagen: 2 226 720 000 €. Das Rufkapital ist 17 257 000 €, sodass ein gezeichnetes Kapital von 19 483 000 000 € vorhanden ist. Der gesamte ESM verfügt derzeit über ein Kapital von rund 705 Milliarden €, das ist die Relation zu Österreichs Anteil.

 


Präsidentin Doris Bures: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): In den letzten Wochen ist in den Medien immer wieder berichtet worden, dass die Wirtschaft Italiens strauchelt, dass Italien potenziell der Herd einer neuen Eurokrise sei. Schauen wir uns die Erfahrungen aus Griechenland an und setzen wir das in Relation zu Italien: Italien ist mehr oder


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weniger das Zehnfache von der Fläche her. Wir wissen, dass Italien 17,5 Prozent An­teile an EZB, ESM et cetera hat. Griechenland hat 2 Prozent, also das birgt für Italien das zehnfache Risikopotenzial.

Meine Frage: Gibt es in Ihrem Ministerium Risikoszenarien und Beurteilungen dieses Risikos? Was könnte da auf uns zukommen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Die Vertretung im ESM überprüft jede Risikolage in jedem Land im Gouverneursrat und auch im Board of Directors permanent. Es gibt laufend Berichte durch den Chef des ESM, Klaus Regling, über die Risikosituation in den Ländern. Was Italien anlangt, haben wir eine Sonder­situation bei den Banken. Es soll eine Bad Bank mit einem Volumen von Non-per­forming Loans von etwa 360 Milliarden € entstehen. Sie werden aber keinerlei europäi­sche Hilfestellungen in Angriff nehmen, weil es sonst ein Beihilfeverfahren geben müss­te, und das ist bei der EU-Kommission nicht beantragt.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 10. Anfrage, der des Abgeordneten Mag. Rossmann. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): „Der Finanzausgleich in seiner heu­tigen Form ist undurchschaubar und durch viele Finanzströme ineffizient. Da muss drin­gend aufgeräumt werden. Es kann nicht sein, dass einer bestellt und der andere zahlt. Das wollen und werden wir ändern.“

Herr Finanzminister, das haben Sie uns bei Ihrer Budgetrede im letzten Jahr erzählt. Aus diesen dringenden Aufräumarbeiten, von denen Sie sprechen, ist aber offenbar nichts geworden. Das System, dass einer bestellt und der andere zahlt, gibt es immer noch. Das Transferchaos gibt es immer noch, von Transparenz kann keine Rede sein, und auch die Ineffizienzen werden nicht beseitigt.

Ich finde es daher schon verwegen, dass dieser Minimalkompromiss, der hier vorliegt, als „Einstieg in den Umstieg“ bezeichnet und auch noch groß abgefeiert wird. Es ist doch bestenfalls ein Einstieg in fünf weitere Jahre der Verschwendung von Steuergel­dern – nach neun Jahren Stillstand, im Übrigen.

Wieder einmal ist ein Finanzminister – in diesem Fall sind es Sie – vor den mächtigen Landesfürsten eingeknickt, die vor allem eines im Sinn haben: die Wahrung ihrer Be­sitzstände am Steuerkuchen und die Aufrechterhaltung der bestehenden Strukturen. Ich finde, den Landeshauptleuten ist das wieder einmal mit Bravour gelungen.

Meine Frage daher an Sie, Herr Finanzminister:

252/M

„Wieso bezeichnen Sie das Verhandlungsergebnis des neuen Finanzausgleichs als be­deutenden Wurf, wenn die zentralen Schwachstellen und damit die Tendenz zur Ver­schwendung von Steuermitteln weiterhin bestehen bleiben?“

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Falls Sie das Paktum ge­lesen haben – wovon ich nach Ihren Ausführungen nicht ausgehe –, werden Sie wis­sen, dass immer von dem Programm die Rede war: Wo wollen wir hin und wie steigen wir ein? Und da ist der entscheidende Punkt: Ist ein Einstieg geschafft oder nicht? – Ich habe das bei der Anfrage des Abgeordneten Lugar ja schon ausführlich behandelt.

Weil Sie sagen, der Verschwendung seien Tür und Tor geöffnet: Es gibt ein massives Programm, wie wir vorgehen werden. Die Transparenzdatenbank wird von Oberöster-


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reich zu 100 Prozent befüllt, von allen anderen Ländern bei Energie und Umwelt, das macht etwa 70 Prozent des Volumens aus. Spending Reviews werden eingesetzt wer­den, jede Aufgabe und jede Ausgabe wird analysiert werden. Es gibt ein verbindliches Benchmark-System, jede Ausgabe auf Landesebene wird kontrolliert, gebenchmarkt. Das geschieht innerhalb des Landes und zwischen den Ländern, und zwar mit Daten­material der Statistik Austria und unter Koordinierung des Finanzministeriums. Damit sind, denke ich, schon entsprechende Schritte gesetzt worden, und das, das Sie zu Recht kritisieren, ist eingedämmt worden.

In der Frage der Haftungsobergrenzen, wo Sie uns immer wieder Nichthandeln vorge­worfenen haben, gibt es eine Lösung: In Bezug auf das Spekulationsverbot haben sich jene zwei Länder, die es noch nicht umgesetzt haben, unverzüglich bereit erklärt, das umzusetzen, und auf Bundesebene wird eines installiert werden.

Natürlich kann man sich hinstellen und sagen: Das ist alles nichts! – Etwas anderes hät­te ich aber, ganz ehrlich gesagt, von Ihnen auch nicht erwartet.

 


Präsidentin Doris Bures: Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): Ankündigungen habe ich viele auch schon in Pakten der Vergangenheit gelesen, aber sie sind nie verwirklicht worden. Im Übrigen habe ich das Paktum sehr genau gelesen, und wenn ich mir die Ankündigung zur Aufgabenorientierung anschaue, dann muss ich feststellen, dass da ein Etiketten­schwindel vorliegt. Diese Ankündigung beschränkt sich lediglich auf die Ländertöpfe, die Gemeinden werden zur Gänze ausgespart. Das ist mir völlig unverständlich! Exper­tInnen sprechen daher davon, dass wir eigentlich jetzt weniger statt mehr Aufgaben­orientierung haben.

Zudem ist auch offen, ob die Transfers der Länder an die Gemeinden überhaupt in die Aufgabenorientierung einbezogen werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann kann es auch zu keiner Transferentflechtung kommen. Das heißt, dass es zu keiner Zusam­menführung von Aufgabenverantwortung und Finanzierungsverantwortung kommt. Herr Minister, das, was hier im Paktum vorliegt, ist nichts anderes als ein Etikettenschwin­del!

Im Übrigen beschränkt sich die Aufgabenorientierung auf ein einziges Pilotprojekt, näm­lich die Kinderbetreuung im Bereich der Elementarbildung und der Pflichtschulen, die Nachmittagsbetreuung. (Ruf bei der ÖVP: Die Frage! Kein Koreferat!) Von weiteren Bereichen ist im Paktum überhaupt nicht die Rede.

Herr Finanzminister, warum sprechen Sie angesichts dieses Etikettenschwindels von einem „Einstieg in den Umstieg“?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Herr Abgeordneter Ross­mann, wenn ich Ihnen so zuhöre, muss ich sagen, man sollte ein Spekulationsverbot für Redebeiträge erlassen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Es ist selbstverständlich klargelegt, dass nach dem Start der Aufgabenorientierung für die beiden von Ihnen dargestellten Elemente – Elementarpädagogik und Bildung – un­verzüglich (Abg. Rossmann: Das steht nicht im Paktum drinnen, sorry!) weitere Maß­nahmen gesetzt werden. Das gilt übrigens auch für die Abgabenautonomie, das wüss­ten Sie, wenn Sie es gelesen hätten. (Abg. Rossmann: Das steht nicht drinnen!) Dort steht auch, dass unverzüglich weitergearbeitet wird. Ich kann Ihnen das gerne dann noch vorlesen.

Der zweite Punkt, der von entscheidender Bedeutung ist: Die Entscheidung, die wir wollten, ist, dass in der Elementarpädagogik die Mittel direkt an die Kommunen gehen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 29

Aufgrund verschiedener Finanzierungssysteme der Länder gilt das aber nicht. Wenn Sie es wirklich gelesen haben, dann wissen Sie (Abg. Rossmann: Das steht nicht drin­nen!), dass dort steht, dass die Verteilung der Mittel nach qualitativen und quantitativen Kriterien auf beiden Ebenen erfolgt, und die Kriterien sind zum Beispiel Öffnungszeiten, Anzahl der Kinder, Anzahl der Gruppen. Das gilt sowohl für die Länder als auch für den Bund. Ich war im Gegensatz zu Ihnen dabei und weiß, was besprochen wurde. (Abg. Rossmann: Aber ich habe das Paktum gelesen!)

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gusenbauer-Jä­ger, bitte.

 


Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Herr Bundesminister! Ich begrüße die Aufgabenorientierung in der Kinderbetreuung als Pilotprojekt sehr.

Die Gemeinden sind auch für die Pflege verantwortlich. Jene, die Pflege brauchen, und deren Angehörige wollen so lange wie möglich zu Hause bleiben und dann, wenn das nicht mehr möglich ist, in eine geeignete Einrichtung im Ort. Ich denke, wenn das Geld für diesen Bereich direkt zu den Gemeinden kommen würde, dann könnten geeigne­tere, kleinere Einrichtungen in jedem Ort errichtet werden. – Würden Sie diese Vorge­hensweise begrüßen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: In Bezug auf die Pflege gibt es folgende Vereinbarungen: Erstens: Der Pflegefonds wird fortgeschrieben. Das ist ein entscheidendes Mittel gewesen, weil man sonst die Pflegefinanzierung komplett neu hätte aufsetzen müssen.

Gemeinsam wurde von den Ländern und den Gemeinden bei der Pflege ein sogenann­ter Kostendämpfungspfad festgelegt, der mit 4,6 Prozent relativ vernünftig angesetzt wurde, weil gerade in diesem Bereich die Kosten enorm ansteigen. Parallel dazu wird der Pflegefonds für die Jahre 2018 und folgende mit 4,5 Prozent Valorisierung dotiert, sodass sichergestellt ist, dass die Pflegebetreuungen entsprechend ausfinanziert sind.

Ich stimme Ihnen aber zu, dass bei der Aufgabenreform das zentrale Thema die Frage sein wird: Wo ordnen wir die Verantwortlichkeit dafür zu? Und wenn man dann fest­stellt, es soll eine reine Länderverantwortlichkeit oder eine reine Kommunenverantwort­lichkeit werden, ist zwingend erforderlich, auch die Finanzströme zu verändern.

 


Präsidentin Doris Bures: Es gibt eine weitere Zusatzfrage von Herrn Abgeordnetem Ing. Schultes. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Der Finanzausgleich ist ja wirklich ein großartiges Kunstwerk der Zusammenarbeit und der Partnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und für viele Spezialisten und Theoretiker ein interessantes Betätigungsfeld. – Wir haben es gerade bei Kollegen Rossmann gesehen, man kann sich darin auch verfranzen. – Für die Menschen, die uns heute zuhören, wäre wichtig, die Antwort zu bekommen auf die Frage: Wie wirkt sich der Finanzausgleich auf die Sicherstellung unserer Gesundheits- und Pflegesysteme aus, und zwar für die Menschen selbst, und was können sie erwarten?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Zur Pflege habe ich schon kurz erläutert, wie das dort vereinbart wurde. Dazu ist auch erforderlich und vereinbart, dass entsprechende Bundesgesetze erlassen werden, um diesen Kostendämpfungs­pfad sicherzustellen. Das war weniger ein Thema mit den Ländern, sondern vielmehr ein Thema mit dem zuständigen Ministerium.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 30

Bei der Gesundheit setzen wir den erfolgreichen Kostendämpfungspfad aus dem Jahr 2013 bis 2016 fort. Unterschiedlich sind zwei Dinge: Erstens: Der Kostendämpfungspfad wird degressiv, das heißt, er kommt von 3,6 Prozent und geht auf 3,2 Prozent, weil sich alle darauf verständigt haben, entsprechende Reformschritte zu setzen. Und weil immer wie­der gefordert wird, da klare Verhältnisse zu schaffen, haben die Länder im Gegenzug zugestimmt, dass die Planung und Steuerung für den stationären Bereich in Zukunft über die Bundeszielsteuerungskommission und nicht mehr durch die Länder erfolgt. Die Bundeszielsteuerungskommission ist mit Vertretern des Bundes, der Sozialversi­cherung und der Länder besetzt, und es herrscht dort das Einstimmigkeitsprinzip. Da­mit hat der Bund erreicht, im Gesundheitsbereich eine verbesserte Planung im statio­nären und niedergelassenen Bereich umsetzen zu können, was uns bisher nicht mög­lich war.

 


Präsidentin Doris Bures: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Zanger, bitte.

 


Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Die Ertragsanteile der Gemeinden werden nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel berechnet. Und wenn man die auf das Pro-Kopf-Ergebnis je Bundesland umrechnet, dann kommen da sehr unter­schiedliche Zahlen heraus. So ist zum Beispiel ein Salzburger, ein Vorarlberger oder auch ein Wiener nach Abzug der Bedarfsanweisungsanteile, die auch in den anderen Ländern abgezogen werden, rund 1 000 € wert und ich als Steirer nur 800 €. – Warum?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Also, ich glaube, zwi­schen 100 000 € und 800 € müssen wir jetzt schon unterscheiden: Reden wir von 1 000 € oder von 100 000 €? (Abg. Zanger: 1 000 €!) Das möchte ich klarstellen, denn das wäre schon ein bisschen eine hohe Differenz.

Genau das war ja ein Grund dafür, dass wir gesagt haben, es gilt, zwei Dinge zu tun: Erstens wollen wir in die Aufgabenorientierung einsteigen, um aus dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel herauszukommen und aufgabenorientiert zu finanzieren. Das ist in diesen beiden Bereichen gelungen, und seien Sie versichert, es werden weitere folgen.

Der zweite Bereich ist der Spezialfonds, in dem sich Städte und Gemeinden ausgegli­chen haben. Im dritten Bereich sollte man sich sehr genau anschauen, wie sich das innerhalb der Strukturen verhält. Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen ha­ben wir eine Studie vorgelegt, wie sich das durch Transferzahlungen verwirft. Da stellt sich heraus, dass kleinere Kommunen eher überproportional finanziert werden.

Ein dritter Punkt ist folgender – und das, so hoffe ich, wird in dem Zusammenhang auch helfen –: Es ist gelungen, dass die Bundesländer untereinander eine Vereinba­rung über den sogenannten horizontalen Finanzausgleich geschlossen haben, der eben­falls zu einem Ausgleich der Verwerfungen zwischen den Bundesländern führt. Und auch diese Maßnahme wird helfen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 11. Anfrage, der des Abgeordneten Ing. Vogl. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Die SPÖ hat schon im Jahr 2013 eine Steuerreform gefordert, und wir haben sie den Menschen versprochen. Worum ging es uns dabei? – Uns ging es dabei vor allem darum, dass wir die Einkommen aus Arbeit entlasten wollten, damit die hart arbeitenden Menschen in diesem Land mehr Netto vom Brutto haben. Worum es uns auch ging, war, dass wir mit dem Effekt davon, dass die Menschen mehr Geld zum Ausgeben haben, natürlich auch die Wirtschaft durch den privaten Konsum stimulieren und damit für mehr Wachstum sorgen wollten. Herr Minister, Sie haben jetzt schon die Zahlen vorliegen. Meine Frage:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 31

251/M

„Wie hat sich die Steuerreform auf privaten Konsum und Wirtschaftswachstum ausge­wirkt?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Sie wissen, dass die Steuerreform des Jahres 2013 ein Grund dafür war, dass ich 2014 Minister wurde. Die Frage, die lange diskutiert wurde, haben in der Zwischenzeit mehrere internationale und nationale Institutionen untersucht. Tatsächlich sind die Auswirkungen der Tarifreform, die wir gemacht haben, auf den Konsum äußerst positiv.

Weil von einem Abgeordneten vorhin auf die Mehrwertsteuer hingewiesen wurde: Sie steigt deutlich mehr als das Wachstum. Das heißt, der private Konsum ist sehr wohl eine treibende Kraft. Offiziell sagen die Wirtschaftsforscher, dass der private Konsum von heutigen 0,4 Prozentpunkten bis zu 0,7 Prozentpunkten im Jahr 2019 zum Wirt­schaftswachstum beitragen wird. Damit hat er Österreich auf einen Wachstumspfad zu­rückgebracht, der unter 1 Prozent lag und jetzt vermutlich stabil bei 1,5 Prozent liegen wird. In ziemlich genau einer Stunde wird die EU-Kommission die Herbstprognose ver­öffentlichen, und ich gehe von einem stabilen Ausblick aus.

Insgesamt deutet alles darauf hin, dass der private Konsum schlussendlich auch In­vestitionen auslösen wird, die leicht zeitversetzt kommen, sodass wir davon ausgehen, dass die Steuerreform ihre Wirkung erzielt.

 


Präsidentin Doris Bures: Gibt es noch eine Zusatzfrage? – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Kollege Rossmann hat darauf hingewiesen, dass durch die kalte Progression gerade die unteren Einkommen überproportional stark belastet werden. Darum war es uns ja auch wichtig, bei der Lohnsteuerreform dafür zu sorgen, dass die Bezieher kleiner Einkommen mehr Geld zur Verfügung haben, weil wir davon ausgehen, dass überproportional viel Geld in den Konsum fließt, wenn kleine Einkommen entlastet werden, während bei den höheren Einkommen eher die Sparquo­te steigt. Können Sie auch diesen Effekt durch die Lohnsteuerreform bestätigen?

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Es ist zu früh, sich das jetzt im Detail pro Tarifstufe anzuschauen. Richtig ist, dass von den unteren Einkom­men natürlich mehr in den Konsum geht, im oberen Einkommensbereich zum Teil mehr in Investitionen. Wir haben zusätzlich zur Steuerreform Maßnahmen gesetzt. Ich erinnere daran, dass wir bei den unteren Einkommen eine Negativsteuer eingeführt ha­ben, ich erinnere daran, dass wir den Einstiegssteuersatz von über 36 Prozent auf 25 Pro­zent gesenkt haben, weil die unteren Einkommensklassen ja sozusagen bis in den Mittelbereich hineinreichen. Daher gehen wir davon aus, dass die Entlastungswirkung bei den kleineren Einkommen stärker war. Wir können aber noch nicht nach Tarifstufen gegliedert analytisch nachweisen, wie die Auswirkungen im Detail sind, da noch nicht einmal ein Jahr abgeschlossen ist.

Die kalte Progression steht bei mir immer wieder im Vordergrund und im Fokus. Ich glaube nämlich, dass es für den Finanzminister, der Budgets zu erstellen hat, sinnvol­ler ist, permanent zu entlasten, als einmal einen großen Entlastungsschub zu machen, der viel schwieriger gegenzufinanzieren ist. Und der zweite Punkt ist: Je mehr Kaufkraft wir unmittelbar in den Konsum bringen, umso besser wird unser Wirtschaftswachstum sein. Deshalb habe ich das Modell zur Bewältigung der kalten Progression vorgeschla­gen.

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zur 12. Anfrage, der des Herrn Abgeord­neten Obernosterer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 32

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Die von meinem Vorredner bereits kurz angesprochene Steuerreform hat den Österrei­chern und Österreicherinnen 5,3 Milliarden € gebracht. Die Wirtschaft wurde angekur­belt; es wurde auch eine Lohnebenkostensenkung beschlossen und eingeleitet. Die sollte ab dem Jahr 2018 jährlich circa 1 Milliarde € bringen. Damit wird die Wirtschaft angekurbelt. Arbeitsplätze werden damit geschaffen. Es gibt auch die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Arbeit. Von ihr wurde für die Klein- und Mittelbetriebe die Investitions­zuwachsprämie ausgearbeitet. Meine Frage:

243/M

„Welche Impulse für Wirtschaft und Beschäftigung erwarten Sie sich durch die KMU-In­vestitionszuwachsprämie, die in der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Arbeit erarbeitet wor­den ist?“

 


Präsidentin Doris Bures: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Die klein- und mittel­ständischen Unternehmen sind das starke Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Es kam auch Kritik an der Limitierung auf Betriebe mit bis zu 250 Beschäftigten. Ich darf darauf hinweisen, dass die Mehrheit, die große Mehrheit aller Betriebe, auch der Industriebetriebe, in Österreich unter 250 Beschäftigte hat und daher natürlich diese Prämien lukrieren kann.

Es gibt dazu einen Pilotversuch in Salzburg, und dort kann man sich die Auswirkungen sehr genau anschauen. Das System ist so aufgesetzt, dass wir in zwei Tranchen ins­gesamt 175 Millionen € für diese Förderung von Zusatz- und Neuinvestitionen einset­zen werden. Wir schätzen, dass dadurch Investitionszuwächse im Ausmaß von 1,2 Mil­liarden € ausgelöst werden. Sie wissen, dass Investitionskosten im Bereich von Unter­nehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern mit bis zu 15 Prozent und im Bereich darüber mit 10 Prozent der Kosten zwei Jahre lang gefördert werden können.

Die zweite Maßnahme, die häufig vergessen wird, sollte auch helfen, Wirtschaftswachs­tum und Arbeitsplätze zu generieren. Im Rahmen desselben Konzepts stellen wir den­selben Betrag auch für kommunale Investitionen bereit, sodass auch dort vor allem die klein- und mittelständische Wirtschaft gefördert wird, Investitionen angereizt werden.

Wir gehen davon aus, dass das Ziel erreicht wird und sich die getätigten Ausgaben selbst finanzieren.

 


Präsidentin Doris Bures: Möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? – Bitte.

 


Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Wir kennen im Grunde genommen aus allen Diskussionen die Klagen über die Bürokratie, die Regulierungen, Vorschriften und Auflagen gerade für die Wirtschaft und natürlich auch für den Privat­bereich. Dazu gibt es eine Arbeitsgruppe, und es ist angedacht, das jetzt wirklich schwerpunktmäßig und in die Tiefe reichend anzugehen und umzusetzen, weniger zu regulieren und mehr zu entbürokratisieren. Welche Zuwächse beim Wirtschaftswachs­tum erwarten Sie sich durch weniger Bürokratie und weniger Reglementierungen?

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Es ist natürlich nicht eins zu eins abzuschätzen, welche da Wachstumsfaktoren entstehen. Die Entlastung hat zwei Elemente, erstens die Kostenentlastung und zweitens die emotionale Entlas­tung, denn die Barriere ist ja auch im Kopf. Wir haben jetzt in diesem Zusammenhang ein Papier vorgelegt und im Ministerrat beschlossen. Das ist leider der Öffentlichkeit etwas verborgen geblieben, weil die gesamte Diskussion zu diesem Thema bei der


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 33

Reform der Gewerbeordnung hängengeblieben ist. Ich nenne jetzt nur wenige Beispie­le, weil ich ein sehr enges Zeitkorsett habe.

Wir haben gesagt, es muss für die Verwaltung, für die Bürger und für die Unternehmen Entlastungen geben. Ein Beispiel im Bereich Bürger: Wir werden das Meldesystem so in eine vollelektronische Abwicklung integrieren, dass dann, wenn jemand den Wohnort wechselt, es das System selbst übernimmt, dass alle betroffenen Institutionen von der Adressänderung informiert werden, also Kfz-Zulassungsbehörde, Finanzamt, Sozialver­sicherung, Vereinsregister und so weiter. Daran sieht man, dass wir einen Weg der Ent­lastung beschreiten.

Ein Beispiel der digitalen Entbürokratisierung für Unternehmen und Bürger: Es wird ein Shared-Service-Portal geben, in dem das Unternehmensserviceportal und „HELP.gv.at“ zusammengeschlossen werden. In Zukunft werden alle Formulare auf elektronische um­gestellt, es wird also nicht mehr notwendig sein, es als PDF downzuloaden, dann hän­disch auszufüllen, dann einzuscannen und zurückzuschicken, sondern es funktioniert durchgehend elektronisch.

Neben den großen Dingen haben wir auch kleinere Dinge bewegt, nämlich dass zum Beispiel im Bereich des Eichwesens die Fristen verlängert werden, die davor zu ziem­lich großen Problemen geführt haben.

Im Bereich Familien wird es FABIAN geben, das heißt, auch die Verfahren für die Fa­milienbeihilfen werden elektronisch abgewickelt.

Das alles wird arbeitsmäßig, kostenmäßig, aber auch emotional eine entsprechende Entlastung bringen.

 


Präsidentin Doris Bures: Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es sind alle Anfragen zum Aufruf gelangt, daher erkläre ich die Fragestunde für been­det.

10.12.50Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Schriftliche Anfragen: 10701/J bis 10748/J

Zurückziehung: 10595/J

Schriftliche Anfrage an die Präsidentin des Nationalrates: 35/JPR

B. Zuweisungen:

Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 92 betreffend „Verbesserung der Postversorgung in der Berggemeinde Weer­berg“, überreicht vom Abgeordneten Hermann Gahr

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 34

10.13.05Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 9704/AB

 


Präsidentin Doris Bures: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 9704/AB der Anfrage 10127/J der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beiträge an die Krankenversicherung für Pensio­nisten durch den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ab­zuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erledi­gung der Tagesordnung, jedoch spätestens um 15 Uhr statt.

10.13.49Fristsetzungsanträge

 


Präsidentin Doris Bures: Weiters habe ich vor Eingang in die Tagesordnung mitzu­teilen, dass Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek beantragt hat, dem Außen­politischen Ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1887/A(E) der Abgeord­neten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei eine Frist bis 13. Dezember 2016 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren.

Diese kurze Debatte wird im Anschluss an die Debatte über die Anfragebeantwortung stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird dann nach Schluss dieser Debatte erfolgen.

*****

Darüber hinaus teile ich mit, dass vor Eingang in die Tagesordnung der Abgeordnete Dr. Scherak beantragt hat, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 840/A der Abgeordneten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird, eine Frist bis zum 24. Dezember 2016 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlung in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 7 bis 13 sowie 14 und 15 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Dann gehen wir in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 35

von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 95, FPÖ 88, Grüne 74 sowie NEOS und STRONACH je 39 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Ta­gesordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 20 Minuten. Da­rüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.16.561. Punkt

Wahl einer Ordnerin/eines Ordners

 


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Aufgrund des Funktionsverzichts des Abgeordneten Christoph Hagen ist die Wahl ei­nes Ordners vorzunehmen.

Der Wahlvorschlag des Parlamentsklubs Team Stronach lautet auf Abgeordnete Mar­tina Schenk.

Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich im Sinne des § 87 Abs. 7 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung hierüber nicht mit Stimmzetteln, sondern durch Erheben von den Sitzen abstimmen lassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Wahl, und ich ersuche jene Damen und Herren, die für den Wahl­vorschlag des Parlamentsklubs Team Stronach sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Somit ist Frau Abgeordnete Schenk zur Ordnerin gewählt.

Ich frage Sie, Frau Abgeordnete, ob Sie die Wahl annehmen. (Abg. Schenk: Ich neh­me die Wahl an!) – Ich gratuliere Ihnen.

Dieser Tagesordnungspunkt ist somit erledigt.

10.18.152. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1809/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die National­rats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahl­ordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert sowie das Volksbegehrengesetz 2018 und das Wählerevidenzgesetz 2018 erlassen werden (Wahlrechtsänderungsge­setz 2017) (1298 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Scherak. Ich stelle Ihnen 6 Mi­nuten freiwillige Redezeitbeschränkung ein. – Bitte.

 


10.18.48

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sie dürfen jetzt der spannenden Diskussion zum Zentralen Wählerregister lauschen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 36

Es ist ja an und für sich, müsste man meinen, ein schöner Tag, weil wir jetzt endlich ein zentrales Wählerregister bekommen, nachdem die Regierungsparteien da lange Zeit nicht weitergekommen sind. Und da könnten wir uns ja eigentlich gratulieren, wenn nicht wie so oft der Teufel eben im Detail stecken würde.

Vorweg einmal das Positive: In Zukunft soll es möglich sein, dass wir Volksbegehren nicht nur in der Hauptwohnsitzgemeinde unterschreiben können, sondern dass jede Bür­gerin, jeder Bürger in jeder Gemeinde in Österreich ein Volksbegehren unterschreiben kann und zusätzlich auch noch die Möglichkeit hat, das sogar im Internet zu tun. Das heißt, es gibt da eine sinnvolle Maßnahme im Zusammenhang mit der direkten Demo­kratie.

Damit das überhaupt möglich ist, braucht es ein zentrales Wählerregister, und genau das werden wir jetzt auch einführen. Es sind auch noch andere Aspekte im Gesetz enthalten, nämlich dass solche Fehler wie bei der Bundespräsidentschaftswahl, dass junge Menschen, die noch gar nicht wahlberechtigt sind, wählen, gar nicht mehr pas­sieren können. Wir schaffen es, dass die ausgestellten Wahlkarten zentral erfasst wer­den und dass in Zukunft auch Auslandsösterreicher ein Volksbegehren unterstützen kön­nen.

All das klingt ganz gut, aber leider zeigt diese Reform auch wieder einmal, wie SPÖ und ÖVP im Kern ticken. – Um Ihnen das ein bisschen plastischer erzählen zu können, habe ich mir eine Geschichte überlegt, und zwar die Geschichte einer jungen Frau – nennen wir sie Anna S. –, die ein Volksbegehren starten will. Diese Frau startet ein Volksbegehren, mit dem sie die Schuldenbremse in die Verfassung bringen will. Sie startet dieses Volksbegehren, und weil wir in Zukunft ein Volksbegehren in jedem Ge­meindeamt unterstützen können und weil man das auch online unterstützen kann, ist dieses Volksbegehren ein durchschlagender Erfolg. Nehmen wir einmal an, das Volks­begehren hat 1,2 Millionen Unterstützer und kommt dadurch ins Parlament.

Sie alle als Abgeordnete hier wissen, wie mit Volksbegehren im Parlament oft umge­gangen wird. Wir werden das Ganze diskutieren, es wird dem aber höchstwahrschein­lich nachher nicht entsprochen werden, was leider sehr oft der Fall ist. Wir hatten das zuletzt beim Bildungs-Volksbegehren. – Das heißt: Viele Leute unterstützen ein Volks­begehren, es kommt ins Parlament, und danach geschieht nichts.

Besagte Anna S. ist somit etwas enttäuscht und denkt sich: Das kann doch nicht sein! Jetzt habe ich 1,2 Millionen Unterstützungserklärungen für mein Volksbegehren gesam­melt, und das Parlament tut nichts. – Die logische Schlussfolgerung für sie ist, dass sie bei den Nationalratswahlen kandidieren will, weil sie so unter Umständen ins Parla­ment kommt und die Möglichkeit hat, ihrem inhaltlichen Anliegen noch Nachdruck zu verleihen. Dazu muss sie naturgemäß wie jede Partei, die bei Nationalratswahlen an­treten will, Unterstützungserklärungen sammeln, und genau da fängt das Problem an – nämlich bei den Unterstützungserklärungen.

Jeder, der einmal Unterstützungserklärungen gesammelt hat, weiß, dass das nicht so einfach ist. Ich weiß, dass das grundsätzlich bei SPÖ und ÖVP schon lange her ist; jetzt gerade bei der Bundespräsidentenwahl gibt es das zum ersten Mal wieder. Das ist nicht deswegen schwierig, weil die erforderliche Anzahl bei Nationalratswahlen so hoch wäre, denn es ist ja ohne Weiteres legitim, dass eine gewisse Anzahl vorgegeben sein muss, damit es eine gewisse Schwelle gibt. Vielmehr ist das deswegen nicht so ein­fach, weil es halt in Österreich immer noch so ist, dass sich in kleineren, ländlicheren Gemeinden viele Leute nicht trauen, in das Gemeindeamt ihres Hauptwohnsitzes zu gehen und sich dort für eine Partei zu outen. (Zwischenruf des Abg. Schmucken­schlager.) – Das ist schön! Aber die ÖVP weiß genau, wovon ich rede, denn um sie geht es in vielen Gemeinden auch!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 37

Jetzt erhebt sich die Frage: Wieso ist das so? – Das liegt halt daran, dass es in Öster­reich immer noch so ist, dass man in vielen Bereichen von der Gunst der ehemaligen beiden Großparteien abhängig ist. Wenn Sie Direktor in einer Schule werden wollen, dann hilft es Ihnen nicht – sagen wir es einmal nett –, wenn Sie ein falsches Parteibuch oder gar keines haben. Genauso wenig hilft es Ihnen beispielsweise in einer kleinen Ge­meinde im Waldviertel, die eine schwarze Gemeinde ist, wenn Sie dort eine Baugeneh­migung haben wollen und davor beispielsweise für die KPÖ eine Unterstützungserklä­rung unterschrieben haben. Das hilft Ihnen zumindest nicht. (Abg. Rädler: So ein Schwachsinn! – Zwischenruf des Abg. Wöginger. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Offensichtlich treffe ich irgendwo einen Nerv! Kollege Rädler zeigt mir den Schei­benwischer! Das ist übrigens auch keine höfliche Geste! (Weiterer Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Herr Kollege Rädler, wir haben bei der letzten Nationalratswahl Unter­stützungserklärungen gesammelt, und uns wurde von Bürgerinnen und Bürgern öfters genau diese Situation geschildert. Daran, dass Sie jetzt so nervös werden, zeigt sich ja nur, dass dieses Problem offensichtlich existiert! Aber der Punkt ist … (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Irgendwie habe ich offensichtlich einen Nerv getroffen. Das freut mich sehr!

Der Punkt ist aber: Wenn das eh nicht so ist, dann hätten wir jetzt ganz einfach die Möglichkeit, diese Problematik aufzulösen. Wir regeln es ja jetzt so, dass man in Zu­kunft Volksbegehren online unterstützen kann und ein Volksbegehren in jedem Ge­meindeamt unterstützen kann – und es wäre ganz einfach, zu sagen, dass wir selbst­verständlich auch im Vorfeld von Nationalratswahlen, Europawahlen oder Bundespräsi­dentschaftswahlen den Bürgerinnen und Bürgern erlauben, dass sie in jedem Gemein­deamt unterschreiben können und nicht nur in dem Gemeindeamt, in dem sie der Ge­meindebedienstete oder der entsprechende Bürgermeister kennt.

Das ist hier nicht vorgesehen. Sie nehmen hier eine komplett unlogische Differenzie­rung vor, indem Sie sagen: bei Volksbegehren ja, bei Nationalratswahlen nein. Sie schließen eine entsprechende Möglichkeit dezidiert aus, und zwar deswegen, weil Sie als SPÖ und ÖVP halt kein Interesse daran haben, dass irgendeine neue Partei kom­men könnte und es für diese dann leichter wäre, bei Nationalratswahlen anzutreten. Das liegt natürlich wiederum daran, dass Sie Angst um Ihre Ihnen seit Jahrzehnten lieb gewordene Pfründe haben, dass Sie Angst haben, dass das rot-schwarze Machtkartell, das eh schon so sehr in Gefahr ist, noch viel schneller zerfällt!

Wir haben jetzt im Vorfeld ein bisschen diskutiert, und es hat geheißen, dass wir das dann im Jänner noch diskutieren und dann die große Reform des Wahlrechts kommt und wir uns der ganzen Sache annehmen können. – Ich sage Ihnen jetzt: Jeder, der SPÖ und ÖVP kennt, weiß, dass sie nichts weniger gern tun, als ihre Macht abzuge­ben, und jeder, der SPÖ und ÖVP kennt, weiß auch, dass das, was sie am liebsten tun, ist, all das, was ihre Macht gefährden könnte, entsprechend zu verhindern. – Inso­fern bin ich sehr pessimistisch, dass wir im Jänner zu einer sinnvollen Lösung kommen können, vor allem weil es jetzt ganz einfach gewesen wäre, das entsprechend zu re­geln, und weil Sie das aber ganz bewusst nicht tun und es somit für die Bürgerinnen und Bürger schwieriger machen, bei Wahlen passiv anzutreten.

Wir haben einen Abänderungsantrag eingebracht, der genau das vorsehen würde, näm­lich dass es auch bei Nationalratswahlen, Europawahlen und Bundespräsidentschafts­wahlen möglich ist, dass man auf jeder Gemeinde seine Unterstützungserklärung ab­geben kann. Wir haben noch gar nicht diskutiert, ob man das online machen soll – die­sen Schritt kann man ohne Weiteres zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren –, aber klarerweise soll die Möglichkeit in jeder Gemeinde bestehen. Der Abänderungsantrag wurde im Saal verteilt, weil er sehr umfassend und sehr lang ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 38

Im Ergebnis werden wir jedenfalls dem Zentralen Wählerregister natürlich grundsätz­lich zustimmen, weil das eine sinnvolle Regelung ist, wir werden aber in dritter Lesung nicht zustimmen, weil es da offenbar eine Regelung geben soll, die nur darauf abzielt, dass SPÖ und ÖVP ihr Machtkartell weiter einzementieren, die nur darauf abzielt, dass sie den Menschen keinen leichteren Zugang zur Demokratie und zur Möglichkeit, pas­siv an Wahlen teilzunehmen, geben wollen, und die klar zeigt, was sie von mehr de­mokratischer Vielfalt in diesem Land halten, nämlich gar nichts. Genau deswegen sind sie auch nicht bereit, da einen richtigen Schritt zu gehen und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte in die Hand zu geben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Das war eine Entgleisung, eine Frechheit gegenüber den Bürgermeistern!)

10.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Schie­der. – Bitte.

 


10.26.32

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Diskussion und Beschlussfassung über die Wahlrechtsreform sind, glaube ich, ein ganz wesentlicher Schritt. Ein Punkt darin wurde nämlich schon sehr lang verhandelt und ist ganz wichtig, nämlich der Punkt betreffend eine österreichweit einheitliche Wählerevidenz und ein österreichweit einheitliches Wählerregister. Das ist für die Zukunft eine wichtige Voraussetzung für eine bessere Durchführung der Wahlen, das ist auch eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Volksbefragungen, Volksbegehren und alles, was damit zusammenhängt, und es ist somit auch ein entscheidendes, zwar sehr technisches, aber wichtiges Kernstück für die Wahlrechtsreform.

Die anderen Punkte, die heute hier vorliegen, sind jene, die notwendig sind, damit die Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember gut durchgeführt werden kann, beziehungs­weise wurden damit auch gleich für alle anderen Wahlen entscheidende Klarstellungen getroffen, dass nämlich zum Beispiel der Stimmzettel entweder vom Wahlleiter oder der Wahlleiterin oder vom Wähler oder der Wählerin selbst eingeworfen werden kann. Ebenso gibt es bessere, klarere Formulierungen für die Abläufe innerhalb der Wahl­kommissionen, sodass sich diese auch helfen lassen können und dergleichen. Auch das wird damit geregelt, ebenso wie die Sprengeleinteilung für das Bundesland Nie­derösterreich.

Wenn sich der geneigte Fernsehzuschauer heute fragt: War es das jetzt mit der kleinen Wahlrechtsreform?, dann lautet die Antwort: Nein! Wir wollen die weiteren Fragen, die wir für die Wahlrechtsreform im Zuge der letzten Monate diskutiert haben, quasi im nächsten Semester, also im ersten Halbjahr 2017, auch noch finalisieren.

Ich kann auch dazu sagen: Für uns als sozialdemokratische Fraktion sind Wahlen das Kernstück der Demokratie, und dazu zählt aus diesem Grund auch jener Bereich, in welchem man genau nachdenken muss, bevor man Beschlüsse fasst, weil man damit sehr behutsam umgehen muss, denn die Demokratie lebt auch davon, wie man sie er­lebt und wie man etwas versteht und durchführt.

Daher sind wir zum Beispiel – um das hier auch klar zu deponieren – gegenüber elek­tronischen Abstimmungsmechanismen bei Wahlen sehr, sehr skeptisch, weil wir immer wieder sehen, dass das im Ausland nicht sehr gut funktioniert, und auch hinsichtlich der Missbrauchssicherheit, die schon bei anderen Möglichkeiten zur Mitbestimmung durch die Wähler in Diskussion steht, gibt es hier keine positive Antwort.

All das werden wir aber nach der Bundespräsidentenwahl intensiv diskutieren und hier auch rasch beschließen. In diesem Sinne freue ich mich aber, dass heute dieser erste Schritt für eine Wahlrechtsreform erfolgen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

10.29



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 39

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ha­gen. – Bitte.

 


10.29.29

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Auch ich kann es kurz machen. Kollege Scherak hat richtigerweise einige Punkte, die auch wir kritisieren, angesprochen. Wir sind zwar nicht grundsätzlich gegen dieses Gesetz, aber es gibt eben ein paar Kleinigkeiten, weshalb auch das Team Stronach nicht zustimmen kann.

Das gilt erstens für die Punkte im Zusammenhang mit den Unterstützungserklärungen, die von Kollegen Scherak angesprochen worden sind. Es leuchtet mir nicht ein, dass man diese Erklärung nicht überall abgeben kann. Das ist sicherlich – die Aufregung hier im Saal hat es ja bestätigt – ein Problem, das von den regierenden Parteien be­wusst so behandelt wurde, um hier vielleicht einer kleineren Fraktion das Leben etwas schwerer zu machen.

Zweitens: Dazu, was uns noch gestört hat, haben wir ja schon in vorigen Diskussionen zum Thema Bundespräsidentenwahl hier unsere Meinung abgegeben. Unserer Ansicht nach ist diese Bundespräsidentenstichwahlwiederholung eine laufende Wahl und nicht ein neuer Wahlvorgang, und deshalb haben wir uns auch daran gestoßen, dass 16-Jäh­rige, die bei der ersten Bundespräsidentenwahl im Frühjahr dieses Jahres noch nicht wahlberechtigt waren, jetzt – in einer laufenden Wahl! – in das Wählerregister aufge­nommen werden. Das ist meiner Ansicht nach demokratiepolitisch sehr, sehr bedenk­lich. Deshalb werden wir dem Ganzen nicht zustimmen.

Lassen Sie mich, da ich ja auch außenpolitischer Sprecher meiner Fraktion bin, noch etwas zu Wahlen sagen, das im Moment relativ aktuell ist: Vorgestern haben in Ame­rika die Präsidentenwahlen stattgefunden, und ich habe mich doch etwas über die Auf­geregtheit über Trumps Wahl zum neuen Präsidenten gewundert, die hier aus ver­schiedenen Richtungen, meist eher von der linken Seite, gekommen ist.

Ich sehe das nicht so negativ! Denken wir einmal nach! Österreich ist eine Demokratie genauso wie Amerika, und in einer Demokratie ist das Volk der Souverän. Das ist das Wichtigste, und die Entscheidung des Volkes, des Souveräns, ist von uns, ob es uns passt oder nicht, zu akzeptieren, meine Damen und Herren! Das möchte ich hier schon einmal deponieren. Dieses Demokratieverständnis vieler Abgeordneter oder Politiker, aber auch der Medien im Hinblick darauf, dass der Souverän, das Volk ernst zu neh­men ist, gibt mir nämlich schon zu denken, vor allem wenn ich mir gewisse Äußerun­gen, die hier immer wieder in Richtung Präsident Trump gefallen sind, auf der Zunge zergehen lasse! (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Das gibt mir zu denken, meine Damen und Herren! Ich finde es sehr bedenklich, da wir am 4. Dezember eine Stichwahl im Rahmen der Bundespräsidentenwahl haben wer­den, dass hier schon wieder versucht wird, Stimmung in eine gewisse Richtung zu ma­chen! Ich finde es bedenklich, dass wir uns als Politiker oder politische Vertreter so et­was herausnehmen, aber auch, dass sich die Medien, die von der Politik gesteuert sind, so etwas herausnehmen!

Ich sehe das mit Herrn Trump nicht so negativ, weil ich mir von Herrn Trump erwarte, dass es eine Annäherung an Russland geben wird, was vielleicht bedeutet, dass der Konflikt in Syrien und in der ganzen Nahostregion sowie diese kriegerischen Auseinan­dersetzungen, die ja Stellvertreterkriege sind, auf diese Weise besser gelöst werden können und es zu einer Befriedung dieser Region kommt, wodurch für uns viele Pro­bleme mit Flüchtlingen wegfallen würden.

Man sollte also vielleicht ein bisschen das Hirn einschalten, und vielleicht hat eben das Volk das Hirn eingeschaltet und dementsprechend reagiert. (Zwischenruf des Abg. Öl-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 40

linger.) – Herr Öllinger! Das Volk hat nämlich immer recht, wenn man in einer Demo­kratie lebt. Sind Sie der Meinung, dass das Volk nicht immer recht hat?! – Dann sind Sie nicht sehr demokratisch!

Für mich zählt der Volkswille, dieser ist zu akzeptieren, ob es uns passt oder nicht beziehungsweise von welcher Fraktion wir auch kommen. Das ist das richtige Demo­kratieverständnis. Davon sollten Sie sich eine Scheibe abschneiden! (Beifall beim Team Stronach.)

10.33


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


10.33.54

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Herr Kollege Scherak, ich muss jetzt auf Ihre Ausführungen reagieren, denn das kann man nicht so stehen lassen. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Sie haben hier vorgeworfen, dass Gemeinden Amtsgeschäfte nach Parteibuch erledi­gen und dass sie Baugenehmigungen nach parteipolitischer Präferenz erteilen würden. (Abg. Scherak: Ja, natürlich!) – Herr Kollege Scherak! Wenn Sie einen Fall kennen, in dem das so wäre, dann zeigen Sie es bei der Staatsanwaltschaft an! Zeigen Sie das an, dann gäbe es sofort eine Verurteilung! Zeigen Sie es an! (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenrufe bei den NEOS.)

Herr Kollege Scherak, wenn Sie keinen solchen Fall kennen, dann kommen Sie hier heraus und nehmen Sie den Vorwurf zurück! Wir leben in einem Rechtsstaat. Das las­sen wir uns nicht gefallen, Herr Kollege Scherak! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wögin­ger: Das ist wirklich unglaublich! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)

Nur ein Punkt, meine Damen und Herren: Wenn Sie nach Niederösterreich schauen, und wahrscheinlich war es in anderen Gemeinden nicht viel anders … (Zwischenrufe bei den NEOS. – Abg. Rädler: Sie haben keine Ahnung von der Basis!) – Das müssen Sie jetzt ein bisschen aushalten!

Da kommen ungerechtfertigte Vorwürfe, nur damit Sie selbst die Menschen aufhetzen können, um zu Ihrer eigenen Macht zu gelangen! Damit verlassen Sie Ihre eigene Par­teilinie, obwohl Sie doch immer seriös sein wollten und Anstoß an anderen Parteien genommen haben, die angeblich mit Korruptionsvorwürfen und Verschwörungstheorien arbeiten. Daher müssen Sie jetzt aushalten, dass wir Sie kritisieren! Das müssen Sie aushalten, Kollege Scherak! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nur für alle – und vor allem für die Zuseherinnen und Zuseher – noch einen Punkt dazu sagen. (Abg. Strolz: Sie haben keine Ahnung!) In den niederösterreichi­schen Gemeinden, in denen die ÖVP den Bürgermeister stellt, hat Frau Dr. Irmgard Griss die meisten Unterstützungsunterschriften bekommen. (Abg. Scherak: Und?) – Mehr Beweise, glaube ich, braucht es nicht! Es gibt da keine Probleme, wenn jemand eine Partei unterstützt. Wir leben in einem Rechtsstaat! Auf unsere Bürgermeister und auf unsere Rechtsordnung können Sie sich verlassen! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Vielleicht zeigt das auch gleich, wenn wir hier das Zentrale Wählerregister diskutieren, warum es so lange gedauert hat. Drei Jahre haben wir Dis­kussionen über die Einführung eines zentralen Wählerregisters geführt. Heute gibt es, Gott sei Dank, mit der Verfassungsmehrheit, die wir dafür benötigen, kein Problem.

Umso trauriger ist es, dass Sie von den NEOS hier nicht mitstimmen, obwohl Sie das eigentlich begrüßen. Das zeigt die Schizophrenie auf: Sie sind eigentlich dafür, aber stimmen trotzdem dagegen. (Ironische Heiterkeit des Abg. Strolz.) Im Hinblick darauf


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 41

muss man der Bevölkerung auch sagen, dass dadurch viele Beschlüsse in diesem Land nicht rasch genug fallen. (Zwischenruf des Abg. Strolz.) – Sie, Herr Kollege Strolz, fordern doch immer, dass rasch gehandelt wird, aber Sie selbst verhindern dann, dass Beschlüsse rasch fallen, damit wir ein zentrales Wählerregister bekommen, in dem alle in einer Datei erfasst sind, gemäß dem es keine doppelte Stimmabgabe mehr gibt und mit dem sichergestellt wird, dass man Volksbegehren auch elektronisch per Handy­signatur unterstützen kann. (Abg. Strolz: Super! Bravo!) – Sagen Sie Bravo; es ist eine tolle Sache, die wir da machen, und die Bürgerinnen und Bürger werden mit Ihrer Kritik nichts anfangen können! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte noch einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerstl und Dr. Witt­mann einbringen, in dem es im Besonderen darum geht, dass den Ländern und Ge­meinden die Möglichkeit eingeräumt wird, dass sie Daten der Wählerevidenzen auf­grund der Landesgesetzgebung im Zentralen Wählerregister speichern können. Was heißt das konkret? – Zweitwohnsitzbesitzer sind auch einzutragen. Das soll auch eine Möglichkeit sein, es soll, was bisher nur nach Landeswahlrecht gespeichert wurde, jetzt auch in ein zentrales Wählerregister eingehen, sodass alle Daten erfasst sind und da­mit es auch keine doppelte Buchführung gibt.

Zweitens stellen wir nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nun sicher, dass wir der gesamten Bezirkswahlbehörde die Möglichkeit geben, Stimmen auszu­zählen, und dass auch die Bezirkswahlbehörde als solche und nicht nur der Wahlleiter die Wahlkuverts öffnen kann, was ja bei der letzten Bundespräsidentenwahl dazu ge­führt hat und mit ein Grund war, dass die Wahl aufgehoben werden musste, weil der Wahlleiter allein nicht in der Lage war, 6 000 oder 7 000 Wahlkuverts zu öffnen. Dafür wird ihm jetzt auch die Möglichkeit gegeben, Hilfsorgane hinzuzuziehen. Damit wollen wir erstens die Wahl zum Schluss rascher abwickeln können, damit wir schneller zu ei­nem Ergebnis kommen, und wir wollen damit sicherstellen, dass alle politischen Par­teien, die an der Wahl beteiligt sind, auch in der Bezirkswahlbehörde an allen Handlun­gen teilhaben können.

Dafür danke ich jetzt allen Parteien, die mit ihrer Zustimmung heute dieses Zentrale Wählerregister für mehr Sicherheit in Österreich, für mehr Transparenz und für eine leichtere Partizipation bei der Mitwirkung an Volksbegehren ermöglichen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.39


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläu­tert – und wird gerade verteilt –, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kolle­gen zum Bericht des Verfassungsausschusses betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundesprä­sidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert, das Volksbegehrengesetz 2018 und das Wählerevidenzgesetz 2018 erlassen sowie das Volksbegehrengesetz 1973 und das Wählerevidenzgesetz 1973 aufgehoben wer­den (Wahlrechtsänderungsgesetz 2017) (1298 d.B.)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses (1298 d.B.) angeschlossene Gesetzes­entwurf wird wie folgt geändert:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 42

In Art. 1 lautet in Z 3 Art. 26a Abs. 2 B-VG:

„(2) Die Führung der Wählerevidenz und die Anlegung der entsprechenden Verzeich­nisse bei einer Wahl zum Europäischen Parlament, einer Wahl zum Nationalrat, einer Wahl des Bundespräsidenten, einer Volksabstimmung und einer Volksbefragung ob­liegt der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich. Die Speicherung der Daten der Wählerevidenzen erfolgt in einem zentralen Wählerregister, in dem auch Wählerevi­denzen aufgrund der Landesgesetzgebung gespeichert werden können; die Länder und Gemeinden können diese Daten für solche Verzeichnisse in ihrem Zuständigkeitsbe­reich verwenden.“

In Art. 3 lautet das Inhaltsverzeichnis samt Überschrift wie folgt:

„Inhaltsverzeichnis

§ 1. Führung der Wählerevidenz

§ 2. Voraussetzung für die Eintragung

§ 3. Eintragung von Österreichern, die ihren Hauptwohnsitz im Ausland haben

§ 4. Zentrales Wählerregister (ZeWaeR)

§ 5. Einsichtnahme in die Wählerevidenz

§ 6. Berichtigungsanträge

§ 7. Verständigung der von Berichtigungsanträgen betroffenen Personen

§ 8. Behörden im Berichtigungsverfahren

§ 9. Entscheidung über Berichtigungsanträge

§ 10. Beschwerde gegen Entscheidungen über Berichtigungsanträge

§ 11. Amtswegige Führung der Wählerevidenz

§ 12. Hauskundmachungen

§ 13. Fristen

§ 14. Kosten

§ 15. Schriftliche Anbringen, Abgabenfreiheit

§ 16. Verweisungen

§ 17. Übergangsbestimmung

§ 18. Vollziehung

§ 19. In- und Außerkrafttreten

Anlage: Wähleranlageblatt“

3. In Art. 4 lautet Z. 10j:

„10j. §90 Abs. 1 lautet:

„(1) Am Tag nach der Wahl, 9.00 Uhr, prüft die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die gemäß § 60 im Weg der Briefwahl bis zum Wahl­tag, 17.00 Uhr, eingelangten sowie die gemäß § 70 Abs. 3 von den örtlichen Wahlbe­hörden entgegengenommenen und an die Bezirkswahlbehörde weitergeleiteten Wahl­karten des eigenen Regionalwahlkreises auf die Unversehrtheit des Verschlusses. An­schließend prüft die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsor­ganen, ob die auf den Wahlkarten aufscheinenden eidesstattlichen Erklärungen (§ 60 Abs. 2) vorliegen. Wahlkarten, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, dürfen in die Ergebnisermittlung nicht miteinbezogen werden. Danach öffnet die Bezirkswahlbehör-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 43

de, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die Wahlkarten, entnimmt die darin enthaltenen miteinzubeziehenden beigefarbenen Wahlkuverts und legt diese in ein hierfür vorbereitetes Behältnis. Wahlkarten, bei denen ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 bis 5 vorliegt, dürfen in die Ergebnisermittlung ebenfalls nicht mitein­bezogen werden. Nicht miteinzubeziehende Wahlkarten sind dem Wahlakt unter Ver­schluss beizufügen. Die Gründe für das Nicht-Miteinbeziehen der Wahlkarten sind in einer Niederschrift festzuhalten. Nach gründlichem Mischen der miteinzubeziehenden Wahlkuverts hat die Bezirkswahlbehörde diese, allenfalls unter Heranziehung von Hilfs­organen, zu öffnen, die amtlichen Stimmzettel zu entnehmen, deren Gültigkeit zu über­prüfen, die ungültigen amtlichen Stimmzettel mit fortlaufender Nummer zu versehen und für die mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen festzustellen:

1. die Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen;

2. die Summe der abgegebenen ungültigen Stimmen;

3. die Summe der abgegebenen gültigen Stimmen;

4. die auf die einzelnen Parteien entfallenden abgegebenen gültigen Stimmen (Partei­summen).““

In Art. 4 lautet Z 10m:

„10m. § 96 Abs. 2 lautet:

„(2) Am vierten Tag nach dem Wahltag, 9.00 Uhr, prüft die Landeswahlbehörde, allen­falls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die gemäß § 94 Abs. 3 von den anderen Lan­deswahlbehörden weitergeleiteten Wahlkarten auf die Unversehrtheit des Verschlus­ses. Anschließend prüft die Landeswahlbehörde, allenfalls unter Heranziehung von Hilfs­organen, ob die auf den Wahlkarten aufscheinenden eidesstattlichen Erklärungen (§ 60 Abs. 2) vorliegen. Wahlkarten, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, dürfen in die Ergebnisermittlung nicht miteinbezogen werden. Danach öffnet die Landeswahlbehör­de, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die Wahlkarten, entnimmt die darin enthaltenen miteinzubeziehenden beigefarbenen Wahlkuverts und legt diese in ein hier­für vorbereitetes Behältnis. Wahlkarten, bei denen ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 bis 5 vorliegt, dürfen in die Ergebnisermittlung ebenfalls nicht miteinbezogen werden. Nicht miteinzubeziehende Wahlkarten hat die Landeswahlbehörde dem Wahl­akt unter Verschluss beizufügen.““

In Art. 5 lautet in Z 3c die Absatzbezeichnung statt „(3)“ richtigerweise „(15)“, in diesem Absatz lautet der zweite Satz: „Bei der Bekanntgabe der Zahl der Wahlkarten ist je­weils die Zahl der an im Ausland lebende Wahlberechtigte sowie die Zahl der für den zweiten Wahlgang ausgestellten Wahlkarten getrennt auszuweisen.“

In Art. 5 lautet Z 3f:

„3f. § 14a Abs. 1 lautet:

„(1) Am Tag nach der Wahl, 9.00 Uhr, prüft die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter He­ranziehung von Hilfsorganen, die im Weg der Briefwahl bis zum Wahltag, 17.00 Uhr, eingelangten sowie die allenfalls gemäß § 70 Abs. 3 von den örtlichen Wahlbehörden entgegengenommenen und an die Bezirkswahlbehörde weitergeleiteten Wahlkarten, gleichgültig in welchem Stimmbezirk diese ausgestellt worden sind, auf die Unversehrt­heit des Verschlusses. Anschließend prüft die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter He­ranziehung von Hilfsorganen, ob die auf den Wahlkarten aufscheinenden eidesstattli­chen Erklärungen (§ 10 Abs. 3) vorliegen. Wahlkarten, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, dürfen in die Ergebnisermittlung nicht miteinbezogen werden. Danach öffnet die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die Wahlkar­ten, entnimmt die darin enthaltenen miteinzubeziehenden Wahlkuverts und legt diese


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 44

in ein hierfür vorbereitetes Behältnis. Wahlkarten, bei denen ein Nichtigkeitsgrund ge­mäß § 10 Abs. 5 Z 2 bis 7 vorliegt, dürfen in die Ergebnisermittlung ebenfalls nicht miteinbezogen werden. Nicht miteinzubeziehende Wahlkarten sind dem Wahlakt unter Verschluss beizufügen. Die Gründe für das Nicht-Miteinbeziehen der Wahlkarten sind in einer Niederschrift festzuhalten. Nach gründlichem Mischen der miteinzubeziehen­den Wahlkuverts hat die Bezirkswahlbehörde diese, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, zu öffnen, die amtlichen Stimmzettel zu entnehmen, deren Gültigkeit zu überprüfen, die ungültigen amtlichen Stimmzettel mit fortlaufender Nummer zu verse­hen und für die mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen entsprechend § 14 Abs. 1 oder 2 festzustellen.““

In Art. 6 entfällt in Z 8c § 28 Abs. 1 im ersten Satz das Wort „ist“.

In Art. 6 lautet Z 8j:

„8j. § 72 Abs. 1 lautet:

„(1) Am Tag nach der Wahl, 9.00 Uhr, prüft die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die gemäß § 46 im Weg der Briefwahl bis zum Wahl­tag, 17.00 Uhr, eingelangten sowie die allenfalls gemäß § 56 Abs. 3 von den örtlichen Wahlbehörden entgegengenommenen und an die Bezirkswahlbehörde weitergeleiteten Wahlkarten, gleichgültig in welchem Stimmbezirk diese ausgestellt worden sind, auf die Unversehrtheit des Verschlusses. Anschließend prüft die Bezirkswahlbehörde, allen­falls unter Heranziehung von Hilfsorganen, ob die auf den Wahlkarten aufscheinenden eidesstattlichen Erklärungen (§ 46 Abs. 2) vorliegen. Wahlkarten, die diese Vorausset­zungen nicht erfüllen, dürfen in die Ergebnisermittlung nicht miteinbezogen werden. Da­nach öffnet die Bezirkswahlbehörde, allenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, die Wahlkarten, entnimmt die darin enthaltenen miteinzubeziehenden beigefarbenen Wahlkuverts und legt diese in ein hierfür vorbereitetes Behältnis. Wahlkarten, bei de­nen ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 46 Abs. 3 Z 2 bis 5 vorliegt, dürfen in die Ergeb­nisermittlung ebenfalls nicht miteinbezogen werden. Nicht miteinzubeziehende Wahl­karten sind dem Wahlakt unter Verschluss beizufügen. Die Gründe für das Nicht-Mit­einbeziehen der Wahlkarten sind in einer Niederschrift festzuhalten. Nach gründlichem Mischen der miteinzubeziehenden Wahlkuverts hat die Bezirkswahlbehörde diese, al­lenfalls unter Heranziehung von Hilfsorganen, zu öffnen, die amtlichen Stimmzettel zu entnehmen, deren Gültigkeit zu überprüfen, die ungültigen amtlichen Stimmzettel mit fortlaufender Nummer zu versehen und für die mittels Briefwahl abgegebenen Stimmen festzustellen:

1. die Gesamtsumme der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen;

2. die Summe der abgegebenen ungültigen Stimmen;

3. die Summe der abgegebenen gültigen Stimmen;

4. die auf die einzelnen Parteien entfallenden abgegebenen gültigen Stimmen (Partei­summen).

In Art. 7 lautet in Z 10 § 18 Abs. 2 wie folgt:

„(2) Am 2. Jänner 2018 haben die Gemeinden die Daten ihrer Europa-Wählereviden­zen mit dem Stand 31. Dezember 2017 in das ZeWaeR zu übertragen und dort weiter zu führen; die bisherigen Wählerevidenzen sind spätestens am 2. März 2018 zu lö­schen.“

Begründung:

Zu Z 1:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 45

Die derzeit vorgeschlagene Regelung des Art. 26a Abs. 2 B-VG kann auch so ausge­legt werden, dass Daten der Wählerevidenzen der Länder (z. B. weiterer Wohnsitz) von der Speicherung nicht umfasst sein müssen.

Diese geänderte Bestimmung soll klar zum Ausdruck bringen, dass die Daten der Wäh­lerevidenzen aufgrund der Landesgesetzgebung (z. B. Hauptwohnsitz und weiterer Wohn­sitz) im zentralen Wählerregister gespeichert werden.

Zu Z 2, 5, 7 und 9:

Es handelt sich bei diesen Änderungen um rein redaktionelle Korrekturen.

Zu Z 3, 4, 6 und 8:

In entsprechender Umsetzung des VfGH-Erkenntnisses zur Bundespräsidentenwahl 2016 sollen die Aufgaben der Wahlbehörden noch genauer definiert werden.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Sche­rak. – Bitte.

 


10.40.01

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Ich komme noch ein­mal zum Zusatzantrag, den wir – Abgeordneter Dr. Scherak, Kollegin und Kollegen – einbringen, und werde ihn jetzt in den Grundzügen noch einmal erläutern:

Es geht darum, dass man in Zukunft auch bei Nationalratswahlen, Bundespräsident­schaftswahlen und Europawahlen die Möglichkeit hat, seine Unterstützungserklärung nicht nur in der Hauptwohnsitzgemeinde, sondern auch in anderen Gemeinden abzuge­ben.

Ich hoffe, dass es damit passt und der Antrag damit in seinen Grundzügen erläutert ist. Ich würde Sie – alle, die in dieser grundsätzlichen Frage kein Problem sehen – natür­lich bitten, dem zuzustimmen, um eine bessere Reform zustande zu bringen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Schultes: Eine Entschuldigung war das nicht!)

10.40


Präsidentin Doris Bures: Dieser Zusatzantrag ist jetzt in den Grundzügen erläutert und ausreichend unterstützt. Er wird verteilt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Zusatzantrag

der Abgeordneten Nikolaus Scherak, Kollegin und Kollegen

zum Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1809/A der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats-Wahl­ordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefra­gungsgesetz 1989 geändert sowie das Volksbegehrengesetz 2018 und das Wählerevi­denzgesetz 2018 erlassen werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2017) (1298 d.B.) – TOP 2

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Verfassungsausschusses über den Antrag 1809/A der Abgeord­neten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 46

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbe­fragungsgesetz 1989 geändert sowie das Volksbegehrengesetz 2018 und das Wähler­evidenzgesetz 2018 erlassen werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2017) (1298 d.B.) angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 4 wird folgende Z 13 eingefügt:

13. § 42 Abs 3 lautet:

"Im Fall der Abgabe einer Unterstützungserklärung hat der Unterstützungswillige bei der Gemeinde eine Urkunde oder eine sonstige amtliche Bescheinigung vorzulegen, aus der seine Identität einwandfrei ersichtlich ist, wobei die Bestimmungen des § 67 Abs. 2 und 3 sinngemäß anzuwenden sind. Die Gemeinde hat anhand des ZeWaeR zu prüfen, ob der Unterstützungswillige in der Wählerevidenz einer Gemeinde des Lan­deswahlkreises eingetragen und wahlberechtigt ist und ob er allenfalls bereits eine Un­terstützungserklärung abgegeben hat. Treffen alle Voraussetzungen für die Abgabe ei­ner Unterstützungserklärung zu, so hat der Unterstützungswillige auf einem Formular laut Anlage 4, in dem der Name der zu unterstützenden wahlwerbenden Partei, der Name des Unterstützungswilligen sowie die Gebietskennzahlen und Bezeichnungen der Gemeinde, in der der Unterstützungswillige in die Wählerevidenz eingetragen ist, und der Gemeinde, bei der Unterstützungserklärung abgegeben wird, zu unterschrei­ben. Die Gemeinde hat die abgegebene Unterstützungserklärung in der für jede Wahl eigens gebildeten Datenbank mit der aus dem ZeWaeR entnommenen bereichsspe­zifischen Personenkennzahl des Unterstützungswilligen zu vermerken und dem Unter­stützungswilligen eine Bestätigung über die getätigte Unterstützungserklärung auszu­folgen. Das unterschriebene Formular verbleibt bis zum Zeitpunkt, zu dem das Ergeb­nis der Wahl unanfechtbar feststeht, bei der Gemeinde und wird danach unverzüglich vernichtet. Das Formular für die Unterstützungserklärung sowie für die Bestätigung (An­lage 4) wird als ein mit Hilfe des ZeWaeR gebildeter Papierausdruck erstellt."

2. In Artikel 5 wird folgende Z 5 eingefügt:

5. § 7 Abs 2 lautet:

"Im Fall der Abgabe einer Unterstützungserklärung hat der Unterstützungswillige bei der Gemeinde eine Urkunde oder eine sonstige amtliche Bescheinigung vorzulegen, aus der seine Identität einwandfrei ersichtlich ist, wobei die Bestimmungen des § 67 Abs. 2 und 3 NRWO sinngemäß anzuwenden sind. Die Gemeinde hat anhand des ZeWaeR zu prüfen, ob der Unterstützungswillige in der Wählerevidenz einer Gemeinde eingetragen und wahlberechtigt ist und ob er allenfalls bereits eine Unterstützungser­klärung abgegeben hat. Treffen alle Voraussetzungen für die Abgabe einer Unterstüt­zungserklärung zu, so hat der Unterstützungswillige auf einem Formular laut Anlage 1, in dem der Name des zu unterstützenden Wahlwerbers, der Name des Unterstützungs­willigen sowie die Gebietskennzahlen und Bezeichnungen der Gemeinde, in der der Unterstützungswillige in die Wählerevidenz eingetragen ist, und der Gemeinde, bei der Unterstützungserklärung abgegeben wird, zu unterschreiben. Die Gemeinde hat die abgegebene Unterstützungserklärung in der für jede Wahl eigens gebildeten Daten­bank mit der aus dem ZeWaeR entnommenen bereichsspezifischen Personenkennzahl des Unterstützungswilligen zu vermerken und dem Unterstützungswilligen eine Bestä­tigung über die getätigte Unterstützungserklärung auszufolgen. Das unterschriebene Formular verbleibt bis zum Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis der Wahl unanfechtbar feststeht, bei der Gemeinde und wird danach unverzüglich vernichtet. Das Formular für die Unterstützungserklärung sowie für die Bestätigung (Anlage 1) wird als ein mit Hilfe des ZeWaeR gebildeter Papierausdruck erstellt."


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 47

3. In Artikel 6 wird folgende Z 11 eingefügt:

11. § 30 Abs 3 lautet:

"Im Fall der Abgabe einer Unterstützungserklärung hat der Unterstützungswillige bei der Gemeinde eine Urkunde oder eine sonstige amtliche Bescheinigung vorzulegen, aus der seine Identität einwandfrei ersichtlich ist, wobei die Bestimmungen des § 67 Abs. 2 und 3 NRWO sinngemäß anzuwenden sind. Die Gemeinde hat anhand des ZeWaeR zu prüfen, ob der Unterstützungswillige in der Europa-Wählerevidenz einer Ge­meinde eingetragen und wahlberechtigt ist und ob er allenfalls bereits eine Unterstüt­zungserklärung abgegeben hat. Treffen alle Voraussetzungen für die Abgabe einer Un­terstützungserklärung zu, so hat der Unterstützungswillige auf einem Formular laut An­lage 3, in dem der Name der zu unterstützenden wahlwerbenden Partei, der Name des Unterstützungswilligen sowie die Gebietskennzahlen und Bezeichnungen der Gemein­de, in der der Unterstützungswillige in die Europa-Wählerevidenz eingetragen ist, und der Gemeinde, bei der Unterstützungserklärung abgegeben wird, zu unterschreiben. Die Gemeinde hat die abgegebene Unterstützungserklärung in der für jede Wahl ei­gens gebildeten Datenbank mit der aus dem ZeWaeR entnommenen bereichsspezifi­schen Personenkennzahl des Unterstützungswilligen zu vermerken und dem Unterstüt­zungswilligen eine Bestätigung über die getätigte Unterstützungserklärung auszufol­gen. Das unterschriebene Formular verbleibt bis zum Zeitpunkt, zu dem das Ergebnis der Wahl unanfechtbar feststeht, bei der Gemeinde und wird danach unverzüglich ver­nichtet. Das Formular für die Unterstützungserklärung sowie für die Bestätigung (An­lage 3) wird als ein mit Hilfe des ZeWaeR gebildeter Papierausdruck erstellt."

Begründung

Zwischen der Art der Unterstützung von Volksbegehren und derjenigen von Wahlvor­schlägen kann es keinen notwendigen Unterschied geben. Warum daher die Unter­zeichnung von Volksbegehren in einer anderen Gemeinde als der des Hauptwohnsit­zes sofort ab Inkrafttreten des ZeWaeR möglich sein soll, die Leistung von Unterstüt­zungserklärungen (im Rahmen von Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen sowie bei Wahlen zum Europäischen Parlament) jedoch nicht, ist inkonsistent und unver­ständlich.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Ste­fan. – Bitte.

 


10.40.42

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es werden heute hier im Wesentlichen zwei Dinge gemacht: Das eine ist, das Zentrale Wählerregister einzufüh­ren, und das andere sind kleine Änderungen im Wahlrecht, die aufgrund der Erkennt­nisse des Verfassungsgerichtshofs offenbar jetzt einmal als erster Schritt notwendig sind.

Zuerst einmal zum Wählerregister: Wir haben jetzt so ein zentrales Wählerregister!, das klingt so großartig. – Wir sind dafür. Ich halte das für zeitgemäß und richtig. Wir sollten aber nicht glauben, dass wir damit jetzt wirklich alle Probleme gelöst haben. Wir haben damit sogar relativ wenige Probleme gelöst, wir schaffen nur eine bessere Da­tenqualität. Das ist das einzig wirklich Wesentliche, dass damit die Daten besser zu­sammengefasst und zusammengeführt werden können und dadurch natürlich eine bes­sere Überprüfbarkeit gewährleistet ist.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 48

Wir schaffen es dadurch nicht, dass man zum Beispiel ab sofort in jedes Wahllokal ge­hen kann und dort wählen kann, weil man ja über das Zentrale Wählerregister erken­nen könnte, wer schon gewählt hat und wer nicht. Wir schaffen all diese Dinge nicht, also muss man sich schon davon verabschieden, zu glauben, wir hätten damit so viele Probleme gelöst. Aber auf der anderen Seite muss ich sagen, dass ich froh bin, dass es damit nicht zu einer Gesinnungsdatenbank gekommen ist.

Wir haben uns lange gegen dieses Wählerregister gewehrt, weil aus unserer Sicht bis­her nicht gewährleistet war, dass über ein derartiges Wählerregister nicht alle Maßnah­men, die ein Wähler setzt – eben zum Beispiel Unterstützung einer Partei, Unterstüt­zung eines Volksbegehrens, Unterstützung eines Kandidaten und ähnliche Dinge oder auch Teilnahme an einer Wahl –, in einem zentralen Register gespeichert werden und abrufbar sind. Man könnte damit abrufen, welche Gesinnung ein Wahlberechtigter hat. Das ist da nicht der Fall, das muss man festhalten. Deswegen stimmen wir ja heute auch zu, aber deswegen hat diese Diskussion unter anderem so lange gedauert, weil wir das gewährleistet haben wollten.

Jetzt zu dieser Diskussion über die Unterstützung von Parteien: Ein wesentliches Argu­ment für dieses Zentrale Wählerregister war, dass wir es im Zuge dieser Minireform möglich machen, dass man Volksbegehren ab sofort in jeder Gemeinde unterstützen kann – auch elektronisch. Ein wesentliches Argument war – das ist von der ÖVP ge­kommen, namentlich vom Kollegen Gerstl –, dass es bei Volksbegehren ja den Leuten oft schwerfällt, in die eigene Gemeinde zu gehen. Es ist leichter, in eine andere Ge­meinde zu gehen und dort ein Volksbegehren zu unterstützen. Das ist so, da kann man sagen, was man will, ob daraus jetzt eine unmittelbare Konsequenz folgt oder nicht. Es ist den Menschen oft nicht angenehm, und wir wissen das schon seit vielen Jahren aus eigener Erfahrung, schon beim Volksbegehren „Österreich zuerst“ war es den Men­schen – den Meldungen nach zu urteilen, die wir hatten – wahnsinnig unangenehm.

Es geht natürlich nicht in die Richtung, dass man dann konkret sagt, man hat deswe­gen jetzt keinen Kindergartenplatz bekommen, das sagt einem ja niemand, aber atmo­sphärisch jedenfalls ist das sehr unangenehm. Es war nicht zuletzt ein richtiges Argu­ment der ÖVP, zu sagen, wir wollen, dass man Volksbegehren überall unterstützen kann. Ich bin auch dieser Meinung, aber deswegen verstehe ich nicht, warum es ein Problem sein sollte, dass man eine Unterstützungserklärung für eine Wahl auch in ei­ner anderen Gemeinde abgeben kann. Technisch wäre das genauso möglich.

Ich glaube, es geht tatsächlich darum, dass man es nicht zu leicht machen will – das ist auch einmal so in der Diskussion gefallen: man soll es nicht zu leicht machen –, aber dann soll man so ehrlich sein und sagen: Gut, man muss die Hürden anheben! Man möchte nicht, dass es zu viele wahlwerbende Gruppen gibt, vielleicht auch zu viele Parteien im Parlament, weil man dann Angst hat, das Land ist nicht mehr regierbar. Wenn dem so ist, dann soll man das offen sagen, und dann soll man halt die Hürden für Unterstützungsunterschriften hinaufsetzen, dann kann man darüber diskutieren. Hier künstlich eine Regelung zu finden und zu sagen, man kann zwar Volksbegehren unter­stützen, nicht aber eine wahlwerbende Partei, das ist für mich sachlich nicht gerechtfer­tigt. Deswegen werden wir diesem Zusatzantrag der NEOS zustimmen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Damit sind wir natürlich noch lange nicht am Ende. Es ist auch schon angesprochen worden: Wir haben im Wahlrecht massive Probleme, und das wesentliche Problem ist und bleibt die Briefwahl – da kann man jetzt sagen, was man will; ich sage das hier sehr oft –, weil bei der Briefwahl die Wahlgrundsätze nicht gewährleistet sind – das ist einmal das ganz Grundsätzliche –, es aber auch schlicht und einfach bei der Durchfüh­rung Probleme gibt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 49

Wir haben das Thema der Kuverts gehabt. Zwischenzeitlich ziehen wir wieder die alten Kuverts heran, die es früher für Wahlkarten gegeben hat. Diese alten Kuverts haben aber ein großes datenschutzrechtliches Problem, weil man letztendlich nachvollziehen kann, wer die Stimme abgegeben hat. Wir machen das aus pragmatischen Gründen, damit wir, falls es eine vorgezogene Nationalratswahl geben sollte, dann überhaupt fä­hig sind, die Wahl durchzuführen.

Die Briefwahl ist weiterhin das Problem. Die Bestellung einer Briefwahlkarte – wir ha­ben das hier schon oft kritisiert –: Es ist schlicht und einfach möglich, für jemand ande­ren eine Briefwahlkarte per E-Mail zu bestellen. Ich muss nur dessen Passdaten oder Ausweisdaten angeben. Zu Ausweisdaten kommt man sehr leicht, die kann man aus dem Grundbuch, aus Urkunden und so weiter auslesen. Das haben wir immer wieder kritisiert.

Jetzt stellt sich heraus – und ich weiß auch, dass das möglich ist –, dass diese Aus­weisdaten nicht geprüft werden oder nur stichprobenartig geprüft werden. Da kann man jetzt sagen, was man will – falls jemand etwas anderes behauptet –, es hat sich ja jetzt herausgestellt, Journalisten haben diese Provokation offensichtlich durchgeführt. Ich weiß, dass nur stichprobenartig geprüft wird. Wenn ich lese – das muss noch auf­geklärt werden –, dass eine offensichtlich private Institution, nämlich wahlkartenan­trag.at, diese Wahlkarten organisiert und offenbar Ausweisdaten kontrollieren sollte, dann frage ich mich, wie die zu diesen Daten kommen. (Abg. Neubauer: Unfassbar!) Woher haben die die Ausweisdaten? Oder sie haben sie nicht gehabt, dann konnten sie das nicht kontrollieren. Es ist mir völlig unklar.

Mittlerweile hat sich das geändert. Ich weiß, wahlkartenantrag.at verweist jetzt nur noch an die Gemeinden selbst, leitet praktisch die Anfrage nur weiter, ist also mittler­weile völlig sinnlos, weil das eh jeder kann, sich an die Gemeinde Wien oder auch an eine sonstige Gemeinde zu wenden. Das muss auch noch aufgeklärt werden.

Es gibt eben all diese Probleme mit den Wahlkarten. Ich werde auch dranbleiben, dass wir eine echte Wahlrechtsreform machen, mit der wir die Wahlkarten auf das notwendi­ge Maß reduzieren. Es ist eben ein Problem dieser Vielzahl: Wenn jetzt 10, 15, 20 Pro­zent der Wahlberechtigten oder mehr mit Briefwahl wählen, dann potenzieren sich all diese Probleme, die wir da haben.

Wir wissen, es gibt üblicherweise keine Beweise, weil sich niemand traut, sich dann auch wirklich hinzustellen, aber wir haben immer wieder sehr glaubwürdige Hinweise, dass es eben passiert ist, dass für mehrere Leute Wahlkarten bestellt wurden, dass die dann in Vereinen, in Organisationen gemeinsam ausgefüllt wurden. Diese Hinweise gibt es; ich muss nicht sagen, wer das ist. Das alles müssen wir verhindern, das darf nicht sein. Wir wollen ordnungsgemäße Wahlen durchführen, pannenfrei und unter Ein­haltung aller Wahlgrundsätze, und deshalb hoffe ich, dass alle hier Interesse daran ha­ben und dass Sie unseren wirklich sehr starken Argumenten auch folgen werden. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Ein letzter Punkt noch: Dieses Wählerregister war ja auch ein kleiner Teil einer Wei­terentwicklung der direkten Demokratie. Das hätte es sein sollen. Wir haben jetzt einen winzigen Bereich verbessert, nämlich dass man Volksbegehren leichter unterstützen kann. Das ist natürlich erfreulich, aber in Wirklichkeit natürlich nicht das, was man unter Weiterentwicklung der direkten Demokratie versteht. Auch da werden wir dranbleiben.

Ich hoffe, dass man jetzt aus all diesen Problemen gelernt hat. Ich bin davon über­zeugt, ich weiß, der Herr Innenminister meint das ernst, dass er natürlich ein Interesse daran hat, Wahlen ordnungsgemäß durchzuführen – das ist ja keine Frage –, und dass er sich auch bemüht, aber ich hoffe, dass auch das Einsehen kommt, wo das Problem liegt, und dass man das mit uns gemeinsam beseitigt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 50

Heute jedenfalls stimmen wir einmal zu, aber nur unter dem Gesichtspunkt, dass es in diesem Punkt insbesondere zur Durchführung pannenfreier, ordnungsgemäßer Wah­len, bei denen alle Wahlgrundsätze eingehalten werden, kommt. Erst dann werden wir wirklich zufrieden sein. (Beifall bei der FPÖ.)

10.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. – Bitte.

 


10.49.43

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Gesetz beinhaltet verschiedene Punkte, der öffentlich „abgefeiertste“ – unter An­führungszeichen – war die Einführung des Zentralen WählerInnenregisters. Das ist ei­ne schöne Verbesserung, man muss aber auch realistisch sagen: Da geht es aus­schließlich darum, dass organisatorische und administrative Mindeststandards ge­schaffen werden, dass Dinge wie Doppelregistrierungen von WählerInnen vermieden werden. Das ist noch kein Durchbruch, sondern das ist sozusagen ein Nachziehen auf ein längst notwendiges administratives Niveau.

Der zweite Punkt, den ich schon deutlich positiver beurteile – der erste ist auch posi­tiv –, hat einen zentralen, demokratischen Wert. Es ist die Möglichkeit zur elektroni­schen Unterstützung von Volksbegehren. Das ist tatsächlich eine Innovation, weil sie die Teilnahmeschwelle an direktdemokratischen Instrumenten senkt und im Unter­schied zum E-Voting hier auch die elektronische Abwicklung möglich ist, weil die Nach­vollziehbarkeit sichergestellt wird. Wir haben im Vorfeld eine etwas skurrile Debatte gehabt, da die ÖVP E-Voting plötzlich ins Spiel gebracht hat, obwohl der Verfassungs­gerichtshof klare Spielregeln definiert hat, nämlich die Nachvollziehbarkeit einer Stimm­abgabe.

Das ist ja genau das Problem beim E-Voting: Der Betroffene gibt seine Stimme ab, kann aber nicht nachvollziehen, ob sie richtig gezählt wird, und die Wahlbehörde kann nicht nachvollziehen, ob es nicht eine Manipulation bei der Zählung gegeben hat. Da­her ist das E-Voting im Moment ein technisches Problem, das nicht lösbar ist.

Ich möchte aber auch etwas zum Debattenbeitrag von Kollegen Scherak sagen, der beschrieben hat, dass es Unterstützerinnen und Unterstützern von kleinen Parteien mitunter schwer gemacht wird, eine Unterstützungserklärung abzugeben oder gar für eine Partei zu kandidieren. Ich glaube, die ÖVP ist einfach seit 1945 in der zentralen Machtposition und kann gar nicht nachvollziehen, dass es Personen in ihren Reihen gibt, die von einem Zwei-Parteien-System ausgehen und natürlich sanktionieren, wenn sich Bürgerinnen und Bürger zu anderen Parteien bekennen. (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Steinbichler: Der weiß ja gar nicht, was er redet!)

Unsere Nationalratsabgeordnete Christiane Brunner hat mir erzählt, als sie erstmalig für die Grünen angetreten ist, hat das zur Folge gehabt, dass der Bürgermeister ihrer Heimatgemeinde ihren Arbeitgeber besucht hat und gesagt hat: Weißt du, dass du eine unzuverlässige Mitarbeiterin hast, die für die Grünen kandidiert? – Das ist die Realität. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Brunner: Ja! – Abg. Kogler: Richtig!)

Sie hat mir auch erzählt, dass im Burgenland Unterstützungserklärungen bei der Bun­despräsidentenwahl nicht einfach zu sammeln waren. Viele haben gesagt: Ja, wir wäh­len den betreffenden Kandidaten, aber wir unterstützen ihn nicht, weil ja dann die Ge­meinde weiß, wen wir unterstützen, und dann werden wir möglicherweise sanktioniert! (Abg. Rädler: Hasenfüße!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 51

Mir ist die Geschichte eines Baumeisters bekannt, der für die Grünen kandidieren woll­te. Das Erste, was ihm die Gemeinde gesagt hat, war: Wenn du kandidierst, wirst du keine Aufträge mehr von uns bekommen!

Wenn jetzt Kollege Gerstl sagt: Her mit den Fällen!, dann sage ich, was das Erste war, was mir der Baumeister gesagt hat: Aber bitte nicht öffentlich machen, weil ich jetzt nicht kandidiere und dann nicht sanktioniert werden will, wenn ich der Fall bin, der für dieses Beispiel angeführt wird! (Abg. Rädler: Hasenfüße!)

Der Fall der Kollegin Brunner zeigt klar, wo das Problem liegt. Sie kann sich deklarie­ren. Manche haben sich in dieser Republik nicht damit abgefunden, dass das Zwei-Par­teien-System zu Ende ist, und dass es demokratische Normalität ist, dass man auch für andere Parteien antritt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

Dieses Gesetz hat aber noch einen zweiten Teil, der in der Debatte etwas unterbe­leuchtet wurde. Wir versuchen auch, mit Änderungen eine Wiederholung jener Proble­me, die im Zusammenhang mit der Bundespräsidentenwahl aufgetreten sind, zu ver­meiden, falls es 2017 Nationalratswahlen gibt. Jetzt beteuern zwar SPÖ und ÖVP, es wird 2017 keine Nationalratswahlen geben, aber ich überlasse es allen Bürgerinnen und Bürgern selbst, sich ein Bild zu machen, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich das ist. Es ist wichtig gewesen, die eine oder andere Maßnahme zu setzen, um das Desaster vom Oktober oder September zu verhindern, Stichwort Klebstoff. Daher ist ein Punkt geändert worden, wir sind wieder zum alten Kuvert für die Wahlkarten zu­rückgekehrt, weil die berühmte und weltbekannte Lasche zu den bekannten Problemen geführt hat.

Wir unterstützen den Antrag, aber wir haben uns auf Verfassungssprecherebene auch klar verständigt, dass die jetzige Lösung – dass es ein Kuvert gibt, in dem ein weiteres Kuvert mit der Stimme drinnen ist, und außen Adresse und Unterschrift des Wäh­lers/der Wählerin angeführt sind – nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Es ist weniger das Problem, dass die Adresse draufsteht – es steht auf den meisten Briefen ein Absender drauf –, sondern das Problem ist, dass auch die Unterschrift drauf ist und dass das Thema Identitätsdiebstahl natürlich gerade für jene Gruppe, die die Wahlkar­te stark in Anspruch nimmt, nämlich AuslandsösterreicherInnen, doch zentral ist. Daher werden wir letztendlich bei der nächsten Reform nicht daran vorbeikommen.

Dafür gibt es auch einen Entschließungsantrag, der zum Inhalt hat, da eine Lösung zu finden, die sicherstellt, dass auch die Unterschrift in Zukunft wieder überdeckt ist, damit absolute Sicherheit gewährleistet wird. Es wird nicht die alte Lasche sein, da werden wir uns um neue Modelle kümmern müssen.

Der letzte Punkt, Herr Innenminister, ist eine unerfreuliche Geschichte, nämlich die Ge­schichte um jene investigativen Journalisten, die aufgezeigt haben, dass es möglich sein könnte, mit einer falschen Passnummer eine Wahlkarte zu bestellen. Ihre erste Reaktion war: Anzeige! (Abg. Rädler: Richtig!) Das Motto war: Haltet den Dieb! – Nein, „Haltet den Dieb!“ kann man gar nicht sagen, sondern der Überbringer der schlechten Nachricht sollte sozusagen mit Sanktionen belegt werden. Sie haben dann nach einer Nachdenkphase schon erkannt, dass es nicht das Schlaueste ist, investigativen Jour­nalismus zu kriminalisieren, und haben sich dann auf diese Position zurückgezogen: Na ja, wir müssen das aufklären, um Rückschlüsse für zukünftige Sachverhalte ziehen zu können. Ich finde es problematisch, dass Ihre erste Antwort war: Wir müssen diesen Journalisten anzeigen und es müssen Ermittlungen gegen diesen Journalisten durch­geführt werden! (Abg. Rädler: Vollkommen richtig!) – Das finde ich doch deutlich ent­larvend.

Ich sage Ihnen etwas: Kümmern Sie sich darum, dass diese Wahlen ordentlich abge­wickelt werden! Es hat angeblich wieder ein neues Datenleck gegeben – ich würde Sie


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 52

auch bitten, dazu Stellung zu nehmen –, dass nämlich bestimmte Daten im Zusammen­hang mit Wahlkarten eingesehen werden konnten. Ich ersuche Sie, heute eine Erklä­rung dazu abzugeben. Ihre Aufgabe wäre nicht, investigativen Journalismus anzuzei­gen, sondern dafür zu sorgen, dass das Innenministerium in der Lage ist, diese Wah­len ordentlich abzuwickeln, damit das Vertrauen in die Demokratie nicht beschädigt wird und wir ordentliche Wahlen haben, die einer Demokratie eines hochentwickelten Staates wie Österreich, gerecht werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

10.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Witt­mann. – Bitte.

 


10.56.42

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Ich will kurz zu den Ausführungen der Abgeordneten, die vor mir geredet haben, Stellung nehmen. Das Erste ist: Es ist nicht an den Großpar­teien oder Regierungsparteien gelegen, dass das Wählerregister erst jetzt kommt, son­dern jede der Oppositionsparteien hatte andere Verknüpfungen, das heißt, andere Junk­tims. Auch heute ist wieder ein Junktim der NEOS aufgetaucht. Ich verstehe das Anlie­gen, aber man kann das eine nicht mit dem anderen junktimieren, so kommen wir nie zu Lösungen.

Die FPÖ hatte vorher ein anderes Junktim und hat es aufgegeben, hat sich konstruktiv eingebracht, und jetzt kommen wir zu einem Zentralen Wählerregister. Wenn ich aber immer das eine – die Unterstützung der Kleinparteien öffnen – oder andere Anliegen junktimiere, dann komme ich nicht zum zentralen Anliegen. Jetzt sind wir so weit, dass diese Junktims aufgegeben wurden und wir die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Zentrales Wählerregister schaffen können. Ich bin daher für das Anliegen offen, aber die Vorgangsweise halte ich wieder für falsch. Sie junktimieren Ihre Zustimmung damit, dass Sie wieder etwas anderes bekommen. Wenn das jeder in diesem Haus machen würde, kämen wir zu keinen Lösungen.

Ich verstehe auch die Kritikpunkte, die hier angebracht wurden, nämlich die Problema­tik mit der Wahlkarte; die ist mir vollkommen klar. Das ist im Ausschuss ganz klar von den Grünen und auch von den Freiheitlichen aufgezeigt worden. Dieses Problem – die­se Lasche, die die Daten verdeckt – werden wir in der Novelle im Frühjahr zu lösen haben, weil wir eine Wahlkarte brauchen, die die Datenschutzanforderungen unserer Zeit und den europaweiten Standard erfüllt. Wir haben die Wahlkarte der Bundespräsi­dentenwahl in der jetzigen Form auch in dieses Gesetz übernommen, damit wir in je­dem Fall Wahlen durchführen können.

Ich glaube, dass es ein wichtiger Schritt war, auch die Angleichung an die Entschei­dungen des Verfassungsgerichtshofes in vielen kleinen Detailbereichen vorzunehmen, nämlich dass man Hilfskräfte verwenden kann und was die Aufgabe der Wahlbehörde, der Bezirkswahlbehörde, des Bezirkswahlleiters betrifft – eine genauere Definition da­von –, um auch da diesen Kritikpunkten des Verfassungsgerichtshofes Rechnung zu tra­gen.

Es war auch notwendig – aufgrund eines Beschlusses der niederösterreichischen Lan­desregierung, den Bezirk Wien-Umgebung aufzulösen –, die Wahlkreise neu zu defi­nieren. Das ist das, was notwendig und in der kurzen Zeit möglich war. Es ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir haben uns darauf verständigt, wir haben auch einen Ent­schließungsantrag, der von allen Parteien unterstützt wird, vorliegen, dass wir die Wahl­karte dahin gehend überprüfen, dass die datenschutzrechtlichen Richtlinien besser ein­gehalten werden. Sie werden eingehalten, wir bewegen uns innerhalb unseres selbst­gesteckten Rahmens, aber man kann immer besser werden.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 53

Da bin ich auch bei den Vorrednern, die sachlich erwähnt haben, dass man da weitere Entwicklungsschritte gehen muss. Ich halte die im Verfassungsausschuss zu diesem heiklen Thema geführte Diskussion für eine äußerst sachliche. Ich kann Kollegen Ste­fan, Kollegen Steinhauser wie auch Kollegen Scherak verstehen, wobei ich die Vor­gangsweise für falsch halte. Man wird über diese Themen natürlich reden müssen, und man wird auch eine Lösung finden. Wir alle sind interessiert, dass man die Briefwahl in einer korrekten, sicheren Weise und mit Datenschutz auf höchstem Level macht.

Daher kann ich zusagen, dass wir an diesen Problemen weiterarbeiten werden. Wir ha­ben diese kleine Wahlrechtsreform aufgrund der Entscheidungen des Verfassungsge­richtshofes gemacht, um nach Möglichkeit für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, um letztendlich auch den Entscheidungen, die in den Bundesländern stattfinden, Rech­nung zu tragen und eine Weiterentwicklung zu gewährleisten.

Zum Zentralen Wählerregister: Ich glaube, das ist weltweiter Standard. Wir können die­se komplizierten Registerhandhabungen der Gemeinden vereinheitlichen. Ich glaube, dass die Gemeinden gerne darauf zurückgreifen werden, auch die Länder werden da­rauf zurückgreifen, sodass wir eine einheitliche Grundlage haben, um Wahlen durchzu­führen.

Ich glaube, das ist der erste Schritt, und es ist ein positiver Schritt in die richtige Rich­tung, und es wird auch nicht der letzte sein. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sin­ger. – Bitte. Ich stelle Ihnen 4 Minuten Redezeit ein.

 


11.01.35

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wahlrechtsänderungs­gesetz 2017 schafft ein Zentrales Wählerregister – es ist bereits angesprochen wor­den. Auch ich sehe das als einen wichtigen nächsten Schritt und ein wichtiges Zeichen zur Verbesserung der Organisation der Wahlen, Volksbegehren und Volksabstimmun­gen. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Zuerst erlauben Sie mir noch, einige sachliche Argumente zu bringen, nämlich zum ei­nen aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger: Für mich bietet das Zentrale Wähler­register mehr Rechtssicherheit – das wurde bereits angesprochen –, und zwar auch bei den Volksbegehren, wo die Unterschriftenleistung nicht mehr nur in der Hauptwohnsitz­gemeinde, sondern in allen Gemeinden möglich ist. Das erleichtert den Zugang für Pendler und all jene Personen, die das in einem anderen Gemeindeamt machen möch­ten.

Die Möglichkeit, über Bürgerkarten beziehungsweise Handysignatur Volksbegehren elek­tronisch zu unterstützen, ist auch bereits angesprochen worden – für mich ebenfalls ein positives Signal Richtung Auslandsösterreicher.

Als Wahlleiter darf ich noch sagen, es ist auch mir die Klarstellung, dass Wählerinnen und Wähler bei der Wahl das Recht haben, ihr Wahlkuvert selbst in die Wahlurne zu werfen, wichtig.

Als Bürgermeister und Wahlleiter darf ich noch einige Aspekte für die Gemeinden he­rausstreichen, und zwar: Es ist ganz wichtig, dass mit dem Zentralen Wählerregister vermieden wird, dass künftighin doppelte Stimmabgaben möglich sind. Wir kennen die­se Fälle von der Bundespräsidentenwahl. Wichtig ist auch, dass die Ausstellung einer Wahlkarte im Zentralen Wählerregister entsprechend verzeichnet ist.

Aus der Praxis kann ich berichten, dass in der Vergangenheit die Sonntagsöffnungs­zeiten bei Volksbegehren von den Bürgerinnen und Bürgern kaum beziehungsweise


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 54

nicht angenommen wurden. Daher freut es mich sehr, dass diese Sonntagsverpflich­tungen aufgehoben wurden. Im Gegensatz dazu besteht natürlich jetzt die Möglichkeit, Volksbegehren auch elektronisch zu unterstützen, und damit ist dem Rechnung getra­gen worden.

Aus der Sicht der Gemeinden gibt es für die Wahlwiederholung der Bundespräsiden­tenwahl eine Vergütung in Höhe von 2,35 € pro wahlberechtigter Person. Kritisch sehe ich die Reduktion der Kostensätze an die Gemeinden nach dem Wählerevidenzgesetz und dem Volksbegehrengesetz. Ich kann diese Reduktion persönlich nicht nachvoll­ziehen.

Nun möchte ich schon einiges als Bürgermeister zum Kollegen Scherak sagen. Das, was Sie den Bürgermeistern vorwerfen, ist glatter Amtsmissbrauch. (Ruf bei den NEOS: Frechheit!) Ich fühle mich als Bürgermeister angesprochen und weise diese Anschul­digung aufs Schärfste zurück! (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Scherak, in der ersten Reaktion wollte ich Ihnen anbieten, alle Bauakte in meiner Gemeinde zu überprüfen. (Abg. Korun: Dass es das gibt, ist klar!) Ich weiß, dass es datenrechtlich nicht ganz einfach ist. (Abg. Moser: Das ist ja nicht irgendwas!) Aber ich möchte diese Offenheit auch zeigen, weil ich nichts zu verbergen habe, wir in einem Rechtsstaat leben und ich diesem Rechtsstaat als Bürgermeister voll und ganz verpflichtet bin. (Abg. Scherak: Kein Mensch hat Sie angegriffen! – Ruf: Einen Amts­leiter gibt’s auch noch!) – Das hat nichts mit Amtsleiter zu tun, Baubehörde erster Ins­tanz ist der Bürgermeister und niemand anderer. Daher eine Klarstellung: Ich möchte für alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister klar sagen: Wir weisen diese Anschuldi­gungen entschieden zurück! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP, Grünen und NEOS.)

Es ist heute schon mehrfach angesprochen worden, dass diese Wahlrechtsänderung ein Zwischenschritt ist und dass eine umfassende Wahlrechtsreform natürlich auch auf­grund der Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse kommen wird. Immer wieder muss ich sagen: Hauptanliegen muss es sein, möglichst vielen Menschen die Wahl zu er­mögli­chen und – ich gehe noch einen Schritt weiter – möglichst viele Menschen zu motivie­ren, zur Wahl zu gehen. Eine dieser Möglichkeiten ist für mich ganz klar die Briefwahl. Daher ist sie für mich auch ein wichtiges Instrument. Ich bitte aber, bei der künftigen Wahlrechtsreform – bei allen legistischen Problemen, die es klarerweise geben wird – da­rauf zu achten, dass sie auch praxistauglich ausfallen wird.

Abschließend richte ich noch den Appell an alle Wahlbeisitzer und Wahlhelfer – jetzt insbesondere für den 4. Dezember –, ihre Arbeitskraft wieder zur Verfügung zu stellen, damit eine ordnungsgemäße Wahlabwicklung möglich ist.

Ich darf auch sagen: Ich möchte alle Fraktionen darauf hinweisen und sie bitten, diese Wahl ernst zu nehmen und vor allem auch ihren Aufgaben im Zuge der Wahlabwick­lung gerecht zu werden. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.07


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Brosz zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


11.07.49

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Beginnen wir einmal mit Kollegen Wittmann. Ist er noch da? – Nein, er ist nicht mehr da. Kollege Wittmann hat gemeint, wenn man in der Politik dauernd junktimiert, kommt man zu keinen Lösungen. Das ist ja der Treppenwitz des heutigen Tages, dass das ausgerechnet ein Abgeord­neter der Regierungsfraktionen sagt, als ob da die Junktimiererei nicht Tag für Tag auf der Tagesordnung stehen würde, aber zu diesem Punkt ist es eine besondere Chuzpe.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 55

Die Geschichte geht nämlich so, dass es vor der Wahl 2013 die Einigung auf ein De­mokratiepaket gegeben hat, und zwar zwischen der SPÖ – der Antrag wurde von Kol­legen Cap mit eingebracht –, der ÖVP, Antragsteller war Kollege Gerstl, und unserer damaligen Verfassungssprecherin, Kollegin Musiol. In diesem Antrag waren sowohl das Zentrale Wählerregister als auch eine deutliche Ausweitung der direkten Demokratie vor­gesehen. Dann ist beschlossen worden, dass es vor der letzten Wahl eine Begutach­tung gibt, und nach dieser Begutachtung hat die SPÖ den Antrag, auf dem der Name des Kollegen Cap gestanden ist, gekübelt und ihn nicht mehr beschlossen.

Das ist die Geschichte, wie sie abgelaufen ist. Also dass Kollege Wittmann jetzt an­kommt und sagt: So kommt man zu keinen Lösungen!, das finde ich besonders origi­nell! Wenn man zuerst Anträge einbringt und sie selbst nicht mehr abstimmt, dann kommt man wirklich zu keinen Lösungen. Vielleicht könnte er an seiner eigenen Dar­stellung etwas arbeiten. – Punkt eins. (Beifall bei den Grünen.)

Punkt zwei: Wir stimmen heute diesem Zentralen Wählerregister zu, auch wenn der Begriff Zentrales Wählerregister etwas interpretationsbedürftig ist. Man muss wissen, es ist ein Zentrales Wählerregister auf Bundesebene, es ist kein Zentrales Wählerre­gister, wie es auf Dauer sein sollte. Wir stimmen auch deshalb zu, weil die Umsetzung in den Ländern – so kurzfristig gemeinsam mit der Bundespräsidentenwahl – vielleicht schwierig gewesen wäre, aber es steht aus unserer Sicht auf jeden Fall an, das in Zu­kunft ebenfalls umzusetzen. Ich sage Ihnen auch, warum: Weil es jetzt ziemlich kom­pliziert wird.

Sie können jetzt bei den Volksbegehren eine elektronische Unterstützungserklärung ab­geben. Bei jedem Volksbegehren? – Nein. Bei einem Volksbegehren auf Bundesebene ja, bei einem Volksbegehren auf Landesebene möglicherweise, je nachdem, was die Ge­meinde, was das Land macht oder nicht macht. Die Bürgerinnen und Bürger werden sicher sagen: Das letzte Mal habe ich das auch so gemacht, dieses Mal geht es nicht – warum? Man wird dann ziemlichen Erklärungsbedarf haben. Man sollte also, um die Mitbeteiligung so einfach wie möglich zu machen, diese Regeln soweit wie möglich vereinheitlichen. – Das ist der Punkt zur Frage Volksbegehren.

Es geht aber noch viel besser, Stichwort Wählerregister. Herrn Kollegen Gerstl habe ich es das letzte Mal erzählt, er hat gesagt, er wisse davon nichts – daher die Ge­schichte noch einmal:

2008, Landtagswahl Niederösterreich: Unser damaliger Landesgeschäftsführer war in Baden und in Amstetten gemeldet und bekam zwei Einladungen, an der Landtagswahl teilzunehmen, in Baden und in Amstetten. Bevor Kollege Rädler jetzt den nächsten Zwischenruf tätigt, ob er zweimal gewählt hat: Nein, er hat nicht zweimal gewählt, son­dern er hat das aufgezeigt. Das wäre übrigens auch strafrechtlich relevant gewesen. Er hat aber danach gesagt, das ist merkwürdig, und wenn er, weil er in zwei Gemeinden gemeldet ist, zweimal die Wahlkarte bekommt, wird er vermutlich nicht der Einzige sein. Danach gab es einen technischen Abgleich der Wählerregister in Niederöster­reich, der zum Ergebnis geführt hat, dass es 20 000 Personen gegeben hat, die bei der Landtagswahl 2008 in Niederösterreich doppelt wahlberechtigt waren. Es hat etwa 100 Personen gegeben, die dreimal wahlberechtigt waren, weil sie eben in drei ver­schiedenen Gemeinden gemeldet waren, und es hat einen Rekordhalter gegeben, der viermal wahlberechtigt war, weil er in vier Gemeinden gemeldet war. Wir wissen jetzt nicht, ob die Personen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben. Theoretisch wäre es möglich gewesen, dass eine Person bei einer Landtagswahl bis zu viermal ge­wählt hätte.

Dazu muss man sagen, es hat dann entsprechenden Druck gegeben und es ist in Niederösterreich zu einer Änderung gekommen, indem eine Kennzahl eingeführt wor­den ist und jetzt abgeglichen wird, sodass das nicht mehr möglich ist. Der Punkt ist nur:


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 56

Das war keine Bundesregelung und auch keine verpflichtende Regelung für die Län­der. Das könnte in einem anderen Bundesland jederzeit wieder auftreten, weil wir eben keine gemeinsamen Regelungen haben.

Eine derartige Regelung würde ein Verfassungsgerichtshof mit hoher Wahrscheinlich­keit aufheben, und das zeigt umso mehr, wie dringend notwendig ein Zentrales Wäh­lerregister auf Landesebene ist. Jetzt gibt es die Möglichkeit, das anzugehen. Ich glau­be, der nächste Schritt müsste sein, dass man es auch vereinheitlicht und generell so macht, dass es verpflichtend sein wird.

Letzter Punkt, um noch einmal auf die Debatte, die mit Kollegen Scherak geführt wur­de, zurückzukommen – ich habe das vorhin gehört –: Der Punkt, der auf jeden Fall un­abhängig davon stehen bleibt – ich glaube nicht, dass es der Vorwurf des Amtsmiss­brauchs war, aber das muss Kollege Scherak selbst sagen –, ist: Wenn man so tut, als wäre das kein Thema – gerade wenn von Niederösterreich gesprochen wird –, dass man dort einfach mir nichts, dir nichts auf die Gemeinde marschiert, so hollodaro, hier bin ich und gebe eine Unterstützungserklärung für die NEOS oder für die Grünen ab, als würde sich jeder denken, das ist völlig unproblematisch, dann muss ich sagen: Sie leben in einer Welt, die Sie nicht kennen, gerade in Niederösterreich!

Glauben Sie, dass sich ein Lehrer in Niederösterreich, ein Landeslehrer, der einen be­fristeten einjährigen Dienstvertrag hat, traut, sich politisch zu engagieren, wissend, was dann passiert? – In Niederösterreich werden schon die Studenten auf den Pädagogi­schen Akademien gefragt, ob sie der Partei beitreten wollen – nach wie vor, es gibt aktuelle Fälle! Also tun Sie doch nicht so, als wäre das nicht gang und gäbe, dass Leute Angst haben, sich politisch zu engagieren, dass sie vor allem Angst haben, dass das Folgen hat! (Ruf: Das ist ein Witz! Da sind doch Bürgerbewegungen … in den ein­zelnen Gemeinden! Das widerspricht doch …!)

Also die ÖVP streitet de facto ernsthaft ab, dass es im Jahre 2016 Menschen gibt, die sagen: Ich traue mich weder eine Unterstützungserklärung abzugeben noch für eine Partei zu kandidieren, weil das Folgen haben könnte. – Willkommen im Jahr 2016! Auf­wachen, einmal Leute fragen, dann wissen Sie es besser! (Beifall bei Grünen und NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Tun Sie sich schämen! Fremdschämen! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und Grünen.)

11.14


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Herr Bundesminister Mag. Sobotka zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.14.18

Bundesminister für Inneres Mag. Wolfgang Sobotka: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf vielleicht zu den Fragen, was die Firma Comm-Unity anlangt, Stellung nehmen. Die Gemeinden haben, um die Verwaltung des LMR zu organisieren, dieser Firma den Auftrag gegeben, das zu tun. Als uns kundgegeben wurde, was hier passiert ist, haben wir einen sofortigen Stopp dieser Applikation gefordert und dement­sprechend eine Verständigung der Datenschutzbehörde veranlasst.

Was die andere Sache betrifft: Es geht – wer auch immer versucht, auf Fälschungs­basis mit gefälschten Daten eine Wahlkarte zu beantragen; es geht nicht um eine Be­rufsgruppe – um den Verdacht einer strafbaren Tat. Daher ist eine Sachverhaltsdarstel­lung an die Staatsanwaltschaft erfolgt, und zwar aufgrund erstens der Datenfälschung und zweitens der Wahlbehinderung, denn wenn Sie für einen anderen eine Wahlkarte bestellen, kann der sein Wahlrecht nicht mehr ausüben.

Es ist natürlich klar, dass die Gemeinden prüfen, ob die Passdaten übereinstimmen, und die zweite Sicherheitsschleife ist schlussendlich die Zustellung, die mittels einge­schriebenen Briefes zu erfolgen hat. Diese Frage ist der Staatsanwaltschaft überant-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 57

wortet worden, und sie hat den Auftrag zu ermitteln: einstellen – Ja oder Nein? – Das ist zu diesen Fällen zu sagen.

Ich darf mich aber auch herzlich für die Diskussion zum Zentralen Wählerregister be­danken. Für uns ist das eine ganz zentrale Vorgabe, um garantieren zu können, dass die Durchführung von Wahlen bestmöglich gewährleistet ist. Daher darf ich mich herz­lich dafür bedanken, dass auch diesbezüglich, wie es scheint, bei der Beschlussfas­sung eine einhellige Meinung vorherrscht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.16


Präsident Karlheinz Kopf: Danke, Herr Bundesminister.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Steinacker. – Bitte.

 


11.16.39

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! „Der schlimmste Weg, den man wählen kann, ist der, keinen zu wählen.“ – ein Zitat von Friedrich dem Großen. Ja, wir sollen, wollen und müssen uns aktiv entscheiden und mitbestimmen, tat­kräftig, ganz besonders bei demokratischen Wahlen.

Ich möchte heute ein Plädoyer für die Ausübung des Wahlrechts halten, denn das Recht, überhaupt wählen zu dürfen, ist und darf keine Selbstverständlichkeit sein. Es ist unser wichtigstes Instrumentarium zur Sicherung der Demokratie. Daher die Auffor­derung: Nützen wir es, um Verletzungen des Rechtsstaats vorzubeugen!

Mich empört die Situation, die wir derzeit in der Türkei vorfinden, mit den schwerwie­genden Verletzungen des Rechtsstaats und den Auswirkungen, die das hat: Massen­entlassungen von Richtern und Staatsanwälten und teilweise Verhaftungen. Die dürfen in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz haben! Mit all diesen Maßnahmen hat die Türkei längstens rote Linien überschritten. Dass Journalisten und Oppositions­führer eingesperrt werden, das hat in einer europäischen demokratischen Union keinen Platz.

Meine Damen und Herren! Ich werde heute gerne die im Haus aufliegende Erklärung zur Lage in der Türkei unterschreiben, denn ich glaube, dass wir hier am Prüfstand für demokratische Wege in Nachbarländern sind.

Nochmals: Machen wir von unserem Wahlrecht Gebrauch! Wir alle werden jetzt gerade bei den kommenden Wahlen für den Bundespräsidenten in Österreich die Möglichkeit haben, neuerlich mitzubestimmen. Bund, Länder und Gemeinden bereiten sich bestens auf diese Wahl vor. Es soll keine weiteren Hoppalas mehr geben.

Herr Bundesminister Sobotka! Danke, Probleme wurden erkannt, Lösungen wurden ge­funden! Wir setzen heute ein praxisbezogenes Wahlrecht mit dem Zentralen Wählerre­gister auf der Höhe der Zeit, die Möglichkeit, Volksbegehren elektronisch zu unterferti­gen und auch die Handysignatur zu verwenden, gesetzlich um – ein Gebot der Stunde.

Meine Damen und Herren! Mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz schützen und sichern wir die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir schaffen Voraussetzungen für die Stich­wahl am 4. Dezember, insbesondere zum Beispiel auch, indem wir die Anpassung für die Wahlkreisregelung für Niederösterreich aufgrund der Änderungen beim Bezirk Wien-Umgebung, meines Heimatbezirks, vornehmen.

Meine Damen und Herren! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ihre Stimme zählt, gehen Sie wählen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden durch Sie gesichert! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 58

11.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Schrangl. – Bitte.

 


11.19.45

Abgeordneter Mag. Philipp Schrangl (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren im Haus und vor den Fernsehgeräten! Ja, Frau Kollegin Steinacker, es freut mich, dass Sie hier ein Plädoyer für jede Stimme abgegeben haben.

Aber wir dürfen nicht vergessen – und das ist bislang ein bisschen in der Diskussion untergegangen –, dass ja von 806 000 eingelangten Wahlkarten über 46 800 Stimm­zettel nicht ausgezählt werden konnten. Das war für den Bürger eben nicht nachvoll­ziehbar, denn der Bürger weiß nicht, dass seine Stimme nicht gezählt worden ist.

Das Innenministerium hat uns mitgeteilt, dass die größten Probleme die fehlende Un­terschrift oder auch das zu frühe Abschicken der Wahlkarte waren. Aber, wie gesagt: Der Bürger weiß das nicht! Der Bürger weiß weder, dass er nicht oder nicht richtig un­terschrieben hat, noch weiß er, dass er die Wahlkarte zu früh abgeschickt hat, und er weiß auch nicht, dass seine Stimme niemals gezählt hat. Deswegen – auch wenn wir diesem Gesetz heute hier zustimmen werden – halten wir unsere Kritik an dem derzei­tigen Wahlsystem vollinhaltlich aufrecht.

Wir finden, dass die Briefwahl im Inland nicht wirklich notwendig ist. Für gebrechliche Personen gibt es die Möglichkeit, bei fliegenden Wahlkommissionen zu wählen. Es gibt de facto in vielen Gemeinden heutzutage schon Vorwahltage: Man kann sich dort die Wahlkarte persönlich abholen und in eine Art Briefkasten einwerfen. Warum führen wir das nicht überhaupt ein? Warum bieten wir den Menschen nicht Möglichkeiten, ihre Stimme auch nachvollziehbar richtig abzugeben?

Es freut mich, dass Herr Klubobmann Schieder und auch Herr Kollege Wittmann zuerst ein Bekenntnis dazu abgegeben haben, dass wir heute mit unserer Diskussion nicht am Ende sind, sondern dass wir diese weiterführen. Wir werden dann auch konstruktiv unsere Lösungsvorschläge einbringen. Ich bitte Sie aber, Herr Kollege Wittmann, da Sie gesagt haben, Ihnen sei es besonders wichtig, dass das Wahlkartensystem sicher ist und auch datenschutzrechtlich einwandfrei durchgeführt werden kann, dass wir die Briefwahlkarte nicht als alternativlos sehen.

Wenn wir bei unseren Verhandlungen im Verfassungsausschuss draufkommen, dass die Briefwahl nicht sicher und datenschutzrechtlich einwandfrei abgehalten werden kann, dann muss am Ende auch die Möglichkeit bestehen, die Briefwahl im Inland voll­kommen abzulehnen und nur für Auslandsösterreicher weiterhin in Geltung zu halten, damit diese von ihrem Wahlrecht nicht ausgeschlossen werden.

Unsere Zustimmung erfolgt heute aus pragmatischen Gründen – wir haben es gehört, das Zentrale Wählerregister –, aber dies bitte nicht als Zustimmung zum Briefwahlsys­tem misszuverstehen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlako-vich. – Bitte.

 


11.22.49

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Eine wesentliche Säule un­serer Demokratie ist Vertrauen – Vertrauen des Bürgers in die Rechtsstaatlichkeit, Ver­trauen des Bürgers in die ordnungsgemäße Abwicklung von Wahlen, auch Vertrauen der Bürgerin/des Bürgers, dass ihre/seine Stimme ordnungsgemäß gezählt wird, dass es nicht zu Manipulationen kommt.

Die Vorgänge rund um die laufende Bundespräsidentenwahl haben dieses Vertrauen natürlich erschüttert. Im Inland ist eine heiße Diskussion entbrannt, und auch im Aus-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 59

land hat das nicht unbedingt zu einem besonderen Renommee beigetragen. Daher ist es richtig, dass hier konsequent vorgegangen und versucht wird, das Vertrauen in Wah­len – das ja selbstverständlich sein sollte – wiederzuerlangen.

Ich halte es für notwendig, dass diese Änderungen durchgeführt werden. Die Einfüh­rung eines Zentralen Wählerregisters ist sinnvoll. Wahrscheinlich haben Sie auch diese Diskussionen geführt, es hat doch immer wieder Vorwürfe bei bundesweiten Wahlen gegeben, dass es unter Umständen zu einer doppelten Stimmabgabe gekommen ist. In einem Bundesland hat eine Person einmal gewählt, ist dann nach Wien oder nach Graz gefahren und hat ein zweites Mal gewählt. Daher ist es so wichtig, dass das jetzt passiert.

Herr Abgeordneter Stefan, da Sie gesagt haben, damit werden keine großen Probleme gelöst, entgegne ich: Ich finde schon, dass es eben aus diesem Grund ein zentraler Schritt ist, das zu machen; dass man darauf vertrauen kann, dass eine Stimme nicht mehrmals abgegeben werden kann, dafür ist zumindest eine Basis geschaffen worden.

Wichtig ist, dass die Gemeinden eine zentrale Rolle dabei spielen. Herr Abgeordneter Scherak von den NEOS, zu dem, was Sie in Richtung Bürgermeister gesagt haben, nochmals: Es sitzen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aller Fraktionen hier im Ho­hen Haus. Bürgermeisterin oder Bürgermeister zu sein ist ein wirklich schwerer Job in der heutigen Zeit, weil die Ansprüche der Bürger höher werden, der Druck, für die Ge­meinde etwas zu erreichen, gewaltig ist. Das, was Sie gemacht haben, war eine pau­schale Anklage von Bürgermeistern. Das muss man zurückweisen, denn wenn Sie ei­nen konkreten Verdachtsfall haben, dann zeigen Sie ihn an! Aber Sie können sich nicht hier herstellen, einen Rundumschlag machen und sagen: Die Bürgermeister manipulie­ren! Das ist doch nicht in Ordnung, wenn das so rüberkommt! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Auch die Grünen propagieren permanent irgendwelche Verschwörungstheorien und stel­len irgendwelche Dinge in den Raum. Zur Frau Abgeordneten Brunner: Also bitte nicht böse sein, aber wenn Frau Abgeordnete Brunner als ÖVP-Gemeinderätin agiert, dann die Partei wechselt, bei den Grünen ist, dann wundern Sie sich, wenn die Leute da­rüber reden? Wundert Sie das? (Abg. Steinhauser: Das ist ja ein Geständnis!) Wie glaubwürdig ist eine derartige Person, die zuerst über die ÖVP redet und dann von den Grünen eine neue Geschichte erzählt? – Also das darf einen ja nicht wundern! (Beifall bei der ÖVP.)

Aber abschließend ist zu sagen: Notwendig ist, dass es zu einer großen Wahlrechts­reform kommt. Auch dazu gibt es immer wieder Gerüchte und Vorwürfe, dass es in Al­tersheimen, in Pflegeheimen zu Unregelmäßigkeiten kommt, dass bei älteren Menschen, die geistig nicht mehr so fit sind, Manipulationen stattfinden. Auch damit gehört aufge­räumt, denn auch dort muss Vertrauen in den Wahlvorgang, in das Wahlsystem ge­wonnen werden. Man hört das immer wieder. Daher ist es wichtig, dass im System Ord­nung gemacht wird. Ich erhoffe mir von einer großen Wahlrechtsreform, dass wir die­ses Vertrauen wieder zurückgewinnen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

11.26


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


11.26.27

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Danke, Herr Präsident! – Herr Abgeord­neter Berlakovich hat gesagt, wenn es Missstände gäbe, dann müsste man diese ein­fach bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringen. Da das nicht erfolgt ist, kann es keine Missstände geben.


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Ich berichtige tatsächlich: In Bezug auf die Wahlmanipulationen in Hohenems und in Bludenz, wo die Bürgermeister als Leiter der Wahlbehörde dafür verantwortlich waren, ist es tatsächlich zu Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft in Feldkirch gekommen. Und die Staatsanwaltschaft in Feldkirch hat das Zeug liegen gelassen (Zwischenrufe bei der ÖVP) bis zu meinem Antrag an die Oberstaatsanwaltschaft in Innsbruck, den Fall we­gen Untätigkeit der Staatsanwaltschaft in Feldkirch an sich zu ziehen. – Und das ist pas­siert. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Berlakovich: Nichts anderes habe ich gesagt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

11.27


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

 


11.27.26

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu meinem Vorredner: Nichts anderes hat Kol­lege Berlakovich vorhin gesagt. Also ich glaube, die Sache ist klargestellt.

Aber generell: Seien wir zuversichtlich! Es sind nun die Weichen für eine diesmal er­folgreiche Wahl des Bundespräsidenten gestellt.

Wir Österreicher besitzen ein allgemeines, freies, gleiches, unmittelbares, geheimes und persönliches Wahlrecht. Darauf sind wir stolz. Zu Recht! Das ist das Herzstück unserer Demokratie.

Ja, bei der letzten Wahl hat es Pannen gegeben. Die Reform, die wir heute auf Schie­ne bringen wollen, wird zu mehr Sicherheit führen. Warum? – Das wurde schon im Ein­zelnen genau ausgeführt.

Für mich stellen sich, abgesehen von aller Legistik, einige grundsätzliche Fragen: Wie schaffen wir es, mehr Menschen zu den Wahlurnen zu bringen? Wie erreichen wir eine höhere Wahlbeteiligung? Wenn man Umfragen glauben darf oder wenn man mit den Menschen redet, dann sagen die einen: Interessiert mich wenig!, die anderen sind wahl­müde, von ihnen hört man immer wieder: Meine Stimme bewirkt sowieso nichts! – Nein, bitte, dem sollten wir gemeinsam entgegentreten! Jede Stimme zählt!

Wie schaffen wir es, vor allem junge Menschen zum Wählen zu bringen? – Die Brexit-Abstimmung in Großbritannien hat ja gezeigt – da sind vor allem ältere Menschen zur Wahl gegangen, wenig junge –, es haben dann die Älteren weitgehend über die Zu­kunft der Jungen entschieden. Was können wir daraus lernen? – Wir sollten vor allem versuchen, junge Menschen für die Politik zu interessieren und junge Menschen für das Wählen zu begeistern.

Weiters – auch dieses Problem wurde von meinem Kollegen angesprochen –: Wie schaffen wir es, dass auch alle Menschen mit Beeinträchtigungen, etwa in Alten- oder Pflegeheimen, sicher wählen können? Das ist ein wichtiges Anliegen. Wir wissen, es ist nicht zulässig, die Wahlkarten durch die Heimleitung anfordern zu lassen, jeder Wähler hat seine Wahlkarte selbst zu beantragen, und auch die freie Stimmabgabe muss gesi­chert sein. Das ist ganz klar.

Selbstverständlich müssen Menschen, die besachwaltet sind, auch ihr Wahlrecht aus­üben können und dürfen. Eine Sachwalterschaft bezieht sich ja nur auf einen Teilbe­reich des Lebens, also zum Beispiel auf ein Geldgeschäft. Sie bezieht sich nicht auf das Wahlrecht, hat mit dem Wählen gar nichts zu tun. Und das ist gut so. Das wollen wir so, denn alle Österreicher haben ein Recht darauf, dass das Wahlergebnis auch ihren persönlichen Willen widerspiegelt. Das ist das Herzstück unserer Demokratie, auf die wir so stolz sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)


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11.30


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gerstl. – Bitte.

 


11.30.50

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Ich melde mich ein zweites Mal zu Wort, weil Kollege Steinhauser, glaube ich, denselben Fehler gemacht hat, den die Kollegen von den NEOS zuvor gemacht haben. Die NEOS haben vorgeworfen, dass in Öster­reich Macht nach politischer Willkür ausgeübt wird. Und der Kollege von den Grünen hat vom Innenminister gefordert, dass dieser etwas nicht zur Anzeige bringt, weil er es nicht gescheit findet – also auch, dass hier ganz besonders nach politischer Willkür agiert wird. (Abg. Steinhauser: Geh, bitte!)

Ich halte fest: Wir leben in einem Rechtsstaat, wo nicht aufgrund der Entscheidungen eines Politikers agiert wird, sondern aufgrund der Gesetze. Nach § 78 Strafprozeßord­nung ist eine Behörde oder öffentliche Dienststelle, der der Verdacht einer Straftat be­kannt wird, verpflichtet, Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zu er­statten. (Abg. Steinhauser: Es fehlte der Vorsatz!) In dem Fall, den Sie geschildert haben, bei dem ein Journalist mithilfe fremder Daten ohne Einverständnis der betref­fenden Person versucht hat, eine Wahlkarte zu bekommen, liegt der Verdacht der Da­tenfälschung nach § 225a Strafgesetzbuch vor und/oder der Verdacht der Wahlbehin­derung nach § 262 Strafgesetzbuch.

Unsere Gesetze funktionieren, unser Rechtsstaat funktioniert. Daher sind Anzeigen zu erstatten, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliegt (Abg. Steinhauser: Es war ja kein Vorsatz da!), ansonsten macht sich die Behörde oder die Person selbst des Amtsmissbrauchs schuldig. Das in dieser Klarheit festzustellen ist mir wichtig. Die Ver­lässlichkeit für die Bürgerinnen und Bürger darauf, dass unser Rechtsstaat funktioniert, ist mir wichtig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steinhauser: … Kriminalisierung! Kein Vor­satz!)

11.32


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter Brosz ist zum zweiten Mal zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


11.32.42

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Danke, Herr Präsident! – Eigentlich sollte ich jetzt eine tatsächliche Bestätigung machen, aber das gibt es in der Geschäftsord­nung noch nicht, deswegen ist das jetzt ein zweiter Redebeitrag.

 


Präsident Karlheinz Kopf: Aber eine Formulierung in diese Richtung ist natürlich mög­lich. (Heiterkeit bei den Grünen.)

 


Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (fortsetzend): Herr Kollege Berlakovich, noch ein­mal langsam und zum Mitschreiben: Die Kollegin Brunner hat sich kommunalpolitisch zu engagieren begonnen und hat als Unabhängige auf einer ÖVP-Liste kandidiert. (Abg. Berlakovich: Was ist das Problem jetzt? – Heiterkeit bei der ÖVP.) Haben wir es so weit? – Okay.

Dann haben Sie gesagt, dann ging die Geschichte weiter, dass sie irgendwann ge­meint hat, dass die ÖVP vielleicht doch nicht das ist, wo sie sich politisch daheimfühlt, und sie hat sich für die Grünen engagiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Als das der Fall war, ging ein – diesmal nicht niederösterreichischer, sondern burgenländischer – Bür­germeister von der ÖVP zu ihrem Arbeitgeber (Ruf: Da gibt’s ja gar keinen!) und hat diesem dort (Abg. Berlakovich: Das sind irgendwelche Behauptungen!) – das sind kei­ne Behauptungen, das sind die bestehenden Tatsachen – gesagt, er hätte eine unzu­verlässige Mitarbeiterin. Das Glück war offenbar, dass sich der Arbeitgeber korrekt verhalten und gemeint hat, das eine seien die Freizeit und das politische Engagement, das andere das, was sie bei der Arbeit leiste.

Und Sie sagen wörtlich, darüber braucht man sich nicht zu wundern!? – Das ist un­glaublich, Herr Kollege Berlakovich! Das ist genau das System, das heute beschrieben


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worden ist. (Beifall bei Grünen und NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen ÖVP und Grünen.)

11.34


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte. (Abg. Steinbichler stellt eine Tafel, auf der eine vergrößerte Kopie einer Unterstüt­zungserklärung abgebildet ist, vor sich auf das Rednerpult.)

 


11.34.24

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Herr Präsident! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Ich habe ganz bewusst einmal eine Unterstützungserklärung kopiert, damit für die KollegInnen von den alteingesessenen Parteien einmal offensicht­lich wird, wie so etwas ausschaut, denn sammeln musstet ihr so etwas noch nie. (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.) Ich denke, das ist ganz wichtig. Ich werde später erklären, was man mit solchen Unterstützungserklärungen erlebt.

Nun aber zum vorliegenden Abänderungsantrag der NEOS, den wir unterstützen, weil er, Kollege Wittmann, nicht die Kleinparteien fördert, sondern weil er das Fundament von Demokratie ist, dass ein mündiger Bürger, der wählbar ist, der kandidieren möchte und einen Politiker unterstützen möchte, nicht unbedingt zu seiner Heimatgemeinde, Wohnsitzgemeinde gehen muss, sondern in seinem Wahlkreis Unterstützungserklärun­gen sammeln kann.

Die Briefwahlprobleme wurden vom Kollegen Stefan angesprochen und dargestellt. Da möchte ich nichts wiederholen. Es ist alles klar.

Ebenso klar sind die Probleme betreffend fliegende Wahlkommission, die vom ehe­maligen Minister Berlakovich erklärt wurden.

Aber, Kollege Gerstl und Kollege Singer, bei Missbrauchsfällen auf die Staatsanwalt­schaft zu verweisen – das ist ja wohl die älteste Masche, sich auf die Gesetzeslage auszureden! (Abg. Gerstl: Das ist der Rechtsstaat!) Deine Emotion, Kollege Gerstl, hat mich begeistert. Ich habe dich noch nie so emotional erlebt wie heute bei dieser Rede. Ich weiß nicht, was du zum Zudecken hast, aber ich darf dir eines sagen (Zwischenrufe bei der ÖVP), nämlich ein kleines Beispiel aus Oberösterreich.

Kennt ihr den Kollegen Hannes Peinsteiner? Kennt ihr den ehemaligen Bürgermeister von Sankt Wolfgang? Kennt ihr den Bezirksparteiobmann von Gmunden? – Wenn er 2015 nicht hätte zurücktreten müssen, würde er genauso dastehen und sagen: Es ist alles paletti. Bei uns geht alles nach demokratischen Grundsätzen. Bei uns ist alles in Ordnung.

Lieber Kollege Gerstl, ein Unterschied: Ich habe gesagt: Reden wir übers Leben! 24 Jahre lang habe ich als Fraktionsobmann und 16 Jahre lang als Gemeindevorstand sämtliche Entscheidungen in unserer Gemeinde (Abg. Rädler: Welcher Partei?) mitgetragen und weiß, wie Entscheidungen entstehen. Ich glaube, ich muss dir nicht erklären, wie Ent­scheidungen entstehen, aber du kannst dich gerne mit einem Baumeister unterhalten, nicht mit der Staatsanwaltschaft. (Abg. Fekter: Das ist so in einem Rechtsstaat! Das ist ja unglaublich!) Das ist das Problem! Ihr nehmt immer das Recht des Paragrafen in Anspruch. Redet mit den Praktikern! Redet mit einem Baumeister, wie es diesem geht, der einmal eine Gemeinde bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hat, wie viele Aufträge er dann noch bekommt! Das sind die Fakten. Verstecken wir uns nicht hinter den Pa­ragrafen, reden wir übers Leben! Ich glaube, das ist das ganz Entscheidende. (Beifall beim Team Stronach sowie Bravoruf des Abg. Lugar. – Abg. Fekter: Du bist angelobt auf die Verfassung! Du hast gefälligst …!)


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Frau Kollegin Fekter, mit dir möchte ich nicht die Gewerbereform diskutieren. Das machst du mit dem Metzger Gruber, dem du sein Gewerbe verhindert hast. (Abg. Fek­ter: … der Verwaltungsgerichtshof!)

Aber eines ist vollkommen klar: Wenn man so weit ist und sich von einer etablierten Partei verabschiedet oder hinausgeworfen wird – und du warst im Parteivorstand –, dann erlebt man, was es heißt, Unterstützungserklärungen zu sammeln.

Ich würde euch wünschen, mit Leuten zu sprechen, die sagen: Du hast meine volle Unterstützung, du sprichst die Stimme des Volkes! Dann gehe ich zu dem hin, gebe ihm die Unterstützungserklärung, und er fragt: Wo kann ich unterschreiben? Darauf sage ich ihm: Nein, du musst auf die Gemeinde gehen, du brauchst einen Stempel vom Amtsleiter beziehungsweise von einer befugten Person auf der Gemeinde. Dann bekommt man relativ schnell die Antwort: Tut mir leid, das kann ich nicht!

Ich frage: Ja warum nicht? Warum kannst du nicht auf die Gemeinde gehen? – Die Antwort: Wir hätten eine Überlegung mit einer Widmung, der Sohn möchte eventuell einmal in der Gemeinde bauen. Die Tochter hat gerade eine gute Ausbildung gemacht, sie möchte sich eventuell einmal um einen Job bewerben. Oder: Die Kinder sind für die Kindergartenplätze anzumelden.

Ich darf vielleicht noch etwas einflechten. Ich war auch 22 Jahre lang im Bezirksschul­rat. (Abg. Rädler: So lange?) – Ja, für die ÖVP. Ich weiß, was dort gesprochen wurde. Ich weiß, was dort gesprochen wurde: nicht über Unterricht, nicht über Unterrichtsmit­tel, nicht über Lernmethoden, sondern über Objektivierungspunkte, denn dort geht es genauso objektiv zu. Da gibt es natürlich nirgendwo ein Problem, und da gewinnt zufäl­ligerweise immer wieder der ÖVP-Kandidat. Er kann noch so jung sein, aber bevor er Gefahr läuft, zu wenige Objektivierungspunkte zu haben, schickt man ihn zu einem Kin­derlotsendienst, zu einem Sanitäterkurs, und dann gibt es genug Objektivierungspunk­te. Und siehe da: Vor lauter Objektivierung haben wir den richtigen Direktor.

So läuft das, und dann ist alles in Butter. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Hagen: Der muss es wissen, der war lange bei der ÖVP!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr möchte ich dazu nicht sagen – die Aufregung be­stätigt es ja. Ich verstehe diese Aufregung, denn dieses System wurde gestern in Ame­rika abgewählt. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

11.40


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr. Fekter. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


11.40.26

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Der Herr Kollege Steinbichler wiederholt zum x-ten Mal, ich hätte einen Gewerbebetrieb in Attnang-Puchheim verhin­dert. (Ruf: Stimmt ja auch! – Zwischenruf des Abg. Brosz.) – Das ist falsch!

Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass ein Schlachthof mitten im Ortsge­biet nicht zulässig ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steinbichler: Nur mit Schächten!)

11.40


Präsident Karlheinz Kopf: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Berlakovich. – Bitte. (Oh-Rufe bei den Grü­nen.)

 


11.41.05

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Hohes Haus! Herr Abgeordne­ter Brosz hat in einer ziemlich eigenartigen, oberlehrerhaften Art versucht (Abg. Brosz: Das ist schon einmal keine tatsächliche Berichtigung!), mir die Leviten zu lesen, indem


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er behauptet hat, ich hätte einen Bürgermeister verteidigt, der zum Arbeitgeber der Ab­geordneten Brunner gegangen wäre und über sie schlecht geredet hätte, und ich hätte gesagt, dass sie sich darüber nicht wundern darf. – Das stimmt nicht, das habe ich nicht gesagt!

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt, dass, wenn die Abgeordnete Brunner auf einer ÖVP-Liste kandidiert hat und dann plötzlich zu den Grünen wechselt, sie sich nicht wundern darf, wenn die Leute über ihre Glaubwürdigkeit reden. Das habe ich ge­sagt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brunner: Geh, bitte! – Heiterkeit der Abg. Brunner. – Abg. Brosz: Das war eine tatsächliche Berichtigung? Man möge mir eine Geschäfts­ordnung bringen! Man möge mir eine Geschäftsordnung reichen! – Zwischenruf des Abg. Scherak. – Unruhe im Sitzungssaal.)

11.41

11.41.51

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu einem etwas umfangreichen Abstim­mungsvorgang. Ich bitte um Konzentration.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2, über den Gesetzentwurf in 1298 der Bei­lagen.

Hiezu liegen folgende Zusatz- beziehungsweise Abänderungsanträge vor: Zusatzan­trag der Abgeordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen, Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Zusatzantrag, dann über die vom Ab­änderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abge­stimmten Teile des Gesetzentwurfes in dieser Reihenfolge abstimmen lassen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte Abänderungsantrag eine Ände­rung des Bundes-Verfassungsgesetzes enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesen­heit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Die Abgeordneten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatzantrag eingebracht, mit dem in den Artikeln 4, 5 und 6 jeweils eine Ziffer eingefügt wird.

Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Die Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend die Artikel 1, 3, 4, 5, 6 und 7 eingebracht.

Wer tritt hiefür ein? – Das ist einstimmig angenommen.

Damit ist auch klar, dass ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit feststellen kann.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussbe­richtes.

Wer stimmt dem zu? – Das ist wiederum einstimmig angenommen.

Logischerweise liegt somit auch die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit vor.

Dritte Lesung: Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist mit der erforderli­chen Zweidrittelmehrheit, aber mehrheitlich angenommen. Der Gesetzentwurf ist so­mit auch in dritter Lesung angenommen und beschlossen.


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Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1298 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung betreffend Datenschutz bei Wahlkarten.

Wer stimmt dem zu? – Das ist wiederum einstimmig angenommen. (E 178.)

11.44.553. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (1296 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Gehaltsgesetz 1956 und das Vertragsbedienstetenge­setz 1948 geändert werden (Besoldungsrechtsanpassungsgesetz) (1325 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangen wir zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Erster Redner dazu ist Herr Abgeordneter Lausch. – Bitte.

 


11.45.12

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Hohes Haus! Ich beginne meine Rede einmal – man sagt ja immer, was die Regierung vorlegt beziehungsweise die Regierungsparteien hier beschließen, das ist das Richtige, das ist das Gute – mit einem Bericht aus der „Wiener Zeitung“ von Dr. Werner Zinkl. Ich lese ihn Ihnen vor.

„Anstatt sich endlich ordentlich der Aufgabe zu widmen und eine entsprechende An­passung der Anrechnungsbestimmungen vorzunehmen, setzt die Bundesregierung be­harrlich den auf völlig falschen Ansätzen gestützten Weg fort. Der aktuelle Entwurf im Ministerratsvortrag vom 11. Oktober 2016 stellt erneut einen massiven Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit dar. Zum nunmehr dritten Mal wird versucht, in einer legistisch äu­ßerst fragwürdigen Vorgangsweise bereits höchstgerichtlich zuerkannte Rechtsansprü­che zu ignorieren.“

Das, meine Damen und Herren, sagt eigentlich, wie ich meine, alles – und das sagt kein Geringerer als Dr. Werner Zinkl, und das ist immerhin der Präsident der Öster­reichischen Richtervereinigung, und nicht die Opposition, die nach Ihrer Meinung im­mer falsch liegt und immer nur Verschwörungstheorien hat. Und diese neue sogenann­te – sie verdient ja nicht einmal diesen Ausdruck – reparierte Regierungsvorlage ist jetzt der Weisheit letzter Schluss. Als das versucht man sie uns ja zu verkaufen.

Das war jetzt, wie gesagt, der Präsident der Österreichischen Richtervereinigung, die Opposition wird Ihnen ziemlich geschlossen sicher noch ganz andere Sachen sagen, wie auch ich als Mandatar der FPÖ, und ich habe es Ihnen schon im Ausschuss ge­sagt: Man hat wirklich das Gefühl, dass man da gar nichts reparieren will, sondern man will hier auf dem Rücken der öffentlich Bediensteten Zeit gewinnen. Es ist voll­kommen egal! – Die jetzige Regelung hat der Verwaltungsgerichtshof im September 2016 auf­gehoben. Man nimmt auch das wieder bewusst in Kauf. Dieses Gefühl hat man, denn sonst hätte man unseren Oppositionsantrag angenommen, in dem wir wollten, dass man Meinungen einholt, dass man eine Ausschussbegutachtung macht. Das haben wir gefordert, aber das wurde weggewischt.

Man will das in Wahrheit gar nicht reparieren, man nimmt das in Kauf. Man will hier auf dem Rücken der öffentlich Bediensteten einfach nur Zeit gewinnen, damit man diese Gelder nicht auszahlen oder zurückzahlen muss. Das will man. Man will das Geld nicht in die Hand nehmen.

Ich sage Ihnen, den zwei Regierungsparteien – den beiden Noch-Regierungsparteien SPÖ und ÖVP –, klipp und klar: Die Leistung des Öffentlichen Dienstes ist Ihnen nichts wert. Auch wenn Sie sich hier zehnmal, hundertmal im Jahr herstellen und sich bei den öffentlich Bediensteten bedanken, dann ist das schön, aber davon hat kein einziger öffentlich Bediensteter etwas. Das Einzige, wie Sie hier – und das war jetzt die Na-


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gelprobe – Ihre Einstellung hätten beweisen können, das wäre zunächst einmal die An­nahme unseres Antrages im Ausschuss gewesen, der nur besagt hätte, dass bis zum 15. Dezember 2016 Äußerungen in der Parlamentsdirektion einlangen sollen, und dann machen wir das gescheit. Das heißt: Zurück an den Start, und stellen wir das endlich auf gerade, gesunde Füße! Schauen wir, dass die öffentlich Bediensteten endlich zu ihrem erworbenen Recht kommen!

Das will man nicht, und darum sage ich Ihnen eines: Sie können sich hier hundertmal herstellen und sich bei den öffentlich Bediensteten bedanken, man glaubt es Ihnen nicht mehr. Hier hätten Sie nämlich beweisen können, auch durch eine gescheite Re­paratur dieses Gesetzes, dass Ihnen die Leistung des Öffentlichen Dienstes etwas wert ist. (Beifall bei der FPÖ.) Sie ist Ihnen nichts wert! Es sind einfach immer nur nette Worte, die Sie hier vom Rednerpult sagen – aber man glaubt es Ihnen nicht mehr. Aber glaubt uns, wir haben kein Problem damit: Wir werden den öffentlich Bediensteten sa­gen, dass diesen zwei Regierungsparteien, dass dieser Bundesregierung diese Leis­tung eigentlich nichts wert ist und dass das hier ewig auf die lange Bank geschoben wird. Da nimmt man alles in Kauf. Man will das Geld nicht in die Hand nehmen, das ist halt einfach nichts wert. Man hat es nicht, man will es nicht und man nimmt das alles bewusst in Kauf.

Das ist verwerflich, und da muss man sich hier vom Rednerpult aus wieder – zum x-ten Mal! – bei den öffentlich Bediensteten entschuldigen. An uns von der Opposition, an uns Freiheitlichen liegt es nicht, es liegt einfach an Rot und Schwarz, an dieser Bundesre­gierung, die da einfach nichts weiterbringt, nichts Gescheites auf den Tisch legt.

Ich habe es Ihnen zu Anfang meines Debattenbeitrages vorgelesen, weil man immer wieder sagt, die Opposition ist gegen alles, und Sie immer glauben, Sie liegen richtig und dass das schon der große Wurf ist, dass das schon das Richtige ist und so weiter, und ich sage es Ihnen noch einmal: Wir Freiheitliche unterschreiben das vollinhaltlich, was Ihnen der Präsident der Österreichischen Richtervereinigung in der „Wiener Zei­tung“ ausgerichtet hat! Und glauben Sie mir, die öffentlich Bediensteten wissen ganz genau, dass sie von Rot und Schwarz schon lange im Stich gelassen wurden und dass sie nichts für sie übrig haben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

11.50


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist Frau Staatssekretärin Mag. Duzdar zu Wort ge­meldet. – Bitte.

 


11.50.58

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Muna Duzdar: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Werte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es liegt Ihnen ein Geset­zesänderungsvorschlag vor, der in der Tat zum Gegenstand hat, die Besoldungsre­form, die im Februar 2015 in Kraft getreten ist, zu sanieren. Lassen Sie mich voraus­schicken, dass ich Verständnis dafür habe, dass im Zusammenhang mit der rechtli­chen Sanierung der Besoldungsreform 2015 ein erheblicher Bedarf nach Fragen be­steht.

Wir haben es da mit einem komplexen Thema zu tun, das uns mittlerweile seit vielen Jahren begleitet und das im Zusammenhang mit Fragen der Altersdiskriminierung steht. Es ist Ihnen zur Kenntnis gelangt, dass es mit 9. September 2016 ein Erkenntnis
des Verwaltungsgerichtshofes gegeben hat, das die Regelungen der Besoldungsre­form 2015 für gesetzwidrig und für nicht anwendbar erklärt hat.

Zur Vorgeschichte darf ich kurz Folgendes ausführen: In Anlehnung an die europäi­sche Antidiskriminierungsrichtlinie aus dem Jahr 2000 hat der Europäische Gerichtshof bereits im Jahr 2009 im Fall Hütter erkannt, dass die Vordienstzeitenanrechnung im Öf­fentlichen Dienst altersdiskriminierend ist. Er hat das deswegen getan, weil Ausbil-


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dungs- und Schulzeiten nach dem 18. Lebensjahr im Öffentlichen Dienst immer als Vor­dienstzeiten anerkannt wurden und Ausbildungs- und Schulzeiten vor dem 18. Lebens­jahr nicht als Vordienstzeiten angerechnet wurden.

Im Zuge der Besoldungsreform 2015 hat man nochmals versucht, den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes zu entsprechen. Was hat man getan? – Man hat ein neu­es Gehaltssystem geschaffen, in das alle Bundesbediensteten übergeleitet wurden, und man hat auf das faktische Gehalt abgestellt und keine Neuberechnung vorgenommen.

Bei dieser Reform hat man eben diese alten, altersdiskriminierenden Bestimmungen außer Kraft gesetzt und für nicht anwendbar erklärt. Der Verwaltungsgerichtshof ist die­ses Mal in seinem Erkenntnis jedoch zu der Auffassung gelangt, dass der Gesetzgeber anders zu verstehen wäre und dass der Gesetzgeber nicht gemeint haben kann, dass die alten Bestimmungen nicht mehr anwendbar sind, weil sonst Gehaltsbestandteile der Vergangenheit – vor dem Februar 2015 – nicht überprüfbar wären.

Er kommt in seinem Erkenntnis zu der Schlussfolgerung, dass in unmittelbarer Anwen­dung des Unionsrechts den Bediensteten daher drei Jahre an Vordienstzeiten anzu­rechnen sind, weil er eben das alte Recht wieder aufleben lässt. Das hätte eine mas­sive budgetäre Belastung zur Folge, und um diese finanziellen Auswirkungen abzu­wenden, haben wir sehr rasch eine Sanierung erarbeitet.

Jetzt stehen wir vor der Situation, dass wir die Besoldungsreform 2015 in der Tat sa­nieren. Wir sind dabei sehr stark auf die Argumente des Erkenntnisses des Verwal­tungsgerichtshofes eingegangen und haben auch versucht, die Regelungslücke, die der Verwaltungsgerichtshof aufgreift, zu schließen. Wir stellen in dieser Sanierung klar, dass die alten Bestimmungen ohne Interpretationsspielraum explizit auf die künftigen und laufenden Verfahren nicht anwendbar sind. Ziel dieser Regelung ist es – das ist der Grund, weshalb wir so rasch gearbeitet haben –, eine erhebliche finanzielle Belas­tung von der Republik abzuwenden, ohne dass es zu Verlusten bei einzelnen Bediens­teten kommt.

Wir mussten mit dieser Gesetzesvorlage sehr schnell reagieren, weil es sonst auch in Zukunft zu einer Ungleichbehandlung bei den Bediensteten gekommen wäre. Die Sach­lage ist sehr schwierig, und ich darf Sie, werte Abgeordnete, um Verständnis und um Zustimmung zu dieser Regelung ersuchen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.55


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Pendl zu Wort. – Bitte.

 


11.55.53

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Dies ist zugegebenermaßen eine sicherlich nicht einfache Sachdiskussion, aber lassen Sie mich eingangs Folgendes zum Ausdruck bringen: Herr Kollege Lausch, es wird deswegen gerade für jene Berufsgruppe, aus der du kommst, immer schlechter, wenn man es sich wirklich im Detail ansieht, denn aus einer ur­sprünglichen … (Abg. Lausch: Das liegt aber an eurer Regierung!) – Bitte zuhören! An­scheinend tut ihr das im Ausschuss nicht und sonst auch nicht.

Wir haben schon angeboten, uns mit allen Spezialisten zusammenzusetzen; wer das Angebot angenommen hat oder nicht, das lasse ich dahingestellt. Es gilt übrigens noch immer! Wir haben erst kürzlich wieder geredet, oder nicht, Herr Kollege Hagen? – Das stimmt, oder etwa nicht?

Eine ursprüngliche Diskriminierungsbestimmung – die Frau Staatssekretärin hat es zum Ausdruck gebracht – aufgrund von Entwicklungen auch auf europäischer Ebene, durch


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die wir auf einmal die Situation gehabt haben, wie es sie seit der Einführung des Öf­fentlichen Dienst beziehungsweise seit der alten Dienstpragmatik 1914 nie gegeben hat, dass Zeiten vor dem 18. Lebensjahr angerechnet wurden, war das auslösende Mo­ment. Von da an hat man immer versucht, eine faire und solidarische Regelung, bei der niemand etwas verliert, zu finden.

Mittlerweile ist es ein rein juristisches Problem, und ich gebe nur eines zu bedenken – das habe ich schon im Ausschuss gesagt, und da lassen wir die Sozialpartner einmal beiseite –: Wenn wir etwas ausverhandeln und einen Kompromiss schließen, der, Herr Kollege Loacker, das Dienstrecht betreffen würde, bei dem wir in gutem Glauben eine Ausgewogenheit zwischen Höchstlohngruppen und Niedriglohngruppen zu finden ver­suchen, wenn wir diesen Kompromiss finden würden, dann kann man, weil natürlich jede einzelne Planstelle und Verwendungsgruppenbewertung im Gesetz steht, nicht aus­schließen, dass unser Kompromiss dann im Individualverfahren bei einer Klage auf­ge­hoben wird.

Da kann ich nicht sagen: Das ist schlampig! Da passieren solche Sachen! – Diese Ent­wicklung bringt uns in eine Situation, in der Verhandlungsergebnisse schwierig sind – selbst hier; es ist immer dasselbe, denn es steht dann schlussendlich in einem Ge­setz – und in der sich die Frage stellt, ob wir bei diesen Entwicklungen überhaupt in der Lage sind, bei Einzelklagen, die sich dann auf das gesamte System auswirken – denn auch das war, als es angefangen hat, eine Einzelklage; das nur, um fair zu sein –, immer wieder Sicherheit zu schaffen.

Das ist das, was ich nicht verstehe. Wenn mir das der Kollege Hagen sagt oder du, dann sage ich, dass wir uns einmal unsere Berufsgruppen anschauen müssen. Als diese Diskussion begonnen hat, hat man nämlich versucht, dass – was die Geschichte des Vorrückungsstichtags betrifft – gerade die Exekutive gegenüber den Hochlohn­gruppen nicht untergeht. Und alle, die sich jetzt dauernd beschweren, sind Hochlohn­gruppen! Wenn wir auf diese Position zurückgehen, dann sind die gesamten Niedrig­lohngruppen Verlierer und die Hochlohngruppen Gewinner.

Ich habe immer eingeladen, sich anzuschauen, ob das eine Lösung im Sinne von Fair­ness und Gerechtigkeit ist. Ich glaube, dass wir nach wie vor die Verpflichtung haben zu schauen, dass wir in der Relation halbwegs einen Ausgleich innerhalb der Verwen­dungsgruppen und der einzelnen Berufsgruppen haben, was Höchst- und Niedriglohn­gruppen innerhalb des Öffentlichen Dienstes betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als einer, der immer zur Verfügung steht, egal, ob es um Einzel- oder Gruppengespräche geht, kann ich sagen: Ich war immer dafür, dass wir schnell zu einem neuen Dienstrecht kommen. Ich glaube aber, auch bei Verhandlungen über ein neues Dienstrecht stellt sich die Frage – diese Frage stellt sich immer –, inwieweit man in der Lage ist, im Verhandlungsweg einen halbwegs soli­darischen Ausgleich zustande zu bringen. Wenn ein Einzelner dann klagt, hat man je­doch wieder das Problem, dass dieser Einzelfall rein juristisch dahin gehend entschie­den wird, ob er in das System passt oder nicht.

Wir werden ewig Gehaltsverhandlungen führen müssen, wir werden ewig Eingruppie­rungen regeln müssen. Es ist nicht möglich, dass wir bei einem Dienstrecht für einige Hunderttausend Leute mit Einzelverträgen arbeiten, nur damit sie dann juristisch wirk­lich hundertprozentig abgesichert sind. Das ist das Problem, das wir haben, und ich bitte darum, dieses Problem sachlich zu beurteilen und nicht zu sagen, wie wir hier auch schon gehört haben, dass das schludrig oder was weiß ich was ist. (Abg. Lausch: Sachlich wäre unser Antrag gewesen!) – Schau dir das bitte nur ein einziges Mal an, nur ein einziges Mal, dann wäre ich schon sehr glücklich! (Abg. Lausch: Wir haben es uns öfter angeschaut!)


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Ich möchte mich wirklich bedanken, Frau Staatssekretärin, denn ich weiß, wie schwie­rig das Thema ist und wie das über das Staatssekretariat hereingebrochen ist. Ich möchte daher auch, weil ich weiß, was das in Wirklichkeit an Arbeit bedeutet, der gan­zen Dienstrechtssektion dafür danken. Es wird immer kritisiert, kritisiert, kritisiert, aber schaut euch einmal an, wie viele Kolleginnen und Kollegen in der Dienstrechtssektion sind! Die können rund um die Uhr arbeiten. Das sind lauter Spezialisten, denn Dienst­rechtler findet man nicht auf dem freien Markt. Und diese Kolleginnen und Kollegen der Dienstrechtssektion haben es nicht verdient, dass man schludrige Bemerkungen über sie macht. Das haben sie nicht verdient. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Staatssekretärin. Versuchen wir gemeinsam – wir haben ja auch wieder einen Entschließungsantrag eingebracht –, zu einer Lösung zu kommen! Ich bitte alle, da auch wirklich inhaltlich mitzuarbeiten, weil es ein interes­santes Thema für alle ist, aber ich warne davor zu glauben, dass im Einzelfall, wenn wir im Verhandlungsweg ein Ergebnis erzielt haben, alles sicher ist und pickt. Das glau­be ich nicht. Alle, die sich mit diesen Fragen schon beschäftigt haben, wissen das.

Ich glaube, man muss sich zu einem solidarischen Ausgleich zwischen den unterschied­lichen Einkommensgruppen bekennen. Ich habe mich immer dazu bekannt.

Ich lade Sie wirklich ein, daran mitzuarbeiten und das sachlich zu diskutieren, denn dieses Thema ist viel zu ernst, als dass wir es nur politisch diskutieren sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

12.02


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser. – Bitte.

 


12.02.46

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Pendl! Ich bekenne mich durchaus dazu, dass Gewerkschaft und Arbeitge­berseite, in diesem Fall das Bundeskanzleramt beziehungsweise das Staatssekretariat, versuchen, eine politische Lösung auszuverhandeln, aber eine politische Lösung ist nichts wert, wenn sie dann rechtlich nicht hält. Und das ist das Grundproblem, das wir hier haben. (Abg. Pendl: Das hast du aber bei jedem einzelnen Arbeit…!) Das ist viel­leicht ein Konsens in der Theorie, aber in der Praxis muss dieser Konsens natürlich auch den rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen. Das ist ja hier das Problem.

Das erste EuGH-Urteil – nur, um zu zeigen, wie der Gesetzwerdungsprozess abläuft – gab es am 18. Juni 2009. Dann hat es 2010 den ersten Sanierungsversuch gegeben. Der war wieder nicht EU-rechtskonform – das war 2014. Dann hat es 2015 eine erste Änderung gegeben, im Mai 2015 die zweite Änderung, im Dezember 2015 die dritte Änderung, im Juni/Juli 2016 wieder eine Änderung, und heute haben wir schon wieder eine Änderung vorliegen.

Wenn man beispielhaft anführen möchte, wie ein parlamentarischer Gesetzgebungs­prozess nicht laufen soll, dann ist das ein Bilderbuchbeispiel dafür.

Wenn die Opposition nach fünf-, sechsmaligem Scheitern des Gesetzes beantragt, die­ses Gesetz einer Begutachtung zu unterziehen – es wurde nämlich auch nicht begut­achtet –, und der Begutachtungsantrag abgelehnt wird, dann fehlt mir jedes Verständ­nis. Und wenn die Begründung für die Ablehnung ist: Da kennt sich eh niemand aus!, also sinngemäß, es kann ja gar kein konstruktiver Beitrag kommen, dann fehlt mir auch dafür jedes Verständnis. Wir stehen für solch einen Gesetzgebungsprozess nicht nur Verfügung. Das hat noch gar nichts mit der Frage zu tun, ob man einen Kompromiss mit der Gewerkschaft akzeptieren möchte oder nicht.

Es gibt aber in diesem Zusammenhang noch eine zweite Stilblüte. Es gibt einen äu­ßerst interessanten Entschließungsantrag der Regierungsparteien, mit dem wir eine


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Premiere erleben: Es wird nämlich ein Entschließungsantrag eingebracht, der zum In­halt hat, dass ein zurückliegender Entschließungsantrag, der hier im Parlament be­schlossen wurde, von der Regierung endlich umgesetzt werden soll. Das heißt, es gibt den einfachen Entschließungsantrag und es gibt dann offensichtlich auch noch den Ent­schließungsantrag zum Quadrat – das ist der, der der Regierung sagt, sie muss einen Entschließungsantrag, den wir schon früher beschlossen haben, umsetzen. Das wird dann irgendwann absurd.

Es ist aber zu einem gewissen Grad auch wieder – wie soll ich sagen? – Ironie, dass die Regierungsparteien mit ihren Entschließungsanträgen genauso scheitern, wie die Opposition von der Regierung bei Anfragen im Stich gelassen wird. Insofern empfinde ich es schon fast – Häme möchte ich nicht sagen, weil es mir um den Parlamenta­rismus leid tut, Genugtuung ist es auch nicht –, ich habe bis zu einem gewissen Grad Mitleid mit euch und kann verstehen, wie schwer es ist, dass ihr sozusagen mit dem zweiten Entschließungsantrag in die Warteschleife geht.

Wir werden auch diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen, denn es kann kein Präjudiz geben, dass man sozusagen, wenn man beim ersten Mal scheitert, ein zwei­tes Mal betteln gehen muss. Entschließungsanträge sind umzusetzen, dabei bleibt es! Daher ist auch der zweite Entschließungsantrag nicht notwendig – ein Musterbeispiel dafür, wie Parlamentarismus nicht laufen soll. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Lausch und Loacker.)

12.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Karl. – Bitte.

 


12.06.06

Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staats­sekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich gar nicht mit vergan­genen oder gegenwärtigen Reformen des Besoldungsrechts aufhalten – dazu wurde ja schon viel gesagt –, ich möchte vielmehr auf die Zukunft des Dienst- und Besoldungs­rechts für den Öffentlichen Dienst eingehen.

Im aktuellen Regierungsprogramm ist ja im Kapitel Moderner Staat eine Modernisie­rung des Dienstrechts vorgesehen. Ziel ist die Schaffung eines modernen, eigenständi­gen und einheitlichen Dienstrechts mit berufsspezifischen Ausprägungen. Dabei sollen zum einen die Erfordernisse der Gemeinwohlorientierung im Sinne einer optimalen Leistungserbringung für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Unternehmen mit einer öffentlich-rechtlichen Grundausrichtung berücksichtigt werden, zum anderen muss das neue Dienstrecht auch geeignet sein, die Rechtsstaatlichkeit in einem umfassen­den Sinne sicherzustellen. Schließlich soll durch moderne Besoldungsverläufe die Kon­kurrenzfähigkeit des Dienstgebers Bund auf dem Arbeitsmarkt auch für die Zukunft ab­gesichert werden.

Zur Erreichung dieses Ziels soll eine gleiche dienstrechtliche Basis vorbereitet werden, die eine einheitlichere und flachere Besoldungsstruktur für zukünftige Vertragsbediens­tete und Beamte beinhaltet. Außerdem soll der Stufenbau des neuen Dienstrechts so angelegt werden, dass berufsspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden können.

Wie eine Modernisierung des Dienstrechts aussehen kann, das zeigen uns etwa auch einzelne Bundesländer wie die Steiermark, Niederösterreich und Oberösterreich. Dies ist auch dem Rechnungshof positiv aufgefallen.

Auf Bundesebene verfügen wir zwar über die genannten Ziele und die Maßnahmen zur Zielerreichung laut Regierungsprogramm, das, was noch fehlt, ist allerdings die Um­setzung. Bereits im Zuge der Beschlussfassung der Besoldungsreform 2015 hat der Na­tionalrat die Bundesregierung daher mittels Entschließung aufgefordert, die Verhand-


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lungen mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zur im Regierungsprogramm vorgese­henen Reform des Dienst- und Besoldungsrechts aufzunehmen, und zwar mit dem Ziel, diese bis Ende 2016 als Grundlage für die Erstellung einer Regierungsvorlage ab­zuschließen. Nunmehr bekräftigen wir dieses Bekenntnis zur Schaffung eines neuen Dienst- und Besoldungsrechts mit einem neuerlichen Entschließungsantrag.

Herr Abgeordneter Steinhauser hat sich ja gerade darüber lustig gemacht, dass wir diesen Entschließungsantrag neuerlich einbringen. Ich kann Ihnen aber sagen, warum wir das tun, warum wir diesen Entschließungsantrag neuerlich einbringen: ganz ein­fach – weil wir etwas wollen. Und wenn man etwas will, dann ist es ja häufig und nicht zuletzt gerade in der Politik so, dass man hartnäckig bleiben muss, dass man nicht lockerlassen darf. Wenn es um die Schaffung eines neuen Dienst- und Besoldungs­rechts geht, ja, dann lassen wir nicht locker.

Deshalb wird im neuerlichen Entschließungsantrag der Bundeskanzler aufgefordert, die Verhandlungen mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zur Reform des Dienst- und Besoldungsrechts ehestmöglich mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Gesetzes­vorlage abzuschließen. Dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst als Verhandlungs­partner zur Verfügung steht, beweist etwa die Titelgeschichte des GÖD-Magazins vom 17.6.2013. Dort wird die Reform des Dienst- und Besoldungsrechts als längst überfällig bezeichnet. Zudem wird dargestellt, warum Österreich ein zeitgemäßes Dienstrecht braucht und wie es aussehen soll. Dieser Artikel schließt mit den Worten – ich zitiere –:

„Der Standpunkt der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ist jedenfalls klar: Österreich braucht ein neues, attraktives Dienstrecht, um im Wettbewerb um die besten Köpfe be­stehen zu können. Und zwar rasch!“

Dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.10


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 


12.10.23

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Ja, ich fin­de den Entschließungsantrag zum Entschließungsantrag, den die Regierungsparteien an sich selbst richten, genauso lächerlich wie Kollege Steinhauser.

Damit komme ich auch schon zum Gesetzesantrag selbst. Das Bundeskanzleramt, Frau Staatssekretärin, legt hier einen Entwurf vor nach dem Motto: Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt. – Eine fragwürdige Novelle nach der anderen.

Wir gehen von einer diskriminierenden Anrechnung von Vordienstzeiten aus. Und jetzt scheint die fachliche Kompetenz im Bundeskanzleramt schon auf die Dreieinhalbtage-woche umgestellt zu haben, denn das, was jetzt hier vorliegt, wird wieder nicht halten.

Warum? – Sie gehen her und leiten Leute, die diskriminierend eingestuft sind, in ein neues System mit dem gleichen Lohn beziehungsweise Gehalt über. Und jetzt besei­tigen Sie die diskriminierenden Stichtage – einfach weg damit. Dass aber das Ergebnis von diesen diskriminierenden Stichtagen hergeleitet ist, bleibt eine Tatsache, an der ihr Kunstgriff nicht vorbeiführen wird.

Sie agieren dabei so wie ein dreijähriges Kind, das sich die Augen zuhält und glaubt, es sei dann nicht mehr da. Denn: Was ich nicht sehe, das kann es nicht geben! So ist es bei Ihnen mit den Stichtagen. (Beifall bei den NEOS.)

Und jetzt gehen Sie 68 Jahre zurück, bis ins Jahr 1948, und räumen nachträglich Re­gelungen weg. Ich habe im Ausschuss schon gesagt: Sie können auch versuchen, rückwirkend die Monarchie abzuschaffen, aber das wird nicht gehen, die war trotzdem da!


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Das war also diskriminierend, und es wird weiter diskriminierend sein. In den Erläu­ternden Bemerkungen geben Sie das ja selbst zu. In den Erläuternden Bemerkungen zu diesem Gesetz steht nämlich:

„Der Gesetzgeber wählt diesen Modus der Überleitung somit bewusst und er perpe­tuiert damit auch bewusst und ausdrücklich die Diskriminierung, um Einbußen für die Bestandsbediensteten zu vermeiden“ und so weiter.

Also „er perpetuiert damit auch bewusst und ausdrücklich die Diskriminierung“ – das schreiben Sie in Ihren Unterlagen. Und das soll vor den Höchstgerichten halten? Ich weiß nicht, was Sie sich einbilden.

Und damit wird auch der Grund dafür offensichtlich, dass das der Fall ist: Die Regie­rung und Sie, Frau Staatssekretärin, trauen sich nicht, mit breiter Brust vor die Gewerk­schaft Öffentlicher Dienst zu treten und zu sagen: Das, was ihr wollt, geht nicht rechts­sicher! – Also müssen wir es anders machen, und da muss man halt auch einmal et­was machen, dem die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst nicht zustimmt. Da braucht man ein bisschen Cojones, und das wird eine solch große Regierung wohl haben. (Bei­fall bei den NEOS.)

12.13


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. (Abg. Lu­gar: Herr Präsident! Das war eindeutig sexistisch! Cojones der Frau Staatssekretärin zu unterstellen ist eindeutig sexistisch! – Weitere Zwischenrufe.)

Sie wollen, dass ich mir das Protokoll anschaue, Herr Klubobmann? (Abg. Lugar: Da sind nicht nur meine Gefühle verletzt!) – Dann werde ich das Unvermeidliche tun, wenn Sie mich dazu auffordern. Mache ich.

Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.13.34

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatsse­kretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Die Frau Staatssekre­tärin ist bis auf den Fall Hütter zurückgegangen. Ich möchte auch noch eine Parallelität zum Fall Starjakob herstellen. Herr Starjakob hat – für all jene, die es nicht wissen – 1990 beim Rechtsvorgänger der ÖBB seinen Dienst angetreten und hatte für seinen Vorrückungsstichtag seine Lehrzeit, die er zum Teil vor dem 18. Lebensjahr absolviert hat, nicht angerechnet bekommen.

Die ÖBB und die Bediensteten haben im Jahr 2010 eine neue Regelung geschaffen, wonach auch die Zeiten und Vorrückungsstichtage vor dem 18. Lebensjahr zu berück­sichtigen sind. Da die Anrechnung auch dort kostenneutral sein sollte, wurde gleichzei­tig die für die Vorrückung erforderliche Zeit in jeder der ersten drei Gehaltsstufen um jeweils ein Jahr verlängert.

2012 hat Starjakob die Klage eingereicht. Er hat seine Gehaltsdifferenz unter Anrech­nung der Zeit, die er vor dem 18. Lebensjahr dort tätig war, eingefordert.

In dem Urteil, das es vom EuGH aus dem Jahr 2015 gibt, vergleicht der EuGH diese Geschichte vor dem 18. Lebensjahr und nach dem 18. Lebensjahr und sagt: Die bei­den Gruppen werden unterschiedlich behandelt, daher muss man darüber reden.

Ein Weiterbestehen der Altersdiskriminierung war somit festgeschrieben, und man hat 2015 eine Bundesbesoldungsreform gemacht, bei der man eine unionsrechtlich gebo­tene Anpassung der Vordienstzeitenanrechnung durch ein neues diskriminierungsfrei­es Gehaltssystem verfolgt hat.

Das, was dem EuGH in seinem Urteil aber nicht vorgegeben war, war, dass die Ge­hälter gewahrt werden. Und das hat mein Kollege schon angemerkt: Jene, die in hohen


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Lohngruppen eingestuft sind, haben keine Verluste, jene, die in niedrigen Lohngruppen sind, haben erhebliche Verluste. Das ist bei den Berechnungen herausgekommen.

In Österreich hat man sich dann darauf verständigt, die Höhe der Gehälter zu wahren, damit es nicht zu einer Vielzahl von Gewinnern, aber auch nicht zu einer Vielzahl von Verlierern kommt.

Es war notwendig, dass mit Inkrafttreten die alte Regelung und das, was vorher war, außer Kraft tritt. Spannend dabei ist, dass sich sowohl der EuGH als auch der Verfas­sungsgerichtshof die Besoldungsreform, die neue Besoldungsreform, nicht angeschaut haben.

Was hat der Verwaltungsgerichtshof gemacht? – Der Verwaltungsgerichtshof hat in sei­nem jüngsten Erkenntnis die gänzliche Ausschaltung erneut bekrittelt und meint, dass das ein Verstoß gegen die EMRK und gegen die Charta der Menschenrechte ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Regelungslücke aufgezeigt. Und wir versuchen, diese Regelungslücke jetzt durch genaue Definition und durch Konkretisierung zu schließen.

Und warum habe ich Ihnen dieses Beispiel von den ÖBB, vom Fall Starjakob erzählt? – Die Regelung, die wir vorschlagen oder besser gesagt die die Dienstrechtssektion hier vorschlägt, ist eine Regelung, die mit der ÖBB-Regelung konform geht. Das Spannen­de ist, dass der VfGH diese Regelung heuer offiziell bestätigt hat und dass der Oberste Gerichtshof, so wie gewünscht, bei den ÖBB das Recht so anerkannt hat und alle An­träge dort abgewiesen wurden.

Ich hoffe auf Ihre Zustimmung, auf breite Zustimmung im Sinne der Bediensteten, im Sinne der Dienstrechtssektion und im Sinne aller, damit wir dieses Thema erledigen kön­nen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

12.17


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


12.17.46

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Frau Staatssekretä­rin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier im Hohen Haus! Wie soll man es bezeichnen? – Das ist die Reparatur der Reparatur von der Re­paratur der Reparatur oder so ähnlich.

Ich habe vor einigen Monaten und auch schon 2015 vorausgesagt, dass das, was die Regierung da vorgeschlagen hat, nicht halten wird. Im Ausschuss habe ich gesagt, ich hätte eigentlich Hellseher werden können, aber in diesem Fall habe ich nicht viel hell­sehen müssen, denn es war einfach von vornherein klar, dass das nicht funktioniert und nicht halten wird.

Über den Hintergrund des Ganzen kann man diskutieren: Wer profitiert? Wer profitiert nicht? Wie schaut die ganze Situation aus? – Und wir von der Opposition haben am Montag im Ausschuss die gemeinsame Bitte an die Regierung gehabt – wir haben das in Antragsform vorgebracht, einen Begutachtungsantrag –, das Ganze bis 15. Dezem­ber 2016 in Begutachtung zu schicken, damit wir uns damit genauer auseinanderset­zen können. Otto, das wäre genau das gewesen, was du auch gesagt hast, nämlich dass wir uns mit den Beamtinnen und Beamten des Ministeriums zusammensetzen, das durchdiskutieren und überlegen, wie wir das lösen können.

Der Kardinalfehler – das weißt du und das wissen alle hier herinnen – wurde schon vor langer, langer Zeit gemacht. Er wurde mit dem ersten Antrag, mit dieser Trägerrake­te 2015 gemacht, das wissen wir alle. Dafür können Sie, Frau Staatssekretärin, nichts und auch nicht die Beamtinnen und Beamten, denn die hat man dazu vergattert. Sie, Frau Staatssekretärin, haben aber richtig gesagt: Das Problem lag darin, dass das Gan-


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ze nichts kosten durfte. Das heißt, die Beamten sind – wenn man es böse sagt – dem Staat nichts wert. Das darf also nichts kosten, auch wenn jetzt da Unrecht behoben werden sollte.

Das ist halt der Punkt, an dem wir immer wieder scheitern werden. Genau aus diesem Grund hat man ja damals am Anfang den Kardinalfehler gemacht, hat das zu schnell losgeschickt mit dieser sogenannten Trägerrakete, und im Endeffekt haben wir jetzt den Schlamassel. Und jetzt machen wir die Reparatur der Reparatur der Reparatur der Reparatur, und trotzdem wird noch einmal eine Reparatur kommen müssen, nehme ich an, wenn irgendjemand das wieder beeinsprucht. Und das ist ein Problem, das wir ha­ben, und ein Beispiel dafür, wie man Gesetze nicht machen sollte.

Ich gebe Otto Pendl in einem gewissen Punkt natürlich recht: Man hat versucht, die niedrigen Einkommen etwas besser zu berücksichtigen – das ist okay, das ist fair. Und ich freue mich auch, dass die Regierungsparteien eingesehen haben oder dass spe­ziell du, Otto – ich weiß, dir liegt die Exekutive auch sehr am Herzen; mir auch und den Blauen auch, das weiß ich –, und das ist der Punkt, mit deiner vorherigen Rede jetzt eingestanden hast, dass die Exekutive eigentlich finanziell bei Gehaltsverhandlungen oder auch vom Gehaltsschema her immer unter die Räder kommt.

Dabei sollten wir aber bedenken – wir haben ja gestern den Sicherheitsbericht disku­tiert –, dass die Exekutivbeamten eigentlich eine sehr hochwertige Tätigkeit machen, aber nach einem Hilfsdienst bezahlt sind. Ich glaube, man muss dort ansetzen. Setzen wir uns zusammen! Das ist unser Angebot. Ich habe mit den Blauen auch schon ge­sprochen, mit Kollegen Lausch, und auch Kollege Stefan ist da zu nennen. Setzen wir uns einmal zusammen, reden wir, diskutieren wir, wie wir diese Gehaltssysteme an­passen können! Das ist ja auch angesprochen worden, dass hier die Absicht besteht, das Gehaltssystem allgemein besser anzupassen und die Bedürfnisse und die Forde­rungen der jeweiligen Berufsgruppen besser zu berücksichtigen.

Packen wir das alles zusammen, machen wir eine gescheite Lösung, machen wir eine vernünftige Lösung – ich hoffe, noch in dieser Legislaturperiode! Es sei denn, diese wird vorzeitig, wie man so hört, Mitte nächsten Jahres beendet, dann wird es nichts mehr.

Mir wäre es recht, wenn wir das schnell machen, damit wir eine gute Entscheidung in unserem Sinne, im Sinne der Staatsbediensteten, im Sinne der fleißigen Beamtinnen und Beamten, die das verdient haben, bekommen. – Danke. (Beifall beim Team Stro­nach und bei Abgeordneten der FPÖ.)

12.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kumpitsch. – Bitte.

 


12.22.08

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wenn man so will, kann man die beabsichtigte Repa­ratur oder Sanierung der Bundesbesoldungsreform 2015 getrost als unendliche Ge­schichte oder noch besser als Tragikomödie, deren negativer Ausgang für die öffentlich Bediensteten offenbar gewiss ist, bezeichnen.

Kollege Steinhauser hat die Chronologie des Nicht-Erreichens einer gesetzlichen Re­gelung in Sachen Besoldungsreform ja schon geschildert, beginnend mit dem Jahr 2009, als der Europäische Gerichtshof im Fall Hütter entschieden hat, dass eben eine Nicht­anrechnung von Zeiten vor dem 18. Geburtstag gegen die europäische Gleichbehand­lungsrichtlinie verstößt. – Faktum.

Passiert ist inzwischen nur eines: Man hat versucht, diese Entscheidung zu negieren, wo man nur konnte, mit Vorsatz – mit dem Ende, dass Reparatur auf Reparatur folgte.


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Und zuletzt, im Jahr 2015, hat man sich bedauerlicherweise entschlossen, auf Kosten der Gerechtigkeit, aber im Sinne einer Kostenneutralität diese Reform zu machen. Man hat diese Reform allerdings in einer Husch-Pfusch-Aktion und so kompliziert, dass nur sehr wenige verstehen konnten, worum es geht, umgesetzt und den Überleitungsbe­trag, um den es ging, wieder von den vorangegangenen Vorrückungszeiten abhängig ge­macht.

Damit ja nichts passiert, hat man aber sozusagen eine Bestimmung eingeführt, dass diejenigen, die sich vielleicht beschweren könnten oder beschwert haben, ex lege kei­ne Möglichkeit mehr dazu haben, diese Altersdiskriminierung zu bekämpfen, und dass alle Verfahren eigentlich abzuweisen sind. Die Folge war klar: Es wird wieder aufgeho­ben.

Ich möchte schon sagen, man hat damals bewusst wieder an den rechtlichen Voraus­setzungen vorbeigearbeitet, weil man nicht das Ziel hatte, diese einzuhalten. Ich sage es zwar nicht gern, aber jetzt sagt Kollege Pendl, wir müssen schnell etwas tun, es kostet wahrscheinlich viel Geld … (Abg. Pendl: Es wird immer ungerechter – und zu­sätzliche Kosten!) Es wird immer ungerechter und kostet viel. Eines aber muss man schon sagen – und das erinnert mich an die Hypo nach der Notverstaatlichung –: Jah­relang hat man nichts getan, die Kosten sind größer geworden und am Ende haben wir das ganze Desaster gehabt. (Abg. Matznetter: Das Desaster war schon vorher!)

Und da ist es das Gleiche: Die Möglichkeit, dieses Gesetz, diese Richtlinie umzuset­zen, hättet ihr jahrelang gehabt, seit dem Jahr 2009 – das sei einmal gesagt –, und jetzt wissen wir es wieder, jetzt ist es von den Höchstgerichten schon dreimal bestätigt wor­den, und was machen wir jetzt? – Jetzt machen wir wieder das Gleiche. Jetzt wird es sogar noch besser, denn vorher war man nicht bereit, diesen Vorrückungsstichtag so an­zulegen, dass man diese Zeiten erreicht, jetzt streicht man ihn überhaupt heraus aus dem Gesetz. Jetzt geht man so weit, dass man 68 Jahre in einem Gesetz zurückgeht und eigentlich den Grundpfeiler dieser Bestimmung herausnimmt.

Man muss sich das einmal vorstellen, was das für die Beamten, für öffentlich Bediens­tete bedeutet, dass man sich auf den Dienstgeber und auf den Gesetzgeber überhaupt nicht mehr verlassen kann. Viele Kollegen haben ihre Zukunft, ihren Verdienst darauf aufgebaut, dass sie Vertrauen in den Gesetzgeber haben können.

Und jetzt sind wir so weit. Was ist jetzt? – Jetzt geht man her und sagt, wir müssen schnell, schnell tun. Man ist nicht bereit, auf die Opposition einzugehen. Einen Antrag auf Ausschussbegutachtung lehnt man rundweg ab, obwohl wir als Termin eigentlich nur den 15. Dezember festgesetzt haben. Das ist nicht möglich, es muss jetzt alles so rasch gehen, anstatt dass man an einer gescheiten Lösung interessiert ist.

Und – andere Kollegen haben das auch schon erwähnt – man bezieht sich auf einen Entschließungsantrag, den man selber eingebracht hat und den man nicht bereit war, zu erledigen. (Abg. Pendl: Weil wir es umsetzen wollen!) Weil man es umsetzen will? – Ja, wer’s glaubt, der wird selig. Ich kann es nicht glauben.

Ein anderes Beispiel sind – die Kollegin hat es vorhin schon erwähnt – die ÖBB. Die haben es geschafft, bei verhältnismäßig geringen Kosten diese Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr einzubeziehen. Es ist nicht einzusehen, warum das bei uns nicht gehen sollte.

Jetzt sage ich Ihnen noch ein praktisches Beispiel: Wenn die ehemaligen Polizeikadet­ten nicht in das neue Dienstrecht übergeleitet worden wären, sondern im Februar 2015 nach den Bestimmungen gekündigt hätten und im März 2015 wieder aufgenommen worden wären, dann hätten sie diese drei Jahre Vorrückung nicht verloren. Die hätten das! So aber sind sie um diese drei Jahre auch betrogen worden.


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Also, meine Damen und Herren, es ist zu wenig, dass man sich hier herausstellt und bei jeder Gelegenheit unseren Kolleginnen und Kollegen von der Exekutive mitteilt, wie tüchtig sie sind, wenn man auf der anderen Seite nicht bereit ist, für Gerechtigkeit zu sorgen. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade für die Exekutive ist es aber wichtig, dass Gerechtigkeit gegeben ist. Deswe­gen kann ich wirklich nur an Sie appellieren: Nehmen Sie sich noch einmal zurück! Über­legen wir uns das Ganze! Gehen wir noch einmal in die Begutachtung und schauen wir, dass wir für alle öffentlich Bediensteten das Beste herauskriegen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.28

12.28.30

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1296 der Beilagen.

Wer stimmt diesem Gesetzentwurf zu? – Das ist die Mehrheit.

Dritte Lesung: Wer stimmt in dritter Lesung zu? – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1325 … (Abg. Rasinger befindet sich nach einem Gespräch mit Abg. Spindelberger noch im Bereich der Bankreihen der SPÖ.) – Herr Kollege Rasinger, ich kann Ihnen auch einen Sitzplan geben. (Heiterkeit und Zwi­schenrufe. – Abg. Rasinger begibt sich zu seinem Sitzplatz.)

Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1325 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung betreffend die dringend nötige Reform des Dienst- und Besoldungsrechtes für den Öffentlichen Dienst.

Wer stimmt dem zu? – Das ist wiederum die Mehrheit und somit angenommen. (E 179.)

12.29.234. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (1293 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Gewebesicherheitsgesetz geändert wird (1309 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.

 


12.29.44

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Herr Präsident! Ich war überzeugt, dass Kol­lege Rasinger auch von dieser Seite gleich abgestimmt hätte.

Ich möchte zu Beginn aber meiner wirklichen Freude darüber Ausdruck verleihen, dass du, sehr geehrte Bundesministerin Oberhauser, den Weg zu uns gefunden hast. Dies zeigt für mich, dass du wieder auf dem Weg der Besserung bist und dich wieder voll dem Gesundheitswesen widmen kannst. Das freut mich wirklich ganz riesig! (Allgemei­ner Beifall.)

In meinem Redebeitrag geht es darum, dass es wieder einmal durch EU-Richtlinien notwendig wurde, die österreichische Gesetzeslage, im konkreten Fall das Gewebesi­cherheitsgesetz, zu adaptieren. Da geht es einerseits um eine Einfuhrrichtlinie, und in dieser Richtlinie wird festgehalten, dass die 13 zurzeit in Österreich zugelassenen Ge­webebanken, die Zellen und Gewebe aus dem Ausland, besser gesagt, aus Dritt­staaten einführen, nicht nur einer Bewilligung des Bundesamtes für Sicherheit im Ge­sundheitswesen bedürfen, sondern dass diese Gewebebanken auch verpflichtet wer-


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den, nach ganz genauen Vorschriften mit den Drittstaatslieferanten detaillierte Verträge abzuschließen, damit gewährleistet ist, dass diese europäischen hohen Werte auch bei den Drittstaaten sichergestellt werden.

Neben dieser Einfuhrrichtlinie geht es aber auch noch um die sogenannte Kodierungs­richtlinie. Da werden sich wieder viele, die sich nicht mit der Materie beschäftigt haben, fragen: Was ist das schon wieder? – Da geht es um die Verwendung eines verpflich­tenden einheitlichen europäischen Codes bei der Ein- und Ausfuhr von menschlichen Geweben und Zellen, um zu gewährleisten, dass innerhalb der Europäischen Union eine Rückverfolgbarkeit vom Spender zum Empfänger und umgekehrt erleichtert wird. Die EU-Kommission stellt zu diesem Zweck eine öffentlich zugängliche Kodierungs­plattform mit einem Gewebeeinrichtungenregister und einem Produktregister mit allen in der EU im Verkehr befindlichen Arten von Geweben und Gewebeprodukten mit den entsprechenden Codes zur Verfügung. Und obwohl es in der Vergangenheit, wenn ich dem Jahresbericht des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen folgen kann, in Österreich kaum zu schwerwiegenden Zwischenfällen gekommen ist, führt diese ge­setzliche Änderung meines Erachtens zu noch mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten, die sich zum Beispiel einer gentherapeutischen Behandlung unterzie­hen müssen.

Das ist aus meiner Sicht wirklich ein wichtiges Vorhaben, weshalb ich auch Sie alle bit­te, dieser Gesetzesvorlage zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Singer.)

12.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger – von der ÖVP, wohlgemerkt. – Bitte.

 


12.32.47

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Beim Gewebesicherheitsgesetz geht es scheinbar um ei­nen sperrigen Titel, aber in Wirklichkeit geht es um Qualität im Gesundheitswesen. Wir erfüllen hier, was die EU uns sagt, aber es geht ja nicht nur um die EU, sondern es geht um den Schutz des Patienten, und Schutz des Patienten heißt auch: Selbst wenn der Anteil der Fälle, in denen es zu Schwierigkeiten kommt, oft nur im Promillebereich liegt, ist natürlich jeder Einzelfall, in dem etwas schiefgeht, ein tragischer Fall.

Darum glaube ich, es wird hier eine sinnvolle Abwägung zwischen Risiko und Büro­kratie getroffen, und in Summe brauchen wir uns dann international nicht zu genieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.33


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte.

 


12.33.44

Abgeordneter Dr. Andreas F. Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Auch von unserer Seite: Schön, dass es Ihnen wieder gut geht, Frau Minister Oberhauser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besonders begrüßen möchte ich eine auf der Galerie anwesende Besuchergruppe aus Oberösterreich, aus dem Bezirk Rohrbach und Ur­fahr-Umgebung. Willkommen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen, NEOS und Team Stronach.)

Das hier zur Beschlussfassung anstehende Gewebesicherheitsgesetz trägt einem wich­tigen Wirkungsziel im Budgetvoranschlag des Jahres 2016 Rechnung, nämlich der „Si­cherstellung der Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der ge­samten Bevölkerung (…)“. Daher gibt es da von freiheitlicher Seite kaum Einwände. Es ist der Frau Bundesministerin auch zu danken, dass sie die in der Begutachtungsphase


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eingelangten Anregungen und Änderungsvorschläge weitgehend berücksichtigt hat, so­dass das Gesetz keine unnötigen bürokratischen Hürden aufweist. Wir Freiheitliche wer­den der Vorlage daher zustimmen.

Damit ist aber leider meine positive Würdigung der Gesundheitspolitik dieser Bundes­regierung auch schon erschöpft, denn: Die eigentlichen Probleme, wie etwa der ekla­tante Ärztemangel und der Kollaps der gesundheitlichen Versorgung, werden notorisch ignoriert und verdrängt. Mehr als 60 Prozent der Kassenärzte werden in den kommen­den zehn Jahren das Pensionsantrittsalter erreichen. Wie der Vizepräsident der Öster­reichischen Ärztekammer und Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte, Jo­hannes Steinhart, in einer Aussendung betont, sind österreichweit bereits mehr als 70 Kas­senordinationen unbesetzt. Seriösen Berechnungen zufolge werden in den nächsten 14 Jahren allein in Wien bis zu 4 000 Ärzte fehlen.

Dass dieser Zustand unhaltbar, aber leider hausgemacht ist, wissen wir, und er hat vie­le Ursachen. Es beginnt beim Studium. Viele der in Österreich Medizin Studieren­den kommen aus den benachbarten Ländern, vor allem aus Deutschland, etwa die soge­nannten Numerus-clausus-Flüchtlinge, und haben gar nicht vor, hier zu bleiben. Mit an­deren Worten: Wir bilden auf Kosten der heimischen Steuerzahler Ärzte aus, die hier erworbenes Wissen und Können ausschließlich den Kranken in ihren Heimatländern zur Verfügung stellen. Diesen Irrweg habe ich als freiheitlicher Wissenschaftssprecher schon mehrfach kritisiert und als Gegenmaßnahme Verhandlungen mit Brüssel über Ausgleichszahlungen für den Überhang an Studierenden aus der EU vorgeschlagen – leider ohne Erfolg. Und dass dieses Manko nicht nur ein Problem von Forschung und Lehre darstellt, sondern unmittelbar in die Gesundheitspolitik hineinspielt, beweist der Ärztemangel infolge von Abwanderung.

Auch zeitraubende bürokratische Hürden, denen Hausärzte ausgesetzt sind, lassen viele Jungmediziner davor zurückschrecken, eine eigene Praxis zu eröffnen oder eine be­stehende Ordination zu übernehmen. So hat etwa die Einführung von ELGA zu einer zusätzlichen Belastung der Praxen geführt, die nicht entsprechend abgegolten wird. Die Forderung der Ärztekammer, die Behebung technischer Mängel und den Praxis­mehraufwand für ELGA inklusive E-Medikation zu finanzieren, ist daher mehr als be­rechtigt.

In solchen Zeiten drohender ärztlicher Unterversorgung auch noch die Streichung von Wahlarztkostenrückerstattung oder ein Verbot ärztlicher Nebentätigkeit anzudenken, klingt wie ein Hohn. Gott sei Dank konnten diese absurden Vorhaben gerade noch ab­gewendet werden.

Es ist auch nicht hinzunehmen, dass der Schutz des Hausarztes immer weiter aufge­weicht wird, weil immer mehr kasseneigene Einrichtungen und Krankenanstalten Leis­tungen erbringen, die eigentlich zu den genuinen Aufgaben des niedergelassenen Arz­tes gehören – nicht zu vergessen das unselige Mystery Shopping, das Ärzte wie Pa­tienten unter den Generalverdacht des Betruges stellt und das Arzt-Patienten-Verhält­nis massiv belastet. Abgesehen davon, dass es sich hier um einen inakzeptablen Ein­griff in rechtsstaatliche Grundlagen handelt, erinnert dieses System der Bespitzelung an alte DDR-Zeiten, wo man ohne Skrupel Menschen ausspionieren und denunzieren konnte.

Sehr geehrte Frau Bundesminister, so wichtig es auch ist, Lücken im Gesundheitsbe­reich zu schließen oder Adaptierungen vorzunehmen, wie etwa durch den weitgehend unumstrittenen Beschluss des Gewebesicherheitsgesetzes, so unverzichtbar ist es, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und endlich die großen gesundheits­politischen Brocken anzugehen. Die abschätzige Behandlung niedergelassener Ärzte ist jedenfalls zu überdenken. Sie sind nicht als Gegner, sondern als Partner anzuse-


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hen, denn die drohende medizinische Unterversorgung können wir nur miteinander und nicht gegeneinander lösen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.38


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte.

 


12.38.58

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Damen und Herren ZuhörerInnen! Liebe KollegInnen hier im Ho­hen Haus! Ich möchte auch noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich mich wirklich freue, dass du, Frau Ministerin, wieder da sein kannst, und baldige Besserung wün­schen!

Zum Gewebesicherheitsgesetz wurde schon gesagt, dass es sich da um eine notwen­dige Umsetzung einer EU-Richtlinie, die zur Qualitätsverbesserung führen soll, handelt. Das ist sinnvoll und notwendig und wird auch von uns begrüßt.

Ich möchte aber, so wie mein Vorredner, die Gelegenheit, die sich dadurch bietet, dass wir nur zwei Gesetzesmaterien im Gesundheitsausschuss hatten, auch nützen, um über meine wachsende Besorgnis über die Entwicklungen im Gesundheitswesen zu sprechen.

Auch im Gesundheitsbereich, sehr geehrte Frau Ministerin, nehmen wir zunehmend das Phänomen des Angry Man wahr: verärgerte, zornige PatientInnen, verunsicherte Pa­tientInnen, frustrierte und demotivierte Beschäftigte in Gesundheitsberufen, ÄrztInnen. Ich denke, dass aufgrund dieser Situation im Gesundheitswesen dringender Handlungs­bedarf besteht.

Ein Beispiel dafür ist die Spezialambulanz für Tumororthopädie im AKH Wien. Dazu werden wir heute auch eine Anfrage einbringen. Diese Ambulanz ist ein ganz zentraler Anlaufpunkt für viele ÖsterreicherInnen, bei denen ein Tumor im orthopädischen Be­reich diagnostiziert wurde. Diese Ambulanz wird österreichweit von ganz vielen Pa­tienten angelaufen, allerdings wurde der Betrieb in dieser orthopädischen Tumoram­bulanz mittlerweile zurückgefahren, sie wird nur noch einmal in der Woche betrieben, was dort – und das weiß ich von einer Person in meinem direkten Naheverhältnis – zu wirklich chaotischen Zuständen führt: Es gibt extrem lange Wartezeiten, die Patienten warten oft sieben Stunden, bis sie drankommen. Es gibt trotz einer Nummer keine Mög­lichkeit, zu wissen, wann man drankommt, was dazu führt, dass sich die PatientInnen oft nicht einmal aufs WC zu gehen trauen. Es kommt zu Spannungen unter den War­tenden, Ärzte und Pflegepersonal sind enorm gereizt. Es gibt Leute, die auf dem Bo­den oder auf Blumentöpfen sitzen müssen, während sie warten. Es gibt Krankenhaus­betten auf dem Gang. Das sind, meine ich, Zustände, die man so nicht weiterhin be­stehen lassen sollte.

Nächstes Beispiel: MRT- und CT-Untersuchung. Eine Bekannte von mir hat mir erzählt, dass sie sich unlängst zum Geburtstag von ihren Kindern eine MRT-Untersuchung gewünscht hat, da sie die Auskunft bekommen hat, dass sie für eine kassenfinanzierte CT-Untersuchung sechs Monate Wartezeit hätte. Auch das ist, denke ich, ein Zustand, der so nicht weiter in einem Gesundheitssystem, das bis jetzt zu einem der besten ge­hörte, bestehen sollte. (Beifall bei den Grünen.)

Weiteres Beispiel: Psychotherapie. Wir haben erst gestern die Stellungnahme des Ge­sundheitsministeriums zu der Petition erhalten, die mittlerweile fast 12 000 Menschen unterschrieben haben und in der es um die Frage geht: Was ist das für ein Gesund­heitssystem, in dem sich nichts bewegt, wenn 70 000 PatientInnen in einem Bereich, in dem es um psychische Erkrankungen und um Behandlungen geht, die Menschen wirk­lich ganz, ganz dringend brauchen, zu Selbstzahlern werden? Das sind Menschen, die


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zum Beispiel, wenn sie Angststörungen haben, das Haus nicht verlassen können. Das sind Menschen, die manchmal so depressiv sind, dass sie nicht aus dem Bett aufste­hen können. Und diesen Menschen wird die Hilfe verweigert. (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Dazu kommt, dass in Österreich eine ganz große Gruppe von PsychotherapeutInnen, die hochkomplex und sehr, sehr gut ausgebildet sind, nicht arbeiten können bezie­hungsweise von ihrer Praxis alleine nicht leben können, weil Psychotherapie für viele Menschen nicht finanzierbar ist. Viele PsychotherapeutInnen haben ein Standbein in einem zweiten Beruf. Das kann für die Entwicklung eines derart wichtigen Berufs, für die professionelle Entwicklung eines solchen Berufsstandes sicher nicht gut sein.

Nächstes Beispiel: Primärversorgung. Wir alle wissen, dass die Primärversorgung als Zwischenglied zwischen der stationären Behandlung und den Behandlungen im nieder­gelassenen Bereich sehr, sehr wichtig wäre. Der vorliegende Ministerialentwurf würde aber eigentlich den kompletten Umbau des niedergelassenen Bereichs vorsehen. Wirt­schaftsbetriebe könnten künftig Arztpraxen Konkurrenz machen und sie wahrscheinlich langfristig zum Aussterben bringen. Die Vertragspartnerschaft zwischen ÄrztInnen, Ge­sundheitsberufen und der Sozialversicherung und der damit gesicherte Interessenaus­gleich sollen abgeschafft werden.

Kein Wunder, dass dieses Projekt auf massiven Widerstand gestoßen ist und daher noch immer nicht umgesetzt ist, obwohl uns allen bewusst ist, wie dringend notwendig es ist, dass das Konzept der Primärversorgung im österreichischen Gesundheitswesen verankert wird.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich denke, wir sollten nicht auch noch die Entscheidun­gen im Gesundheitsbereich den Rechtspopulisten in die Hände spielen. Das meine ich ganz ernst. Das ist mir wirklich ein wichtiges Anliegen. Meines Erachtens ist es fünf vor zwölf, und ich bin auch der Meinung – ich bin wirklich überzeugt davon –, dass wir mit ein bisschen mehr Wertschätzung für die Gesundheitsberufe, mit mehr Transparenz und Gesprächsbereitschaft viel Gutes im Gesundheitswesen bewegen könnten, denn es gibt schon viel gute Vorbereitungsarbeit. Wir wären jedenfalls bereit, daran konstruktiv mitzuwirken. (Beifall bei den Grünen.)

12.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desminister Dr. Oberhauser. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


12.45.20

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Sabine Oberhauser, MAS: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Bevor ich mich zum Gewebesicher­heitsgesetz und vor allem auch zu den hier vorgebrachten sonstigen gesundheitspoliti­schen Themen äußere, möchte ich Ihnen hier ein bisschen etwas zu meinem persönli­chen Gesundheitszustand sagen.

Erstens einmal freue ich mich wahnsinnig, dass ich heute wieder hier sein kann. Sie kennen mich, die meisten von Ihnen kennen mich ja schon aus meiner Funktion als Abgeordnete. Es ist nicht leicht, wenn man zu Hause sitzt und sich die Dinge, die hier ablaufen, zum Teil vor dem Fernseher anschauen muss, obwohl man, so wie ich es gewohnt bin, einfach gern mit dabei sein möchte. Auch ich möchte hier bei Ihnen sein, weil mir meine Arbeit auch Spaß macht.

Ich bin in der guten Situation, hier sein zu können, obwohl ich körperlich ein bisschen schwach beieinander bin. Ich habe es schon gesagt: Das erste Mal in meinem ganzen Leben habe ich mich nicht getraut, mich auf die Waage zu stellen, weil ich Angst ge­habt habe, abgenommen zu haben. Da merkt man erst, wie sich die Probleme ver­ändern: Während man sich früher nicht draufzustellen getraut hat, weil man Angst hat-


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te, dicker zu werden, merkt man jetzt, wie man sich freut, wenn das Gewicht wieder ste­hen bleibt. Das heißt, es verändert sich der Blickwinkel – aber es verändert sich nicht die Freude an der Arbeit!

Ich möchte mich bei Ihnen bedanken und den Menschen vor den Fernsehern, die uns ja oft furchtbar streiten hören, die sehen, wie untergriffig wir manchmal agieren, und die auch nicht mögen, wenn wir uns hier beflegeln, auch sagen, was ich während der Zeit, in der ich krank und im Spital war, über alle Fraktionsgrenzen hinweg an Bekundun­gen – ich würde es fast Freundschaft nennen –, an Fotos, an allem Möglichen bekom­men habe. Das spiegelt nicht das Bild wider, das wir hier oft bieten, nämlich dass wir uns nicht riechen können, sondern das zeigt, dass sehr wohl zwischen politischen Dif­ferenzen und zwischen dem, was im Persönlichen läuft, unterschieden wird. (Allgemei­ner Beifall.)

Danke sagen möchte ich meinem Büro, das wieder einmal den Arbeitstisch in meinem Arbeitszimmer an meinen Küchentisch verlegt hat, wo wir jeden Tag oder jeden zwei­ten Tag sitzen und die Dinge so vorbesprechen können, dass sie zum Teil von meinen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen erledigt werden können. Das ist nicht selbstverständlich.

Sie wissen, dass in Österreich ungefähr 320 000 Menschen so wie ich an Krebs er­krankt sind, jährlich kommen circa 40 000 Menschen dazu, und nicht alle sind in der Si­tuation, in der ich bin: dass es ihnen der Arbeitgeber ermöglicht, weiterzuarbeiten.

Deshalb mein Appell – auch aus meiner persönlichen Situation heraus – an die Arbeit­geberinnen und Arbeitgeber in Österreich: Unterstützen Sie Menschen, die so wie ich weiterarbeiten möchten, aber setzen Sie um Gottes willen Menschen, die erkrankt sind, nicht unter Druck, indem Sie sagen, sie müssen weiterarbeiten, und ihnen mit dem Ver­lust ihres Arbeitsplatzes drohen. (Allgemeiner Beifall.)

Was man braucht, um gesund zu werden, ist ein funktionierendes Gesundheitswesen, Menschen aller Berufssparten, die dort mit großer Empathie und mit großer Freude arbeiten, auch wenn die Arbeitsbedingungen manchmal frustrierend sind. Aber es braucht auch ein Umfeld, das dies ermöglicht. Ich bedanke mich nochmals sehr, sehr herzlich dafür, dass Sie mir dieses Umfeld gegeben haben. Ich bedanke mich auch bei dir, Dagmar, als Vorsitzender des Gesundheitsausschusses dafür, dass ihr beide Augen zugedrückt habt und die Arbeit im Gesundheitsausschuss auch ohne mich gemacht habt. Ein Danke auch an alle GesundheitssprecherInnen und an die Gisi, die Obfrau des Gleichbehandlungsausschusses . Ich bedanke mich auch für die Fotos, die aus den Ausschüssen gekommen sind. Es baut unheimlich auf, wenn man weiß, dass Men­schen, mit denen man nicht immer einer Meinung ist, trotzdem mit einem gemeinsam irgendwie den nicht immer leichten Weg gehen.

Ich werde mich bemühen, so gut es meine körperliche Verfassung erlaubt, all meinen Verpflichtungen nachzukommen, bitte aber gleichzeitig um Verständnis, wenn es an man­chen Tagen vielleicht nicht gehen sollte und ich mich kurzfristig vielleicht doch das eine oder das andere Mal entschuldigen muss. So, aber jetzt zu den Themen, die hier an­gesprochen worden sind.

Das Gewebesicherheitsgesetz gibt – Sie haben es gesehen – nicht allzu viel her, um einen politischen Diskurs zu führen, außer dem, was, wie ich glaube, du gesagt hast (in Richtung des Abg. Karlsböck): dass wir versucht haben, möglichst viele bürokratische Hürden abzubauen, um die Sicherheit für Patientinnen und Patienten, die mit Gewe­beimporten aus Drittstaatsländern versorgt werden müssen, zu gewährleisten. Das ist, glaube ich, in etwa das Grobe. Es sind dann aber auch allerhand Fragen in Bezug auf die allgemeine Gesundheitspolitik gestellt worden.

Viele der Themen, die sowohl von Frau Dr. Mückstein als auch von dir, Kollege Karls­böck, angesprochen wurden, spiegeln die Zerrissenheit im österreichischen Gesundheits-


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wesen wider. Was die Ausbildung betrifft, so sagst selbst du als Wissenschaftsspre­cher, dass die Ausbildung der Medizinstudenten/Medizinstudentinnen, was den universi­tären Bereich betrifft, zum Wissenschaftsministerium ressortiert.

Ich glaube, da verdanken wir es vor allem der Regierung Gusenbauer – ich glaube, es war damals noch Gusenbauer, der in Brüssel trotz vieler Schwierigkeiten die Quote herausverhandelt hat, um eben das zu limitieren –, dass wir nicht nur Numerus-clau­sus-Flüchtlinge aus Deutschland haben, sondern auch genug Plätze für Österreiche­rinnen und Österreicher sichern konnten. Wir können die Menschen aber nicht dazu zwingen, bei uns zu arbeiten.

Zu der Frage: Wir zahlen die Ausbildung der Studenten aus dem Ausland, sollen sie deshalb in Österreich bleiben? – Ich glaube, was wir versuchen sollten, ist, die Aus­bildungsqualität danach zu steigern. Das wiederum liegt zum Teil in meinem Zustän­digkeitsbereich, und zwar geht es da um die Frage: Wie gestalte ich die Medizinaus­bildung in den Spitälern aus? Da haben wir versucht, mit der Lehrpraxisfinanzierung, mit der Verkürzung des Turnusses und mit Blöcken wie Common Trunk zu gemeinsa­men Positionen zu kommen.

Nun komme ich zu den Themen MRT, CT, niedergelassener Bereich, Wartezeiten in den Spitälern: MRT, CT, das ist eine Frage der Verhandlungen zwischen Ärztekammer, Wirtschaftskammer – in den meisten Fällen Institute – und Sozialversicherung – also nichts, worauf die Gesundheitsministerin großartig Einfluss nehmen kann, außer alle an einen Tisch zu holen und zu hoffen, dass man dort zu Lösungen kommt, was, wie ich glaube, jetzt einmal zumindest zu einer Entspannung der Situation beigetragen hat.

Deshalb kann ich das mit den 6 Monaten Wartezeit beim MRT oder CT nicht ganz glauben und würde auch darum ersuchen, dass man sich in solchen Fällen direkt mit meinem Ministerium, mit meinem Büro kurzschließt. Da versuchen wir auf jeden Fall, Einfluss zu nehmen und einmal zu schauen, ob das stimmt. Diese Wartezeiten wären extreme Ausreißer.

Nächster Punkt – das Schließen von Ambulanzen in Spitälern, nicht zuletzt aufgrund der verkürzten Arbeitszeiten für Ärztinnen und Ärzte: Das Ärztearbeitszeitgesetz res­sortiert zum BMASK. Das ist ein Gesetz, das zwischen den Sozialpartnern und dem Sozialministerium ausverhandelt wurde. Ich glaube, wir alle sind uns darin einig, dass auch Ärztinnen und Ärzte eine angemessene Arbeitszeit verdienen und nicht 70 Stun­den arbeiten sollten, um die Patientenversorgung zu gewährleisten. Das heißt, das ist eine sehr zersplitterte Materie. Was wir versuchen, was ich versuche, ist, Strukturen zu schaffen, die es Ärztinnen und Ärzten in Zukunft erleichtern, auch im niedergelassenen Bereich zu arbeiten.

Die Frage des Interessenausgleichs zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung, die von Frau Dr. Mückstein angesprochen wurde, möchte ich ein bisschen kritisch hin­terfragen. Wir alle waren glücklich darüber, dass im Augarten ein Kinderambulatorium aufsperren konnte. Das bedeutet eine Versorgung an den Randzeiten und an Wo­chenenden. Dort versorgen Kinderärzte in größerer Anzahl Patientinnen und Patienten. Dieses Projekt wurde fast 10 Jahre lang von der Ärztekammer blockiert, weil es nicht der Struktur entsprach, die die Kammer gerne gehabt hätte. Das heißt, der Interes­senausgleich ist in diesen Fragen sehr oft ein machtpolitischer, und ich glaube, dass wir daran zu arbeiten haben, dass es uns, den Ärztinnen und Ärzten, aber auch der Poli­tik hauptsächlich darum geht, Patientinnen und Patienten gut zu versorgen, und nicht darum, zu versuchen, das Ganze machtpolitisch auszudiskutieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Fekter.)

Seien Sie versichert, dass wir in der Frage der Primärversorgung versuchen werden, Strukturen zu schaffen, die es zukünftigen AllgemeinmedizinerInnen in Kooperation mit


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VertreterInnen anderer Gesundheitsberufe erleichtern, ihrer Arbeit nachzukommen. Wir haben den Diskurs mit der Kammer und den Interessenvertretungen gesucht, und wir werden den Diskurs weiter suchen. Es liegt uns nichts daran, an diesem System etwas zu zerstören, sondern es liegt uns viel mehr daran, in diesem System etwas weiterzu­entwickeln. Das geht leider nicht immer, ohne auch an machtpolitische Interessen ei­niger Strukturen zu stoßen, aber wir werden versuchen, das möglichst gering zu halten und möglichst im Diskurs zu bleiben.

Sie alle kennen mich: Das Gesundheitswesen ist mir ein Riesenanliegen, und ich ver­spreche Ihnen, dass ich versuchen werde, gut darauf aufzupassen. (Allgemeiner Bei­fall.)

12.54

12.54.19

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Besten Dank, Frau Bundesministerin. Sie sind Vorbild für viele Menschen in Österreich. Sie haben den ungeteilten Respekt und die großar­tige Unterstützung aller Mandatare hier im Haus. Ich danke Ihnen sehr, sehr herzlich dafür, dass Sie mit Ihrer Haltung vielen Menschen Hoffnung geben. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Herr Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1293 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist Ein­stimmigkeit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

12.55.275. Punkt

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1863/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1310 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gusenbauer-Jäger. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


12.55.56

Abgeordnete Marianne Gusenbauer-Jäger (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Auch mich freut es, dass unsere Frau Bundesministe­rin heute hier sitzen kann.

Der Entschließungsantrag, der heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, wird erfreuli­cherweise auch von der Opposition unterstützt. Mit der Rechtsprechung des Europäi­schen Gerichtshofes wird erneut eine Novellierung des Apothekengesetzes herbeige­führt. Das bringt wiederum eine Verbesserung der Apothekerleistungen.

Der Behörde ist es jetzt möglich, auch dann eine Apotheke installieren zu lassen, wenn die Zahl 5 500 der zu versorgenden Personen unterschritten wird. Es können also


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 84

weitere Apotheken installiert werden, wenn besondere Bedingungen vorhanden sind, wie zum Beispiel eine erhöhte Nachfrage bei den Flughäfen oder wenn mehrere Ambu­lanzen vorhanden sind. Es kann mit dieser Regelung auch der ländliche Raum besser versorgt werden, und das freut mich als Kommunalsprecherin besonders. Der entspre­chende Passus im Gesetzestext lautet: „auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“.

Damit ist jetzt auch die Möglichkeit eröffnet, im ländlichen Raum zusätzliche Apotheken zu installieren. Es wird ja auch dazu kommen beziehungsweise wird erwartet, dass Pri­märversorgungszentren entstehen. Es werden also mehrere Ärzte auf kleinerem Raum ordinieren, und das wird bewirken, dass dort auch mehrere Medikamente benötigt wer­den. Es ist so, dass gerade Personen mit eingeschränkter Mobilität genau dort, wo sie beim Arzt sind, auch gleich die nahe gelegene Apotheke benützen können, ihre Medi­kamente dort kaufen oder besorgen können. Für ältere Menschen oder Mütter mit klei­nen Kindern ist das eine Möglichkeit, die genau dort, wo kein längerer Weg notwendig sein soll, wirklich genutzt werden kann.

Im Interesse der besseren Versorgung mit Medikamenten auch im ländlichen Raum wer­den wir diesen Antrag natürlich unterstützen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.) 

12.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


12.58.39

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Es geht hier wieder um scheinbar harmlose Materien, und zwar geht es um die übliche Abgrenzung: Wann darf eine Apotheke aufgemacht werden und wann nicht? Da geht es auch um Geld – natürlich, ist klar. Der EuGH hat gemeint, man muss das ein bisschen lockerer gestalten, aber gestatten Sie mir, zwei oder drei prinzipielle Dinge dazu zu sagen.

Erstens: Das österreichische Apothekensystem ist im weltweiten Vergleich sehr, sehr gut; das muss man einmal festhalten.

Zweitens: Wir wollen in Österreich den Freiberuf des Apothekers, der eine extrem stren­ge Ausbildung hat und der auch mit hoher Qualität beraten soll, weiterhin erhalten. Des­halb können wir da ordnungspolitisch keinen Wildwuchs – nämlich dass jeder tut, was er will – zulassen. Ich will nicht das englische System, wo der Apotheker irgendwo im letzten Kammerl etwas ausgibt und sich der Patient dann mehr oder weniger selber be­raten muss. Ich glaube, das ist nicht unser Ziel.

Ziel muss es sein, dass flächendeckend eine hohe Qualität der Beratung vorhanden ist, denn Medikamente sind kein Waschmittel! (Beifall bei der ÖVP.)

12.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte schön.

 


13.00.04

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Ich möchte ein wenig an die Ausführungen meines Vorredners anschlie­ßen. Wir haben ein vom EuGH aufgehobenes Gesetz sozusagen repariert. Ich glaube, dass die Regelung in Österreich insgesamt eine sehr gute ist, nämlich dass es einen Gebietsschutz für Apotheken gibt. Ich habe auch schon im Ausschuss angemerkt, dass die Apothekerkammer die Erläuterungen gerne etwas ausführlicher gehabt hätte. Scha­de, dass sich da die Regierung nicht mehr bewegt hat.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 85

Ich möchte auch auf Kollegen Loacker zu sprechen kommen, der einen Entschlie­ßungsantrag einbringen wird, dem wir nicht zustimmen können und werden. Sie bekrit­teln, dass die Apotheken strengen Bestimmungen unterliegen – und genau das ist es, was wir möchten. Ich glaube, es ist sinnvoll, das Gesundheitswesen in der öffentlichen Hand zu belassen und nicht alles für den freien Markt zu öffnen. In Wien wird derzeit beispielsweise darüber diskutiert, dass der Krankenanstaltenverbund sozusagen priva­tisiert werden soll. Das sind Bereiche, wo ich glaube, dass ein falscher Weg gegangen wird. Wir müssen uns wirklich darauf zurückbesinnen, dass wir sagen: Die Gesund­heitsversorgung ist auch Teil der öffentlichen Versorgung und ist auch Pflicht der öf­fentlichen Versorgung.

Daher halte ich es für wichtig, dass man, auch wenn es der EuGH kritisiert, in Teilbe­reichen – da geht es vor allem um den ländlichen Bereich, um entlegene Regionen – nicht ganz so starr, sondern flexibler handeln kann. Ich halte aber nichts davon, zu sa­gen: Da gibt es jetzt für die Apotheken zu strenge Bestimmungen, das sollte man alles öffnen. Die Gesamtliberalisierung des Gesundheitswesens führt insgesamt zu einer Schlechterversorgung. Das sehen wir in jenen Ländern, wo das bereits stattgefunden hat.

Ich möchte wirklich dafür plädieren, dass wir mit aller Vorsicht darauf achten, dass es nicht zu Zerschlagungen von staatlichen Strukturen kommt. Die Frau Bundesminister hat ja in ihrer Rede gesagt, dass es gerade im Gesundheitsbereich so viele Player gibt. Sie hat einen vergessen, das sind nämlich die neun Bundesländer. Diese spielen auch noch eine ganz wesentliche Rolle, und deshalb ist eben diese Zerklüftung so groß. Da­her ist es umso wichtiger, darauf aufzupassen, dass Fehlentwicklungen in dem einen oder anderen Bundesland auch korrektiv betrachtet werden, und dass wir nicht zulas­sen, dass es zu einer Privatisierung in der Gesundheitsversorgung kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.02


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mückstein. – Bitte schön.

 


13.02.37

Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Ich möchte auch noch einmal auf die Aus­führungen der Frau Ministerin replizieren. Zunächst zu den Wartezeiten für MRT- und CT-Untersuchungen: Diese Zahlen kommen jetzt nicht nur von den Betroffenen, die uns das erzählen, sondern sie kommen auch aus einer Anfragebeantwortung aus dem Gesundheitsministerium, in der durchaus immer wieder Wartezeiten in einzelnen Bun­desländern von vier bis sechs Monaten angegeben sind.

Zum Thema Interessenausgleich: Ja, natürlich geht es da auch um machtpolitische Mo­mente, ich bin aber der Meinung, es geht sehr viel mehr um eine ganz wichtige, essen­zielle Systemfrage, nämlich um die Frage, ob das Gesamtvertragssystem erhalten blei­ben soll oder nicht. Dazu hätte ich gerne auch einmal eine ganz konkrete Aussage.

Was mir auch auffällt, ist, dass die Frau Ministerin nie eine Antwort auf die Frage über die Psychotherapie gibt. Ja, es stimmt, es ist schwierig, da etwas in Bewegung zu brin­gen, aber es war Herr Minister Ettl, ein sozialdemokratischer Gesundheitsminister, der damals das Psychotherapiegesetz und die Regelungen dazu im ASVG mit der Ge­samtvertragsverpflichtung etabliert hat. Das heißt, wenn ein Wille da ist, dann gibt es offensichtlich auch einen Weg. Ich nehme schon an, dass auch Frau Ministerin Ober­hauser da sehr viel positiven Einfluss nehmen könnte. Ich würde mir das sehr wün­schen, beziehungsweise haben wir ja auch Anträge vorbereitet, in denen es zumindest einmal um einen runden Tisch zu diesem Thema geht. Ich hoffe, dass wenigstens ein­mal auf diese Möglichkeit, Gespräche miteinander zu führen, Einfluss genommen wird.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 86

Zum Apothekengesetz: Es ist eine legistische Reparatur, der wir natürlich zustimmen. Ich möchte mich in dem Zusammenhang aber auch zu den Liberalisierungstendenzen und Deregulierungstendenzen im Gesundheitsbereich äußern und schon auch sehr kri­tische Anmerkungen machen: Ich denke, dass wir ein öffentliches Gesundheitswesen erhalten sollten. Nicht alles ist tauglich, um auf dem freien Markt verhandelt zu werden. Dazu gehören auch die österreichischen Apotheken. Ich glaube, wie es im Moment ge­regelt ist, ist es sehr gut, auch für die Versorgung der Patienten, und vor allem auch für die Qualität, die Patienten in Apotheken erfahren, wenn es um Beratung geht. In dem Zusammenhang müssen wir auch sehr aufmerksam und sehr kritisch auf die kommen­den Entwicklungen schauen. Wir wissen, dass es der VfGH nun der Drogeriemarktket­te dm nicht ermöglicht hat, rezeptfreie Medikamente abzugeben. Diese Klage wurde aber nur aufgrund eines Formalfehlers zurückgewiesen.

Ich glaube, dass es grundsätzlich nicht gut wäre, nicht rezeptpflichtige Medikamente – ähnlich wie in Amerika – in Drogeriemärkten abzugeben und damit dem missbräuchli­chen Umgang mit Arzneimitteln – auch wenn sie nicht rezeptpflichtig sind – Tür und Tor zu öffnen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte schön.

 


13.06.30

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Liebe Frau Bundesmi­nisterin! Hohes Haus! Dem Antrag in Bezug auf die Reparatur des Apothekengesetzes stimmen wir auch zu. Ich werde aber einen Entschließungsantrag einbringen und möch­te dazu ein paar Ausführungen machen.

Das System der Apotheken verträgt durchaus noch ein paar Adaptionen, ohne dass gleich die Welt untergeht und ohne dass deshalb gleich das Gesundheitssystem abge­schafft wird. Nach den heute geltenden Öffnungszeitenregelungen für ein Unterneh­men darf ein Handelsbetrieb 72 Stunden in der Woche offen haben und eine Apotheke laut Gesetz 48 Stunden, wobei man dann noch bezüglich des Offenhaltens in der Mit­tagspause um eine Ausnahme ansuchen kann; das heißt, dort ist es restriktiver. Und nur deswegen, weil wir jetzt beantragen, dass auch eine Apotheke 72 Stunden in der Woche geöffnet haben darf – nicht: geöffnet haben muss! –, bricht die Gesundheits­versorgung nicht zusammen. Im Gegenteil, Sie erhöhen die Versorgung für die Be­völkerung, weil diese Geschäfte dann auch zu einem Zeitpunkt offen haben, an dem arbeitsame Personen aus dem Job hinausgehen und die benötigten Produkte kaufen können. Der Apotheker als Freiberufler – das gerät manchmal in Vergessenheit – ist nämlich auch ein Unternehmer und trifft unternehmerische Dispositionen; deswegen soll­ten Sie das zulassen.

Weiters geht es in meinem Antrag darum, die Zulassung von Filialapotheken etwas zu erweitern. Sie dürfen heute, wenn Sie eine Apotheke haben, eine Filialapotheke eröff­nen, aber diese muss an einem anderen Ort sein, wo es noch keine Apotheke gibt, und es gibt auch noch ein paar andere Zusatzeinschränkungen. Das heißt aber, dass das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, dem Bedarf in den Fällen nicht gerecht wird, in denen eine Gemeinde wächst. In meinem Bundesland haben wir zwei Städte, die stark ge­wachsen sind, nämlich Bregenz und Feldkirch, und da gibt es in den Wachstumsbe­reichen keine Apotheke, da zahlenmäßig – 5 500 Einwohner – kein Bedarf besteht, weil Traditionsapotheken in anderen Ecken der Stadt sind. Jetzt kann für die Wachs­tumsgebiete keine Apotheke bewilligt werden. Damit geht die Bedarfsprüfung am Be­darf vorbei, denn sowohl in Tosters in Feldkirch wohnen Leute und haben keine Apo­theke als auch in Weidach in Bregenz wohnen Leute und haben keine Apotheke, und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 87

diese müssen in andere Stadtteile pilgern. Findet sich nun kein Apotheker, der seinen Standort wechselt, sollte man unseres Erachtens den bestehenden Apothekern erlau­ben, im wachsenden Stadtteil eine Filiale zu eröffnen. Nur darauf zielt der bescheidene Antrag ab, den ich nun einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweite­rung der maximalen wöchentlichen Betriebszeit von Apotheken sowie Aufheben der Be­darfsprüfung für Filialapotheken

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Betriebszeiten-Regelung für Apothe­ken nach dem Vorbild des Öffnungszeitengesetzes erweitert und Apothekern der Be­trieb einer Filialapotheke innerhalb des eigenen betrieblichen Gemeindegebiets ermög­licht wird.“

*****

Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

betreffend Erweiterung der maximalen wöchentlichen Betriebszeit von Apotheken so­wie Aufheben der Bedarfsprüfung für Filialapotheken

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Antrag 1863/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Dr. Erwin Rasinger, Dr. Dag­mar Belakowitsch-Jenewein, Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird (1310 d.B.) – TOP 5

Die Reparatur des Apothekengesetzes und seine Anpassung an das EuGH-Urteil, wel­ches es nun möglich macht, die Zahl der zu versorgenden Personen bei Eröffnung ei­ner Apotheke zu unterschreiten, ist generell zu begrüßen. Diese Reparatur sollte je­doch nicht als große Entbürokratisierung gefeiert werden. Denn nach wie vor gefährdet das derzeitige Apothekengesetz im Hinblick auf Öffnungszeiten- und Bedarfsprüfungs­regelung nicht nur die Berufsgruppe der Apotheker an sich, sondern legt den österrei­chischen Apothekerinnen und Apothekern derart massive Steine in den Weg, dass letztlich die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln darunter zu leiden hat:

So gilt derzeit nach § 8 (1) Apothekengesetz eine gesetzliche Deckelung der maxima­len wöchentlichen Betriebszeiten von 48 Stunden für Apotheken. Zudem wäre eine täg­liche Mittagssperre von zwei Stunden einzuhalten. Eine selbstständige Öffnung außer­halb dieser amtlich festgelegten Betriebszeit (Sperrzeit) ist nicht problemlos möglich - lediglich nach einer gesonderten Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde mit voran­gegangener Bedarfsprüfung – Bürokratie pur.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 88

Während nach dem Öffnungszeitengesetz für Geschäfte eine wöchentliche Gesamtof­fenhaltezeit von 72 Stunden erlaubt ist, unterliegen Apotheken den strengen Begren­zungen des § 8 Apothekengesetz. Diese Ungleichbehandlung von Apothekerinnen und Apothekern ist, marktwirtschaftliche Prinzipien einmal beiseitegelassen, schlichtweg absurd. Es sollte den Apotheken selbst überlassen werden, wie und ob sie ihre Öff­nungszeiten erweitern wollen oder nicht. Sie kennen die Umstände und den Bedarf und können selbst am besten einschätzen, ob eine Erweiterung der Öffnungszeiten für sie und die Bevölkerung von Nutzen ist. Flexiblere Öffnungszeiten können die notwendi­gen Zeiten des Bereitschaftsdienstes reduzieren und letzterer in Absprache mit der Be­zirksverwaltungsbehörde festgelegt werden.

Die neue Regelung wird voraussichtlich nichts daran ändern, dass die bestehende Logik der Bedarfsprüfung nicht auf die Entwicklung einer Gemeinde Rücksicht nimmt. Wenn neue Wohngebiete innerhalb einer Stadt entstehen, können diese u.U. nicht mit einer Apotheke versorgt werden, weil in anderen Ortsteilen schon so viele Apotheken bestehen, dass die Bedarfsprüfung negativ ausfällt. Deswegen bleiben beispielsweise die Ortsteile Feldkirch-Tosters und Bregenz-Weidach unversorgt. Es ist nicht einmal vor Ort aktiven Apothekern erlaubt, in Form einer Filialapotheke die Versorgung der Bevölkerung im unbetreuten Ortsteil zu gewährleisten. Die Bedarfsprüfung wird also dem selbstgestellten Anspruch der Bedarfsdeckung nicht gerecht und wird das auch künftig nicht erbringen.

Darüber hinaus ändert diese vorgeschlagene Gesetzesänderung nichts an der in Ös­terreich überzogen hohen Zahl an ärztlichen Hausapotheken. Von rund 2.000 Haus­apotheken in Europa finden sich über 800 in Österreich. Die Zusammenführung der Funktionen von Arzt und Apotheker ist aus Gründen der Kosten und der Gefahr der Übermedikation so weit als möglich zu vermeiden. Dem derzeitigen Trend, niederge­lassenen Ärzten zur Kompensation einer Untervergütung durch die Krankenkassen ei­ne Hausapotheke zu gewähren, ist daher entgegenzuwirken.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die Betriebszeiten-Regelung für Apothe­ken nach dem Vorbild des Öffnungszeitengesetzes erweitert und Apothekern der Be­trieb einer Filialapotheke innerhalb des eigenen betrieblichen Gemeindegebiets ermög­licht wird.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Ing. Dietrich. – Bitte schön.

 


13.10.05

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Auch von meiner Seite aus und im Namen unserer Fraktion: Es freut uns, Frau Minister, dass du wieder da bist; du bist uns schon abgegangen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir werden selbstverständlich der Novellierung des Apothekengesetzes zustimmen. Ich muss sagen, wir haben in Österreich tolle Apotheken, die eine tolle Serviceleistung und eine ganz tolle Beratungsleistung bieten. Dafür, glaube ich, ist jeder Kunde dank-


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bar. Ich weiß, dass auch die Apotheken in einer sehr schwierigen Phase stecken, weil der Onlinehandel zunimmt und es immer mehr Konkurrenz gibt. Ich glaube aber, das jetzige System hat sich bewährt, und wir sollten auf das jetzige System aufbauen.

Meine geschätzten Damen und Herren, ein großes Thema ist der Ärztemangel im länd­lichen Bereich. Wir haben eine überalterte Bevölkerung, wir haben Täler und Gräben, wo die Anzahl der Bewohner permanent sinkt, weil viele junge Menschen ihre Zukunft anderswo sehen. Wir haben Strukturen, die zurückgebaut werden. Umso wichtiger ist es, dass wir alles daransetzen, dass der Hausarzt nach wie vor in den ländlichen Re­gionen vertreten ist – der Hausarzt, der die Familien kennt, die gesundheitlichen Pro­bleme der Familien kennt, das Umfeld kennt, der wirklich ein umfassendes Bild vom Pa­tienten und seinem Umfeld hat. Es ist ganz wichtig, dass wir schauen, dass die Ärzte eine zusätzliche Einnahmemöglichkeit haben, indem sie Hausapotheken führen kön­nen. Wir müssen alles daransetzen, dass uns die Ärzte auf dem Land nicht abhanden­kommen.

Meine geschätzten Damen und Herren, Sie alle haben wahrscheinlich den Brief vom Bürgermeister von St. Veit an der Gölsen erhalten, der darin auf eine interessante The­matik hinweist. Er sagt, er hat zwei Hausärzte mit Apotheken in seiner Gemeinde, und jetzt hat die Bezirkshauptmannschaft eine öffentliche Apotheke genehmigt. Das heißt für diese beiden Hausärzte, dass sie innerhalb von drei Jahren ihre Apotheken schlie­ßen müssen.

Ich glaube, jenen Patienten, die so mobil sind, dass sie nicht den Hausarzt vor Ort auf­suchen, sondern einen Arzt viele Kilometer entfernt, ist es wahrscheinlich auch zumut­bar, dass sie, wenn sie nicht zum Hausarzt gehen wollen, eine Apotheke anderswo besuchen; aber die ältere Bevölkerung, die oft wirklich nicht mehr so mobil ist, die niemanden hat, der sie mit dem Auto fährt, ist dankbar und froh, wenn es den Hausarzt vor Ort gibt und sie neben der Behandlung gleichzeitig auch die Medikamente erhalten kann.

Aus diesem Grund werden wir einen Antrag dahin gehend einbringen, dass es eine Parteienstellung der Gemeinden bei der Vergabe von Konzessionen für öffentliche Apo­theken gibt. Das heißt, dass die Bürgermeister vor Ort, die wirklich wissen, was die Be­völkerung braucht, in den Entscheidungsprozess miteingebunden werden, wenn es noch zusätzliche Apotheken geben sollte.

Ich weiß, unser Antrag widerspricht dem Antrag der NEOS, aber wir stehen hinter dem ländlichen Raum, wir stehen für die Bevölkerung im ländlichen Raum und wir wollen auch in Zukunft die Versorgung der Bevölkerung garantieren. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

13.14


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte schön.

 


13.14.07

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Es freut mich auch, dass Sie wieder da sind, und ich wünsche Ihnen sehr viel Kraft!

Meine Damen und Herren im Hohen Haus! Ich komme selbst aus dem ländlichen Be­reich, und daher ist mir die Gesundheitsversorgung in diesem auch ganz besonders wichtig. Wir wissen, die demographische Entwicklung ist im ländlichen Raum schon weiter fortgeschritten, und daher sind die medikamentöse und auch die ärztliche Ver­sorgung sehr notwendig. Wir sind in der letzten Sitzung einen Schritt weitergekommen, indem wir die vorgeschriebene Entfernung zwischen Hausapotheke und Apotheke he-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 90

rabgesetzt haben. Im ländlichen Bereich ist dabei die Grenze von den 5 500 zu versor­genden Personen gefallen. Mit der heutigen Novelle machen wir das allgemein, dass nicht nur im ländlichen Bereich, sondern auch überall anders die derzeitige Grenze von 5 500 unterschritten werden kann. Ich denke, das ist besonders wichtig in wachsenden Siedlungsgebieten, wo sich Ambulatorien in der Nähe befinden oder bei Verkehrskno­tenpunkten, bei Flughäfen, wo wir diese Regelung auch anwenden.

Ein Punkt, den ich noch anführen möchte, den wir uns für die Zukunft auch noch über­legen sollten, ist ein Kriterienkatalog, den wir den Bezirksbehörden zur Verfügung stel­len, damit es hierzu einheitliche Entscheidungen in ganz Österreich gibt.

In diesem Sinne möchte ich vielleicht noch auf Herrn Kollegen Loacker hinweisen, der den Entschließungsantrag eingebracht hat, zu dem ich sage: Es gibt ja schon den
24-Stunden-Bereitschaftsdienst der Apotheken, und auch die Filialapotheken sind be­reits jetzt möglich.

Daher will ich abschließend nur mehr sagen: Arbeiten wir gemeinsam weiter, um die medizinische Versorgung im ländlichen Bereich und in allen anderen Bereichen für un­sere Bevölkerung auch in Zukunft sicherstellen zu können! (Beifall bei der ÖVP.)

13.16


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte schön.

 


13.16.24

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich gehe davon aus, dass die gesicherte, flächen­deckende und bestmögliche medizinische Versorgung der Bevölkerung uns allen ein großes und gemeinsames Anliegen ist. Ich spreche hier nicht nur von der Adaptierung der Apothekenregulierung, sondern im Allgemeinen.

Wir sollten froh und dankbar sein, dass wir in einem Land leben, in dem es eine gute Gesundheitsversorgung gibt, um die uns viele Länder beneiden. Natürlich werden wir auch in Zukunft mit vielen Herausforderungen zu kämpfen haben, und ich glaube, es ist der Auftrag der Bürger an uns – da spreche ich besonders den ländlichen Raum an –, dies bestmöglich zu tun, welchen Bereich das auch immer betrifft, sei es die Netz­dichte von Ärztinnen und Ärzten auf dem Land, die Verfügbarkeit von Rettungs- und Krankenwagen oder die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten.

An dieser Stelle danke ich der Ministerin für die Unterstützung, dass diese Änderung jetzt im Apothekengesetz vorgenommen werden kann. Ich hoffe sehr, dass wir auch in Zukunft immer wieder eine faire Gesprächsbasis finden und weiterhin für die Menschen arbeiten und anpacken können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

13.17

13.17.58

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1310 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist ein­stimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 91

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erweiterung der maximalen wö­chentlichen Betriebszeit von Apotheken sowie Aufheben der Bedarfsprüfung für Filial­apotheken.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

13.18.536. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1695/A(E) der Abgeordneten Mag. Helene Jarmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Begleit­forschung zur De-Institutionalisierung und selbstbestimmtem Wohnen von Men­schen mit Behinderungen (1322 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir kommen jetzt zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bit­te schön, Frau Abgeordnete.

 


13.19.16

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher!

„Meine Wohnung ist mir sehr wichtig, weil ich selber meine Sachen machen will. Wa­rum, wieso und weshalb mache ich das so und nicht anders? – das mag ich nicht dis­kutieren. Außerdem mag ich auch meine Ruhe haben wenn mir danach ist.“ – Das ist ein Zitat einer Bewohnerin einer besonderen Wohnform in Vorarlberg, ein Zitat, das wahrscheinlich für viele von uns – ich möchte sagen, für uns alle – eigentlich selbst­verständlich klingt, sehr banal klingt. Wenn man aber ein Mensch mit Behinderung ist, schaut das völlig anders aus.

Der Wunsch nach den eigenen vier Wänden, nach einem autonomen, selbstbestimm­ten Leben scheitert in Österreich einfach sehr oft an den nicht vorhandenen Möglich­keiten für Menschen mit Behinderungen. Es ist eigentlich immer noch die Regel, dass Menschen mit Behinderungen in vorgegebenen Einrichtungen wohnen müssen. Oft­mals sind diese Wohneinrichtungen auch gleichzeitig der Arbeitsplatz des Menschen mit Behinderung oder sein Therapieplatz. Das ist ein Umstand, den wir uns alle wahr­scheinlich gar nicht vorstellen können, denn wir gehen einfach von der Wohnung in die Arbeit. Das ist wichtig für ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben. Die Tatsache, dass es noch immer sehr viele Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen gibt, wi­derspricht eigentlich der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinde­rungen – im Artikel 19 dieser ist ein selbstbestimmtes Leben festgeschrieben.

Das ist aus meiner Sicht ein Zustand, der, vor allem in Hinblick auf die Selbstbestim­mung von Menschen mit Behinderungen, einfach zu ändern wäre. Im Nationalen Ak­tionsplan Behinderung sind Ziele der De-Institutionalisierung festgeschrieben – der UN-Staatenbericht gibt Österreich eigentlich noch kein befriedigendes Zeugnis –, und wir ha­ben noch einigen Nachholbedarf, um diese tatsächlich gewährleisten zu können, vor al­lem was den Assistenzbedarf für Menschen mit Behinderungen betrifft. Deswegen fin­de ich es schade, dass es im Finanzausgleich nicht gelungen ist, diesen Inklusions­fonds mit Geld zu dotieren. Ich denke, daran müsste man gemeinsam weiterarbeiten.

Es gibt aber auch in Österreich gute Beispiele für alternative Wohnformen für Men­schen mit Behinderungen. In diesem Antrag, den wir heute gemeinsam beschließen wer­den – im Ausschuss war der Beschluss ja einstimmig –, wird der Bundesminister auf-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 92

gefordert, im Rahmen der Begleitgruppe des NAP die Länder aufzufordern, einen ge­genseitigen Abgleich vorzunehmen und festzustellen, welche alternativen Wohnformen es für Menschen mit Behinderungen gibt und was man von den Besten lernen kann, um in Zukunft dieses autonome, selbstbestimmte Wohnen für Menschen mit Behinde­rungen zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen, damit Menschen mit Behin­derungen beispielsweise telefonieren dürfen, wann sie es wollen, und nicht schlafen ge­hen müssen, wenn jemand anderer es ihnen sagt, sondern wenn sie es selbstbestimmt entscheiden.

In diesem Sinne ersuche ich Sie alle um Zustimmung zu diesem sehr wichtigen An­trag. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort. – Bitte.

 


13.22.40

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Ho­hes Haus! Heute Abend wird der Literaturpreis Ohrenschmaus vergeben. Zum zehnten Mal werden Texte von Menschen mit Lernbehinderungen ausgezeichnet. Das ist ein Beispiel dafür, dass die Literatur dieser Menschen toll ist und sie auch etwas Schönes leisten können. Das ist auf einer eigenen Zotter-Schokolade dokumentiert. Wir haben allen Abgeordneten eine solche Schokolade gegeben. (Allgemeiner Beifall. – Abg. Be­lakowitsch-Jenewein: Danke! – Abg. Pirklhuber: Der Minister sollte auch eine be­kommen!) – Der Herr Minister bekommt auch eine! (Abg. Schimanek: Und der Präsi­dent auch!) – Der Präsident natürlich auch! Jedem seine Ohrenschmaus-Schokolade! Ich sage das auch deshalb, weil dieses Gedicht, welches heuer auf der Banderole steht, sehr gut zu dem Thema, das wir gerade behandeln, passt.

Paul Text – nomen est omen – schreibt in seinem Gedicht „Der Tisch“: „Der fliegende tisch fliegt immer wenn er dreckig ist wohin es gerade regnet.“ – Das würde man sich immer wünschen. Ich glaube auch, dass das ein schönes Symbol ist. Es sagt, wie wichtig der Tisch in der Wohnung ist, an dem man beisammensitzt, miteinander redet und isst.

Was wir mit unserem Entschließungsantrag erreichen wollen, ist, dass behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam wohnen, gemeinsam leben und es mehr inklu­sive Wohnmodelle gibt. Unser Entschließungsantrag geht in die Richtung, dass die Länder diese Wohnmodelle entwickeln und auch Best-Practice-Beispiele austauschen sollen. Ich hoffe, dass das auch so umgesetzt wird, denn dieses Zusammenleben ist auch im Sinne der Menschenwürde, die in der Verfassung verankert gehört. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Es ist selten so leise im Parlament.

Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort. – Bitte.

 


13.26.40

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Ja, es ist leise! Es ist auch, würde ich sagen, ein sehr wichtiges und ei­gentlich sehr ernstes Thema, mit dem wir uns jetzt befassen, denn es geht letztlich da­rum, wie Menschen leben und teilweise leben müssen, weil sie einfach keine andere Wahl und Chance haben. Ich danke Frau Abgeordneter Jarmer dafür, dass sie diese Initiative gesetzt hat, denn dadurch können wir heute diesen Antrag beschließen.

Ich glaube, dass es wichtig ist, auch einmal auf die Bedürfnisse der Einzelnen einzu­gehen. Es ist, wie Kollegin Königsberger-Ludwig gesagt hat, mit dem Finanzausgleich


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wieder nicht gelungen, mehr Geld für diesen Bereich herauszuschlagen. Herr Bundes­minister, das ist sehr schade!

Ich glaube, dass – man hat das in den letzten Jahren gesehen – immer mehr Ideen und Initiativen auf die lange Bank geschoben werden, wenn es darum geht, für Men­schen mit Behinderungen Verbesserungen zu erreichen. Das halte ich für einen be­schämenden Weg, denn es handelt sich um eine große Gruppe von Menschen, die es nicht leicht hat und ohnehin schon benachteiligt ist im Leben. Deshalb hat die Gesell­schaft auch die Verpflichtung, für diese Gruppe die bestmöglichen Rahmenbedingun­gen zu schaffen. Es ist fast beschämend, von der UNO ermahnt werden zu müssen, dass wir das, was wir eigentlich hätten leisten sollen, noch nicht getan haben.

In diesem Sinne ist dieser Antrag ein guter, richtiger und wichtiger. Der Antrag ist nur das eine, viel wichtiger ist es natürlich – und das hoffe ich –, dass wir ihn so bald wie möglich umsetzen und es auch für alle Betroffenen zu einer befriedigenden Lösung kommt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.28


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Jarmer zu Wort. – Bitte.

 


13.29.03

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch einen Gebärden­sprachdolmetscher): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie und zu Hause! Der zur Debatte stehende Antrag ist die Grundlage für die De-Institutionalisierung, um Menschen mit Behinderungen, die selbstbestimmt leben möchten, ein selbständiges Le­bens zu gewährleisten.

Die De-Institutionalisierung ist ein sehr komplexer Begriff, weshalb ich ihn noch einmal präzisieren möchte. Er besagt, dass Menschen selbstbestimmt leben und wohnen dür­fen. Sie sollen entscheiden dürfen, wo sie leben möchten, und nicht in Heimen unter­gebracht werden, wie es die alte Struktur vorsieht. Nicht entscheiden zu dürfen, wo man lebt, soll abgeschafft werden, denn Menschen sollen selbstbestimmt leben.

In München beispielsweise gibt es ein sogenanntes Best-Practice-Beispiel. Dort leben Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit Studenten, die nicht mit einer Behinde­rung leben. Das heißt, die StudentInnen zahlen keine Miete und keine Gebühren, leis­ten aber soziale Arbeit, indem sie mit diesen Menschen gemeinsam leben und sie im Alltag unterstützen. Sie lernen zusätzlich den Umgang mit Menschen mit Behinderun­gen und erwerben soziale Kompetenzen. Letztlich ist es eine Horizonterweiterung für alle Beteiligten.

Das heißt, es gibt sehr viele solcher guten Beispiele, auch österreichweit gibt es ein paar, und diese Begleitstudie soll eben dem Zweck dienen, genau diese zu finden und ihren Einsatz zu erweitern. Im Herbst des Jahres 2013 haben wir uns in Genf zu­sammengefunden. Auch dort hat die UN-Staatenprüfung gezeigt, dass Österreich noch viele Aufgaben zu erfüllen hat, so soll beispielsweise ein Weg gefunden werden, der von der Nutzung der Heime wegführt.

Dieser Antrag betrifft die Begleitforschung und noch nicht die konkrete Umsetzung, wir gehen also erst die Anfangsschritte. Das heißt, wir möchten die De-Institutionalisierung vorantreiben – das ist quasi der erste Schritt.

In Österreich sind Menschen nicht wirklich auf Menschen mit Behinderungen sensibili­siert. Sie kennen den Umgang mit ihnen nicht und sehen sie als etwas Besonderes, et­was anderes. Eine allgemein bessere Wahrnehmung, welche noch nicht selbstver­ständlich ist, wird hoffentlich immer mehr erreicht werden, denn erst dann, wenn Men-


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schen mit Behinderungen in der Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit werden, ist das Ziel erreicht. Dieser Antrag ist ein Zeichen dafür, dass das auch unser aller Ziel ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.31


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loacker zu Wort. – Bitte.

 


13.31.52

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir unterstützen natürlich diesen Antrag und sehen darin auch einen wichtigen Schritt und – das muss man auch anerkennen – ein Signal der Mehrheitsparteien, dem Bemü­hen um einen neuen Stil gerecht zu werden. Das darf man durchaus lobend erwähnen.

Damit hat es sich dann aber auch schon auf der Habenseite. Der Antrag illustriert – das haben die Vorrednerinnen und Vorredner bereits unterstrichen –, wo es in Öster­reich hakt. Oft ist die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern so, dass am Schluss gerade wegen dieser Kompetenzverteilung nicht das herauskommt, was den BürgerInnen am besten nützt. Die Kunst liegt darin, die Fürsten der Finsternis in den Bundesländern in die Ziehung und Verantwortung zu nehmen, damit sie ihrer Verpflichtung auch nachkommen, denn die Bundesländer beteiligen sich erstens nicht an der Entwicklung und zweitens nicht an der Umsetzung des Nationalen Aktionspla­nes für Menschen mit Behinderungen.

Der unabhängige Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sagt ausdrücklich, dass die Einbeziehung der Länder unausgegoren ist und angesichts der föderalistischen Herausforderung in Österreich der Aktionsplan Gefahr läuft, nur bruchstückhaft umsetzbar zu sein.

Herr Minister, Sie haben die durchaus schwierige Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es in Österreich kein Glücksfall ist, je nachdem, in welchem Bundesland, in welcher Gemein­de man wohnt, in einem behindertenpolitischen Anliegen zu seinem Recht zu kommen. Im Moment haben die Kompetenzträger unterschiedliche Vorstellungen. Sobald Sie den Ländern mitteilen, was Ihre Wünsche sind, unterstützen wir Sie voll und ganz. Falls wir einen Beitrag leisten können, lassen Sie es uns bitte wissen! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.33


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Ing. Diet­rich. – Bitte.

 


13.33.53

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, selbst entscheiden zu dürfen, wo man wohnen möchte, mit wem man leben möchte, selbst darüber zu entscheiden, wie man sein Leben gestalten möchte, das ist etwas, das nicht allen Menschen in Österreich gegeben ist, obwohl es für unsereins eine Selbstverständlichkeit darstellt.

In Österreich war es bisher so, dass Menschen mit Behinderungen in erster Linie be­dauert wurden, aber Lösungen gab es sehr wenige. Die Hauptlösung war, sie in einem Großheim unterzubringen, wo Pflege und Betreuung gewährleistet waren. Es sind ge­genwärtig noch immer rund 13 000 Menschen in Großheimen untergebracht, fernab der Gesellschaft.

Ich bin sehr froh über diesen Antrag, den wir heute beschließen, da er aus meiner Sicht einen sehr zukunftsweisenden Weg aufzeigt: den Menschen mit Behinderungen auf Augenhöhe zu begegnen, ihnen Rechte und Pflichten zu geben und sie nicht nur in Großheime abzuschieben, nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn, außer Be-


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dauern wird nicht viel mehr getan! – Es ist der richtige Weg, den man auch in Schwe­den mit einigen Projekten beschritten hat, und auch in Deutschland gibt es Pilotprojek­te. Ich bin mir sicher, dass es auch in Österreich – ich glaube, Salzburg ist ziemlich in der Vorreiterrolle – viele Initiativen gibt. Es ist der richtige Weg, Menschen mit Behinde­rungen gleichwertig und selbstbestimmt in die Gesellschaft zu integrieren.

Aus diesem Grund unterstützen wir diesen Antrag und freuen uns schon darauf, mit­verfolgen zu können, wie dieses Projekt sukzessive wächst. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

13.36


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Stöger. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


13.36.07

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich bedanke mich bei allen Abgeordneten, die dieses Thema heute hier eingebracht haben. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln, wenn es um die Fra­ge geht, wie wir mit Menschen mit Behinderungen und Menschen mit besonderen Be­dürfnissen umgehen. Es handelt sich um eine Frage der Haltung, welche eine persön­liche Auseinandersetzung mit dem Thema verlangt. Auch geht es darum, Menschen Mut zu machen und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Es sollen auch überkommene Traditionen, die wir haben, nämlich Menschen aus der Gesellschaft aus­zuschließen und sie in Institutionen zu packen, abgelöst werden, damit schrittweise ei­ne andere Haltung gegenüber der Lebensrealität eingenommen wird. Ich bedanke mich dafür, dass es diesbezüglich eine gemeinsame Position gibt.

Ich werde mich bemühen, bei der nächsten Sitzung der Begleitgruppe des Nationalen Aktionsplanes Behinderung am 7. Dezember diese Themen anzugehen, sie auf die Ta­gesordnung zu setzen und mit den ersten Umsetzungen zu beginnen, damit wir einen Abgleich dieser Best-Practice-Modelle in Österreich haben und eine Auseinanderset­zung mit diesem Thema stattfindet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dieses Thema wurde angesprochen: Wir haben im Finanzausgleich den Bundesländern mehr Geld zur Verfügung gestellt, und meine Bitte an die Bundesländer wäre, dass sie dieses Mehr an Geld auch für ihre Aufgaben verwenden mögen, und eine dieser Aufgaben der Bundesländer ist, für die Integration der Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zu sorgen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.38

13.38.19

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin das Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 1322 der Beilagen an­geschlossene Entschließung betreffend De-Institutionalisierung im Bereich des Woh­nens.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 180.)

13.38.477. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1747/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kassasturz in der Sozialversicherung (1316 d.B.)


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8. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1520/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­mögensmanagement der Sozialversicherungsträger (1317 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1743/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Offenlegung der Personalpolitik im AMS (1318 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1742/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Regelung des Arbeitsmarkts gemäß Beschluss der Arbeiterkammer Burgenland vom 20. Mai 2016 (1319 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1505/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen be­treffend sektorale Schließung des Arbeitsmarktes im Zusammenhang mit der Ent­sendung von ausländischen Arbeitnehmern nach Österreich (1320 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1317/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Er­höhung der Treffsicherheit der Bildungskarenz (1321 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1826/A der Ab­geordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird (1315 d.B.)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nun kommen wir zu den Punkten 7 bis 13 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste gelangt Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein zu Wort. – Bitte.

 


13.39.04

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ)|: Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Es handelt sich um eine Reihe unterschiedlicher oppositioneller Anträge.

Der erste ist ein Antrag meines Kollegen Herbert Kickl. Es geht um einen Kassasturz, vor allem im Bereich der Sozialversicherung. Wir wissen, die Arbeitslosigkeit steigt seit vielen Jahren, und sie wird auch weiterhin ansteigen, wenn man sich die neuesten Zah­len ansieht. Auch alle Prognosen sprechen dafür. Wir wissen auch, dass wir vor allem, wenn wir ein bisschen ins Detail gehen, bei den Zahlen im Bereich der Asylberechtig­ten und subsidiär Schutzberechtigten einen enormen Anstieg zu verzeichnen haben, Mo-


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nat für Monat. Es sind sehr viele Personen, die zusätzlich noch in das Arbeitslosensys­tem aufgenommen werden.

Herr Bundesminister! Wir haben schon unter Ihrem Vorgänger darauf hingewiesen, dass es sich irgendwann nicht mehr ausgehen wird. Der damalige Minister Hundstorfer hat uns dann immer erklärt, das geht schon alles irgendwie. Wir sehen aber jetzt schon, dass es irgendwann nicht mehr gehen wird. Das heißt, wir fordern hier einen Kassa­sturz ein, damit wir auch einmal sehen, wie viel Geld wir haben, worauf wir uns ein­stellen müssen und was wir vielleicht noch brauchen. Und es ist für uns nicht nach­vollziehbar, warum Sie das immer wieder verweigern und einfach weiterwurschteln.

Des Weiteren – ich bleibe beim AMS – geht es um einen Antrag von mir, nämlich um die Offenlegung der Personalpolitik. Herr Bundesminister – ich habe es Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt, da haben Sie sich aber irgendwie herausgeredet –, es geht da­rum, wie es bei der Besetzung der AMS-Vorstände aussieht. Sie haben während einer Zugfahrt mit einem Kabinettsmitarbeiter darüber diskutiert, wie das weitergehen soll. Ich möchte jetzt gar nicht Ihre Wortwahl besonders hervorheben, obwohl ich es etwas eigenartig finde, dass man im Zug über solche Dinge öffentlich diskutiert. Das ist eine Geschmacksfrage, ich glaube aber nicht, dass das der richtige Weg ist.

Wichtig wäre hier natürlich einmal eine Offenlegung Ihrer Personalpolitik. Sie haben ge­sagt, das beschließen ja nicht Sie, sondern der Verwaltungsrat. Herr Bundesminister, Sie wissen so gut wie wir alle, dieser Verwaltungsrat ist natürlich politisch besetzt. Und wenn Sie es gar nicht beschließen, dann stelle ich mir auch die Frage, warum Sie über­haupt mit Ihrem Kabinettsmitarbeiter darüber diskutieren, wen Sie noch haben wollen oder wen Sie nicht haben wollen. Ihre Argumentation ist nicht ganz logisch und in sich überhaupt nicht schlüssig.

Das ist schon etwas, von dem ich glaube, dass es wichtig wäre zu wissen, was Sie hier vorhaben. Und ich muss Ihnen ehrlicherweise sagen: Die Vorgangsweise, die Sie hier wählen, ist eigentlich eines Ministers nicht würdig. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir bleiben jetzt gleich beim Arbeitsmarkt. Es gibt noch einen Antrag von meinem Kol­legen Herbert Kickl betreffend Regelung des Arbeitsmarkts gemäß Beschluss der Ar­beiterkammer Burgenland vom 20. Mai 2016. Dabei handelt es sich um eine Regelung der Arbeiterkammer Burgenland, die auch besagt, man soll auf EU-Ebene aktiv wer­den, damit der Zugang zum Arbeitsmarkt beispielsweise in den Grenzregionen – in die­sem Fall natürlich dem Burgenland – geregelt erfolgen kann, und es braucht eine Rück­kehr zu den Regelungen während der Übergangsfristen, wie sie zwischen 2004 und 2011, also vor der völligen Öffnung – der sogenannten Ostöffnung –, gegolten haben.

Es ist deshalb so interessant, dass das die Arbeiterkammer Burgenland beschlossen hat – diese steht ja wohl nicht im Verdacht, der FPÖ nahezustehen –, weil dort Ihre Frak­tion die Mehrheit hat, Herr Bundesminister, und sie genau jene Dinge hervorhebt, vor denen wir schon seit dem Jahr 2011 gewarnt haben. Wir haben nämlich damals schon darauf hingewiesen, dass der Arbeitsmarkt mit billigen Arbeitskräften aus dem Osten überschwemmt werden wird. Was war die Reaktion der Bundesregierung beziehungs­weise auch der Grünen? – Na, das ist alles Panikmache der FPÖ, so weit wird es nicht kommen, wir beschließen ein ganz großartiges Lohn- und Sozialdumpinggesetz.

Wir haben dieses Lohn- und Sozialdumpinggesetz nicht mitbeschlossen, wir waren da­gegen. Wir waren auch aus gutem Grund dagegen, denn wie wir ja sehen, haben wir es in der Zwischenzeit drei Mal reformiert, und es bringt immer noch nichts. Und was ist jetzt passiert, Herr Bundesminister? – Sie haben die Frage im Sozialausschuss so ein bisschen weggeschoben. – Der Herr Finanzminister hat angekündigt, er will die Fi­nanzpolizei auflösen. Wozu brauchen wir dann das Gesetz noch, wenn wir nicht einmal jemanden haben, der das kontrolliert und exekutiert? Das war von Anfang an unsere


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Kritik. Wenn Sie ein Gesetz machen, haben Sie es selbst zu exekutieren. Das haben Sie nicht getan. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben sich darauf verlassen, dass das die Finanzpolizei machen wird, die ohnehin chronisch unterbesetzt war, die ja auch noch andere Dinge zu kontrollieren hat. Allein in Wien gibt es ganze 100 Finanzpolizisten. Die sind aber nicht nur für das Lohn- und Sozialdumpinggesetz zuständig – das muss man dazusagen –, die haben auch viele an­dere Aufgaben.

Vonseiten der Regierungsfraktionen wurde immer gesagt: Das ist alles super, jetzt wird es besser, wir machen jetzt eine Reform, und die böse FPÖ ist wieder nicht dabei. – So, und jetzt stehen wir da. Das Gesetz wirkt nicht, das wissen wir. Es wird Lohn­dumping betrieben, auch das wissen wir. Es war jetzt erst vor wenigen Tagen im ORF eine Sendung über rumänische Waldarbeiter, die irgendwo in Zelten hausen, wo dann klar herausgekommen ist, dass für diese natürlich keinerlei Sozialversicherung bezahlt wird. Es ist auch nicht überprüfbar, aber es ist alles irgendwo legal, denn die bekom­men das Geld ja nicht auf ein Konto überwiesen, sondern sie kriegen es halt dann im Kuvert – und so weiter und so fort.

Natürlich wirkt dieses Lohn- und Sozialdumpinggesetz überhaupt nicht, denn der öster­reichische Arbeitsmarkt wird ganz bewusst mit Billigarbeitskräften überschwemmt. Und Sie machen nichts dagegen, überhaupt nichts! Sie werden das auch heute wieder ab­lehnen. Das ist nicht nachvollziehbar. Es ist wirklich nicht nachvollziehbar, dass in ge­wissen Branchen die österreichischen Arbeitskräfte verdrängt und durch Billigarbeits­kräfte ersetzt werden. Selbst die Arbeiterkammer Burgenland fordert jetzt, dass diese Übergangsregelungen wieder kommen sollen. Und dann hören wir wieder: Das ist ja EU-rechtlich alles nicht möglich.

EU-rechtlich ist sowieso nie etwas möglich, man sieht allerdings, wenn man verhan­delt, dass gewisse Dinge schon möglich wären. Denn was vor der Brexit-Abstimmung Großbritannien alles zugestanden worden ist, davon können wir nur träumen. Und wenn jetzt auch die österreichische Bundesregierung endlich einmal verhandeln würde, dann wäre hier ganz, ganz viel möglich – auch EU-rechtlich.

Das ist schon eines der ganz großen Probleme, das hat ja auch der Außenminister be­stätigt: Österreich ist das Land mit den allermeisten entsendeten Arbeitskräften. Wir sind natürlich das Tor zum Osten – das waren wir immer aufgrund unserer geografi­schen Lage – und sind daher über Gebühr belastet mit diesen Billigarbeitskräften. Es ist schade, dass hier von Ihrer Seite nichts passiert.

Es gibt dann noch einen Antrag des Kollegen Loacker, dem werden wir unsere Zustim­mung geben.

Es gibt einen weiteren Antrag, der sich nur mit den Entsendeten beschäftigt und auch mit einer sogenannten sektoralen Schließung des Arbeitsmarktes. Das heißt, dass zu­mindest für jene Branchen, die besonders von der Überschwemmung mit Billigarbeits­kräften betroffen sind, ausverhandelt wird, dass es keine gesamte Öffnung geben darf.

Und da muss ich Ihnen ehrlicherweise sagen: Ich verstehe Ihre Untätigkeit und dieses einfach Verwalten von arbeitslosen Menschen nicht. Wir haben jetzt weit über 400 000 ar­beitslose Menschen in Österreich. Sie verwalten sie einfach weiter. Das Einzige, was Ihnen dazu einfällt, ist, dass Sie im Sommer in einem Interview gesagt haben, Sie hät­ten gerne Kebab auf der Alm, denn dann könnten wir die ganzen arbeitslosen Köche, die jetzt als Asylwerber gekommen sind, auf dem Arbeitsmarkt unterbringen. Das ist für jeden im „profil“ nachzulesen. Und vor wenigen Tagen haben Sie im Fernsehen ge­sagt, als es darum ging, dass die Notstandshilfe an den Partner gekoppelt ist: Nein, Sie möchten überhaupt nicht, dass Menschen Notstandshilfe beziehen, sondern sie sollen sich durch Arbeit ihr Leben finanzieren können.


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Das wollen wir hier alle. Wir wissen aber nun einmal, dass es Menschen gibt, die das eben nicht machen. Das heißt, es ist schon eine gewisse Blauäugigkeit, wenn Sie auf alles immer nur sagen, Sie wollen, dass die Menschen sich durch Arbeit ihr Leben leisten können. Ja, das wollen wir auch. Herr Bundesminister, Sie sind der zuständige Arbeitsminister, dann sorgen Sie auch dafür, dass die Menschen das können, und sor­gen Sie dafür, dass die Arbeitslosigkeit nicht jeden Monat weiter ansteigt! Sorgen Sie dafür, dass sich auch wieder Betriebe ansiedeln können, dass Betriebe auch wieder überleben können in unserer Republik, damit es Arbeitsplätze gibt, die geschaffen wer­den können! Denn vergessen Sie nicht: Weit über 60 Prozent aller österreichischen Ar­beitsplätze werden immer noch von den kleinen und mittleren Betrieben geschaffen! Und hier könnte man sehr wohl ansetzen, wenn man auch ein bisschen politischen Wil­len und Mut zeigt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.48.09

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen, liebe Kollegen! Aufgrund der ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit und Dienstleistungs­freiheit in Europa gibt es natürlich Schwierigkeiten. Das ist jetzt auch völlig richtig von Ihnen festgestellt worden. Und wir wissen und kennen letztendlich auch diese Proble­me. (Abg. Peter Wurm: Das habt ihr immer geleugnet!) Der Unterschied zu Ihnen ist nur jener, dass, als die Probleme bekannt geworden sind (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Welche?) und es ganz konkrete Vorfälle gab, bei denen tatsächlich Lohn- und So­zialdumping betrieben worden ist, es hier im Parlament Maßnahmen gegeben und die Regierung letztendlich ein Gesetz vorgeschlagen hat, das wir hier debattiert haben, sprich das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, das auch beschlossen wor­den ist.

Dazu sollte man aber doch sehr deutlich sagen: Es gab eine Partei, die dagegen war, und das war die Freiheitliche Partei. Man muss sich das ja auf der Zunge zergehen las­sen: Es geht bei diesem Gesetz tatsächlich um Bekämpfung von Sozialdumping, von Lohndumping, es geht um mehr, um effektivere Kontrolle, dass die Löhne, dass die Ge­hälter ordentlich nach den kollektivvertraglichen Regelungen bezahlt werden, und die Frei­heitlichen – man höre: die Freiheitlichen! – waren gegen dieses Gesetz.

Es ist wichtig, da gebe ich auch vielen recht, dass das Gesetz auch ordentlich exeku­tiert werden muss. (Abg. Peter Wurm: Wer macht die Kontrollen, Herr Gewerkschaf­ter?!) Wir brauchen daher keine Abschaffung der zuständigen Finanzpolizei, sondern wir brauchen das Gegenteil. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ihr seid die Regierungs­partei!) Minister Stöger, ich ersuche dich, mit jenen, die hier verantwortlich sind, vor al­lem mit dem Finanzminister, nochmals ins Gespräch zu treten. Wir brauchen nicht we­niger, sondern wir brauchen mehr diesbezügliche Kontrollorgane. Wir wissen, dass die Arbeitsinspektion hier eine hervorragende Arbeit leistet. – An dieser Stelle ein herzli­ches Dankeschön auch an die Arbeitsinspektion.

Meine Damen und Herren! Es gibt gute Lösungen, nicht nur, was das Gesetz betrifft. Es ist auch wichtig, dass wir gute und breite Kollektivverträge in diesem Land haben. Und wenn man sich vor allem die letzten Tage, die letzten Wochen ansieht: Vor weni­gen Stunden gab es einen guten Kollektivvertragsabschluss im Handel. Vor wenigen Tagen einen im Bereich der Metallindustrie, wo es uns gelungen ist, mittlerweile in vier Fachverbänden einen Kollektivvertrag abzuschließen, wo wir eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 1,68 Prozent und in den unteren Einkommensgruppen, wo leider vor al­lem Frauen betroffen sind, eine Lohnerhöhung von 2 Prozent ab 1. November durchge­setzt haben; wo wir aber auch andere rahmenrechtliche Regelungen als Gewerkschaft


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durchgesetzt haben, etwa dass sämtliche Karenzzeiten bei dienstzeitabhängigen An­sprüchen im Kollektivvertrag zur Gänze – Abfertigung, Kündigungsfristen, viele Rege­lungen – angerechnet werden, dass in Zukunft die Fahrtspesen für Lehrlinge, die in das Berufsschulinternat fahren müssen, vom Dienstgeber bezahlt werden.

Das ist also eine tolle Sache, die die Gewerkschaft praktiziert und durchgesetzt hat. Jetzt müssen wir darauf achten, dass auch bei ausländischen Kollegen und Kollegin­nen, die in Österreich arbeiten, die gleichen Regelungen angewendet werden. Vor zwei Tagen war ich nach dem „Report“ sehr erschüttert. Wir haben immer wieder vermutet, dass es derartige Vorfälle gibt, aber nun sind sie durch das Fernsehen tatsächlich be­stätigt worden. (Abg. Peter Wurm: Das war für uns auch überraschend, dass im Fern­sehen die Wahrheit war!)

Ein paar Sätze dazu: Es geht um die Österreichischen Bundesforste. Herr Minister Stöger, Sie sind nicht zuständig, aber ich bitte Sie, mit dem zuständigen ÖVP-Minister Rupprechter in Kontakt zu treten. Die Bundesforste haben die Waldernte teilweise aus dem Betrieb ausgelagert und ein Privatunternehmen – ich denke, aus Vorarlberg – be­auftragt, in Tirol die Waldernte durchzuführen. (Abg. Loacker: Ein Privatunternehmen! Das ist brutal!) Das Privatunternehmen hat Subunternehmen beschäftigt. Es waren vor allem Beschäftigte aus Polen, Tschechien, der Slowakei und vor allem rumänische Kol­legInnen, die hier zur Arbeit herangezogen worden sind. Ich sage Ihnen, unter welchen Bedingungen dort gearbeitet wurde. Ich präsentiere Ihnen hier (eine Bildtafel auf das Rednerpult stellend, auf der neben Bäumen und Sägen einige Lebensmittel im Bach gekühlt zu sehen sind), wie der „Kühlschrank“ für die Beschäftigten aussieht, die in den Tiroler Wäldern nicht nur gearbeitet, sondern auch geschlafen haben. Ich zeige Ihnen hier (eine Bildtafel auf das Rednerpult stellend, auf der ein verrosteter Wohnwagen mit­ten im Wald zu sehen ist) die Schlafstätten der Beschäftigten. (Anhaltende Zwischen­rufe der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein und Peter Wurm.) Sie arbeiten sie­ben Tage die Woche, 13. und 14. Monatsgehalt wird nicht bezahlt, Sozialversicherung im Heimatland.

Wir haben also viele, viele Schwierigkeiten. Das ist der Grund dafür, dass wir nicht we­niger Beamte fordern, nicht weniger Finanzpolizisten, die dieses Gesetz kontrollieren und exekutieren, sondern mehr. (Beifall bei der FPÖ.) Wir brauchen mehr, was auch So­zialminister Alois Stöger immer wieder von den zuständigen Verantwortlichen fordert. Und wenn auch jetzt viele meinen, da werden Einzelfälle ins Parlament gebracht, das sei ja nicht üblich bei den Österreichischen Bundesforsten: Es ist leider üblich! Der­artige Zustände sind gang und gäbe, nicht nur in Tirol, sondern es ist üblich, dass Ar­beiter leider im Wald schlafen müssen. (Die Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein und Peter Wurm: Ja, eben!)

Daher: Wenn wir das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wieder reformie­ren werden, ersuche ich alle, daran mitzuarbeiten und dann gemeinsam zu beschlie­ßen. Nicht da herinnen nur diskutieren und dann, wenn es darum geht, dieses Gesetz zu realisieren, dagegen sein! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.54


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner. (Anhaltende Unruhe bei der FPÖ.) Frau Abgeordnete, wir warten noch, bis die Gespräche beendet sind, erst dann werde ich die Zeit starten. Ich darf also bitten, die Gespräche zu beenden. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.54.55

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Schade, dass wir immer Anträge von Herrn Kol­legen Kickl diskutieren und er nie da ist. Aber stellvertretend möchte ich trotzdem, ins-


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piriert von einem Antrag von ihm – denn wir haben jetzt ja mehrere zu diskutieren –, ein paar Fragen stellen.

Die erste Frage lautet: Wie viel zahlt das AMS an Beiträgen in die Pensionsversiche­rungsanstalt, in die Unfallversicherungsanstalt und die Krankenversicherungen für Men­schen, die aus Kärnten nach Wien gezogen sind? Noch eine ähnliche Frage: Wie viel zahlt das AMS an Beiträgen in die Pensionsversicherungsanstalt, in die Unfallversiche­rung, in die Krankenversicherung für rothaarige Menschen? Eine andere Frage – wir kön­nen das Spiel jetzt weiterführen –: Wie viel zahlt das AMS an Pensionsversicherungs­leistungen, an Krankenversicherungs-, an Unfallversicherungsleistungen an Menschen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind? (Abg. Peter Wurm: Das sind alles Menschen!) – Ja, das sind alles Menschen.

Ich kann dieses Spiel noch relativ lange weiterspielen. Es klingt vielleicht absurd in Ih­ren Ohren, aber es bezieht sich auf einen Antrag, der genau darauf abzielt, auf einen Antrag von Herrn Kollegen Kickl, der nämlich will, dass ausgewiesen wird, wie die jähr­lichen Transferzahlungen des AMS beziehungsweise der Arbeitslosenversicherung für EU-Bürger und EU-Bürgerinnen, für Drittstaatsangehörige, für Asylberechtigte und sub­sidiär Schutzbedürftige an die Pensionsversicherungsanstalt, an die Krankenversiche­rung und an die Unfallversicherung ausschauen. Das hätte er gerne aufgelistet. (Abg. Peter Wurm: Genau, das hätten wir gerne aufgelistet!) – Das hätten Sie gerne aufge­listet. Und warum wollen Sie nicht, dass Rothaarige, Menschen, die aus der katholi­schen Kirche ausgetreten sind, Menschen, die von Kärnten nach Wien gezogen sind, auch aufgelistet werden? Was soll der absurde Antrag? Es kann sich nur um einen Irr­tum handeln, oder? (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich gehe davon aus, dass es sich bei diesem Antrag vom Sozialsprecher der FPÖ um einen Irrtum handelt, denn dabei geht es in jedem Fall um Menschen, die gearbeitet und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Und warum müssen wir jetzt die einen ausweisen, wollen wir sie vielleicht sonst noch irgendwie kennzeichnen? Und wa­rum die anderen nicht? Was bezweckt dieser Antrag? Das konnte uns leider im Aus­schuss niemand erklären. Ich halte Anträge wie diesen für sehr gefährlich, bei denen man Menschen aus irgendwelchen willkürlichen Gründen auseinanderdividiert, nämlich Menschen, Frauen und Männer, die gearbeitet haben und aus ihrer Arbeit einen An­spruch erworben haben, nämlich den der Arbeitslosenversicherung. Daraus resultieren Transferleistungen, das ist einfach rechtens. Sie sprechen Dinge an, die nicht nachvoll­ziehbar sind. Auf diese Absurditäten muss man auch einmal hinweisen, da die Antwort nicht gekommen ist. (Abg. Peter Wurm: Sie werden noch Jahre brauchen, um das zu erkennen!) – Das nächste Mal also vielleicht ein bisschen subtiler, wenn Sie erfahren möchten, welche Transferleistungen es gibt, aber in diesem Fall ist das nicht nachvoll­ziehbar.

Eine Anmerkung wollte ich noch zu Kollegen Schopf machen: Sie waren sehr stolz auf den Mindestlohn, der jetzt bei den Kollektivverträgen für die Handelsangestellten ver­handelt wurde. Ja, es ist besser als vorher, aber ich finde es schon sehr bedauerlich – ich habe es mir ausgerechnet –, wir wären dann in 22 Jahren dort, wo wir eigentlich hinkommen wollen, nämlich bei einem Mindestlohn, der halbwegs angemessen ist. Sie haben als Gewerkschafter auch 1 700 € formuliert, jetzt sind wir bei 1 545 €; wenn man das inflationsangepasst rechnet, wären wir in 22 Jahren dort. Insofern ist es für mich kein großer Grund zu feiern, sondern ein Auftrag, weiter um einen gesetzlichen Min­destlohn zu kämpfen. Ich glaube – und das betrifft auch viele Menschen, die von Kol­lektivverträgen nicht profitieren –, dass es einfach an der Zeit ist, von den kollektivver­traglichen Mindestlöhnen abzugehen und zu einem gesetzlichen Mindestlohn zu kom­men, der gewährleistet, dass niemand unter einem bestimmten Niveau verdient. – Dan­ke. (Beifall bei den Grünen.)

13.59



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 102

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.59.35

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich vor allem mit den drei Anträgen des Kollegen Loacker beschäftigen. Der erste ist jener über die Sozialversicherungs­träger, bei dem es um die Rücklagenbildung und um eine Deckelung geht.

Vom Prinzip her habe ich nichts gegen Deckelungen (Heiterkeit bei den NEOS), aber in diesem Bereich muss man schon dazusagen, dass es notwendig ist – das ist eine ernste Sache, Herr Kollege Loacker –, zum Beispiel auch zur Abdeckung von Grippe­wellen, dass man da Rücklagen hat.

Es sind Beiträge der Versicherten, und die Selbstverwaltung weiß sehr gut, wie sie mit diesen Beiträgen umzugehen hat. Das zeigen auch zwei unserer bundesweiten Träger, nämlich die Beamtenversicherungsanstalt und die Sozialversicherungsanstalt der ge­werblichen Wirtschaft, in denen Selbstbehaltsmodelle eingebracht wurden, die unter anderem zur Gesundheitsförderung dienen, wie es die SVA gemacht hat; und auch in der Beamtenversicherung wurde jetzt der Selbstbehalt von 20 Prozent auf 10 Prozent abgesenkt, weil eben Rücklagen angehäuft wurden. Das heißt, es wird wieder dorthin zurückgegeben, woher letzten Endes die Beiträge auch kommen.

Wir sagen aber Ja zu einer Effizienzsteigerung in diesem Bereich. Daher hat der Minis­terrat auch Anfang Juli einen Vortrag verabschiedet, wobei es jetzt zu einer Studie kom­men soll, die genau diese Effizienzsteigerungen überprüft. Überprüft werden soll auch, inwieweit das Leistungs- und das Beitragsrecht weitgehend im Rahmen der Selbstver­waltung harmonisiert werden können; und das, glaube ich, sind richtige Punkte. Aus meiner Sicht muss der Versicherte in den Mittelpunkt gestellt werden.

Da ist ein Thema, das ich kurz ansprechen möchte, nämlich die Mehrfachversicherun­gen. Viele, vor allem jüngere Menschen fragen sich, warum sie zwei- oder dreimal ver­sichert sind, nur weil sie in verschiedenen Berufssparten tätig sind. Aus meiner Sicht müsste es möglich sein, diese Mehrfachversicherung dahin gehend zu novellieren, dass es eine Hauptversicherung in der Sparte, in der ich auch das Haupteinkommen erziele, gibt, von der der Versicherte seine Leistungen zu beziehen hat. Ich denke, da­rüber sollte man eine Diskussion führen, weil das letzten Endes auch eine Klarstellung für die Versicherten ist.

Gleiche Beiträge für gleiche Leistung: Wir kennen das. Wenn zum Beispiel grenzüber­greifend gearbeitet wird, wenn man aus Oberösterreich ist und der Arbeitsplatz in Salz­burg oder in Niederösterreich ist, oder wenn man in einer Gemeinschaft lebt und die Partnerin, der Partner in einem anderen Bundesland bei der Gebietskrankenkasse oder überhaupt bei einem anderen Träger versichert ist, dann stellt man manchmal fest, dass bei gleicher Beitragsleistung, wenn ich von der Gebietskrankenkasse rede, unterschied­liche Leistungen angeboten werden.

Ich glaube, diese Dinge muss man in diesem Bereich angehen, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten; aber dazu sind wir bereit. Wie gesagt, die Regierung hat da … (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Zusammenlegung!) – Wenn Sie, Frau Kollegin Bela­kowitsch-Jenewein, nur die Zusammenlegung vorschlagen, muss man eines sagen: In Bayern gibt es eine AOK mit 111 Zweigstellen, und dort ist der Verwaltungskostenan­teil höher als bei uns, wenn man das auf Österreich umrechnet. (Neuerlicher Zwischen­ruf der Abg. Belakowitsch-Jenewein.) Also man muss da schon einmal auch die Wahr­heit dazusagen.

Ich erinnere da an die Pflegegeldreform, die wir sehr ordentlich über die Bühne ge­bracht haben, in deren Rahmen wir das von über 300 auszahlenden und bearbeiten-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 103

den Stellen auf fünf oder sechs Stellen reduziert haben, und ich denke, das sollte uns ein Beispiel dafür sein, wie wir die Diskussion hier auch führen können, ohne dass man die Struktur der Selbstverwaltung völlig auflöst. Es hat sich nämlich bewahrheitet, dass auch im Sinne der Versicherten da eine gute Leistung erbracht wird.

Ich möchte das auch im Vergleich mit anderen Ländern bringen. Wenn man sich das Gesundheits- und Sozialsystem in anderen Ländern anschaut, dann muss man sagen, wir leben hier wirklich in einem Land, wo es nicht besser sein kann. Wir haben eher die Herausforderung, das auch für die Zukunft abzusichern und diese Systematik auch den kommenden Generationen zu übergeben. Das ist die Herausforderung, und die ÖVP ist immer bereit, darüber zu reden und auch Effizienzsteigerungen zu machen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im zweiten Antrag, Herr Kollege Loacker, nämlich jenem betreffend Erhöhung der Treff­sicherheit der Bildungskarenz, fordern Sie eine Berücksichtigung von branchen- und al­tersspezifischen Aspekten. Das halten wir für nicht richtig, denn nach dem Motto lebens­langes Lernen muss es aus unserer Sicht allen Berufs- und Altersgruppen möglich sein, die Bildungskarenz in Anspruch zu nehmen. Was Sie vorschlagen, würde diesem Prin­zip aus unserer Sicht widersprechen.

Der letzte Punkt betrifft das Freiwilligengesetz beziehungsweise das Freiwillige Soziale Jahr. Ich denke, es ist vom Prinzip her gut gemeint, das auch auf die Gemeindeebene auszudehnen. Ich möchte aber daran erinnern, dass wir gerade den Gemeinden jetzt zu Dank verpflichtet sind. Wenn es nämlich um die gemeinnützige Tätigkeit auch für Asylwerberinnen und Asylwerber geht, bemühen sich – und das möchte ich schon be­tonen – die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf der kommunalen Ebene sehr da­rum, dass die Integration auch gelebt wird, nämlich auch durch diese gemeinnützigen Tätigkeiten im Gemeindebereich, am Bauhof, beim Straßenkehren, in den Grünanlagen­bereichen, Heckenschneiden, Rasenmähen et cetera. Daher sollten wir die Kommunen jetzt nicht überfordern und sagen, jetzt soll auch das Freiwillige Soziale Jahr auf diese Bereiche ausgedehnt werden.

Da wird wirklich Tolles geleistet, was die Integration anbelangt. Es gibt eine Regelung mit diesen 110 € pro Person und Monat, dass man sich gemeinnützig betätigt. Das ist ein wichtiges Signal, auch als Integrationsmaßnahme, denn wenn diese Menschen, die zu uns kommen, bereit sind, einer Tätigkeit nachzugehen und die deutsche Sprache zu erlernen, dann wird das auch von der Bevölkerung ganz anders gesehen und akzep­tiert. In diesem Sinne sind wir da nicht für eine Ausweitung, sondern dafür, das, was besteht, ordentlich auszugestalten. Der Dank gilt in diesem Bereich den Kommunen, wo wirklich gute Arbeit geleistet wird. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loa­cker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

 


14.06.13

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ho­hes Haus! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie! Es ist immer ein bisschen eine Wald-und-Wiesen-Diskussion, wenn so viele Anträge aus dem So­zialausschuss ins Plenum kommen. Ich konzentriere mich auf die Themen Sozialversi­cherungen, Vermögensbestände und die Vorschriften dafür in der österreichischen So­zialversicherung.

Jeder weiß, dass die Strukturen ineffizient sind. Da kann man sehr wohl einen Ver­gleich zu den Verwaltungskosten in Deutschland heranziehen, aber die rechnen das ganz anders. Bei uns wird jeder Durchlaufposten für die Berechnungsgrundlage mit her­genommen, wo nachher die Prozent Verwaltungskosten herausgerechnet werden, und


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 104

dann wird der Prozentsatz natürlich kleiner. Man kann sich also alles zurechtrichten und zurechtstutzen, bis nichts mehr übrig bleibt.

Ich bin froh, weil ich höre, dass sich die London School of Economics das anschaut, nämlich im Rahmen der Studie zu den Effizienzsteigerungen bei den Sozialversiche­rungsträgern. Denen traue ich zu, dass sie erkennen, wo das Potenzial zu heben ist – wenn der Auftrag an die London School of Economics auch dahin gehend lautet. Das würde mich noch etwas genauer interessieren.

Verschiedene Sozialversicherungsträger bunkern ja Geld, das nicht nur für eine Grip­pewelle ausreicht, sondern die könnten ein halbes Jahr lang überhaupt keine Beiträge einheben und kämen locker damit durch. Da liegen Hunderte Millionen Euro – halt in den einzelnen Trägern und nicht regelmäßig über alle verteilt. Deswegen bräuchte es Obergrenzen für solche Vermögensanhäufungen in Sozialversicherungsträgern, wie es das in Deutschland zum Beispiel gibt, denn wenn ich der Versicherten Geld bekomme, kann ich das unserer Meinung nach nicht ad infinitum aufstapeln und bunkern wie Da­gobert Duck in seinem Geldspeicher.

Da fallen vor allem die Sondersozialversicherungsträger der Bauern und der Beamten auf, die besonders viel Geld bunkern, und die schwarze Unfallversicherungsanstalt. Ge­nau diese Träger, nämlich die Bauernversicherung und die Beamtenversicherung, kön­nen deswegen ihren Versicherten dann wieder bessere Leistungen geben, weil sie ei­ne günstige Versichertenstruktur haben, denn sobald jemand arbeitslos wird, ist er ja bei der GKK versichert und nicht mehr bei den Beamten oder bei den Bauern, und da­mit haben die eine günstigere Risikogruppe.

Außerdem gibt es verschiedene Finanzierungsströme, Tricks, wie hinten herum in die­se Kassen Geld geschaufelt wird – dazu kommen wir heute in der kurzen Debatte um 15 Uhr noch –, und da wird die Selbstverwaltung dann zur Selbstversorgung für rote und schwarze Kassenfunktionäre. Wir haben da nämlich eine Überversorgung von auf­geblasenen Strukturen. In Wirklichkeit müssten nämlich die Versicherten etwas davon spüren, wenn mehr Geld da ist, aber bei den Versicherten kommt das Geld nicht an.

Wir haben auch Ineffizienzen bei der Arbeitsmarktpolitik, und Finanzminister Schelling hat gesagt, wir müssen uns anschauen, was wir mit dem Geld erreichen, das wir in der Arbeitsmarktpolitik ausgeben. Dabei ist es unbestritten, dass die Bildungskarenz vor al­lem von Personen in Anspruch genommen wird, die einen überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad haben, die ein besonders junges Alter auf dem Arbeitsmarkt haben und die daher auf dem Arbeitsmarkt gar nicht gefährdet sind.

Nun fehlt uns aber das Geld, das wir in die Bildungskarenz hineinstecken, für andere Maßnahmen, für Personengruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt viel schwieriger ha­ben. Daher war es richtig vom Finanzminister, anzukündigen, solche Maßnahmen un­ter die Lupe zu nehmen, aber die Ankündigung des Ministers ist offensichtlich nicht ein­mal im Parlamentsklub seiner eigenen Farbe angekommen. Da gäbe es wohl noch ei­nige Gespräche zu führen. In diesem Sinne hoffe ich doch auf Unterstützung dieses Antrags. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

14.10


Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Keck. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

 


14.10.08

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Die FPÖ hat mit dem Entschließungsantrag 1743/A(E) wieder einmal gezeigt, welche politische Kultur sie verfolgt. In diesem Antrag wird Bundesminister Stöger aufgefordert – ich zi­tiere –, „seine personalpolitischen Vorgaben an die Mitglieder der Entscheidungsgremien


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 105

des Arbeitsmarktservice im Zusammenhang mit der zukünftigen Neubesetzung des AMS-Vorstands gegenüber dem Nationalrat offenzulegen.“ (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Da hat sich wohl der Minister herausgelehnt!)

Frau Kollegin Belakowitsch, nichts einfacher als das! Die Vorstandsmitglieder und alle LandesgeschäftsführerInnen und -stellvertreterInnen des AMS sind bis zum Ablauf des Juni 2018 bestellt. Die Funktionen der Vorstandsmitglieder sind öffentlich auszuschrei­ben. Für die Ausschreibung findet das Stellenbesetzungsgesetz Anwendung. Die Vor­standsmitglieder werden vom Verwaltungsrat bestellt, wobei ein Mitglied zum Vorsit­zenden zu bestellen ist. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Na und?) Der Verwaltungsrat hat die Stellen ausschließlich aufgrund der Eignung der Bewerber zu besetzen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Habe ich alles gesagt!) Die Eignung ist insbesondere auf­grund der fachlichen Vorbildung und bisherigen Berufserfahrung der Bewerber, ihrer Fä­higkeit der Menschenführung, ihrer organisatorischen Fähigkeiten und ihrer persönli­chen Zuverlässigkeit festzustellen. Das Arbeitsmarktservicegesetz und das Stellenbe­set­zungsgesetz geben daher den Rahmen für die Entscheidung des Verwaltungsrates vor.

Liebe Frau Kollegin, Sie sehen ein transparentes und einfach (Abg. Belakowitsch-Je­newein: Dann soll der Bundesminister erklären, warum er im Zug darüber spricht!) – warten Sie einmal! – zu durchschauendes Prozedere. Somit wäre der Antrag erledigt ge­wesen, bevor er gestellt ist, wenn man sich nur drei Minuten Zeit genommen hätte, sich das angeschaut hätte, was ich hier gerade erklärt habe.

Was wollen Sie in Wirklichkeit erreichen mit diesem Antrag? – Jetzt gehe ich auf das ein, was Sie gesagt haben. Sie wollen mit aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen Bundesminister Stöger angreifen, und das völlig grundlos. (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Dann fragen Sie den Minister, warum er im Zug darüber spricht!) Sie berufen sich in Ihren Erläuterungen zu Ihrem Antrag auf ein angebliches Gespräch von Minister Stöger mit seinem Mitarbeiter im Zug (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er hat es ja in der Anfragebeantwortung bestätigt!) – na warten Sie ein bissel! –, welches von einem Mitfahrer belauscht worden sein soll. Die darin enthaltenen Entschuldigungen sind ge­spickt mit Relativierungen, und Sie berufen sich im Endeffekt auf einen Zeitungsartikel in der „Kronen Zeitung“. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Nein, falsch!) Darin steht: „Zeu­ge: Stöger nannte AMS-Chef ‚Volltrottel‘“.

Das ist aus einem Artikel in der „Kronen Zeitung“. Im selben Artikel wird auch ein Kabi­nettsmitarbeiter von Alois Stöger zu dieser Angelegenheit zitiert, und zwar mit folgen­den Worten: „Der Kabinettsmitarbeiter von Alois Stöger blieb jedenfalls dabei, dass der Minister den AMS-Chef ‚sicher nicht als Volltrottel‘‘ beschimpft habe – auch dann noch, als die ‚Krone‘ andeutete, dass auch ein Ton-Mitschnitt sowie ein Gesprächsprotokoll existieren könnten.“

Ich kann nur sagen, all das gibt es nicht. Es gibt keinen Tonbandmitschnitt, es gibt kein Gesprächsprotokoll. Sie kommen mit einem völlig aus der Luft gegriffenen Antrag da­her, befassen damit das Parlament und verursachen damit Kosten für die Steuerzahler, wobei dieses Geld wahrlich besser eingesetzt werden könnte.

Liebe Frau Kollegin Belakowitsch und die FPÖ! Das ist ein Stil, der echt unter jeder Kritik ist, weil es wirklich nichts gibt. Das sind haltlose Anschuldigungen. Nehmen Sie die Arbeit des Parlaments ernst (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch-Je­newein), bringen Sie sich konstruktiv ein und nicht mit derartigen Unsinnigkeiten! Auch wenn Sie da hereinschreien, liebe Kollegin Belakowitsch, der Wahrheitsgehalt Ihres An­trages wird dadurch auch nicht höher. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubau­er: Du weißt ja nicht einmal ihren richtigen Namen! – Abg. Keck: Belakowitsch-Je­newein! – Abg. Neubauer: Dann sag ihn auch! – Abg. Keck: Habe ich ja gesagt!)

14.13



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 106

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Ing. Dietrich. – Bitte.

 


14.13.46

Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich (STRONACH): Geschätzter Herr Präsident! Ho­hes Haus! Meine Damen und Herren! Wie sich die Themen so fügen: Gestern haben wir über die Gewerbeordnung diskutiert und darüber, dass all das, was die Wirtschafts­kammer wollte, in Erfüllung gegangen ist, nämlich so wenig wie möglich, dass unsere Gewerbetreibenden nach wie vor sehr eingeengt sind, mit Auflagen überfüllt und über­schüttet sind und dass viele junge Menschen sagen, das tue ich mir nicht mehr an. Heute beklagen wir die Situation, dass viele Unternehmer aus dem Ausland, sprich aus den osteuropäischen Staaten, bei uns Arbeiten verrichten und die heimische Wirtschaft, die mit Bürokratie, mit Auflagen überladen ist, nicht mehr konkurrenzfähig ist.

Das hängt zusammen, geschätzter Herr Minister, weil wir nicht in der Lage sind, den Standort so zu modernisieren, so auf eine neue Schiene zu stellen, dass die Unterneh­men auch eine Zukunft haben, dass sie wettbewerbsfähig sind. Wir beklagen die Si­tuation: Jetzt kommen so viele herein, und die einheimischen Unternehmer kommen nicht mehr mit, aber die Lösungen, wenn es darum geht, dieses verstaubte System endlich zu neuem Leben zu erwecken, bleiben auf der Strecke, nämlich aus falsch ver­standenem Lobbyismus, aus falsch verstandener Standesvertretung.

Meine geschätzten Damen und Herren, eine der Maßnahmen, die die Bundesregierung in den letzten Jahren setzte, war das Bestbieterverfahren. Ich glaube, wir waren alle der Meinung, dass es ein guter Schritt in die richtige Richtung ist, dass man bei öffent­lichen Ausschreibungen darauf schaut, Komponenten hineinzubringen, die einheimi­schen Unternehmen einen gewissen Vorteil bringen, damit sie nicht ganz hinten anste­hen. Und die zweite Maßnahme war das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz.

Laut einer Studie der TU Graz sind ausländische Unternehmer trotz aller Maßnahmen noch immer viel günstiger, verrichten die Arbeiten zum Teil unter der Hand um bis zu 50 Prozent günstiger. Weiters stellt die Studie bei den Löhnen noch immer ein Minus von 15 Prozent fest, weil die Sozialversicherungsbeiträge – davor schon erwähnt – nicht in Österreich, sondern im Ausland bezahlt werden.

Da braucht es einen nicht zu wundern, dass in Tirol der Gewerkschaftsbund aufschreit und dass der Vorsitzende Otto Leist meint – ich zitiere –: Mittlerweile kämpfen einige Klein- und Mittelbetriebe bereits ums Überleben. So kann es nicht weitergehen! Grund dafür sind die vielen, vielen Billiganbieter. – Zitatende. Einige Unternehmen versuchen dann doch irgendwie zu überleben, indem sie an der Ausschreibung teilnehmen, aber als Subunternehmer wiederum Billigunternehmer aus den ehemaligen Ostblockländern nehmen.

Im Burgenland ist die Situation detto. Die Arbeiterkammer schreit auf: Unsere eigenen Leute haben keinen Job, unsere eigenen Leute stehen auf der Straße, ausländische Arbeitnehmer drängen herein und verdrängen die Einheimischen vom Markt.

Nun soll mir einer hier herinnen sagen, das sei eine Situation, mit der er zufrieden sein kann! Ich sage Ihnen, diese Situation ist für unsere Arbeitnehmer und Unternehmer alles andere als zufriedenstellend. Der Ansatz ist sehr gut, darüber nachzudenken, Maß­nahmen zu setzen, selbst wieder das Zepter in die Hand zu nehmen und selbst wieder Beschränkungen, wie es sie in der Übergangsphase gegeben hat, einzuführen. Das ist sinnvoll. Diesem Antrag werden wir auch zustimmen. (Beifall beim Team Stronach.)

Erlauben Sie mir noch ein paar Worte zur Treffsicherheit bei der Bildungskarenz. Ich glaube, Bildung ist der Schlüssel, wenn wir Arbeitslosigkeit verhindern wollen. Lebens­langes Lernen ist der Ansatz. Wir müssen junge Menschen motivieren, wir müssen mit-


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telalterliche Menschen motivieren, jeden motivieren, weiterzulernen, weiterzukommen, um fit für den Arbeitsmarkt bleiben zu können.

Ein besonders guter Ansatz ist die Bildungsteilzeit, durch die man nicht ganz aus dem Beruf draußen ist, sondern noch immer ein Bein im Beruf hat und daneben eine Fort­bildung macht. Das finde ich sehr, sehr gut. Ich begrüße es auch, dass viele junge Frau­en auf ihrem Weg zu Gesundheitsberufen und Pflegeberufen durch diese Bildungska­renz unterstützt werden und wurden. Das ist der richtige Schritt, denn es macht Sinn, die eigene Bevölkerung bedarfsorientiert auszubilden, dort, wo wir noch Bedarf an Ar­beitskräften haben, die Menschen in diese Richtung auszubilden.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass sich der Arbeitsmarkt besser entwickelt, dass die Regierung motivierter ist, Reformen anzugehen, und dass der Wirtschafts­standort Österreich nicht nur eine große Vergangenheit hat, sondern auch eine große Zukunft. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

14.19


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desminister Stöger. – Bitte.

 


14.20.09

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Besu­chergalerie und vor den Fernsehgeräten! Es sind sehr wichtige sozialpolitische The­men angesprochen worden. Allerdings denke ich, dass es ganz entscheidend ist, ein paar Dinge richtigzustellen.

Erstens: Wir haben tatsächlich in zwei Richtungen eine angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt. Zum einen haben wir mehr Arbeitnehmer in Beschäftigung gebracht, an­dererseits haben wir einen attraktiven Arbeitsmarkt, der dazu führt, dass auch die Zahl der Arbeitssuchenden erhöht wurde. Das bedeutet – und das ist von mehreren Abge­ordneten angesprochen worden –, es geht gerade auch in der Frage des Arbeitsmark­tes darum, das Thema der Ausbildung zu stärken.

Bildung und Qualifikation sind wesentliche Faktoren, um das Arbeitslosigkeitsrisiko zu senken. Wir wissen, dass Personen, die keine über die Schulpflicht hinausgehende Aus­bildung haben, dreimal mehr von Arbeitslosigkeit bedroht sind. (Abg. Neubauer: … mit 16 abgeschlossen!) Daher haben wir zum Beispiel mit der Wiedereinführung des Fach­kräftestipendiums, mit der Ausbildungspflicht bis 18 Maßnahmen gesetzt. Wir wollen auch die Ausbildungsgarantie für Menschen bis 25 ausweiten; und es geht darum, dass auch Menschen in Bildungskarenz alle Instrumente der Arbeitsmarktpolitik nutzen kön­nen.

Es haben einige – unter anderem auch Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein – die Frage angesprochen: Wie gehen wir am Arbeitsmarkt damit um, wenn vom Ausland Menschen zu uns drängen? – Das ist sehr interessant, denn Österreich hat, Sie haben klare Regelungen gesetzt. Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz ha­ben wir die stärksten Regelungen der Kontrolle des Arbeitsmarktes eingeführt. Ich dan­ke dafür. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Haben Sie den Kollegen Schopf gehört? Ha­ben Sie das Leitbild des Kollegen Schopf gehört?) – Sie haben nicht mitgestimmt, das ist richtig. Sie waren dagegen, aber wir haben in den letzten Sitzungen des Parlaments festgehalten, dass es einen risikobasierten Kontrollplan geben wird, mit dem wir Lohn- und Sozialdumping bekämpfen können. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wann wird es das geben?) Es wäre gut gewesen, wenn auch die FPÖ das unterstützt hätte. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Wann wird kontrolliert?)

Aber siehe da! – Hören Sie zu, Frau Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein! – Ich habe mich auf der europäischen Ebene dafür starkgemacht, dass wir in Europa ein Prinzip


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umsetzen: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort. Was ist da pas­siert? – Gerade die rechtsgerichteten Länder wie Ungarn und Polen haben sich in der Europäischen Union massiv dagegen gewehrt und haben die gelbe Karte gezogen. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission auch in der Zukunft sehr deutlich dafür ein­treten wird, dass wir dieses Prinzip, gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ar­beitsort, umsetzen werden und in diese Richtung gehen können.

Es ist wichtig, auch aufzuzeigen – ich danke Herrn Abgeordnetem Schopf dafür –, und es muss in Österreich auch ein Raunen durch das Parlament gehen, wenn staatlich or­ganisierte Unternehmen Betriebe beschäftigen (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Ein Rau­nen schon …!), die es mit Lohn- und Sozialdumping nicht ernst nehmen. Ich fordere von dieser Stelle den Vorstand des entsprechenden Unternehmens auf, klare Handlungen zu setzen, dass solche Unternehmen nicht mehr beschäftigt werden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Öllinger.)

Mir ist es auch ganz wichtig, dass wir mit unserer Ausschreibungspolitik und im Verga­begesetz klarstellen: Es darf kein Auftrag mehr vergeben werden, der so ausgerichtet ist, dass man damit die österreichischen Lohnvorschriften gar nicht einhalten kann. – Herzlichen Dank dafür!

Ich unterstütze ausdrücklich das, was die Frau Abgeordnete Schwentner gemeint hat, nämlich Mindestlöhne zu entwickeln. Danke auch dafür, was die Gewerkschaften zu­stande gebracht haben, nämlich kollektivvertragliche Lohnverhandlungen. Ich bedanke mich auch für die Haltung, dass alle Menschen, die in das Sozialsystem in Österreich Beiträge gezahlt haben, dafür auch Leistungen bekommen, unabhängig davon, welche Augenfarbe sie haben, da dies egal ist. (Abg. Neubauer: Manche zahlen nicht ein und kriegen auch Leistungen!) Übrigens habe ich keine blaue Augenfarbe, um das auch deutlich zu sagen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.) – Danke. (Abg. Peter Wurm: Jo, jo,
jo …!)
Ich glaube, dass es sehr klar ist, dass Sozialversicherungsträger auch entspre­chende Rückstellungen haben, aber das wird die zuständige Ministerin ohnehin be­kannt geben.

Ich glaube, ich habe auf die wesentlichen Fragen geantwortet. Zur Frau Abgeordneten Dietrich: Mir ist es ganz wichtig, tatsächlich im Bereich der Ausschreibungen etwas zu tun. Die österreichischen Arbeits- und Sozialbedingungen müssen dabei eingehalten werden. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.26


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Aubauer zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.26.07

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätz­te Kolleginnen und Kollegen! Ich darf an die Ausführungen von Herrn Minister Stöger gleich anschließen. Ja, wir haben in Österreich Rekordbeschäftigung. Das ist sehr er­freulich!

Wir haben aber zugleich auch Rekorde bei der Arbeitslosigkeit. Das entwickelt sich dra­matisch. Es ist schon einiges geschehen, aber es braucht mehr Anstrengungen. Wer hat die größten Probleme auf dem Arbeitsmarkt? Die Flüchtlinge, die Älteren, die Frau­en? Generell sind es in allen Gruppen die Unqualifizierten! Alle Daten zeigen, die größ­te Baustelle am Arbeitsmarkt ist die Bildung. Fast die Hälfte aller Jobsuchenden hat höchstens einen Pflichtschulabschluss, unter den Pflichtschulabsolventen ist wiederum jeder vierte ohne Arbeit.

Warum gibt es diese Entwicklung? – Da gibt es sehr viele Ursachen: Es gibt immer we­niger Jobs für ungelernte Hilfsarbeiter, mehr Frauen drängen auf den Arbeitsmarkt, und


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generell sollen Menschen länger arbeiten. Da muss die Arbeitslosigkeit steigen, wenn gleichzeitig das Jobangebot nicht entsprechend wächst.

Wie können wir gegensteuern? – Wir haben schon sehr viele Anstrengungen unter­nommen, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Herr Minister Stöger hat schon einiges aufgezählt: ein Wirtschafts- und Arbeitspaket, wichtige Impulse für den Arbeitsmarkt, etwa die Wiedereingliederungsbeihilfen, Schulungen aller Art, die Ausbil­dungspflicht für Junge bis 18, die Ausbildungsgarantie bis 25, die Erwachsenenlehre, die sehr erfolgreich ist, und vieles mehr.

Armut und Arbeitslosigkeit entstehen aus mangelnder Qualifikation. Nun liegt uns ein Antrag der NEOS betreffend Erhöhung der Treffsicherheit der Bildungskarenz vor. Klingt gut, ja. Es ist immer gut und legitim, auch die Treffsicherheit von Maßnahmen zu überprüfen. – Jawohl! – Bildungskarenz und Bildungsteilzeit sind ja wesentliche Instru­mente des lebensbegleitenden Lernens. Sie entwickeln sich gut, sie werden gut ange­nommen.

Die Kollegen von den NEOS wollen die Förderung auf bestimmte Altersgruppen ein­schränken. Das wollen wir nicht. Warum nicht? – Es ist ganz klar: Wir wollen, dass alle Arbeitskräfte gleiche Chancen haben, alle Arbeitskräfte in jedem Alter. Woher wollen Sie, Kollegin und Kollegen von den NEOS, wissen, dass gerade die Jüngeren – bei denen Sie die Förderung jetzt einschränken wollen – nicht durch diese Bildungskarenz einen interessanteren und besser bezahlten Job bekommen haben und viel mehr Freu­de im Job haben? Das kann man so nicht angehen. Man kann in keiner Lebensphase das lebensbegleitende Lernen einschränken, eindämmen. (Abg. Loacker: Das steht so nicht drinnen!)

Unser Erfolgsrezept im Job heißt: Lernen, lernen, lernen!, und das soll allen Österrei­chern unabhängig von Geschlecht und Alter möglich sein. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Vogl.)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Wurm zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.29.28

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher zu Hause und hier auf der Galerie! Bevor ich in die Debatte einsteige, Herr Mi­nister, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie hier im Haus – im Ausschuss, aber auch im Plenum – mehrmals unterstrichen und garantiert haben, solange Sie Sozialminister sind, werde es keine Bankomatgebühren in Österreich geben. In einem aktuellen Bei­trag heute in der „Presse“ – wer es noch nicht gelesen hat – steht: Die BAWAG kündigt einseitig 20 000 Verträge und führt dann Bankomatgebühren bei eigenen und fremden Automaten ein, in einer Höhe von 39 Cent je Behebung.

Herr Minister! Sollte das so sein und sollten Sie Ihr Versprechen gebrochen haben, dann möchte ich Sie ganz offiziell auffordern, bitte zurückzutreten. Sie können ja den ehemaligen Minister Hundstorfer der hat eh Zeit – wieder zurückholen. Der hat das auch versprochen, dass es unter seiner Ägide nicht passieren wird. Dazu möchte ich bitte eine Aufklärung haben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

Aber jetzt zur eigentlichen Debatte. Natürlich muss ich ja auch einen kleinen Sidestep betreffend USA machen. Es gibt in den USA einen Mythos, den Mythos: vom Teller­wäscher zum Millionär. Einen ähnlichen Mythos haben wir im Sozialbereich, nämlich was Asylanten und das Arbeiten betrifft. Da möchte ich doch jetzt einiges klarstellen.

Für diesen Mythos sind zum Teil auch Sie, Herr Minister Stöger, und Ihre Vorgänger verantwortlich, denn Sie haben es bis heute unterlassen, der Bevölkerung offizielle Zah-


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len, Statistiken vorzulegen, weder uns hier im Parlament noch sonst wo. Sie versuchen zu vernebeln, zu verschleiern, solange es geht. Es gibt nach wie vor keine einzige Sta­tistik, die die Gesamtkosten für den Steuerzahler in diesem Bereich belegt.

Es gibt im Übrigen – und das ist für mich doppelt so schlimm – auch keine offizielle Statistik, was den Arbeitsmarkt und Asylberechtigte betrifft. (Zwischenruf des Abg. Neu­bauer.) Auch da gibt es keine offiziell greifbaren Zahlen, deshalb ist es sehr schwer für uns als Parlamentarier, dementsprechende Zahlen selbst zu recherchieren, Herr Minister.

Wenn Sie jetzt sagen: Okay, in dem Bereich können wir sowieso nicht eingreifen, denn das ist EU-Gerichtsbarkeit und man muss alle gleichstellen!, dann darf ich Sie daran erinnern, wir waren vor 14 Tagen bei einer Parlamentarierreise – auch ein Kollege der SPÖ war dabei – in Luxemburg beim EU-Gerichtshof. Frau Dr. Maria Berger hat auf meine Anfrage hin eindeutig festgehalten, dass es selbstverständlich möglich ist, im Sozialbereich zwischen Staatsbürgern, EU-Bürgern und Asylberechtigten zu differen­zieren. (Abg. Schwentner: … Es geht um Arbeitskräfte!) Also bitte keine Ausrede Rich­tung Brüssel, Dr. Maria Bergers Aussage können Sie nachlesen. (Weitere Zwischenru­fe bei den Grünen.)

Im Übrigen, Frau Schwentner, wissen Sie, welche Fraktion nicht in Luxemburg dabei war? Eine einzige hat gefehlt. Raten Sie einmal, welche! (Zwischenrufe bei den Grü­nen.) – Die Grünen! Die Grünen haben gefehlt. Die Einzigen, die nicht dabei waren (weitere Zwischenrufe bei den Grünen) – Petitionsausschuss besucht –, da können Sie nachfragen. Alle anderen Fraktionen waren dabei, da können Sie sich gerne erkundigen.

Ich möchte an ein Statement meinerseits aus dem Jahr 2013 erinnern, ich lese es vor. Zum Thema Asyl habe ich 2013 hier Folgendes gesagt: Wir haben weder die Jobs noch die Wohnungen für diese enorme Anzahl von Asylanten. Und wir können auch nicht auf Dauer die Mindestsicherung finanzieren. – Das habe ich 2013 gesagt. Sie können sich ungefähr ausmalen, wie die Reaktion damals, 2013, war. Mittlerweile wird es ja ein bisschen ruhiger, bis auf die Grünen sagt keiner mehr etwas. Ich möchte das heute, 2016, wie folgt ergänzen: Die spezifischen Personen, die unter dem Titel Asyl zu uns gekommen sind und immer noch kommen, sind weder fähig noch willens, in den Arbeitsmarkt in Österreich integriert zu werden. – Das ist eine durchaus harte Aus­sage, die ich aber jetzt gerne belegen werde.

Zuerst einmal zum AMS – es war heute schon einmal ein Thema –: Der Chef des AMS Kärnten, Franz Zewell – kein Freiheitlicher, wie Sie annehmen werden – hat folgende Aussagen gemacht: Zuerst zu den Daten: In Kärnten sind rund 650 Asylberechtigte beim AMS vorgemerkt, 29 Prozent davon sind Analphabeten und 58 Prozent haben höchstens einen Pflichtschulabschluss. Das ist die Aussage des AMS-Chefs in Kärn­ten. Jetzt kommt ein Satz von ihm persönlich, den möchte ich vorlesen: Vom Stand weg ist niemand integrierbar. Es dauert zweieinhalb Jahre bis zu einer Chance im so­genannten ersten Arbeitsmarkt. – Das sagt der Chef des AMS Kärnten, und die sollten es ja wissen. Das können Sie nachlesen.

Nächstes Thema: 8 Jahre Schule in 100 Tagen, Sie werden es vermutlich gelesen ha­ben. Die ehemalige Bildungsministerin Heinisch-Hosek ist ja nicht da, vielleicht gibt sie irgendwo Nachhilfestunden, das weiß ich nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abg. Schwentner.) Wenn es jetzt möglich ist, in 100 Tagen den Hauptschulabschluss nachzuholen – Frau Schwentner, SPÖ; wo bleibt die ÖVP-Reaktion?, die hätte ich ger­ne (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ, Grünen und FPÖ); man kann also in 100 Tagen den Hauptschulabschluss nachholen! –, so gibt es auch dazu herrliche Zitate, beispielsweise zu den Kosten – es kostet den Steuerzahler 3 700 €, die die betreffenden Personen, private Bildungsinstitute und die Volkshochschulen bar ausbezahlt bekommen –: „Es sei üblich, dass viele Kursteilnehmer erst um 11 Uhr auf-


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tauchen, auf der Anwesenheitsliste unterschreiben“ das kommt mir aus dem EU-Par­lament bekannt vor  „und wieder verschwinden.“ (Abg. Königsberger-Ludwig: Der Herr Kickl hat das auch unterschrieben!)

Schlusssatz in diesem Bereich in der „Kronen Zeitung“: „Wie viele Asylberechtigte tat­sächlich die Externistenprüfung schaffen, muss erst im Wiener Stadtschulrat erhoben werden.“  Also das ist Ihr Programm, Herr Minister, um die Ausbildung für Asylanten nachzuholen. Das ist eine Farce ohne Ende!

Der nächste Punkt am Arbeitsmarkt, aber das sollten Sie als Minister hoffentlich wis­sen: 30 Prozent der Arbeitslosen sind bereits Ausländer, das sind 126 000 Menschen. Wir haben einen Anstieg bei den Hilfsarbeitern um 13 Prozent. In beiden Kategorien ist die Arbeitslosigkeit doppelt bis dreifach so hoch wie in der restlichen Bevölkerung. 90 Prozent der Asylberechtigten schaffen den Arbeitseinstieg nie, und wiederum 90 Pro­zent von diesen 10 Prozent, die es schaffen, landen in der Hilfsarbeiterkategorie. Quel­le dafür ist die Arbeiterkammer Tirol; das habe ich auch schon einmal erzählt, das ist auch nichts Neues. Zurzeit wenn es stimmt, Sie können mich ja korrigieren  sind 27 000 Asylberechtigte beim AMS vorgemerkt.

Dann gibt es noch ein Lehrlings-Projekt von Herrn Hundstorfer. Um das auch noch einmal klar zu sagen: Wir werden jetzt in dem Bereich Lehrlinge ausbilden. Ich möchte es nur erwähnen: Seit 2012 haben 420 Lehrlinge aus dem Asylbereich versucht, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Sie wissen es vermutlich, 50 Prozent haben sowieso gleich abgebrochen, und aktuell haben wir eine Erfolgsquote von 23. Das heißt, in den letzten vier Jahren haben es 23 geschafft, das sind heiße sechs Lehrabschlüsse pro Jahr. Die Kosten, die dahinter stehen, die will ich Ihnen gar nicht nennen, denn das kann man der Öffentlichkeit gar nicht zumuten, was dieser eine Lehrling von diesen sechs pro Jahr  den Steuerzahler kostet.

Zum Thema Mindestsicherung: Kein Wunder, dass die Mindestsicherung heute ge­scheitert ist. Wir sagen das seit Jahren, wir haben aktuell weit über 300 000 Mindest­sicherungsbezieher. Eine genaue Zahl, Herr Minister, verweigern Sie bis heute. Bis heute weigern Sie sich, den Österreichern eine genaue Zahl, aufgelistet nach Bundes­ländern, Geschlecht und sonstigen Dingen es muss nicht einmal rothaarig sein, Frau Schwentner, das interessiert mich gar nicht! – zu nennen.

Wir haben überhaupt keine offiziellen Zahlen. Das ist eine bodenlose Frechheit, dass wir im Parlament und die Bevölkerung über Jahre im Dunkeln gelassen werden. (Abg. Schwentner: Es wäre in Planung!) Für mich ist das unerträglich, Herr Minister. Ganz Österreich diskutiert ohne fundiertes Zahlenmaterial über die Mindestsicherung. Die Zah­len, die ich herauskitzeln konnte, sind diese mehr als 300 000 Bezieher.

Noch einmal, Frau Schwentner: Diese Bescheide mit 3 000 und 4 000 € sind natürlich alle wahr, das hat zumindest die ÖVP zur Kenntnis genommen. Was man auch für die Zuseher einmal erwähnen sollte, denn das wissen viele nicht: Wir sprechen da von Nettobeträgen, das wird sogar in vielen Presseartikeln verwechselt. Für den Fall, dass man das dann mit der Durchschnittspension vergleicht – die beträgt 1 100 € –, sei ge­sagt, da sprechen wir von einer Bruttopension, meine Herren. Oder die Einkommen der Österreicher, das sind alles Bruttowerte.

Wenn wir von der Mindestsicherung sprechen, sprechen wir von bar auf die Hand, von Nettobeträgen. Das sollten Sie sich auch einmal zu Gemüte führen. Im Schnitt sind das 1 100 € netto pro Person. Diese Zahlen sollten auch jedem bekannt sein. Wenn meine Hochrechnung stimmt Sie können mich gerne korrigieren , wenn wir alles zusammen­nehmen, sind wir bei 2,5 Milliarden €, die der Steuerzahler summa summarum über al­le Ebenen in diesem Bereich ausgibt. 50 Prozent der Mindestsicherungsbezieher sind keine Österreicher, und von diesen 50 Prozent sind wiederum die Hälfte Asylberech­tigte.


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Auch diese Zahl lässt sich, wenn man genau nachschaut, sehr einfach recherchieren.

Ich komme zum Ende, weil ich schon ein wenig überzogen habe. (Heiterkeit bei Ab­geordneten der ÖVP. Abg. Rädler: Wenig! – Zwischenruf des Abg. Wöginger. – Abg. Schellhorn: Eh nichts Neues!) Das Fazit ist ganz wichtig: Das System der Mindestsi­cherung ist bereits jetzt kollabiert und selbstverständlich nicht mehr finanzierbar. Sie als Minister schauen Monat für Monat zu, wie auf der einen Seite die Arbeitslosenzah­len steigen und auf der anderen Seite Unternehmer händeringend nach Personal und Facharbeitern suchen. Sie bringen es nicht fertig, da eine Lösung zu erzielen.

Wir Freiheitliche werden diesen unsäglichen Zuzug von nicht integrierbaren Auslän­dern auf den Arbeitsmarkt stoppen. Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Men­schen in Österreich wieder Arbeit finden und unsere Unternehmer fähige Mitarbeiter. Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Franz.)

14.40


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ing. Vogl. – Bitte.

 


14.41.11

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Hohes Haus! Nach dieser Rede ist es schwie­rig, wieder auf die sachpolitische Ebene zurückzukehren. Peter, das, was du von dir gibst, macht es einfach schwierig für mich. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Ge­nau! Es zu vergessen ist das Einzige, was man damit machen kann.

Bildungskarenz: Ich habe den Antrag sehr gut verstanden, Herr Kollege Loacker, näm­lich dass es dir nicht darum geht, den Zugang altersgemäß zu beschränken, sondern dass es dir bei der Bildungskarenz um die Frage geht: Wem soll sie nützen? Das heißt, es geht darum, schlecht qualifizierten Menschen eine Chance zu geben, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt vorzufinden.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass Bildung – die Frau Dietrich hat es bereits ange­sprochen – für sich einen Wert darstellt. Es lässt sich auch gerade in den Berufsbio­grafien vieler Menschen feststellen, dass es heute nicht mehr so einfach ist, zu sagen: Ich habe einmal einen Beruf gelernt, und diesen Beruf übe ich mein Leben lang aus.

Man soll bis zum 65. Lebensjahr arbeiten, man hat oft 50 Jahre umfassende Berufsbio­grafien, und es ist heute schon fast normal, dass man vielleicht auch einmal einen Bruch drinnen hat; das sehen wir natürlich auch. Da ist die Bildungskarenz ein Ins­trument, das unterstützen und helfen kann.

Und: Du weißt ganz genau, dass wir mit dem Thema Bildungskarenz natürlich auch Menschen treffen, die es schon einmal geschafft haben, in den Arbeitsmarkt zu kom­men. Das ist schon eines der Kriterien, die vorhanden sein müssen. Das heißt, wir re­den über Menschen, die es schon einmal geschafft haben, in den Arbeitsmarkt zu kom­men.

Ich persönlich habe sehr viele tolle Leute kennengelernt, die das gemacht haben, die das auch als Auftakt für den Start ihrer persönlichen Bildungskarriere verstanden ha­ben, die über eine Bildungskarenz draufgekommen sind, dass sie einen Abschluss nach­machen wollen, dass vielleicht eine Meisterausbildung etwas für sie wäre; und viele haben dann gesagt, ich möchte jetzt eigentlich noch eine akademische Ausbildung an­hängen. – Das sind viele Erfolgsgeschichten, bei denen Menschen durch das Ins­trument Bildungskarenz draufgekommen sind, dass sie ihre persönliche Situation ver­bessern können.

Zu deiner Kritik, dass so viele Menschen im Bereich der Pflege Bildungskarenz in An­spruch nehmen: Ich glaube, dass gerade das ein Instrument ist. Wir haben viele neue


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Pflegeberufe geschaffen, viele neue Möglichkeiten, sich in diesem Bereich zu enga­gieren. Ich glaube, dass die Bildungskarenz auch für diese Menschen eine Möglichkeit bietet, ihren Marktwert zu erhalten und sich selbst zu verändern. Das ist eigentlich das Wichtigste.

Das Allerallerwichtigste bei der Bildungskarenz ist: Sie ist freiwillig! Wir merken einfach in der Erwachsenenbildung, dass es immens wichtig ist, dass die Menschen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen, das freiwillig tun, dass sie es aus eigenem Antrieb heraus machen. Das bedingt auch die Erfolgsgeschichte der Bildungskarenz, wie wir sie heute haben: Sie ist sehr, sehr erfolgreich.

Wir haben zum Glück viele Menschen, die sie in Anspruch nehmen; von Menschen mit wenig Ausbildung, die Formalabschlüsse nachholen, bis hin zu Akademikern, die Zu­satzausbildungen machen, weil sie diese im Beruf brauchen können. Ich denke, Ein­schränkungen helfen uns da nicht weiter.

Wir sehen auch, dass die Bildungskarenz auch sehr gut in Krisen funktioniert, dazu muss man sich nur die Zahlen aus dem Jahr 2009 anschauen. Damals kamen auf ein­mal fast die Hälfte all jener Menschen, die die Bildungskarenz beansprucht haben, aus dem Lehrbereich, und das war deshalb so, weil viele UnternehmerInnen gesagt haben: Ich möchte mein Personal nicht verlieren, ich nutze die Chance, um es weiter quali­fizieren zu können. Das war eine tolle Maßnahme, mit der ArbeitnehmerInnen und Ar­beitgeberInnen gemeinsam eine Lösung gefunden haben, um die Krise gemeinsam zu bewältigen.

In diesem Sinne: Ich denke, dass die Bildungskarenz eine gute Einrichtung ist, und wir sollten sie auch beibehalten. Ich glaube, es braucht da keine Einschränkungen. Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Aubauer und Singer.)

14.44


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


14.44.36

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Wöginger, Sie haben über unseren Antrag gesprochen, über die Auswei­tung des Freiwilligen Sozialen Jahres. Ich glaube, wir sind alle der gleichen Meinung, dass die Frage, wie wir Asylberechtigte in Österreich langfristig und nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren, eine wesentliche Herausforderung ist und dass es da sinnvol­le Vorschläge braucht.

Deswegen bin ich auch immer wieder verwirrt, wenn die Regierungsparteien – nicht alle Parteien, offensichtlich sind die Freiheitlichen nicht dieser Meinung – immer wieder mit vielen Vorschlägen kommen, die alle ganz unterschiedlich sind. Wir hören unter­schiedliche Zahlen, wie 1 € oder 2,50 €, es stellen sich die Fragen, ob nur Asylwerber dürfen oder aber Asylberechtigte und ob man sie verpflichten darf oder nicht und so weiter. Wir haben eigentlich immer eine Lösung vorgeschlagen, die die einfachste wä­re, das heißt, den Arbeitsmarkt nach sechs Monaten – auch schon für Asylwerber – zu öffnen. Es gäbe dann erstens einmal keine Ungleichbehandlung, man bräuchte keine Sonderregelung, und wir hätten auch diese Problematik nicht, die wir jetzt wohl haben werden, nämlich dass wir einen Wettbewerb zwischen gemeinnützigen Tätigkeiten, die an und für sich auch privatwirtschaftlich geleistet werden können (Zwischenruf des Abg. Wöginger), und eben genau diesen Tätigkeiten aufseiten der Privatwirtschaft ha­ben werden. Die da entstehende Konkurrenz ist eine äußerst schwierige.

Zurückkommend auf unseren Antrag zum Freiwilligen Sozialen Jahr: Ich glaube, dass das eine sinnvolle Maßnahme war. Wir haben das damals auch unterstützt, dass wir


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das Freiwillige Soziale Jahr für Asylberechtigte haben, aber … (Abg. Peter Wurm: Der Antrag bezieht sich auf Berechtigte, bitte!) – Das sage ich ja! (Abg. Peter Wurm: Auf Berechtigte!) – Herr Kollege Wurm, Sie müssen nur zuhören! Ich habe gerade gesagt: für Asylberechtigte. Ich weiß nicht, was daran so schwierig ist.

Also ein Freiwilliges Soziales Jahr für Asylberechtigte – noch einmal für den Kollegen Wurm –: Das sind die, die schon einen Asylstatus haben, das wissen Sie ja. (Abg. Pe­ter Wurm: Ja, weiß ich!) Und dementsprechend wollten wir eine sinnvolle Ausweitung des Freiwilligen Sozialen Jahres (Abg. Peter Wurm: Die könnten ja arbeiten, Herr Kol­lege, so wie alle!), weil wir leider merken, dass es derzeit einfach noch sehr, sehr we­nige gibt, die in diesem Freiwilligen Sozialen Jahr Fuß gefasst haben, obwohl wir das vor einem Jahr beschlossen haben.

Aus diesem Grund haben wir vorgeschlagen, dass man da einerseits die Hürden senkt, denn die sind halt da, weil die Gemeinden nicht die Möglichkeit haben, darauf zuzu­greifen. – Ich verstehe auch nicht ganz die Überforderung der Gemeinde, denn die könn­ten auch zwischen den unterschiedlichen Maßnahmen unterscheiden und die richtige wählen. – Andererseits muss man auch schauen, dass es einen Anreiz gibt, denn es ist schon verständlich, wenn man momentan keinen Cent zusätzlich verdient, wenn man das Freiwillige Soziale Jahr macht, dass dann kein Anreiz besteht und dementspre­chend auch sehr wenig Asylberechtigte davon Gebrauch machen.

Wir sind, genauso wie ja sonst die ÖVP auch immer, der Meinung (Abg. Peter Wurm: Die NEOS kritisieren das!), dass sich Leistung lohnen muss. Wir sind auch der Mei­nung, dass jemand, der arbeitet, mehr Geld zur Verfügung haben muss als jemand, der nicht arbeitet. Deswegen braucht es auch diese Anpassungen beim Freiwilligen Sozia­len Jahr. (Abg. Peter Wurm: Staatlich subventionierte Konkurrenz, hat Loacker gesagt!) Ich finde es schade, dass Sie nicht entsprechend zustimmen werden. (Beifall bei den NEOS.)

14.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte. (Abg. Rädler: Ist die Rede schon fertig?)

 


14.47.22

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Es sind sieben verschiedene Anträge, die wir jetzt in diesem Sammelbericht dis­kutieren. Es sind Anträge, die aus verschiedensten Gründen so nicht angenommen wer­den können, weil sie teils gegen geltendes Recht verstoßen, sich selbst inhaltlich wi­dersprechen oder schlicht und einfach sachlich falsch angesetzt sind.

Zum Beispiel der Antrag zu Tagesordnungspunkt 11 von Kollegin Belakowitsch-Jene­wein: Dieser Antrag ist europarechtswidrig. (Abg. Neubauer: Stimmt ja nicht! Was soll das jetzt wieder heißen?)

Was die Auflistung diverser Kosten betrifft, so wissen wir auch, dass die teilweise im aktuell zu diskutierenden Budget abgebildet sind. Eine spannende Frage, die auch im­mer wieder auftaucht, betrifft die Vermögenswerte der einzelnen Kassen; dazu haben wir schon öfters eine Diskussion geführt.

Es ergibt sich daraus natürlich eine spannende Situation, die wir aus der Vergangen­heit kennen, nämlich dass sparsame Kassen, die sorgsam gewirtschaftet und Rück­lagen für Notsituationen geschaffen haben und in die die Versicherten brav und unter oft wirklich schwierigen Bedingungen ihre Sozialabgaben geleistet haben, nun als reich hingestellt werden, weil sie sich für Krisensituationen einen Puffer geschaffen haben. Die sollen dann vielleicht ihre finanziellen Rücklagen an andere Kassen abgeben, die


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das alles nicht in dieser Art und Weise erledigt haben. Da denke ich mir: So kann es nicht gehen! Das ist kein Argument, um diesen Ausgleich herbeizuführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das bringt mich zu einem Thema, das wir in den letzten Wochen sehr oft – auch im Ausschuss sehr intensiv – diskutiert haben: den Vorstoß von bäuerlichen Interessen­vertretern, den bäuerlichen Betrieben eine Quartalszahlung zu erlassen. Ich muss ehr­lich sagen, in dieser Diskussion haben sich leider einige Kollegen – auch hier im Ple­num, wenn ich an den Kollegen Keck beim letzten Mal denke, oder aber an den Kol­legen Loacker im Ausschuss – wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Ich möchte erklä­ren, worum es da wirklich geht.

Es ist eine Dramatik, die momentan bei den bäuerlichen Betrieben passiert, denn es gibt bereits das vierte Jahr hindurch enorme Einkommensverluste, welche auch im Grü­nen Bericht dokumentiert sind. Im heurigen Jahr geht es um ein Einkommensminus von 17 Prozent – und das zum vierten Mal in Folge! Sie können sich vorstellen, wie dra­matisch die Situation bei den einzelnen Betrieben draußen ist.

Aber was ist die Ausgangslage? Warum ist das so passiert? Wir bewegen uns mit unserer Produktion in einem internationalen Markt. Dann ist das Argument gekommen: Ja, dann müssen sich halt manche Betriebe spezialisieren! – Das haben ja schon viele getan, aber: Was wird in dieser Diskussion nicht gesehen? Wir brauchen die Grund­versorgung, die Güter des täglichen Lebens, die Lebensmittel, die wir täglich benöti­gen. Da geht es um Milch, da geht es um Getreide, da geht es um Fleisch in der ver­schiedensten Art und Weise, und die sind dramatisch unter Druck gekommen.

Es ist nicht so einfach, von heute auf morgen eine Betriebsstruktur umzustellen. Ich bin Obmann des Landesverbandes für bäuerliche Direktvermarkter Niederösterreich: Ja, viele Bereiche oder viele Betriebe gehen in diesen Bereich hinein. Das ist lobenswert, aber das kann man ja nicht allen anderen auch vorschreiben. Wie gesagt, es geht um jene Betriebe, die die Grundlagen für die Grundversorgung liefern.

Diesen Betrieben wäre mit einer Quartalserstattung wirklich geholfen. Die SVB hat in den letzten Jahren hervorragend gewirtschaftet, verantwortungsvoll gewirtschaftet und diese Rücklagen für Härtefälle angeschafft, und der Steuerzahler würde in diesem Fal­le nicht belastet werden. Daher kann ich Sie wirklich nur eindringlich bitten, an Sie alle hier appellieren, diesen Antrag zu unterstützen, damit wir den bäuerlichen Betrieben endlich auch in dieser Frage entgegenkommen können. (Beifall bei der ÖVP.)

14.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


14.51.12

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ich tue mir ein wenig schwer, denn es geht ein bisschen auch um sinnvolle Arbeits­marktpolitik. Ich muss wirklich konsterniert feststellen, es ist die Unfähigkeit – auch von der FPÖ, auch vom Kollegen Wurm –, hier sinnvolle Arbeitsmarktpolitik an den Tag zu legen und einen Vorschlag zu machen. Da ist nichts Neues dabei! Sie haben es bis heute unterlassen, sinnvolle Arbeitsmarktpolitik (Abg. Peter Wurm: Meine Zahlen stim­men aber!), Alternativen aufzuzeigen. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: … aber ihr er­kennt es nicht!)

Ein Beispiel: Der Kollege Wurm war – in seinem gelernten oder nicht gelernten Beruf, jedenfalls war es das, was er vor dem Parlamentarismus als Abgeordneter gemacht hat – (Abg. Peter Wurm: Unternehmer!) Unternehmer. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Er ist es noch immer!) Er hat mit Gastronomen und Touristikern versucht, Bier über ei­ne große Firma zu verkaufen, nicht sein eigenes Bier, sondern anderes, also nennen


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wir es Bierversilberer. Jetzt erklärt mir vielleicht der Herr Kollege Wurm, wie das bei den Betrieben war, denen er das Bier verkaufen wollte: Wie viele Betriebe hat es gege­ben, die zu 100 Prozent mit österreichischen Mitarbeitern gearbeitet haben?

Ihre Abschottungspolitik zeigt genau ins Gegenteil (Abg. Peter Wurm: Sie haben mir nicht zugehört!) und ist eigentlich der fatale Weg dorthin (Abg. Peter Wurm: Aber!), das ist nämlich der springende Punkt. Also ich will es Ihnen … (Abg. Peter Wurm: Sie haben mir nicht zugehört!)  Hören Sie mir ganz kurz zu! (Abg. Belakowitsch-Jene­wein: Der redet so viel Blödsinn!) Langsam nachdenken, ein bisschen verarbeiten, da­rüber nachdenken: Was hat er jetzt gesagt?! (Abg. Schimanek: Ein bisschen weniger herablassend!) Zeigen Sie mir die Betriebe und die Unternehmer in Österreich, die oh­ne Nicht-Österreicher auskommen! – Es gibt keine mehr. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das große Problem ist, dass wir alle anstehen würden, denn weder in der Dienstleis­tung, noch in der Pflege, noch in der Produktion, noch bei den Handwerksbetrieben (Abg. Neubauer: Asyl, das ist Ihr Weg!) haben wir die Mitarbeiter und händeringend suchen wir sie (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm), daher ist die bestmögliche und schnellst­mögliche Integration – auch von Asylwerbern – das dringende Ziel. (Zwischenrufe der Ab­geordneten Peter Wurm und Neubauer.)

Der springende Punkt ist: Die Mitarbeiter kosten zu viel und verdienen zu wenig. Die Arbeitsanreize, dass sich arbeiten auch noch lohnt, sind in dieser Hinsicht auch dem­entsprechend schwierig zu vermitteln, da gebe ich Ihnen recht. Da müssen wir etwas tun, da müssen wir Arbeitsanreize schaffen und da müssen wir die Inaktivitätsfalle auf­heben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch-Jenewein und Neubauer.) Der Antrag der Arbeiterkammer Burgenland aber, den Sie unterstützen, dass die Balken run­terfallen sollen, dass wir keine osteuropäischen Mitarbeiter mehr haben sollen und dass wir uns hier abschotten sollen, ist klassisches Nebeldenken. (Abg. Peter Wurm: Das hat ja keiner behauptet!)

Sie haben überhaupt nicht mehr den Durchblick, worum es in einer vernünftigen Ar­beitsmarktpolitik geht. Ein österreichischer Küchenchef hört auf zu arbeiten, wenn er keinen nicht österreichischen Abwäscher mehr hat. Das ist Ihre Logik! Sie glauben, ein Österreicher macht noch die Dienstleistung! Nein, die macht er nicht mehr!

Wir brauchen sie! Bekennen Sie sich dazu! (Zwischenrufe der Abgeordneten Peter Wurm, Neubauer und Belakowitsch-Jenewein.) Bekennen Sie sich dazu, dass wir auch die schnellstmögliche Integration fortführen wollen, und unterstützen Sie nicht so sinnlose Anträge, wie den von der Arbeiterkammer Burgenland. (Abg. Neubauer: Was ist denn das für eine Logik?) Die Tatsache, dass die Burgenländer, die, nachdem sie alles an Förderungen, an EU-Förderungen bekommen haben, jetzt die Balken herun­terlassen und eine Abschottungspolitik betreiben wollen, ist auch eine Schande für die SPÖ. Es ist eine Schande für Sie und eine Schande für die SPÖ. – Danke vielmals. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Neubauer: Ein Sozialschmarotzer ist das, sonst gar nichts!) – Wer? (Abg. Neubauer: Ein Sozialschmarotzer ist man, wenn man so argu­mentiert!)

14.54

14.54.56*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Werner Neubauer, ich erteile Ihnen für diesen Zwischenruf einen Ordnungsruf. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeord­neten von NEOS und FPÖ.)

*****

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.

 



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14.55.08

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Liebe Zuseherinnen und liebe Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben das eh schon sozusagen aufgrund der Debatte mitbekommen. Wir haben im vergangenen Sozialausschuss etliche Anträge eben zu den ganz unterschiedlichsten Themenfeldern diskutiert, zum einen beispielsweise die erhöhte Treffsicherheit der Bil­dungskarenz, die wir in der SPÖ ganz anders sehen als die AntragstellerInnen. Kollege Vogl ist auch darauf eingegangen, warum das so ist.

Wir haben aber auch den Themenbereich des Mindestlohns diskutiert. Vorweg: Wir in der SPÖ haben das, was die 1 700 € anbelangt, natürlich ganz, ganz weit oben in un­serer Prioritätenliste.

Worum aber geht es bei dieser Forderung im Grundsatz? – Ich finde, der Arbeitgebe­rInnenvertreter des Handels hat das – ich habe ihn heute in der Früh im Radio gehört – wirklich sehr präzise formuliert. Zusammengefasst sagt er: Wir wollen gut ausgebildete Leute; und die Erhöhung der Löhne und der Gehälter muss es uns ganz einfach wert sein. – Genau diesen Zugang halte ich und halten wir für den absolut richtigen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Peter Wurm und Wöginger.)

Arbeit und damit die ArbeitnehmerInnen, die sich einfach so reinhauen, müssen klarer­weise gerecht entlohnt werden, eben laut guten Verträgen, und das sind einfach die besten Maßnahmen, um auch gegen Armutsgefährdung vorzugehen. Das hat auch Ex­sozialminister Buchinger am Sonntag bei der ORF-Sendung „Im Zentrum“ meiner Mei­nung nach perfekt auf den Punkt gebracht. Da ging es eben um diese drei Säulen, um Armut zu verhindern: zum einen die Vollbeschäftigung, das heißt ganz klar Investi­tionen, zum anderen gute Arbeit und ordentliche Lohnabschlüsse und des Weiteren auch die Bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Es ist ganz klar unser Job, da auch ernsthaft etwas zu tun. Wir dürfen die Menschen weder mit Gehaltserhöhungen, die ihnen verwehrt bleiben, oder mit Teilzeitbeschäfti­gungen oder geringfügigen Beschäftigung, in die sie gedrängt werden, alleine lassen, noch dürfen wir zulassen, dass ihnen einfach das Mindeste gekürzt wird.

Ich sage es Ihnen ganz offen, ich halte diese Entwicklung für unfassbar gefährlich. Ich möchte einfach jenen, die genau dieses Ziel verfolgen, sagen, sie nehmen den Kin­dern, von denen nämlich 300 000 in Österreich bereits in Armut leben, mit dieser Posi­tion ihre Würde, ihre Möglichkeiten, ihre Chancen. Sie werden nämlich in der Armut hängen bleiben und damit auch als Erwachsene diese Maßnahmen in Anspruch neh­men müssen.

Ich sage Ihnen auch, dass ich und wir das nicht verantworten möchten! Ich denke, vie­le in diesem Raum möchten das auch nicht, aber eben jene, die das vorschlagen, müs­sen dann auch diese Verantwortung übernehmen.

Bitte denken wir noch einmal alle darüber nach, was es heißt, Menschen, Kinder, Frauen, Männer in so eine Situation zu bringen. Das hat nämlich mit einem würdevol­len Leben nichts mehr zu tun. Reißen wir uns zusammen und dämmen wir die Ar­mutsfalle für Kinder ernsthaft ein! Das Mindeste, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, in den Bundesländern und in den Gemeinden, muss in unserem Land einfach so was von möglich sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.58


Präsident Ing. Norbert Hofer: Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung des Nationalrates bis 15 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****


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(Die Sitzung wird um 14.58 Uhr unterbrochen und um 15 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

15.00.11Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 9704/AB

 


Präsidentin Doris Bures (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Wir gelangen zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit der Ordnungszahl 9704/AB.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Der Erstredner hat zur Begründung 10 Minuten Redezeit zur Verfügung. Ich erteile da­zu Ihnen, Herr Abgeordneter Mag. Loacker, das Wort. – Bitte.

 


15.00.57

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Eine Kurzdebatte zur Frage der Hebesätze für Pensio­nisten in der Krankenversicherung ist durchaus ein sperriges Thema! Die Kurzdebatte haben wir nicht deswegen begehrt, weil die Antwort zu kurz gegriffen hätte oder weil Dinge nicht beantwortet worden wären, sondern weil das Ergebnis ein unbefriedigen­des ist.

Es darf an dieser Stelle auch ein Lob ausgesprochen werden, nämlich dem Sozialmi­nisterium, das sich bei den Anfragebeantwortungen vorbildlich von anderen abhebt. Da hat man dann auch etwas in der Hand, mit dem man arbeiten kann.

Ich möchte aber auf den Inhalt der Anfragebeantwortung dahin gehend eingehen, dass wir im Moment diskutieren, ob den Bauern ein Quartal Sozialversicherungsbeiträge er­lassen, geschenkt, gestundet oder was auch immer werden soll. Wenn man sich diese Anfragebeantwortung anschaut, dann bekommt man zusätzliche Argumente, warum die­ses Quartal Beitragsstundung oder Beitragsschenkung nicht angemessen wäre.

Das funktioniert so: Pensionisten sind natürlich krankenversichert. 5,1 Prozent der Pen­sion werden an den Krankenversicherungsträger überwiesen, das behält die Pensions­versicherung, der jeweilige Träger, direkt ein. Zusätzlich zu diesen 5,1 Prozent wird vom Pensionsversicherungsträger ein sogenannter Hebesatz an den Krankenversiche­rungsträger überwiesen. Der ist aber immer unterschiedlich: Da muss die Pensions­versicherungsanstalt 180 Prozent überwiesen, die Sozialversicherungsanstalt der ge­werblichen Wirtschaft 197 Prozent, die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Berg­baus 310 Prozent und die Bauernsozialversicherung 397 Prozent.

Also das Vierfache dessen, was eigentlich Krankenversicherungsbeiträge wären, geht da in die Bauernversicherung hinüber. Das sind 425 Millionen € und damit zwei Drittel der Einnahmen des gesamten Krankenversicherungszweiges der Bauernversicherung.

Diese Hebesätze werden vom Parlament festgelegt und ins Gesetz hineingezimmert. Nur gibt es keine Parameter dafür, warum es bei der einen Versicherung 190 Prozent, bei der anderen 310 Prozent und bei der dritten 397 Prozent sind. Es kann Ihnen auch niemand mehr erklären, wo das herkommt und warum das so ist, das hat man halt ir­gendwann einmal festgelegt. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, von welchen Quer-


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finanzierungsströmen und von welch einer Intransparenz das österreichische Sozial­versicherungssystem gekennzeichnet ist.

Jetzt sitzt diese Bauernsozialversicherung mit Ende des Jahres 2015 auf 306 Millio­nen € Reinvermögen und 270 Millionen € Finanzvermögen. Damit gehört sie zu den Sozialversicherungsträgern mit dem höchsten Pro-Kopf-Finanzvermögen, nämlich un­gefähr 740 € pro Versichertem. Das ist also ein bisschen mehr als eine Grippeimp­fung – weil es vorhin geheißen hat, der Sozialversicherungsträger braucht eine Rückla­ge, um auf eine Grippewelle vorbereitet zu sein.

Wenn man in Geld schwimmt, dann kann man natürlich auch großartige Leistungen für die Versicherten anbieten. Auch das macht die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die nämlich für Zahnimplantate, für Zahnkronen, für die Zeckenschutzimpfung, für Seh­behelfe viel mehr zahlt als jede Gebietskrankenkasse. Das ist aber spannend: Zuerst bekomme ich Querfinanzierung dick, viel dicker als jeder andere, und dann gebe ich es dick raus – und das auf Kosten der Allgemeinheit der Versicherten!

Da stellt sich die Frage, wie das zusammenpasst, dass ein Sozialversicherungsträger eigentlich überdurchschnittliche Leistungen zahlt – mit Geld, das er gar nicht selbst ein­gehoben hat, das er von den anderen bekommt. Die Bauernsozialversicherung hat näm­lich dieses dunkle System der Querfinanzierung in die eigene Kasse hinein perfektio­niert.

Das Feine ist nämlich: Wenn das Geld im Pensionsversicherungszweig nicht reicht, dann springt ja immer der Bund ein. Bei Defiziten in der Pensionsversicherung springt immer der Bund ein, und deswegen ist es geschickt, aus dem Pensionsversicherungs­zweig Geld herauszuziehen und es bei der Krankenversicherung aufzupfropfen, weil drüben bei der Pensionsversicherung ohnehin die Gemeinschaft der Steuerzahler zahlt. Wenn man das sauber durchrechnet, dann kommt man ungefähr dahin, dass die Bau­ernpensionsversicherung ohnehin zu 80 Prozent steuerbezuschusst ist. Davon profi­tiert indirekt also auch die bäuerliche Krankenversicherung.

Jetzt kommt der Vorschlag, der Landwirtschaft für ein Quartal die Beiträge zu erlas­sen – der Minister sagt: zu stunden. Da fragt man sich, wie das gehen soll und wie sich das überhaupt rechtfertigt. – Ja, weil die Bauern – sagt Kollege Höfinger – so eine schwere Phase haben, weil sie wenige Erträge haben, weil sowieso der Milchpreis kaputt ist, aufgrund der Russland-Sanktionen – und so weiter, und so fort.

Da gerät ein bisschen in Vergessenheit, dass der Landwirt auch ein Unternehmer ist und dass der Unternehmer immer ein unternehmerisches Risiko hat. (Abg. Wöginger: Das hat er eh!) Wenn ich für meine Ware einen schlechteren Preise bekomme, dann hat sich mein unternehmerisches Risiko realisiert! So geht es anderen auch: Wenn Sie ein Schuhgeschäft haben … (Abg. Steinbichler: Ist das die neue Agrarpolitik von euch? – Abg. Wöginger: Genau!) – Wenn Sie ein Schuhgeschäft haben, kann es Ih­nen passieren, Kollege Steinbichler, dass Ihre Kunden mehr bei Zalando einkaufen und nicht mehr zu Ihnen in den Laden hineingehen. Dann haben Sie möglicherweise auch schwierige wirtschaftliche Phasen. Wenn beim Kollegen Obernosterer die Leute über die Onlineplattform buchen, kommen sie auch billiger weg, als sie das vor ein paar Jah­ren noch gekommen sind, als sie bei ihm direkt eingelaufen sind. So haben auch Ho­teliers schlechtere Zeiten, kriegen aber kein Quartal SVA-Beiträge gestundet, sondern müssen das weiter voll zahlen.

Jetzt frage ich Sie noch eines: Wie soll das mit einer Beitragsstundung für die Bauern funktionieren? Wenn die im heurigen Jahr nicht für vier Quartale zahlen können, wie sollen sie dann drei Jahre später fünf Quartale zahlen? (Ruf bei der ÖVP: Tun wir nicht!) Warum soll die Einkommenssituation in drei Jahren viel besser sein? – „Tun wir nicht!“, höre ich von da (in Richtung ÖVP). Ja, ich habe es sehr genau verstanden.


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Was Sie vorhaben, ist nämlich, dass Sie dieses Quartal aus den Rücklagen speisen, aus diesen Quersubventionskanälen, die Sie da kreiert haben – nämlich: Der Steuer­zahler soll es tragen!

Also Sie sagen, die Bauern zahlen es sich selbst – aber die Bauern zahlen es sich nicht selbst. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Sie haben ja zu 80 Prozent querfinan­zierte Kassen. Eigentlich will man dieses eine Quartal bäuerliche Sozialversicherungs­beiträge auf die Allgemeinheit überwälzen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) So weit kommt es noch, dass man bei uns Pensionsmonate und Pensionskontogutschriften bekommt, die man sich von anderen zahlen lässt – und am Schluss trifft es immer die Gemein­schaft der Steuerzahler.

Wir haben da ein intransparentes System. Wir haben, wenn man die Krankenfürsor­geanstalten der Länder und Gemeinden mitzählt, 35 Krankenversicherungsträger in dem kleinen Land, und manche davon haben es sich super eingerichtet. Viele davon haben sich aus der Solidarität verabschiedet, und die normalen Versicherten in den Gebietskrankenkassen dürfen die Privilegien der anderen, insbesondere der kleinen Kas­sen, finanzieren.

Das gehört abgestellt, und diese verschiedenen Hebesätze für die verschiedenen Kas­sen gehören auch abgestellt. Das gehört vereinheitlicht: gleiches Recht für alle, für alle Versicherten, für alle Steuerzahler, ohne Privilegien für Sonderkassen! (Beifall bei den NEOS.)

15.08


Präsidentin Doris Bures: Ich mache darauf aufmerksam: Ab jetzt beträgt die Redezeit 5 Minuten. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hell. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Wöginger – in Richtung NEOS –: Du hast keine Ahnung, worum es bei den Bauern geht! – Abg. Strolz: Ich bin ein Bauernbua! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


15.09.12

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Krank sein ist nie angenehm. Für die Menschen ist es daher wichtig, zu wissen, dass man auf ein Gesundheitssystem zählen kann, das dann gute medizinische Versorgung bringt, wenn es auch wirklich notwendig ist, und dass es nicht davon abhängt, ob man auf dem Konto bei der Bank Geld hat oder sonstige fi­nanzielle Mittel dafür aufwenden muss.

Österreich hat ein solidarisches Gesundheitssystem, das allen Menschen, egal, aus welchen sozialen Schichten sie kommen, bestmögliche medizinische Versorgung an­bieten kann. Das österreichische Sozialversicherungssystem beruht auf dem Prinzip der Pflichtversicherung, der Solidarität und der Selbstverwaltung und wird überwiegend durch Versicherungsbeiträge finanziert.

Solidarität wird darüber hinaus auch in einem Ausgleich zwischen schutzbedürftigen und weniger schutzbedürftigen Personen, wie etwa einkommensstarken und einkom­mensschwachen Gruppen, erreicht.

Beiträge von aktiven Beitragszeiten werden in der Regel zu annähernd gleichen Teilen von Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträgen gespeist. Derzeit zahlen Arbeiter 3,87 Pro­zent und Unternehmen 3,78 Prozent, also gesamt derzeit 7,65 Prozent.

Pensionistinnen und Pensionisten sind verpflichtend krankenversichert. Die Mehrheit von ihnen bezieht eine Pension nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und zahlt davon – das wurde heute schon angesprochen – 5,1 Prozent von der Bruttopen­sion. Die Beiträge werden von den Sozialversicherungsträgern an die Krankenkassen überwiesen. Da Pensionistinnen und Pensionisten keinen Dienstgeberbeitrag zahlen,


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zahlt der Bund für die Pensionsversicherung einen fiktiven Dienstgeberanteil, der über die Krankenversicherung mit dem Hebesatz berechnet wird, in das System ein.

Die Solidaritätsgemeinschaft finanziert also diese Krankenversicherung der Pensionis­tinnen und Pensionisten mit. Zuständig dafür sind die Pensionsversicherungsanstalten. Daher ist auch der unterschiedliche Beitrag, der heute angesprochen worden ist, inso­fern interessant, als natürlich jede Versicherung in ihrer Struktur anders ist, das Ver­hältnis zwischen Aktiven und Pensionisten in jeder Anstalt unterschiedlich ist. Versi­cherungsanstalten mit mehr Pensionisten haben etwas andere Problematiken als Ver­sicherungsanstalten mit sehr vielen aktiven Beitragszahlern.

Einige Versicherungsanstalten legen daher Rücklagen an, die vor allem dann für Leis­tungen heranzuziehen sind, wenn man Probleme innerhalb der Versicherungsanstalt selbst hat. Mir ist es daher wichtig, hier auch zu betonen, dass die Thematik, dass in den Versicherungsanstalten Rücklagen angelegt werden, nicht negativ gesehen wer­den soll, sondern dass es grundsätzlich wichtig und notwendig ist, auch auf Rücklagen zurückgreifen zu können.

Das Thema, das vorhin im Zusammenhang mit der Versicherungsanstalt der Bauern angesprochen worden ist, ist natürlich ein eigenes Problem, wobei ich es natürlich auch nicht unbedingt positiv sehe, dass man auf diese Rücklagen zugreift, und wobei mir bewusst ist, dass die Landwirte in Österreich derzeit in einer sehr schwierige Si­tuation sind. Man sollte aber darüber diskutieren, ob nicht andere Unterstützungen mög­lich wären.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, auch die Diskussion zur Reduzierung der Sozialversicherungsträger wird hier immer wieder hereingebracht. Fakt ist, dass die Sozialversicherungsträger für ihre Versicherten eine hervorragende Leistung erbringen. Zusammenlegungen und Reduzierungen von Versicherungsträgern heißt ja noch lange nicht, dass man besser und sparsamer ist. Daher: Schritt für Schritt setzen, Zahlen und Fakten auf den Tisch legen, dann kann man über viele Dinge reden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


15.13.59

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Loacker, wenn man Sie so reden hört, hat man den Eindruck, dass Sie wahrscheinlich noch nie selbständig haben arbeiten müssen, näm­lich finanziell verantwortlich selbständig, und möglicherweise in Jobs unterwegs waren, in denen finanziell auch noch ein relativ warmer Wind gegangen ist (Zwischenruf des Abg. Rädler) – zumindest habe ich den Eindruck, wenn man sich hier herstellt und so redet, wie Sie geredet haben.

Klartext zu dem Vorwurf, der schriftlich vorliegt – formuliert haben Sie ihn ein wenig anders –, die Krankenkassen würden einen Trick verwenden und für die Hebesätze gä­be es sowieso keine Logik: Es ist relativ einfach, das kann man klar sagen. Es gibt keinen Trick, und es hat eine ganz logische Begründung. Es ist nun einmal so: Es gibt ein wichtiges Finanzierungselement bei allen Krankenversicherungen, und das ist letzt­lich der Hebesatz in der Krankenversicherung der Pensionisten – wie schon einmal ge­sagt worden ist, mit 5,1 Prozent –, das ist keine Frage. Letztlich werden dann gemäß dem Hebesatz, der angesprochen worden ist, mit Bundesgeld die finanziellen Nachtei­le ausgeglichen, die Versicherungen dort haben, wo die Pensionisten sozusagen wenig Einkommen haben oder wo einfach das Verhältnis aktiv zu passiv ein wesentlich an­deres ist.


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Praktisch jeder Versicherungsträger hat bei der KV der Pensionisten eine Unterde­ckung, und mit diesen finanziellen Bundesmitteln, also Steuergeld, wird das unterm Strich ausgeglichen. Daher hat der höhere Hebesatz bei der SVB, also der Sozialversi­cherung der Bauern, eben genau diese zwei Gründe. Einerseits die Versicherungs­struktur: Es ist bekannt – Strukturwandel und so weiter –, warum im bäuerlichen Be­reich relativ viele Pensionisten auf relativ wenige aktive Einzahler kommen. Das Zweite ist schlicht und einfach dann zu sehen, wenn man die Pensionshöhe im bäuerlichen Be­reich mit der in anderen Berufsgruppen vergleicht.

Ich könnte jetzt gerne noch ausführen, wie sparsam die SVB ist und wie dort mit an­deren zusammengearbeitet wird. Lesen Sie auch in der Rede des Kollegen Höfinger von vor circa 25 oder 30 Minuten hier an diesem Pult, wie es mit den Rücklagen aus­schaut und warum diese zustande gekommen sind.

Es wird auch so gerne gesagt, dass wir die Krankenversicherungen zusammenlegen sollen. – Jawohl, darüber kann man diskutieren – offen und ehrlich diskutieren. Ich glau­be aber, dass es notwendig ist, dass wir auch darüber diskutieren, wie die unterschied­lichen Leistungsrechte ausschauen. Wenn man schon darüber diskutiert, dann muss man sich zusammensetzen und einen langen Pfad ausmachen, Beitrags- und Leis­tungsrecht zusammenführen und einen Weg finden, wie man langfristig ein tragbares Modell entwickeln kann, das auch für alle zumutbar ist. Über all das kann man reden, aber das muss auch für alle Versicherungsträger gelten.

Wenn man das erreichen will: Was wird es brauchen? – In Wirklichkeit braucht es sehr viel Solidarität, nämlich Solidarität mit jenen SV-Trägern, die Strukturnachteile haben. Es gibt auch andere, wo es in der Versicherungsstruktur ein bisschen anders aus­schaut. Gerade die bäuerliche Sozialversicherung ist natürlich eine mit einem schlech­ten strukturellen Verhältnis von Aktiven und Passiven.

Wenn wir von Solidarität reden, dann darf man, glaube ich, schon auch sagen – auch das hat Kollege Höfinger heute zu Recht bereits angesprochen –, dass man sich an­schauen soll, wie es in den letzten Jahren war. Das hat jetzt mit selbständig oder nicht selbständig gar nicht so viel zu tun. Wenn man wirklich schaut, warum das so ist, sieht man – und das gilt für alle Produktionssparten –, dass wir seit Jahren in einer sehr schwierigen Situation sind, um mit viel Arbeit, die wir als Bäuerinnen und Bauern leis­ten, ein Einkommen zu erwirtschaften, das uns leben lässt und mit dem wir unseren Ver­pflichtungen auch entsprechend nachkommen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Loacker, nennen Sie mir eine Berufsgruppe, die das in den letzten Jahren so hat hinnehmen müssen wie der bäuerliche Bereich und die trotzdem noch sozial so friedlich ist. – Damit wir das auch klarstellen!

Noch ein Beispiel dafür, was für mich Solidarität ist: Wir haben in den letzten Jahren intensiv mit wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen zu kämpfen gehabt – Wirtschafts­krise! Was waren denn die Kurzarbeitsmodelle in der Industrie und im Gewerbe? Und wer hat da dazugezahlt? – Persönlich bin ich froh darüber, dass es das gegeben hat. Das war wichtig für die betroffenen Firmen, für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin­nen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn wir sozusagen gelebte Solidarität wollen, dann ist, glaube ich, schon ein Nach­denken darüber wichtig, ob jetzt nicht auch eine Bevölkerungsgruppe gelebte Solidari­tät in einer ganz schwierigen Situation braucht. Genau dieser Rabatt, also dieses Aus­setzen – wir reden nicht von einer Stundung, sondern von ersatzloser Streichung be­ziehungsweise Rabattierung der Sozialversicherungsbeiträge für das letzte Quartal des Jahres 2016 –, wäre eine wertvolle Hilfe für die bäuerlichen Familien.

Ganz direkt gesagt: Wem bäuerliche Familien und der ländliche Raum ein Anliegen sind, der unterstützt diese berechtigte Forderung! (Beifall bei der ÖVP.)

15.18



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 123

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


15.18.26

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ)|: Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Herr Kollege Loacker, als Sie das ausgeteilt haben, war mein Gedanke zu­nächst der, dass die Hebesätze so unterschiedlich sind und Sie das wahrscheinlich kritisieren werden. Im Laufe Ihrer Rede habe ich den Eindruck bekommen, Ihnen geht es einfach nur darum, hier einen Berufsstand oder den Bauernstand ein bisschen zu verunglimpfen beziehungsweise Bauern-Bashing zu betreiben. Das haben Sie schon im Ausschuss ein bisschen getan, indem Sie damals gesagt haben, man sollte den Bauern sagen, sie wird es bald nicht mehr geben. Das war damals schon etwas eigen­artig.

Zum Bereich der Hebesätze: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir diesen diskutieren. Ich habe in der letzten GP eine Anfrage an den damaligen Gesundheitsminister Alois Stöger betreffend die Hebesätze eingebracht, und zwar ging es darum, dass die Kran­kenkassen ja alle ein gewisses finanzielles Problem hatten – sie haben es vielleicht noch immer ein bisschen, aber damals war es relativ akut. Damals habe ich den amtie­renden Gesundheitsminister – den jetzigen Sozialminister – gefragt, was denn geplant sei und ob man die Hebesätze vielleicht angleichen würde. Die Antwort war nicht ganz uninteressant, denn er hat damals geschrieben, dass in manchen Versicherungen, näm­lich zum Beispiel bei der SVA, die Hebesätze aufgrund der Budgetproblematik herun­tergefahren wurden. – Das ist die eine Geschichte.

Wenn man sich ein bisschen damit auseinandersetzt – und ich habe versucht, das he­rauszuarbeiten, auch schon damals –, sieht man, dass es natürlich auch historische Grün­de gehabt hat, warum es in manchen Sozialversicherungen, die eigentlich viel jünger sind, höhere Hebesätze gibt.

Man kann über alles diskutieren. Auffällig war für mich beispielsweise schon damals, dass die Hebesätze in Wien geringer waren als in Niederösterreich. Natürlich gibt es immer Dinge, die man vielleicht als ungerecht ansehen könnte, aber zu behaupten, dass die SVB, also die Bauernkasse, so furchtbar schrecklich ist und alles querfinan­ziert bekommt, das halte ich schon für eine etwas überzogene Aussage.

Wissen Sie, ich hätte mir gedacht, und so hätte ich es mir eigentlich fast erwartet, dass Sie jetzt sagen: Diese Hebesätze sind undurchsichtig, eigentlich wollen wir das nicht, wir fordern wieder einmal die Zusammenlegung der Sozialversicherungen. Das hätte ich sofort unterstützt, und da hätte ich gesagt: Ja, da sind wir dabei!, denn das ist eine seit Jahren von uns erhobenen Forderung, die auch sinnvoll ist. Ich weiß, da kommt von den Regierungsparteien sofort ein Njet, aber das wäre eine Forderung, die sinnvoll wäre; dann hätten wir dieses leidige Thema auch erledigt.

Mein Vorredner hat sehr gut herausgearbeitet, dass es gerade im Bauernstand auf­grund des Strukturwandels im Vergleich zu den Aktiven eine sehr viel größere Anzahl an Pensionisten gibt. Darum gibt es da auch immer wieder Probleme. Jetzt so zu tun, als würde sich gerade die Bauernkasse auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, halte ich, ehrlich gesagt, nicht unbedingt für richtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Als Sie gesprochen haben, ist mir eine der ersten Balladen eingefallen, die ich in mei­ner Schulzeit gelernt habe: Das Riesenspielzeug von Chamisso. Ich kann sie wirklich nicht mehr auswendig, aber der Satz: „Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brod“, ist mir im Hinterkopf geblieben. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich den Ver­gleich mit dem Schuhgeschäft schon für sehr unpassend halte, denn der Bauernstand erbringt jeden Tag lebensnotwendige Tätigkeiten für uns alle. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 124

Er dient nicht nur der Kulturpflege, er dient vor allem der Versorgung von uns allen. Wir alle wollen, dass wir die besten Lebensmittel bekommen. Gerade wir in Österreich kön­nen es oftmals gar nicht richtig schätzen, dass unsere Lebensmittel schon von sehr hoher Qualität sind. Da rede ich jetzt nicht von irgendwelchen Lebensmittelskandalen, die gibt es auch, aber gerade das, was unsere Bauern produzieren, davon sind wir letz­ten Endes alle abhängig.

Jetzt gibt es im Bauernstand einen finanziellen Engpass, und Beitragszahlungen sollen aufgeschoben werden. Ich gebe Ihnen recht, es wird schwer, wenn in drei Jahren quasi ein fünfter Quartalsbeitrag eingezahlt werden muss, aber lassen wir doch jetzt bitte ein­mal die Kirche im Dorf! Versuchen wir einmal, aus heutiger Sicht zu sehen, wie es den Bauern gerade geht, versuchen wir, ihnen zu helfen, statt jetzt schon zu sagen, dass sie das alles in drei Jahren ohnehin nicht werden zurückzahlen können. Ich glaube nicht, dass wir im Hinblick auf die Bauern von permanenter staatlicher Förderung sprechen sollten und dass sie die Bösen sind, die sich ihre Pensionszeiten auf Kosten der All­gemeinheit kaufen. Das halte ich, ehrlich gesagt, für schlecht.

Ich würde mir aufgrund Ihrer Anfragebeantwortung, die durchaus Anlass gibt, nachzu­denken, und die auch Ihnen, Herr Bundesminister, Anlass geben sollte nachzudenken, wünschen, dass man endlich einmal draufkommt, dass dieses Wirrwarr mit den vielen, vielen verschiedenen Krankenkassen das eigentliche Problem ist, dass wir dafür jetzt endlich einmal eine Lösung brauchen und dass wir endlich eine Zusammenlegung brau­chen, weil Österreich nicht so groß ist. Beim vorigen Tagesordnungspunkt haben wir gehört, dass es in Bayern nur eine Kasse gibt, die 118 Geschäftsstellen hat. Wir brau­chen in Österreich keine 118 Geschäftsstellen. Österreich ist nicht so groß. In Öster­reich würde eine Krankenkasse mit insgesamt gleichen Leistungen für jeden Einzelnen reichen. Das wäre in Österreich möglich, wenn der politische Wille dazu da wäre, und den sehe ich leider nicht. Das ist der eigentliche Skandal – und nicht, dass die Bau­ernkasse einen höheren Hebesatz hat. (Beifall bei der FPÖ.)

15.23


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stö­ger. Herr Minister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.24.08

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé|: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Loa­cker, erstens: Ich danke dafür, dass Sie diese Kurzdebatte gefordert haben. Das kann man dazu nutzen, das System der Hebesätze darzustellen. Danke auch für den Dank an meine Mitarbeiter, die sich immer bemühen, parlamentarische Anfragen so zu be­antworten, dass die Abgeordneten damit auch etwas anfangen können.

Wie sind die Hebesätze entstanden? – Erstens: In der Stammfassung des ASVG hat es bereits eine differenzierte Umgangsweise mit der Krankenversicherung von Pensio­nisten gegeben. Es hat also in der Stammfassung des ASVG schon etwas gegeben, womit man das Verhältnis zwischen denjenigen, die aktive Beitragszahler sind, und je­nen, die Beitragszahler aus der Pension heraus sind, differenziert berücksichtigt hat.

Mit dem Bundesgesetzblatt 110 aus dem Jahr 1993 hat man dann Hebesätze einge­führt, die Folgendes abdecken sollten: die Finanzierung der Krankenkassen und das Verhältnis zwischen aktiven Beitragszahlern und Pensionszahlern einerseits und Pen­sionisten andererseits. Bei manchen Versicherungsträgern ist es tatsächlich so, dass aufgrund von wirtschaftlichen Veränderungen zum Beispiel in der Landwirtschaft das Verhältnis zulasten der aktiven Beitragszahler geht und eine hohe Anzahl von Men­schen in Pension ist. Das ist natürlich ein wichtiger Punkt in der Finanzierung, und ich habe das auch so beantwortet.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 125

Sie haben völlig recht: Es gibt kein mathematisches Modell, wie hoch die Hebesätze sein sollen, sondern die Hebesätze sind dadurch legitimiert, dass sie der Nationalrat be­schlossen hat. Ein mathematisches Modell liegt dem nicht zugrunde.

In der Bundesregierung haben wir die Frage diskutiert, ob wir der Sozialversicherungs­anstalt der Bauern eine der quartalsmäßigen Beitragsleistungen stunden können – oder wie auch immer wir mit dem Finanzbedarf umgehen wollen. Das kritisch anzu­sprechen, ist natürlich berechtigt. Ich denke aber, dass es wichtig ist, den Landwirten zu helfen, wenn sie ökonomische Probleme haben. Die Frage, was dafür das geeignete Instru­ment ist, wird uns in den nächsten Tagen noch beschäftigen. Ich habe die Landwirt­schaft und ihre Vertreter eingeladen, uns vorzuschlagen, wie ein Rückzahlungsmodell nach einer Stundung ausgestaltet sein könnte.

Herr Abgeordneter Loacker, zur Frage, in welcher Höhe die Krankenversicherungen Rücklagen bilden sollen, hat das ASVG eine Regelung getroffen. Sie schreibt den Kran­kenversicherungsträgern vor, eine Dreimonatsrücklage zu haben, sie sollen also eine Leistungsrücklage in der Höhe bilden, die die Versicherungsleistungen für drei Monate betragen. Wenn Beiträge dazu führen, dass man darüber hinaus Rücklagen bilden kann, ist es legitim, darüber nachzudenken, ob Hebesätze zu niedrig oder zu hoch sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner. – Bitte.

 


15.28.31

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin eher eine, die an sich mit dem Thema befasst ist. Dennoch hätte ich vor dieser An­fragebeantwortung nicht erklären können, wie man einen Hebesatz berechnet bezie­hungsweise wie oft wir das überhaupt schon im Parlament diskutiert haben. Ich glaube, es geht sämtlichen Kolleginnen und Kollegen hier genauso, und der Herr Minister hat berechtigterweise darauf hingewiesen. Seien wir ehrlich: Niemand kann erklären, wie diese Hebesätze berechnet werden und wie wir überhaupt dazu kommen.

Deswegen möchte ich ein bisschen davon wegführen, was Sie, Frau Kollegin Belako­witsch-Jenewein, da jetzt ins Spiel gebracht haben, nämlich Menschen ein bisschen gegeneinander auszuspielen. Es geht nicht darum, dass die einen den anderen irgend­welche Privilegien wegnehmen. Ich hätte auch die Anfrage – und jetzt den Wunsch, sie zu debattieren – nicht so verstanden, dass wir jetzt eine Neiddebatte führen wollen. Wir kennen diese Neiddebatte aus leidvoller Erfahrung, wenn es um die Mindestsicherung und um die Krankenversicherung von Menschen, die sie wirklich brauchen, geht.

Egal, ob MindestsicherungsempfängerInnen, Menschen, die Leistungen aus der Bau­ernversicherung oder nach dem ASVG beziehen, alle brauchen eine ordentliche Kran­kenversicherung, und das muss unabhängig davon sein, welchem Versicherungsträger sie „zugeordnet“ sind – unter Anführungszeichen. Ich würde mir daher sehr wünschen, dass wir nicht damit anfangen, Bauern gegen andere auszuspielen, sondern gemein­sam darüber nachdenken, wie der Wildwuchs abgestellt werden kann. Das wäre schön. Es wurde ja zumindest angedeutet, dass das reformbedürftig ist, und ich denke, das wird immer mehr erkennbar. Dieser Wildwuchs – und genau den spricht die Anfrage an – an undurchschaubaren Strukturen, an Querfinanzierung, an Finanzierungsströmen bei den Sozialversicherungsträgern, die niemand mehr versteht, eben bis hin zu diesen Hebesätzen muss im Sinne aller Betroffenen abgestellt werden. Betroffen sind alle Ver­sicherten in der Pensionsversicherung, in der Krankenversicherung und in der Unfall­versicherung. Ich denke daher, dass kein Weg daran vorbeiführt, dass wir diese Ver­sicherungen zusammenlegen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 126

Darüber scheint es ziemlich viel Einigkeit im Nationalrat zu geben – bis auf zwei Sei­ten, und die orte ich in erster Linie bei ÖVP und SPÖ. Natürlich geht es dabei auch um Macht und Pfründe in den jeweiligen Versicherungsträgern. Das muss man einmal an­sprechen. Und wir werden nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass dieses Sys­tem extrem reformbedürftig ist: Wenn die Menschen Beiträge zahlen, sollen sie die glei­chen Beiträge zahlen und die gleichen Versicherungsleistungen erhalten. Dabei geht es nicht nur um Transparenz, sondern auch um Gerechtigkeit und Nachvollziehbarkeit. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

15.31


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Schellhorn. – Bitte.

 


15.31.45

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kollegen! Kollege Prinz, ich bin selbständig. Sie haben Kollegen Loacker ja vor­geworfen, er sei nicht selbständig. Vielleicht darf ich dazu etwas sagen. Ich zahle üb­rigens auch in die Bauernkrankenkasse ein, weil ich in dem Bereich auch tätig bin. (Abg. Rädler: Löblich!)

Wenn es um die Beiträge für ein Quartal geht und uns das hier so verkauft werden soll, dass wir damit etwas für die Bauern tun, dann sind das giftige Bonbons, die Sie vertei­len, und das ist reine Klientelpolitik. Das ist Klientelpolitik, und Sie glauben womöglich, damit den Bauern zum Ausgleich für Ihre falsche Agrarpolitik der letzten 20 Jahre auch einmal etwas Gutes zu tun. Ich denke, dass das der falsche Weg ist.

Ich frage mich, warum von der Bauernkrankenkasse für Zahnimplantate das Doppelte an Zuschuss bezahlt wird wie mir von meiner Kasse als Selbständigem. Warum beträgt die Versicherungsleistung für eine Zeckenschutzimpfung in der Bauernkrankenkasse das Vierfache? Warum ist das so?

Ich kenne mich bei den Hebesätzen nicht so gut aus wie Kollege Loacker, will die auch gar nicht thematisieren. Sie haben von der Kurzarbeit gesprochen, aber wir müssen schon auch sagen, dass es eine Bezuschussung der Hagelversicherung gibt. Es fehlt eigentlich nur noch eine Bezuschussung für den Fall, dass das Wetter ganz schön ist, wenn blauer Himmel ist. Sonst haben wir eigentlich alles abgesichert. Es gibt eine Be­zuschussung bei der Hagelversicherung oder der Versicherung gegen Umweltschä­den, und wir tun das auch gerne. Als Touristiker kann ich sagen, dass mir die Land­schaft und Bioprodukte etwas wert sind, aber wir brauchen einen ehrlichen Zugang.

Wie ist es denn dazu gekommen, dass wir über diese Quartalsbeiträge gesprochen haben? – Wir alle können uns noch an die furchtbaren Hagelunwetter im Süden von Österreich erinnern. Dann kam auf einmal heraus: Wir müssen etwas für die Leute tun! Und heute kommen wir drauf, dass die Bauernkrankenkasse neben höchsten Leistun­gen, die sie zahlt, auch eine der am besten situierten ist. Sie ist faktisch die Dagobert-Duck-Krankenkasse von allen Krankenkassen. (Abg. Eßl: Gut geführt!) – „Gut geführt!“ Wenn ich da „Gut geführt!“ höre: Warum müssen wir sie denn dann so bezuschussen? Warum macht das dann nicht die Bauernkrankenkasse selbst? Warum muss da wieder ein Ausgleich stattfinden?

Wenn wir von Fairness und von Fairplay reden, dann brauchen wir dazu Transparenz. Und wir müssen auch über eine Zusammenlegung reden. Darüber sollten wir einmal diskutieren, und auch dafür ist Transparenz besonders notwendig. Einem Unternehmer oder einem Selbständigen wie mir können Sie nicht erzählen, dass das nicht ginge. Ich glaube vielmehr, Sie fahren da mit angezogener Handbremse und denken sich: Für unsere verfehlte Agrarpolitik der letzten 20 Jahre, für unsere Klientelpolitik soll gefäl­ligst die Allgemeinheit zahlen, denn sonst ist sie gegen die Bauern.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 127

Das ist ein falsches Instrument! Sie haben keine konstruktiven Vorschläge, wie wir die­ses Land verändern können. Sie rechnen damit, dass die Allgemeinheit für ein Problem von ihnen bezahlt, und das ist nicht der Hagel und nicht das Hochwasser, sondern das sind die Milchseen, die Sie mit Ihrer falschen Agrarpolitik gefördert haben! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Eßl: Du kennst dich wirklich nicht aus!)

15.35


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 


15.35.46

Abgeordneter Leopold Steinbichler (STRONACH): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Sozialminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren vor den Fernsehgeräten und auf der Besuchergalerie! (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der in Form eines Balkendiagramms die durch­schnittlichen Pensionen von Bauern, Arbeitern, Angestellten und Beamten verglichen sind.) Grundsätzlich gleich ein Grundbekenntnis, weil Präsident Schultes oder Kollege Rädler das verlangt haben: Jawohl, ich bin für eine strikte Trennung von Agrarpolitik und Sozialpolitik, und ich halte es für einen äußerst unglücklichen Ansatz, nicht gegen den nicht vorhandenen Milchsee, Herr Kollege Schellhorn, aber gegen den implizierten Überschuss und die Probleme am Milchmarkt die Sozialpolitik zu benützen. Ich finde das nicht vernünftig, weil wir dadurch immer weniger Überblick haben, das Ganze im­mer weniger durchschaubar wird. Das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen Transparenz und Fairness!

Ich denke, die Diskussion jetzt hat gezeigt, wie man in eine falsche Neiddiskussion ge­rät. Schöner könnte man das gar nicht herausarbeiten! Aus einer sozialpolitischen De­batte über Hebesätze und Rücklagen heraus, die der Herr Minister meiner Meinung nach recht nachvollziehbar erklärt hat, sind wir auf einmal in einer Neiddiskussion und beim Milchthema, also einer Ernährungsfrage gelandet.

Ich darf da vielleicht noch den einen oder anderen Ansatz richtigstellen, weil ich wirk­lich in Sorge bin, dass man von falschen Realitäten ausgeht. Faktum ist, dass 120 000 Be­triebe geschlossen haben, kleine bäuerliche Familienbetriebe – Familien mit zum Teil drei, vier, fünf Kindern, die früher in dieses System eingezahlt haben –, die vielleicht so­gar noch als Landarbeiter in dieses System mit eingezahlt haben. Faktum ist, dass die­se Menschen heute in andere Kassen einzahlen, in andere Pensionssysteme ein­zah­len. Sie sind also nicht verloren, weil sie ja Gott sei Dank meistens bis zur Pensionie­rung berufstätig sind. – Das ist einmal ein Faktum, das wir zur Kenntnis nehmen müs­sen.

Daraus hat sich auch dieser Hebesatz entwickelt, weil sich dadurch natürlich die Rela­tion Aktive zu Pensionisten völlig verschoben hat. Deshalb besteht die berechtigte Forde­rung – das haben die Kolleginnen und Kollegen Vorredner auch schon gesagt –, dass man endlich einmal schauen muss – Herr Minister, ich glaube, da ist Handlungsbedarf gege­ben –, dass wir die Sozialversicherungssysteme zusammenführen. Wir sind Österreiche­rinnen und Österreicher! (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Pirklhuber.)

Das ist doch gestern auch in der „Presse“ gestanden – Herr Urschitz hat es geschrie­ben, und auch der Herr Minister hat es in einem Kommentar bestätigt. Es gibt diverse Pensionsregelungen für die verschiedenen Berufsgruppen und unterschiedliche Pen­sionshöhen. Herr Kollege Loacker, da muss ich schon noch etwas richtigstellen (auf die Tafel auf dem Rednerpult deutend): Das sind die Durchschnittspensionen nach Sta­tistik Austria, die mir mein Mitarbeiter noch schnell herausgesucht hat, und die spre­chen für sich, wenn es bei den Mindestpensionen eine Bandbreite zwischen 700 € und 2 700 € gibt.

Wir wissen, dass es da irgendwo einen ganz gewaltigen Fehlansatz gibt, und den kann man nur auflösen, wenn nicht jeder bei einer der 23 Kassen sitzen bleibt, sondern wir


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diese zusammenführen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, aber wir müssen da einmal mit Maßnahmen beginnen und nicht wie in den letzten 20 Jahren nur davon reden.

Es sind auch die Leistungen angesprochen worden. Diese Diskussion zieht sich ja schon länger hin. Mich hat die Sendung „Im Zentrum“ vergangenen Sonntag sehr verärgert. Es ist um die Mindestsicherung gegangen. Zu meiner Verwunderung hat dort dein Vor­gänger, Herr Minister Stöger, der ehemalige Sozialminister Buchinger, als einer der Dis­kutanten – ich glaube, es war Landeshauptmann-Stellvertreter Haimbuchner – auf die niedrigen Bauernpensionen hingewiesen hat, darauf nichts Besseres zu erwidern ge­wusst, als auf das Ausgedinge hinzuweisen.

Das möchte ich ein wenig erklären: Das sogenannte Ausgedinge ist nichts anderes als ein Tritt gegen die Ferse. Ich bringe nächstes Mal diesen Pensionsbescheid mit, ich habe ihn heute noch nicht mit, aber ich habe aktuell einen Anruf von einem Bauern mit 45 Beitragsjahren bekommen, der nach Vollerwerb 647 € Pension bekommt. Jetzt wird der Erste gleich sagen: Na, der bekommt ja eh die Aufzahlung auf die Mindestsiche­rung. – Nein, weil das angesprochene Ausgedinge in der Mindestsicherung wieder zu­rückgerechnet wird, Kolleginnen und Kollegen! So schaut der Wohlstand in den Bau­ernhäusern aus. (Abg. Keck: Wie viel hat er eingezahlt?) – Mein Gott, na! Herr Kolle­ge, danke für den Zwischenruf, dann sagst du mir gleich, weil beides mit B anfängt, Bauer und Beamter, wie viel ein Beamter einzahlt. Das will ich hören. (Beifall beim Team Stronach.) Wie viel zahlt ein Beamter ein? – 100 Prozent, 100 Prozent Steuer­geld. Darüber müssen wir aber eine faire Diskussion führen. Ich weiß, wir brauchen ei­ne ordentliche Verwaltung, wir brauchen ordentliche Beamte genauso wie die super Bürgermeister – was wir heute Vormittag diskutiert haben –, aber wir brauchen in die­sem System Fairness. Zu den Leistungen, Herr Kollege Loacker: Das ist vielleicht der Grund dafür, dass …

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schlusssatz kom­men. – Bitte.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (fortsetzend): Frau Präsident! Meine Mutter hatte über 22 Jahre sechs verschiedene Krebsarten, und dieses Mittel, Wobe-Mugos, dieses amerikanische Präparat, das laut Medikamentenliste nicht zugelassen war, musste der kleine Betrieb Steinbichler aus den kleinen Erträgen der Landwirtschaft zahlen. Diese Leistungen sind so bescheiden, dabei zahlt man bis zu 20 Prozent Selbstbehalt. Des­halb ist es so notwendig, dass wir die zusammenführen, damit die Bäuerinnen und Bau­ern am allgemeinen Wohlstand, die Unternehmerinnen und Unternehmer …

15.41


Präsidentin Doris Bures: So, das war jetzt ein sehr langer Schlusssatz, Herr Abge­ordneter! (Abg. Steinbichler: Danke, Frau Präsidentin!) – Bitte.

(Allgemeiner Beifall und Heiterkeit für den das Rednerpult verlassenden Abgeordneten Steinbichler.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

15.41.56Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nunmehr zur Durchführung einer kurzen De­batte über den Antrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, dem Außenpoliti­schen Ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 1887/A(E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung von De­mokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei eine Frist bis 13. Dezember 2016 zu set­zen.


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Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin: Frau Klubvorsitzende Dr. Glawischnig-Piesczek. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.42.47

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Dieser Fristsetzungsantrag ist eine von meh­reren Initiativen vonseiten des Grünen Klubs, um auf die inakzeptable Situation und die Entwicklung in der Türkei entsprechend zu reagieren. Wir haben auch den Außenpoli­tischen Rat einberufen. Diese Initiative ist der Wunsch beziehungsweise der Vorschlag an Sie alle, hier eine gemeinsame Sichtweise, gemeinsame Aktionen und Positionen für diese inakzeptable Entwicklung, die wir alle mit großer Sorge beobachten, ein- be­ziehungsweise vorzunehmen.

Ich glaube, dass man durchaus mit Berechtigung sagen kann, dass zentrale Grundla­gen einer Demokratie, einer westlichen Demokratie, wie wir sie verteidigen wollen und müssen, im Moment außer Kraft gesetzt werden. Vor allem die Festnahmen von Oppo­sitionsabgeordneten müssen uns Abgeordneten ein ganz besonderer Ansporn sein, hier in irgendeiner Form einzugreifen oder diese KollegInnen zu unterstützen. Die Fest­nahme der Doppelspitze der HDP, aber nicht nur das, sondern auch der Fortschrittsbe­richt, der gestern von der EU-Kommission präsentiert worden ist, geben Anlass zu sehr, sehr großer Sorge, und sind auch Anlass für uns, über Konsequenzen nachzu­denken. Eben diese Vorschläge finden Sie in diesem Antrag.

Der Fortschrittsbericht ist der negativste Befund seit Beginn der Verhandlungen vor elf Jahren. Es sind darin ernsthafte Rückschritte beschrieben, was Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz betrifft. Das türkische Parlament hat so gut wie keine Kon­trolle mehr über die Exekutive. Es ist in diesem Bericht auch der Verdacht geäußert worden, dass es zahlreiche schwere Verletzungen des Verbots von Folter und Miss­handlungen gibt. Seit dem Putsch sind 35 000 Menschen verhaftet worden – nur um uns allen die Zahl und die Dimension noch einmal vor Augen zu führen. Trotz dieser schweren und massiven Menschenrechtsverletzungen und mangelnder Rechtsstaat­lichkeit will die EU-Kommission die Gespräche, also die Verhandlungen einen Beitritt betreffend, vorerst nicht einseitig abbrechen.

Ich denke, dass auch ein Bestreben des österreichischen Parlaments in Richtung Au­ßenminister sein muss, hier eine andere Position auf europäischer Ebene zu erwirken. Wir haben am 14. November die Möglichkeit – da findet ein Außenministerrat statt –, vielleicht schaffen wir es, obwohl die Frist bis 13. Dezember gesetzt ist, bereits im Vor­feld eine gemeinsame Positionierung in diesen Fragen festzumachen oder festzuschrei­ben. Erste Versuche hat es ja heute schon gegeben.

Es wurde im Übrigen auch, was die internationale Ebene betrifft, ein UN-Richter … (Abg. Rädler: Ein Wort zur Wahl von Trump!) – Wie bitte? Ich verstehe Sie leider so schlecht, und ich weiß nicht, was Sie gerade vom Handy vorlesen. (Abg. Brosz: Nichts Wichtiges! – Ruf bei der SPÖ: Er nuschelt!) Ich wollte nur kurz berichten, dass auch ein UN-Richter, obwohl er über diplomatische Immunität verfügt, mittlerweile verhaftet wor­den ist.

Ich kann diese zurückhaltende Position der Europäischen Kommission nicht nachvoll­ziehen. Ich glaube, dass es wegen dieser Entwicklungen auch so etwas wie Konse­quenzen geben muss. Ich finde auch die Tonalität von Außenbeauftragter Mogherini, die von „äußerst besorgniserregend“ spricht, nicht mehr passend. Es ist nicht äußerst besorgniserregend, es ist eigentlich inakzeptabel (Beifall bei den Grünen und bei Ab-


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geordneten von ÖVP und FPÖ) und sollte dementsprechend zu einer Aktion der Eu­ropäischen Union als Ganzes führen.

Wir haben jetzt zentrale Vorschläge – man kann natürlich auch über weitergehende Initiativen nachdenken, aber ich möchte Ihnen trotzdem unsere Vorschläge noch ein­mal vorstellen –:

Also wir sagen, Beitrittsverhandlungen formal aussetzen, bis demokratische Mindest­standards wiederhergestellt sind. Ich möchte das auch kurz begründen: Natürlich ist es wichtig, auch weiterhin eine gewisse Gesprächsbereitschaft zu zeigen, deswegen halte ich das Wort Abbruch in diesem Fall für nicht geeignet, weil vor allem viele Menschen, die im Moment noch zur Rechtsstaatlichkeit zählen, sehr auf westliche Unterstützung hoffen und in die Europäische Union als Ganzes Hoffnung setzen. Das wäre aus mei­ner Sicht schon ein Zeichen. Die Dialogbereitschaft ist jedenfalls immer gegeben. Be­reitschaft zum Dialog ist etwas ganz Essenzielles, auch in sozusagen eskalierten Si­tuationen, aber um ein formelles Aussetzen der Verhandlungen führt aus meiner Sicht im Moment nichts mehr herum.

Der zweite Punkt ist, dass die sogenannten Heranführungsgelder, die IPA-Fördergel­der, die der PKK-Regierung zugutekommen, ausgesetzt werden. Man muss sich die Absurdität noch einmal vorstellen: Auf der einen Seite entwickelt sich die Türkei in Richtung Abschaffung der Demokratie, und auf der anderen Seite werden nach wie vor sehr hohe Summen ausgezahlt, um die Türkei sozusagen an europäische Rechtsstan­dards heranzuführen. Das unverzüglich auszusetzen, wäre, glaube ich, auch eine Kon­sequenz, die der Situation durchaus angemessen ist. Da muss man nur eine gewisse Präzision walten lassen, weil es auch einige Projekte gibt, mittels derer Gelder direkt an die Zivilgesellschaft fließen, Gelder, die direkt unterstützen. Da muss man sich sehr präzise anschauen, dass damit keine positive Entwicklungen, die gefördert worden sind, de facto abgestellt werden.

Was in unserem Antrag auch vorkommt, ist, dass wir eine deutlich klarere Verurteilung, deutlich klarere Worte der europäischen Organe, also insbesondere von Außenbeauf­tragter Mogherini, fordern, was diese rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Ver­letzungen, diese Grundrechtsverletzungen betrifft. Das muss deutlich zum Ausdruck kommen. Man kann sich nicht hinter dieser Kompromissbereitschaftsfassade verste­cken, wenn die Entwicklungen wirklich so dramatisch sind.

Das Wichtigste ist natürlich die sofortige Freilassung der Oppositionsführer und Oppo­sitionsführerinnen. Das ist schon etwas, bei dem wir als Parlamentarier besonders ge­fordert sind. Das auch auf europäischer Ebene gemeinsam zu verlangen, könnte viel­leicht unter Umständen für diese Menschen, die sich in sehr schwierigen Situationen befinden, deren Familien sich in sehr schwierigen Situationen – Verfolgung, Denunzia­tion – befinden, vielleicht eine Unterstützung sein.

Ein Letztes noch: Ich glaube, das ist nicht im Antrag, aber ich glaube, es wäre auch notwendig, sich über die Situation in Österreich, insbesondere über die Situation der KurdInnen, also der Österreicherinnen und Österreicher kurdischer Abstammung, noch einmal ausführlich zu unterhalten. Wir haben gestern wieder Gespräche geführt. Es sind viele hier, denen der – unter Anführungszeichen – „Vorwurf“ gemacht wird, sie se­ien Terroristen, deshalb erhalten sie Einreiseverbot und können ihre Familien nicht be­suchen. Viele fühlen sich auch persönlich bedroht, haben Angst und Sorge in Öster­reich. Wir wissen von den Vorfällen, die es im Sommer auf der Mariahilfer Straße ge­geben hat. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Menschen, die das Demonstrationsrecht aus­nutzen, um das in Anspruch zu nehmen, was genau Erdoğan im Moment seinen Bür­gerinnen und Bürgern nicht mehr gewährt, das ist auch für uns inakzeptabel. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)


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Sie haben unsere Vorschläge im Wesentlichen mit dem Antrag erhalten. Ich habe die Kernpunkte, die Eckpunkte erläutert. Wie gesagt, die Frist ist bis zum 13. Dezember, aber unser gemeinsamer Wunsch wäre, im Vorfeld bereits zu einer Sichtweise zu kom­men, bei der alle miteinbezogen werden, um auch dem Außenminister bereits für den 14., also für den Rat, einen ganz klaren Auftrag mitzugeben, in welche Richtung er sich bemühen soll, in welche Richtung er auch die europäischen Ministerkolleginnen und -kol­legen im Außenbereich antreiben soll, um zu einer gemeinsamen Position zu kommen.

Nun noch einmal abschließend: Wenn sich die Europäische Kommission in dieser Si­tuation nicht anders verhält, wird sie sich historisch vielleicht auch einmal den Vorwurf gefallen lassen müssen, bei dieser Entwicklung zugesehen zu haben.

Ich würde auch das Wort Appeasement-Politik in den Mund nehmen, wenn man sich in keiner Weise bereit erklärt, in so einer dramatischen Situation Konsequenzen zu zie­hen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS.)

15.50


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Cap. 5 Minuten. – Bitte.

 


15.50.40

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Der sehr geschätzten Vorrednerin möchte ich nur mitteilen, dass wir heute eine Erklärung der österreichischen Abgeordneten zur La­ge in der Türkei unterschrieben haben. Das ist natürlich ein viel kräftigeres Zeichen als es dieser Entschließungsantrag sein könnte, daher, glaube ich, ersetzt das diesen Entschließungsantrag. (Abg. Kogler: Eine Frist werden wir wohl setzen können!) Ich glaube, dass das wichtig ist und dass man damit auch ein wichtiges Signal gesetzt hat. Natürlich stimme ich in fast allen Punkten zu. Ich glaube, dass man deutliche Worte für den Umgang mit der Opposition, die Antiterrorgesetze, die Einschränkung der Mei­nungsfreiheit, die Tatsache, dass Abgeordnete verhaftet werden, also für all diese Kri­tikpunkte finden muss.

Es ist zwar selbstverständlich zu verurteilen, dass es diesen Putschversuch und diese Parallelgesellschaft der Gülen-Bewegung gegeben hat, aber das kann man nicht als Vorwand nehmen, um fundamentale Menschenrechte, fundamentale demokratische Rechte infrage zu stellen oder zu beseitigen. (Abg. Pirklhuber: Das ist ja ein Bürgerkrieg!) Es ist auch wichtig, dass es zu einer Reaktivierung des Friedensprozesses mit der kurdi­schen Minderheit kommt, und auch das steht in dieser Erklärung. Ich glaube, damit ist alles abgedeckt.

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Wir müssen auch schauen, dass wir natürlich ei­gene Wege gehen, die eigenen eingeschlagenen Wege verstärken, um nicht in eine Erpressbarkeit gegenüber der Türkei zu kommen, was die Fragen der Migration oder der Flüchtlinge betrifft. Das ist einmal ganz entscheidend, und daher war es wichtig, dass diese Westbalkanroute eine Unterbrechung erfahren hat, dass man dafür die ent­sprechenden Schritte gesetzt hat.

Ich glaube aber, dass wir noch ehrlicher sein und die Frage stellen sollten, die man sich eigentlich in der Vergangenheit kaum gestellt hat. 1998 wurde der Türkei der Kan­didatenstatus für den Beitritt zugeordnet. Mir war das damals schon ein Rätsel. Warum eigentlich? – Ich halte es nicht für möglich, dass ein Land wie die Türkei, mit 68 bis 70 Millionen Einwohnern, in die EU aufgenommen wird, schon aus wirtschaftlichen Grün­den ist mir das schleierhaft. (Abg. Pirklhuber: Wegen der NATO-Mitgliedschaft!) Der Landwirtschaftssprecher der Grünen, Kollege Pirklhuber, nickt gerade zustimmend, weil allein die Finanzierungserfordernisse, die damit verbunden wären, und all das, was ei­gentlich die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union betrifft, nicht gegeben sind. So wie ich immer der Meinung war, dass, wenn man auf einmal zehn neue Mitglieder auf-


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nimmt – und heute gibt es eh schon kritische Stimmen zu einzelnen dieser Neuaufnah­men –, das auch eine Herausforderung für die Europäische Union bedeutet und dass sie das weder wirtschaftlich noch politisch noch von den Kriterien der Aufnahmefähig­keit her wirklich verkraftet hat. Hier trifft es ganz besonders zu, und daher, glaube ich, ist es wichtig, dass man dazu die entsprechenden Schritte setzt.

Historisch muss irgendwo auch ein Interesse der USA dahintergestanden sein, weil die Türkei immer eine Flanke war, ein NATO-Mitglied, sie hat die Atomraketen aufgestellt und war also da in einem wesentlichen Punkt engagiert. (Abg. Pirklhuber: Das ist es!) Es war fast wie eine Belohnungsstrategie, dass sich die USA immer dafür eingesetzt haben, dass die Türkei zur EU kommt.

Für Österreich als neutrales Land gibt es noch etwas ganz besonders Schwieriges: Wenn die Türkei Mitglied ist, sind wir schlagartig Teil eines Großraumes, der an alle wichtigen Krisengebiete anschließt, und sind dann unter Umständen gleich gezwun­gen, dass auch österreichische Soldaten in bestimmten Fällen an den Grenzen einge­setzt werden. – Das sind viele, viele Fragen, die damit in Zusammenhang stehen.

Natürlich gibt es auch wirtschaftliche Interessen: Tausende deutsche Unternehmen wie auch viele andere haben in der Türkei investiert (Abg. Pirklhuber: Auch manche ös­terreichische Firmen!), und die sind natürlich daran interessiert, dass es diesen Pro­zess der Annäherung und diesen Prozess der Kooperation gibt. Den kann es durch spezielle wirtschaftliche Beziehungen geben. Auf der Ebene kann es das ja durchaus geben, aber das muss nicht bedeuten, dass es zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei kommt. Ich bin daher immer schon aus grundsätzlichen Erwägungen und vor allem auch aus den jetzt von mir genannten Erwägungen gegen einen Beitritt der Türkei in die Europäische Union gewesen.

Also ich reduziere das jetzt nicht „bloß“ – bloß unter Anführungszeichen – auf die Fra­ge der Menschenrechte und auf die Frage, wie sie mit der Demokratie, mit den kurdi­schen und anderen Minderheiten umgehen, sondern ich glaube, dass das auch sonst nicht möglich wäre. Ehrlich gesagt, das Signal der Feierlichkeiten zum Fall Konstan­tinopels 1453, so quasi um zu signalisieren, jetzt marschiert der Islam gegen das christ­liche Abendland auf – ich interpretiere das jetzt nicht über, keiner möge mich bitte falsch verstehen, aber das ist die Optik von all dem, die rennen dort mit Papierhüten herum und feiern das –, also das ist etwas, das ich nicht nachvollziehen kann. Darin sehe ich sozusagen noch zusätzlich ein Motiv, um diese kritische Anmerkung zu ma­chen. Daher, glaube ich, ist es notwendig, dass man auch über den aktuellen Stand der Tagespolitik noch eine Anmerkung macht.

Das Verhalten der EU-Kommission kann ich auch nicht verstehen, da stimme ich mei­ner Vorrednerin zu. Eigentlich ist es ein Zuschieben der Verantwortung auf die Mit­gliedsländer, dass die sich dazu äußern, aber die Kommission könnte ja hier einmal eigene Schritte setzen. Ich erwarte, dass das noch kommt, und wir sollten dafür auch den entsprechenden Druck ausüben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

15.56


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Lopatka zu Wort. – Bitte.

 


15.56.07

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für sehr positiv, was uns heute in der Früh gelungen ist, nämlich dass wir begonnen haben, ein Signal österreichischer Parlamentarier an die Türkei auszuschicken, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Mehr als hundert Abgeordnete haben diese Erklärung mittlerweile unterschrieben. Das ist ein


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starkes Signal, und das ist das Gegenteil von dem, was die Europäische Kommission momentan kennzeichnet. Klubobfrau Glawischnig hat es mit dem Wort Zurückhaltung sehr nobel umschrieben. Man könnte noch ganz andere Worte dafür finden.

Wir müssen eines sehen: Wirtschaftlich und in der Flüchtlingsfrage ist die Türkei natür­lich für viele europäische Staaten – da ist auch Österreich direkt betroffen – ein Land, wo wir nicht sagen können, dass uns die Beziehungen zu ihm egal sind. Wir müssen natürlich sehen, dass es auch positive Entwicklungen gegeben hat, aber das soll keine Entschuldigung dafür sein und nicht heißen, dass wir die Augen verschließen müssen, wenn Menschenrechte, wenn Grundrechte so fundamental verletzt werden. Am Ende des Tages müssen wir den Mut haben, aufzuzeigen, dass Menschenrechte und Grund­rechte vor wirtschaftlichen Interessen stehen.

Das ist ein ganz entscheidender Punkt für mich, und daher sage ich Ihnen, ich halte es für gut, dass es diesen Entschließungsantrag gibt, dass wir jetzt die Debatte führen, aber das Entscheidende für mich war, dass alle sechs Fraktionen signalisiert haben, dass es für uns keine parteipolitische Frage ist, sondern eine ganz grundsätzliche Fra­ge, wie wir Abgeordnete das sehen, wenn europäische Abgeordnete in der Türkei – zu­mindest ein Teil der Türkei ist Europa – mundtot gemacht werden. Wenn Erdoğan glaubt, dass er ihnen die Stimme nehmen kann, dann sind wir umso mehr gefordert, weil es für uns ein Leichtes ist, unsere Stimme zu erheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Es gibt Punkte, die für mich unverhandelbar sind: wenn es um Menschenrechte geht, wenn es um Grundrechte geht. Auch die Frage der Visafreiheit ist genau ein Punkt, bei dem wir – selbst vor der riesengroßen Herausforderung, die Flüchtlingswelle zu bewäl­tigen – diese Positionen nicht aufgeben müssen. Da ist die Europäische Union gefor­dert, das zu tun, was ihre ureigenste Aufgabe ist – wenn wir Schengen ernst nehmen –: die EU-Außengrenzen zu schützen.

Vielleicht wachen manche in Europa nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl auf und realisieren, dass es gut ist, die eigenen Interessen selbst zu vertreten und nicht darauf zu schielen, was US-Amerika quasi als Weltpolizist für uns macht oder nicht macht. Daher sage ich, vor diesem Hintergrund war es richtig, heute diese gemein­same Erklärung seitens der Parlamentarier aufzusetzen. Es ist richtig, dass wir eine klare Position dazu einnehmen.

Nicht wir schlagen die Tür zu, es ist Erdoğan, der die Tür zu Europa zuschlägt, das ist auch deutlich zu sagen. Nicht wir sind diejenigen, die den Dialog abbrechen, es ist Er­doğan, der Schritte setzt, bei denen wir einfach nicht stumm bleiben dürfen. Die Frage der Todesstrafe ist eine, die selbst Bundeskanzlerin Merkel deutlich angesprochen hat, denn sie steht natürlich vor der größten Herausforderung.

Ihre Herausforderung ist weit größer als die unsere. Sie ist mittlerweile auf europäi­scher Ebene quasi die einzige Politikerin, die die Statur hat, europäische Interessen weltweit zu vertreten. Für mich sind daher die Erklärung, die wir heute abgefasst ha­ben, und diese Debatte etwas Grundsätzliches. Wir sollten bei dieser Debatte auch alles tun, um uns nicht auseinanderdividieren zu lassen, und aufzeigen, dass das Euro­päische Parlament vielleicht dem österreichischen Beispiel folgen und mit einer Stim­me sprechen kann.

Schicken wir heute das Signal aus, dass das österreichische Parlament mit einer Stim­me spricht! Die Erklärung ist diese Stimme. (Beifall bei ÖVP und Team Stronach.)

16.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort. – Bitte.

 



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16.00.51

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich glaube, dass alles, was heute gesagt worden ist, im Prinzip richtig ist. Einiges greift allerdings zu kurz.

Unser Entschließungsantrag, den Kollege Lopatka dankenswerterweise und lobend er­wähnt hat, ist gut, er ist ein erster Schritt, er ist aber leider auch nicht das, was er sein könnte, vor allem zur Frage des Beitritts. Wir haben uns hier nicht durchgesetzt. Wir wollten das Ganze nicht zu Fall bringen und haben daher einem Kompromiss zuge­stimmt.

Alle, zumindest die beiden Großparteien, haben aber klargestellt, dass es einen Beitritt der Türkei, einen Vollbeitritt zur Europäischen Union, nicht geben soll, nicht geben wird und nicht geben darf. Trotzdem sind wir immer noch nicht in der Lage, das, was wir hier verbal verkünden – seit mittlerweile zweieinhalb Jahren höre ich das unisono von beiden Parteien –, endlich einmal auch zu verschriftlichen und in eine Willenserklärung des Parlaments zu packen. Das ist eigentlich beschämend – „beschämend“ ist so ein großes Wort, aber es geht fast in diese Richtung.

Warum steht jetzt in der Resolution der Abgeordneten nicht, dass die österreichische Regierung und ihre Vertreter ersucht werden, in den entsprechenden europäischen Ins­tanzen darauf zu drängen, dass die Verhandlungen mit der Türkei abgebrochen wer­den, ohne Wenn und Aber? – Das steht nicht drinnen, sondern es steht wieder nur drin­nen: „ausgesetzt“ oder abgebrochen werden. „Ausgesetzt“, das ist das, was im Antrag der Grünen steht und was wir eigentlich genau nicht wollen. (Abg. Aslan: Falsche Ein­schätzungen!) Was hier im Antrag verlangt wird, ist – so heißt es hier –, „dass die Bei­trittsverhandlungen mit der Türkei formell ausgesetzt werden, bis demokratische Min­deststandards wieder eingehalten werden“.

Das heißt also – anders herum gedacht –, dann, wenn demokratische Mindeststan­dards eingehalten werden, den Beitritt zu forcieren beziehungsweise die Beitrittsver­handlungen fortzusetzen. Kollege Lopatka und der Kollege von der SPÖ haben ziem­lich klar gesagt, dass das aus vielen Gründen nicht sinnvoll ist. Ich glaube, dass dieser Beitritt ein Wahnsinn wäre, dass er nicht finanzierbar ist, dass er die Europäische Uni­on endgültig in die Luft sprengen würde, dass wir dann einen Spagat machen zwischen Kultursystemen, die sicherlich auch in einer nur losen Föderation nicht zusammenpassen.

Ich darf darauf hinweisen: Die Türkei war 500 Jahre plus/minus die Führungsmacht der islamischen Welt. Der Sultan war bis zu seiner Entmachtung 1911 oder 1916 der Hüter der heiligen Stätten, also das, was heute die Saudi-Araber sind; aber die Saudi-Araber sind keine Führungsmacht in der islamischen Welt, das ist ja fast die Karikatur eines Staates. Es gibt ja keinen anderen, und es ist nur logisch, dass das Erdoğan-Regime wieder in diese Rolle schlüpft; und aus dieser Rolle wird die Türkei freiwillig nicht he­rausgehen, weil es keine anderen bedeutenden islamischen Staaten mehr gibt.

Ich appelliere deshalb noch einmal an die Kollegen. Ich weiß, die Grünen haben klar­gestellt, dass sie den Abbruch nicht wollen. – Okay, dann müssen sie vor den Leuten vertreten, dass sie eigentlich die Türkei, wenn sie demokratische Mindeststandards einhält, in der Europäischen Union wollen. Dann bitte ich aber Kollegin Glawischnig, das klar zu sagen: Wir wollen den Beitritt der Türkei, sobald sie die Mindeststandards einhält!, und nicht herumzureden.

Die anderen Parteien, die sagen, sie wollen den Beitritt aus prinzipiellen Gründen nicht – Mindeststandards hin oder her –, bitte ich, doch endlich nicht über den Schat­ten, aber sozusagen über die unsichtbare Hürde, die sich jeder gelegt hat, zu springen und das, was wir wollen, was wir verbal verlangen, auch in einem Antrag zu verschriftli­chen.


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Wir werden der Fristsetzung für den Entschließungsantrag zustimmen, auch wenn es jetzt dieses lobenswerte Dokument, das 100 Abgeordnete unterschrieben haben, gibt, weil wir der Ansicht sind, das gehört entschieden und diskutiert. Wir ersuchen aber jetzt schon alle, die sich damit beschäftigen, zu überlegen, ob man nicht endlich eine Entschließung beschließt, worin alle aufgefordert werden, diese Gespräche abzubre­chen. (Abg. Aslan: … Sie machen nur Erdoğan einen Gefallen damit!)

Ich weise darauf hin, dass der Nichtabbruch auch dazu führt, dass man der Türkei knapp 1 Milliarde Euro im Jahr als Heranführungshilfe bezahlt, und solange diese Ge­spräche scheinbar am Leben erhalten werden, kann die Milliarde fließen. Ist das eine konsequente Politik? – Ich glaube, nicht. Viel mehr ist dazu nicht zu sagen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Lopatka.)

16.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wind­büchler-Souschill. – Bitte.

 


16.05.27

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind alle ob der sukzessiven Abschaffung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei alarmiert. Das ist unser gemeinsamer Befund, das ist überhaupt keine Frage. Da geht es nicht nur um Verhaftungen politisch Andersdenken­der, es geht auch um die willkürliche Anwendung dieser sogenannten Antiterrorgeset­ze, die auch – meine Kollegin Eva Glawischnig hat es erzählt – auf Menschen, die in Österreich, in Europa leben und aus der Türkei stammen oder kurdischstämmig sind, Auswirkungen haben. Diese Auswirkungen gibt es, und wir dürfen sie nicht ignorieren. Das Ende von Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Aushebeln jeglicher rechts­staatlicher Systeme, das alles ist nicht nur inakzeptabel, keine Frage, es ist auch ge­fährlich, gerade auch außenpolitisch gefährlich.

Es ist gefährlich für die Bevölkerung in der Türkei, es ist gefährlich für die schon im­mens instabile Situation der gesamten Region, und es ist auch für die Europäische Uni­on gefährlich. Diese Befunde teilt die Europäische Kommission genauso, wie Sie sie mit uns teilen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Befunde und Analysen sind richtig und wichtig, aber es ist auch wichtig beziehungsweise umso wichtiger, gerade in diesen Situationen konkrete, unmissverständliche Schritte zu setzen, Maßnahmen auch tatsächlich zu setzen.

Die Erklärung aller Abgeordneten heute war ein guter und richtiger Schritt, das ist über­haupt keine Frage. Es ist ein klares Zeichen des Parlaments, aber das ist weder ver­bindlich, noch sind alle Punkte inkludiert, die wir in diesem Entschließungsantrag ha­ben. Es geht um das Aussetzen der Beitrittsverhandlungen, damit eben, so wie Eva Gla­wischnig es auch schon erwähnt hat, nicht ganz die Tür zugeschlagen wird, sondern die Bereitschaft zum Dialog klar signalisiert wird. Es geht nämlich auch um die Bevöl­kerung innerhalb der Türkei, die möglicherweise Erdoğans Stil nicht honoriert, sondern, ganz im Gegenteil, auch klar dagegen votieren will. Deshalb braucht es nur die Aus­setzung und auf keinen Fall den Abbruch, um die Türen nicht ganz zuzuschlagen.

Es braucht weiters dringend die Aussetzung jener Heranführungshilfen an die Europäi­sche Union für die Türkei – diese vielen Millionen Euro –, die eben tatsächlich auch Er­doğan und der AKP-Regierung zugutekommen, seien es Infrastrukturprojekte et cete­ra. Da muss genau hingeschaut werden, doch dieser Punkt ist in der gemeinsamen Er­klärung leider nicht enthalten, obwohl er für uns extrem wichtig ist, weil es ein klares Zeichen, ein klares Symbol und ein Stoppschild ist, dass nicht so weit gegangen wer­den darf. (Beifall bei den Grünen.)


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Noch mehr braucht es weiters klare Aussagen vonseiten der Europäischen Kommis­sion, auch mit Empfehlungen nach dem Fortschrittsbericht, wie die Europäische Union und die einzelnen Mitgliedsländer mit den Entwicklungen weiter umgehen sollen.

Es braucht den Dialog mit den Vertretern und Vertreterinnen der Kurdinnen und Kur­den – das ist überhaupt keine Frage –, und es braucht auch die Reaktivierung des Frie­densprozesses. All das, was jetzt passiert ist, bedeutet ein Aus für die Weiterführung des Friedensprozesses. Das ist genau das, was wir nicht nur kritisieren, sondern was wir vonseiten Österreichs und der österreichischen Bundesregierung auch nicht wollen können. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb ist dieser Entschließungsantrag so wichtig, denn er wäre auch eine verbind­liche Maßnahme, nicht nur vom Parlament – und ein starkes Parlament mit klaren Aus­sagen ist das, was wir uns immer wünschen –; es gibt auch eine Bundesregierung und einen Außenminister. Die Mitglieder der Bundesregierung, die jetzt verschiedenste Aus­sagen tätigen, haben ebenfalls einen klaren, einheitlichen Weg zu gehen, der das, was wir als Parlamentarier/Parlamentarierinnen wollen, noch einmal stärkt. Genau das ent­hält dieser Entschließungsantrag.

Die Appeasement-Politik gegenüber der Türkei muss aus unserer Sicht jedenfalls ein Ende haben. Wir brauchen uns alle gemeinsam nicht vor der Beendigung des EU-Türkei-Deals zu fürchten – keine Frage. Die EU ist stark genug, und die EU hat alle Mög­lichkeiten, tatsächlich gut harmonisiert mit der Krise, die in Syrien noch immer besteht, umgehen zu können.

Sebastian Kurz ist aufgefordert, klare Schritte zu setzen; darauf zielt dieser Antrag ab. Es ist notwendig, dass wir als Parlament noch stärker in diese Richtung gehen und sa­gen: Wir wollen diese Entwicklungen in der Türkei nicht, und wir wollen diese gefährli­che Situation auch für die Bevölkerung in der Türkei nicht! (Beifall bei den Grünen.)

16.10


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort. – Bitte.

 


16.10.28

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wir lesen es andauernd in der Zeitung, haben auch heute schon viel darüber gehört, wohin sich die Türkei momentan entwickelt: sei es die Diskussion über die Wiederein­führung der Todesstrafe; sei es die Verhaftung von oppositionellen Abgeordneten; sei es jetzt im Fortschrittsbericht der EU, der in Bezug auf die Türkei vernichtend ausfällt; sei es die Tatsache, dass vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in den letzten Wochen mehr als 850 Klagen eingegangen sind; sei es die massive Ein­schränkung der Meinungs- und Medienfreiheit in der Türkei und der Umgang mit Jour­nalistinnen und Journalisten.

Ich halte – und das zu erwähnen ist mir wichtig – diese zwei letzten Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte für besonders sensibel, nämlich die Frage, wie mit Jour­nalistinnen und Journalisten umgegangen wird. Wir alle wissen: Wenn Journalisten und Medien nicht mehr ihre Meinungsfreiheit ausüben können, wissen auch wir am Schluss überhaupt nicht mehr, welche anderen Grundrechtsverletzungen in der Türkei passie­ren. Im vollen Bewusstsein, dass alle Grund- und Freiheitsrechte gleichwertig sind, muss man trotzdem sagen, dass das das einzige Grundrecht ist, das es überhaupt er­möglicht, dass andere Menschenrechtsverletzungen angeprangert werden. Wenn das so massiv wie jetzt in der Türkei eingeschränkt wird, dann wissen wir am Schluss überhaupt nicht mehr, was dort passiert.

Darüber hinaus ist natürlich der nächste Schritt, und das ist quasi das Ende der Spirale nach unten, die Frage der Immunität der Abgeordneten, die die Letzten sind, die dann


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noch die Möglichkeit haben, etwas anzuprangern. Wenn sie jetzt auch noch ihrer Im­munität beraubt werden und nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Meinung frei zu äu­ßern, werden wir von dem, was in der Türkei passiert, gar nichts mehr mitbekommen. Dementsprechend ist das, was da in den letzten Wochen passiert ist, besonders ver­störend.

Ich glaube, dass wir ganz massiv bei den IPA-Geldern ansetzen müssen. Schauen wir uns an, wie viel in den letzten Jahren an die Türkei ausgezahlt wurde: Von 2007 bis 2020 werden es knapp 10 Milliarden Euro an Förderungen im Bereich der Umwelt und des Verkehrs, aber auch im Bereich der Demokratisierung sein. Wir sehen, dass wir Geld ausgegeben haben, um die Türkei weiter zu demokratisieren und für Grund- und Freiheitsrechte – das Ergebnis war jedoch das genaue Gegenteil. Das heißt, dass Geld auch verwendet wurde, um Grund- und Freiheitsrechte einzuschränken. Da müssen wir also ganz massiv ansetzen. Deswegen – und das ist vielleicht ein Kritikpunkt, den auch die Freiheitlichen schon geäußert haben – finde ich den Antrag der Grünen auch ein wenig zu zögerlich.

Also es gab die Kritik, dass die Europäische Kommission zu zögerlich ist und dass das ein bisschen Appeasement ist. Aber das, finde ich, trifft in diesem Zusammenhang auch ein wenig zu, denn da auch wieder nur Teile der IPA-Fördergelder auszusetzen oder die Beitrittsverhandlungen nur einmal formell auszusetzen, ist mir persönlich auch zu wenig.

Wir haben die gemeinsame Pressekonferenz bereits vorgestern gehabt. Wir können schon darüber diskutieren, wo der größte Hebel ist, und darüber, was Erdoğan mehr beeindruckt: wenn wir mehr Gelder einfrieren oder weniger.

Mir persönlich ist es aber mittlerweile ziemlich egal, was Erdoğan beeindruckt, weil da eine Grenze überschritten ist, was so nicht hinzunehmen ist. Die einzig richtige Antwort ist: kein Cent mehr in die Türkei, ganz klar reagieren, was die Beitrittsverhandlungen betrifft, nämlich klar sagen, hier gibt es keine Chance auf einen Beitritt – und das müs­sen sowohl die Europäische Kommission als auch wir im österreichischen Parlament in dem Zusammenhang ganz klar äußern.

Wenn wir, die Europäische Union, bei diesen massiven Verletzungen der Grund- und Freiheitsrechte, bei diesen massiven Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit und der De­mokratie nicht ganz klar sind und nicht ganz klar sagen, was unsere Wertvorstellungen sind, wie wir Grund- und Freiheitsrechte verstehen, dann müssen wir uns im Endeffekt auch eingestehen, dass es die Europäische Union nicht mehr brauchen wird – wenn wir so etwas akzeptieren und weiterhin Gelder an die Türkei überweisen.

Dementsprechend glaube ich, dass es klar sein muss, dass wir – und da würden wir weiter gehen – die Heranführungshilfen komplett aussetzen müssen. Es kann keinen Cent mehr geben, denn wir wissen nie genau, wo die finanzielle Hilfe ankommt und wie Erdoğan diese Gelder verwendet. Es kann nicht sein, dass die Europäische Union auch nur einen einzigen Cent dafür ausgibt, dass Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Men­schenrechte unterdrückt werden. Deswegen muss ganz klar sein, dass es hier keinen Cent gibt. Das ist das einzige deutliche Zeichen, dass wir, die Europäische Union, hier setzen können. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

16.14


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Klubobmann Lugar. – Bitte.

 


16.14.59

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (STRONACH): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mei­ne sehr geehrten Fernsehzuschauer! Wir sprechen heute über die Türkei, und da muss man einmal einiges über dieses Land erzählen. Es geht nicht nur darum, dass jetzt die


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Demokratie gefährdet ist. Die Probleme, die wir mit der Türkei haben, liegen noch viel weiter zurück.

Wenn man sich den IS und diese große Bedrohung, die wir mittlerweile alle verstanden haben, für die freie Welt und für all das, was uns lieb und teuer geworden ist, ansieht, dann muss man wissen, dass die Türkei den IS nicht nur ermöglicht hat, sie hat ihn auch unterstützt. Über Jahre hat die Türkei den IS unterstützt und ihm geholfen, weil er gewisse Ziele, die der Türkei einfach in den Kram gepasst haben, verfolgt hat.

Die Türkei hat auch über viele Jahre verhindert, dass man effektiv gegen den IS kämp­fen konnte. Erst nach gewaltigem Druck von allen Seiten hat die Türkei einge­lenkt und dann angeblich auch bei dieser Allianz gegen den IS mitgemacht. Nur hat sie dann et­was gemacht, was anscheinend hier im Haus niemanden stört: Bei ihren Ausflügen zum Bombardieren des IS haben sie auch noch, weil es gerade praktisch ist, ein biss­chen die Kurden mitbombardiert. Ich höre nirgends einen Aufschrei. Ich höre keinen Auf­schrei, wenn ein Land, das noch dazu in der NATO ist, in einem Nachbarland wild, so wie es ihm gerade gefällt, herumbombardiert.

Es betrifft noch dazu die Kurden, die als Erste gegen den IS gekämpft haben und von uns und der Weltgemeinschaft immer dafür gelobt wurden, dass sie sich einsetzen, um dieses Unrechtsregime endlich von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Da gehen die Türken her und bombardieren einfach die Kurden, die ja gegen den IS kämpfen. – Das interessiert anscheinend niemanden. Das war schon vor Monaten und noch lange bevor sich die Türkei entschlossen hat, eine Diktatur zu werden – und das alles als NATO-Mitglied! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Alle NATO-Mitglieder sind stabile Demokratien. Die Türkei macht jetzt den Schritt Rich­tung Diktatur, und die NATO kümmert das anscheinend nicht. (Abg. Matznetter: … wa­ren aber auch NATO-Mitglied, als sie noch eine Militärdiktatur waren! Griechenland auch, übrigens!) – Ja, richtig, nur mittlerweile sind das alles Demokratien, und jetzt ist die Ge­fahr, dass die Türkei eine Diktatur wird, mitten in der NATO.

Was machen die USA? – Nichts. Es gibt keinen Druck vonseiten der USA. Es gibt nicht einmal einen Druck vonseiten der EU, obwohl uns die Türkei permanent erpresst. Ich habe es noch in den Ohren: Wenn wir nicht die Visafreiheit machen, dann schicken sie uns die Flüchtlinge! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das soll ein Partner für die Europäische Union sein?

Wissen Sie, warum die Türkei die Visafreiheit will? – Viele haben mich gefragt, was der Hintergrund ist. Der Hintergrund ist ganz einfach: Die Türkei ist gerade dabei, zu säu­bern, von all jenen, die sie nicht im Land haben will, und da sind die Kurden ganz vorne mit dabei, und die werden dann im Rahmen der Visafreiheit nach Europa, in die Eu­ropäische Union geschickt. Das ist der Hintergrund. Das heißt, Erdoğan will diese Vi­safreiheit, um uns dann all diejenigen zu schicken, die er in seinem Land nicht haben will. Genau das ist der Punkt.

Wenn die Türkei den IS unterstützt und darauf schaut, dass der Krieg in Syrien nicht aufhört, sind es zwei Protagonisten, die ganz stark vorne mit dabei sind: Das ist die Türkei mit Unterstützung der USA; die wollen nicht, dass der Krieg dort aufhört. Die Türkei will es nicht, weil Assad den Kurden dort ein Lebensgebiet angeboten hat und immer noch anbietet. Die USA wollen nicht, dass der Krieg aufhört, weil sie Assad mit aller Gewalt weghaben wollen.

Jetzt hoffe ich, dass mit Trump jemand kommt, der sich um sein eigenes Land küm­mert und nicht permanent in der ganzen Welt für Unruhe sorgt und den Krieg am Leben erhält, denn genau das ist der Punkt. Ich habe mit einem Militärexperten gespro­chen, und dieser sagte mir, ein Konflikt wie jener in Syrien wäre in drei Monaten be­endet, wenn nicht von außen permanent Waffen und Munition geliefert würden. Drei


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Monate würde es dauern, denn dann gibt es keine Waffen und vor allem keine Mu­nition mehr, mit der man schießen kann. Die produzieren die Munition ja nicht selbst, sondern die bekommen sie von den USA, von der Türkei und von anderen. Deshalb könnte man den Krieg sofort beenden – aber das will man nicht.

Deshalb habe ich gestern gesagt, ich bin froh, bei all den Schattenseiten, die Herr Trump hat, dass nicht Hillary Clinton Präsidentin wurde, denn sie hätte darauf ge­schaut, dass dieser Krieg immer weitergeht – mit all den Folgen, die wir auch in Öster­reich dadurch haben.

Bei Trump ist die große Hoffnung – das hat er auch schon anklingen lassen –, dass er diesen Krieg endgültig beendet, und zwar mit einem Federstrich, indem er einfach auf­hört, Waffen zu liefern. So einfach ist das. (Beifall beim Team Stronach.)

16.20

16.20.17

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen, dem Außenpolitischen Ausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 1887/A(E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei eine Frist bis zum 13. Dezember 2016 zu setzen.

Wer sich für diesen Fristsetzungsantrag ausspricht, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

16.21.11Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Doris Bures: Damit nehme ich die Verhandlungen über die Punkte 7 bis 13 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


16.21.37

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Ga­lerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Wir kehren wieder zurück zur allgemei­nen Tagesordnung, und zwar geht es um die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales, wobei ja die Tagesordnungspunkte 7 bis 13 unter einem verhandelt werden. Die Tagesordnungspunkte 9 bis 11 – Anträge, eingebracht von der freiheitlichen Frak­tion – beschäftigen sich hauptsächlich mit dem Arbeitsmarkt, mit der Schließung des Ar­beitsmarkts. Dazu gibt es einen Beschluss der Arbeiterkammer Burgenland.

Herr Kollege Hauser, du bist ja der Tourismussprecher der Freiheitlichen Partei. Ich kann mich noch sehr gut an die gestrige Diskussion über den Tourismus erinnern. Wenn ich hier lese, womit wir uns jetzt beschäftigen – den Antrag, eingebracht von der Freiheit­lichen Partei –, nämlich eine Schließung des Arbeitsmarkts nach außen hin und eine massive Aufstockung der Finanzpolizei – das habe ich in der ersten Wortmeldung von euch gehört –, so muss ich sagen: Wir wissen, dass wir jetzt schon Kontrollen haben, die eigentlich nicht mehr besser sein können. Wir haben gestern auch von eurer Frak­tion, auch berechtigterweise, gehört, dass dieser Kontrollwahn im Grunde genommen ge­stoppt werden soll.

Du als Tourismussprecher bist ja selbst in einer Tourismusgemeinde zu Hause. Du wirst ja wohl hören, was deine Kollegen zu dir sagen, wie viele Kontrollen wir regel-


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mäßig in den Tourismusbetrieben auch von der Finanzpolizei haben. Und du kennst auch die Problematik auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben auf der einen Seite circa 400 000 Arbeitslose, und auf der anderen Seite – die Wintersaison steht vor der Tür – wissen wir, wie viele Stellen in der Tourismusbranche noch frei sind, die wir nicht be­setzen können.

Ich glaube, dass wir jetzt mit einer Schließung des Arbeitsmarkts – über die Grenzen hinaus – dieses Problem sicherlich nicht lösen können, sondern ich glaube, wir müssen uns grundsätzlich auch einmal damit auseinandersetzen, wie die Zumutbarkeitsbestim­mungen sind, damit die Menschen schwerpunktmäßig eher wieder vermehrt arbeiten gehen, als dass sie die Zumutbarkeitsbestimmungen – was auch jedem zusteht, über­haupt keine Frage – ausnützen und eher in die Mindestsicherung hineinkommen. Des­halb gibt es ja momentan auch diese Pattstellung zwischen ÖVP und SPÖ, was die Min­destsicherung betrifft.

Ich denke, damit müssen wir uns im Kern einmal auseinandersetzen, sodass die Men­schen in diesem Land wieder wissen und spüren, dass es einen massiven Unterschied gibt zwischen jenen, die auch manchmal unter schwierigen Bedingungen in den Ar­beitsmarkt hineingehen, und jenen, die manchmal wirklich nicht können, aber zum Teil auch nicht wollen und eher das Sozialnetz in Anspruch nehmen. Das soll man sich in der Tiefe anschauen, um das dort zu regeln.

Wie gesagt, es kann nicht sein – Kollege Schellhorn ist darauf in der Tiefe ja schon ein­gegangen –, dass wir circa 400 000 Arbeitslose haben und trotzdem viele Stellen, ge­rade in der Tourismusbranche, frei sind. Wir wissen, dass viele Jobs, gerade Hilfsarbei­terarbeiten, von Einheimischen nicht mehr gemacht werden. Hätte die Tourismusbran­che, gerade im Hilfsarbeiterbereich, nicht die Möglichkeit, auch Ausländer anzustellen, würde der Tourismus in Österreich nicht funktionieren.

Eines möchte ich kurz auch noch sagen: Österreich hat circa 140 Millionen Nächti­gungen. Wir sind nicht in der Lage, die ganze Arbeit mit heimischen Arbeitskräften quer durch die Bank abzudecken. Das ist nicht wie in anderen Branchen. Österreich ist ein Exportland. Jeder zweite Arbeitsplatz hängt von der Exportindustrie ab. Wir sind nicht mehr in der Lage, das mit heimischen Arbeitskräften abzudecken, deshalb können wir den Arbeitsmarkt nach außen hin auch nicht schließen.

Eines muss aber auch klar sein: Es gibt viele einheimische Leute, die wirklich die Mög­lichkeit hätten, zu arbeiten, die aber diese freien Stellen aufgrund der Bedingungen nicht annehmen müssen. Damit müssen wir uns einmal in der Tiefe auseinanderset­zen. (Abg. Peter Wurm: Wann?)

Wie gesagt, Grenzen bei den Zumutbarkeitsbestimmungen sind zu setzen. Diese müs­sen auch für die Mitarbeiter zumutbar sein, aber so, wie es momentan ist, ist das leider zu locker, und deshalb haben wir mit diesem Problem zu kämpfen. Wir werden diese Anträge deshalb auch ablehnen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

16.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Spindelberger. – Bitte.

 


16.26.55

Abgeordneter Erwin Spindelberger (SPÖ): Wie wir bei der vorhin abgehaltenen Kurz­debatte feststellen konnten, lieber Gerald Loacker, hast du anscheinend ein Stecken­pferd, und das Steckenpferd sehe ich so, dass du dich auf die Sozialversicherung ein­schießt, denn anders kann ich das nicht nennen.

Beim vorliegenden Antrag geht es darum, dass du Sozialminister Stöger aufforderst, da­rauf einzuwirken, dass künftig eine Anhäufung von Vermögen in der Sozialversicherung beziehungsweise bei den einzelnen Trägern nicht mehr möglich sein soll. Du gründest


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deinen Antrag auf einen Rechnungshofbericht, der zwei Jahre zurückliegt, in dem da­mals – zugegebenermaßen – umfangreiche Probleme mit dem Vermögensmanagement zutage getreten sind.

Du hast in deinem Antrag richtigerweise darauf hingewiesen, dass auf wesentliche Punk­te dieses Rechnungshofberichts bereits reagiert wurde – nicht zuletzt auch deshalb, weil mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz aus dem Vorjahr die Weichenstellungen in die richtige Richtung vorgenommen wurden. Und mit dem im Vorjahr beschlossenen Gesetz sind meines Erachtens wirklich weitreichende Schritte aufgrund des Rechnungs­hofberichts unternommen worden.

So regelt unter anderem – das weißt du ohnehin genau – § 446 ASVG, also des Allge­meinen Sozialversicherungsgesetzes, wie diese verfügbaren Mittel, falls sie überhaupt vorhanden sind – jedem Sozialversicherungsträger geht es ja nicht gut –, anzulegen sind. Darauf aufbauend hat ja auch der Hauptverband detaillierte Richtlinien erarbeitet, die ganz genau regeln, wie die vorhandenen Vermögen anzulegen sind.

Wenn zum Beispiel in deinem Antrag davon die Rede ist, dass die Allgemeine Unfall­versicherungsanstalt über ein Finanzvermögen von 489 Millionen € verfügt, dann möchte ich schon anmerken, dass diesem Sozialversicherungsträger allein durch die von uns hier im Hohen Haus beschlossene Reduzierung des Unfallversicherungsbeitrags für Un­ternehmer um 0,1 Prozent jährliche Mindereinnahmen von 90 Millionen € entstehen.

Bei den Gebietskrankenkassen denke ich nur daran, dass uns allein durch die enor­men jährlichen Steigerungen bei den Medikamentenkosten auch Zusatzkosten in Mil­lionenhöhe entstanden sind, die ja auch irgendwie abgedeckt werden müssen.

Daher glaube ich – abschließend –, dass die von dir geforderte Obergrenze auch ver­fassungsrechtlich nicht halten würde, weil eine Vermögensverschiebung zwischen den unterschiedlichsten Trägern meines Erachtens so nicht möglich wäre. Zwischen den Krankenversicherungsträgern – das weißt du ganz genau – findet im Rahmen der be­stehenden Regelungen ohnehin über den Ausgleichsfonds ein Vermögensausgleich statt. (Beifall bei der SPÖ.)

16.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Hammer. – Bitte.

 


16.30.10

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir diskutieren ja unter den jetzt zur De­batte stehenden Tagesordnungspunkten – und auch im Rahmen der vorangegangenen Kurzdebatte nahmen wir schon darauf Bezug – viele umfangreiche Themen, die im Zu­sammenhang mit der Sozialversicherung stehen. Speziell auf den Antrag des Kollegen Loacker wurde gerade sehr ausführlich von Kollegen Spindelberger Bezug genommen.

Ich darf das eigentlich nur mehr unterstreichen. Ich glaube, grundsätzlich ist diese The­matik auch von meinem Kollegen Wöginger schon ausgeführt worden, dass nämlich diese Rücklagen grundsätzlich Rücklagenbildungen sind, die in schwierigeren Zeiten, sprich bei einer Grippewelle oder bei besonderen Herausforderungen, herangezogen werden können, und diese Ausgleiche auch entsprechend stattfinden. Dieses Thema – wir haben es ja schon öfter diskutiert – kann man grundsätzlich so bestehen lassen, auch im Zusammenhang dessen, dass generell derzeit betreffend Sozialversicherung ei­ne Studie erstellt wird.

Diese Studie wurde schon des Öfteren angesprochen. Herr Kollege Loacker, Sie brin­gen ja immer wieder Anträge zu diesem Themenbereich ein. Ich glaube, wir sollten uns einmal so weit verständigen, dass wir sagen, wir warten die Ergebnisse dieser Studie ab und diskutieren auf deren Basis weitere Schritte, wo es um die Vereinheitlichung,


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die Harmonisierung des Beitrags- und Leistungsrechts geht, wo es um die Hebung von Effizienzpotenzialen geht. Diskutieren wir auf dieser Basis, und treiben wir uns da nicht gegenseitig immer, wenn das ohnehin gerade in Arbeit ist!

Im Zusammenhang mit der Sozialversicherungsdiskussion wurde auch die Frage So­zialversicherungsbeitrag in der Landwirtschaft angesprochen. Nur eine persönliche Stel­lungnahme dazu, ich finde das bei solchen Diskussionen schon ein bisschen be­fremdlich: Wir sind uns alle darüber einig, dass die Situation der Landwirtschaft unbe­stritten schwierig ist, alle bekennen sich immer wieder in Reden dazu, dass wir regio­nale beste Lebensmittel produziert haben wollen, eine gepflegte Kulturlandschaft ha­ben wollen, aber wenn es darum geht, wirklich konkrete Hilfestellungen zu geben, dann gibt es eine Diskussion, die nicht nachvollziehbar ist. Ich halte das wirklich eher für befremdlich. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Satz auch zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung, da Kollegin Kucharowits die Diskussion auch zu diesem Themenbereich aufgenommen hat. Ich glaube, es ist ein­fach unsere Pflicht, mehr Gerechtigkeit in das System zu bringen. Es ist nicht nachvoll­ziehbar, dass jemand, der 40 Stunden einer Erwerbsarbeit nachgeht, am Ende weniger hat als ein Mindestsicherungsbezieher. Gerade diese Gerechtigkeit wird von den Bür­gern eingefordert. Nicht mehr haben wir zu tun, als diese Gerechtigkeit mit der von uns vorgeschlagenen Deckelung zu erreichen, um das System einfach gerechter zu ma­chen. Mehr will keiner im Land. Es ist nach wie vor ein wirksames Instrument zur Ar­mutsbekämpfung, aber es soll nicht als ungerecht empfunden werden. Und da braucht es Maßnahmen. (Beifall bei der ÖVP.)

16.32


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hell. – Bitte.

 


16.32.53

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf noch einmal kurz auf den Antrag 1826/A des Abgeordneten Loacker betreffend Freiwilligengesetz eingehen. Der Antragsteller er­kennt ja im Freiwilligen Integrationsjahr grundsätzlich ein geeignetes Instrument, Flücht­linge besser in unsere Gesellschaft zu integrieren. Es werden da trotzdem einige ge­setzliche Maßnahmen verlangt. Dazu zählen ein nicht auf die Mindestsicherung anzu­rechnendes Taschengeld für Asylberechtigte, eine Ausweitung des Einsatzgebiets auf Gemeinden, die Anrechnung von beruflichen Weiterbildungsangeboten und die Erleich­terung der Auflagenerfüllung für die Träger.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Asylberechtigte können seit 2016 ein Frei­williges Integrationsjahr absolvieren. Dieses Freiwillige Integrationsjahr soll Jobchancen für Asylberechtigte verbessern und Integration im Sinne einer Einbeziehung in das ös­terreichische Gesellschaftsleben bringen. Es ist kein Arbeitsverhältnis, es ist vergleich­bar mit dem Freiwilligen Sozialjahr, also eine Mischung aus Ausbildungsverhältnis und Freiwilligentätigkeit. Anbieten können dieses Freiwillige Integrationsjahr all jene Organi­sationen, die durch Bescheid anerkannte Träger sind und Zivildiensteinrichtungen, die somit auch organisatorisch und qualitativ in der Lage sind, dies abzuwickeln. Teilneh­mer an diesem Freiwilligen Integrationsjahr beziehen eine Bedarfsorientierte Mindestsi­cherung. Das Gesetz sieht derzeit grundsätzlich kein Taschengeld vor, es ist aber den Trägern freigestellt, Taschengeld auszubezahlen.

Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass Österreich mit der Einfüh­rung des Freiwilligen Integrationsjahrs Asylberechtigten eine Möglichkeit bietet, am ge­sellschaftlichen Leben teilzunehmen, um verbesserte Arbeitsmarktchancen für die Zu­kunft zu erwerben. Ich sehe daher keine Notwendigkeit, dass wir dieses Gesetz hier än­dern. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 143

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


16.35.24

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Zum Thema Änderung des Freiwilligengesetzes: Eine allfällige Änderung des Freiwilligengesetzes soll zur Folge haben, dass anerkannte Flüchtlinge sowie sub­sidiär Schutzberechtigte, deren Lebensunterhalt über die Mindestsicherung finanziert wird, in einem Freiwilligenjahr als Vorbereitung für die Einbindung in den Arbeitsmarkt für soziale Leistungen eine Entschädigung erhalten sollen, welche mit der Mindestsi­cherung nicht gegengerechnet werden soll. Mit dieser Maßnahme soll ein Beitrag zur Integration geleistet werden.

Diesem Antrag ist aber aus meiner Sicht wie folgt entgegenzuhalten: Anerkannte Flücht­linge sowie subsidiär Schutzberechtigte haben Anspruch auf Mindestsicherung, ohne jemals in das Sozialsystem eingezahlt zu haben. Der heimische Arbeitsmarkt ist von langfristiger, hoher Arbeitslosigkeit geprägt, und somit stellt die Vorbereitung von Frem­den auf den Arbeitsmarkt eine Benachteiligung heimischer Arbeitsloser dar. Solange es nicht gelingt, einheimische arbeitslose Personen erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist die Einbindung Fremder nicht nachvollziehbar.

Zu berücksichtigen ist neben sprachlichen Defiziten auch deren fachliche Minderqualifi­kation. Wenngleich seitens der Wirtschaftskammer Betrieben, welche sich zur Beschäf­tigung anerkannter Flüchtlinge verpflichten, namhafte Unterstützungen angeboten wer­den, sind deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt als gering einzustufen. Dem Anspruch auf Mindestsicherung sind zumindest geringfügige Tätigkeiten ohne weitere Bezahlung als Voraussetzung anzurechnen. Dies wäre meiner Meinung nach der bessere Weg. Der Antrag ist daher aus meiner Sicht abzulehnen. – Danke.

16.37


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Franz. – Bitte.

 


16.37.46

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit)|: Frau Präsident! Herr Mi­nister! Hohes Haus! Das Thema dieses Tagesordnungspunktblocks ist der Kassasturz in der Sozialversicherung. Ein Kassasturz ist immer auch eine Bestandsaufnahme. Wenn man das aus der Geschichte heraus betrachtet, haben wir doch einige Erfolge zu verzeichnen. Wir hatten im Jahre 1890 in diesem Land – das war damals noch Ös­terreich-Ungarn – immerhin 3 000 Krankenkassen bei 40 Millionen Einwohnern. Heute, im Jahre 2016, haben wir nur mehr 34 Kassen bei acht Millionen Einwohnern. Wenn man das extrapoliert und sich weiter ausrechnet, dann werden wir in 120 Jahren eine Kasse haben. Dann hat man das Ziel erreicht, das sehr viele in diesem Hohen Haus an­streben.

Aber Spaß beiseite! Beim Kassasturz geht es ganz vordringlich immer um die Verwal­tungskosten, die in Österreich sehr seltsam berechnet werden. Das war heute schon einige Male das Thema. Wir müssen uns genauer anschauen, was die Wissenschafter, die sich damit wirklich professionell beschäftigen, herausrechnen. Von den Sozialversi­cherungen wird immer gesagt, es gebe Verwaltungskosten zwischen 2 Prozent und ma­ximal 4 Prozent und das wäre eines der billigsten und günstigsten Systeme der Welt.

Das stimmt so nicht! Wenn man die unverdächtigen Gesundheitsökonomen Czypionka und Pichlbauer dazu liest, dann kommt man auf einen Satz von insgesamt ungefähr 9 Prozent, manchmal sogar 10 Prozent an Verwaltungskosten. Warum? – Der Haupt­verband beziehungsweise die Sozialversicherungen rechnen gerne die Spitäler heraus beziehungsweise lassen diese unberücksichtigt. Die Verwaltungskosten in den Spitä­lern muss man aber natürlich mithineinrechnen, denn die Spitäler machen ja auch die Verwaltung für die Sozialversicherungen mit, wenn sie die Daten administrieren. Stich-


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worte: LKF-Administration, Verrechnung, Leistungsverrechnung et cetera. Also da muss man sich immer sehr genau damit beschäftigen und sich ganz genau anschauen, wo wirklich die Verwaltungskosten drinstecken. Diese liegen in Österreich definitiv bei knapp 10 Prozent. Kanada, als Vergleich dazu, hat nur 2 Prozent, und dort wird alles zusam­mengerechnet.

Also da ist doch ein gewaltiger Speckbrocken drinnen, den man vielleicht bergen könn­te, würde man intensiver über die Zusammenlegung der Krankenkassen nachdenken, die ja immer wieder diskutiert wird und die jetzt auch seitens der Regierungsparteien schon im Rahmen einer Studie angekündigt wurde, die jetzt gerade läuft.

Ich denke aber, man muss unmittelbar nach Vorliegen der Ergebnisse dieser Studie so­fort eine Grundsatzdebatte führen und sich genau anschauen, was sinnvoll sein könn­te. Aus meiner Sicht könnte es sinnvoll sein, dass man drei Versicherungskörper kre­iert: Angestellte, Selbständige und Beamte – das wurde vor einigen Monaten auch schon einmal von Wirtschaftskammerpräsident Leitl laut angedacht –, oder dass man sich durch­ringt und Ländersysteme schafft, wo die Länder jeweils für die gesamten Gesundheits­kosten ihrer Einwohner zuständig sind, oder dass man hergeht und sagt, man macht ein gesamtösterreichisches, einheitliches Gesundheitssystem.

Ich glaube, das muss man wirklich in aller Ruhe sachlich anhand der Kosten, anhand der Effizienz, anhand der Transportierbarkeit zu den Patienten durchdenken, denn was wir bis jetzt taten – bei allen Gesundheitsreformen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben –, ist nur eines: völlig uninspiriert Kostendämpfung ventilieren, Einsparungen ven­tilieren, den Ärzten am Zeug flicken – die teuren Mediziner und Ärzte sollen nicht so viel verdienen und sollen nicht so viel leisten! – und rationieren.

Meine Damen und Herren, wir haben bereits eine Rationierung – das war heute schon kurz Thema –: Die Wartezeiten auf CT-Untersuchungen und MR-Untersuchungen sind ganz klassische Rationierungsinstrumente. Wartezeit ist ein Rationierungsinstrument! Wir haben in Österreich Rationierung durch Wartezeit. Das ist amtlich, das ist faktisch, das weiß jeder.

Da muss man sich natürlich fragen, woher diese Rationierung kommt. Ich werde in der Ordination jeden Tag von meinen Patienten gefragt – nicht von allen, aber von denen, die es interessiert –: Sag, Herr Doktor, wie bezahlen wir eigentlich alle Fremden, die zu uns kommen und noch nie etwas ins System eingezahlt haben?! Wie werden die ge­sundheitlich versorgt, und welche Kosten verursachen die? Wenn ich mir dann die Mü­he mache, das zu eruieren, dann stoße ich nur auf rudimentäre Zahlen und kann über­haupt nicht herausfinden, was da wirklich an Kosten aufläuft, denn die Versorgung von Asylwerbern und Asylberechtigten in den stationären Betrieben funktioniert zum Teil bei den Ärzten, das wird übers Innenministerium, über die Gebietskrankenkasse et ce­tera querfinanziert.

Wir haben keinen genauen Überblick, wie die Versorgung von Hunderttausenden Men­schen in Österreich überhaupt funktioniert. Darüber gibt es keine echten Daten, und es ist auch niemand bereit, sich damit auseinanderzusetzen. Wir haben zwar jetzt die Flüchtlingsmilliarde verdoppelt, und ein Gutteil davon – da bin ich dankbar, dass das heute von Kollegen Wurm schon erwähnt wurde – geht natürlich in die Krankenversor­gung. Und man braucht sich nicht zu wundern, dass für die einheimischen älteren Leute, die 40, 45, 50 Jahre eingezahlt haben, jetzt weniger im Börsel bleibt. Das muss man den Österreichern einmal erklären, die 40 Jahre lang einzahlen und dann weniger bekommen und sechs Monate auf eine CT warten müssen, wie wir es heute gehört ha­ben. (Abg. Peter Wurm: Haben das alle gehört? – Zwischenruf der Abg. Schwentner.) Diesen Fragen müssen wir uns stellen, und vor allem müssen wir diese Fragen beant­worten. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Schwentner und Peter Wurm.)


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Ein großes Thema, das in Wien jetzt die Runde macht, ist die Frage der Privatisierung des KAV. Der Wiener Krankenanstaltenverbund ist mit 30 000 Mitarbeitern und 3,5 Mil­liarden € Gesamtbudget der größte – beziehungsweise einer der größten – Gesund­heitsbetrieb Europas. (Abg. Peter Wurm: Aufpassen! Zuhören!) Wir stehen jetzt unmit­telbar vor einer wahrscheinlichen Privatisierung dieses großen Objekts (Abg. Matznet­ter: Andere sterben lassen und …!), und das erinnert mich an Bawag und Konsum.

Ich orte hier ein großartiges Versagen der …

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schlusssatz kommen, Ihre Redezeit ist ausgeschöpft.

 


Abgeordneter Dr. Marcus Franz (fortsetzend): Letzter Satz (Zwischenruf des Abg. Matz­netter): Ich empfehle allen, sich einmal in Hamburg anzuschauen, was dort mit den Hamburger Patienten passiert ist. Die haben das gleiche Problem gehabt und haben die Hamburger städtischen Spitäler privatisiert. Es ist interessant, einmal zu lesen, was dort geschehen ist. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.43


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jene­wein zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.43.27

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Ich habe mich jetzt noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich einiges schon gerne ein bisschen ins rechte Licht rücken möchte.

Herr Kollege Obernosterer, Sie haben gesagt, ich hätte in meiner ersten Wortmeldung – die erste Wortmeldung der FPÖ, das war nun einmal meine – gesagt, dass man die Fi­nanzpolizei massiv aufstocken müsste und dass der Tourismus ohnehin schon von der Finanzpolizei gequält würde.

Zunächst einmal bezog sich meine Aussage bezüglich der Finanzpolizei auf die Kon­trolle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, und wir alle wissen noch, Herr Bundesminister, dass Ihr Vorgänger einmal im Ausschuss erklärt hat, dass es jetzt einen Schwerpunkt der Finanzpolizei im Bereich Tourismus gibt – das heißt, es gibt sehr wohl Schwerpunktsetzungen.

Ich denke, der Tourismus ist jetzt wahrscheinlich schon genügend kontrolliert worden – zumindest nehme ich das an, nachdem Kollege Obernosterer das hier heute auch sehr glaubhaft dargelegt hat –, daher wäre es doch an der Zeit, einen Schwerpunkt dort zu setzen, wo die wirklichen Probleme sind. Die sind ja nicht von uns herbeigeredet: Ihr Parteifreund aus Oberösterreich, Herr Kollege Schopf, hat hier Fotos und Bilder ge­zeigt, sozusagen Ausschnitte aus einer ORF-Sendung von vor zwei Tagen. Das sind die wahren Probleme, und diesbezüglich würde ich Sie schon auch einmal bitten, hier auch darauf einzugehen, denn in Ihrem heutigen Redebeitrag haben Sie eigentlich 2 Mi­nuten lang nichts gesagt. Sie haben irgendetwas erzählt, aber Sie sind überhaupt nicht darauf eingegangen. Das Einzige, was ich gehört habe, war: Wir haben ein Problem im Bereich der Arbeitslosigkeit, wir haben ein Problem, aber wir haben auch so viele Be­schäftigte wie noch nie. Herr Bundesminister, Ihre Aufgabe wäre eine andere.

Jetzt komme ich noch einmal auf Kollegen Obernosterer zurück, denn er hat gesagt: Wir haben zwar 400 000 Arbeitslose, aber wir im Tourismus bekommen keine Arbeits­kräfte! (Ruf: Eh!) Das ist genau das, was ich Ihnen heute schon einmal vorgeworfen habe: Sie verwalten die Arbeitslosigkeit, anstatt dass Sie das zusammenführen. (Beifall bei der FPÖ.) Daher braucht es und genau daher wollen wir auch eine sektorale Schließung, denn in manchen Branchen gibt es bereits genügend Arbeitskräfte. Das ist kein sozusagen vollständiges Schließen des Arbeitsmarkts, sondern nur ein sektorales.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 146

Herr Kollege Obernosterer, da muss ich Ihnen schon eines sagen: Wenn Sie sagen, Sie bekommen keine Arbeitskraft, ein Österreicher mache das nicht, dann muss man sich die Frage stellen, warum das so ist: weil er mit Mindestsicherung und Co offen­sichtlich einfach zu viel gefördert wird, und da sind wir wieder bei der Krux und beim Grundproblem. (Zwischenruf des Abg. Schopf.)

Wir müssen schauen, die Menschen in Arbeit zu bringen, und es ist mehr als beschä­mend, Herr Sozialminister: Sie haben das verabsäumt, Sie haben eine Einigung bei der Mindestsicherung nicht zusammengebracht! Als diese eingeführt worden ist, hätte sie eingeführt werden sollen, um die Sozialsysteme anzugleichen, damit österreichweit alle sozusagen das Gleiche herausbekommen und um die Menschen in den Arbeits­markt zurückzuführen.

Wo stehen wir heute? – Jedes Land hat eigene Regelungen, wir haben sozusagen den Mindestsicherungstourismus – der ist nachgewiesen –, offensichtlich gibt es keine Kon­sequenzen, und bei niemandem wird geschaut, dass er in den Arbeitsprozess zurück­kehrt, denn sonst könnten Aussagen wie jene von Kollegen Obernosterer hier nicht ge­macht werden.

Daher noch einmal: Herr Bundesminister, Sie sind der Arbeitsminister! Es ist Ihre Auf­gabe, zum einen die Schwerpunkte so zu legen, dass die Menschen dorthin vermittelt werden, wo sie hingehören, nämlich in den Arbeitsmarkt, und zum anderen auch die Schwerpunktkontrollen der Finanzpolizei so zu regeln, dass diese nicht die anständig arbeitenden Betriebe quält. Das ist der falsche Weg, wir haben ohnehin zu wenig Per­sonal.

Bitte setzen Sie die Schwerpunkte dort, wo sie notwendig sind, dort, wo die Missstände sind! Und die sind ganz, ganz weit verbreitet. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Matznetter: Und wer erklärt jetzt den Ländern …?)

16.46


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


16.46.59

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Es hat mich jetzt gereizt, noch einmal herauszukommen. Ich habe der Debatte sehr genau zugehört, und diverse Debattenbeiträge haben mich dazu be­wegt, dass ich mir einfach gesagt habe, ich muss da ein paar Sachen klarstellen. Die meisten Ausführungen, bei denen mich etwas gereizt hat, sind von der ÖVP-Seite ge­kommen, und nun möchte ich kurz darauf eingehen.

Kollege Wöginger ist hier gestanden und hat gesagt, dass in der Sozialversicherung drin­gend etwas getan werden müsse, dass das mit diesen Doppelversicherungen nicht ge­he, dass da Reformbedarf bestehe und so weiter, und so weiter. Wer sich schon einige Parlamentsdebatten angeschaut und mich zu diesem Thema reden gehört hat, viel­leicht auch meine Anträge zu diesem Thema gelesen hat, weiß, dass Christoph Hagen vom Team Stronach und überhaupt das Team Stronach hier schon mit mehreren An­trägen mehrmals versucht haben, diese Doppelsozialversicherungsgeschichten einmal vom Tisch zu bringen und die Sozialversicherungen zusammenzulegen, damit die Ver­waltung eingespart wird. Zweitens habe ich das immer auch mit Beispielen illustriert.

Jetzt bin ich selbst Besitzer einer kleinen Waldparzelle und eines landwirtschaftlichen Grundes (Abg. Schopf: 100 Hektar!), bin aber als Polizeibeamter natürlich bei der BVA sozialversichert. Wenn ich nun bei mir in den Wald gehe, dort einen Baum umschnei­de, den mit nach Hause nehme, diesen Baum bei mir zu Hause im Garten zersäge und mir dabei etwas passiert, dann zahlt die BVA. Da habe ich eine gute Leistung.

Wenn ich aber – als zweite Situation – den Baum direkt im Wald zerschneide und mir etwas passiert, dann zahlt die BVA … ah, nicht die BVA, die Landwirtschaftsversiche-


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rung (Zwischenrufe bei der ÖVP) – nein, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, sorry –, und da kriege ich eine schlechtere Leistung. Das ist irgendwie absurd.

Oder, um noch ein anderes Beispiel zu bringen: Wenn ich bei mir zu Hause vor dem Haus den Rasen mähe und mir dabei etwas passiert, dann zahlt die BVA, wenn ich über den Spazierweg, der bei mir durchs Grundstück geht, hinunter gehe – unten ist der Landwirtschaftsgrund –, das dort entsorge, aber noch einen Streifen mitmähe und mir etwas dabei passiert, dann zahlt wieder die Bauern-Sozialversicherung. Also das ist an Absurdität kaum zu überbieten!

Und dann geht es noch weiter – und Sie wissen, ich habe auch diesen Fall hier schon gebracht –: Wenn Sie zum Beispiel in der Steiermark beim Maschinenring einen Lade­wagen ausleihen, dann zahlen Sie für diesen Ladewagen Sozialversicherung, obwohl der nicht krank werden und nicht verunfallen kann. Noch einmal: für den Ladewagen, für das Gerät, nicht für die Person, die ihn bedient! Also da sieht man einmal, wie man über diese Pfründe gewisse Bonzen (He-Rufe bei der SPÖ) – und überall da haben Sie Ihre Finger im Spiel – dementsprechend mit dem Geld der fleißig arbeitenden Men­schen füttert. Und das kann doch nicht sein! (Beifall beim Team Stronach.)

Zum zweiten Punkt, zum Kollegen Obernosterer und zu den Zumutbarkeitsbestimmun­gen: Vor zweieinhalb Jahren habe ich ein Interview gegeben mit dem Inhalt, dass es nicht zu vertreten ist, dass es jemandem, der zu Hause ist und nichts arbeitet, mit den Gehältern, mit allem Drum und Dran besser geht als demjenigen, der arbeitet. – Ich bin dafür bis zum Gehtnichtmehr kritisiert worden, man hat mich kreuz und quer durch die Medien getrieben.

Was ist jetzt? – Plötzlich – ich weiß nicht, sind das vielleicht die nahenden Wahlen? – ist die ÖVP geläutert! Plötzlich kommt man drauf, dass es nicht sein kann, dass der, der zu Hause sitzt, mit der Mindestsicherung und mit all den Zusatzleistungen mehr Einkommen hat als der, der arbeiten geht und das System finanziert. Jetzt kommen Sie drauf – wunderbare Sache! Ich sage aber auch: Jetzt müssen Sie einmal handeln und sollten nicht immer nur reden, meine Damen und Herren, dafür haben Sie jetzt Zeit ge­nug gehabt.

Damit komme ich noch zu einem dritten Punkt – das wurde hier auch schon angespro­chen –, nämlich: Die Asylwerber, die in der Mindestsicherung sind (Zwischenruf des Abg. Wöginger), sollen jetzt als Integrationsmaßnahme Zuverdienste bekommen, wenn sie eine gemeinnützige Tätigkeit machen. Ich habe vor ein paar Tagen in der Zeitung gelesen, dass sehr viele junge Asylwerber keine Lehre machen, sondern lieber in die Mindestsicherung gehen, weil sie dort mehr Geld bekommen. Und das wollen Sie, Herr Minister, jetzt noch belohnen, indem sie noch zusätzlich Geld kriegen?!

Ich habe von einem anderen Asylwerber gelesen, und der – Hut ab! – hat Folgendes gesagt: Wir kriegen hier alles! Wir sind versorgt, wir kriegen gratis zu essen, wir krie­gen eine Wohnung, wir kriegen Kleidung, das ganze Drum und Dran! Wir müssen nichts dafür zahlen und kriegen sogar noch Taschengeld! Da ist es doch ganz logisch und meine Pflicht als Asylwerber, der nach Österreich gekommen ist, hier nett aufge­nommen worden ist und gut versorgt wird, dass ich als Dank für das Ganze eine freiwil­lige Leistung mache!

Das sind Absurditäten, Herr Minister, die mit nichts mehr zu erklären sind! Da muss sich doch der österreichische Steuerzahler und der Mensch, der in diesem Land fleißig arbeitet, komplett … – Ich sage jetzt den Ausdruck nicht, sonst bekomme ich einen Ord­nungsruf, aber der kommt sich vor wie der größte Idiot von weiß ich woher. – Ich mei­ne, das ist eine Politik, die wir nicht unterstützen können.

Ich möchte, dass es in diesem Land besser wird. Herr Minister, Sie haben da noch viel zu tun – aber auch Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, als Regierungs­partner! Tun Sie nicht nur kritisieren und gescheit daherreden, sondern handeln Sie


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endlich! Wenn Sie eine Koalition sind, stellen Sie etwas auf die Beine – sonst lassen Sie es! (Beifall beim Team Stronach. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

16.52


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


16.52.28

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur ei­ne Anmerkung zur Rede des Kollegen Hagen (Ruf: Großbauer!), der ja jetzt langmäch­tig erzählt hat, welche Versicherung für seine Unfälle zuständig sein soll: Herr Kollege Hagen, es ist in allen Fällen die Unfallversicherung! Aber Sie haben schon recht: Im Falle, dass Ihnen das im Wald passiert, wird das trotzdem über die SV der Bauern ab­gehandelt, beziehungsweise, wenn es Ihnen zu Hause passiert, über die andere So­zialversicherung.

Nur: Da verstehe ich Sie nicht, denn für jeden normalen Bürger/jede normale Bürgerin in diesem Land ist die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt zuständig. Jetzt habe ich aber gerade gestern von Ihnen beziehungsweise von Ihrer Fraktion gehört, Sie wollen die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und überhaupt den Unfallversicherungsbei­trag abschaffen. – Dann würde das stimmen: Dann wäre nämlich die SV der Bauern für den einen Unfall und auf alle Fälle die SVA für den anderen Unfall ad infinitum zustän­dig.

Wir wollen etwas anderes, nämlich dass die Unfallversicherungsanstalt, die AUVA – die ja nicht zufälligerweise Allgemeine Unfallversicherungsanstalt heißt –, für alle Un­fälle zuständig sein soll. – Das nur als Anmerkung zu Ihnen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hagen: Erklären Sie mir, was …!)

Eigentlich gilt mein Beitrag aber Kollegen Wurm, weil ich es für ziemlich unerträglich gehalten habe, Herr Kollege Wurm (Abg. Peter Wurm: Na, das ist ja aber ein …!), dass Sie in einer Tour über die Mindestsicherung herziehen. – Gut, wir wissen, die Freiheitli­chen waren immer gegen die Mindestsicherung.

Und Sie ziehen über die Flüchtlinge her. – Gut, wir wissen, Sie waren immer gegen die Flüchtlinge.

Und Sie ziehen über die Arbeitsmigranten/-migrantinnen her. – Gut, wir wissen, Sie wa­ren immer gegen ArbeitsmigrantInnen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Sie ziehen aber auch über die Bildung und Ausbildung dieser Gruppen her, auch das wollen Sie nicht. – Das ist schon interessant und muss man noch einmal extra vermer­ken!

Gut, wir nehmen zur Kenntnis, Sie sind auch gegen die Bildung. Und das trifft sich gut mit Ihrem offensichtlich neuen politischen Idol, dem Herrn Trump, betreffend den ich ei­ner Meldung des „Kurier“ entnehme, dass er nicht nur die Umweltschutzbehörde ab­schaffen will, sondern dass er eigentlich einem Ministerium besonders wenig Bedeu­tung beimisst: dem Bildungsministerium. Das möchte er wahrscheinlich am liebsten auch abschaffen. Und damit ist die Geisteshaltung charakterisiert!

Weil Sie aber so auf einem Punkt, und zwar auf der mangelnden Ausbildung der Flücht­linge, herumgeritten sind (Zwischenruf des Abg. Hauser), sage ich Ihnen – das an Ihre Adresse beziehungsweise gilt das auch für Herrn Marcus Franz – nur eines: Das ös­terreichische AMS vermittelt Flüchtlinge, die Ärzte sind, nach Deutschland, weil Deutsch­land sagt: Wir brauchen sie!, und sie in Österreich nicht beschäftigt werden können. – Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, finde ich eigentlich das Entsetzliche an dieser Debatte: dass wir nicht imstande sind (Abg. Peter Wurm: Woher haben Sie die Zahlen? Haben Sie ein Papier? Herr Öllinger, zeigen Sie mir das! Haben Sie es mit? Zeigen Sie es mir!) – geh bitte, geh bitte! –, egal, ob gut qualifizierte oder nicht so gut qualifizierte Flüchtlinge … (Abg. Peter Wurm… in den achtziger Jahren! Herr Öllin-


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ger, 30 Jahre, bitte! Wir schreiben 2016 und sind nicht mehr in den achtziger Jahren!) – Was wollen Sie sagen? (Abg. Peter Wurm: Haben Sie einen Beleg da?) – Ich habe mich erkundigt. (Abg. Peter Wurm: Haben Sie einen Beleg da?)

Ich habe mich erkundigt! Dieses Faktum gibt es (Abg. Peter Wurm: Na, dann legen Sie es uns vor, das Faktum! Das suchen wir schon seit Jahren!): dass wir Flüchtlinge, und zwar gut ausgebildete Flüchtlinge, nämlich Ärzte, die aus Syrien oder anderen Ländern kommen, nicht im eigenen Land in einen medizinischen Beruf aufnehmen, weil die An­erkennung jahrelang dauert, während die Bundesrepublik Deutschland sagt: Schickt sie zu uns! – Und diese Flüchtlinge werden auch über das AMS nach Deutschland ver­mittelt. (Abg. Peter Wurm: Realitätsverweigerung!)

Was ich Ihnen sagen will: Wir müssen alles tun – und das ist sozusagen auch das, was ich dem Herrn Bundesminister ans Herz legen will –, damit diese Flüchtlinge, die ja jah­relang hier bleiben, in welcher Form auch immer – auch wenn Sie von dem Gedanken beseelt sind, sie irgendwann wieder nach Hause zu schicken – gut ausgebildet wer­den. Die gute Ausbildung ist kein Fehler (Beifall bei den Grünen), im Gegenteil: Das ist eine Investition in die Zukunft! Sie sind die einzige Fraktion, die keine gute Ausbildung will! – Das haben Sie mit Ihrer Rede deutlich genug demonstriert.

Noch eine Anmerkung, Herr Kollege Wurm! (Abg. Peter Wurm: Sozialromantiker!) Eine Anmerkung halten Sie schon noch aus, ja? Können Sie sich ein bisschen zurückneh­men? (Abg. Peter Wurm: Sozialromantiker!) – Ja, Sozialromantik, sehr schön. (Zwi­schenruf des Abg. Lausch.)

Eine Anmerkung zu Ihrem Antrag über die sektorale Schließung des Arbeitsmarkts – Sie verwahren sich ja so dagegen, dass Sie als die Fraktion bezeichnet werden, die den EU-Austritt forciert –: Die sektorale Schließung des Arbeitsmarkts, werte Kollegin­nen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, gibt es nur dann, wenn Österreich den Öxit macht, nämlich so wie Großbritannien den EU-Austritt vollzieht; dann gibt es eine sektorale oder totale Schließung – das können Sie dann in beiden Varianten haben – des Arbeitsmarktes. Und offensichtlich sind Sie, auch wenn Sie es dementieren, noch immer nicht von dem Gedanken weggekommen (Abg. Peter Wurm: Von welchem?), aus der Europäischen Union austreten zu wollen, denn Sie sind für eine sektorale oder eine völlige Schließung des Arbeitsmarktes. (Ruf: Aber nicht nur die FPÖ!) So schaut es aus bei Ihnen! (Beifall bei den Grünen.)

16.58


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Frau Abgeordnete, Sie kennen die Bestim­mungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


16.58.51

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Kollege Hagen hat in seinen Ausführungen über alle Asylwer­ber, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erhalten, gesprochen.

Ich berichtige tatsächlich: Asylwerberinnen und Asylwerber erhalten keine Bedarfsorien­tierte Mindestsicherung, es handelt sich dabei um asylberechtigte Menschen. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Schieder: Genau!)

16.59


Präsidentin Doris Bures: Nun folgt eine weitere tatsächliche Berichtigung, nämlich die des Herrn Abgeordneten Dr. Franz. – Bitte.

 


16.59.01

Abgeordneter Dr. Marcus Franz (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsident! Kollege Öl­linger hat davon gesprochen, dass wir ausgebildete syrische Ärzte von Österreich nach Deutschland schicken. (Abg. Rädler: 3!)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 150

Ich berichtige tatsächlich: Jeder Arzt, der nach Österreich kommt und im Ausland seine Ausbildung gemacht hat, muss hier die Nostrifizierung durchlaufen und muss die ent­sprechenden Prüfungen machen. (Abg. Matznetter: Das ist keine tatsächliche Berich­tigung!) Egal, ob er aus Syrien kommt, aus Großbritannien oder aus den USA, er muss hier ausgebildet werden, um dem österreichischen Standard gerecht zu werden. (Bei­fall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Den österreichischen Patienten ist es nicht zumutbar, dass irgendwelche Leute daher­kommen und sagen: Ich bin Arzt, und ich arbeite jetzt am Patienten! – Das ist unge­heuerlich, was Sie da sagen! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schieder: So macht man keine tatsächliche Berichtigung, bitte!)

16.59

17.00.20

 


Präsidentin Doris Bures: Das hat allerdings nicht der Geschäftsordnung entsprochen, was eine tatsächliche Berichtigung betrifft, Herr Abgeordneter!

Es ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht ein Berichterstatter/eine Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag ge­trennt vornehme.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1316 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1317 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1318 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit, somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1319 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1320 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Ausschus­ses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1321 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 1315 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 151

17.02.3614. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Kunst- und Kulturbericht 2015 der Bun­desregierung (III-295/1304 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1563/A(E) der Abgeordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauenförderung in der Filmbranche (1302 d.B.)

 


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zu den Punkten 14 und 15 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Mag. Drozda.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz. Ich stelle Ih­nen 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung ein. – Bitte.

 


17.03.27

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Als Anhang zur letzten Debatte: Kollege Öllinger hat von gestern auf heute vielleicht wieder ein bisschen schlecht geschlafen und hat uns heute wieder mit seinen Ausfüh­rungen erfrischt.

Herr Kollege Öllinger! Wenn Sie sagen, wir sind gegen die Ausbildung, und gleichzeitig sagen, wir sind gegen die syrischen Ärzte, muss ich sagen, da verstehe ich eines nicht: Wenn als Flüchtlinge nur Nobelpreisträger bis Ärzte kommen, was müssen die dann noch ausgebildet werden? Entweder sie sind schon so gut oder sie sind es noch nicht. Vielleicht können Sie dazu einmal eine stringente Haltung einnehmen. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)

Noch ein Punkt – Sie können sich das Protokoll bei mir dann auch noch ausheben las­sen – ist die Position der FPÖ zur Europäischen Union: Nein, wir betreiben keinen Öxit. Das hätten Sie vielleicht gerne in der Auseinandersetzung, aber es wird nicht wahrer, je öfter Sie es behaupten. Es nützt nichts. (Zwischenruf der Abg. Korun.– Frau Kolle­gin Korun darf sich auch einmischen.

Wir sagen Ihnen aber eines ganz klar: Wenn es einem in irgendeinem Verein vielleicht irgendwann einmal nicht mehr passen sollte – was man nicht will –, dann muss man unter Umständen als letzten Schritt austreten. Sonst hätten auch Sie, Kollege Öllin­ger – Sie waren ja bei den sozialistischen Studenten –, nicht Grüner werden können. Warum sind Sie denn von den Sozialisten ausgetreten? – Offensichtlich hat es Ihnen dort nicht mehr gepasst, und darum sind Sie ausgetreten. Das ist eigentlich der natür­lichste Vorgang, den es gibt. Wenn Sie dort glücklich gewesen wären, hätten Sie es nicht gemacht.

Aber eines sage ich Ihnen ganz klar: Das, was Sie an Utopie mit Ihrem unabhängigen Bundespräsidentschaftskandidaten vorhaben, nämlich einen Bundesstaat Europa zu machen, das kommt für uns Freiheitliche mit Sicherheit nicht infrage! (Beifall bei der FPÖ.)

Kollege Öllinger, schauen Sie nicht so auf sich selbst! Lesen Sie Ihr Parteiprogramm! (Zwischenruf der Abg. Korun.) Es ist vielleicht manchmal ganz lohnend, und dann, wenn Sie nicht gut schlafen, hilft es vielleicht auf dem Nachtkastl als Lektüre zum Ein­schlafen auch ganz gut. (Abg. Öllinger: Ich lese lieber Ihre Programme!)


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Herr Bundesminister, jetzt zum eigentlichen Tagesordnungspunkt – aber Bildung und Kultur haben ja doch einiges miteinander zu tun.

Herr Bundesminister, es liegt ein Bericht aus einer Zeit vor, in der Sie noch nicht Bun­desminister waren. Sie sind erst relativ kurz im Amt – das ist das, was man hier nor­malerweise auch dem Herrn Innenminister immer sagt. Sie sind sogar noch kürzer im Amt als er.

Sie haben Ihre Ära damit begonnen, dass Sie den Vertrag der erfolgreichen Direktorin des Belvederes aufgrund eines Vergehens, dessen Details wir noch nicht kennen, nicht mehr verlängert haben. Es wird gemunkelt, das sei auch ein Wunsch von Herrn Bun­deskanzler Kern gewesen. Ich kann es nicht beurteilen. Ich hoffe nur, dass letztlich nicht ausschlaggebend war, dass man Frau Dr. Husslein nicht gerade als Speerspitze des österreichischen Sozialismus bezeichnen kann.

Eines, das ich an Ihnen schätze, Herr Minister, ist Ihr bis jetzt gelebter pragmatischer Zugang zu den einzelnen Dingen, mit denen wir auch schon zu tun hatten. Dass wir in ideologischer Hinsicht die besten Freunde werden, möchte ich vielleicht einmal dahin­gestellt lassen, da habe ich keine große Hoffnung (Bundesminister Drozda: Ich auch nicht!), und das teilen Sie mit mir. Das ist ja immerhin schon einmal ein großer gemein­samer Befund, den wir haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun dazu, wie Sie die Situation des Hauses der Geschichte Österreich gelöst haben: Das war ja alles mit Pomp versehen, was da vorgestellt wurde. Aber da Sie selbst be­ruflich ja Leiter, Geschäftsführer eines Unternehmens waren, das Musiktheater ge­macht hat, kennen Sie natürlich als Volkswirtschaftler auch den Grundsatz: Ohne Göd ka Musi! Und da haben Sie nachgeschaut und gesehen, dass für dieses Haus der Ge­schichte noch kein Geld da ist. Und was haben Sie daraus gemacht? – Sie haben ge­sagt, dann müssen wir das ein wenig redimensionieren. Salopp gesagt: Es wird jetzt ein Zimmer der Geschichte, es wird jetzt etwas anderes.

Herr Minister, danke, dass die Sammlung alter Musikinstrumente so gerettet ist, wie sie jetzt ist, und dass man damit auch etwas Sinnvolles machen kann. Danke dafür, dass auch die anderen Museen ihren Platz haben. Das Einzige, was wir uns noch genau an­schauen müssen, ist die Frage, ob für diese provisorische Ausstellung, die stattfindet, 10 Millionen € tatsächlich ein guter Preis sind.

Aber diesen pragmatischen Zugang, auch in der Frage, wie Sie mit dem Rechnungs­hofrohbericht umgegangen sind, habe ich sehr positiv vermerkt, nämlich dass Sie ge­sagt haben: Die geprüfte Stelle wird nicht die üblichen drei Monate zur Stellungnahme haben, sondern Sie möchten das innerhalb von drei Wochen auf dem Tisch haben, damit Sie entsprechend entscheiden können. Das finde ich einen guten Ansatz.

Nun zum Denkmalamt: Das ist eine Institution, die es schon seit 1850 in Österreich gibt und die in der Bevölkerung grundsätzlich sehr hohes Ansehen genießt. Die Erhaltung unserer Denkmäler ist also ein hohes Gut und genießt in Österreich wirklich hohes An­sehen.

Seit diesem Rechnungshofrohbericht bekomme ich aber fast täglich verschiedene Be­richte, verschiedene Informationen darüber, was dort noch alles schiefläuft. Da wird mir beispielsweise berichtet, dass ein Landeskonservator an seiner Privatadresse eine Fir­ma etabliert hat, die seiner Lebensgefährtin gehört, die die Aufträge vom Denkmalamt bekommt, dass es Restauratoren gibt, die vom Denkmalamt laufend betraut werden, die allerdings – ich muss das wirklich nachprüfen, denn das sind Informationen, die sehr dicht, aber sehr kenntnisreich sind – zum Beispiel wegen Preisabsprachen und ähnlichen Dingen verurteilt worden sind.

Da gibt es Dinge, wo ich sagen muss, da besteht absoluter Handlungsbedarf. Das Bun­desdenkmalamt als Institution muss uns in Österreich so viel wert sein, dass es über


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jeden Zweifel erhaben ist. Und da gibt es auch einzelne Beispiele, vor allem in Berei­chen des Weltkulturerbes in ganz Österreich, dass Bauprojekte eingereicht werden und das Bundesdenkmalamt sich dazu verschweigt und sagt: Wir können ja eigentlich gar keine Stellungnahme abgeben, denn das fällt unter die jeweilige Bauordnung der Bun­desländer! – Da gibt es auch wirklich Probleme mit dem Föderalismus, der da zu se­hen ist: unterschiedlichste Bauordnungen.

Nicht einmal die Frage des Weltkulturerbes ist in einem einheitlichen Bundesgesetz ge­regelt, sondern natürlich in einer Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern. Das be­deutet wiederum auch andere Zonierungen: Wo beginnt es? Wo hört es auf? In einem Bundesland kann man gleich dort, wo die mittelalterliche Stadt aufhört, einen moder­nen Turm bauen, in anderen ist es anders.

Herr Bundesminister, ich glaube, die Debatte, die jetzt mit diesem Rechnungshofrohbe­richt angestoßen wurde, ist eine sehr gute, eine sehr wichtige, um das Bundesdenk­malamt für die österreichische Bevölkerung weiterhin positiv zu positionieren, auszu­bauen.

Es gibt Fehler, die unter anderem vielleicht auch auf einem falsch verstandenen Föde­ralismus basieren. Wir sind grundsätzlich föderalistisch eingestellt – es gibt viele Dinge, die die Bundesländer und kleinere Einheiten, vor allem die Gemeinden, besser machen können als eine Zentralstelle –, aber es gibt Fehler, die von einem falsch verstandenen Föderalismus herrühren. Daher wäre es notwendig, da Maßnahmen zu ergreifen, damit der Denkmalschutz, der Schutz unseres kulturellen vor allem Welterbes, das als sol­ches deklariert wurde, auch weiterhin erhalten bleibt, ob das beim Wiener Eislaufverein ist, ob das in der Wachau ist, ob das in Oberösterreich oder sonst wo ist. (Beifall bei der FPÖ.)

17.10


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Hakel zu Wort. – Bitte.

 


17.10.51

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Jahren die österreichische Film­wirtschaft, den österreichischen Film sehr stark gefördert, und wir sind zu Recht stolz auf die Erfolge, die wir in der österreichischen Filmwirtschaft haben. Wir bekommen ei­nen Preis nach dem anderen für unsere Filme, werden zu Festivals eingeladen und so weiter.

Es hat jedoch immer ein kleines Ungleichgewicht gegeben. Wenn man sich nämlich die Förderungen im Bereich des österreichischen Films angeschaut hat, dann ist etwas aufgefallen, nämlich dass nur ein Viertel der Gelder an Frauen in der österreichischen Filmwirtschaft, an weibliche Filmschaffende geht. Das ist komisch, denn im Bereich Film lassen sich viel mehr Frauen als Männer ausbilden, doch kommen die meisten dieser Frauen in ihrem Beruf nie an.

Das war und ist nach wie vor ein Ungleichgewicht. Wir haben uns das näher ange­schaut und viele Gespräche geführt. Wir waren als SPÖ nicht die einzige Partei, die das gemacht hat, sondern, und darauf bin ich sehr stolz, am Ende des Tages ist etwas Gemeinsames entstanden.

Worauf will ich hinaus? – Wir haben in gemeinsamen Gesprächen mit denjenigen, die es betrifft, mit den Interessenvertretungen, mit den Stakeholdern aus der Branche ei­nen Weg gefunden, um im Bereich der österreichischen Filmförderung Geschlechter­gerechtigkeit zu schaffen.

Was braucht es? – Es braucht in der Filmförderung ganz sicher starke Mentoring-Pro­gramme, es braucht Vernetzungsstrategien. Es braucht natürlich auch Bewusstseinsar-


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beit, denn die gesellschaftspolitische Relevanz von Filmen ist unumstritten; umso wich­tiger ist es, die Diversität auch im Film abzubilden – und das vor und hinter der Kamera!

Es ist uns gemeinsam gelungen, diesen Antrag zu formulieren – und das im Vergleich zu anderen Bereichen in relativ kurzer Zeit. Dafür möchte ich meinen KollegInnen dan­ken, und zwar nicht nur der Kultursprecherin der ÖVP und dem Kultursprecher der Grü­nen, sondern auch der Frauensprecherin unserer Partei, Gisi Wurm, sowie jenen von den Grünen und der ÖVP.

Es ist uns wirklich im Bereich des Gender-Budgeting in den Förderstellen des Bundes ein großer Schritt gelungen, wenn es darum geht, dort ein Anreizsystem zu entwickeln, um eben weibliche Filmschaffende zu unterstützen. Wir fordern in diesem Antrag auch, dass man mit der Filmakademie Wien in einen Dialog eintritt. Warum auch mit der Filmakademie Wien? – Weil dort vorwiegend Männer in der Ausbildung tätig sind, was auch einer der Gründe dafür ist, dass dann weniger Frauen im Job ankommen.

Auch der Bereich ORF ist natürlich ein Gebiet, wo wir dazu auffordern, dass man sich das näher anschaut, denn dort herrscht kaum Gendergerechtigkeit im Bereich des Films, und wir können nicht direkt darauf zugreifen, es gibt ein paar positive Beispiele, aber wir fordern auch die Landesförderstellen auf, im Bereich Gender-Budgeting aktiv zu werden. Die Stadt Wien ist da ein positives Beispiel, in anderen Bundesländern funktioniert das noch nicht so gut.

Wir sind überzeugt davon, dass das der richtige Schritt ist, um im Bereich der Förde­rungen in der Filmwirtschaft Gendergerechtigkeit zu schaffen. Ich bin darauf auch sehr stolz. Ich bin, glaube ich, schon fast am Ende meiner Zeit, aber ich möchte noch auf Folgendes hinweisen: Wir haben viele andere Baustellen, bei denen es auch noch Gen­dergerechtigkeit braucht.

Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist, den ich auch im Ausschuss angesprochen habe und von dem ich weiß, dass ich da beim Minister offene Türen einrenne: Es geht um die ös­terreichische Musikwirtschaft. Einerseits wird dort im Vergleich zum österreichischen Film noch nicht so gut gefördert, andererseits sollten wir uns dort auch gleich von An­fang an die Gendergerechtigkeit anschauen und schauen, dass von Anfang an dort Gen­der-Budgeting passiert.

Zusätzlich zu den Herausforderungen, die noch auf uns zukommen – Stichwort Digita­lisierung, Musikstreaming, die neuen Herausforderungen in der Musikwirtschaft –, gibt es noch einen Punkt, der wichtig ist: Wir haben das Urheberrecht angepasst, aber nicht modernisiert, und im Bereich des Urhebervertragsrechtes müssen wir etwas tun. Auch das ist ein Punkt, wo man Gendergerechtigkeit schaffen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

17.15


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Hagen zu Wort. – Bitte.

 


17.16.02

Abgeordneter Christoph Hagen (STRONACH): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zuerst zum Positiven: Herr Minister, der Kulturbericht ist sehr übersicht­lich, gut ausgearbeitet, gut gestaltet, sehr informativ. Ich möchte da den Mitarbeitern in Ihrem Ministerium ein kleines Lob aussprechen. Sie haben einen guten Job gemacht. Man muss auch die Herrschaften, die diese Arbeit leisten, loben, daher ein Kompliment von unserer Seite.

Ich würde mir eigentlich wünschen, dass Kulturveranstaltungen in der Region noch et­was mehr Bedeutung bekämen, was Förderungen anbelangt. Ich denke da an den länd­lichen Raum, Herr Minister. Ich glaube, auch mein Vorvorredner hat schon ein biss­chen angesprochen, dass das wichtig ist, um da die entsprechende Wertschätzung zu geben.


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Für mich ist es auch wichtig, dass Brauchtumsveranstaltungen stärker gefördert wer­den, damit das Ganze nicht in Vergessenheit gerät. Wir sollten unsere Wurzeln nicht vergessen und unsere Tradition und Kultur erhalten. Ich möchte den Menschen, die diese Aufgaben wahrnehmen – oft ehrenamtlich und mit wenig Förderung –, hier unser Lob und unseren Dank für ihr Engagement aussprechen. Das ist sehr, sehr wichtig. Man kann natürlich nicht alles mit Geld oder Gold aufwiegen, aber es ist wichtig, dass wir sehr engagierte Menschen haben, die das in der Freizeit machen. Das ist eine posi­tive Geschichte. (Beifall beim Team Stronach.)

Zum Punkt der Frauenförderung für Filmschaffende in der Filmbranche: Diesem Punkt haben wir im Ausschuss nicht zugestimmt, und zwar nicht deshalb, weil wir den Frauen die Gelder nicht gönnen, sondern da geht es um etwas anderes. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass nicht die künstlerische Qualität im Vordergrund steht, sondern welches Geschlecht jemand hat. Es ist meiner Ansicht nach nicht notwendig, das mit dem Geschlecht abzustimmen. Bei aller Wertschätzung glaube ich aber, es ginge dann schon zu weit. Wenn ich dem Kunst- und Kulturbericht entnehme, dass 49 Prozent der Gesamtfördermittel an Frauen gegangen sind, dann glaube ich nicht, dass wir da eine Notwendigkeit haben, das gesetzlich so festzulegen. (Abg. Aslan: So ein Blödsinn!) Ich glaube, der Markt regelt sich da selbst. (Abg. Aslan: Nein!) Wir haben, wie wir sehen, sehr tüchtige Frauen, die sich selbst zu helfen wissen und auch 49 Prozent der Mittel lu­krieren konnten. (Abg. Aslan: Das ist nur mehr peinlich, was Sie da sagen! Das ist wirk­lich peinlich!)

Ich glaube, dass der Genderismus im Bereich Kunst und Kultur der falsche Weg wäre. Was zählt, ist die Qualität. Das ist, glaube ich, die richtige Einstellung. Dementspre­chend werden wir dazu auch abstimmen. – Danke. (Beifall beim Team Stronach. – Abg. Gisela Wurm: Weil die Qualität zählt …!)

17.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. – Bitte.

 


17.19.10

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Zuerst möchte ich der Sektion Kunst- und Kultur für dieses Werk meinen Dank aussprechen. Dieser Bericht ist wirklich gut aufbereitet, informativ und aufschlussreich und wird allgemein gelobt. Erstmals ist der Bericht in so einem Zie­gel vereint. Früher waren es immer zwei, der Kunstbericht und der Kulturbericht. Ich halte es für gut, dass das zusammengeführt worden ist.

Er gibt Aufschluss über die Kulturpolitik und die Verwendung öffentlicher Mittel. In die­sem Band werden auch die regionale Vielfalt, die Vielfalt im Kunst- und Kulturschaffen und natürlich auch die Genderfrage präsentiert. Auf sehr vorbildliche Weise wird hier genau angeführt, wie die Gremien im Hinblick auf die Genderfrage besetzt sind, und natürlich bemüht sich das Ministerium – auch dafür ein Dank –, die Förderungen dies­bezüglich fair zu vergeben.

Beeindruckend ist, wie groß die Vielfalt ist und vor allem auch die Innovativität, auch mit den neuen Medien. Das ist deshalb sehr erfreulich, weil nach dem Skandaljahr 2014 dieser Bericht 2015 zeigt, dass wir zu einer Stabilisierung gekommen sind, dass das Burgtheater, das ja im Fokus des Skandals stand, 2015 von der renommierten Zeit­schrift „Theater heute“ sogar zum Theater des Jahres gewählt wurde. Das heißt, die ge­setzlichen Maßnahmen, die wir gesetzt haben, und die Kontrolltätigkeit, die stattgefun­den hat, haben gegriffen, und das ist gut so.

Die Bundesmuseen und die Nationalbibliothek haben steigende Besucherzahlen – das ist sehr erfreulich. Die Digitalisierung unseres kulturellen Erbes schreitet voran. Alle


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reden ja von der Digitalisierung, daher ist es unerlässlich, dass wir auch im Kunst- und Kulturbereich diesem Thema unser Augenmerk schenken. Die Bilddatenbank des MAK oder die Digitalisierung der Bestände der Nationalbibliothek seien als Beispiele für die Innovation im Bereich der neuen Medien genannt, die besonders von der Akademie der bildenden Künste und von ORF III forciert wird.

2015 war auch ein Erfolgsjahr des österreichischen Films. Film ist in Österreich, wie auch schon meine Vorrednerin erwähnt hat, eine Erfolgsgeschichte, eine Wachstums­branche. 2 314 Unternehmen generieren über 1 Milliarde €. Daher ist es natürlich ge­rechtfertigt, dass die Politik da ein Augenmerk darauf legt, dass Steuergelder effizient, aber auch fair ausgegeben und verteilt werden. Leider gibt es an der Filmakademie nur eine Professorin, wenige Produktionsunternehmen sind von Frauen geleitet, die Ent­scheidungsgremien beim Film sind fast nur männlich besetzt. Die Filmförderung geht nur zu einem Viertel an weibliche Filmschaffende, und signifikant ist auch, dass Frauen mit deutlich kleineren Filmbudgets arbeiten – daher dieser Antrag, der schon im Detail erläutert worden ist und dem sich auch die ÖVP angeschlossen hat.

Obwohl ich grundsätzlich kein Freund von solchen Zwangsbeglückungen bin, bin ich der Ansicht, da muss man nachhelfen, damit die Frauen in diesem Bereich faire Chan­cen haben. Und ich bin überzeugt, dass die Männer im Filmbusiness kreativ genug sind, um Mittel und Wege zu finden, die Frauen fair partizipieren zu lassen. Ich warte ge­spannt auf die Vorschläge der Männer. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. As­lan. – Heiterkeit des Abg. Loacker.)

17.23


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Lintl. – Bitte.

 


17.23.44

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Fekter, ich glaube, dass auch die Frauen sehr kreativ sind und nicht unbedingt auf eine Quo­tenregelung warten. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ und Beifall bei Abgeordneten des Teams Stronach sowie des Abg. Loacker. – Zwischenruf der Abg. Hakel.)

Ich beziehe mich auf den Antrag betreffend Frauenförderung in der Filmbranche. Ein­mal mehr sehen die drei Parteien – die Regierungsparteien und die Grünen – eine Zwangsbeglückung der Frauen durch die Genderpolitik vor. (Abg. Hakel: Na so ein Blödsinn!) Dieses Mal betrifft es die Filmbranche. Da werden Frauen als hilflose Be­nachteiligte in einer von Männern dominierten Szene, in der sie sich nicht durchsetzen können, dargestellt (Abg. Krainer: Bitte! Geh bitte!), so, als ob sie nicht selbst um die Filmförderungen ansuchen könnten. Das ist eine Beleidigung für Frauen. (Abg. Fekter: In den Gremien entscheiden wieder die Männer!) Unterstützungen durch die Quotenre­gelung haben Frauen nicht nötig, denn weibliche Filmschaffende können sehr wohl die Qualitätskriterien erfüllen. (Abg. Krainer: In welcher Funktion sind Sie?)

Ich habe mir auch die Gremien angeschaut. Wenn man sich die Homepage des Öster­reichischen Filminstituts anschaut, stellt man fest, dass dort von 14 Teammitgliedern nur vier Männer angeführt werden. Auch auf der Homepage des Filmfonds Wien, der eine weibliche Geschäftsführerin hat, ist das Team ausgeglichen mit Männern und Frau­en besetzt.

Wenn man zu den Förderzielen des Filmfonds kommt, so ist da explizit genannt: „die Förderung von bislang im Filmschaffen unterrepräsentierten Gruppen insbesondere von Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund, die trotz hoher filmberuflicher Qualifi­kation zu wenig in gestaltenden Positionen vertreten sind“.

Punkt 5 verlangt ausreichende fachliche, das heißt künstlerische und filmwirtschaftliche Qualifikation und Erfahrung.


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Punkt 6 erklärt, dass Entscheidungen über die Vergabe von Förderungen in Förderbe­reichen, die nicht der Jury zugeordnet sind, von der Geschäftsführung getroffen wer­den. Die Geschäftsführung hat aber wieder einmal eine Frau inne. (Heiterkeit der Abg. Hakel. – Abg. Heinisch-Hosek: Unfassbar!) Und die Jury ist je zur Hälfte mit Männern und Frauen ausgeglichen besetzt.

Es gibt also in diesem Bereich gute Voraussetzungen für eine objektive Behandlung der Antragstellerinnen, einerseits im Förderzielbereich, andererseits aufgrund der Zusammen­setzung der Entscheidungsgremien. (Abg. Heinisch-Hosek: … Einstellung ist in der Ver­fassung verankert!)

Österreich hat viele erfolgreiche Frauen in der Filmwirtschaft, die aufgrund ihrer qualita­tiven Voraussetzungen die Förderungen erhalten – denn genau die Qualität wollen wir fördern, damit österreichische Filmschaffende, sowohl Frauen als auch Männer, inter­national bemerkt, anerkannt und ausgezeichnet werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Quotenregelung, die der vorliegende Antrag verlangt, die lehnen wir ab. Wir lehnen diesen Antrag ab (Abg. Fekter: Da steht nichts von einer Quote!), denn Frauen sind unserer Meinung nach stark genug und brauchen keine Quoten. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ. – Abg. Hakel – in Richtung der Abg. Lintl –: Schämen Sie sich! – Abg. Brosz: Die Kollegin Lintl ist jetzt bei der richtigen Fraktion gelandet!)

17.26


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


17.26.57

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Lintl, Sie sind noch nie mit Filmproduzenten an einem Tisch gesessen. Mir ist das schon öfter passiert. Da sitzen 15, 17, 18 Männer an einem Tisch, ganz selten ist eine Frau da­bei. Sie werden ja nicht annehmen, dass es keine qualifizierten Filmproduzentinnen ge­ben würde – das kann ich nicht annehmen, dass Sie das glauben –, daher ist da irgend­etwas nicht im Lot. Und die Politik hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es wieder ins Lot kommt. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hakel: Richtig!)

Meine Kollegin Berivan Aslan wird dieses Thema dann noch ausführlicher behandeln. Unsere Meinung zu diesem Thema ist ja ohnedies hinlänglich bekannt.

Ich möchte am Anfang auch noch einmal ganz kurz auf den neuen Kunst- und Kul­turbericht eingehen, nämlich auf die Struktur, die meiner Meinung nach wirklich sehr gelungen ist. Es sind ja die internationalen LIKUS-Standards übernommen worden, so­dass man sich – obwohl schon bisher die Orientierung sehr leicht war, kann ich sa­gen – jetzt noch besser orientieren kann. Das möchte ich hier in aller Öffentlichkeit ein­mal sagen.

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit – als eine Art Bilanz – aber auch auf ein The­ma eingehen, das mir immer wichtiger wird, nämlich auf den Denkmalschutz. Es gibt zu diesem Thema nämlich quer durch die Parteien ein wirklich zunehmendes Desin­teresse. Immer auffälliger wird es, dass das historische Erbe ignoriert wird, als uninter­essant, als unwichtig diskreditiert wird. Wenn es aber darum geht, in der Werbung, bei heimatverliebten Fernsehsendungen, auf touristischen Homepages die positive, roman­tische österreichische Baulandschaft darzustellen, da ist dann das Denkmal und das Weltkulturerbe und jede Art von Dokumentation der Baugeschichte immer gut. Da punkten wir dann gerne. Gleichzeitig attackieren aber genau diese Bauwirtschaft und die Im­mobilienbranche die Denkmale, das Weltkulturerbe und die Baugeschichte.

Wir sollten eigentlich darauf achten, dass eine Identität durch gebaute Landschaft, durch Bauwerke, durch Denkmäler gewahrt wird. Das Bundesdenkmalamt selbst ist immer weniger dazu in der Lage. Es bekommt einen enormen Druck von der Politik – das sind


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im weitesten Sinne wir (Zwischenruf des Abg. Walter Rosenkranz) –, und die Politik wiederum bekommt einen enormen Druck von der Immobilienbranche, von den Inves­toren, von den Baulobbys, kann sich dieses Drucks nicht mehr erwehren und gibt den Druck weiter an das Bundesdenkmalamt, das dann an allem Möglichen schuld ist, und letztendlich wird ein Bauwerk nach dem anderen zerstört, und sie werden durch neue ersetzt. Wir haben nichts gegen neue Bauwerke, aber ich glaube, es gäbe genug Mög­lichkeiten zu bauen, ohne dass man das Alte wegreißt und zerstört.

Wir können da einiges tun, Herr Minister. Es ist doch merkwürdig, dass Österreich die Konvention von Granada von 1986 – das ist also 30 Jahre her – bis heute nicht ratifi­ziert hat. Das ist eine Konvention des Europarates zum Denkmalschutz. 40 europäi­sche Länder haben diese Konvention unterschrieben – Österreich aus merkwürdigen Gründen nicht. Und der Baukulturreport – das ist eine Einrichtung des Bundeskanzler­amtes –, der jetzt, glaube ich, seit 12 Jahren immer wieder darauf hinweist, wie die Bau­qualität in Österreich Jahr für Jahr sinkt, wird mit seinen Empfehlungen ignoriert.

Heuer, im Jahr 2016, sollte wieder ein Baukulturreport veröffentlicht werden – der kommt nur alle sechs Jahre heraus –: Er ist nicht erschienen. Ich glaube nicht, dass er bis De­zember kommt. Das ist alles eine sehr merkwürdige Ignoranz des Themas.

Ein Missverständnis im Zusammenhang mit dem Denkmalschutz möchte ich schon noch ein bisschen vorführen. Es wird da immer so leichtfertig die Überlegung ange­stellt, dass das mit Einfrieren zu tun habe. Viele glauben, Österreich, eine Stadt werde zu einem Freilichtmuseum, es solle möglichst nichts unter eine Käseglocke gestellt wer­den.

Wer die Fachleute im Bundesdenkmalamt kennt, und das sind hervorragende Fachleu­te, der weiß, dass sie sich sehr wohl dessen bewusst sind, was Entwicklungen sind, und dass sie eine Verantwortung gegenüber dieser lebendigen Gegenwart haben. Das wird immer alles mit einbezogen, und auch die Wirtschaftlichkeit, das ist ein Teil des Denkmalschutzes. Wirtschaftlichkeit kann aber nicht immer heißen: wegreißen, zerstö­ren, dichter, höher bauen, maximale Ausnutzung der Flächen!, sondern Wirtschaftlich­keit hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun, wie wir wissen, und mit langfristiger Beob­achtung und dem langfristigen Schutz einer Vergangenheit, die letztendlich auch im Gebauten eine Art Gesicht hat. Und es gibt nichts Schlimmeres als einen Geschichts­verlust, der sich durch einen Gesichtsverlust äußert.

Wir sind, glaube ich, aufgefordert, da das Bundesdenkmalamt und den Denkmalschutz zu unterstützen und ein bisschen mehr gegen die Lobbys der Bauwirtschaft anzutre­ten. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.32


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Alm. – Bitte.

 


17.32.48

Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe mir auch, wie Kollegin Fekter, den „Zie­gel“ (den Bericht in die Höhe haltend) mitgenommen. Der Kunst- und Kulturbericht ist ja jetzt in einer gemeinsamen Ausgabe erschienen – der wahrscheinlich erste Schritt zu einer großen Verwaltungsreform in diesem Land. Wenn man sich die anderen Reform­bemühungen ansieht, wenn es da um Steuerautonomie der Länder, Schulautonomie et cetera geht, wissen wir spätestens seit den letzten Finanzausgleichsverhandlungen, dass sich da die Umsetzungsfreude in Grenzen hält. Also bin ich froh, dass man aus diesem Ressort vielleicht etwas lernen kann, dass wir da den ersten Schritt setzen und wir uns das zum Vorbild nehmen.

Zum Inhaltlichen: Auf 459 Seiten, und da sind auch noch vier Seiten hinten als Raum für Notizen miteingerechnet, wird dargestellt, was der Staat alles für Kunst und Kultur


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tut. Und damit stelle ich die Polemik jetzt auch ab. Er tut nämlich tatsächlich einiges, und das nicht nur in quantitativer Hinsicht, und das ist prinzipiell erfreulich. Es ist wich­tig, an dieser Stelle auch festzuhalten, dass das, was quantitativ passiert, sich nicht auf das beschränkt, was in diesem Kunst- und Kulturbericht stattfindet, denn es wird sehr oft so dargestellt, als würde es Kunst und Kultur nur geben, wenn man sie fördert. Das ist natürlich nicht der Fall. Da gibt es einen Long Tail an sehr vielen Produktionen, die außerhalb dessen stattfinden, die natürlich auch ohne Förderungen entstehen und über­leben können. – So viel zur quantitativen Betrachtung.

In der qualitativen Betrachtung gibt es natürlich auch einiges, das in diesem Bericht drinnen ist, das über den Umfang von Kunst und Kultur qualitativ hinausgeht. Da verwi­schen die Grenzen zwischen Kunst- und Kulturförderung und Dingen, die der österrei­chischen Förderlandschaft zuzurechnen sind, die ein bisschen nach dem Gießkannen­prinzip bedient werden, das nicht notwendigerweise in diesem Ressort zu suchen ist, auch weitgehend der Erhaltung des Status quo dient und damit natürlich auch den Spielraum einengt, um gewisse Ziele im Bereich Exzellenz oder Ergebnisorientierung vorzugeben, die mit diesen Mitteln gezielt erreicht werden können. Es reduziert sich also gewissermaßen auf den Gestus eines Fördergebers, und das ist natürlich die teu­erste Variante der Förderung, die wir uns ausdenken können.

Ich bringe Ihnen drei Beispiele für diese qualitative Transzendenz.

Das erste ist die Medienförderung. Da wird 2015 für Periodika aus dem Bereich Film, Kino, Literatur fast 1 Million € ausgegeben, unter anderem auch für die Kulturzeitschrift des Landes Niederösterreich, die per se ja auch durch die Definition der Eigentums­verhältnisse schon öffentlich finanziert ist, und so weiter und so weiter.

Dem gegenüber steht eine generelle Presseförderung in der Größenordnung von nicht einmal 10 Millionen €, die recht bescheiden ausgestattet ist. Ich weiß, es gibt Bestre­bungen für eine Medienförderung Neu, und die finden wir im Ansatz auch gut, doch sie ist im Budget des nächsten Jahres nicht berücksichtigt. Stattdessen wird weiter im Kunst- und Kulturbudget auch da mit kleinem Herumkleckern und kleinen Brocken ge­fördert – am Ende des Tages auch zum Schaden der Medienlandschaft, die natürlich an anderer Stelle auch auf eine Medienförderung Neu wartet.

An dieser Stelle könnte man sich durchaus für die nächste Gesetzgebungsperiode über­legen, den Medienbereich auch in den Kunst- und Kulturausschuss zu übernehmen, wo er eigentlich auch inhaltlich gewissermaßen hingehört. Das ist ja in vielen anderen Ländern auch der Fall, und dieser Bereich ressortiert ja schlussendlich auch beim glei­chen Minister. – Das ein bisschen off topic.

Die reine Fördermenge im Kunst-/Medienbereich schafft aber keine Exzellenz, schafft auch keine Innovation. Und abseits dieser Kritik an der Gießkannenförderlogik stellt sich mir auch die Frage, warum wir immer davon ausgehen, dass Kunst und Kultur nicht an sich lebensfähig sind.

Damit bin ich beim zweiten Beispiel, wo ich die Frage stelle: Braucht es in diesem Be­reich immer die Hand des Steuerzahlers und der Steuerzahlerin? Es geht dabei um den Bereich Musical. Letztes Jahr erhielten alle Häuser der zur Wien Holding gehörenden Vereinigten Bühnen Wien, davon zwei Musical-Spielstätten, Subventionen in der Höhe von 42 Millionen € – fast die Hälfte der 85 Millionen €, die die Stadt Wien insgesamt für darstellende Kunst vergibt. 2015 ist auch ein Plus von 1,5 Millionen € erwirtschaftet wor­den – ungefähr genauso hoch wie die zusätzlichen Subventionen in diesem Bereich, die aber auch nicht zurückgezahlt wurden.

Gleichzeitig bilanzieren die Vereinigten Bühnen stolz, dass knapp eine halbe Million Menschen die Musical-Vorstellungen besucht haben, zum Beispiel „Mary Poppins“ mit einer Besucherauslastung von 88,7 Prozent. Das könnte man durchaus als eine Incen-


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tivierung von Tourismus sehen, und man darf sich die Frage stellen, ob das vielleicht in einem anderen Budget, das standortpolitisch andere Akzente setzt, nicht besser aufge­hoben wäre.

Apropos Standortpolitik, da bin ich beim dritten Beispiel; da kommt es auch zu einer Vermengung der Mittel der Kulturförderung mit anderen Zwecken, wie zum Beispiel der Unterstützung einer Handelssparte. Vorgestern wurde erstmals der österreichische Buch­preis verliehen. Das Bundeskanzleramt, der Hauptverband des Österreichischen Buch­handels und die Arbeiterkammer Wien vergeben einen mit insgesamt 45 000 € dotier­ten Preis für literarische Werke österreichischer Autorinnen und Autoren. Es erschließt sich mir nicht ganz, warum eine Arbeitnehmervertretung, die sich aus Gebühren von Zwangsmitgliedern finanziert, und die Gewerbevertretung einer Handelssparte unter dem Deckmantel der Kulturförderung staatlich subventionierte Interessenvertretung be­treiben.

Ein Detail am Rande: Kulturvermittlung ist ja auch ein zentrales Anliegen der Kultur­politik. Wenn der Zugang zu Kunst und Kultur nicht an nachfolgende Generationen wei­tergegeben wird, dann geht diese ganze Fördermechanik gewissermaßen ins Leere. In der Kulturvermittlung spielen natürlich auch Bibliotheken eine wichtige Rolle. Da ist es für uns nicht ganz nachvollziehbar, dass für den ideologisch neutralen Büchereiver­band Österreichs die Förderungen zurückgegangen sind, auf der anderen Seite aber die Mittel für das Büchereiservice des ÖGB um 40 Prozent gestiegen sind und die Bi­bliothekseinrichtungen der Bischofskonferenz um 60 Prozent mehr gefördert werden. – Hold the door!

Zurück zum Buchhandel, bei dem ich als meinem dritten Beispiel eigentlich stehen ge­blieben bin – da schließt sich auch wieder der Kreis zur Medienförderung –: Der Buch­handel ist eine Sparte, die sich massiv im Umbruch befindet, aber anstatt da den ein­zelnen Unternehmen und Organisationen den unternehmerischen Spielraum zuzuge­stehen, zum Beispiel im Bereich Ladenöffnungszeiten, reagiert die Kulturpolitik mit der Verleihung des Buchpreises, mit Gesten, die in Wirklichkeit sehr wenig bewirken. (Bei­fall bei den NEOS.)

17.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Wurm. – Bitte.

 


17.40.31

Abgeordnete Mag. Gisela Wurm (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn hier manche meinen, es bedarf keiner Förderung von Frauen in der Filmbranche, nur einige Zahlen zur Anschauung: Es gibt an der Film­akademie 41 Prozent weibliche Studierende und 59 Prozent männliche. Es gibt eine Professorin, die anderen Professuren sind von Männern besetzt. Bei den ProduzentIn­nen gibt es laut Firmenbucheinträgen 2015 17 Prozent Frauen und 83 Prozent Männer. Bei den DrehbuchautorInnen gibt es laut Drehbuchverband 2015 32 Prozent Frauen und 68 Prozent Männer. Unter den RegisseurInnen sind 34 Prozent Frauen und 66 Pro­zent Männer.

Und wie werden die Gelder verteilt? – Die Gelder werden so verteilt, dass circa 23 Pro­zent der Gelder an weibliche Regisseurinnen, an weibliche Filmschaffende vergeben werden. Daher ist es unsere Aufgabe als PolitikerInnen – so verstehe ich auch unseren Job –, dass wir für Gerechtigkeit, für faire Aufteilung sorgen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aslan.)

Bei der Behandlung dieses Antrags der Kollegin Aslan im Gleichbehandlungsausschuss haben wir überlegt: Wie gehen wir damit um?, weil wir ja die Gleichbehandlungsgeset­ze zu beschließen haben, und da sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir, bevor


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 161

wir diesen Antrag dem Gleichbehandlungsausschuss zuweisen, einen Runden Tisch dazu machen, weil uns dieses Thema so wichtig ist.

Wir haben uns mit den Frauen vom Filmclub Gloria zusammengesetzt, um eine gute Lösung zu finden. Und wir haben eine gute Lösung gefunden, indem wir uns mit den Kultursprecherinnen, mit den Frauensprecherinnen und mit den Organisatorinnen vom Filmclub zusammengesetzt und uns überlegt haben: Wie gehen wir denn mit diesen mehr als berechtigten Anliegen um? Und es ist dabei etwas Gutes herausgekommen, sehr geehrte Damen und Herren.

Was hier jetzt in einem gemeinsamen Antrag, mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen beschlossen, vorliegt, das kann sich sehen lassen. Da wird keine zwangsweise Quote festgelegt, sondern da geht es um Anreizsysteme. Da geht es da­rum, dass wir wirklich Anreize für sehr talentierte, für sehr gute Regisseurinnen schaf­fen.

Film ist auch eine Visitenkarte im Ausland. Film ist etwas Wichtiges für jene, die Filme konsumieren, es ist eine Welt der Bilder. Und es ist wichtig, wie Frauen in der Gesell­schaft dargestellt werden. All das ist ein ganz zentrales gesellschaftspolitisches Anlie­gen.

Im Zuge dieser Diskussionen haben vor allem Kolleginnen von der ÖVP und von uns, der SPÖ, aber auch von den Grünen den Vorschlag gemacht, dass auch beim ORF zum Beispiel genauer nachgeschaut werden sollte: Wie schaut es denn dort mit der Beteiligung von Frauen aus, wie werden dort Frauen dargestellt?, und, und, und.

Es ist eine höchst gesellschaftspolitische Frage, die wir hier behandeln, und die haben wir mit großer Sorgfalt diskutiert. Es ist allen zu danken, die daran so gut mitgearbeitet haben. Auch Minister Drozda hat für diese Angelegenheit, für dieses Anliegen, das ge­sellschaftspolitisch so ein wichtiges ist, wirklich ein offenes Ohr gehabt.

Noch einmal herzlichen Dank an alle, die sich da wirklich hineing’haut haben, wenn ich das so volkstümlich sagen darf – allen voran Lisa Hakel, die das immer wieder weiter betrieben hat; selbstverständlich auch ein Dank an Kollegin Fekter. Kollegin Aslan wird sich ja sowieso noch zu Wort melden.

Ich bin stolz darauf und ich bin froh, dass wir ein so gutes Ergebnis vorweisen kön­nen – und das in trauter Gemeinsamkeit! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aslan.)

17.44


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Töchterle. – Bitte.

 


17.44.45

Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Auch ich bin wie meine Vorredner der Meinung, dass der Kunst- und Kultur­bericht zu loben ist. Mich hat besonders die Entwicklung der Museen interessiert, und ich habe mich auch darüber gefreut. Die Museen sind ja auch Stätten der Wissenschaft und der Forschung. Zum Beispiel ist in der Nationalbibliothek letztes Jahr das Litera­turmuseum eröffnet worden, und nächstes Jahr soll das Weltmuseum wieder eröffnet werden. So werden die Hofburg und die Nationalbibliothek immer mehr zu einem be­deutenden musealen Ort.

Ein kleiner Schatten fällt auf das Ephesos Museum, das glanzvoll ist und extrem besu­chenswert, das aber natürlich derzeit auch darunter leidet, dass wir aufgrund der poli­tischen Spannungen mit der Türkei in Ephesos nicht graben dürfen.

Weiters wird in der Hofburg bekanntlich auch das Haus der Geschichte, das Herr Dr. Ro­senkranz schon erwähnt hat, untergebracht werden – jetzt offenbar in einer et­was re­duzierten Größe, aber von einem „Zimmer“ möchte ich bei fast 2 000 Quadratmetern


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nicht sprechen. Das Haus der Geschichte ist ein ganz wichtiges Projekt, zu dem wir – mit „wir“ meine ich die Österreichische Forschungsgemeinschaft, deren Präsident ich bin – im Juni eine Tagung in der Nationalbibliothek, die in der Hofburg angesiedelt ist, veranstaltet haben. Bei dieser Tagung hat große Einhelligkeit darüber geherrscht, dass das ein sinnvolles Projekt ist, und es wurden auch viele Vorschläge gemacht, wie es denn auszugestalten wäre.

Ich persönlich habe diesbezüglich zwei konkrete Wünsche, die ich hier äußern möchte. Der eine ist: Es möge ein Museum sein, das die Geschichte österreichweit gleichwertig betrachtet und nicht allzu Wien-zentriert ist. Gerade in dem Zeitraum, der betrachtet werden soll, haben viele Länder unserer Republik bedeutende und wichtige – teilweise auch schmerzhafte – Geschehnisse über sich ergehen lassen müssen. Tirol als Bei­spiel hier zu nennen möge mir als Tiroler erlaubt sein; aber man könnte auch Kärnten und das Burgenland und viele andere Regionen Österreichs erwähnen. – Mein erster Wunsch ist also, dass das Haus der Geschichte nicht zu zentralistisch gestaltet wird.

Der zweite Wunsch ist, nicht zu negativ zu sein. – Gestern hat Herr Dr. Strolz pole­misch gemeint, die Gewerbeordnung gehöre ins Museum. Das greife ich auf und sage: Ja, sie gehört auch ins Museum, denn dieses Museum möge nicht nur, so wichtig das ist und so berechtigt es ist, in den alten Wunden wühlen, die wir uns selbst und die uns andere zugefügt haben, sondern es möge auch die Erfolgsgeschichte darstellen, die Österreich zu dem gemacht hat, was es heute ist. Zu dieser Erfolgsgeschichte gehört natürlich insbesondere die Aufbauarbeit in der Zweiten Republik. Diese Aufbauarbeit war geprägt von der Zusammenarbeit und vom Konsens vieler Kräfte, der natürlich im­mer auch in Kompromissen endet, über die man dann schimpft, und der bisweilen auch im Stillstand mündet, weil man eben nicht weiterkommt. All das gehört zur Abstimmung und zum Ausgleich der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte, die ein Land bestim­men, auch dazu. Das möge man, wenn immer wieder nach Entscheidungen und nach Schnelligkeit in der Entscheidung gerufen wird, auch heute bedenken.

So kann dieses Museum auch ein Museum sein, das uns mit einem Blick auf die Ver­gangenheit ein gewisses Verständnis für die Gegenwart und eine Gelassenheit für die Zukunft liefert. Das wäre mein Wunsch, und ich freue mich schon auf die ersten Schrit­te, die nächstes Jahr dazu gesetzt werden sollen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.48


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aslan. – Bitte.

 


17.48.47

Abgeordnete Mag. Aygül Berivan Aslan (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! Ich werde meine Rede zu unserem gemeinsamen Antrag betreffend Frauen in der Filmbranche halten. Ich kann mich eigentlich noch ganz gut erinnern, dass ich vor zwei Jahren auf einer Zugfahrt von Wien nach Innsbruck zufällig meine Freundin Tina Leisch, die Regisseurin ist, getroffen habe. Tina Leisch gehört wirklich zu den wenigen etablierten Frauen in der Filmbranche. Auf dieser Reise hat sie mir dann erzählt, wie schwierig es ist, als Frau in der Filmbranche überhaupt einen Platz zu haben, und zwar angefangen von den Fördergeldern bis hin zu den Projekt­ansuchen. Ich will jetzt keine Werbung für die ÖBB machen, aber man kommt bei solch einer Zugfahrt wirklich auf neue Ideen, und zwar hat mir Tina Leisch die Idee vermittelt, mich einmal wirklich in der Filmbranche schlauzumachen, zu schauen, ob es wirklich so ist.

Ich habe dann nach dieser vierstündigen Fahrt versucht, als eine nicht-fachkundige Per­son eine gründliche Recherche zu machen, ob das denn wirklich so ist, und bin drauf­gekommen, dass wirklich kaum eine Professorin an der Wiener Filmakademie ist, und habe dann bemerkt, dass die wichtigsten Entscheidungsgremien betreffend Fördergel-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 163

der sehr männlich dominiert sind. Ich bin dann auch draufgekommen, dass gerade in der heimischen Produktion es nur einen kleinen Prozentsatz Frauen gibt. Das war nicht unbedingt für mich als Politikerin, als Frauensprecherin das Alarmsignal, sondern pri­mär für mich als Frau, denn da gibt es ein System, das einfach ungerecht funktioniert. Das ist kein Thema, das nur Frauen interessieren sollte, sondern ich bin der Meinung, das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema.

Ich habe dann bemerkt, dass es nicht nur gesetzliche Lücken, sondern auch kaum poli­tische Maßnahmen auf dieser Ebene gibt, und habe versucht, die Sache wirklich kon­kret anzugehen. Das habe ich mit Hilfe meiner Kollegin Eva Mückstein getan. Ihre Toch­ter Katharina Mückstein ist Regisseurin, die in einer Interessenvertretung, FC Gloria, mit­macht, wo sich Frauen seit Jahren für gerechte Strukturen in der Filmbranche einsetzen.

Nach einem Gespräch mit der Interessenvertretung FC Gloria haben wir einen Antrag entwickelt, den ich im Gleichbehandlungsausschuss meinen KollegInnen vorgetragen habe. Ich muss wirklich sagen, Kollegin Wurm und Kollegin Schittenhelm haben sofort mitgemacht, haben sich sehr solidarisch gezeigt, haben wirklich darauf geachtet, dass wir aus der ganzen Sache etwas Gemeinsames schaffen können. Daraufhin ist der An­trag natürlich auch im Kulturausschuss gelandet. Kollege Zinggl und ich haben dann ver­sucht, diesen Antrag noch ein bisschen kräftiger, noch konkreter zu machen.

In Schweden ist es ja so, dass es schon gerechtere Strukturen in der Filmbranche gibt. Da gibt es ein Quotensystem, da schaut man darauf, dass eben kein Geschlecht mehr als 60 Prozent der Förderung bekommt. Und das ist einfach ein Zeichen, das wir endlich sehen sollten. Ich meine, wir haben es ohnehin schon gecheckt, aber ich hoffe halt, dass auch die KollegInnen aus der FPÖ jetzt wirklich einmal verstehen, dass man auf freiwilliger Basis einfach keine gerechten Strukturen schaffen kann. Manchmal braucht es halt konkrete Maßnahmen, manchmal braucht es halt ein Quotensystem, damit die überqualifizierten guten Frauen im Gegensatz zu den durchschnittlich quali­fizierten Männern auch einmal die Möglichkeit haben, entsprechend ihrer Qualifizierung belohnt zu werden. Gerade deswegen ist das Quotensystem sehr wichtig.

Nun noch einmal zurück zu meinem Antrag: Ich bin sehr froh und sehr stolz, dass wir da etwas Gemeinsames geschafft haben, aber ich sehe das als einen Teilerfolg; nur stolz auf den Antrag zu sein ist mir zu wenig. Ich sehe das nur als Anfang einer Periode für die Frauen in der Filmbranche, in der wir diesbezüglich noch mehr holen können. Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Fekter, Fichtinger und Durchschlag.)

17.53


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte. (Abg. Fekter: Jetzt muss sie gegen Frauen reden! – Abg. Gamon – auf dem Weg zum Rednerpult –: Nein!)

 


17.53.43

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Wir sind grundsätzlich der Meinung, wenn öffentliche Gelder in die Hand genommen werden, dann müssen wir damit erreichen, dass es mehr Geschlechtergerechtigkeit gibt. Das muss ein Zweck des Einsatzes von öffentli­chen Mitteln sein, denn das sind Mittel, die von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzah­lern kommen. Das ist unserer Meinung nach erstrebenswert. Wir werden diesem An­trag auch zustimmen.

Ich möchte aber schon auch die Chance nutzen, um ein paar Dinge aufzuzeigen, die ich in diesem Bereich tendenziell eher kritisch sehe. Es soll auch möglich sein, hier ei­ne differenzierte Debatte zu führen, wobei ich mir nach den Redebeiträgen von FPÖ und Team Stronach teilweise wirklich schwertue.


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In der Begründung des ursprünglichen Antrags ist zum Beispiel davon die Rede, dass es zu wenig Produktionsfirmen gäbe, die von Frauen geführt werden, und dass die Ent­scheidungsgremien keine festgeschriebene, paritätische Besetzung hätten. Da stelle ich mir teilweise schon die Frage, ob das auch wirklich so ist. Bei den Förderentschei­dungen in der Filmabteilung im Bundeskanzleramt wird die Entscheidung von einer Ju­ry getroffen, da sind von 15 Mitgliedern zehn Frauen. Im Österreichischen Filminstitut ist das Auswahlgremium paritätisch besetzt, im fünfköpfigen Fachbeirat des Fernseh­fonds Austria sind zwei Frauen und drei Männer, beim Filmfonds Wien zum Beispiel ist das Hauptgremium ebenfalls geschlechterparitätisch besetzt.

Es gibt aber schon auch Probleme, zum Beispiel, dass 2015 nur 26 Prozent der An­träge im Bereich der Filmherstellung von Regisseurinnen gestellt wurden. Auf der an­deren Seite ist bei Anträgen, die von Frauen gestellt werden, die Wahrscheinlichkeit ei­ne viel höhere, dass die Förderung genehmigt wird.

In der Begründung des Antrags wurde dann auch festgehalten, dass es sehr wenig Da­ten gibt, um eine echte Ursachenforschung zu betreiben. Das fehlt mir in diesem Ent­schließungsantrag jetzt noch, dass wir uns wirklich anschauen, was die Gründe dafür sind. Wie hoch ist der Anteil jener, die nach der Ausbildung nicht diesen Berufsweg ein­schlagen, und was ist die Motivation dahinter? Das wäre interessant zu wissen, da es ja auch für andere Bereiche wichtig ist.

Was zum Beispiel auch nicht ganz schlüssig ist, finde ich, sind diese Stipendien im Bereich Drehbuch, wo eh schon viele Frauen tätig sind. Wie ich gehört habe, ist im Aus­schuss auch von der ÖVP so argumentiert worden, dass man gegen ein Marktversa­gen ankämpfen müsste. – Das müsste man dann meiner Meinung nach auch in Berei­chen tun, wo weniger Frauen drinnen sind.

Ich finde es grundsätzlich (Abg. Fekter: … Strategie!) – Sie müssen nicht reinschrei­en – auch wieder beispielhaft (Abg. Fekter: Das müssen Sie aushalten!) für die Symp­tombekämpfung in der Frauenpolitik, auch von SPÖ und Grünen, die ich auch oft kri­tisiere. Ihr wisst auch, dass meine Einstellung da eine andere ist, denn ich glaube, dass wir das ganzheitlich angehen müssen. Wir nehmen uns einen Bereich heraus, mit Maßnahmen, die meiner Meinung nach nicht passend sind. Da frage ich mich schon: Machen wir das jetzt immer, wenn es irgendwo einen Bereich gibt, in dem Frauen Pro­bleme haben? – Und das sind viele.

Ich schätze das sehr, das war gute Lobbyingarbeit vom FC Gloria, das kann man auch so bezeichnen. Wenn jetzt aber eine Gruppe von Frauen in der Finanz- und Versiche­rungswirtschaft kommt – es gibt nämlich mehr weibliche Studienanfängerinnen an der WU, es gibt aber sehr wenig weibliche Professorinnen, und für Frauen ist es sehr schwierig, in Vorstände und Aufsichtsräte in der Finanz- und Versicherungswirtschaft zu kommen –, ist euch das dann auch so ein Anliegen, dass wir uns für ein spezielles Förderungsprogramm für Frauen in der Finanz- und Versicherungswirtschaft einset­zen? (Zwischenruf der Abg. Fekter.) Oder haben die ein Problem, weil die vielleicht ei­nen schlechteren Zugang zum grünen und roten Parlamentsklub haben? Das ist etwas, was ich sehr kritisch hinterfragen würde, wie das zustande gekommen ist.

Ich halte das für legitim, aber ich glaube, dass man die Herangehensweise als Ganzes kritisieren kann und auch die Herangehensweise an die Frauenpolitik als Ganzes kri­tisieren kann. Wenn wir keinen ganzheitlichen Zugang schaffen, der das Problem grund­sätzlich an der Wurzel packt – und da geht es darum, wie man Frauen Möglichkeiten gibt, beruflich weiterzukommen, auch unabhängig von der Branche –, dann müssen wir, glaube ich, mit solchen Einzelaktionen aufhören und ernsthaft in der Frauenpolitik et­was ändern. (Beifall bei den NEOS.)

17.57



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 165

Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kucha­rowits. – Bitte.

 


17.58.01

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Ga­mon, wir nehmen Frauenförderung immer und überall ernst. Du weißt das auch, Clau­dia. Wir setzen uns für Quoten in Aufsichtsräten ein, wir setzen uns dafür ein, dass Frauen definitiv die Chancen bekommen, die ihnen absolut zustehen, und wir endlich zu einer gleichgestellten und gleichberechtigten Welt kommen. Du weißt das! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Aslan.) Deswegen freue ich mich auch sehr über den Frau­enförderungsantrag und gratuliere euch sehr, sehr herzlich dazu. Super gemacht, liebe Kolleginnen!

Jetzt aber zum Kunst- und Kulturbericht, der natürlich auch einen Schwerpunkt auf Kul­turvermittlung legt. Wie können wir alle so gut wie möglich und vor allem nieder­schwellig in den Genuss von Kunst und Kultur kommen? Das ist sozusagen der große Anspruch, zum einen als Konsumentin, zum anderen aber natürlich auch, um sich selbst künstlerisch zu betätigen.

Ich möchte sehr gerne einen speziellen Fokus auf Kinder und Jugendliche legen. Den­ken wir zum Beispiel an den Gratiseintritt für bis zu 19-Jährige in die Bundesmuseen: eine super Sache, die auch fortgesetzt wird. – Danke dafür!

Ich denke mir aber auch, es wäre wichtig, wenn wir es in Bälde schaffen, dieses Ange­bot auch auf die Bundestheater auszuweiten. Es ist einfach so: Es gibt das Theater der Jugend, aber wenn man alleinerziehend oder teilzeitbeschäftigt ist, dann ist auch das zu teuer. Deshalb freut es mich sehr, dass der Herr Bundesminister den Kulturpass auf Bundestheater erweitern wird. Das ist eine super Sache, denn dann gibt es genau diesen Zugang auch zu dieser Bildung. – Dafür möchte ich einfach Danke sagen. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Apropos Bildung: Ich möchte noch ein Wort zu den Bibliotheken sagen, die im Übrigen die zweitgrößte Bildungseinrichtung nach den Schulen sind. Ich habe bei einer Diskus­sion mit den kritischen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren vergangenen Samstag ge­hört, dass es Städte und Gemeinden in Österreich gibt, die ganz klar öffentliche Biblio­theken zudrehen. Ich möchte das an dieser Stelle sagen, weil wir alle unser Augen­merk darauf richten und das stoppen sollten. Das ist nämlich ein Zugang zu Bildung für alle!

Abschließend zum aktiven Teil, was sozusagen den Zugang zu Kunst und Kultur an­belangt, zum Beispiel Stichwort Integrationsprojekt – ich weiß, Minister Drozda steht da sehr dahinter – oder diverse Jugendbühnen und Theater. Offen gesprochen fehlt mir aber eine Sache, nämlich dass wir Jugendliche und diese Projekte dementsprechend ver­stärkt für eine breitere Öffentlichkeit vor den Vorhang holen. Stichwort Nestroy-Preis: Das ist ja eine wirklich tolle Sache, aber die Kategorie Beste/r Jugend- oder Kinder­schauspieler/in habe ich noch nicht entdeckt. – Ich hoffe auf das nächste Jahr. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.01


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Troch. – Bitte.

 


18.01.05

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Kunst- und Kulturbericht diskutieren, dann ist es na­türlich auch sehr angebracht, dass wir uns die Erinnerungskultur anschauen. Bei Er­innerungskultur geht es natürlich um die Geschichte Österreichs. Wir gehen auf ein


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 166

Jubiläum zu, das Jubiläumsjahr 2018 heißt 100 Jahre Republik Österreich. In diesem Zusammenhang ist natürlich das Haus der Geschichte bereits als spannendes Projekt genannt worden. Auch wir haben hier über das Haus der Geschichte schon diskutiert.

Ich denke, Geschichte spielt sich natürlich in unserer Erinnerung sehr stark so ab, dass wir Jubiläen zum Anlass nehmen, um eben ganz besonders den Blick zurück zu ma­chen, aber auch, um immer einen Blick auf die Gegenwart zu richten. Man soll ja aus der Geschichte lernen.

Es ist natürlich interessant, wie sich das Projekt Haus der Geschichte entwickelt hat. Man kann tatsächlich von einer Redimensionierung sprechen. Was mich freut, ist, dass eine Lösung gefunden wurde, ein paar Konfliktsituationen, die es doch um die Raum­nutzung und eventuell auch um Finanzen gegeben hat, in einem Dialog sehr gut zu entschärfen. Alle Beteiligten und Betroffenen können nun, glaube ich, mit der Situation, die es bei der Realisierung dieses Projekts geben wird, zufrieden sein.

Abgeordneter Rosenkranz ist heute ausnahmsweise einmal seinem Namen sehr ge­recht geworden und hat dem roten Bundesminister Rosen gestreut (ironische Heiterkeit des Abg. Walter Rosenkranz), und zwar gerechtfertigterweise, muss ich sagen. (Abg. Walter Rosenkranz: Kollege Troch, passen Sie auf, es gibt auch den schmerzensrei­chen Rosenkranz!) Der Herr Bundesminister hat in einer Reihe von Fragen wirklich seine Hausaufgaben erledigt, auch beim Haus der Geschichte zum Beispiel. Das ist er­freulich, und ich denke, es ist sehr fair, wenn das auch ein blauer Abgeordneter hier kon­zediert. (Abg. Walter Rosenkranz: Ich glaube, ich muss eine tatsächliche Berichtigung machen! – Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

In diesem Sinn sage ich auch jenen, die am Kunst- und Kulturbericht mitgearbeitet ha­ben, ein sehr herzliches Dankeschön. Ich glaube, der Bericht ist wirklich gut gelungen.

Abschließend noch zu den Sorgen um das Haus der Geschichte: Kollegin Fekter hat schon einmal geäußert, dass es vielleicht parteipolitisch dimensioniert ist, jetzt gibt es die Angst, es ist Wien-zentriert. – Ich glaube, die Gestaltung dieses Hauses der Ge­schichte und seiner Ausstellung liegt in sehr guten Händen und wird ein sehr faires Bild des Föderalismus in Österreich zeigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte.

 


18.03.51

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr gerne möchte ich mich den anerkennenden Worten für den vorliegenden Kunst- und Kulturbericht anschließen. Es ist eine großartige Leistungsschau, sehr ansprechend ge­staltet. Natürlich ist es aber wichtig, in einer derartigen Debatte nicht nur den Blick an­erkennend zurückzuwerfen, sondern auch – so wie wir das im Ausschuss schon ge­macht haben – zu diskutieren, wo in Hinkunft die Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Da finde ich die Schwerpunktsetzungen sehr wichtig, die Herr Minister Drozda in der letzten Zeit angekündigt und zum Teil auch schon eingeleitet hat.

Wichtig ist – ich möchte das jetzt herausgreifen und betonen – die Schwerpunktset­zung, die er zur Unterstützung, zur Förderung der zeitgenössischen Kunst vornehmen will. Er hat sich vorgenommen, die freie Szene entsprechend zu unterstützen. Es geht also darum, nicht nur unsere großen Kulturinstitutionen, die wir lieben und wertschät­zen, sondern auch die freie Szene, die diversen Initiativen zu unterstützen.

Ein weiterer wichtiger Schritt betrifft die Anhebung der Künstlerstipendien, die eine wich­tige Unterstützung für Künstler und Künstlerinnen darstellen und die wir seit längerer Zeit nicht mehr entsprechend anheben konnten.


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Ein weiterer wichtiger Schritt ist der Ausbau der Arbeitsateliers, einer wichtigen Infra­struktur, um Gegenwartskünstler entsprechend zu unterstützen.

Ein weiterer Impuls, der schon vor längerer Zeit gesetzt wurde, ist der Österreichische Buchpreis, der Anfang November das erste Mal vergeben wurde. Wir gratulieren auch von dieser Stelle den Preisträgerinnen Friederike Mayröcker und Friederike Gösweiner, die diesen ersten Buchpreis beziehungsweise Debütpreis erhalten haben. Dies ist auch ein wichtiger Schritt, um der österreichischen Gegenwartsliteratur in ihrer Qualität und Eigenständigkeit die entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Einerseits ist es ein umfangreicher Bericht, der uns heute vorliegt, und andererseits gibt es auch ambitionierte Perspektiven. (Beifall bei der SPÖ.)

18.06


Präsident Karlheinz Kopf: Nun ist noch Herr Bundesminister Mag. Drozda zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


18.06.30

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda: Ich nehme stellvertretend für das Bundeskanzleramt und die Beamtinnen und Beamten des Hauses gerne das Lob für den Bericht entgegen und schließe mich dem vollin­haltlich an. Es ist ein sehr kompakter Bericht, er ist sehr übersichtlich, sehr klar, sehr gut dargestellt und er zeigt auch, dass die Sektion Kunst und Kultur, die jetzt unter ei­ner einheitlichen, sehr professionellen Führung steht, zusammengewachsen ist. Das ist in der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen spürbar, aber das stellt sich auch in dem Bericht dar.

Wenn man den Bericht liest, sieht man, dass wir wirklich viel Geld gut investieren. Wir gehen von einem Budget von etwa 440 Millionen € aus, 92,5 Millionen € für die Kunst, rund 350 Millionen € für die Kultur, und ich bin restlos davon überzeugt, dass das gut ausgegebenes und gut investiertes Geld ist.

Der Denkmalschutz, der hier in mehreren Redebeiträgen als wichtige Frage artikuliert wurde, ist auch mir ein Anliegen. Das artikuliert sich dadurch, dass wir die Mittel für den Denkmalschutz gegenüber dem heurigen Budget wieder um 2,4 Millionen € auf 37,2 Millionen € ausweiten, aber sehr wohl natürlich auch dadurch, dass wir sehr ge­nau auf Weltkulturerbe-Fragen und Fragen, wie mit dem Denkmalschutz und mit dem kulturellen Erbe dieses Landes insgesamt umgegangen wird, achten.

Ein abschließendes Wort noch zu der Debatte um den Film: Ich habe zu einem Film-Round-Table eingeladen, so, wie ich auch zum Medienthema und zu vielen anderen Themen zu Round-Table-Gesprächen eingeladen habe, und hatte dazu das eine oder andere Vorgespräch beim Film-Round-Table. Ich muss Ihnen aber sagen – die Zahlen sind von Gisela Wurm genannt worden –, dass es eine Professorin und insgesamt 10 Prozent Professorinnenanteil bei einem Studentinnenanteil von 40 Prozent gibt, ist seltsam. Wenn Sie die Filmproduzenten – Wolfgang Zinggl hat das erwähnt – einladen, dann fühlen Sie sich wie bei einer Zeitreise in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts versetzt. Da fehlt nur mehr der Zigarrenrauch, denn da sitzen wirklich nur Männer bei­sammen.

Ich finde, dass dieses System, das wir da jetzt etablieren, ein intelligentes finanzielles Anreizsystem, das natürlich auch die Qualität im Auge behält, aber gleichzeitig auch Anreize schafft, um begabte DrehbuchautorInnen, RegisseurInnen die Möglichkeit zu geben, Filme zu produzieren, und auch ProduzentInnen animiert, diesen Kreis etwas zu verbreitern, eine absolut richtige und notwendige und mit dem 21. Jahrhundert un­trennbar zusammenhängende Entwicklung ist. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.09

18.09.33

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 168

Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Bevor ich zur Abstimmung schreite, wende ich mich noch an Herrn Abgeordneten Loa­cker: Herr Abgeordneter, Sie haben am Vormittag in einem Redebeitrag, der unter mei­nem Vorsitz um 12.10 Uhr begonnen hat, einen Ausdruck verwendet, den ich jetzt nicht wiederhole, im Rahmen des Satzes: „Da braucht man ein bisschen (…), und das wird eine solch große Regierung wohl haben.“ (Abg. Loacker: Ich ziehe diese Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück!) – Das ist sehr gut, dann erspare ich mir und Ihnen den Ordnungsruf, wenn Sie das mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückziehen, da dieser Ausdruck eindeutig die Würde des Hauses verletzt hat. – Vielen Dank.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14: Antrag des Kultur­ausschusses, den vorliegenden Bericht III-295 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15, die dem Ausschussbe­richt 1302 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend Frauenförderung in der Filmbranche.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist mit Mehrheit angenommen. (E 181.)

18.11.0116. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über die Regierungsvorlage (1147 d.B.): Abkom­men zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Re­publik Kosovo über kulturelle Zusammenarbeit (1303 d.B.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Somit kommen wir zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort. – Bitte.

 


18.11.19

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Ich möchte in aller Kürze zu folgendem Thema Stellung nehmen: Wir hatten diese Woche eine Delegation aus dem Kosovo im Parla­ment. Wir durften sie begrüßen und führten ein sicherlich interessantes Gespräch. Es ist daher heute vorgesehen, einen Beschluss über ein Abkommen zu fassen, welches zum Ziel hat, eine Erweiterung der bilateralen Kooperation im Bereich Bildung, Kunst und Kultur, Know-how-Transfer, gemeinsame Fortbildungen, Kooperationen von Mu­seen, Bibliotheken, Archiven, Denkmalschutz et cetera zu fördern.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das im weiteren Sinn eher die Auslandskulturarbeit betrifft – das wird sich auch im Bericht des Ressorts so darstellen. Einer unserer Schwerpunkte ist durchaus im Westbalkan angesiedelt. Wir wollen dort wirklich versuchen, einen Austausch und eine Kooperation herbeizuführen. Der Kosovo ist neben Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien ein wesentlicher Bereich. Es hat den Westbalkan-Schwerpunkt mit einem jähr­lichen Länderschwerpunkt gegeben, der Anfang wurde mit Serbien gemacht.

Wir sind daran interessiert, auf diesen Kooperationsebenen den womöglich vorhande­nen politischen und kulturellen Spannungen in diesen Gebieten ein wenig entgegenzu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 169

wirken, indem wir unsere Erfahrungen im wissenschaftlichen Bereich und der zeitge­nössischen Kunst einbringen. Ich glaube, das sollte man auch in Zukunft fortsetzen, daher bin ich sehr froh, dass es dieses längst fällige Abkommen in diesem Bereich gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

18.13


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter zu Wort. – Bitte.

 


18.13.35

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Das Abkommen ist ein Kulturabkommen mit dem Kosovo, ähnliche haben wir bereits mit Slowenien, Kroatien und Mazedonien abgeschlossen. Sie sind ein Nachfolgeprodukt der Abkommen, die wir damals mit Jugoslawien ge­schlossen hatten. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der beiden Staaten auf den Gebieten Kultur, Bildung, Wissenschaft, Jugend und Sport zu fördern, eine Rechtsgrundlage zu schaffen und die gegenseitigen Austauschprogramme und Unterstützungsprogramme entsprechend zu forcieren.

Im wissenschaftlichen Bereich gibt es Vereinbarungen über universitäre Zusammen­arbeit, Bildungszusammenarbeit, Austausch von Expertinnen und Experten und Initiati­ven bei der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung.

Im Kunst- und Kulturbereich geht es um Kooperationen der beiden Staaten. Es geht um Kulturveranstaltungen und Förderung der direkten Zusammenarbeit, auch von Bi­bliotheken, Archiven und Museen.

Wir haben uns nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer bemüht, unseren näheren Nachbarn Unterstützung angedeihen zu lassen. Es kommt ohnehin reichlich spät und ist gerechtfertigt, dass wir mit dem Kosovo eng zusammenarbeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.15

18.15.12

 


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Kultur­ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages in 1147 der Beila­gen gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

18.15.4617. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975), BGBl. Nr. 410/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 41/2016, geändert wird (1845/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Brosz zu Wort. – Bitte.

 


18.16.10

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Herr Präsident! Erst kürzlich ist das Thema der Möglichkeit von Ton- und Bildaufnahmen bei Enqueten virulent geworden. Es gab die CETA-Enquete, mit Beteiligung von EU-Kommissarin Malmström, und es gab ent-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 170

sprechendes öffentliches Interesse. Es war aber aufgrund der jetzigen Bestimmungen der Geschäftsordnung nicht einfach möglich, dafür zu sorgen, dass es Bild- und Tonauf­nahmen gibt.

Unsere Idee ist: Machen wir das relativ transparent! Drehen wir das um und machen eine Geschäftsordnungsregelung, wonach Bild- und Tonaufnahmen von Enqueten grund­sätzlich zulässig sind! Nur in besonderen Fällen – es kann ja Gründe geben –, wenn ein anderer Beschluss gefasst wird, kann davon Abstand genommen werden. Bei der letzten Debatte war es so, dass hinterher alle gesagt haben: Eigentlich hätten ohnehin alle gewollt, dass es übertragen wird, nur ist es leider nicht gegangen. Daher wollen wir das im Rahmen der Geschäftsordnung lösen.

Ich denke, dass eine Enquete großes Interesse findet und man medial darüber berich­ten kann. Die Journalisten haben sich auch an uns gewendet – wahrscheinlich auch an andere Abgeordnete – und gesagt: Das ist eigentlich absurd, drinnen spricht Frau Malm­ström, das dürfen wir nicht aufnehmen, und wenn die Klubobleute sprechen, muss man extra draußen Tonaufnahmen machen, weil es keine Übertragung geben darf.

Transparenz wäre gut, und wir wollen in Zukunft Enqueten öffentlich übertragbar ma­chen. (Beifall bei den Grünen.)

18.17


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. – Bitte.

 


18.17.32

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Herr Präsident! Die momentane Regelung ist eine solche, dass Enqueten nicht öffentlich sind, aber Medien zugelassen sind; die­se dürfen aber keine Bild- und Tonaufnahmen machen. Ich glaube auch, dass das überdenkenswert ist. Wenn wir im Ausschuss Hearings machen, dann handhaben wir das schon anders. Es kann nicht sein, dass man bei Hearings im Ausschuss schon weitergeht als bei Enqueten, die eigentlich der öffentlichen Information dienen.

Ich glaube, dass wir eine gute Gesprächsbasis finden werden, um das zu verändern. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

18.18


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Himmelbauer zu Wort. – Bitte.

 


18.18.01

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Wir werden sicherlich im Aus­schuss noch sehr ausführlich darüber sprechen. Ich gebe auch zu bedenken – um es auf einer sachlichen Ebene zu halten –: Wir haben derzeit zwei Instrumente, zum einen die Enquete-Kommission, wo Medienvertreter Bild- und Tonaufnahmen machen dür­fen, zum anderen das Instrument der Enquete, das vorwiegend – das kann man auch nachlesen – der Information, dem Meinungsaustausch, der Diskussion der Fachabge­ordneten beziehungsweise bei Querschnittthemen auch der entsprechenden Abgeord­neten über Ausschüsse hinweg dienen soll.

Ich glaube durchaus, dass es interessant und vielleicht auch wichtig ist, dass wir ein solches Instrument haben, mit dessen Hilfe interne Diskussionen ganz offen geführt werden können, ob zu aktuellen oder künftigen Themen, und das auch über Ausschüs­se hinweg. Man kann darüber sicherlich noch sprechen.

Es gibt im Gegenzug auch das Instrument der Enquete-Kommission, die öffentlich statt­finden kann, wobei man sich natürlich auch im Vorfeld überlegen muss, wie und mit welchem Instrument eine solche Veranstaltung durchzuführen ist. Das sei damit ganz sachlich aufs Tapet gebracht, um es in den weiteren Diskurs hineinzubringen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 171

Wir stehen einer Diskussion zu diesem Thema sicherlich offen gegenüber. Dennoch ge­ben wir zu bedenken, dass es bereits zwei Instrumente gibt, um zum einen die Öffent­lichkeit einzubinden und zum anderen einzelnen Abgeordneten Fachinformation zu bie­ten. (Beifall bei der ÖVP.)

18.20


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kassegger zu Wort. – Bitte.

 


18.20.16

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Erste Lesung über eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes, der Geschäftsordnung des Nationalrates: Es ist inhaltlich vom Kollegen Brosz schon erläutert worden, worum es geht. Es geht darum, bei parlamentarischen Enqueten auch Bild- und Tonaufnah­men möglich zu machen, was bisher nicht möglich war.

Nach meinem Verständnis ist die Funktion einer parlamentarischen Enquete neben dem, was Kollegin Himmelbauer gesagt hat, nämlich den interdisziplinären inhaltlichen Austausch von Parlamentariern und Abgeordneten über die Ausschussgrenzen hinweg zu ermöglichen, selbstverständlich auch die Komponente der Öffentlichkeitswirksam­keit, also die Komponente des offenen Parlaments, flapsig formuliert, um Werbung für den Parlamentarismus zu machen. In diesem Zusammenhang ist das sinnvoll, insofern sind wir auch sehr gesprächsbereit und offen, ohne jetzt unser Abstimmungsverhalten präjudizieren zu wollen, was diesen Gesetzgebungsbeschluss betrifft; wir halten diese Initiative grundsätzlich für gut. (Beifall bei der FPÖ.)

18.21


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Scherak zu Wort. – Bitte.

 


18.21.40

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak (NEOS): Herr Präsident! Wir sollten die Debatte eigentlich viel grundsätzlicher führen. Zu dem, was Kollegin Himmelbauer gesagt hat: Medien sind ja eh schon erlaubt; das heißt, für den rein internen Austausch ist die En­quete in diesem Fall auch nicht gedacht, weil Medienvertreter sowieso anwesend sein können. Unabhängig davon können wir uns intern auch so austauschen, glaube ich. Die Frage, die wir aber grundsätzlich stellen sollten, ist, wieso die Regierungsparteien im­mer wieder solche Angst vor der Öffentlichkeit haben.

Was Kollege Brosz vorschlägt, ist, im Zusammenhang mit einer Enquete grundsätzlich die Öffentlichkeit zuzulassen, also eben auch Bild- und Tonaufnahmen möglich zu ma­chen, außer der Hauptausschuss sagt: In diesem Fall nicht! Ich habe das hier schon
x-mal gesagt, und ich werde nicht müde, es weiterhin zu sagen: Im Europäischen Par­lament ist es gang und gäbe und ganz normal, dass auch Ausschusssitzungen öffent­lich sind und man sie sich im Internet anschauen kann.

Zum Thema interne Debatte: Diese führen wir hier ja auch, nur vor einer sehr breiten Öffentlichkeit – über den ORF und per Livestream kann man sich das Ganze anschau­en. Wir sollten uns aber grundsätzlich einmal ernsthaft überlegen, wieso wir nicht viel, viel mehr in diesem Haus öffentlich machen, auch vor dem Hintergrund, dass wir natür­lich Bürgerinnen und Bürgern mehr Informationen zur Verfügung stellen wollen, damit sie mehr Verständnis haben. Ich höre immer das Gegenargument – Kollege Wittmann sagt das immer –: Da können wir im Ausschuss ja gar nicht mehr diskutieren! Das se­he ich nicht so, weil man natürlich ernsthaft und normal in einem Ausschuss Argumen­te austauschen kann, und das trotzdem total unproblematisch ist, auch wenn die Öffent­lichkeit dabei zuschaut.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 172

Also ich mache mir da keine Sorgen. Ich glaube, das Europäische Parlament ist ein gutes Beispiel dafür, wie es funktioniert; alle Ausschusssitzungen kann man sich öf­fentlich anschauen. Selbstverständlich sollte man sich auch Enqueten öffentlich anschau­en oder streamen können, ebenso die Sitzungen von Enquete-Kommissionen. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass wir Parlamentarier uns immer wieder verstecken. Wir brauchen mehr Öffentlichkeit und weniger Intransparenz, und das auf allen Ebe­nen. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

18.23


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1845/A dem Geschäftsordnungsausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.23.56Abstimmung über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Karlheinz Kopf: Es folgt noch eine Abstimmung über den Antrag des Abge­ordneten Dr. Scherak.

Ich bitte die Mitarbeiter, sich jetzt aus den Abgeordnetenreihen zu entfernen; damit meine ich auch Sie (in Richtung eines Mitarbeiters) da hinten. (Abg. Lugar: Lassen wir den Saal räumen!)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Scherak, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 840/A der Abgeord­neten Mag. Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird, eine Frist bis 24. Dezember 2016 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entspre­chendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

18.24.50Einlauf

 


Präsident Karlheinz Kopf: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 1891/A(E) bis 1897/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 18.25 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.25.15Schluss der Sitzung: 18.25 Uhr

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